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ig Die "Herausgabe einer Uebersetzung in lmeseideker und enger Sprache
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’ el Vieweg und Sohn.
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HANDBUCH
DER
ANATOMIE
MENSCHEN.
VON
De. J- HENLE,
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Professor der Anatomie in Göttingen.
® IN DREI BÄNDEN.
ERSTER BAND. ERSTE ABTHEILUNG.
Lg KNOCHENLEHRE.
MIT ZAHLREICHEN IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN.
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
1855.
HANDBUCH:
- DER
KNOCHENLEHRE
DES
MENSCHEN.
2-D.
VON
Dr. J. HENLE,
Professor der Anatomie in Göttingen.
MIT 290 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN.
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
1,3503.
* “ . re
Holzschnitte
aus dem xylographischen Atelier
von Friedrich Vieweg und Sohn
in Braunschweig.
Bra p ner
aus der mechanischen Papier-Fabrik
der Gebrüder Vieweg zu Wendhausen
bei Braunschweig.
Vorrede
Wenn zu der grossen Zahl anerkannter anatomischer Handbücher
ein neues sich gesellt, so muss es darauf gefasst sein, mehr verwun-
derten und fragenden Blicken, als solchen, aus welchen die Befriedi-
gung eines „tief gefühlten Bedürfnisses“ leuchtet, zu begegnen. Ist
es nun auch des Buches eigene Sache, sich über seine Existenz zu
rechtfertigen, so mag es doch dem Verfasser gestattet sein, die Mo-
tive und die aus denselben hervorgegangene Einrichtung des Unter-
nehmens mit einigen Worten anzudeuten.
Dass nicht das thatsächlich Neue zur Mittheilung drängte, wird
man gern glauben. Obgleich die Meinung, dass die specielle Ana-
tomie eine abgeschlossene Wissenschaft sei, Jahr für Jahr durch mehr
oder minder bedeutende Entdeckungen widerlegt wird; obgleich selbst
auf der viel begangenen Heerstrasse der Osteologie noch hier und
da ein Fund den aufmerksamen Wanderer lohnt: so ist doch das, was
wir hinzufügen, verschwindend klein gegen die Masse des von lange
her Ueberlieferten. Wenn der Verfasser die Gunst, nach welcher er
strebt, sich erwirbt, so muss er sie der Methode der Darstellung
verdanken.
Die Tendenz des Buches ist eine praktische. Ich verstehe aber
unter einer praktischen Behandlung der Anatomie weder die Bevor-
zugung der für den Arzt wichtigeren Körpertheile, noch eine gelegent-
liche Hinweisung auf Operationsregeln und Aehnliches, sondern eine
Weise des Vortrags, welche für alle praktischen Fälle ein Bild des
Gesehenen in der Phantasie des Beschauers und Lesers zurücklässt.
Auf dieser Tendenz beruht die Verwebung des Textes und der Figu-
ren, die deshalb eine unerlässliche war, weil der Text das Auge des
Lesers zu den abgebildeten Formen leiten will und die Abbildungen
VI r Vorrede. e
die im Text gegebene Anregung, beschriebene Formen sich vorzustel-
len, unterstützen sollen. Der Text konnte deshalb weder so kurz,
noch so an sich fasslich eingerichtet werden, als man es von Hülfs-
mitteln des ersten Unterrichts erwartet; ich habe aber die Hoffnung,
dass die Beschreibung in dem Maasse, wie sie das Verständniss der
Figuren fördert, sich selbst überflüssig machen werde.
Die Abbildungen sind um ein gutes Theil eleganter, aber nicht
viel complieirter, als diejenigen, weiche der Verfasser seit Jahren bei
anatomischen Demonstrationen an die Tafel zeichnet und seinen Zu-
hörern nachzuzeichnen zumuthet. Abgesehen davon, dass diese Ein-
fachheit der Figuren eine Bedingung war, um in der Zahl derselben
unbeschränkt zu sein, so glaube ich dadurch auch die Auffassung des
Wesentlichen erleichtert zu haben. Die Abbildungen der Knochen
wollen nicht mit denen von Albin oder d’Alton verglichen werden;
sie bescheiden sich, in malerischer Wirkung selbst hinter den Holz-
schnitten der. englischen und französischen Taschen - Anatomien zu-
rückzustehen. Als Muster schwebte mir der Charakter architektoni-
scher Zeichnungen vor, welche von Licht und Schatten nur so weit,
als zur Andeutung der Form nothwendig ist, Gebrauch machen, die
Verschiedenheiten des Materials durch conventionelle Strichweisen
ausdrücken, von allen Zufälligkeiten der Wirklichkeit absehen und so
freilich gerade auf Alles verzichten, was ein Architekturbild pittoresk
machen kann. Ebenfalls nach dem Vorbilde des Architekten habe ich
mein Object mit Hülfe von Durchschnitten zu erläutern gesucht. Es
ist zur ÖOrientirung in diesen Durchschnitten nicht unwesentlich, dass
sie sich mühelos auf einander und auf die Facade beziehen lassen;
deshalb wurde immer von Horizontalschnitten die obere, von Schnitten,
welche den Körper in vordere und hintere Hälfte trennen (Frontal-
schnitten), die hintere Schnittfläche abgebildet.
Bei der Verbindung, in welcher Text und Abbildungen zu ein-
ander stehen, wird man, wie ich hoffe, eine besondere Erklärung der
letzteren nicht vermissen. Sie ist einigermaassen dadurch ersetzt,
dass die Einzelheiten mit den charakteristischen Anfangsbuchstaben
ihrer Namen bezeichnet und die Namen der Einzelheiten, welche man
auf den Abbildungen zu suchen hat, im Texte durch den Druck aus-
gezeichnet sind.
Was nun die anatomische Terminologie betrifft, so bin ich mit
dem Versuche einer Vereinfachung derselben vorangegangen, den ich
der wohlwollenden Prüfung der Fachgenossen empfehle. Dass die
üblichen Benennungen anatomischer Gegenstände nicht immer treffend,
nicht immer wohllautend, öfters geschmacklos und im Allgemeinen |
Vorrede. VII
principlos sind, ist eine von allen Seiten eingeräumte Thatsache. Doch
ist dies ein Uebelstand, den die Anatomie mit vielen Natur- und
technischen Wissenschaften theilt und den, bei der Ausbildung, welche
sie einmal erlangt hat, auch die consequentesten Neuerungen nicht
mehr beseitigen werden. Ein Uebelstand aber, der die Anatomie
auszeichnet, ist die Häufung gleichbedeutender Namen für dieselbe
"Sache. In den übrigen Naturwissenschaften gilt die Synonymie als
eine Last, deren man sich gern entledigte; sind durch Missgriffe
einem Körper mehrere Namen zu Theil geworden, so verschwinden
doch, sobald der berechtigte festgestellt ist, die übrigen aus dem
Gebrauche. In anatomischen Werken aber, und zwar nicht bloss
in gelehrten, zieht man obsolete Namen ans Tageslicht; zwei Be-
nennungen durch ein seu zu verbinden, ist das Wenigste, was der
anatomische Anstand erfordert, und dies geht so weit, dass die Ent-
decker selbst ihre Neuigkeiten, wie vornehme Eltern ihre Kinder, mit
einer Anzahl Namen ausstatten. Ich habe mich für jeden Körper-
theil immer nur einer und derselben Bezeichnung bedient; gebräuch-
liche Synonyme sind in Noten unter dem Text angegeben; dass un-
gebräuchliche in Vergessenheit gerathen, wollte ich, so viel an mir
liegt, nicht verhindern.
Unter diesen Umständen aber musste die Wahl des beizubehalten-
den Namens ein Gegenstand ernster Erwägung sein. Dass nicht das
historische Princip, wie in den Naturwissenschaften, maassgebend sein
konnte, liegt auf der Hand: die meisten ersten Namen der Dinge
‚würden wie ganz neue klingen. Oft gab die Rücksicht auf die Kürze
oder die Sinnigkeit der Namen den Ausschlag; Benennungen nach
Gelehrten, wie Antrum Highmori, Canalis Fallopiae und viele andere,
suchte ich zu vermeiden, schon aus dem Grunde, weil, wie bereits
"Sömmerring rügt, diese Art anatomischer Ehrenzeichen nur sehr
selten den trafen, der sie verdient hatte.
Einer Rechtfertigung bedarf vielleicht die Unbeständigkeit im
Gebrauche lateinischer und deutscher Kunstausdrücke. Ich bekenne,
dass es keine unabsichtliche ist. Am wünschenswerthesten wäre mir
die Durchführung einer neutralen und den Nationen, die sich mit
unserer Wissenschaft beschäftigen, gemeinsamen, lateinischen Termi-
nologie gewesen; denn ich vermag nicht, eine Bethätigung des Pa-
triotismus darin zu erkennen, dass man fremden Völkern den Zugang
zu dem wissenschaftlichen Erwerb des eigenen erschwert. Aber von
dem Hepate oder den Oculis zu reden, ist selbst unter Fachmännern
schon längst nicht mehr möglich; so wird im Allgemeinen, wie das
Interesse an einer Sache sich verbreitet, der Trivialname unvermeid-
VIII Vorrede.
.
licher, und so sind auch in diesem Buche die vielfach wiederkehren-
den Dinge deutsch benannt. Die wahrhaften Vortheile an Präcision
und Kürze, welche in vielen Fällen lateinische Ausdrücke gewähren,
sollte man sich aber nicht entgehen lassen. Wo unsere Sprache schlep-
pende zusammengesetzte Wörter bildet, während die lateinische den
wesentlichen Theil der Bezeichnung als Beiwort zu einem Haupt-.
wort fügt, welches allenfalls abgekürzt oder weggelassen werden
darf, da verdient die lateinische unbedingt den Vorzug. Es giebt
andere Mittel, die Liebe zum Vaterlande und zur Muttersprache zu
beweisen, als die Opfer an Zeit und Zunge, die man bringt, wenn
man z. B. statt der oder die Cruralis und statt N., A. oder V. eru-
ralis Schenkelnerv, Schenkelpulsader und Schenkelblutader spricht
und schreibt.
Schliesslich habe ich noch zwei Schriften zu erwähnen, die mir zu
spät zukamen, um die in denselben enthaltene Belehrung an geeigneter
Stelle zu benutzen. Horner spricht sich in einer unter H. Meyer’s
Leitung ausgearbeiteten Dissertation (Ueber die Krümmung der Wirbel-
säule im aufrechten Stehen. Zürich 1854) ebenso wie Vrolik (siehe
unten 9. 24) gegen die Richtigkeit der Weber’schen Durchschnitts-
zeichnung der Wirbelsäule aus; nach Horner liegen das Atlasge-
lenk, der Körper des neunten Brustwirbels und des dritten Kreuz-
wirbels in einer Verticalen; in der Form der Wirbelkörper (siehe
unten S. 32) fand Horner nirgends eine Regelmässigkeit, als an
den unteren Lendenwirben. Während sonst überall bald hinten,
bald vorn eine um Weniges verschiedene Höhe sich zeigte, ergab sich
hier beständig eine stärkere Höhe vorn, eine geringere hinten.
Aus Huschke’s Werk „Schädel, Hirn und Seele des Menschen
und der Thiere, Jena 1854“ ist nachzutragen (zu S. 188), dass die
Alae vomeris sich während des Wachsthums nach hinten ausdehnen:
noch beim jährigen Kinde bedecken sie nur den vordersten Theil der
unteren Fläche des Wespenbeinkörpers; im zwanzigsten Jahre er-
reichen sie die Synchondrose des Hinterhaupts- und Wespenbeins
(a. a. O. S. 7). Auf die wichtigen Beiträge zur Kenntniss der Al-
ters-, Geschlechts- und Racenunterschiede des Schädels im Ganzen,
welche Huschke’s Werk enthält, kann ich hier nur verweisen.
Göttingen, Februar 1855.
Der Verfasser.
Einleitung
Plan des Körpers ar Wirbelthiere, eheronehre ve Menschen >
En kuakt,
Die organischen Systeme
I. Knochenlehre .
A. Knochen des Stammes . le
1. Wirbelsäule, Columna vertebralis
Wahre Wirbel Bee Re ne er
2.
«@. Beugewirbel .
ß. Drehwirbel
b. Falsche Wirbel
«. Kreuzbein, Os sacrum
ß. Steissbein, Os coceygis
2. Brustbein, Sternum . .. .»
3. Rippen, Costae NE
4. Zungenbein, Os hyoides .
DuanScchanl Ele Re er:
1. Hinterhauptsbein, Os oceipitis
2. Wespenbein, Os sphenoideum .
3. Siebbein, Os ethmoideum
4. Stirnbein, Os frontis
5. Schläfenbein, Os temporum
6. Scheitelbein, Os parietale .
7. Oberkieferbein, Os mazillae
8. Gaumenbein, Os palatinum
9. Thränenbein, Os lacrymale
10. Muschelbein, Concha inferior
11. Nasenbein, Os nai . . . »
12. Jochbein, Os zygomaticum 2 ee
13. Pflugscharbein, Vomer. . . » 2. 2...
14. Unterkiefer, Mandibula
B. Knochen der Belrsmiläten
I. Knochen der oberen Extremität
a.
b.
Knochen des Gürtels der oberen Extremität”
1. Schulterblatt, Scapula
2. Schlüsselbein, Olavicula .
Oberarmknochen .
Armbein, Zumerus .
Seite
c.
Unterarmknochen
Inhalt.
1. Ulna, Ellenbogenbein
2. Radius, Speiche
d. Knochen der Hand .
«. Handwuzelknochen, Ossa carpi
Kahnbein, Os edlem
Möndben, Os hunatum . :
Pyramidenbein, Os pyramidale
Erbsenbein, .Os pisiforme . . -
Trapezbein, Os trapezium .
Trapezoidbein, Os trapezoides
Kopfbein, Os capitatum . . »
Hakenbein, Os hamatum
2 I Sau N
P. Mittelhandkndchen, Ossa metacarpi .
y. Phalangen £
I. Knochen der unteren Extremität .
a.
b.
Knochen des Gürtels der unteren Extremität .
IHuftbein»#Ostcoraener a ee
Knochen des Oberschenkels
Schenkelbein, Femur .
Unterschenkelknochen .
1. Patella, Kniescheibe
2. Tibia, Schienbein .
3. Fibula, Wadenbein
Knochen des Fusses ;
a. Fusswurzelknochen, Ossa tarsi
1. Fersenbein, Culianeie .
Sprungbein, Talus .
Schiffbein, Os naviculare Hange
Erstes Keilbein, Os cuneiforme primum
Drittes Keilbein, Os cuneiforme tertium .
Würfelbein, Os cubordeum
8. Mittelfussknochen, Ossa metatarsi .
y. Phalangen .
nonpwmw
Zweites Keilbein, Os cuneiforme secundum .
Einleitung.
Die menschliche Anatomie ist ein Theil der beschreibenden Natur-
wissenschaften, ihr Object ist die Erforschung und Darstellung des Baues
menschlicher Körper.
Zerschneiden (ivardunew) oder zergliedern müssen wir den Leib,
um zur Anschauung der in der Tiefe verborgenen Theile zu gelangen.
Doch ist dieser zunächst liegende Grund nicht der einzige, der uns bei
anatomischen Operationen leitet und die Methode der Operationen bestimmt.
Unser Geist bedient sich jenes Mittels, um in seiner Weise sich die Aussen-
welt anzueignen: er löst den natürlichen Verband, um das an verschiedenen
Orten zerstreute Gleichartige zusammenzufassen, und zerlegt nach den ihm
angebornen Kategorien das in Wirklichkeit Unzertrennliche.
Unzertrennlich ist in der wirklichen Natur die Verbindung der Form
und der Materie; aber man schildert Formen und verhält sich dabei gleich-
gültig gegen die Materie, aus welcher die Form gebildet ist, und auf der
anderen Seite beschäftigt man sich mit den Eigenschaften der Materie, un-
bekümmert:um die Formen, welche die Natur ihr ertheilt hat.
Aus dieser Abstraetion gehen die beiden Hauptzweige der anatomischen
Wissenschaft hervor, die allgemeine und specielle Anatomie. Man
behandelt organische Körper, wie Werke der Technik oder Architektur,
zu deren Verständniss eine Einsicht erforderlich ist einerseits in die Form
der Baustücke, andererseits in die Qualitäten der verwendbaren Materialien,
der Holzarten, Metalle, Steine u. s. f., Kenntnisse, welche ebenfalls in
besonderen Fächern der betreffenden Wissenschaften überliefert werden.
Die oberflächlichste Besichtigung lehrt, dass an verschiedenen Orten oder
in verschiedenen Theilen des thierischen Organismus Stoffe von gleichen
Eigenschaften, wie Knochen, Muskeln, Sehnen, Nerven u. s. f. wieder-
kehren, deren gleichförmige Bruchstücke wir nicht von einander unter-
scheiden würden und die entweder nur durch ihre relative Lage oder durch
die äussere Begrenzung, die ihnen vermöge ihrer Lage zukommt, von ein-
ander abweichen. Die allgemeine Anatomie vergleicht und ordnet diese
Stoffe; sie lehrt die Qualitäten derselben kennen, durch welche sie die
Ein-
theilung.
I)
Xu Einleitung.
Gestalt des Organismus bestimmen helfen; sie schliesst aber in der Regel
die Erörterung derjenigen Qualitäten nicht aus, vermittelst welcher sie in
die Bewegungserscheinungen eingreifen, deren Quelle der Organismus ist.
Die allgemeine Anatomie verdient diesen Namen in doppeltem Sinne.
Nicht nur umfassen in der Regel die Gruppen der allgemeinen Anatomie,
die Stoffe, eine Mehrheit von verschieden geformten Organen desselben
Körpers, sondern es besteht auch zwischen Organismen verschiedener Gat-
tung in Beziehung auf die der Untersuchung zugänglichen Eigenschaften
der Stoffe eine grössere Uebereinstimmung als in Beziehung auf die For-
men, so dass man bei Erforschung der Stoffe statt des menschlichen Kör-
pers, mit wenigen Ausnahmen, thierische benutzen kann, eine Kenntniss
der Form aber, wie sie das praktische Bedürfniss fordert, nur aus der
Anschauung des menschlichen Körpers gewonnen wird.
Die allgemeine und specielle Anatomie zerfallen jede in zwei Discipli-
nen, jene wegen der Natur des Objects, diese durch die Methode
der Darstellung.
Die allgemeine Anatomie trennt an den Stoffen, welche die
specielle Anatomie gleichsam als das einfache, rohe Baumaterial ihr zu
weiterer Untersuchung überweist, in zweiter Linie Form und Materie;
diese Stoffe interessiren, wie die Baustoffe des Technikers, ausser durch
ihre elementare Zusammensetzung, auch durch ihr Gefüge, durch die so-
genannte Textur, deren augenfällige Unterschiede wir mit den Namen des
Compacten, Porösen, Faserigen, Körnigen u. s. f. bezeichnen. Aus jenen,
auf dem Standpunkte der speciellen Anatomie einfachen Stoffen gewinnt
die chemische Zerlegung Mischungsbestandtheile, die mechanische Zerklüf-
tung Formbestandtheile. Die Mischungsbestandtheile fallen der orga-
nischen Chemie, insbesondere der Zoochemie, Histochemie,
zu; der Formbestandtheile bemächtigt sich die Histologie oder Geweb-
lehre. Insofern sie in feinere und wenigstens zum Theil gleichartige Form-
bestandtheile, in Kügelchen, Fasern und dergl. zerlegt werden können, er-
halten die Stoffe, die den Organismus zusammensetzen; den Namen Ge-
webe; insofern die Gewebe sich in eine bestimmte Form gebracht finden,
machen sie die Organe aus. Es kann nicht fehlen, dass diese beiden
Begriffe vielfach in einander spielen und dass, je nach der Fassung der-
selben, die Grenzen der allgemeinen und speciellen Anatomie willkürlich
weiter und enger gezogen werden. Ein Körpertheil, welcher isolirt be-
trachtet, nach Form und Zusammensetzung als specifisches Organ erscheint,
kann in einem Organ höherer Ordnung die Rolle eines Gewebtheils über-
nehmen, wie dies z. B. bei den Drüschen der Fall ist, die in der Dicke
einer Schleimhaut eingeschlossen sind. Da ferner die Untersuchung der
Form und Oberfläche der Organe, je genauer sie ist, um so tiefer in den
feineren Bau derselben einführt, während andererseits die Darstellung der
Formbestandtheile erst dadurch vollendet wird, dass man die Art ihrer
Zusammenfügung zu Organen nachweist: so ist begreiflich, dass sich spe-
eielle Anatomen und Histologen häufig auf demselben Gebiete begegnen
und dass sie nur durch die Richtung, nach welcher sie es durchmessen,
von einander verschieden sind. Nur in dem Falle wird es beiden Theilen
leicht, sich zu bescheiden, wenn ein Gewebe entweder in einer Zahl ver-
u, tee
Einleitung. XII
schiedenartig gestalteter Organe, wie Knochen und Muskeln, oder in wech-
selnden Verhältnissen der Lagerung, wie Gefässe und Nerven, im Organis-
mus verbreitet ist. Hier findet der Anatom reichliche Arbeit, um die ihn
‚der Histologe in der Regel nicht zu beneiden pflegt. Gewebe, deren Ver-
breitungsbezirk gering oder deren Verhalten an verschiedenen Stellen gleich-
förmig ist, wie das Gewebe vieler Drüsen, der Linse, Hornhaut oder der
Zähne, Nägel, Haare, Cutis u. s. f,, werden von beiden Theilen mit glei-
cher Berechtigung für sich in Anspruch genommen.
Die zwei Diseiplinen, in welche die specielle Anatomie sich spaltet,
sind die systematische (specielle Anatomie im engeren Sinne des Wor-
tes) und die topographische Anatomie. In der systematischen Anato-
mie bilden die Gewebe, in der topographischen die Körpergegenden das
Eintheilungsprineip. Jene verfolgt die Organe in die verschiedenen Regio-
nen des Körpers, diese verfolgt von den Regionen aus die verschiedenen
Organe. Jene verweilt mehr bei der absoluten Form, diese bei. der rela-
tiven Lage der Körpertheile. Es ist klar, dass die Form nicht ohne Rück-
sicht auf die Lage beschrieben, die Lage nicht ohne Rücksicht auf: die
Form verstanden werden kann. Die Verschiedenheit und doch so nahe
Verwandtschaft, welche zwischen diesen beiden Methoden besteht, lässt
sich nieht wohl anschaulicher machen .als durch Vergleichung mit den Me-
thoden einer allgemein zugänglichen, beschreibenden Wissenschaft, der Geo-
graphie. Auch hier verfährt man topographisch, d.h. man schildert irgend
einen Fleck der Erde, indem man die Gebirge bezeichnet, die ihn ein-
schliessen, die Gewässer, die ihn bespülen, u. s. f£. Aber die Namen dieser
Gebirge und Gewässer bleiben leere Klänge, wenn nicht die systematische
Beschreibung des Zuges und Zusammenhanges der Gebirge, der Ströme
und Meere vorausgegangen ist, und wieder benutzt man ausgezeichnete
und namhafte Localitäten, um in Kürze den Verlauf der Berge und Flüsse
anzugeben.
Das Studium der systematischen Anatomie muss dem Studium der
topographischen vorangehen; die systematische Anatomie setzt ihrerseits
wieder eine Kenntniss der Regionen voraus, die wir glücklicherweise zum
grossen Theil schon aus dem gewöhnlichen Leben mitbringen. Die topo-
graphische Anatomie, wie sie in der Reihe der anatomischen Fächer das
letzte ist, so steht sie zugleich der praktischen Mediein am nächsten.
Diagnostische Forschungen sowohl, wie chirurgische Eingriffe gehen von
der Oberfläche aus, und die Fragen, welche der Praktiker an die Anatomie
richtet, haben vor Allem den Zweck, die Oberfläche gleichsam durchsichtig
zu machen. Aus diesem Grunde wird synonym mit topographischer Ana-
tomie auch der Name chirurgische Anatomie gebraucht, ein Name,
der nur den Fehler hat, zu eng zu sein, da jene Localkenntniss, die den
Chirurgen bei der Führung des Messers und bei der Beurtheilung von
Verletzungen leitet, auch bei der Deutung der Symptome innerer Krank-
heiten nicht zu entbehren ist.
Wenn es aber der topographischen Anatomie vorbehalten bleibt, die
Stücke, in welche der Systematiker den Körper zertheilt, wieder zu einem
Gesammtbilde zu vereinen, so darf doch auch die systematische Methode
niemals vergessen, dass das gemeinsame Ziel aller anatomischen Studien
Methode.
XIV: 9 Einleitung.
die Orientirung in dem menschlichen Körper ist, und sie muss sich
der Mittel bewusst sein, welche zu diesem Ziele führen.
Die Erfahrung lehrt, dass die wiederholte Anschauung sinnlicher Ob-
jecte, auch ohne das ausdrückliche Bestreben, sich dieselben einzuprägeng
die Phantasie mit Bildern füllt, welche zur willkürlichen Reproduction
solcher Objecte genügen. Finden wir uns in einem bekannten Hause im
Dunkel zurecht, messen wir ohne Aufmerksamkeit auf einer gewohnten
Treppe die Höhe und Zahl der Schritte richtig ab, beschreiben wir aus der
Erinnerung die Einrichtung unseres Zimmers oder die Gestalt unserer
Freunde: so zeigen wir, dass es möglich ist, auf dem einfachen Wege
durch das Auge in den Besitz sinnlicher Vorstellungen zu gelangen, welche
dauerhaft und bestimmt genug sind, um die objective Wahrnehmung zu
ersetzen. Die Erfahrung lehrt aber ferner, dass der Besitz an Vorstellun-
gen, den wir auf diesem Wege erworben zu haben glauben, in vielen
Fällen nur ein scheinbarer ist; dass das innere Bild in dem Augenblicke,
in welchem wir es ans Licht zu bringen suchen, zerrinnt; dass an die Stelle
concreter Eigenschaften ein vershewommenes Etwas getreten ist, das sich
eben wegen seiner Verschwommenheit nicht beschreiben, sondern nur füh-
len lässt. Jean Paul sagt (Ergänzungsbl. zur Levana, Vorrede): „Leserin
liest gar dickste Romane durch, ohne die Namen der Helden und Neben-
helden anders im Kopfe zu haben, als wie einen verworrenen Namenszug,
und sie wüsste ihn nicht auszusprechen, wenn man darauf dränge.“ Viel-
leicht haben sich auch Leser bereits auf ähnlichen Nachlässigkeiten ertappt.
Dass man über die Farbe der Augen, über die Form der Nase nahestehen-
der Persönlichkeiten im Unklaren sein kann, werden die Meisten schon
erfahren haben. Man werfe die Frage auf, wie viel Füsse der Krebs, wie
viel Zehen die Katze habe, und man wird bemerken, dass über diese und
ähnliche Punkte in gebildeten Kreisen Meinungsverschiedenheiten bestehen.
In den Gesichtern einer fremden Bevölkerung erkennt man eine gewisse
Uebereinstimmung des Typus, die man an den eigenen Landsleuten ver-
misst; Glieder Einer Familie findet man einander bis zur Verwechslung
ähnlich und wundert sich bei näherer Bekanntschaft, wie dies möglich ge-
wesen sei. Alles dies rührt daher, dass die Bilder, die man aus dem un-
befangenen Verkehr mit der Aussenwelt gewinnt, nur in gröberen Umrissen
entworfen sind und manches .feinere Detail unausgefüllt lassen. Es giebt
bevorzugte Geister, oder, richtiger gesagt, Sinne, in welchen die Abbilder
vorübergehender objectiver Empfindungen mit der Ausführung der Form
und mit der Intensität der Farbe haften, wie sie die grosse Mehrzahl der
Menschen nur an Traumbildern kennt. Nur so kann ich mir das Talent
des Malers erklären, der aus der Erinnerung copirt, dem also das Erinne-
rungsbild zum Analysiren Stand halten muss, wie es die Wirklichkeit thut.
Offenbar wäre es eigentlich auch dieses Talent, die Bilder sinnlicher Ob-
jeete ohne Weiteres in ihrer concretesten Gestalt aufzufassen und aufzu-
bewahren, welches den Naturforscher und insonderheit den Anatomen macht.
Da aber die von der Natur in soicher Weise Gesegneten ihre Bestimmung
eher durch Beschäftigung mit der Kunst als mit der Anatomie zu erfüllen
glauben, so müssen wir minder günstig organisirten Köpfe auf Umwege bedacht
sein, auf welchen wir zu Vorstellungen von gleicher Präcision gelangen.
Einleitung. ; XV
Das Mittel hierzu ist die Verbindung der sinnlichen Empfindungen mit
Begriffen, einer Art von subjeetiven Thätigkeiten, welche hier nicht und
vielleicht nirgends näher definirt werden können und von welchen ich nur
“ie Eigenthümlichkeit hervorhebe, dass sie jede sinnliche Empfindung, zu
welcher sie sich gesellen, zu einer entschieden selbstbewussten machen und
ass sie, ohne jemals den specifischen Charakter der sinnlichen Empfindung,
der Farbe, des Tons, Geschmacks u. s. f. anzunehmen, sich doch in gleich-
sam immer engeren Kreisen um die specifische Empfindung zusammen-
ziehen, bis sie zuletzt zur blossen Copula werden, d. h. zu einem Bande,
welches eine Anzahl sinnlieher Empfindungen unter sich verknüpft und auf
ein Einfaches, von welchem sie angeregt werden, zurückbezieht. Die Be-
griffe Körper, Thier, Säugethier, Fleischfresser, Hund, Pudel geben ein
Beispiel jener Art von Zusammenziehung um die sinnlich wahrnehmbare
Wirklichkeit; wenn ich aber an jene Reihe von Worten noch die Bezeich-
nung „dieser Hund“ oder den Eigennamen eines bestimmten und bekannten
Hundes anfüge, so nenne ich blosse Laute, Schallempfindungen, die unser
Geist für identisch zu halten befiehlt mit der Summe sinnlicher. Eindrücke,
zu welchen der besondere Hund Anlass giebt, Laute, die wir benutzen,
um mit einem Schlage die Erinnerung an so viele sinnliche Eindrücke wach
zu rufen. Man kann sich das Behalten einer Melodie erleichtern dadurch,
dass man sich einprägt, sie gehe im Dreivierteltact, sie beginne im Auftact,
mit ganzen oder halben Noten, Alles Begriffe, deren Kenntniss dem natur-
wüchsigen musikalischen Gedächtniss entbehrlich ist. Die Ausdehnung und
Begrenzung sichtbarer Objeete kann als blosse Ausfüllung eines Theiles
des Gesichtsfeldes aufbewahrt und reproducirt werden, oder man übersetzt
die Ausdehnung in Begriffe, wie Gross und Klein oder in Einheiten be-
stimmter Maassstäbe und die Begrenzung in mathematische Ausdrücke.
Wenn also, mit einem Worte, die Künstlerphantasie das Bild in seiner
Totalität auffasst, so löst die ‚Gelehrtenphantasie dasselbe in seine Be-
standtheile auf, macht diese Bestandtheile einzeln, indem sie sie benennt
und ordnet und unter Verstandesbegriffe subsumirt, zum Gegenstande des
Denkens und führt sie dergestalt, förmlich und feierlich, ins Bewusstsein
ein, um sie endlich wieder zum Gesammtbilbe zusammenzufügen. Dieser
Gang ist mühsam, aber’ gewährt eine gewisse Sicherheit, dass das Object
in,all seinen Theilen verstanden und erfasst, werde; freilich führt er auch
zu einem Abwege, vor welchem zu warnen um so weniger unterlassen
werden darf, als im Allgemeinen eine gewisse Disposition zur Verirrung
durch die Art unserer gelehrten Schulbildung begründet wird.
Die Verirrung aber besteht darin, dass man unterlässt, die Begriffe,
welche nur die Vehikel sinnlicher Anschauungen sein sollten, wieder in
"solehe Anschauungen zurückzuübersetzen, dass man dem Gedächtniss, statt
organischer Formen, schematische Tabellen und, statt Bilder, Namen und
Ziffern überliefert. Es giebt unter den Lernenden Viele, welche, ohne
eine bestimmte Vorstellung von dem mikroskopischen Ansehen menschlichen
Blutes, danach trachten, den Begriff „Blutkörperchen“ mit dem Schall
„Null Komma Null Null Drei“ zu assosiiren. Aber auch von den Lehren-
den wird öfters darin gefehlt, dass sie das Bemerkenswerthe mehr aufzählen
0% und gruppiren, als beschreiben. Die Beschreibung, darüber sind wir Alle
ur
xVI Bar: Einleitung. =
einig, kann niemals die Betrachtung der Naturkörper ersetzen; sie soll
aber nicht zu einem blossen Verzeichniss der Sehenswürdigkeiten herab-
sinken, sondern den Beschauer zu den einzelnen Objecten begleiten und
ihn nöthigen, Auge, Finger und Gedanken an den Formen hinzuführem
Sie soll das räumlich fertig neben einander Bestehende zeitlich nach ein-
ander entstehen lassen, weil sie erstens gar nicht anders kann und weil
zweitens an einem historischen Faden die Thatsachen leichter den Ein-
gang in eine Phantasie finden, die nicht speciell für Formen organisirt ist.
Aber nur um dieser Vermittelung willen haben die Worte und Zeichen der
Beschreibung eine Bedeutung. Wem das Metall der sinnlichen Vorstel-
lungen zum Transport zu schwer dünkt, mag es in das Papiergeld der Be-
griffe umsetzen; aber das Papier ist nicht des Aufhebens werth, wenn es
sich nicht zu seiner Zeit wieder in Metall verwandeln lässt. Anfängern
erlaube ich mir zur Selbstprüfung, ob ihre anatomischen Kenntnisse diese
Bedingung erfüllen, ein Mittel vorzuschlagen: sie mögen versuchen, die
Gegenstände aus dem Gedächtniss zu zeichnen. Was in Worten richtig
gedacht ist, muss sich in Strichen wiedergeben lassen. Sind wir doch auch
im gemeinen Leben jeden Augenblick bereit, wenn wir um die Lage eines
Ortes befragt werden, unsere Auseinandersetzung mit Illustrationen, wenn
auch allenfalls nur mit einem Spazierstock in Sand gravirt, zu begleiten!
Plan des Körpers der Wirbelthiere,
insbesondere
des Menschen.
Der Körper des Menschen, wie der Wirbelthiere überhaupt, besteht, Anima-
auf seine Grundform zurückgeführt, aus zwei parallelen, einander in ihrer yaruatıre
ganzen Länge berührenden, im Allgemeinen eylindrischen Röhren. Die Röhre
eine dieser Röhren umschliesst die Centralorgane des Nervensystems, Or-
gane, an welche vorzugsweise die Functionen des Denkens, Empfin-
dens und Wollens, die das Thier vor der Pflanze voraus hat, gebunden
sind; die andere Röhre schliesst die Organe für die Functionen der Ernäh-
rung und Fortpflanzung ein, die dem Thiere und der Pflanze gemein sind.
Man kann deshalb jene Röhre die animalische, diese die vegeta-
tive nennen.
Bei der dem Menschen natürlichen Haltung sind die Längenaxen beider Axen und
Röhren senkrecht gegen die Erdoberfläche gestellt; dadurch bestimmt sich "’*"
das Oben und Unten; die Längenaxe wird zur verticalen (oder per-
pendiculären); Ebenen und Durchschnitte, welche parallel der Längenaxe
durch den Körper gelegt oder gedacht werden, nennen wir verticale. Ein
Durchschnitt, welcher, der Grundfläche parallel und senkrecht gegen die
verticale Axe, den Körper in einen oberen und unteren Theil scheidet,
heisst Horizontal- oder Querschnitt, die in dieser Ebene gelege-
nen Axen heissen horizontale oder Queraxen. Die Ebene, welche
gleichzeitig beide Röhren senkrecht in gleiche Hälften theilt und also durch
die Linie, in der’ beide Röhren einander berühren, gelegt sein muss, wird
die Medianebene des Körpers genannt; sie trennt rechts und links.
Einen in dieser Ebene geführten Schnitt nennt man Medianschnitt. Durch
die Lage der Sinnesorgane und durch die Gewöhnung, nach der von ihnen
beherrschten Richtung zu greifen und zu schreiten, eine Gewöhnung, die
allerdings auch durch die Mechanik der Bewegungswerkzeuge begünstigt
wird, gelangen wir zur Unterscheidung von vorn und hinten: die ani-
malische Röhre ist die hintere, die vegetative die vordere. Ich nenne eine
Ebene, welche, senkrecht auf die Median- oder Verticalebene gedacht, den
hinteren Theil des Körpers von dem vorderen trennt, Frontalschnitt
oder senkrechten Querdurchschnitt. Von den horizontalen Axen
soll die in der Ebene des Frontalschnittes gelegene den Namen trans-
Henle, Anatomie. Thl I. 1
Hauptein-
theilung.
2 Plan des Körpers der Wirbelthiere, insbesondere des Menschen.
versale, die in der Ebene des Medianschnittes und der dem Medianschnitt
parallelen Schnitte gelegene den Namen sagittale erhalten!); die von
der vertienlen und sagittalen Axe begrenzten, der Medianebene parallelen
Ebenen und Schnitte werde ich als sagittale bezeichnen.
Von den populären, zur Bezeichnung der Dimensionen des Raums
verwendbaren Ausdrücken hat nur der Begriff der Höhe einen unzweideu-
tigen Sinn. Was man unter Länge, Breite, Dicke zu verstehen habe, ist
willkührlich und besonders wegen der relativen Bedeutung, die diesen
Wörtern anklebt, schwankend. Wir bedürfen derselben aber, wo wir Or-
gane ohne Rücksicht auf ihre Lage zu den Axen des aufrecht gestellten
Körpers zu beschreiben haben, und wir bedienen uns derselben alsdann
gerade in dem relativen Sinne, wo Länge dem grössten und Dicke dem
kleinsten Durchmesser entspricht.
Am oberen Ende sind die beiden mit einander verbundenen Röh-
ren, die animalische und vegetative, unter einem Winkel, der sich einem
Fig. 1 rechten nähert, nach vorn umgebogen, so dass die
Endflächen der Cylinder, welche die oberen sein
sollten, an die Vorderfläche zu liegen kommen,
Fig. 1. Indem sich die hintere Röhre zugleich,
entsprechend der Anschwellung des Rücken-
marks zum Gehirn, halbkugelförmig erweitert,
bildet sie den Schädel?), CUranium; das obere
Ende der vegetativen Röhre, welches bei der
erwähnten Umbeugung an die untere Flä-
che der animalischen gelangt, wird Gesicht,
Facies, genannt; beide, Schädel und Gesicht, in
Verbindung mit einander erhalten den Namen
Kopf (Caput). Vom Schädel abwärts behält die
animalische Röhre so ziemlich den gleichen
Durchmesser und nur gegen das untere Ende
verjüngt sie sich etwas; die vegetative Röhre,
überall umfangreicher, ist unmittelbar unter dem
Kopf am schmalsten und bildet mit dem ent-
sprechenden Theile der hinteren Röhre den Hals,
Collum, erweitert sich aber bald wieder zu einem
Körper von abgeplattet eylindrischer, oben und
unten verjüngter Gestalt, der in Verbindung mit
dem entsprechenden Theil der hinteren Röhre
und im Gegensatz zu Kopf und Hals, Rumpf,
Tr Truncus, genannt wird.
Kopf, Hals und Rumpf werden unter der
Benennung Stamm zusammengefasst, im Gegensatz zu den Extremitä-
Cr
\) Die französischen Schriftsteller haben für die Axe, die ich sagittale nenne, die
Bezeichnung ante@ro-posterieure, Der von mir gewählte Ausdruck ist den Anatomen
von einer in der Richtung von vorn nach hinten verlaufenden Schädelnaht bereits geläufig
und ich glaube, dass einer Verallgemeinerung desselben nichts entgegensteht. Deutsch
liesse sich ‚die sagittale Axe nach der Analogie von senkrecht und wagerecht die
pfeilrechte nennen.
2) Hirnschädel.
Plan des Körpers der Wirbelthiere, insbesondere des Menschen. 3
ten, welche, zwei obere und zwei untere, aus den Seitentheilen des Rum-
pfes an dessen oberer und unterer Spitze hervorwachsen, bei den nie-
dersten Wirbelthieren und, in den ersten Stadien ihrer Entwickelung, auch
bei den höheren in Form conischer oder abgeplatteter Zapfen, im ausge-
bildeten Zustande als vielfach gegliederte und gegen die Spitze hin ge-
theilte Anhänge.
Die äusseren Theile des Stammes und die Extremitäten sind mit Be- Symmetrie
zug auf die Medianebene des Körpers symmetrisch gebildet, d. h. die Eine
seitliche Körperhälfte wiederholt die andere in der Weise, wie das Spie-
gelbild einer Landschaft im Flusse das Urbild der Landschaft wiederholt:
die in gleicher Entfernung von der Medianebene diesseits und jenseits ge-
legenen Theile gleichen einander. Alle neben der Medianebene befindli-
chen äusseren Organe sind demnach doppelt vorhanden oder paarig; auch
die Organe, welche die Mitte der vorderen oder hinteren Körperwand ein-
nehmen und nach populären Begriffen einfach oder unpaarig genannt
werden, wie Nase, Mund, Brustbein, Harnröhre und dergl., bestehen aus
© zwei gleichen seitlichen Hälften, und sogar an den unpaaren, fibrösen oder
‚knöchernen Scheidewänden, welche je zwei in der Medianebene an einan-
der grenzende Höhlen trennen, wie z. B. an der Falx cerebri, dem Pflug-
scharbein, finden sich Spuren einer Zusammensetzung aus je zwei, mit
den einander zugewandten Flächen verschmolzenen Blättern.
Unter den in den Körperhöhlen gelegenen Organen sind die meisten
von ebenso regelmässig symmetrischem Bau, wie die Körperwände, doch
treten bei den symmetrischen Eingeweiden der vegetativen Röhre, wie bei
den Lungen und Nieren, schon Störungen der Symmetrie bezüglich des
Umfangs und der Lage ein, veranlasst durch die unsymmetrische Bildung
anderer, in der gleichen Höhle eingeschlossener Eingeweide. Zu den letz-
teren gehören das Herz nebst den grossen Gefässstämmen und der in der
Bauchhöhle gelegene Theil des Verdauungsapparates. In der ersten An-
lage sind aber selbst diese Organe symmetrisch und es geht die Symmetrie
erst im Laufe der Entwickelung verloren, bei dem unpaaren Darmrohr
durch Lageveränderungen, welche Folge der Verlängerung desselben sind,
bei den paarigen Gefässstämmen durch theilweise und einseitige Oblitera-
tion. Und wo nach vollendeter Reife an symmetrischen Stellen der Kör-
perhöhlen ungleichnamige Organe liegen, stellt sich doch ein Gleichgewicht
durch eine gewisse Aehnlichkeit des Umfanges und der Form her, wie zwi-
schen Leber und Milz, zwischen Blinddarm und Flexura iliaca coli, zwi-
schen dem Bogen der Aorta linker- und der Vena azygos rechterseits.
Die wirklich symmetrischen Organe entsprechen® einander in der Re-
gel vollkommener, als mit Rücksicht auf die grosse Zahl der Störungen,
welchen der organische Entwickelungsprocess ausgesetzt ist, erwartet wer-
den sollte. Es ist meistens nicht schwer, aus einer grossen Zahl von Kno-
chen verschiedener Skelette die gleichnamigen, je einem Individuum zuge-
hörigen, herauszufinden. Mathematisch genau aber ist in der That die
© Symmetrie nirgends: bekanntlich sind fast alle Nasen merklich schief ge-
stellt und nicht nur die Scheidewand der Nase, sondern auch die der Stirn-
bein- und Wespenbeinhöhlen weicht nach der einen oder anderen Seite
aus; es giebt kaum ein Individuum, dessen Augen mit ganz gleichen bre-
1lE:
4 Plan des Körpers der Wirbelthiere, insbesondere des Menschen.
chenden Kräften begabt wären; die Rippenknorpel haften nur selten regel-
mässig einander gegenüber aın Brustbein; die Lage der Brustwarzen des
Mannes ist öfters, sowohl was die Höhe als die Entfernung von der Me-
dianebene betrifft, auf beiden Seiten verschieden. Ziemlich beständig über-
wiegen die Dimensionen der Organe der rechten Körperhälfte einiger-
maassen die der linkend). Die vorzugsweise Uebung der rechten Seite
mag hieran Antheil haben; aber dass man allgemein gewöhnt ist, die rechte
Seite vorzugsweise zu üben, scheint aus einem angebornen Uebergewicht
der rechten Körperhälfte erklärt werden zu müssen.
Eine Verschiedenheit beider Körperhälften stellt sich bei den Embryonen der
Wirbelthiere schon in den ersten Tagen der Entwickelung dadurch heraus, dass
sie dem Dotter oder der Nabelblase die linke Körperseite zuwenden, womit die
rechte von Anfang an freier wird. Mit dieser Lage hängt, wie v. Baer annimmt
(Entwickelungsgeschichte, Bd. I, S. 51), die asymmetrische Ausbildung der Kreis-
laufs- und Verdauungsorgane so genau zusammen, dass eine Ursache, welche jenes
Verhältniss der Lagerung umkehrte, auch zu einer Umkehrung der genannten Ein-
geweide (Situs inversus) Anlass geben müsste. Iın weiteren Verlaufe ist sodann
die rechte Seite im Verhältniss zur linken insofern bevorzugt, als die Venenstimme,
welche das Blut aus der rechten Körperhälfte sammeln, gerades Weges zur rechten
Vorkammer des Herzens verlaufen, während das Venenblut der linken Hälfte die-
sen Stämmen auf einem Umweg, durch quer verlaufende Aeste, zugeführt wird.
Ueber den Einfluss dieser anatomischen Thatsache auf die relative Häufigkeit ge-
wisser Krankheiten in der Einen oder anderen Körperseite siehe meine rat. Path.
Ba. II, Abthl. 2, S. 136.
Bei der Beschreibung der symmetrisch gebildeten Körpertheile macht
sich das Bedürfniss von Ortsbezeichrungen fühlbar, wodurch das Verhält-
niss zur Medianebene und die Entfernung von derselben für beide Körper-
hälften zugleich ausgedrückt wird. Die hergebrachte Weise, die von
der Medianebene nach der Einen oder anderen Seite entfernteren Punkte
äussere, und die ihr sich nähernden innere zu nennen, kann Miss-
verständnisse herbeiführen, weil die Begriffe innen und aussen auch mit
Beziehung auf die Axe des Stammes und der Glieder und auf einzelne
Körperhöhlen, ohne Rücksicht auf das Verhältniss zur Medianebene, ge-
bräuchlich sind. Man vermeidet diese Zweideutigkeit, wenn man die ein-
ander entgegengesetzten Seitenränder der paarigen Organe mit besonderen,
den Regionen entsprechenden Namen belegt. So ist an jeder Kopfhälfte
die Schläfen- und Nasenseite, an der oberen Extremität die Ulnar- und Ra-
dialseite, an der unteren Extremität die Tibial- und Fibularseite zu unter-
scheiden. Im Allgemeinen werde ich mich der Ausdrücke lateralwärts
und medianwärts für die von der Medianebene abgewandte und die
derselben zugewandte Richtung bedienen; die lateral- und medianwärts
gewandten Flächen oder Ränder sollen laterale und mediale ?) heissen.
!) Hildebrandt- Weber, Handbuch der Anatomie des Menschen, Braunschweig,
1830. Bd. I, S. 122. — F. Arnold, Handbuch der Anatomie des Menschen, Freiburg,
1844. Bd. I, S. 28. ,
?) Die übliche Adjeetivform, median und mittlere bezeichnet eine absolute Stel-
lung im Raum. Man bedarf eines Wortes, welches die Annäherung zur Mittellinie in der-
selben relativen Weise ausdrückt, die auch unsere übrigen Ortsbezeichnungen (vorn,
hinten, seitlich u. s. f.) besitzen, und ich wähle dazu eine in Vergessenheit gerathene Form,
welehe bei Solinus vorkommt und wahrscheinlich aus einer Stelle von Plinius her-
stammt (Salmas. exereit. Plin. p. 166 D.).
Die organischen Systeme. 5
Bei dem physiologischen Gegensatz, in welchem die vordere und hin-
tere Röhre zu einander stehen, ist eine Analogie ihrer Formen nicht zu er-
warten. Eine solche besteht dennoch, bezüglich der Wände, an dem
Scehwanzende vieler Wirbelthiere, wo der Inhalt der vorderen Röhre auf
einen einfachen Blutgefässstamm reducirt ist und eine durch die Mitte des
Körpers gelegte Frontalebene den letzteren ebenso in zwei gleiche Hälften
theilt, wie die Medianebene.
Die Vergleichung des menschlichen Stammes mit einem eylindrischen
Doppelrohr könnte die Frage hervorrufen, ob nicht auch die einander im
Längsdurchmesser entgegengesetzten Pole mit Beziehung auf die Queraxe
symmetrische Bildung entdecken lassen? Schon ein Blick auf den senkrech-
ten Durchschnitt widerlegt dies und zeigt, dass die animalische Röhre in fast
eontinuirlichem Gange von Einem Ende zum anderen abnimmt und dass auch
die Verengungen und Erweiterungen der vegetativen Röhre, entsprechend
der Reihenfolge physiologisch differenter Eingeweide, eine einfache Reihe
bilden. Statt einer symmetrischen Stellung zeigt sich in der Längsaxe des
Körpers vielmehr eine Wiederholung gleichartiger und, wie die Platten-
paare einer galvanischen Säule, gleichsinnig geschichteter Theile. Bei den
Gliederthieren ist diese Anordnung schon äusserlich, an der Abtheilung
des Körpers in Ringe, kenntlich; bei den Wirbelthieren zeigt sie sich
äusserlich nur in den Extremitäten, von welchen die hinteren eine mehr
oder minder genaue Wiederholung der vorderen sind. Sie entzieht sich
dem Auge an dem von der Haut überkleideten Stamme, tritt aber wieder
an den tieferen Schichten seiner Wände, insbesondere an den Knochen und
Muskeln hervor. Das cylindrische Rohr zerfällt durch Verknöcherung in
eine Anzahl auf einander geschichteter Ringe, das ceylindrische Doppelrohr
in eine Anzahl von Doppelringen. Das Verständniss des organischen Ge-
bäudes ist wesentlich dadurch gefördert worden, dass wir die einfachen
Elemente, in welche der Körper gleich wie in Scheiben zerlegt werden
kann, aufsuchen lernten und dass wir die Metamorphosen verfolgten, welche
diese Elemente je nach dem physiologischen Bedürfniss der einzelnen Re-
gionen erfahren.
Die organischen Systeme.
An jeder der beiden an einander gelötheten Röhren, deren äussere
‚Form und Lage im Vorigen beschrieben wurde, ist Wand und Lumen
Fig. 2. oder Höhle zu unterscheiden. Die Höh-
; len sind gesondert; die Wände bestehen
aus verschiedenen Schichten, deren man,
wenn man vorerst nur den Verlauf und
nicht das Gewebe in Betracht zieht, drei
anzunehmen hat, eine innere, mittlere und
äussere. Der Horizontaldurchschnitt, Fig. 2,
zeigt, dass die inneren Schichten der Wände
beider Röhren (durch die punktirten Linien
angegeben) je einen selbstständigen, die
Höhle zunächst begrenzenden Köcher dar-
Wiederho-
lung in der
Längenaxe.
Schichten.
6 Die organischen Systeme. a
stellen; sie werden als fibröse und seröse Hüllen der in den Höhlen ein-
geschlossenen Eingeweide mit diesen Eingeweiden beschrieben. Die Mit-
Fie. 3. telschichten fliessen an der Berührungsstelle
Bar: beider Röhren zusammen, gehören also
Fre RR theilweise beiden gemeinschaftlich an, lassen
N sich aber noch in Gedanken in zwei selbst-
ständige Köcher trennen. Diese Schichten
sind es, welche sich durch ihre Härte und
Unverweslichkeit auszeichnen und das Ske-
lett des Stammes bilden. Die äussere
Schicht erscheint, indem sie sich in der
ganzen Länge des Körpers, über die Be-
rührungsstelle beider Röhren von einer zur anderen hinüberschlägt, als ein
einfacher, beiden iiberall gemeinschaftlicher Ueberzug, welcher durch nichts
mehr den complieirten Bau der von ihm bekleideten Gebilde verräth. Die-
ser Ueberzug, an die tieferen Theile locker und einigermaassen verschieb-
bar angeheftet, an der freien Oberfläche von einer trocknen und festen
Substanz bedeckt und durch sie gegen die Aussenwelt geschützt, ist die
äussere Haut (Cutis).
Die Schicht, welche am Stamm die mittlere ist, setzt sich als solide
Axe in die Extremitäten fort, auf die auch die äussere Haut übergeht.
Zwischen beiden verlaufen in den Extremitäten die Massen eontraetiler Fa-
sern, welche, als Muskeln oder Fleisch, den Gliedern ihre Rundung verleihen
und durch ihre Zusammenziehung die verschiebbaren Theile gegen einan-
der bewegen. Auch am Stamm füllen die Muskeln hauptsächlich die Räume
zwischen der äusseren und mittleren Schicht.
Die Eintheilung des Stofles, welche beim Vortrage der systemati-
schen Anatomie ganz allgemein und mit gutem Recht eingeführt ist, grün-
det sich theils auf die Continuität der erwähnten Schichten, theils auf die
zweifellose Gleichartigkeit der Textur und Function der unter einem Be-
griff zusammenzufassenden Körpertheile.
Knochen Das feste, zum Theil knorplige, grösstentheils aber knöcherne Gerüste,
welches die Wände des Stammes stützt und die Axe der Extremitäten bil-
det, beschreibt die Knochenlehre (Osteologie).
2. Bänder. Das Skelett besteht aus einzelnen Stücken, welche durch weichere Sub-
stanz, Knorpel oder Bindegewebe, mehr oder minder beweglich unter einan-
der verbunden sind. In dem Einen Falle geht des verbindende Gewebe
von allen Punkten der einander zugekehrten Flächen je zweier Knochen
aus; so entsteht die Naht im weitesten Sinne des Wortes (Synarthrosis),
in welcher die Knochen um so beweglicher sind, je mächtiger die Lage der
Zwischensubstanz. Im anderen Falle sind die einander zugekehrten Kno-
chenflächen ganz oder grösstentheils frei und glatt, daher über einander
verschiebbar. Das weiche Gewebe, welches die Knochen verbindet, geht
von den Rändern der auf einander gleitenden Flächen oder von einzelnen
Gruben oder Vorsprüngen der letzteren aus. Eine solche Verbindung heisst
Gelenk (Diarthrosis). In früheren Lebensaltern sind manche Knochen
durch Naht getrennt, welche später, durch Verknöcherung der Naht, zu
Die organischen Systeme. 7
einem einzigen Stück verschmelzen; man kann sich ebenfalls aus der Naht,
durch eine in entgegengesetzter Richtung fortschreitende Metamorphose
die bewegliche Gelenkverbindung hervorgegangen denken, wenn nämlich
Fig. 4. das Gewebe der ersteren sich vom Centrum aus
bis auf die peripherische Schicht erweicht und
endlich verflüssigt (Fig. 4). Die Wirbel- und
Beckenfugen mit ihrem gallertartigen, halbflüssi-
gen Kerne stellen eine Zwischenstufe zwischen den
Nähten und Gelenken dar. Eine andere Art des
Ueberganges findet sich in den Verbindungen der
Gelenkfortsätze der Wirbel, von welchen die obe-
ren zu Gelenken, die des Kreuzbeins zu Nähten
werden, die endlieh noch vor vollendetem Wachsthum verknöchern. Mit
Rücksicht auf die Bestimmung, welche im Allgemeinen die Gelenkfortsätze
der Wirbel haben, könnte man die Verschmelzung derselben am Kreuz-
bein eine physiologische Anchylose nennen.
Die weichen, lediglich zur Verbindung der Knochen bestimmten Ge-
bilde heissen Bänder; der Theil der systematischen Anatomie, welcher die-
selben beschreibt, ist die Bänderlehre (Syndesmologie).
Sind die Knochen durch Nähte und Gelenke gegen einander beweslich,
so müssen sie, damit die Bewegungen wirklich werden, mit Geweben in
Verbindung stehen, welche einer Aenderung ihres Volumen und in gewis-
sen Richtungen einer Verlängerung oder Verkürzung fähig sind. In dem
Organismus sind zwei Arten von Geweben verbreitet, welche dieser Antor-
derung entsprechen. Die Gewebe der ersten Art haben vermöge einer An-
ordnung der Moleküle, die sich auch im Tode erhält, die Eigenschaft, nach
der Ausdehnung, wenn die ausdehnende Gewalt nachlässt, freiwillig in den
Zustand der Verkürzung zurückzukehren, der also für sie als Zustand der
Ruhe anzusehen ist. Die Kraft, welche sich auf diese Weise äussert, heisst
Elastieität; sie inhärirt, in gewissem Maasse, allen Bestandtheilen des thie-
rischen Körpers; die Gewebe aber, deren Elasticität bei Bewegungen der
Körpertheile in Betracht kommt, sind das Knorpel- und Bindegewebe
und das eigentlich sogenannte elastische Gewebe. Eine zweite Art ver-
kürzungsfähiger Gewebe ist im Zustande der Ruhe ausgedehnt, bedarf be-
sonderer Anregung, um sich zusammenzuziehen, und verliert mit dem Tode
das Vermögen, der Anregung zu folgen. Gewebe dieser Art nennt man
eontractile oder irritable oder schlechthin Muskeln. Sie bestehen aus pa-
rallel geordneten feinen Fasern; ihre Zusammenziehung geschieht, wahr-
scheinlich durch Kräuselung der Fasern, in der Richtung der letzteren,
wobei der Umfang des Muskels in den übrigen Dimensionen zunimmt.
Die Muskeln erscheinen in zweierlei Formen, welche bei gleicher chemi-
scher Beschaffenheit sich sowohl durch die Gestalt der Elemente, als auch
durch deren Anordnung unterscheiden und sich auch bezüglich ihrer Ver-
theilung im Organismus in zwei, allerdings nicht ganz scharf begrenzte
Gruppen trennen lassen. Die Eine Art der Muskeln, die vegetativen (orga-
nischen, glatten), aus langgestreckten Zellen gebildet, von blasser Farbe,
durch dünne Lagen von elastischem und Bindegewebe auf eine dem
unbewaffneten Auge kaum wahrnehmbare Art in Bündel geschieden, ge-
3. Muskeln.
8 Die organischen Systeme.
hört der Haut, den röhren- und blasenförmigen Eingeweiden und den nah-
rungssaftführenden Canälen an und erscheint in den Wänden jener Röhren
und Blasen als hautartig ausgebreitete Schicht. Die Fasern der anderen
Art des Muskelgewebes, die animalischen (gestreiften oder varikösen) ha-
ben in Masse eine rothe Farbe; sie sind zu feinen Bündeln, die feinen Bün-
del zu stärkeren und diese wieder zu stärkeren zusammengefasst u. s. f.
und jedes Bündel, die primitiven von einer einfachen Membran, die secun-
dären, tertiären u. s. f. von successiv stärkeren Bindegewebshüllen umge-
ben, so dass der faserige Bau, wenn nicht durch die feinsten, so doch durch
die gröberen Bündel sogleich in die Augen fällt. Sie sind vorzugsweise
zur Bewegung der Skeletttheile gegen einander bestimmt, mit welchen sie
durch Bindegewebsstränge, Sehnen, in Verbindung stehen, erstrecken sich
aber auch vom Skelett in die äussere Haut, von den Körperöffnungen aus
an den röhrenförmigen Eingeweiden streckenweit nach innen und kom-
men ausserdem, wovon später, an einem Theil des Blutgefässsystemes vor.
Die Muskellehre (Myologie) im systematisch-anatomischen Sinne
beschreibt die Form der animalischen Muskeln, welche mit dem Skelett un-
mittelbar zusammenhängen, sammt ihren Sehnen und den, die grösseren
Muskelmassen umhüllenden Bindegewebsschichten (Faseien); die Mus-
keln, vegetative sowohl, als animalische, welehe als Schiehten in den Wän-
den der Eingeweide und Gefässe vorkommen, werden in Verbindung mit
diesen abgehandelt.
4, Einge- Für das, was man unter Eingeweide versteht, eine einfache Defi-
weide nition zu geben, ist nicht möglich. Der Begriff umfasst Organe von sehr
verschiedenartiger Function und Structur, ebensowohl im Inneren, als an
der Körperoberfläche gelegene. So ist auch der Inhalt der Eingeweide-
lehre (Splanchnologie) ein sehr gemischter, welchen wir in folgende
Ba drei Unterabtheilungen einigermaassen zu ordnen suchen:
| 4 2. Cutis und l. Die Haut mit ihren Fortsetzungen. Die Haut, wie sie
deren Fort-
\ | setzungen. einen gemeinsamen Ueberzug über die animalische und vegetative Röhre
bildet, so dient sie auch gleichmässig beiderlei Zwecken, dem sinnlichen
und dem chemischen Verkehr mit der Aussenwelt. Ihre Bedeutung für die
‚| vegetativen Functionen gewinnt aber dadurch das Uebergewicht, dass sie
U. ; sich an den Körperöffnungen nach innen schlägt, um sich zu den Appara-
ten der Ernährung und Fortpflanzung zu entfalten.
( Die vegetative Röhre steht in der ersten Zeit des embryonalen Le-
bens mit dem Dotter, Wifellus, aus dessen Hülle sie sich abschnürt, durch
Fig. 6. einen Gang in offener Verbin-
dung, welcher etwa von der
Mitte ihrer vorderen Fläche sei-
nen Ursprung nimmt und in dem
Maasse, als der Embryo sich
vergrössert, länger und relativ
enger wird. Die Oeffnung des
vegetativen Rohres, von welcher
Mediandurchschnitt. der Gang ausgeht, ist der Nabel,
Umbilicus, der Gang heisst
Ductus vitello - intestinalis.
v
Die organischen Systeme. 9
r
Durch den Nabel und den D. vitello-intestinalis nimmt der Embryo die erste
Nahrung, die ihm aus dem Dotter zukommt, in sich auf. Später, wenn der
Gang zwischen Nabel und Dotter unwegsam wird und der Nabel sich schliesst,
bricht die vegetative Röhre an der oberen und unteren Spitze durch und
es bilden sich die bleibenden Oeffnungen, von welchen jede durch eine
Brücke, die obere durch den Gaumen, die untere durch das Perinäum
(Damm) getheilt wird (Fig. 7). An diesen Oeffnungen aber ist die Cutis
Fig. 7. nicht durchbohrt; sie schlägt sich über die von
ihr bedeckte Wand der vegetativen Röhre nach
innen, hier an die innere Fläche der Röhren-
wand, dieselbe austapezirend, befestigt, dort frei
innerhalb der Höhle in Form von Schläuchen
oder Blasen aufgehangen, welche nach mannig-
fachen Verengungen und Erweiterungen, Faltun-
gen und Verzweigungen theils blindsackig en-
den (Athem-, Harn- und Geschlechtsorgane),
theils an dem der Eingangsöffnung gegenüberlie-
genden Körperende wieder in die Cutis überge-
hen, den Körper also von einem Pol zum ande-
ren durchziehen (Verdauungsorgane). Dabei er-
fahren die Schichten der Cutis mannigfache Mo-
difieationen, wodurch sich dieselbe, in mehr oder
minder raschem Uebergang, zur Schleimhaut um-
gestaltet, die im Allgemeinen durch die rothe
Farbe und feuchte Beschaffenheit ihrer Ober-
fläche ausgezeichnet und um so feiner ist, je en-
ger das Lumen der Canäle, die sie begrenzt. Die
letzten, feinsten und reichlich verzweigten Enden
der Canäle, durch Bindegewebe zusammengehal-
ten, erscheinen als drüsige Gebilde (G@landulae) ;
die Gänge, welche die Drüsen mit dem Haupt-
schleimhautcanal verbinden, als Ausführungs-
gänge (Ductus excretorü).
Kleinere Einstülpungen der Cutis, welche
zwischen ihr und der Muskelschicht in der Körperwand liegen, werden mit
der Cutis beschrieben, die Brustdrüse ausgenommen, die man ihrer Func-
tion wegen zu den Geschlechtsorganen stellt.
Wenn man die Schleimhaut als Fortsetzung der Cutis, die Ausführungsgänge
und Drüsenröhrchen als Fortsetzungen oder Ausstülpungen der Schleimhäute be-
schreibt, so ist dies, was hier ein- für allemal bemerkt werden möge, niemals wört-
lich so zu nehmen, als ob bei der ersten Entwickelung ein Vorschreiten und Fort-
wachsen in der Richtung stattgefunden habe, in welcher etwa der Beschreibende
von einem Theile zum anderen übergeht. Die Anatomie bedient sich dieser Aus-
drücke, wie auch der Worte Ursprung, Verlauf, Theilung, in bloss räum-
lichem Sinne und ohne Rücksicht auf die zeitliche Beziehung, die ihnen eigentlich
zu Grunde liegt. Die zeitliche Reihenfolge, in welcher die Organe wirklich auf-
treten, welche wir in der Beschreibung nach einander auftreten lassen, kommt für
unseren Zweck nicht in Betracht; doch darf man sagen, dass sie schwerlich irgendwo
mit den Vorstellungen übereinstimmt, die wir uns zum Behufe der Auffassung der
a
b. Blut-
gefäss-
drüsen.
c.
Sinnes-
apparate.
1
\
10 Die organischen Systeme.
räumlichen An- und Unterordnung geschaffen haben. Die Körpertheile sind früher
in ihrer äusseren Form vollendet, als in ihre verschiedenen Schichten oder Gewebe
gesondert. Zieht sich nun, wenn diese Sonderung vollzogen ist, ein Strang oder
Canal streckenweit hin, so kann man sich die Entstehung (desselben nicht anders
denken, als dass in jedem Querschnitt der anfänglich gleichartigen Substanzen sich
ein entsprechendes scheiben- oder ringförmiges Stück zur Substanz jenes Stranges
oder Canals metamorphosirt habe. Scheint ein Strang, wie dies z. B. von den
Nerven behauptet wird, aus den Centralorganen in peripherischer Richtung fort-
zuwachsen, so ist ein der That nur die Metaphorphose des bereits abgelagerten
Blastems, welche in der Richtung vom Centrum zur Peripherie forischreitet. Oft
wachsen in dieser Art Canäle von zwei Seiten einander entgegen, um sich dann
schliesslich in einander zu öffnen, und namentlich findet sich dies Verhältniss zwi-
schen Drüsen und ihren Ausführungsgängen. Daher rechtfertigt es sich auch, das
Ovarium den absondernden Drüsen beizuzählen und den Oviduct als dessen Aus-
führungsgang zu betrachten, wenngleich die Hohlräume dieser Drüse geschlossen
sind und sich mit dem Lumen des Oviducts nur vorübergehend in Verbindung
setzen.
2. Die Blutgefässdrüsen. Eine beschränkte Anzahl von Orga-
nen ist im äusseren Ansehen den absondernden Drüsen ähnlich, unterschei-
det sich aber von diesen in dem wesentlichen Punkte, dass sie, abgesehen
von den Blutgefässen, entweder keine oder doch nur völlig geschlossene
Hohlräume enthalten. Ob die Organe, welche man unter diesen Gesichts-
punkten und unter dem gemeinsamen Namen der Blutgefässdrüsen zusam-
menstellt (Schilddrüse, Milz, Nebennieren, Thymus), noch wichtigere, als jene
äusseren und zum Theil negativen Eigenschaften mit einander gemein haben,
lässt sich mittelst unseres gegenwärtigen Wissens von ihrem Bau undihrer
Function nicht entscheiden. Jedenfalls aber ist ihre Verwandtschaft unter
einander grösser, als die Verwandtschaft einzelner derselben zu den Orga-
nen der Verdauung, Harnbereitung oder Athmung, welchen man sie, je nach
ihrer Lage in der Nähe der einen oder anderen, bisher anzureihen pflegte.
3. Die Sinnesapparate. In dem Worte Sinnesorgan liegt ein
Doppelsinn. Wir bedienen uns desselben, um die Substanz zu bezeichnen,
an welehe die eigenthümliche Thätigkeit des Empfindens gebunden ist, die
Substanz, deren Reizung Veränderung der Empfindung nach sich zieht und
deren Zerstörung die Fähigkeit, in der speeifischen Weise zu empfinden,
aufhebt. Der Reiz, welcher die Empfindung veranlasst, kann unseren Körper
an seiner Oberfläche treflen; damit es aber dann wirklich zur Empfindung
komme, muss zwischen dem Gehirn und dem gereizten Punkt der Öber-
fläche eine ununterbrochene Verbindung durch Nervenfäden bestehen.
Diese Thatsache ist auf zweierlei Art ausgelegt worden: entweder man be-
trachtet die Nerven als eine Art Conductoren, die den örtlichen Erfolg der
Reizung zum Gehirne fortzupflanzen bestimmt seien, und schreibt einzelnen
Gehirntheilen die Fähigkeit zu, ihre durch die Nerven vermittelte Erregung
in der specifischen Form einer sinnlichen Empfindung wahrzunehmen. Oder
man erkennt die Nervenfäden in ihrem ganzen Verlaufe bis zu ihrer Ein-
pflanzung ins Gehirn als Träger der Kräfte, die sich in Sinnesempfindun-
gen aussprechen, und man sieht in der Verbindung dieser Nerven und ins-
besondere ihrer centralen Enden mit anderen Hirntheilen die Bedingung,
an welche das Bewusstwerden des Zustandes der Sinnesnerven ge-
Die organischen Systeme. 11
knüpft ist. Je nachdem man die eine oder andere dieser Ansichten adop-
tirt, fasst man als Substanz des Sinnes oder als eigentliches Organ der Sin-
nesthätigkeit entweder ausschliesslich den Gehirntheil, von welchem man
annimmt, dass er die Empfindungen erzeuge, oder den Nerven von seinem
Ursprung an der Körperoberfläche bis zu seiner Endigung im Gehirn. Ge-
wöhnlicher ist es, Sinnesorgane die mehr oder weniger zusammengesetz-
ten Gebilde zu nennen, welche an der Körperoberfläche zunächst zur Auf-
nahme gewisser Arten von Sinnesreizen bestimmt sind, das Auge und Ohr,
die Nase, Zunge und Haut. Für diese werde.ich den Namen Sinnesap -
parate gebrauchen. Der Sinn kann thätig sein nach Ausrottung oder mit
Umgehung derselben, wie die sogenannten Hallucinationen und Träume
von sichtbaren Gegenständen bei völlig Erblindeten, wie die in Folge von
Hirncongestion eintretenden Sinnesphantasmen und viele ähnliche Erschei-
nungen beweisen. Der Sinnesapparat aber hat die doppelte Bedeutung:
1) dem Sinnesnerven Flächen zur peripherischen Ausbreitung darzubieten,
und 2) eine für jeden Nerven besondere Art von Reizen, für welche der
Nerv eine specifische Empfänglichkeit besitzt, zu leiten, zu concentriren
oder nach Umständen zu mässigen. Der letztgenannte Zweck erforderte
sehr verschiedene Einrichtungen, je nachdem Lichtstrahlen, Schallwellen,
chemischen oder mechanischen Einflüssen der Weg zu dem Nerven gebahnt
werden sollte. Diese Einrichtungen 'nebst der Endausbreitung der Sinnes-
nerven, so weit sie eigenthümlich und von dem Apparat unzertrennlich
ist, beschreiben wir in der Eingeweidelehre und weisen der Nervenlehre
die Beschreibung des Laufes der Sinnesnerven und ihrer Ursprünge zu.
Die Nervenlehre (Neurologie) stellt die in der animalischen
Röhre enthaltenen Organe nebst deren Ausläufern in die Wände beider
Röhren und in die Höhlen der vegetativen Röhre dar. Jene Organe, zu-
sammengesetzt theils aus den mikroskopischen Nervenfäden, welche in
Masse weiss sind, theils aus kugelförmigen Elementen, welche in Masse
eine grauröthliche Substanz bilden, sind, wie früher erwähnt, Träger der
Seelenthätigkeiten und der sinnlichen Empfindungen und Erreger der Mus-
keleontraetionen. Alle diese verschiedenen Lebensäusserungen, ebenso wie
die verschiedenen Formen der sinnlichen Empfindung haften dergestalt an
bestimmten Gruppen von Nerven, dass die Reizung jeder Faser an jeder
Stelle ihres Verlaufs die gleichen Reactionen hervorruft und keine jemals
ihre Rolle mit einer anderen vertauscht. Die Gruppe von Nervenfasern,
deren Thätigkeit den psychischen Functionen zu Grunde liegt, macht einen
Theil des Gehirnes aus und erstreckt sich nicht über die Schädelhöhle hin-
aus. Die empfindenden und bewegenden Nerven aber, wenn sie auch im
Gehirn und Rückenmark mit enthalten sind und in diesen Organen (viel-
leicht in der grauen Substanz derselben) die Quelle ihrer Kraft haben, müs-
sen sich doch hinausbegeben zu den Oberflächen, auf welchen sie die Ein-
drücke der Aussenwelt empfangen sollen, und zu den Muskeln, welchen sie
die Impulse zur Zusammenziehung überbringen. Auf den richtigen Zu-
sammenhang dieser Nerven mit den, den psychischen Functionen dienenden
Hirntheilen kommt es sodann an, wenn eine peripherische Erregung der
Sinnesnerven eine bewusste Empfindung, wenn ein Gedanke, der Wille,
eine Muskelzusammenziehung veranlassen soll. Der Austritt der Nerven
5. Nerven.
6.
Gelässe.
12 Die organischen Systeme.
aus der animalischen Röhre geschieht durch symmetrische seitliche Oeff-
nungen in Form von symmetrischen Stämmen, mächtigen, meist aus meh-
reren Wurzeln zusammentretenden Faserbündeln, welche sich peripherisch
verästeln, d. h. wiederholt in feinere, eine geringere Faserzahl umfassende
Bündel spalten. Stämme und Zweige schicken einander häufig gegenseitig
kleinere Abtheilungen von Fasern, sogenannte Anastomosen, zu und schwel-
len an bestimmten Stellen, zumal auf dem Wege zu den Eingeweiden, durch
Einlagerung grauer Substanz knotenartig (zu Ganglien) an. Alles dies,
die Form der Centralorgane, die Vertheilung der grauen und weissen Sub-
stanz und die Faserung der letzteren, die Verzweigung und der Verlauf
der Nerven, und die Lage und Form der Ganglien gehört in das Gebiet
der Nervenlehre; doch verfolgt diese die Verästelungen der Nerven in der
Regel nur bis zum Eintritt in die Organe, welchen sie Beweglichkeit oder
eine bestimmte Art der Empfindlichkeit verleihen, und begnügt sich im
Uebrigen mit dem allgemeinen Resultate, dass die Verästelung und die Ver-
feinerung der Aeste, sowie der Austausch ihrer Fasern noch innerhalb der
Muskeln und Häute fortdauert, bis aus der fortgesetzten Theilung die letz-
ten und feinsten, nur mikroskopisch erkennbaren und nur aus wenigen Fa-
sern bestehenden Zweige hervorgehen, deren Endigungsweise nur an weni-
gen Stellen zuverlässig ermittelt ist.
Ich erwähne zuletzt das organische System, welches alle übrigen durch-
dringt und in wesentlich gleicher Anordnung in allen Körpertheilen wie-
derkehrt, welches deshalb auch wenigstens oberflächlich gekannt sein muss,
wenn die Beschreibung der übrigen nicht in vielen Punkten unverständlich
bleiben soll: ich meine das System der nahrungssaftführenden Gefässe.
Der Theil der Anatomie, welcher einlässlich von demselben handelt, ist die
Gefässlehre (Angiologie). |
Die Existenz der organischen Körper beruht auf einem beständigen
Stoffaustausch mit der Aussenwelt, so dass die Materie, die eben noch Be-
standtheil eines lebenden Wesens war, zersetzt abgegeben und, wenn das
Leben fortbestehen soll, neue gleichartige Materie von aussen aufgenom-
men werden muss. Dieser Austausch erfolgt auf die leichteste Weise bei
den niedersten Thieren und Pflanzen, die entweder aus einem einfachen
Bläschen oder, wie die Gährungspilze, aus reihenweise über einander ge-
ordneten Bläschen bestehen. Jedes dieser Bläschen ist an jeder Stelle
gleich fähig, die geeigneten Stofie aus dem Medium, in welchem es sich
befindet, anzuziehen, die abgenutzten auszuscheiden. Bei den complieirte-
ren Organismen war, abgesehen von der etwa nöthigen Vorbereitung der
Nahrungsmittel, der Zerkleinerung und Auflösung derselben, eine Ver-
anstaltung nöthig, damit jedes organische Element mit den frischen Nah-
rungssäften in Berührung komme. Ganz allgemein gelangen diese daher
bei den complieirteren Thieren in eine innere Höhle, den Verdauungscanal,
und werden, so weit sie brauchbar sind, von da aus durch den Körper ver-
breitet. Dies könnte nun in unmittelbarer Weise dadurch bewerkstelligt
werden, dass der Verdauungscanal selbst Verzweigungen durch die Sub-
stanz des Körpers sendete, in welchen der verflüssigte Nahrungsstofi' weiter
geführt würde. Enden diese Verzweigungen blind, so wird der unbrauch-
bare Theil der Nahrung nebst dem verbrauchten Material des Organismus
Die organischen Systeme. 13
durch eine rückgängige Bewegung und durch die Aufnahmsöffnung (den
Mund) wieder ausgeworfen. Der nächste Fortschritt in der Organisation
erfolgte sodann dadurch, dass die Canäle, welche sich durch den Körper
ziehen, sich entweder einzeln oder wieder zu einem Canal gesammelt, durch
mehrere Aftermündungen oder durch eine einzige nach aussen öffneten,
wodurch die Bewegung der Nahrungsstoffe zu einer continuirlichen, den
Körper von einem Pol zum anderen durchwandernden, werden würde. In
der Classe der Polypen, Medusen und Helminthen kommen Arten mit einem
durch den Körper verzweigten Verdauungscanal mit und ohne After vor,
in welchen man die eine und andere der eben angedeuteten Formen eines
nahrungssaftführenden Systems verwirklicht zu sehen glaubte. Ob mit
Recht, mag dahingestellt bleiben. Manche Entdeckungen der neueren Zeit
lassen vermuthen, dass wir unsere Kenntnisse von dem Bau jener Thiere
zu früh für abgeschlossen gehalten haben. Jedenfalls ist bei den höheren
Thieren der Darm, mag er einfach oder verzweigt sein, nur ein Behälter
für die aufgenommene und verflüssigte Nahrung, aus welchem die zum
Wiederersatz der organischen Substanz bestimmten Säfte erst in ein neues
Röhrensystem übergeleitet werden. Dies erfolgt durch Aufsaugung (Endos-
mose). Der Darminhalt ist für die Thiere, was der Boden für die Pflanze.
In den Boden sind die Wurzeln der Pflanze gesenkt und in den Spitzen
der Wurzeln beginnen die Safteanäle, geschlossen, so dass nur flüssigen und
gelösten Stoffen der Eintritt in dieselben gestattet ist. Ebenso ist in den
Darmwänden des Thieres ein Netz geschlossener Röhren ausgebreitet, des-
sen Membranen nur der gelöste Theil des Darminhaltes zu durchdringen
vermag. Die unlöslichen Bestandtheile der Nahrung, welche in der Darm-
höhle zurückbleiben, werden als Exeremente ausgeleert; die gelösten, in
jenes Röhrennetz aufgenommenen, bilden die allgemeine Ernährungsflüssig-
keit des Körpers, das Blut. Und gleich dem Eintritt in dies Gefäss-
system ist auch der Austritt der Stoffe aus demselben, zum Behuf der Aus-
scheidung aus dem Körper, überall ein Process der Durchschwitzung ge-
löster Materien auf Häute oder in die Höhlen drüsiger Organe, welche zum
Theil vermöge der chemischen Eigenthümlichkeit der Gewebe, die in ihre
Zusammensetzung eingehen, gerade die zum Auswerfen reifen Materien aus
dem Blute an sich ziehen.
Mit dieser vervollkommneten Einrichtung der Stoffeinnahme und Ab-
gabe hängt noch ein anderer Fortschritt zusammen, der sich kurz und
gleichnissweise so ausdrücken lässt, dass die Erneuerung der Nahrungssäfte
bei niederen Organismen, wenn sie durch unmittelbare Verästelungen des
Darms im Körper verbreitet werden, eine integrale ist, bei höheren, mit
einem geschlossenen Gefässsystem versehenen Organismen dagegen eine
partiale. Für einen bestimmten Bruchtheil neu eintretender, jüngerer Stoffe
scheidet hier immer ein entsprechender Bruchtheil der ältesten aus und
während dieser allmäligen Regeneration wird die Masse des Blutes in einer
kreisförmigen Bahn umhergetrieben, so dass dasselbe Partikelchen wieder-
holt zu der Stelle zurückkehren kann, von der es ausging.
Um eine kreisförmige Bahn, wie die, in welcher das Blut sich bewegt,
zu beschreiben, muss man willkürlich an irgend eine Stelle den Anfang
setzen. Beim Blutgefässsystem hat sich der Ausgangspunkt ganz unge-
14 Die organischen Systeme.
sucht dadurch ergeben, dass alle die feinsten Röhrchen, die sich in den
Geweben verbreiten, Zweige eines oder weniger Stämme sind und sich wie-
der zu einem oder wenigen Stämmen vereinigen. Dem Stoffumsatz dienen
unmittelbar nur die feinsten Röhrchen von 0,002 — 0,008° Durchmesser,
deren Wände zugleich dünn genug sind, um die Blutflüssigkeit durchsickern
zu lassen; man nennt sie Capillargefässe oder, weil sie überall netzför-
mig unter einander zusammenhängen, Capillarnetze. Die Inseln fester
Substanz in den Lücken dieser Netze, das sogenannte Parenchym, sind
in manchen Geweben nicht breiter, als die Capillargefässe selbst, erreichen
aber in anderen eine viel bedeutendere Ausdehnung, so dass in jedem
Durchschnitt der Zwischenraum zwischen je zwei Röhrchen das Zehnfache
des Durchmessers der Röhrchen betragen kann. Die Gewebe werden da-
nach in blutreiche und blutarme unterschieden. Die Stämme und Zweige,
in welchen das Blut den Capillarnetzen zuströmt, werden Arterien
(Pulsadern), die Zweige und Stämme, in welchen es aus den Capillar-
netzen abfliesst, werden Venen (Blutadern) genannt. Die Häute sämmt-
licher Gefässe, mit Ausnahme der feinsten Capillarien. sind elastisch und
contractil und demnach einer Veränderung ihres Kalibers fähig; an den
einfachen Stämmen aber, die sich in die Arterien- und Venenzweige auflö-
sen, sind die Vorrichtungen angebracht, welche die Strömung des Blutes
und die Riehtung dieser Strömung regeln. Ich komme auf dieselben zurück.
Vermittelst der Capillarnetze stehen nicht nur die Arterien mit ent-
sprechenden Venen, sondern auch die arteriellen Gefässe, so wie die venö-
sen, je unter sich in Verbindung. Es giebt ausserdem Verbindungen der
einander benachbarten Arterienzweige diesseits und ebenso der Venenzweige
jenseits ihrer capillaren Verästelung durch Gefässe, deren Kaliber dem Ka-
liber der Zweige, zwischen welchen sie die Communication herstellen, ent-
spricht. Solche Verbindungen heissen Anastomosen und, wenn sie
reichlich und netzförmig sind, Geflechte (Plexus).
Die venösen Gefässe sind nieht die einzigen, durch welche der Nah-
rungssaft aus den Organen zurückgeleitet wird. Bei den Wirbelthieren
besteht in dem Parenchym der meisten Organe neben dem Capillarnetz der
Blutgefässe ein gröberes und wahrscheinlich ebenfalls geschlossenes Netz
von Röhrchen, deren wesentliche Bestimmung ist, sich mit dem Safte zu
füllen, der die Blutgefässcapillarien verlassen und sich in das Parenchym
ergossen hat.
In dieselben Röhrchen, die man mit dem Namen Saugadern,
(Lymphgefässe) bezeichnet, finden dann noch andere, zufällig von aus-
sen zugeführte Flüssigkeiten, womit die Gewebe sich tränken, ihren Weg,
und so sind sie es auch, welche in den Darmwänden, in Berührung mit
den neu eingeführten und verdauten Nahrungsmitteln, die Zuleitung der
Ersatzstoffe des Blutes übernehmen. Aus den Saugadernetzen gehen ver-
hältnissmässig feine und vielfach unter einander anastomosirende Ge-
fässe hervor, die in der Richtung der Venen und meistens in Begleitung
derselben aus den Organen aus- und zusammentreten und endlich, in einige
Hauptstämme gesammelt, ihren Inhalt in die Hauptstämme der Venen er-
giessen.
Die Nahrungssäfte haben, wenn sie aus dem Parenehym zurückkehren,
Die organischen Systeme. 15
durch Abgabe einzelner Bestandtheile und durch Aufnahme anderer, die
theils im Organismus erzeugt, theils von aussen zugeführt sind, mancherlei
Veränderungen erfahren. Je nach der Function und dem Nahrungsbedürf-
niss der Organe sind diese Veränderungen verschieden. Bei Vergleichung
des Inhaltes der Arterien und Venen verrathen sie sich allgemein, mit einer
einzigen, später zu erwähnenden Ausnahme, schon dadurch, dass das Blut,
nachdem es die Capillarien passirt hat, dunkler geworden ist. Das Blut
verdankt die hellrothe Farbe seinem Gehalt an Sauerstoff; die dunkle Fär-
bung des Venenblutes rührt davon her, dass bei dem Stoffwechsel der Sauer-
stoff theilweise verloren geht, wogegen sich das Blut mit Kohlensäure, einem
der Zersetzungsproduete der organischen Materie, schwängert. Der Farb-
stoff des Blutes aber, welcher durch die Einwirkung und Entziehung des
Sauerstoffs in der angegebenen Weise verändert wird, ist in mikroskopi-
schen Bläschen, den Blutkörperchen, enthalten, denen die Capillargefässe
den Austritt nicht gestatten. So ist die Flüssigkeit farblos, welche zum
Behuf der Ernährung aus den Capillarnetzen der Blutgefässe ausschwitzt,
und ebenso farblos ist die durch den Austausch mit dem Parenchym ver-
änderte Flüssigkeit, welche in die Netze und Stämme der Saugadern ge-
langt. Diese Flüssigkeit ist die Lymphe; in den Saugadern des Darms
ist sie zur Zeit der Verdauung durch beigemischtes Fett milchig-weiss und
wird dann Chylus (Milchsaft) genannt. Die Saugadern oder Lymph-
gefässe des Darms fiihren deshalb auch den Namen Chylusgefässe.
Unter den Organen, deren Geschäft es ist, die verbrauchten Stoffe an
die Aussenwelt zurückzugeben, ist eines vorzugsweise darauf eingerichtet,
das Blut von seiner Kohlensäure zu befreien. Es ist ein bei den in der
Luft lebenden Thieren drüsenartiges Gebilde, die Lunge, auf deren Wän-
den das Blut in den zahlreichsten und feinsten Capillarien fliesst, nur durch
eine äusserst dünne Substanzlage von der atmosphärischen Luft geschieden,
welche in die Höhle des Organs vermittelst der Athembewegungen ab-
wechselnd eingezogen und wieder aus derselben ausgestossen wird. Bei
dieser Berührung des Blutes mit der Luft wird Sauerstoff aus der letzteren
gegen Kohlensäure aus dem ersteren eingetauscht. In diesem Falle, dessen
ich soeben als einer Ausnahme gedachte, geht das Blut heller roth aus
den Capillargefässen hervor, als es in dieselben einströmte. Es giebt Thiere
(Amphibien), in welchen sich der Lungenkreislauf zu dem allgemeinen
nicht anders verhält, als der Kreislauf jedes anderen absondernden Organs:
ein Ast des gemeinsamen arteriellen Stammes
geht zur Lunge; das hellrothe Blut kehrt aus der
Lunge zu dem allgemeinen Venenstamm zurück,
der sich sodann geradezu in den Arterienstamm
fortsetzt. Die Grenze zwischen beiden, das Ende
des venösen und der Anfang des arteriellen Stam-
mes, ist daran zu erkennen, dass zwischen beide,
mit beiden zusammenhängend, der muskulöse
Schlauch, das Herz, Cor, Fig. 8, eingeschoben
ist, welcher das Blut in Bewegung setzt, wel-
cher also von Einer Seite her den Venenstamm
aufnimmt, nach der anderen Seite hin den Arte-
Fig. 8.
16 Die organischen Systeme.
rienstamm abgiebt. Ein solches Kreislaufsystem ist ein einfaches. Das
Blut wird allmälig von Kohlensäure gereinigt, dadurch, dass in dem
Venenstamm immer das von allen Körpertheilen rickkehrende Blut
gemischt und immer wieder ein neuer Theil dieses gemischten Blu-
tes in der Lunge dem Einfluss der Luft ausgesetzt wird; gerade so
wie das Blut in den Nieren von den Bestandtheilen, die als Urin aus-
geschieden werden, dadurch befreit wird, dass die Nierenarterien bestän-
dig einen Theil des Blutes zur Läuterung durch die Nieren abseits führen.
In den meisten Wirbelthieren' und dem Menschen gewinnt die Lunge oder,
was ihr bei Wasserthieren entspricht, die Kieme, eine hervorragendere Stel-
lung. Hier ist es nicht mehr eine Abtheilung des Blutes, welche dem Gas-
austausch in dem Athemorgan ausgesetzt wird, sondern die ganze Masse
des Blutes macht, bevor sie wieder zu den anderen Körpertheilen verbrei-
tet wird, den Weg durch die Lunge; der Stamm der Körpervene setzt sich
statt in die Körperarterie, in eine Lungenarterie fort; erst die aus den
Lungen austretenden Gefässe vereinigen sich wieder zur Körperarterie.
Dem Körperkreislauf, als dem grossen, steht der Lungenkreislauf, als so-
Fig. 9. Fig. 10. genannter kleinerKreis-
g lauf, gegenüber. Auch
ai) Den T :
ni yiack dieses doppelte Gefässsy-
stem lässt sich unter dem
Bilde eines einfachen Krei-
ses denken, Fig. 9, und
kommt mit einfachem Her-
zen, z.B. bei den Fischen,
vor. Bei den höheren
Wirbelthieren verdoppelt
sich auch der bewegende
Apparat. Der eine liegt
zwischen Körpervene und
Lungenarterie, der andere
zwischen Lungenvene und
Körperarterie; dadurch
aber, dass die beiden Her-
zen, Fig. 10, obgleich voll-
kommen gegen einander
abgeschlossen, Wand an
Y
$
S
X
Q
Ap arteria pulmonalis,
P Respirationsorgan, Vp
vena pulmonalis, die un-
mittelbar Körperarterie
= = Acc Körperarterie, G = -
ad Es IRRE Cc Körperherz. C'p Lungenherz. Wand gelagert sind, wird
man dahin geführt, sich
als Schema dieses Blut-
gefässsystem zwei aneinanderstossende Kreise oder die Touren einer 8 vor-
zustellen.
Was den Bau der genannten Bewegungsapparate betrifft, so zeichnen
sie sich gegen die aus ihnen hervorgehenden Arterienstämme sowohl durch
grössere Weite, als durch beträchtlichere Stärke der Wandungen aus; diese-
bestehen aus zahlreichen Schichten animalischer Muskelfasern, welche durch
rhythmisch abwechselnde Zusammenziehungen und Erschlaffungen die Höhle,
die sie umschliessen, abwechselnd enger und weiter machen. Mit jeder
Die organischen Systeme. 17
Verengung wird der flüssige Inhalt ausgetrieben. Damit er nicht.nach
beiden Mündungen entweiche und nicht bei jeder nachfolgenden Erweite-
rung von beiden Seiten wieder zurückströme, ist nichts weiter erforderlich,
als dass die Mündungen mit Klappen versehen seien, Fig. 11, welche hier
Big. 11.
dem Austritt, dort dem Rücktritt wehren, die sich also
nach der gleichen Richtung öffnen und schliessen. Sol-
che Klappen sind an beiden sogenannten Kammern oder
Ventrikeln des Herzens angebracht. Ausser an den
Ventrikeln kommen bei verschiedenen Thieren noch an
den zunächst gelegenen Theilen der venösen oder arte-
riellen Stämme animalische, rhythmisch bewegliche Mus-
keln vor; bei den höheren Wirbelthieren sind es nament-
lich die venösen Gefässe, die sich jederseits vor dem Aor-
A. Arterie. Y. Vene. ten- und vor dem Lungenventrikel, zu rhythmisch-contrac-
tilen Säcken erweitern, Fig. 12. Dies sind die Vor-
höfe (Adria); indem sie sich gleichzeitig mit einander
und alternirend mit den Venfrikeln zusammenziehen,
nehmen sie im Moment ihrer Erweiterung das Blut aus
den hinter ihnen liegenden Venenstämmen auf, um das-
selbe im Moment der Verengung in die Herzkammern
zu treiben.
Die Gefässlehre befasst sich, gleich der Nerven-
lehre, mit der Beschreibung des Centralorgans, welches
hier das Herz ist, und der Stämme, Aeste und Zweige
nur bis zu dem Eintritt der letzteren in die einzelnen
Organe. Die Verschiedenheiten, welche die Gewebe
in Bezug auf das Verhalten der Gefässe im Parenchym
derselben zeigen, schildert die Gewebelehre; Eigenthümlichkeiten des Ge-
fässverlaufs in besonderen Organen kommen bei der Beschreibung der letz-
teren zur Sprache.
Henle, Anatomie. Thl. I. % 2
I. Knochenlehre.
Zahllder Die Theile des Skelettes sind nach Form und Zahl in den verschbiede-
Knochen. non Lebensaltern verschieden. In eine gewisse Anzahl von Stücken, die
durch Gelenke untereinander zusammenhängen, ist schon die knorpelige
Anlage des Skeletts beim Fötus geschieden. Mit der Umwandlung des Knor-
pels und gewisser, an den Knorpel angrenzender fibröser Gebilde!) in Kno-
chen mehrt sich die Zahl jener Theile. Die Verknöcherung geht nämlich von
mehreren gesonderten Punkten eines und desselben Knorpels, den sogenann-
ten Verknöcherungspunkten, aus; es entstehen innerhalb der verknöchern-
den Gewebe Knochenkerne, die einander entgegenwachsen, bis sie nur noch
eine verhältnissmässig schmale Brücke unverknöcherter Substanz zwischen
sich haben. So ist der ursprünglich einfache Knorpel in mehrere Knochen
zerfallen, die sich bei der Maceration wirklich von einander lösen (Fig. 13).
Der zwischen ihnen unverknöclıert gebliebene Theil der Grundlage erscheint
nun als Naht- oder Bandmasse, Synchondrosis, während sich die unver-
knöchert gebliebenen Knorpelschichten an den freien Enden als knorpelige
Ueberzüge oder Gelenkknorpel, Cartilagines articulares, darstellen.
Viele dieser Nähte und Nahtknorpel oder Nahtbänder ?) haben eine vorüber-
gehende Existenz; sie erhalten sich nur so lange, als der Knochen im Wach-
sen begriffen ist, werden aber, wenn derselbe seine Ausbildung erreicht hat,
1) Die Untersuchungen über die Natur der Gewebe, aus deren Verknöcherung das
Skelett hervorgeht, haben zu dem Resultat geführt, dass sowohl ächter Knorpel, als auch
Faserknorpel und Bindegewebe zur Knochenbildung verwandt werden. Man darf nur das
Kreuzbein einesErwachsenen betrachten, um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass hier ausser
den ursprüsglich knorpeligen Wirbeln auch die faserknorpeligen Zwischenwirbelscheiben und
selbst die fibrösen Bänder (Lig. longitudinale antieum, Ligg. interspinalia) u. s. f. knö-
chern geworden sind. Die Bedeutung des ächten Knorpels beruht richt in seiner Ver-
wandtschaft zur Knochenerde, denn ächte Knorpel können sich unverknöchert erhalten und
Faserknorpel und Bindegewebe können ebensowohl typisch verknöchern , wie ächter Knor-
pel. Der letztere findet sich als Grundlage des Skeletts, wo äusserer Druck oder der Zug
der Muskeln eine provisorisch feste Unterstützung nöthig macht und die Grundlage der
Knochen ist faserknorpelig oder fibrös in den Verdickungsschichten der Extremitätenkno-
chen, in der Schädeldecke u. s. f., wo ein knorpelig-knöcherner Kern oder die Spannung
der Theile von innen aus hinreichenden Halt gewährt.
2) Je nachdem die Grundlage des Knochens knorpelig oder häutig ist, nähert sich
auch die Nahtmasse, abgesehen von späteren Veränderungen, mehr dem Knorpel- oder
* fibrösen Gewebe,
»
a“
Knochenlehre. 19
nachträglich in die Verknöcherung mit hineingezogen, und mit Vollendung der
Verknöcherung stellt sich die Einheit wieder her, die vor Beginn derselben
Fig. 13. bestanden hatte. Ganz’ allgemein sind an
den langen Knochen der Extremitäten ju-
gendlicher Körper die Gelenk-Enden, öfters
auch noch einzelne, dem Ansatze von Mus-
keln dienende Hervorragungen in der Nähe
der Gelenk-Enden von dem ceylindrischen
Mittelstück durch eine Naht getrennt, wel-
che später verknöchert. Die Hüftbeine zer-
fallen durch die Verknöcherung in drei
Theile, welche zur Zeit der Geschlechts-
reife wieder zu Einem Stück verschmelzen.
Im Hirnschädel, der bei den Embryonen
der höheren Thiere, wie bei den Knorpel-
fischen, eine einfache knorpelig - häutige
Kapsel ist, lagert sich die Knochenmasse an
der Basis’in Form von Kernen, an der Decke in Schuppen ab, die noch
zur Zeit der Geburt weit aus einander stehen, aber schon nach dem ersten
Lebensjahr zusammengerückt sind und zum Theil (wie die Stirnbeinhälften)
schon in früher Jugend völlig in einander fliessen.
Viele Nähte aber erhalten sich noch an dem reifen Körper und, mit
seltenen Ausnahmen, welche man deshalb in das Gebiet der Pathologie ver-
weist, während des ganzen Lebens. Diese Nähte verdienen, im Gegensatz zu
den eben erwähnten vorübergehenden oder transitorischen, den
Namen der bleibenden oder permanenten.
Die Beschreibungen der systematischen Anatomie halten sich in der
Regel an die Formen, welche der Körper unmittelbar nach Vollendung des
Wachsthums darbietet; die Besonderheiten früherer Lebensalter werden als
Entwickelungsstufen aufgefasst; die Veränderungen, die sich in reiferen
Jahren einstellen, betrachtet man schon als Anfänge der Involution, d.h.
der Entartung, welcher der Organismus nach seiner Blüthezeit allmälig bis
zum Verwelken anheimfällt. Da aber jener Zeitpunkt, der uns die Normen
liefert, nicht scharf begrenzt ist, so kann es mitunter schwierig werden, zu
entscheiden, welche Bildung die definitive sei. Dies begegnet schon bei
Bestimmung der Zahl der Knochen. Das Wespenbein wird oft, die Schlä-
fenbeine werden allgemein als selbstständige Knochen gerechnet, während
doch das Wespenbein, wie die Schläfenbeine an jugendlichen Schädeln be-
reits mit dem Hinterhauptsbein knöchern verschmolzen sind. Das Brustbein
zählt als Ein Knochen, obgleich die drei Theile, aus welchen es besteht,
sich spät oder gar nicht vereinigen. Mitunter lässt man sich, und zwar mit
vollem Recht, bei der Aufzählung der Theile des Skeletts durch die Rück-
sicht auf die Bequemlichkeit der Darstellung leiten. So geht man bei der
Beschreibung der Hüftknochen auf die drei Stücke zurück, die schon zur
Zeit der Pubertät zu Einem verwachsen sind.
Die Synarthrosen, und zwar sowohl die vorübergehenden als die blei-
benden, erscheinen unter zwei Hauptformen: 1)als Synchondrose (Sym-
physe) oder Syndesmose (am Schädel als Fontanelle), wenn die
« 2
Nähte.
Altersver-
schieden-
heiten.
230 Knochenlehre.
knorpelige oder häutige Zwischensubstanz mächtig oder ausgedehnt genug
ist, um für sich dargestellt zu werden. 2)"Als Naht im engeren Sinne,
Sutura, wenn die Nahtsubstanz zwischen den einander zugewandten
Knochenrändern nur wie ein Kitt oder Leim in unmerklich dünner Schicht
liegt. Die Naht kommt nur an platten Knochen vor, sie ist a) eine ein-
fache (Harmonia), z. B. die Verbindung der Nasenbeine unter einander;
b) eine gezahnte (8. dentata s.serrata), wenn die Knochenränder, wie an
der Schädeldecke, mit Zacken in einander greifen; e) eine Schuppen-
naht (S. sgqueanosa), wenn ein Knochen mit zugeschärftem Rand über den
Rand des anderen greift, wie z. B. der obere Rand des Schläfenbeins über
das Scheitelbein. Die gezahnte Naht ist die festeste. Indem die Zacken
gleich den Fingern der verschränkten Hände in einander greifen, machen
sie die Verschiebung der Knochen in der der Naht parallelen Richtung un-
möglich. Dem Auseinanderweichen der in der Naht verbundenen Knochen
ist dadurch vorgebeugt, dass entweder die Zacken gegen die Spitze an
Breite zunehmen, oder dass sie mit seitlichen Zähnelungen versehen sind.
In der Richtung der Dicke an einander auf- und abwärts zu gleiten wer-
den die Knochen dadurch verhindert, dass die Zacken und die! entspre-
chenden Vertiefungen nicht von der ganzen Dicke des Randes ausgehen.
Von der vollkommenst gezahnten bis zur einfachen Naht kommen übrigens
die mannigfaltigsten Abstufungen vor und auch die Schuppennaht kann
sich der gezahnten durch Zähnelung des übergreifenden Randes nähern.
Verbindet eine transitorische Naht Knochenstücke von so ungleichen Dimen-
sionen, dass Ein Stück hauptsächlich die Form des Knochens bestimmt und die an-
deren sich zu diesem wie Anhänge, Fortsätze oder Säume verhalten, so erhält jenes
Hauptstück den Namen Diaphyse, die anderen werden Epiphysen genannt.
Unter Apophyse verstehen die Einen die Epiphyse nach ihrer Verschmelzung
mit dem Hauptstück, Andere die Vorsprünge, welchen keine besonderen Kerne zu
Grunde liegen, welche also gleichsam aus dem Körper hervorgewachsen sind. Der
beschreibenden Anatomie genügen die Bezeichnungen Mittelstück oder Körper
(Corpus) einerseits und Enden (Extremitates) und Fortsätze (Processus) ande-
rerseits, und sie sind schon deshalb vorzuziehen, weil die Entwickelungsweise der
Knochenvorsprünge nicht für alle unwidersprechlich festgestellt und vielleicht nicht
einmal für alle Individuen genau die nämliche ist.
Was die Formverschiedenheiten der Knochen je nach den Altersstufen
betrifft, so soll hier im Allgemeinen nur erwähnt werden die mit der Ent-
wicekelung der Muskelkräfte zunehmende Auswirkung der dem Muskelan-
satz dienenden Rauhigkeiten, Leisten und Zacken, wie denn diese auch, bei
verschiedenen Individuen verglichen, der Entwickelung des Muskelsystems
proportional sind; ferner die Bildung und fortschreitende Ausdehnung “von
Hohlräumen in den Knochen. Die knorpelige und häutige Grundlage der
Knochen ist massiv ; zugleich mit der Verknöcherung beginnt, durch theil-
weise Wiederaufsaugung der Knochenmasse, die Bildung der feinen, ana-
stomosirenden Markcanälchen; indem mit dem Wachsen des Knochens die
Aufsauguug fortschreitet, entstehen ansehnlichere Zellen und Höhlen , wel-
che sich zum Theil mit Fett (Knochenmark), zum Theil, wenn sie sich in
einen Schleimhauttraetus öffnen und selber von Fortsetzungen der Schleim-
haut ausgekleidet werden, mit Luft erfüllen. Höhlen der letzteren Art kom-
men bei dem Menschen und den Säugethieren nur in Schädelknochen (bei
=
.o
Knochenlehre. 21
Vögeln auch in Extremitätenknochen) vor. Die Markhöhlen sind je nach
der äusseren Form der Knochen e@igenthümlich gestaltet. In den eylindri-
schen Mittelstücken der Extremitätenknochen stellt sich, von einer mächti-
gen Schicht compacter Substanz begrenzt, eine einfache, eylindrische Höhle
her; die platten, das Nerven- und Eingeweiderohr umgebenden Knochen
haben zwischen zwei mehr oder minder mächtigen Tafeln compacter Sub-
stanz eine Lage schwammigen Knochengewebes, mit rundlichen, unter ein-
ander zusammenliängenden markerfüllten Hohlräumen (Diplo&); die Gelenk-
enden der cylindrischen Knochen und die kurzen Knochen des Stammes
und der Extremitäten sind durchaus grosszellig, schwammig, mit einer
Rinde versehen, die kaum mächtiger ist, als die an deren innere Fläche an-
stossenden Blätter der schwammigen Substanz. An Uebergängen zwischen
diesen Formen fehlt es freilich nicht; in den kleinsten Finger- und Zehen-
knochen ist die Markhöhle durch eine Art Diplo& ersetzt; unter den platten
Knochen sind es besonders die der Schädeldecke, dann die Rippen, an wel-
chen die erwähnten Eigenthümlichkeiten hervortreten, indess der Bau der
Hüftbeine sich mehr dem der rundlichen Knochen anschliesst.
Die VWergrösserung der Markräume äuf Kosten des Knochengewebes
macht auch noch in den späteren Lebensperioden Fortschritte. Daraus, und
nicht aus der Vermehrung der Kalkerde gegen den Knorpel, ist die Brü-
chigkeit der Knochen bei Greisen zu erklären. In platten Knochen kann
die Diplo@ schwinden, so dass dann die beiden Tafeln, welche durch die
Diplo& getrennt waren, in eine einzige zusammenfallen,
Die Anordnung der Markräume bedingt gewisse Eigenthümlichkeiten krnän-
der Oberfläche der Knochen. In den Röhrenknochen findet sich neben zahl- scher.
losen, dem blossen Auge nicht oder kaum wahrnehmbaren Poren, welche in
die Markcanälchen führen, in der Regel Eine grössere Oeffnung, das Er-
nährungsloch, Foramen nutritium; es ist die äussere Mündung eines
Canals, der die compacte Substanz schief nach oben oder nach unten durch-
setzt, um Blutgefässe zur Markhöhle zu leiten. Die Oberfläche schwammi-
r Knochen ist zu demselben Zwecke von einer Menge grösserer und klei-
nerer, Löcher durchbohkt Die platten Knochen sind mit zerstreuten und
um so zahlreicheren und grösseren Ernährungslöchern versehen, je mächti-
ger im Verhältniss zu den Tafeln compacter Substanz die Diplo& wird.
Die Eintheilung der Knochen nach ihrer äusseren Gestalt ist schon im Eintheilung.
Vorigen gegeben. Man unterscheidet 1) eylindrische, lange oder
Röhrenknochen, 2) platte oder breite, und 5) kurze Knochen.
Die letzteren haben nur das mit einander gemein, dass keiner ihrer Durch-
messer den anderen bedeutend überwiegt; im Uebrigen sind sie sehr man-
nigfaltig, bald mehr der Kugel-, bald der Würfelform, bald einer eylindri-
schen Scheibe sich nähernd. Cylindrisch sind, mit wenigen Ausnahmen, die
in der Axe der Glieder gelegenen Knochen; platt sind, wie erwähnt, die
Knochen, die an der Bildung der Körperwände Antheil nehmen; sie sind,
die eine Fläche nach aussen, die andere nach innen gewandt, sämmtlich
entsprechend der Form der Höhlen nach der Fläche gebogen. Die kurzen
Knochen sind an der Stelle, wo sich die Hand an den Arm, der Fuss an
22 ® Knochenlehre.
-
das Bein schliesst, ferner in der Längsaxe des Stammes, in der ganzen Be-
rührungslinie der vegetativen und animalischen Röhre, zur Herstellung ei-
ner Gliederung verwandt, welche durch Summirung einer Anzahl von ge-
rinsfügigen Verschiebungen der einzelnen Theile eine ausgiebige Bewegung
des Ganzen gestattet.
Aus der Verschmelzung verschiedenartiger Knochen, wie sie zwischen
den in der Axe des Stammes gelegenen kurzen Knochen und einzelnen, die
vordere oder hintere Röhre umschliessenden platten Knochen stattfindet, gehen
Gestalten hervor, welche in keine der oben genannten Abtheilungen passen.
Man hat sie unter dem Namen gemischte Knochen zusammengestellt.
Die natürliche Haupteintheilung der Knochen des Skeletts nach ihrer
Lage ist die in die Knochen des Stammes und der Extremitäten. Fraglich
bleibt dabei nur die Stellung einiger Knochen, durch welche die Extremi-
täten mit dem Skelett des Stammes in Verbindung stehen, die einerseits zur
knöchernen Umschliessung der Körperhöhlen, in deren Wand sie auch voll-
kommen versteckt sind, mehr oder weniger beitragen, andererseits die Flä-
chen zur Einlenkung der eigentlichen Extremitätenknochen bieten. Ich werde
sie unter der Benennung EXtremitätengürtel in Verbindung mit den
Knochen der Extremitäten abhandeln. Die Form des Gürtels und die Art
seines Zusammenhanges mit dem Stamm ist je nach der auf dem Gürtel
ruhenden Last und nach dem Mechanismus der Extremitäten ‚sehr mannig-
faltig und so auch schon für die oberen und unteren Extremitäten des
menschlichen Körpers verschieden.
Fig. 14. Nebenstehende Quer-
schnitte, von welchen Fig.
14 in der Gegend des obe-
ren Randes der Brust, Fig.
15 in der Beckengegend an-
Pe. Ci = 5 ist, in welchen
die Knochen des Stammes
schwarz, die des Extremitä-.
tengürtels roth bezeichnet
Fig. 15. sind, mögen eine vorläufige Anschauung
von der Verbindung der Rumpf-
und Extremitätenknochen geben. Es
erhellt daraus, dass der Schulter- wie
ee ey der Beckengürtel mit den Bogen des
vegetativen Rohrs zusammenstossen, der
Schultergürtel an einem vorderen, un-
paaren Mittelstück dieser Bogen ein-
gelenkt, der Beckengürtel selber die Stelle eines Theils der Bogen ver-
tretend.
Das vollständige trockne Skelett eines Mannes wiegt etwa 150 — 200 Unzen,
das weibliche Skelett 100 — 150 Unzen. Wegen der Dimensionen des Skeletts
und der Proportion seiner einzelnen Theile verweise ich auf die Handbücher von
Hildebrandt- Weber (Bd. II, S. 39), Krause (2te Aufl. Bd. I. Theil 2, S. 224)
Knochen des Stammes. & 23
und Arnold (Bad. I, 8. 71). Vergl. Seiler, Anatomie des Menschen, für Künst-,
ler und Turnlehrer. Leipzig 1850. Schmidt, Proportionsschlüssel, Stuttgart 1849.
G. Schadow, Polyklet. Berlin 1834 (Ausführliche Darstellung der We: ehueden
ten der Proportionen nach Lebensalter und Geschlecht).
U
A. Knochen des Stammes.
In der Berührungslinie der animalischen und vegetativen Röhre liegt, A. Knochen
als feste@Stütze und Axe des Stammes, eine ee Säule, welche stammes.
Fig. 16, mit ihrer convexen Fläche in die Eingewei-
dehöhle vorragt und die plane, meist sogar
rinnenförmig ausgehöhlte Fläche der Hirn-
und Rückenmarkshöhle zukehrt (Fig. 16). Die
Stärke der Säule ist am beträchtlichsten in der
Gegend, wo sich der Beckengürtel an die
Knochen des Stammes anfügt; von da aus
verjüngt sie sich nach unten hin rasch, nach
oben hin allmälig und mit einigen Schwan-
kungen, die jedoch nur den Breitendurch-
messer betreffen. Im Profil oder ee betrachtet, zeigt sie
Schlangenkrümmungen, welche später genauer bezeichnet werden sollen und
von welchen es hier genüge, zu bemerken, dass in der Becken- und Brust-
gegend, wo die vegetative Röhre allseitig knöchern umschlossen ist, die
Convexität des Bogens sich nach hinten wendet, während in der Bauch-
und Halsgegend, wo die Wände der vegetativen Röhre grösstentheils von
Weichtheilen gebildet werden, die Convexität des Bogens nach vorn sieht,
bis bei der letzten, raschen Krümmung in der Schädelbasis die hintere Flä-
che der Säule zur oberen, die vordere zur unteren wird.
Mit dem Beginn der Verknöcherung wird diese Säule in eine be-
stimmte Anzahl über einander geschichteter, eylindrischer Scheiben geschie-
den, deren Höhe in den verschiedenen Gegenden der Säule ziemlich genau
der Dicke der letzteren proportional ist (Fig. 17 a. f. S.). Diese Scheiben
sind die Wirbelkörper. Sie alterniren mit niedrigeren Scheiben unver-
knöcherter Substanz, den Zwischenwirbelknorpeln, Ligg. s. Carti-
lagines intervertebrales, welche als relativ weiche Bänder die je einander
zugekehrten Flächen zweier Wirbelkörper an einander heften. Die grosse
Mehrzahl dieser Synchondrosen ist permanent, nur in der Schädelbasis und
in der Nähe des unteren Endes der Wirbelsäule verknöchern sie regelmäs-
sig und zwischen den zwei oberen Rumpfwirbeln und dem Schädel werden
sie durch eine Gelenkverbindung eigenthümlicher Art ersetzt...
In der untersten Spitze des Rumpfes sind die Wirbelkörper die einzig
knöchernen Theile. Im Uebrigen schliesst sich an dieselben, ihnen an Zahl
entsprechend, je ein hinterer und vorderer, mehr oder minder vollständi-
ger knöcherner Bogen oder Reif, jener die Wand der animalischen, dieser
die Wand der vegetativen Röhre stützend. So weit die Wirbelkörper
durch Synchondrosen oder (wie die beiden oberen Rumpfwirbel und der
Rand des Schädels) durch Gelenke zusammenhängen, lassen jene Bogen
a
24 N Knochen des Stammes.
Lücken zwischen einariler, welche durch Bänder und Muskeln ausge-
Fig. 17), * füllt werden; so weit sind auch die Wirbel-
körper mittelst Dehnung der Zwischenwir-
belknorpel gegen einander verschiebbar. Wo
aber die Synchondrosen der Wirbelkörper
zur Zeit der Reife verknöchert gefunden
werden, breiten sich auch die Bogenstücke
sämmtlich oder theilweise bis zu gegenseiti-
ger Berührung, ja bis zur Verschmelzung
aus und bilden so sammt den Körpern dort
den Schädel, hier das Kreuzbein. Wir be-
schränken uns zunächst auf die Betrachtung
der Körpergegenden, deren Wirbel verein-
% De zelt bestehen. Allgemein sind hier, und
% I“ zwar schon in den ersten Lebensjahren, die
Y4 A X hinteren Bogen, sowohl die vollständigen
1 \ als die unvollständigen, mit den Wirbelkör-
pern knöchern verbunden; von den vorderen
N Bogen sind die vollständigen an den Wir-
N beikörpern eingelenkt, die unvollständigen
\ theils an denselben eingelenkt, theils mit ih-
N nen verschmolzen. Den Körper sammt al-
d len continuirlich mit ihm zusammenhängen-
N‘ den Bogentheilen nennt man Wirbel, Ver-
> tebra.
% Die eingelenkten vorderen Bogen zer-
fallen, wo sie vollständig sind, in drei Stü-
= y cke (Fig. 18); zwei sind symmetrisch, gleich
Bz u den Hälften eines Reifs ; ihre vorderen Spi-
= N tzen, die eine Strecke weit knorpelig sind
verbindet das dritte, unpaare, den Wir-
beln gegenüberliegende Mittelstück. Die
symmetrischen seitlichen Bogentheile sind
die wahren Rippen, Üos/ae verae:
1 die zugehörigen Mittelstücke fliessen, in-
AN 8 6 dem sie sich der Länge nach an einander
Dog reihen, zu einem platten, einfachen Kno-
Mediandurchschnitt der Knochen
des Stammes.
5 1) Die Wirbelsäule nach der von W. Weber u.
2 E. Weber echanik der menschlichen Gehwerk-
Ze zeuge. Göt 2 1836. Taf, VII.) gegebenen Abbil-
ee Q ei die der Abdruck eines in Gyps eingeschlossenen
und so der Länge nach durchsägten Rumpfes ist.
Die Abbildung, welche Vrolik (Tisdschr. voor de
wis-en natuurkundige Wetenschapen. Deel III. Am-
sterdam 1850. Taf.I.) von der Wirbelsäule eines Rum-
pfes liefert, welcher im gefrorenen Zustande durch-
sägt wurde, weicht in einigen Punkten und beson-
ders darin von der Weber’schen ab, dass die Spi-
tze des Steissbeines etwas höher steht, als der untere
Rand der Syncehondrose der Schambeine.
Cy
Knochen des Stammes. 25
chen, dem Brustbein, Sternum, zusammen. Wahre Rippen erstre-
cken sich, sieben an der Zahl, vom achten bis vierzehnten Wirbel; ihnen
folgen nach unten noch fünf ähnliche, ebenso an den Wirbeln eingelenkte
Fig. 19. Bogen (Fig. 19), zwischen welchen
aber das Verbindungsstück ausgefallen
ist und die sich entweder an die nächste
obere Rippe anlegen oder (die beiden
untersten) frei im Fleische enden. Sie
sind um so kürzer, je weiter abwärts
v am Stamme sie liegen, und werden von
jenen am Brustbein anstossenden Rip-
pen unter dem Namen falsche Rip-
pen, ÜCosiae spuriae, unterschieden. Die sämmtlichen Rippen, wahre
und falsche, nebst den Wirbeln, an welchen sie befestigt sind, und dem
Brustbein setzen das zusammen, was man den knöchernen Brustkasten
oder Brustkorb, Thorax, nennt.
Ich habe schon erwähnt, dass keiner der vorderen Bogen, welche mit
den Wirbelkörpern knöchern verbunden sind, vollständig ist; sie stellen |
also, vor ihrer Verschmelzung mit den übrigen Theilen der Wirbel, fal-
sche Rippen dar, von welchen auch die längste, beiläufig gesagt, die Länge
der letzten beweglichen Rippe nicht erreicht. Solche mit den Wirbeln ver-
schmolzene falsche Rippen kommen, wie sich später zeigen wird, in der
Hals- und Lendengegend vor; an dem oberen Theil des Halses aber findet
Fig. 20. sich, ausser Zusammenhang mit den Wirbeln,
oh noch ein anderartiges Rudiment von vorderen Bo-
7 gen: eine unpaare, in der Mitte der vorderen Wand
der vegetativen Röhre gelegene Knochenplatte, mit
einigen kurzen, paarigen, seitlichen Anhängen, wel- |
che sich wie ein vereinzeltes Stück Brustbein mit
den vorderen Enden einiger Rippen ausnimmt, de-
- ren weiter rückwärts gelegene Theile verkümmert
oder unentwickelt geblieben wären. Dies ist das
Zungenbein, Os hyoides.
Was nun die aus knöchern verbundenen Wir-
beln zusammengefügten Theile des Stammskelettes
betrifft, so wird es sich als wahrscheinlich erweisen, dass das Kreuzbein
ausser den Körpern und hinteren Bogen auch noch Anfänge von vorderen
Bogen enthalte und dass diese es sind, an welche zunächst der Beckengür-
tel durch Synehondrose sich anschliesst. Viel weiter von dem Typus der
bisher beschriebenen Knochen weichen die Knochen des Schädels ab, wel-
che durch die Entfaltung des Rückenmarks zum Gehirn, durch die Einrich-
tungen zur Aufnahme der am Kopfe vereinigten Sinnesorgane, durch den
Abschluss der animalischen Röhre und endlich durch die Bereitung eines
Zuganges zur vegetativen sehr mannigfaltige Umgestaltungen erfahren.
Dennoch ist es, den Schädel im Grossen und Ganzen aufgefasst, sowohl bei
Betrachtung des Längsschnittes (Fig. 17) als des umstehenden Frontal-
schnittes (Fig. 21 auf folg. Seite) (der dem Horizontalschnitt eines Rücken-
1. Wirbel-
säule.
26 Wirbelsäule.
wirbels entspricht) nicht schwer zu erkennen, dass die Knochen der Schä-
Fig. 21. deldecke abgeplattete und gleichsam breitgeschla-
- gene hintere Bogen sind, und dass die Knochen
” des Gesichts und insbesondere der Kiefer die vor-
derenBogen des Rumpfes wiederholen. Die Stücke,
welche die Nasenhöhle, Cavum narium, seit-
lich begrenzen und den Öberkiefer und Gaumen
zusammensetzen, sind von den vordern Bogen der
Rumpfwand darin unterschieden, dass sie, obgleich
der Ring, den sie bilden, vollständig ist, dennoch
unartieulirt mit der Basis des Schädels zusammen-
hängen. Auch erfolgt die Vereinigung der Sei-
tenhälften unter sich beim Erwachsenen ohne Da-
Mid. S
zwischenkunft eines unpaaren, dem Brustbein und Zungenbeinkörper ver- |
gleichbaren Mittelstücks. Dagegen erstreckt sich von der Naht, in welcher
die beiden genannten Bogenhälften vorn und unten zusammentreten, eine
unpaare, mediane, grossentheils knöcherne Scheidewand, Septum narium,
vertical zur Schädelbasis, das obere Ende der vegetativen Röhre in
zwei neben einander gelegene Canäle theilend. Einen mehr rippenähnli-
chen Bogen stellt, abgesehen davon, dass auch hier die beiden Seitenhälf-
ten ohne Mittelstück und sogar ohne Naht in einander übergehen, der Un-
terkiefer, Mandibula, dar, den ich, weil er nicht in der Durchschnitts-
ebene liegt, in Fig. 21 punktirt angedeutet habe; seine Form ist der Form
eines Rippenpaares mehr verwandt und seine Einlenkung an den Schädel
erinnert an das Gelenk der Rippe mit dem Wirbel. Indessen wird eine
genauere Betrachtung des Schädels ergeben, dass auch das Kiefergelenk
einem Wirbelrippengelenk nicht geradezu gleich zu setzen ist.
Zum Behuf einer mehr ins Einzelne gehenden Beschreibung theilen
wir die Knochen des Stammes folgendermaassen ein: 1) Wirbelsäule;
2) Brustbein; 3) Rippen; 4) Zungenbein; 5) Schädel.
1) Wirbelsäule, Columna vertebrahs 1).
-Sämmtliche Wirbel, die unter einauder verschmolzenen des Kreuz-
beins mit eingeschlossen, ‘in ihrer natürlichen oder in einer nach Art der
natürlichen künstlich hergestellten Verbindung machen die Wirbel-
säule aus.
Die durch Synchondrose verbundenen, durch Maceration trennbaren
Wirbel zwischen Kreuzbein und Schädel nennt man wahre Wirbel (Vv.
verae); die Wirbel, welche zum Kreuzbein verschmelzen und die,'im Ver-
gleich mit den übrigen, unvollständigen Wirbel unterhalb des Kreuzbeins
fasst man unter der Benennung falsche Wirbel zusammen. Die unvoll-
ständigen, unterhalb des Kreuzbeins gelegenen Wirbel pflegt man, obwohl
sie gleich den wahren Wirbeln durch Synchondrosen getrennt sind, als Ab-
1) Rückgrat, Columna spinalis, Spina dorsi.
Wirbelsäule, 27
theilungen eines einzigen Knochens zu betrachten, der den Namen Steiss-
bein, Os coceygis, führt. _
Die Zahl der wahren Wirbel beträgt 24; davon stehen 12 mit Rippen
in Verb’ndung und tragen zur Bildung des Brustkorbes bei; dies sind die
Brustwirbel, Vertebrae thoracicae) ; zwischen dem obersten Brustwirbel
und dem Schädel liegen 7, zwischen dem untersten Brustwirbel und dem
Kreuzbein 5 Wirbel; jene werden Halswirbel, Vertebrae colli2), diese
werden Bauchwirbel, Verzebrae abdominales 3), genannt. Falsche Wir-
bel enthält das Kreuzbein 5, das Steissbein 4.
Diese Zahlen sind sehr beständig; Ueberzahl oder Mangel eines Wirbels ge-
hört, besonders in der Hals- und Brustgegend, zu den Seltenheiten; häufiger fin-
det sich die Zahl der Bauchwirbel, am häufigsten die der Kreuzwirbel um Einen
Fig. 22. vermehrt. Nicht selten. nimmt die Zahl der
Wirbel in einer Abtheilung der Wirbelsäule
auf Kosten der anstossenden Abtheilung um Ei-
nen zu, wenn z. B. der letzte Bauchwirbel oder
der erste Steisswirbel mit dem Kreuzbein ver-
“wächst oder der erste Kreuzwirbel einem Bauch-
wirbel ähnlich wird und von dem folgenden ge-
trennt bleibt, oder wenn der erste Bauchwirbel
eine lose Rippe trägt, u. s. f.
v
s & Aus dem, was oben über die Krüm-
>
r s x mungen der Axe des Stammes angegeben
N‘ L wurde, ist zu entnehmen, dass die am mei-
E sten nach vorn vorspringenden Gegenden
Der der Wirbelsäule (Fig. 22).von Hals- und
N Bauchwirbeln eingenommen werden, die am
X meisten nach hinten vorspringenden von
N Rücken- und Kreuzwirbeln. Der Ueber-
gang der Einen Krümmung in die andere
NN erfolgt ganz allmälig, die Grenze zwischen
N dem letzten Bauchwirbel und dem Kreuz-
\ bein allein ausgenommen, an welcher die
Q bereits begonnene _Ausbeugung nach hinten
\* plötzlich unter einem Winkel (dem Promon-
‘ torium) steiler wird.
m
& Bei ruhiger Haltung des ee 3 auf-
% rechter Stellung springt nach hinten die Syn-
chondrose zwischen dem 6ten und dem Tten
% Brustwirbel , nach vorn die Synchondrose zwi-
Ss schen dem 4ten und öten Bauchwirbel am mei-
% sten vor; der Gipfel der Convexität, welche das
% Kreuz- mit dem Steissbein nach hinten bildet,
gehört dem 3ten bis 4ten Kreuzwirbel an. Fällt
man eine Verticallinie vom oberen Rande des er-
Y sten Halswirbels auf eine die Steissbeinspitze be-
N ® 6 ) Rückenwirbel, Vv. dorsales.
R) 2) Nackenwirbel, Vv. cervicales.
3) Lendenwirbel, Vo. lumbales.
28 "Wahre Wirbel.
rührende Horizontalebene, so liegt der Mitte jener Verticalen der I1te Brustwirbel
gegenüber; eine von der Mitte oberen Hälfte gegen die Wirbelsäule gerichtete
Horizontale trifft auf den unteren Rand des 3ten Brustwirbels, eine ebenso von der
Mitte der unteren Hälfte der Verticalen gezogene Linie trifft den unteren Rand des
4ten Bauchwirbels und also ziemlich genau den höchsten Punkt der nach vorn ge-
richteten Convexität der Bauchwirbelgegend.
Ausser den normalen Krümmungen in der Medianebene zeigt die Wirbelsäule
der meisten Menschen noch geringe seitliche Biegungen, und zwar ist die nach
binten gerichtete Convexität der Rückenwirbel meistens zugleich etwas nach rechts
gewandt, eine Folge des Uebergewichts der Muskeln der rechten Ober-Extremität.
a. Wahre Wirbel.
a. Wahre Die wahren Wirbel sind einander ähnlich genug, um nach einem ge-
Wirbel. njeinsamen Schema beschrieben werden zu können. Die Verschiedenhei-
ten, welche sie zeigen, beziehen sich auf die Dimensionen und auf die Form.
Die Formverschiedenheiten sind entweder wesentliche oder unwesentliche:
vermittelst der ersteren sind die drei Abtheilungen der wahren Wirbel
streng von einander geschieden; an ihnen ist sicher zu erkennen, welcher
Abtheilung ein Wirbel angehört. Die unwesentlichen Verschiedenheiten
der Form entwickeln sich in der Reihe der Wirbel allmälig; sie sind zwar,
wenn man die mittleren Glieder aus zwei Abtheilungen mit einander ver-
gleicht, hinreichend charakteristisch, verwischen sich aber an den Grenzen
der Abtheilungen. Wesentlich und charakteristisch sind nur die Bildungen,
die sich auf das Verhältniss der Wirbel zu den vorderen Bogen beziehen.
Wir sehen dabei ab von den seltenen Fällen, wo das Rudiment des vorderen
Bogens am siebenten Hals- oder ersten Bau:hwirbel auf Einer Seite oder auf bei-
den durch Synehondrose an dem Wirbel befestigt ist und also einen Uebergang
zur articulirten Rippe darstellt
Wir haben uns indess bei der folgenden Darstellung zunächst auf die
Reihe der Wirbel vom dritten abwärts zu beschränken. Der erste und der
zweite Halswirbel, wenngleich in den Beziehungen, welche soeben als
charakteristische bezeichnet wurden, den übrigen Halswirbeln gleich, sind
doch durch andere Eigenthümlichkeiten von den übrigen Hals- und den
beiden anderen Arten von Wirbeln weit mehr verschieden, als diese unter
sich. “Der Grund liegt hauptsächlich in der Einrichtung der Gelenke, die
zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel auf die Drehung um die
Längsaxe, zwischen dem zweiten und dritten und so zwischen allen folgenden
hauptsächlich auf die Beugung berechnet sind. Es mögen deshalb die bei-
den ersten Halswirbel unter dem Namen Drehwirbel, die übrigen alle
unter dem Namen Beugewirbel zusammengefasst werden.
«. Beugewirbel.
©. Beupe- Der Beugewirbel, welchen ich in diesem Abschnitt schlechthin Wirbel
wirbel. nenne, besteht aus dem Körper, Corpus (Fig. 23), dessen Form im Al-
gemeinen schon oben geschildert wurde, und dem hinteren Bogen, den man
schlechthin Bogen, Arcus, nennt. Von der hinteren Wand des Körpers
Wahre Wirbel. 29
und der vorderen Wand des Bogens wird das Wirbelloch, Foramen
vertebrale !) umgrenzt. Die Reihe der Wirbellöcher bildet den Wirbel-
canal, Canalis vertebralis?). Der Bogen ist durchgängig an seinem Ursprung
aus dem Körper niedriger als der Körper; dieser Ursprung liegt am oberen
Rande des Körpers (Fig. 24); es bleibt daher unter dem Ursprung des
Bogens ein Theil des Seitenrandes des Körpers frei, in welchen der untere
Rand des Bogens in einer nach unten concaven Krümmung übergeht. Eine
ähnliche, meist viel seichtere, nach oben concave Krümmung findet sich
oben an dem Uebergange des Körpers zum Bogen, wenn der Ansatz des
letzteren etwas unterhalb des oberen Randes des Körpers herabgerückt oder
wenn dieser Rand an den Seiten aufgeworfen ist.
Der vierte Brustwirbel, von unten.
Zwei Brustwirbel, im Profil.
Wie die Wirbelkörper durch Synchondrosen, so sind die Wirbelbogen
durch Gelenke mit einander verbunden. Jeder Wirbelbogen hat an jeder
Seite zwei Gelenkflächen, eine obere und eine untere, zur Articulation je
mit dem nächst höheren und dem nächst tieferen Wirbel. Sie werden von
Vorsprüngen getragen; welche man die oberen und unteren Gelenkfort-
sätze, Processus arliculares supp. et inff. ?), nennt. Diese Fort-
sätze müssen, wenn die Gelenke der Bogen den Synchondrosen der
Körper gegenüber liegen sollen, sich beiderseits um so mehr über die Rän-
der des Bogens und selbst des Wirbelkörpers erheben, je geringen die
Höhe des Bogens im Vergleich zur Höhe des Körpers und je mächtiger die
Lage des Zwischenwirbelknorpels ist. s
Der vordere Rand des Gelenkfortsatzes, indem er nach vorn in den
Rand des Bogens umbiegt. der seinerseits wieder, wie erwähnt, in den hin-
teren Rand des Körpers übergeht, vervollständigt einen Ausschnitt, die
Incisura vertebralis sup. *) et inf.?), der am oberen Wirbelrande nach
‘oben, am unteren Rande nach unten ausgehöhlt und am oberen Rande flacher
als am unteren ist. Beide Ausschnitte vereinigen sich, wenn die Wirbel an
2) Rückenmarksloch, For. medullae spinalis, Apertura spinalis.
?) Rückenmarkscanal, Can. medullae spinalis.
®) Schiefe Fortsätze, Pr. obligu.
*) I. v. minor. 5) I. v. major.
30 Wahre Wirbel.
einander gefügt und durch den Zwischenwirbelknorpel verbunden sind, zu
einem kurzen Canal oder Loch, Zwischenwirbelloch, Foramen in-
tervertebrale (Fig. 24), welches in das Innere des Wirbelcanals führt.
Diese Löcher sind es, durch welche längs der ganzen Wirbelsäule die Ner-
venstämme und Blutgefässe aus- und eintreten.
Von der Seitenfläche der Wirbelbogen und zum Theil der Körper er-
streckt sich seitwärts ein kürzerer oder längerer, in den verschiedenen Ar-
ten der Wirbel verschieden gestalteter Fortsatz, der Querfortsatz,
Processus Iransversus. Er ist Stütze der Rippe (an den Brustwirbeln)
oder diese Stütze in Verbindung mit dem Rudiment des vorderen Bogens
(an den Hals- und Bauchwirbeln).
Eine Rauhigkeit, T’uberositas vertebralis m., welche hauptsächlich
den Streckmuskeln des Rückgrats zum Ansatze dient, nimmt an den Brust-
wirbeln (Fig. 26. Vt. 10) die hintere Fläche der Spitze des Querfortsatzes
ein, geht an den Halswirbeln (Fig. 25) auf den unteren Gelenkfortsatz über
und dehnt sich an den Bauchwirbeln von der Wurzel des (uerfortsatzes
zum hinteren Rand des oberen Gelenkfortsatzes aus. Sie wird zuweilen
schon an den unteren Brustwirbeln durch eine schief auf- und seitwärts
laufende Furche getheilt; regelmässig scheidet sie sich an den Bauchwir-
beln in zwei Fortsätze, von welchen man den oberen, eine Art Leiste am
Aussenrande des oberen Gelenkfortsatzes, als Processus mamillaris, den
unteren, eine scharfe Linie oder kurze Spitze an der Wurzel des Querfort-
satzes, als Processus acessorius beschreibt, Fig. 26.
Fig. 26.
Fünfter bis siebenter Halswirbel und erster
Brustwirbel von hinten.
Eine von der Mitte der hinteren
Fläche desBogens gerade nach hin-
ten oder nach hinten und abwärts
ragende Spitze, der Wirbeldorn,
Proc. spinosus (Dornfortsatz), ist
ebenfalls zur Befestigung von Mus- Zehnter bis zwölfter Brustwirbel und
ken nd Bändern’bestinnet erster Bauchwirbel von hinten.
Wahre Wirbel. 31
Betrachten wir nach dieser Aufzählung der einzelnen Theile des Wir-
bels die Modificationen, welchen ihre Gestalt je nach der Stelle, die der
Wirbel einnimmt, unterworfen ist.
Der Körper nimmt vom dritten Hals- bis zum letzten Bauchwir- Körper.
bel im verticalen und sagittalen Durchmesser ebenso beständig als lang-
sam zu (im verticalen von 14 zu 29mm, im sagittalen von 14 zu 35mm);
auch der transversale Durchmesser wächst vom dritten Halswirbel (21mm)
bis zum letzten Bauchwirbel (d55"m), bleibt sich aber in den mittleren Brust-
wirbeln, vom zweiten bis achten, ziemlich gleich oder nimmt selbst vom
zweiten bis fünften etwas ab. Die Endflächen (obere und untere) sind daher
im Allgemeinen mit dem längsten Durchmesser transversal gestellt; nur in
den nächst oberen Brustwirbeln wird der transversale von dem sagittalen
Durchmesser erreicht und selbst überholt.
Die Form der Endflächen gleicht an den
Halswirbeln, Fig. 27, einem Oblongum mit
abgerundeten Ecken, nähert sich an den
oberen Brustwirbeln, Fig. 28, einem Dreieck
mit concaver, der Wirbelhöhle zugekehrter
Basis und mit abgestumpfter, nach vorn
gerichteter Spitze und wird in den unteren
Brust- und den Bauchwirbeln, Fig. 29, boh-
nenförmig, die Convexität des vorderen
der Concavität des hinteren Randes nahezu
parallele Die Endflächen sind an mace-
rirten Wirbelkörpern ringsum von einem
wulstigen, schwach vorspringenden Rand
umsäumt; starke leistenartige Vorsprünge
finden sich an den Halswirbeln, und zwar
vom oberen Rande an jeder Seite aufwärts,
Fig. 30, vom unteren Rande vorn und hin-
ten abwärts gerichtet, Fig. 31, so dass da-
durch die obere Endfläche jedes Wirbels
von Einer Seite zur andern, die untere End-
fläche von hinten nach vorn ausgehöhlt er-
scheint, und die gegen einander gerichte-
ten Flächen je zweier Wirbelkörper einan-
Vierter Brustwirbel von unten.
Fig. 29.
F
Frontalschnitt der Körper Medianschnitt der Kör-
des 4ten und öten per des 4ten u. 5ten
Halswirbels. Halswirbels.
Bauchwirbel von unten.
een en
32 Wahre Wirbel.
der wie zwei zum Handschlag in einander gefügte Hände umfassen.
Mit ihrer Aussenfläche vergrössert die obere seitliche Leiste der Halswir-
belkörper die Tiefe des oberen Wirbelausschnitts und indem sie sich an
den unteren Theil der Seitenfläche des nächst oberen Wirbels anlegt,
trägt sie statt der letzteren zur Bildung des Zwischenwirbellochs bei
und bewirkt, dass dieses Loch in der Halsgegend ausnahmsweise zum
grösseren Theil von dem unteren, zum kleineren Theil vom oberen Wir-
belausschnitt begrenzt wird. Die obere und untere Fläche je eines Wir-
bels sind in der Hals- und Bauchgegend einander parallel, sie haben
am letzten Bauchwirbel eine auffallende, an den Brustwirbeln eine sehr ge-
ringe Neigung gegen einander, und zwar an dem Bauchwirbel nach hinten,
an den Brustwirbeln nach vorn. Demnach ist nur an dem nach vorn con-
caven Theile der Wirbelsäule, welcher zugleich der minder bewegliche ist,
die Krümmung in der Gestalt der Wirbelknochen begründet; die nach vorn
convexe Krümmung in der Gegend der Hals- und Bauchwirbel muss durch
Keilform der Knorpelscheiben vermittelt sein.
Dies ist das übereinstimmende Resultat der Messungen von W. und E. We-
ber (a. a. O. $S. 91) und Nuhn (Untersuchungen aus dem Gebiete der Anatomie,
Physiologie und praktischen Mediein, HeftI.Heidelberg, 1849. S. 12). Hirschfeld
(Gaz. med. de Paris. 1849. p.490) hält indess die keilförmige Gestalt der Zwischen-
wirbelknorpel der Hals- und Bauchgegend und die Krümmung der Wirbelsäule an
diesen Strecken nur für Folge der Zusammenziehung der zwischen den Wirbelbo-
gen gelegenen elastischen Bänder. Nach der Trennung der Wirbelsäule durch ei-
nen Frontalschnitt in Körper und Bogen richte sich an den Körpern die Hals- und
Tuendengegend gerade, während die Reihe der Bogen sich um '/, der ganzen Länge
der Wirbelsäule verkürze. Das Letztere ist richtig, und es unterliegt keinem Zwei-
fel, dass die elastischen Bänder der Wirbelbogen die nach vorn gerichtete Convexi-
tät der Hals- und Bauchwirbel vermitteln helfen. Die Entfernung der Bogen aber
genügt nicht, um diese Convexität zu ebenen, da auch das Lig longitudinale poste-
rius sich der Streckung der Wirbelsäule widersetzt.
Die Form der Seitenflächen der Wirbelkörper, das Wort im Ge-
gensatz zu den Endflächen gebraucht, ergiebt sich aus der Anschauung der
letzteren von selbst. Die Körper sind vorn und hinten abgeplattet an den
Halswirbeln, dreiseitig prismatisch mit concaver hinterer Fläche an den
nächst oberen Brustwirbeln, mit convexer Vorderfläche und concaver hin-
terer Fläche versehen an den unteren Brust- und den Bauchwirbeln. _ Die
Höhe’der hinteren Fläche übertrifft die der vorderen unmerklich an den
Brustwirbeln; die Vorderfläche ist merklich höher als die hintere an dem
letzten Bauchwirbel. Dabei ist die der vegetativen Höhle zugekehrte Flä-
che jedes _Wirbelkörpers ringsum in verticaler Richtung leicht ausge-
höhlt und die gleiche Fläche der Halswirbel durch zwei von oben nach
unten divergirende Linien in drei Felder, ein mittleres, mehr vortretendes
und rauheres und zwei seitliche, tiefer liegende und glatte geschieden. All-
gemein ist die in die Wirbelhöhle schauende Fläche poröser, mit grösseren
Ernährungslöchern versehen als die vordere.
Als charakteristisches Merkmal tragen die Körper der Brustwirbel an
ihrem Seitenrande die zur Verbindung mit den Rippenköpfehen bestimmten
Wahre Wirbel. 33
Gelenkflächen, Rippenpfannen, /'ossae costales), die sich indess, je weiter
Seitenansicht der Brust-
wirbelsäule.
een um so mehr rückwärts auf die Wurzel der
Bogen ausdehnen. Den zwölf Rippen entsprechen
im Ganzen zwölf Gelenkflächen; diese sind aber an
der Brustwirbelsäule dergestalt vertheilt, dass nur
die erste, elfte und zwölfte ununterbrochen je Einem
Wirbel angehören, zu der Bildung der zweiten bis
zehnten dagegen immer je zwei Wirbel nebst der
zwischen ihnen befindlichen Knorpelscheibe beitra-
gen (Fig. 32). Demnach findet sich auf dem ersten
Brustwirbel eine ganze Rippenpfanne am oberen,
eine halbe am unteren Rande, auf dem zehnten eine
halbe Rippenpfanne am oberen Rande, auf dem elften
und zwöften je eine ganze und auf jedem der übri-
gen Wirbel eine halbe Rippenpfanne am oberen,
eine halbe am unteren Rande (Fossa cost. sup.
et inf., Fig. 24). .
Die Gelenkfläche für die erste Rippe erstreckt sich
nicht selten mit auf den siebenten Halswirbel.
Doch ist der Ausdruck halb hier nicht im
streng mathematischen Sinne zu nehmen; denn er-
stens tritt, wie erwähnt, zwischen den oberen und
unteren Theil jeder zusammengesetzten Rippen-
pfanne der Zwischenwirbelknorpel ein, und zweitens ist schon am dritten
Brustwirbel der obere Theil der Gelenkfläche grösser als der untere desselben
Wirbels, und dies Missverhältniss wächst an jedem. folgenden Wirbel, den
endlichen Uebergang der ganzen Gelenkfläche auf Einen Wirbel vorberei-
tend. Die ungetheilte Gelenkfläche ist kreisförmig oder oval (mit dem
längsten Durchmesser der sagittalen Axe des Wirbels parallel) mit mehr oder
minder, besonders am oberen Umfang, vorspringendem Rande; die Theile
einer solchen Fläche entsprechen also einem grösseren oder kleineren Kreis-
abschnitt. Die kleinen, dem unteren Rande der tieferen Brustwirbel zuge-
theilten Abschnitte der Rippenpfanne sind
abwärts geneigt und, zumal wenn der obere
Vorsprung des Randes der Rippenpfanne
sich stark ausprägt, schärfer gegen die Sei-
tenfläche als gegen die untere Fläche des
Wirbelkörpers abgesetzt (Fig. 35).
Die zusammengesetzten Rippenpfannen bil-
den mit ihrem hinteren Rand einen Theil des
vorderen Randes der Zwischenwirbellöcher: die
Frontalschnitt des fünften u. sechsten in diesen Pfannen eingelenkten Rippen müssen
Brustwirbels mit den Köpfchen daher die Zwischenwirb her verengen und
der Rippen.
die Bewegungen der ersteren können nicht ohne
Einfluss auf die in den letzteren enthaltenen
Gefüsse und Nerven sein. So mag man es für zweckmässig halten, dass die Pfanne
') Superficies artieulares laterales.
Henle, Anatomie. Bd, I, 3
Bogen.
34 Wahre Wirbel.
der beiden untersten, vorzugsweise frei beweglichen Rippen von den Zwischenwir-
bellöchern weg auf die Seitenfläche der betreffenden Wirbelkörper gerückt ist.
An den Körpern der Halswirbel wird die Stelle, welche der Rippen-
pfanne der Brustwirbel entspricht, von der Wurzel der Querfortsätze ein-
genommen. Deswegen scheinen, wenn man die Wirbelsäule nach Entfer-
nung der Rippen von vorn betrachtet, die Körper der Halswirbel einen
kleineren Cylinderabschnitt darzustellen als die Körper der Rückenwirbel.
Ein Theil der Seitenfläche der ersteren wird durch die (@uerfortsätze
verdeckt.
Die Wirbelbogen haben eine im Allgemeinen den Körpern ent-
sprechende, aber ungleichmässige Höhe. Man kann unterscheiden: die
seitlichen Massen, von welchen jederseits die beiden Gelenkfortsätze
und der Querfortsatz ausgehen, den Hals, welcher diese Massen jederseits
mit dem Körper verbindet, und den hinteren Bogenabschnitt, welcher
sie unter sich verbindet. Die Seitenmassen mit den Gelenkfortsätzen sind,
wie erwähnt, überall die nach oben und unten am meisten hervorragenden
Theile ; ‘die Höhe des Halses beträgt etwa 2/3 der Höhe der Wirbelkörper ;
die hinteren Bogenabschnitte sind in der Hals- und Brustgegend den Kör-
pern an Höhe ziemlich gleich und nur an den Bauchwirbeln ansehnlich nie-
driger, woraus folgt, dass bei gerader Haltung die Zwischenräume der Bo-
gen am Hals- und Brusttheil der Wirbelsäule ungefähr eben so hoch sind,
als die Zwischenwirbelknorpel, am Bauchtheil aber höher. Was den Hals
der Wirbelbogen betrifft, so ist der früher gegebenen allgemeinen Beschrei-
bung nur wenig hinzuzufügen. Sein oberer Rand liegt an den Hals- und
Brustwirbeln fast in gleicher Flucht mit dem oberen Rand des Körpers, an
den mittleren Brustwirbeln sogar über demselben, indem er von dem nach
oben vorspringenden Rande der Rippenpfanne ausgeht (Fig. 24), an den
Bauchwirbeln dagegen etwas tiefer als der obere Rand des Körpers. An
den Halswirbeln ist der Hals des Bogens schief seit- und rückwärts, an den
Brust- und Bauchwirbeln ist er gerade rückwärts gerichtet; dadurch ist an
den Halswirbeln, trotz der geringeren Breite des Wirbelkörpers, der Quer-
durchmesser des Wirbellochs absolut grösser als an den Brust- und Bauch-
wirbeln. Mit der Länge des TEEN nimmt von oben nach unten sehr
allmälig und nur mit geringen Schwankungen die Entfernung der Bogen-
gelenke vom Körper und der sagittale Durchmesser der Zwischenwirbellö-
cher zu.
Die seitlichen Massen der Wirbelbogen werden in Verbindung mit den
Fortsätzen beschrieben, von welchen ihre äussere Fläche grösstentheils ver-
deckt wird.
Die hinteren Abschnitte der Wirbelbogen sind, von Einem Gelenkfort-
satz zum anderen gemessen, am ausgedehntesten an den Halswirbeln, am
kürzesten an den Brustwirbeln; sie sind nach der Fläche und ausserdem
nach der Kante so gekrümmt, dass die Concavität des Bogens nach oben
sieht und die Lücken zwischen den einzelnen Bogen halbmondförmig nach
oben gebogene Querspalten darstellen, die aber an den Brustwirbeln gröss-
tentheils durch den abwärts gerichteten Dorn verschlossen werden. Eine
Ausnahme machen, nebst den letzten Brustwirbeln, die Bauchwirbel, bei
Wahre Wirbel. 35
welchen durch die gegenseitige Annäherung der ‚unteren Gelenktortsätze
der untere Bogenrand in eine nach unten offenen, spitzen Winkel verwan-
3 # delt wird, die Lücke zwischen den
ur ‚Bogen also die Form eines Drei-
_ Pas ‘ ecks mit nach oben gerichteter Spi-
_Pm tze und mitunter, wenn zugleich der
obere Rand tief eingeschnitten ist,
eine Rautenform erhält (Fig. 54).
So weit die Ränder der Bogen
frei liegen, sind sie an den Halswir-
beln scharf, an den Brust- und Len-
u; denwirbeln zur Aufnahme der Zwi-
schenbogenbänder rauh, selbst za-
ckig; diese Rauhigkeit geht an den
Brustwirbeln vom oberen Rande auf
die hintere Fläche, vom unteren
Dritter, u. vierter Bauchwirbel von hinten. Rande: auf die vordere Fläche des
. Bogens über; sie erstreckt sich am
oberen Rand der Bauchwirbel auf den oberen Rand des Dornfortsatzes, am
unteren Rande der Bauchwirbel auf die Vorderfläche der Gelenkfortsätze.
Am Halse sind die Wirbelbogen mit der Vorderfläche abwärts sanft ge-
neigt; dadurch, indem zugleich jeder Bogen gegen den nächst oberen et-
was zurücktritt, wird der sagittale Durchmesser des Wirbeleanals nach ab-
wärts allmälig vergrössert. In den Brust- und Bauchwirbeln stehen die
Bogenflächen der Rückenfläche des Wirbelkörpers parallel, vertical. Die
Vorderfläche des Bogens, die den Wirbelcanal bilden hilft, ist in den
Brust- und Bauchwirbeln, abgesehen von den eben erwähnten Rauhigkeiten
am unteren Rande, völlig glatt; an den Halswirbeln ist sie durch eine un-
ter der Mitte und dem Rande parallel verlaufende Linie in ein oberes grös-
seres und ein unteres kleineres Feld getheilt; das letztere, etwas vertiefte,
ist von den Zwischenbogenbändern bedeckt, die sich von unten her an jene
Linie anheften. Die Rückenfläche des Bogens ist der Länge nach durch
den Dorn getheilt, in dessen Seitenflächen sie übergeht.
Die Wirbeldornen sind durchgängig mehr oder weniger ab-
wärts geneigt; die längeren mitunter auch etwas abwärts gekrümmt. Jene
Neigung nimmt von den oberen Halswirbeln bis zum siebenten Brustwirbel
in dem Maasse zu, dass die Dornen in der Mitte der Brustwirbelsäule ein-
ander dachziegelförmig deeken (Fig. 24. 35); vom achten Brustwirbel an
abwärts richten sie sich rasch wieder auf; so dass schon der Dorn des elften
Brustwirbels ziemlich gerade nach hinten steht. Die Dornen des dritten
bis sechsten Halswirbels sind fast gleich lang (14®m), der Dorn des sie-
benten Halswirbels überragt aber den des sechsten um etwa die Hälfte der
Länge des letzteren; von da an bis zum siebenten Brustwirbel nimmt die
Länge der Dornen allmälig um so viel zu, dass sie, trotz der grösseren Nei-
gung abwärts, gleich weit nach hinten ragen; die folgenden verkürzen sich
wieder bis zum elften Brustwirbel, von wo an bis zum Kreuzbein sie um
Weniges anfangs zu- und schliesslich wieder abnehmen.
3*+
Dornen,
36 Wahre Wirbel.
. Bei natürlich aufgerichteter Wirbelsäule trifft eine vom untersten Theil der
Spitze des siebenten Brustwirbeldorns nach vorngezogene Horizontale unter den
oberen Rand des neunten Brustwirbelkörpers; eine ebenso von einem Bauchwir-
beldorn gezogene Linie fällt unter den oberen Rand des nächstfolgenden Wir-
belkörpers und, von den Halswirbeldornen, etwa auf die Mitte des nächstfolgenden
Wirbelkörpers.
Vom siebenten Halswirbel an sind die Spitzen der Dornen durch die Haut zu
fühlen; der siebente Halswirbeldorn fühlt sich aber aın leichtesten heraus, weil er
nicht nur mit der Spitze, sondern auch mit einem Theil des oberen Randes fre
unter der Haut liegt.
Die Dornen des dritten bis sechsten Halswirbels sind platt, deprimirt;
die obere, von Einer Seite zur anderen gewölbte, oder durch eine Längs-
firste getheilte Fläche geht aus der hinteren Fläche des Bogens, die untere
in gleichem Sinne ausgehöhlte Fläche aus der vorderen Fläche des Bogens
hervor; die Spitze ist in zwei platte, divergirende, öfters nicht ganz symmetri-
sche Zacken getheilt (Fig. 25). Die folgenden Dornen bis zu dem des neunten
oder zehnten Brustwirbels sind sämmtlich an der Basis dreiseitig prismatisch,
mit zwei gewölbten oder ausgehöhlten Seitenflächen, welche oben in einer, an
der Mitte des oberen Randes des Bogens beginnenden Firste zusammenstossen,
und einer unteren , schwach ausgehöhlten Fläche, in welche die vordere
Fläche des Bogens besonders an den stark abwärts geneigten Dornen, fast
ohne Unterbrechung, übergeht (Fig. 35. 36). Inden sich die untere Fläche
Fig. 35. Fig. 36.
Brustwirbelbogen von vorn.
—+- Durchschnitt des Bogenhalses,
se 8.89.
A. Brustwirbel von hinten, B. Frontal-
schnitt des Wirbeldorns.
gegen die Spitze hin zu einer Kante verschmälert, werden die Seitenflächen
einander parallel und gewinnt der Dorn eine comprimirte Gestalt mit obe-
rem und unterem scharfen Rande und senkrecht abgeschnittener, wulstiger,
an einigen Wirbelm beilförmig nach unten vorspringender Spitze. Der sie-
bente Halswirbeldorn, obgleich hinsichtlich seiner Länge, seiner prisma-
tisch gestalteten Wurzel und ungetheilten Spitze den Brustwirbeldornen
ähnlich, schliesst sich doch den Dornen der höheren Halswirbel dadurch an,
dass er an der Spitze breiter ist als hoch (Fig. 25), und der erste Brust-
wirbel bildet den Uebergang zu den folgenden durch eine, wenngleich
Wahre Wirbel. 37
noch ansehnlich breite, doch schon im senkrechten Durchmesser verlängerte
Endfläche der Spitze. Die Dornen
vom zehnten oder elften Brustwir-
bel an abwärts sind sogleich vom
Ursprung an platt und comprimirt,
mit zwei seitlichen Flächen, die
rechts und links in die hintere
Fläche des Bogens umbiegen, mit
zwei scharfen Rändern, einem obe-
ren und unteren, von welchen der
letztere oft nach unten concav
ist, und einem verdickten, wulsti-
gen, zuweilen durch eine seichte
Bauchwirbel im Profil. Längsfurche getheilten hinteren
Rande (Fig. 37).
Häufig tragen die Dornen der Bauchwirbel an ihrer Spitze oben eine Gelenk-
fläche, unten einen convexen Gelenkknopf, einfach oder in zwei getheilt, wodurch
sie unter einander articuliren, Diarthrosis interspinosa Mayer (Tiedemann und
Treviranus, Zeitschrift für Physiologie. Bd. II. p. 29. Taf. V. Fig. 1. 2.).
Die Gelenkfortsätze ragen an allen Wirbeln über den oberen
Rand der Wirbelbogen mehr hervor als über den unteren, weil der ab-
wärts gekrümmte Bogen seine untere Gelenkfläche der oberen Gelenkfläche
des nächsten Bogens gleichsam entgegenträgt; sie ragen nach oben und
unten am stärksten hervor an den Bauehwirbeln theils wegen der Höhe der
Zwischenwirbelbänder, theils wegen der im Vergleich zum Körper geringen
Höhe der Bogen dieser Wirbelabtheilung. Die Form der Gelenkfortsätze
wird hauptsächlich durch die Richtung der Gelenkflächen bestimmt, welche
sich von oben nach unten in folgender Weise umändert. Der Schädel ar-
tieulirt auf dem ersten Halswirbel, ler erste Halswirbel auf dem zweiten
mit fast horizontalen Flächen; vom Gelenk des zweiten mit dem dritten
Halswirbel an drehen sich die Gelenkflächen so um die Queraxe, dass die
dem oberen Wirbel angehörigen nach vorn und unten, die dem unteren
angehörigen nach hinten und oben schauen (Fig. 31), bis sie, am fünften
oder sechsten Brustwirbel, der Frontalebene parallel zu liegen kommen, die
dem oberen Wirbel angehörigen nach vorn, die dem unteren angehörigen
nach hinten gerichtet (Fig. 24. 35). So erhalten sie sich bis zum Gelenk
des zwölften Brustwirbels mit dem ersten Lendenwirbel, dessen Flächen, mit
den vorhergehenden verglichen, um die Längsaxe rückwärts gedreht er-
scheinen, so dass die Gelenkflächen des Brustwirbels sich lateralwärts, die des
Bauchwirbels medianwärts kehren, und fortan, da diese Richtung in den
folgenden Gelenken beibehalten wird, jedesmal die unteren Gelenkfortsätze
eines Wirbels von den oberen des folgenden umfasst werden (Fig. 34). Die
meisten dieser Gelenkflächen liegen der Medianebene fast genau parallel;
nur an dem Gelenk des letzten Bauchwirbels mit dem Kreuzbein ist die
obere Gelenkfläche mehr nach vorn, die untere entsprechend nach hinten
gerichtet.
Die Gelenkflächen der Hals- und Brustwirbel sind von nicht ganz re-
gelmässigen, jedoch nahezu kreisrunden Contouren begrenzt und flach oder
Gelenk-
fortsätze.
Querfort-
sätze.
38 Wahre Wirbel.
leicht gekrümmt. Die Ebene der Halswirbelgelenke ist nach unten resp.
vorn convex, die Ebene der Brustwirbelgelenke nach vorn concav; an je-
dem Halswirbel sind demnach die oberen Gelenkflächen vertieft, die unte-
ren gewölbt, an dem Brustwirbel sind, umgekehrt, die oberen Gelenkflächen
gewölbt, die unteren vertieft. An den Bauchwirbeln findet man die lateral-
wärts gewandten Flächen von vorn nach hinten mehr oder minder gewölbt,
die medianwärts gewandten Flächen in derselben Richtung ausgehöhlt und
beide meist im verticalen Durchmesser verlängert. — Was nun die Form
der Fortsätze betrifft, welehe einen Theil dieser Gelenkflächen tragen , so
sind die oberen an den Hals- und Brustwirbeln von vorn nach hinten com-
primirt, mit vorderer convexer, hinterer platter und überknorpelter Fläche,
beide Flächen nach oben und den Seiten in einen halbkreisförmigen, schar-
fen Rand zusammenstossend, so zwar, dass an den Halswirbeln die hintere
(Gelenk-)Fläche, vorwärts geneigt, der vertical gestellten Vorderfläche ent-
gegenkommt, an den Brustwirbeln, umgekehrt, die Vorderfläche, rückwärts
geneigt, sich an der vertical gestellten hinteren (Gelenk-) Fläche herauf-
zieht. Der untere Gelenkfortsatz springt an den Halswirbeln nur wenig
nach abwärts, hauptsächlich aber nach hinten und seitlich vor; mit dem
oberen zusammen stellt er an jedem Wirbel eine kurze, schief abgestutzte,
an die Seitenfläche des Bogens angewachsene Säule dar; längs dem hin-
teren Theil des unteren Randes verläuft die oben erwähnte Muskelrauhig-
keit (Fig. 25). Noch weniger zeichnet sich der untere Gelenkfortsatz an den
zehn oberen Brustwirbeln aus, an welchen fast die ganze Gelenkfläche auf
die Vorderseite des Bogens zu liegen kommt (Fig. 36). An den Bauchwirbeln
ist die Gelenkfläche ganz auf die Gelenkfortsätze übergegangen; von die-
sen sind die oberen seitlich zusammengedrückt, aussen rauh, innen glatt,
die unteren dreiseitigen Pyramiden ähnlich mit nach unten gerichteter
Spitze, die Seitenfläche glatt, die vordere und hintere Fläche rauh. Die
unteren stehen dicht zusammen, die oberen so weit auseinander, dass ihre
innere Fläche noch etwas weiter von der Medianebene entfernt ist als die
Aussenfläche des unteren Fortsatzes der gleichen Seite. Die oberen Ge-
lenkfortsätze der Bauchwirbel werden noch durch die an ihrem hinteren
Rande gelegenen Pr. mamillares und accessorii verlängert (fig. 37).
Die oberen Gelenkfortsätze des zwölften Brustwirbels gleichen denen
der übrigen Brustwirbel, seine unteren Gelenkfortsätze den gleichnamigen
Gelenkfortsätzen der Bauchwirbel. Der elfte Brustwirbel zeichnet sich hin-
sichtlich der Stellung der Gelenkflächen nicht vor den übrigen aus, macht
aber den Anfang mit der Bildung deutlich vorspringender unterer Gelenk-
fortsätze.
Unter dem Namen Diarthrosis obligqua accessoria beschreibt Mayer (a. a. O.
Fig. 3 — 5) zwei Gelenke, welche sich zuweilen an unteren Brust- und oberen
Bauchwirbeln finden, die Gelenkköpfe (proc. obliqui accessorü) unten, die Gelenk-
gruben oben jederseits an der Wurzel des Dornfortsatzes medianwärts von den ei-
gentlichen Gelenkfortsätzen.
Die Querfortsätze stehen an den Hals- und Bauchwirbeln
weiter nach vorn als an den Brustwirbeln; indem sie die Schlangenbie-
gung der Wirbelsäule mitmachen, übertreiben sie dieselbe noch in der Art,
dass eine längs ihrer Spitzen gezogene Linie am Brustkorb nach hinten, am
Wahre Wirbel. - 39
Hals- und Bauchtheil nach vorn steiler gekrümmt ist, als die Axe des Wir-
belcanals. Dies ist der Erfolg einer Verschiedenheit theils des Ursprungs,
theils der Richtung und Länge der (Juerfortsätze an den verschiedenen Ge-
senden der Wirbelsäule. Sie entspringen an den Brustwirbeln jederseits
zwischen dem unteren Rande der oberen und dem oberen Rande der unteren
Gelenkfläche mit einer eylindrischen Wurzel, welche unten über dem Wir-
belausschnitt rinnenförmig vertieft ist und mit ihrer vorderen, abgeplatteten
Fläche in den Hals des Wirbelbogens übergeht. Der Querfortsatz des
ersten Brustwirbels ist gerade seitwärts gerichtet (18"m lang); vom zweiten
Brustwirbel an weichen die Spitzen der (uerfortsätze immer mehr rückwärts;
sie nähern sich deshalb der Mittellinie und nehmen in der vorderen öder
hinteren Ansicht der Wirbelsäule abwärts scheinbar an Länge ab (Fig. 38).
Wirklich und rasch kürzer wird der Querfort-
satz vom neunten Brustwirbel an,und am zwölf-
ten, zuweilen auch schon am elften, ist er nur
noch ein kurzer, in zwei bis drei stumpfe Za-
cken getheilter Höcker. Die Spitzen der Quer-
fortsätze des ersten bis zehnten Brustwirbels
sind kolbig verdickt; sie tragen (Fig. 24. 39)
an der Vorderseite eine kreisrunde schwach
vertiefte, an den oberen Wirbeln abwärts, an
den unteren aufwärts gerichtete Gelenkfläche
zur Articulation mit den Rippenhöckern
(Querfortsatzpfanne, Fossa trans-
versalis), an der Rückseite die zum Mus-
kelansatze dienende Rauhigkeit, welche sich,
wie erwähnt, an den tieferen Wirbeln quer
theilt und öfters so von der Spitze des Quer-
fortsatzes abrückt, dass in der Ansicht des
Wirbels von hinten der Rand der Pfanne für
den Rippenhöcker seitlich unten vorspringt
(Fig. 26). An den beiden unteren Brustwir-
beln hat sich die Muskelrauhigkeit, in den
Pr. mamillaris und accessorius zerfallen, an
die Wurzel des kurzen Querfortsatzes zurück-
gezogen; dieser ist kolbig oder spitz und
steht mit dem Rippenhöcker nur durch ein Li-
gament in Verbindung.
Variet. Man findet ihn auf ein unscheinba-
res Knötchen reducirt; der Pr. accessorius fehlt
am elften oder zwölften Brustwirbel. Die Gelenk-
Wirbelsäule von hinten. fläche wird schon am Querfortsatz des zehnten
Brustwirbels vermisst.
Um die Querfortsätze der Hals- und Bauchwirbel richtig zu verstehen,
ist es nöthig, einen Blick auf die Verbindung der Brustwirbel mit den Rip-
pen zu werfen. Sie wird vermittelt durch die Köpfchen und Höcker der
Rippen (Fig. 39), von welchen sich jene an die Körper, diese an die Quer-
fortsätze der Wirbel anlegen. Der zwischen Kopf und Höcker gelegene
40 Wahre Wirbel.
Hals der Rippe (Ce) begrenzt von vorm, wie der Querfortsatz von hinten,
eine Oeffnung, welche Foramen costo - transversarium genannt werden soll.
Fig. 39.
4 Fünfter Halswirbel von unten.
Brustwirbel und Rippe von unten.
Sie wird durch Bandmasse ausgefüllt. Verschmilzt das Köpfchen einer kur-
zen Rippe mit dem Körper, der Höcker derselben mit dem (Juerfortsatz des
Wirbels, so entsteht die Art durchlöcherter Querfortsätze, wie sie an sämmt-
lichen Halswirbeln, die beiden oberen mit eingeschlossen, vorkommen (Fig. 40).
Das Foramen costo-transversarium, hier schlechthin F'or. fransversarium
genannt, wird vom sechsten Halswirbel an aufwärts durch die zum Schädel
aufsteigende A. und V. vertebralis ausgefüllt. Die Leiste, die dasselbe nach
vorn begrenzt, entspringt vom Körper, die dem Querfortsatz entsprechende
hintere Leiste entspringt am siebenten Halswirbel von der Seite des Bogens
zwischen den Gelenkfortsätzen und rückt in den höheren Wirbeln immer
weiter nach vorn, so dass in der Ansicht von hinten die Querfortsätze von
den Gelenkfortsätzen fast oder völlig verdeckt werden, zumal auch die
Grösse der ersteren in allen Dimensionen vom siebenten Halswirbel auf-
wärts geringer wird. Gleicht das For. costo-transversarium an den Brustwir-
beln einer länglichen Spalte, so verwandelt es sich an den Halswirbeln in
eine kreisrunde Oeffnung, an deren Begrenzung medianwärts der Körper und
Bogenhals des Wirbels und seitlich eine Brücke Antheil nimmt, in welche die
Berührungsstelle zwischen dem Rippenhöcker und eigentlichen Querfortsatz
sich auszieht. Die vordere und hintere Leiste des Querfortsatzes der Halswir-
bel sind platt, mit den Flächen in der Frontal-
ebene; ihre unteren Ränder verbindet die
erwähnte, ebenfalls platte, aber mit den Flä-
chen horizontal gestellte und nach oben aus-
gehöhlte Brücke. So wird der Querfortsatz jen-
seits des For. transversarium zu einer Rinne, in
welcher der aus dem Zwischenwirbelloch aus-
getretene Nerve ruht, und der Rand dieser Rinne
endet vorn und hinten in eine auf- oder seit-
wärts gerichtete Zacke, welche zur Anheftung
von Muskeln benutzt wird (Fig. 41).
Oefters ist das For. transversarium durch eine
feine Knochenbrücke in eine hintere kleinere und
vordere grössere Oeffnung getheilt.
Fig. 41.
Halswirbel, schief von oben
und seitlich,
Wahre Wirbel. 41
Verfolgt man den (uerfortsatz von den Brustwirbein abwärts, so sieht
man ihn am ersten Bauchwirbel plötzlich wieder eben so weit und weiter
seitwärts reichen, als am ersten Brustwirbel; seine Länge pflegt an den fol-
genden Wirbeln wenig zu- oder abzunehmen; seine Höhe gleicht ebenfalls
der Höhe der Brustwirbelquerfortsätze und ist nur am fünften Bauchwirbel
etwas beträchtlicher; er ist platt mit scharfem oberen und unteren Rande und
grade oder schief abgestutzter, wenig verdickter Spitze, welche kaum rückwärts
und wenig aufwärts gerichtet ist. Dieser Querfortsatz der Bauchwirbel !)
aber entspricht dem höckerförmigen Querfortsatz der letzten Brustwirbel
sammt einer kurzen Rippe, deren Verbindungen mit dem Wirbel in Einer
Knochenmasse untergegangen sind. Dies ergiebt sich, ohne die Beihülfe
der Entwickelungsgeschichte, schon aus der Form der Querfortsätze. Ihre
dicke Wurzel entspringt von der Seitenfläche nicht nur des Bogens, son-
dern auch des Körpers der Wirbel; sie geht mit ihrer Vorderfläche in die
Vorderfläche des Körpers über, und eine Vertiefung auf ihrer oberen und
unteren Fläche nimmt sich wie ein durch Knochenmasse ausgefülltes Fora-
men costo-transversarium aus (Fig. 42. 43). Der Processus mamillaris ist
an den hinteren Rand des oberen Gelenktortsatzes hinaufgerückt (Fig. 45);
Fig. 42. Fig. 43.
ee
Zwölfter Brustwirbel mit der Rippe von. unten.
Bauchwirbel von unten.
der Processus accessorius dagegen zieht sich, namentlich an den tieferen
Bauchwirbeln, als eine scharfe Leiste bis zum unteren Rande der Wurzel
des Querfortsatzes herab.
An den unteren Lendenwirbeln eines Skelettes finde ich die Spitzen des Pr.
mamillaris und accessorius durch eine Knochenbrücke verbunden, so dass beide mit
einander nur einen breiten, von einer runden Oeffnung durchbohrten Fortsatz dar-
stellen. An einer Wirbelsäule unserer Sammlung articulirt der überknorpelte untere
Rand der Spitze des Querfortsatzes des letzten Bauchwirbels in einer überknorpel-
ten flachen Grube auf der oberen Fläche des Seitentheiles des Kreuzbeines.
ß. Drehwirbel.
Man denke sich den Körper eines gewöhnlichen Wirbels in die Breite
stark ausgedehnt und durch zwei von vorn nach hinten gezogene Linien
1) Processus costarius, Krause.
ß. Dreh-
wirbel.
42 Wahre Wirbel.
in drei ungefähr gleich grosse Abtheilungen geschieden, die beiden seitli-
chen Theile (M,Fig.44) oben und unten überknorpelt und, statt durch Syn-
chondrosen, durch Gelenke mit entsprechenden Flächen der angrenzenden
Wirbel oder wirbelähnlicher Stücke verbunden; den mittleren Theil zer-
fallen in eine vordere knöcherne, eine
hintere sehnige Leiste (Aa und Z) und
einen eylindrischen, knöchernen, ringsum
freien Kern (D) und diesen Kern mit
seiner unteren Fläche an die obere des
nächst unteren Wirbelkörpers angewach-
sen: so hat man ein Bild der Eigen-
thümlichkeiten, die den ersten und zwei-
ten Halswirbel vor den übrigen aus-
zeichnen. In dem ersten Halswirbel ist
der Körper vertreten durch den vorde-
Atlas und. Epistr.. von oben. ren Bogen und die beiden, die Gelenk-
flächen tragenden Seitenmassen; im
zweiten Halswirbel geschieht der Uebergang vom Dreh- zum Beugewirbel:
die obere Fläche seines Körpers ist mit zwei Gelenkflächen versehen, zwi-
schen welchen der zapfenförmige Zahn,
Dens‘) (Fig. 45), sich erhebt; nach
unten hin aber verjüngt sich der Kör-
per zu dem Umfange, welcher den ge-
wöhnlichen Halswirbelkörpern zukommt,
und die untere Fläche desselben ist
von der unteren Fläche der folgenden
Halswirbel nicht verschieden. Hinter
beiden Gelenkflächen des ersten und hin-
ter der oberen Gelenkfläche des zweiten
Halswirbels folgt jederseits, wie hinter
den Körpern der Beugewirbel, ein Aus-
schnitt, der dem vorderen Rande des
Wirbelausschnittes der übrigen wahren Wirbel entspricht; die hintere knö-
cherne Begrenzung dieses Ausschnittes fehlt aber am ersten Halswirbel
und am oberen Rande des zweiten, zugleich mit den Gelenkfortsätzen, die
erst am unteren Rande des zweiten Halswirbels in der den Beugewirbeln
des Halses eigenen Gestalt auftreten. Der Mangel der Gelenkfortsätze an
den einander zugewandten Rändern der Bogen des ersten und zweiten
Halswirbels bedingt, dass die Lücke zwischen diesen Bogen (wie zwischen
dem Bogen des ersten Halswirbels und dem Hinterhaupt) breiter wird, als
zwischen irgend welchen anderen Wirbeln; sie wird zugleich höher und
der Zugang zur Wirbelhöhle an dieser Stelle in jeder Beziehung geräumi-
ger durch die geringe Höhe des hinteren Bogens des ersten Halswirbels
und durch die Abwesenheit eines Dornes.
Aus dieser Beschreibung erhellt, dass auf die Seitenmassen des ersten Hals-
wirbels und die Theile des zweiten, weichen die oberen Gelenkflächen angehören,
Fig. 45.
Epistr. von oben.
D) Zahnfortsatz, processus odontoideus.
Wahre Wirbel. 43
der Name Gelenkfortsätze nicht passt, und damit hört der Widerspruch auf,
welcher bezüglich der Austrittsstelle der Rückenmarksnerven zwischen den beiden
oberen Wirbeln und den folgenden zu bestehen schien, wenn man angab, dass sie
hier vor und dort hinter den Gelenkfortsätzen austreten.
Am ersten Halswirbel, Atlas, ist der vordere Bogen, Arcus ante-
rior, etwas niedriger, die Seitenmassen, Massae laterales, sind wenig
höher als die Körper der regelmässigen Halswirbel; eine vom Seitenrande
der Seitentheile abwärts gezogene Linie fällt etwa in die Mitte des Quer-
fortsatzes des dritten Halswirbels. Der vordere Bogen hat an seiner Vor-
derfläche zwischen zwei seichten Eindrücken einen besonders nach unten
vorspringenden Muskelhöcker, Tuberculum anterius, diesem gegenüber
an der hinteren Fläche eine kreisrunde, schwach vertiefte Gelenkfläche,
Fossa art. post., welche einer ähnlichen, kaum gewölbten, an der Vorder-
seite des Zahnes des zweiten Halswirbels entspricht. Die oberen Gelenk-
flächen der Seitenmassen, die Hinterhauptspfannen, F'ossae art. supp., sind
von vorn nach hinten stark, von einer Seite zur anderen* schwach ausge-
höhlt, ohrförmig mit gegen die Medianebene concaven Rändern und gegen
diese Ebene abfallend. Die unteren Gelenkflächen der Seitenmassen sind
sehr wenig vertieft, fast kreisrund und steigen gegen die Medianebene sanft
an; die Innenflächen der Seitenmassen springen gewölbt und uneben gegen
die Wirbelhöhle vor und zeigen nahe dem oberen Rande hinter einem war-
zenförmigen Höckerchen eine mehr oder minder tiefe Grube, in welcher das
hinter dem Zahn verlaufende quere Band sich befestigt.
Der hintere: Bogen, Arcus posterior, nimmt aus der hinteren Fläche
der Seitenmassen etwa in der Mitte ihrer Höhe seinen Ursprung, anfangs
deprimirt, die Flächen nach oben und unten, die scharfen Kanten nach in-
nen und aussen gewandt; im weiteren Verlauf nach hinten, indem die Flä-
chen sich verjüngen und die Kanten sich verbreitern, werden die Flächen,
wie an den folgenden Bogen, vor- und rückwärts, die Ränder aufwärts ge-
kehrt. Der deprimirte, nach oben zugleich etwas ausgehöhlte Theil bildet
für Nerven und Gefässe eine Rinne, Sinus atlantis, welche von oben
her durch die nach hinten ausgezogene Spitze des überknorpelten 'Theiles
des Körpers überragt wird. Mitten auf der hinteren Fläche des hinteren
Bogens, an der der Basis des Dornes in den folgenden Wirbeln entsprechen-
den Stelle, findet sich ein kurzer Höcker oder eine verticale Leiste oder auch
ein Grübchen mit wulstigen Rändern, das T’uberculum posterius atlantis.
Der hintere Bogen des Atlas setzt sich hinter dem Körper’ weg in die hin-
tere Leiste des Querfortsatzes fort, dessen vordere .Leiste aus der Vorder-
fläche der Seitenmassen hervor- und gerade lateralwärts geht. Der Quer-
fortsatz ist an sich stärker als an den tieferen Halswirbeln ; dies, in Ver-
bindung mit seiner geraden Richtung und der verhältnissmässig bedeutenden
Breite des Körpers, bewirkt, dass die Spitze desselben weiter zur Seite
reicht, als die Spitze des Querfortsatzes der folgenden Halswirbel und mit-
unter selbst des ersten Brustwirbels. Das Wirbelloch des Atlas erstreckt
sich, zur Aufnahme des Zahnes, zwischen den Seitenmassen nach vorn in
Form einer von seitlichen convexen und einem vorderen concaven Rande
begrenzten Bucht; der zur Aufnahme des Rückenmarkes bestimmte hintere
Atlas
Epistro-
pheus.
b. Falsche
Wirbel.
«. Kreuz-
bein.
44 Falsche Wirbel.
Theil ist breiter, aber im sagittalen Durchmesser kürzer, als in den nächst-
folgenden Wirbeln.
Variet. Die Hinterhauptspfanne ist durch eine quer verlaufende rauhe Rinne
getheilt. Die eine oder andere Leiste des Querfortsatzes ist schwach oder fehlt.
Vom hinteren Theil des Randes der Hinterhauptspfanne wölbt sich eine Brücke zur
hinteren Leiste des Querfortsatzes oder zur Wurzel des hinteren Bogens und ver-
wandelt den hinter dem Querfortsatzloch gelegenen Theil des Sinus atlantis in einen
Knochencanal, durch welchen die Vertebralgefässe laufen.
Der zweite Halswirbel, Hpistropheus (Fig. 46), ist am Körper,
auch abgesehen vom Zahn, wie am Bogen hö-
Fig. 46. her, als die folgenden Halswirbel. Der Körper
s ist an seiner nach oben sich verbreiternden
Vorderfläche mit denselben seitlichen Eindrü-
cken und demselben dreiseitigen Mittelfelde
versehen, wie die Beugewirbel des Halses;
die obere Fläche setzt sich von ihrer Mitte
aus, allmälig ansteigend, in den Zahn fort
Fır/ E Pai und trägt zu den Seiten desselben die schwach
2 gewölbten, seitwärts geneigten, nach vorn
one an Prog] überhängenden Gelenkflächen, F'ossae art.
supp., auf welchen der Atlas artieulirt. Der
Zahn ist eylindrisch, mit kurzer, kegelförmi-
ger Spitze, die nach vorn steiler abfällt als nach hinten; an der hinteren
Fläche unter der Spitze breit ringförmig eingeschnürt, an der Vorderseite
mit der bereits erwähnten Gelenkfläche, F'ossa art. ant., versehen. Der
Bogen liegt mit seinem oberen Rande in gleicher Höhe mit dem oberen
Rande des Körpers und zeigt statt des oberen Ausschnittes nur eine ganz
seichte Vertiefung hinter der Gelenkfläche des Körpers; der untere Wir-
belausschnitt ist tief und zur Seite, wie an den folgenden Wirbeln, durch
den Gelenkfortsatz, Proc. art. inf., begrenzt. Der Querfortsatz entspringt
mit Einer Leiste dicht unter dem oberen Rande des Körpers, mit der ande-
ren, schwächeren, vom Bogen über dem unteren Gelenkfortsatz. Er ist kür-
zer, mehr abwärts geneigt und minder rinnenförmig als an den folgenden
Wirbeln. Wegen der nach oben zunehmenden Breite des Körpers stellt das
For. Iransversarium einen auf- und seitwärts gekrümmten kurzen Canal
dar. Der Dorn ist hoch, in zwei starke Zacken getheilt und reicht weiter
rückwärts als an den nächstfolgenden Wirbeln.
Die hintere Leiste des Querfortsatzes fehlt zuweilen.
b-. Bra Ksteihe, Woche!
«. Kreuzbein, Os sacrum. ').
Den Namen Kreuzbein tragen die fünf, im reifen Körper unter ein-
ander verschmolzenen Wirbel, welche dem letzten Bauchwirbel folgen.
Diese Verschmelzung, die knöcherne Verwachsung der Synehondrosen der
) Heiligbein,
Falsche Wirbel. 45
Körper und der Gelenke der Bogen, sowie die Verknöcherung der Band-
massen, welche an anderen Wirbeln die Lücken zwischen den Bogen ausfül-
len, ist indess nicht das einzige, für die Kreuzwirbel charakteristische
Merkmal. Gleich den verschiedenen Arten der wahren Wirbel zeichnen sich
auch die Kreuzwirbel durch eine eigenthümliche Anordnung der Quer-
fortsätze aus. Hier sind sie in die Breite ausgezogen, zugleich verdickt
und mit den Flächen, die sie einander zukehren, einander dergestalt entge-
gengewachsen, dass »sie jenseits der Zwischenwirbellöcher in derselben
Ebene, wie die Wirbelkörper, und gleich diesen anfangs durch Synchon-
drosen, später durch Knochenmasse an einander haften. Die Synchondrosen
der Körper der Kreuzwirbel sind noch nach der Verknöcherung durch Quer-
leisten auf der Vorderfläche des Kreuzbeins angedeutet, Fig. 47; von den
Synehondrosen der Querfortsätze aber bleibt selten eine Spur und so bilden
Kreuzbein mit dem letzten Bauchwirbel
von hinten.
Kreuzbein mit dem letzten Bauchwirbel
von vorn.
die letzteren, unter einander zusammenhängend, die sogenannten Seiten-
theile, Partes laterales, des Kreuzbeins, deren Grenze gegen den mitt-
leren Theil oder Körper die vorderen und hinteren Kreuzbeinlöcher,
Foramen sacralia antt. und poslt., Fig. 47, 48 und 49, bezeichnen.
Die Kreuzbeinlöcher sind die Mündungen eines den Knochen gerade von
vorn nach hinten durchsetzenden Canals, dessen Wände seitlich, oben und
unten von den Querförtsätzen, medianwärts von den Körpern und Gelenk-
fortsätzen gebildet werden. Die Zwischenwirbellöcher, Foramina inter-
46 Falsche Wirbel.
verfebralia (Fig. 49), wie überall von den Körpern und Gelenkfortsätzen
Fig. 49. je zweier Wirbel umschlossen,
liegen am hinteren Theil der
medianen Wand jener Canäle;
\_r; die Axe der ersteren trifft un-
ter einem fast rechten Winkel
auf die Axe der letzteren; die
vorderen und hinteren Kreuz-
beinöffnungen entsprechen also
den Lücken zwischen je zwei
Rippen an der Vorderseite und
je zwei Querfortsätzen an der
Rückseite, durch welche in der
Brustgegend der Wirbelsäule
die intercostalen Aeste der Spinalnerven nach vorn, die dorsalen Aeste
dieser Nerven nach hinten treten.
Die Kreuzwirbel nehmen von oben nach unten an Höhe, jedoch sel-
ten gleichmässig, ab; meist sind die beiden oberen ziemlich gleich hoch
(28 — 33m), die drei folgenden, einander ebenfalls ziemlich gleich, be-
trächtlich niedriger (20® m); die Breite, zwischen den vorderen Kreuzbein-
löchern gemessen, bleibt sich bei allen gleich (32mm). Die Kreuzbein-
löcher liegen daher vorn und hinten in parallelen Reihen, die beiden oberen
einer jeden Seite von grösserem Durchmesser und weiter auseinander als die
beiden unteren; die vorderen durchgängig weiter als die entsprechenden
hinteren; sie sind rund oder oval, die ovalen mit dem längsten Durchmes-
ser in der Breite oder Höhe des Kreuzbeines; an der Bildung der oberen
haben je zwei Kreuzwirbel gleichen Antheil, das dritte rückt gegen den
oberen Wirbel auf, das vierte liegt ganz über der verknöcherten Syn-
chondrose der zwei letzten Kreuzwirbel. Die Seitentheile verschmälern
sich abwärts und enden höher oder tiefer am Seitenrande des letzten Kreuz-
wirbels in einem geraden, oder nach unten convexen oder nach unten aus-
geschnittenen Rande. In derselben Richtung verjüngt sich das Kreuzbein
auch im Dickendurchmesser, indem die Wirbelkörper an Dicke (von 30 auf
zum), der Wirbeleanal an Tiefe und die Dornen an Länge verlieren. Die
Breite des Wirbelcanals wird von oben nach unten allmälig dadureb ein-
geschränkt, dass die Wurzeln der Wirbelbogen sich der Medianebene nä-
hern. Wie sich nun der ganze Knochen nach den Seiten und nach unten
schaufelförmig zuschärft und zuspitzt, ist er zugleich nach Art einer Schau-
fel doppelt in der Fläche gekrümmt, die Concavität des Breiten- und Hö-
hendurchmessers nach vorn oder, mit Bezug auf die Lage des Kreuzbeines
im aufrechten Körper, im oberen Theil ab-, im unteren vorwärts gerichtet.
Die obere, bei aufrechter Körperhaltung vorwärts geneigte Fläche des
Kreuzbeins gleicht in ihrem mittleren Theile der oberen Fläche eines
Bauchwirbels und entspricht der unteren Fläche des letzten dieser Wirbel ;
die Seitentheile aber kehren eine Fläche nach oben, welche, je weiter sie
sich von der Medianebene entfernt, um so mehr im sagittalen Durchmesser
sich ausdehnt; welche ferner, vom Gelenkfortsatz durch eine tiefe Furche
geschieden, vor diesem Fortsatz in einer Ebene mit der Fläche des Bogen-
Pasp Pas Fsp Pts
Erster Kreuzwirbel, von unten.
Falsche Wirbel. 47
halses und Körpers liegt und noch weiter vorn bald sanfter, bald steiler in
die Vorderfläche abfällt. Die Grenze der oberen und vorderen Fläche nimmt
mit dem Promontorium Theil an der Begrenzung des kleinen Beckens ge-
gen das grosse. Die untere Spitze des Kreuzbeines wird allein von der
quer elliptischen unteren Fläche des letzten Kreuzwirbels gebildet, da we-
der, wie erwähnt, die, Seitentheile, noch die Bogen diese Spitze erreichen.
Die Rückenfläche des Kreuzbeines ist, so weit der Wirbelcanal ge-
sehlossen ist, mit einer medianen Längsfirste versehen, die sieh, je weiter
abwärts, um so weniger über das Niveau erhebt und am freien Rande ab-
wechselnd verdickte Vorsprünge und scharfe Einbiegungen zeigt; die Vor-
"sprünge entsprechen den Spitzen der comprimirten, abwärts geneigten Dornen,
Processus spinosi spurü (Fig. 48. 50), die Einkerbungen dem Rande der
verknöcherten, dünneren Bandlagen zwischen den einander zugekehrten Rän-
dern der Dornen. Auch in der Fläche zwischen der Basis der Dornen und
der hinteren Kreuzbeinlöcher wechseln mächtigere und glatte mit dünneren
und unebenen Querstreifen,, jene die Bogen, diese die verknöcherten, die
Räume zwischen den Bogen ausfüllenden Bänder. Dicht am medialen
Rande der Kreuzbeinlöcher sitzt in Form von kurzen Zacken oder von
platten, mitunter noch durch eine quere Naht unterbrochenen Längsleisten
die Reihe der knöchern verbundenen Gelenkfortsätze, Proce. arliculares
spwü. Alle diese Bildungen sind je nach den Fortschritten, welche die
Verknöcherung in verschiedenen Individuen macht, sehr veränderlich; so ist
auch der Bogen des unteren oder mehrerer unteren, selten sämmtlicher Kreuz-
wirbel unvollständig, bis auf die Gelenkfortsätze geschwunden, von denen
die untersten, die Kreuzbeinhörner, (ornua sacralia gsriftelförmig
mit planer, überknorpelter Endfläche nach unten ragen, um mit Steissbein-
fortsätzen von gleicher Form und Bedeutung durch Synchondrose verbun-
den zu werden. Unter der Wurzel dieser Hörner liegt der letzte Kreuzbein-
ausschnitt, der durch den entsprechen-
Fig. 50 den Ausschnitt über der Wurzel der
Steissbeinhörner zum Zwischen wirbel-
loch ergänzt wird. Besonders rauh
und unregelmässig sind die seitlichen
Partien der hinteren Fläche durch die
Anheftung der starken, das Kreuzbein
mit den Beckenknochen verbindenden
Bänder. Es finden sich umfangreiche
stumpfe Hervorragungen besonders in
der Nähe des oberen Randes, tiefe,
durch scharfe oder stumpfe Querleisten
geschiedene Gruben, die ihre Flächen
theilweise seitlich wenden, oder es ist
ein Theil der Fläche gegen die Seiten-
ränder abgedacht und mitunter von der
eigentlichen Rückenfläche durch mehr
oder minder vorspringende longitu-
dinale Kämme geschieden, welche
entsprechend der Stelle der ursprüngli-
Kreuzbein, im Profil.
B. Steiss-
bein
Wirbel-
canal.
48 Wirbelsäule.
chen Synchondrosen, erhaben und dazwischen vertieft sind, Processus
/ransversi spurü, Fig. 49.
Der Seitenrand des Kreuzbeins, Fig. 50, ist Sförmig geschweift, im
oberen, nach vorn convexen Theil der Krümmung eine überknorpelte, nach
dem Dickendurchmesser des Knochens (20"m) concave Fläche, im unteren,
nach vorn econcav gekrümmten Theil oben wulstig und gegen die Spitze hin
zugeschärft. _ Durch die überknorpelte Fläche, Facies auricularis, ist
das Kreuzbein an die Beckenknochen befestigt.
ß. Steissbein, Os coceygis ').
Das Steissbein (Fig.51) besteht aus vier durch Synchondrose mit einan-
der verbundenen, nicht selten mit einander knöchern verwachsenen Wirbeln,
von welchen die beiden untersten nicht einmal Spuren von Bogen oder Fort-
sätzen an sich tragen. Der oberste Steisswirbel ist ein im Dickendurch-
messer abgeplatteter, gegen die untere Fläche verjüngter Wirbelkörper mit
zwei aufwärts gerichteten, kurzen, eylindrischen Zacken, den Steissbein-
hörnern, Cornua coccygea, welche den Kreuzbeinhörnern in der bereits
beschriebenen Weise entgegenkommen. Sie stellen jeder den Hals und
oberen Gelenkfortsatz eines Wirbelbogens dar. Jenseits derselben setzen
Fig. 51. sich die Ränder und Flächen des Körpers in die drei-
Ge seitigen Seitentheile fort, deren seitwärts gerichtete
RR Spitze den untersten Rand des Kreuzbeins überragt,
deren oberer, leicht vertiefter Rand mit dem unteren
Theil des äusseren Randes des Kreuzbeins einen Aus-
schnitt begrenzt, welcher einem seitlich unvollstän-
dig geschlossenen vorderen Kreuzbeinloch entspricht.
Die untere Fläche des ersten Steisswirbels (12mm
breit) wird abermals seitlich von der oberen Fläche
des zweiten überragt, an welchem noch Hörner und
Seitentheile wie verkleinerte Nachbildungen der gleich-
namigen Theile des ersten Steisswirbels angedeutet
sind. Der dritte Steisswirbel ist ein abgeplattetes, keilförmiges Knochen-
stück, kleiner als der zweite, der vierte von gleicher Form, kleiner, als der
dritte, immer jedoch so, dass jeder untere Wirbel mit seiner oberen breite-
ren Fläche jederseits über die schmale untere Endfläche des nächst oberen
hervorsieht.e. Die untere Endfläche des vierten Steisswirbels ist uneben,
abgerundet.
Steissbein, von hinten.
Der Canal, welchen die auf einander geschichteten Wirbel umschlies-
sen, macht die Krümmungen der Wirbelsäule mit. Die vordere Wand des-
selben bilden längs der Säule der wahren Wirbel abwechselnd die hohen .
Knochenscheiben der Wirbelkörper und die niederen Knorpelscheiben der
Zwischenwirbelbänder, längs dem Kreuzbein die knöchern zusammengefügten
Körper; die seitliche und hintere Wand bilden die Wirbelbogen und die
, y Schwanzbein, Kuckuksbein.
Wirbelsäule. 49
zwischen ihnen ausgespannten Bänder; oben setzt sich der Wirbelcanal
durch das Hinterhauptsloch in die Schädelhöhle fort; unten endet er zuge-
schärft dadurch, dass sich die Membran, welche die Stelle der Bogen der
unteren Wirbel vertritt (Lig. sacrococcygeum), an die hintere Fläche des
ersten Steisswirbels befestigt. Zwischen den Bogen der beiden obersten.
Halswirbel besteht, wie zwischen dem Bogen des obersten Halswirbels und
dem Schädel, eine einfache Querspalte; vom unteren Rande des zweiten
Halswirbels an bis zum oberen Rande des ersten Kreuzwirbels wird diese
Querspalte vermittelst der Gelenkfortsätze in je drei Oeffnungen getheilt,
die paarigen Zwischenwirbellöcher jederseits vor den Gelenkfortsätzen und
die unpaare Zwischenwirbelspalte (Fissura intervertebralis 1) zwischen den
Gelenkfortsätzen. Am Kreuzbein ist die letztere durch Knochenmasse ver-
schlossen; wenn aber, wie das an den unteren Kreuzwirbeln häufig und am
ersten Steisswirbel regelmässig der’Fall ist, die Bogen unvollständig wer-
den, so fliessen die Zwischenwirbelspalten zu Einer Längsspalte zusammen,
und wenn die Cornua sacralia und coccygea. einander nicht erreichen, so
vereinigen sich auch noch die letzten Zwischenwirbellöcher mit dieser
Längsspalte zu einer gemeinsamen Lücke.
Der Wirbeleanal hat in den verschiedenen Gegenden der Wirbelsäule
eine verschiedene Gestalt und Weite; er ist enger in den minder bewesgli-
chen Regionen, Brust- und Kreuztheil, weiter im Hals- und Bauchtheil.
Im Brusttheil ist der Querschnitt desselben fast kreisrund (17 "m im
Durchmesser); in den Hals- und Bauchwirbeln nimmt besonders die Breite
des Canals zu und der Querschnitt wird stumpfwinklig dreiseitig, die stumpfe
mehr oder minder abgerundete Spitze nach hinten gerichtet; im Kreuzbein
verjüngt sich der Querschnitt des Canals im transversalen und sagittalen
Durchmesser rasch zu einer EIS EL SEEN mit der Concavität vor-
wärts gerichteten Spalte.
Die Zwischenwirbellöcher und die durch dieselben verlaufenden
Nerven und Gefässe werden in der Regel nach dem oberen der beiden
Wirbel, von welchen sie umschlossen werden, gezählt und benannt; eine
Ausnahme machen die Zwischenwirbellöcher am Halse, zu welchen die bei-
den oberen Fissurae intervertebrales und zwar die Fiss. intery. zwischen
Schädel und Atlas als erste eingerechnet werden, so dass hier jede Oeffnung
nach dem unterhalb derselben belegenen Wirbel, die Oeffnung zwischen
dem siebenten Hals- und ersten Brustwirbel aber als achtes Zwischenwirbel-
loch des Halses bezeichnet wird. Wegen der besonderen Form der Zwi-
schenwirbellöcher des Kreuzbeines verweise ich auf die Beschreibung dieses
Knochens. Das fünfte For. interv. sacrale liegt zwischen dem Kreuz- und
Steissbein, ein For. interv. coceygeum unter dem ersten Steisswirbel inner-
halb des Lig. sacrococeygeum. Die eigentlichen Zwischenwirbellöcher nehmen
von den Hals- zu den Bauchwirbeln continuirlich an Umfang zu; ihre‘
Lage, am Halse über den Querfortsätzen, an Brust und Bauch vor densel-
ben, ist bei der Beschreibung der Wirbel erörtert worden.
Zwischen-
wirbel-
löcher.
Von den Zwischenwirbelspalten sind die beiden obersten breiter und Zwischen-
höher, als die übrigen, wegen des Mangels der Gelenkfortsätze und wegen
=
) Foramen intervertebrale posterius. M. J. Weber.
Henle, Anatomie. Thl. I. 4
wirbel-
spalten,
2. Brust-
bein.
50 Brustbein.
der geringen Höhe des Bogens des Atlas; sie sind zugänglicher, als die
folgenden, über welche die bis zum elften Brustwirbel mehr und mehr ab-
wärts geneigten Dornen ragen. An den unteren Halswirbeln (Fig. 25)
sind sie noch als niedrige halbmondförmige, mit der Concavität aufwärts
gerichtete Lücken sichtbar; an den Brustwirbeln (Fig. 35) sind sie von
hinten her vollkommen verdeckt; vom untersten Brustwirbel an (Fig. 26.34)
werden die Zwischenwirbelspalten durch die Aufrichtung der Dornen wie-
der freier und gewinnen vermöge der Divergenz der unteren Gelenkfort-
sätze die Form eines aufrechtstehenden Dreiecks mit abwärts convexer
Basis.
Zwischen der männlichen und weiblichen Wirbelsäule besteht bezüglich der Di-
mensionen ein geringerer Unterschied, als man nach der Grössenverschiedenheit
beider Geschlechter erwarten würde. Die männliche Wirbelsäule ist durchschnittlich
etwa 1 Zoll länger (Krause, Arnold). Die Querfortsätze der Brustwirbel sind
beim Weibe etwas mehr rückwärts geneigt, als beim Manne; der Bauchtheil der
weiblichen Wirbelsäule ist verhältnissmässig länger; das weibliche Kreuzbein ist
breiter und kürzer und liegt geneigter.
Beim Neugeborenen enthält die Mehrzahl der Wirbel drei Knochenstücke, eins
im Körper, an beiden Endflächen von Knorpel bedeckt, zwei im Bogen, welche an
der Wurzel des Wirbeldorns zusammenstossen. Im Atlas finden sich nur diese bei-
den Bogenstücke; sein vorderer Bogen ist noch ganz knorpelig, ebenso die drei
letzten Steisswirbel und zuweilen alle vier. Der Epistropheus besitzt ausser dem
Knochenlenkern des Körpers einen oder zwei dicht zusammenliegende Knochenkerne
im Zahn; die drei oberen Kreuzwirbel haben jederseits neben dem vorderen Theil
des Bogenstücks je einen besonderen Knochenkern. Der Kern im vorderen Bogen
des Atlas entsteht innerhalb des ersten Lebensjahres ; die Steisswirbel verknöchern,
zuweilen aus zwei Stücken, der Reihe nach von oben nach unten, im siebenten bis
zwölften Jahr und zuweilen noch später. Die knöcherne Vereinigung der Bogen-
stücke unter sich erfolgt im ersten bis dritten Jahr, zuerst an den Brust- und unte- »
ren Hals- , dann an den Bauchwirbeln und zuletzt am Atlas. Später als unter sich
verschmelzen die Bogentheile mit dem Körper; doch ist auch diese Verschmelzung
im sechsten Jahr vollendet. Die Verschmelzung der Knochenkerne der Kreuzwirbel
erfolgt früher in den unteren, als in den oberen Wirbeln und die Bogentheile ver-
schmelzen früher mit dem Körper, als unter sich; am obersten Kreuzwirbel etwa im
sechsten Jahre.
Unbeständige Knochenkerne kommen hinzu am Tuberculum post. des At-
las und in den vorderen Wurzeln der Querfortsätze der Halswirbel, besonders des
siebenten. Um die Zeit der Pubertät finden sich unbeständige kleine Knochenkerne
an den Spitzen der Dorn- und Querfortsätze sämmtlicher Wirbel, auch in den
Procc. accessorii und mamillares der Bauchwirbel; beständig erhält jeder Wirbelkör-
per zur Pubertätszeit an der oberen und unteren Fläche eine scheibentörmige Epi-
- physe, die nach Vollendung des Wachsthums mit dem Körper verschmilzt. Am
Kreuzbein verknöchern vom achtzehnten Jahre an und von unten herauf auch die
Zwischenwirbelknorpel, der zwischen den beiden obersten Kreuzwirbeln im 25sten
bis 30sten Jahre.
Um dieselbe Zeit verwachsen gewöhnlich die beiden unteren Steisswirbel mit
einander, später auch die höheren unter sich und mit dem Kreuzbein, häufiger bei
Männern, als hei Frauen.
2. Brustbein, Sternum.
Das Brustbein ist ein platter, im Verhältniss zur Höhe (220m) schma-
ler ME nöchen; der Länge nach (Fig. 17), abgesehen von der unteren Spitze,
Brustbein. 51
schwach nach vorn gewölbt; von einer Seite zur anderen auf der Innen-
Häche schwach ausgehöhlt, auf der Aussenfläche bald gewölbt, bald und
besonders im unteren Theile durch Auftreibung der Seitenrän-
der ebenfalls ausgehöhlt, so dass der Querschnitt einem Menis-
cus gleicht (Fig. 52). Der obere Rand des Brustbeines liegt
in gleicher Höhe mit dem unteren Rande des zweiten Brustwir-
bels, sein unteres Ende etwa dem zehnten Brustwirbel gegen-
eg über. Das untere Ende entfernt sich weiter von der Wirbel-
bein. Säule nach vorn, als das obere; die äussere Fläche des Kno-
chens sieht daher nach oben, die innere nach unten. Die Dicke
des Brustbeins ist am beträchtlichsten am oberen Rande, von da an abwärts
bis zur Anheftung der letzten Rippe ziemlich gleich,
Fig. 53. und nimmt unter dieser Stelle schnell bis zu völ-
Is - liger Zuschärfung ‘der unteren Spitze ab. Der obere
Sn Rand (Fig. 53) ist drei Mal halbmondförmig aus-
l geschnitten: der mittlere halbmondförmige
Ausschnitt, Ineisura semilunaris, lässt sich frei
unter der Haut fühlen, die beiden seitlichen und
zur Seite geneigten Ausschnitte, Schlüsselbein-
ausschnitte, JIneisurae claviculares, sind
überknorpelt und articuliren mit den vorderen En-
den der Schlüsselbeine. Sie nehmen in der Regel
einen längeren Theil des Brustbeinrandes ein, als-
der halbmondförmige Ausschnitt. An dem Seiten-
rande des Brustbeins sind die sieben wahren Rip-
pen, die oberste durch Synchondrose, die folgen-
den durch Gelenke befestigt. Die Fläche zur Auf-
nahme der obersten Rippe, Jneisura cost. 1,
schliesst sich, schräg aufwärts geneigt, unmittelbar
W 73° an den äusseren Rand des Schlüsselbeinausschnitts
! an; die Gelenkflächen für die zweite bis sechste
EERSENEIT VOR .KOrR:; Rippe, ebenfalls halbmondförmige überknorpelte
Ausschnitte, aber immer kleiner und flacher, je weiter abwärts sie liegen,
wechseln mit scharfen, eingebogenen freien Stellen des Seitenrandes, welche
zwischen den oberen Gelenkflächen ungefähr ebenso hoch sind, als diese,
zwischen den Gelenkflächen der unteren Rippen aber niedriger werden, so
dass diese Gelenkflächen einander näher rücken, bis zuletzt die Gelenkflä-
che der siebenten Rippe die der sechsten fast berührt oder wirklich mit
derselben zusammenfliesst. Von den Synchondrosen, welche ursprünglich
das Brustbein, der Zahl der Rippen entsprechend, quer abtheilen, erhalten
sich im Erwachsenen zwei, die obere zwischen den Gelenkflächen der zwei-
ten Rippen und zwar von der Mitte der einen zur Mitte der anderen, die
untere ebenso zwischen den Gelenkflächen der siebenten Rippen. Das
Brustbein zerfällt dadurch in drei ungleich lange Stücke, den Griff, Ma-
nubrium, den Körper, Corpus, und den Schwertfortsatz, Processus en-
siformis1). Am Griff findet sich nebst den Schlüsselbeinausschnitten die
Fig. 52.
2
"al
) Pr. ziphoideus. Cartilago ensij. s. ziphoidea.
4*
52 Brustbein.
Grube zur Anheftung der ersten Rippe und die halbe Gelenkfläche für die
zweite, am Körper ist die untere Hälfte der zweiten Rippe, die dritte bis
sechste ganz und die siebente zur Hälfte eingelenkt; der Schwertfortsatz
trägt am oberen Theil des Seitenrandes die untere Hälfte der Gelenkfläche
der siebenten Rippe. Er bildet die kurz abgerundete oder spitz ausgezo-
gene oder in zwei ungleiche Zacken getheilte, bald aus- bald einwärts ge-
bogene freie untere Spitze des ganzen Knochens und ist häufiger und
schon in früherem Alter mit dem Körper knöchern verwachsen, als der
Griff, erhält sich aber, besonders im unteren Theile, lange und oft bis in
das hohe Alter knorpelig.
An beiden Nähten ist das Brustbein schmaler, als ober- und unter-
halb derselben ; die Seitenränder des Griffes convergiren also nach unten
und der Griff im Ganzen hat die Gestalt eines Dreiecks mit nach unten
gewandter quer abgestutzter Spitze; genauer genommen müsste man ihn
einem von mehr oder minder einwärts gebogenen Seiten begrenzter Zehn-
eck vergleichen. Der Körper ist langgestreckt eiförmig, mit gezackten
Seitenrändern, quer abgestutzter oberer und unterer Spitze, die grösste
Breite (46”m) nahe der unteren Spitze, in der Gegend der Insertion der
fünften Rippe. Die Breite nimmt hier, und zwar auf Kosten der Länge
des Brustbeines, so zu, dass der Theil des Randes, welcher die Gelenkflä- -
chen für die sechste und siebente Rippe trägt, fast abwärts gerichtet ist und
die Insertionen dieser Rippe neben die Naht des Körpers und Schwert-
fortsatzes zu liegen kommen. Der Schwertfortsatz hat die „grösste Breite
bald näher dem oberen, bald dem unteren Rande.
Die Flächen des Brustbeines sind beide von vielen feinen Furchen
und kleinen Löchern rauh; oft finden sich Querwülste nicht bloss an der
Stelle der Nähte, sondern auch auf dem Körper zwischen je zwei einander
gegenübergelegenen Rippengelenkflächen. Statt continuirlich gewölbt, ist
das Brustbein zuweilen an dem einen oder anderen jener Querwülste unter
einem stumpfen Winkel geknickt.
Die Verbindung des Handgriffes mit dem Körper des Brustbeines geschieht in
der Regel durch Knorpel, selten durch Fasergewebe, noch seltener durch ein, von
einer Synovialkapsel ausgekleidetes Gelenk (beschrieben vonMaisonneuve, Arch. gen.
1842. Juill. p. 253). Der Brustbeinkörper behält zuweilen mehrere Nähte. Die Nähte
können unregelmässig, einzelne Stücke auch der Länge nach getheilt sein; solche
Nähte hinterlassen zuweilen nach der Verknöcherung Längsspalten oder (häufiger)
rundliche Löcher, durch welche Gefässe der Aussen- und Innenfläche des Thorax
mit einander in Verbindung stehen. Aehnliche Löcher kommen am Schwertfort-
satz vor. An einem Brustbein der hiesigen Sammlung ist der Schwertfortsatz ein
schmaler und dünner kreisrunder Knorpelring. Die Gelenkflächen der beiden un-
tersten Rippen nähern sich nicht selten einander dergestalt, dass sie den Schwert-
fortsatz vom Körper des Brustbeines abdrängen, der dann mit seiner oberen Spitze.
an die unteren Ränder der Rippenknorpel anstösst. -
Unter dem Namen Ossa suprasternalia beschrieb zuerst Breschet (Ann. des
sc. nat. 2e ser. T. X. p. 91. Tab. VIU.) zwei an dem oberen Rand des Brustbeins
durch Synchondrose befestigte Knöchelchen. Nach Luschka (Zeitschr. für wis-
| senschaftl. Zool. Bd. IV. S. 36. Taf. II.) liegen sie, in Gestalt dem Erbsenbein
der Handwurzel ähnlich, auf dem oberen halbmondförmigen Ausschnitt des Brust-
‚ beingriffs, näher dem hinteren als dem vorderen Rande, an der inneren Seite des
Sterno-Claviculargelenkes. Der Theil des Brustbeins, auf welchem die Knöchelchen
mit planer Fläche ruhen, pflegt über das Niveau der Nachbarschaft erhoben zu sein
Rippen. 53
und es können solche Erhebungen am hinteren Rande des oberen Brustbeinaus-
schnittes als Merkmale benutzt werden, dass die Ossa suprasternalia vorhanden wa-
- ren. Zwei starke Bänder, ein vorderes und ein hinteres, befestigen die Supraster-
nalknochen am Brustbein. Der Zwischengelenkknorpel des Sternoclaviculargelenkes
steht durch eine feste Bandmasse mit dem äusseren.Umfang derselben in Verbin-
dung. Das Lig. interclaviculare geht, durch ein straffes Bindegewebe von ihnen ge-
schieden‘ über sie hinweg. Die Anwesenheit der Ossa küpräkternuke gehört zu den
seltenen Varietäten. Analoge, regelmässige Bildungen fand Luschka bei verschie-
denen Arten von Dasypus.
Der Körper des Brustbeines hat beim Manne mindestens die doppelte Länge
des Griffes; beim Weibe übertrifft der Griff an Länge die Hälfte des Körpers
(Hyrtl, top. Anat. Bd. I. S. 348).
Der Griff des Brustbeines enthält beim Neugeborenen meist einen Knochen-
kern. Die Zahl der Knochenkerne im Kör per ist verschieden und vermehrt sich
noch innerhalb des ersten Jahres; sie liegen in der Regel in einfacher Längsreihe,
und die Nähte zwischen denselben verlaufen zwischen je zwei einander gegenüber-
liegenden Gelenkflächen; häufig ist das eine oder andere dieser Stücke durch eine .
Längsnaht getheilt. Zuweilen verschieben sich diese Stücke unregelmässig gegen-
einander (Breschet, a. a. O. pl. VIII. Fig. 2. Otto, Comment. de rarioribus qui-
busdam sceleti humani cum animalium sceleto analogüs. Wratisl. 1839. p. 19. Taf. IF.
M. J. Weber, Commentatio anatomico-physiol. Bonn. 1848. Fig. 3 und 4 Baum-
gärtner, Physiol. Atlas. Taf. XXXIX. Fig. 5.). Im oberen Theil des Schwert-
fortsatzes erscheinen die Ossificationspunkte (einer oder mehrere) selten vor dem
vierten Jahr, oft viel später oder gar nicht. Die Knochenkerne vereinigen sich, zu-
erst die paarigen mit ihren verticalen Rändern, dann die einfach gewordenen mit
ihren horizontalen Rändern und zwar von unten aufwärts; die letzte Quernaht des
Körpers verschwindet erst gegen das 20ste bis 2öste Jahr. Im höheren Alter kön-
nen Körper und Schwertfortsatz, seltener noch Körper und Griff mit einander knö-
chern verwachsen. Die Verwachsung der letzteren kann äusserlich vollendet schei-
nen, indess unter einer dünnen Knochenrinde die Synchondrose sich erhält.
3. Rippen, Costae.
Wir haben die Rippen eingetheilt in wahre (I — VII) und falsche
v III — XID. Die falschen lassen sich weiter in zwei Abtheilungen
scheiden: die oberen (VIII —- X) hängen noch dadurch, dass sie sich
jede an den unteren Rand der nächst oberen Rippe anlegen, mit dem
Brustbein mittelbar zusammen, während die untersten (XI und XII) mit
ihren vorderen Spitzen frei enden und deshalb freie Rippen genannt
werden mögen.
Im ausgebildeten Zustande besteht jede Rippe aus zwei Stücken, welche
durch die Textur und einigermaassen auch durch die Richtung verschieden
und gegen einander abgegrenzt sind. Der hintere und grössere Theil jeder
Rippe nämlich ist knöchern, der vordere knorpelig; der knorpelige Theil
der Rippe heisst Rippenknorpel, Cartilago costalis, wir müssen den
knöchernen Theil, wenn von ihm allein die Rede sein soll, mit dem Na-
men Rippenknochen, Os costale, bezeichnen. Beide ergänzen sich, ab-
gesehen von der ersten und den beiden untersten Rippen, zu einem mit der
Concavität aufwärts gekehrten Bogen, welcher an jeder folgenden Rippe
steiler, ja an den unteren oftmals einer gebrochenen Linie ähnlich wird.
3. Rippen.
54 Rippen.
Der Gipfel dieses Bogens fällt an den oberen Rippen ziemlich genau mit
der Grenze des knöchernen und knorpeligen Theils zusammen, an den
tieferen Rippen, von der fünften an, fällt er in den knorpeligen Theil, so
dass also der abwärts laufende Schenkel des Bogens von dem Knochen
und einem Theil des Knorpels, der aufwärts laufende Schenkel aber nur
vom Knorpel gebildet wird (Fig. 54). Der Knorpel der ersten Rippe
gehört ebensowohl dem Brustbein, als der Rippe an und kann als ein
in die Länge gezogener Nahtknorpel betrachtet werden: Für die übri-
gen Rippenknorpel gilt dies nicht, weil sie nur dem Rippenknochen mit der
ganzen Berührungsfläche adhäriren, mit dem Brustbein aber und die tiefe-
ren mit einander durch eigentliche Gelenke in Verbindung stehen.
Die Rippenknochen nehmen von dem ersten bis achten an Länge zu,
von da an wieder ab. Die Höhe schwankt an verschiedenen Stellen einer _
Rippe um ebenso viel (zwischen 10 und 18=m), als an den verschiedenen
Fig. 54.
Fig. 55.
FE
1
ar |
Frontaldurchschnitt des Brustkorbs,
Brustkorb, von vorn,
Rippen. 55
Rippen einer Seite, doch ist im Allgemeinen die erste am höchsten, die
zwölfte in jeder Dimension schmächtiger als die übrigen und die sechste
bis zehnte höher, als die nächst oberen. >
Jeder Rippenknochen ist in dreifachem Sinn gekrümmt, nach der Flä-
che, nach der Kante und um seine Längsaxe; doch herrscht bei den ver-
schiedenen Rippen derselben Seite bald die eine, bald die andere dieser
Krümmungen vor. Dieselben werden verständlicher werden, wenn wir zu-
vor einen Blick auf die Gestaltung des Brustkorbes im Ganzen werfen und
die Rippen im Zusammenhange als Theile einer continuirlichen Wand be-
trachten, welche nur durch streifenweis abwechselnde Entwickelung von
Knochen- und Muskelsubstanz in Rippen und in die Muskeln zerfallen er-
scheint, welche die Räume zwischen den Rippen, die Intercostalräume,
ausfü
Der Brustkorb gleicht in seinem unteren Theil äusserlich einem in der
Richtung von vorn nach hinten abgeplatteten Cylinder; nach oben wölbt
er sich kuppelförmig zu, doch behält auch hierbei und bis an den oberen
Rand die Vorderfläche ihre abgeplattete Form bei und wenn die Ränder
eines Frontalschnittes (Fig. 55) symmetrische Curven beschreiben, so stellt
sich auf dem Medianschnitt (Fig. 16) und dem oberen Theil des sagittalen
Durchschnitts (Fig. 56) der vordere Rand kaum gewölbt, dagegen stark
Fig. 56 ').
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Ce) on
3 New
Sagittaler Durchschnitt des Brustkorbes, 3 Z. seitwärts vom Sternoclaviculargelenk.
Ce Cartilago costalis.
t) Nach Pirogoff, Anatome topographica Fasc, 2 A, Taf. II. Fig. 1,
%.
I
56 Rippen.
rückwärts geneigt dar. Die Stelle der eigentlichen Kuppel oder einer
oberen Endfläche des Brustkorbes vertritt eine Oeffnung, welche hinten
vom unteren Rand des ersten Brustwirbelkörpers, vorn vom Brustbeingriff
und jederseits von der ersten Rippe begrenzt und durch die Eingeweide-
und Gefässe ausgefüllt wird, die vom Hals zur Brusthöhle und umgekehrt
verlaufen. Die von den besagten Rändern (Fig. 57) umschlossene imagi-
näre Ebene ist fast in gleicher Flucht mit dem Brustbein gegen den Horizont
Fig. 57. « geneigt; sie hat die
Form eines breitge-
zogenen Kartenher-
zens mit nach unten
und vorn gerichteter,
transversal abge-
stutzter Spitze (Fig.
54). Die der Spitze
gegenüber gelegene
Einbiegung des. hin-
teren (oberen) Ran-
des ist breit und
seicht; sie rührt von
dem Vorsprung des
Wirbelkörpers her.
Weiter abwärts,
wie sich die Brust-
höhle nach vorn und
den Seiten und ver-
möge der Krümmung
der Brustwirbelsäule
anfänglich selbst nach
hinten erweitert, bil-
det sich zu jeder Seite
der Wirbelsäule eine
tiefe Rinne oder, mit
anderen Worten, läuft
die Seitenwand der
Brust zuerst rück-
wärts, bevor sie sich
im Bogen wieder
nach vorn und end-
Profilansicht des Brustkorbs. lich medianwärts
wendet. Ein Horizon-
taldurchschnitt der Brusthöhle (Fig. 58. 59) stellt deshalb eine bohnen-
oder nierenförmige Fläche dar, deren Einbiegung dem Vorsprung der Wir-
belkörper entspricht, wegen der Ausbeugung der Wirbelsäule aber oft von
der Symmetrie merklich abweicht). Die tiefe. Furche, welche jederseits
5) Zahlreiche Horizontaldurchschnitte des Brustkastens nebst Angaben ihrer Maasse
finden sich beiHutchinson, Von der Capacität der Lungen und von den Athmungsfune-
tionen. Aus dem Englischen von Samosch, Braunschweig 1849. S. 42 ff.
Rippen. 57
neben dem Vorsprung der Wirbelsäule herabläuft, heisst Lungenfurche,
Sulcus pulmonalis. |
a
-Fig! 58 ").
Horizontalschnitt durch die Mitte des vierten Brustwirbels. Vt5 die oberen Gelenkfort-
sätze des 5ten Brustw. C©c2 Knorpel der 2ten Rippe.
Fig. 59 2).
S
Horizontalschnitt durch den siebenten Brustwirbel, nahe dem unteren Rande. YVi3 die
oberen Gelenkfortsätze des achten Brustwirbels.
Die untere Grenze des Brustkorbes zieht sich von dem zwölften Brust-
wirbel jederseits längs dem unteren Rande der letzten freien Rippe hin,
springt von der Spitze dieser Rippe aufwärts auf den unteren Rand und
die Spitze der elften Rippe, von dieser auf die zehnte Rippe über und steigt
!) Nach Pirogoff, Taf. III. Fig. 3.
?) Nach Pirogoff, Taf. VIII, Fig. 3.
58 Rippen.
dann continuirlich in einer steilen und’nach unten schwach eonvexen Linie
zur Naht des Brustbeinkörpers mit dem Schwertfortsatze auf, um längs dem
Seitenrande des letzteren wieder bis zur Spitze desselben abwärts zu ver-
laufen.
Die eigentliche Grenze der Brusthöhle geht übrigens, wenn man dieselbe nach
dem Ursprung des Zwerchfelles bestimmt, quer über den oberen Theil der hinteren
Fläche des Schwertfortsatzes. Der grössere Theil dieses Knorpels und insbeson-
dere seine Spitze ist zwischen den Muskelschichten der Bauchwand eingeschlossen.
Die von der Spitze zur Basis zunehmende Erweiterung des Brustkor-
bes bedingt, dass die wahren Rippen von der ersten an, wie erwähnt, län-
ger werden, und mit der eigenthümlichen Form jener Erweiterung hängt es
zusammen, dass die Längenzunahme von der ersten bis zur dritten Rippe
auffallender ist als an den folgenden. Die seitliche Wölbung des Brust-
korbes spricht sich in den meisten Rippen und insbesondere in allen den-
jenigen, welche den unteren, mehr gleichförmig cylindrischen Theil der
Brust umgeben, als Flächenkrümmung aus; der hintere Theil der Krüm-
mung, mittelst welcher die Rippe zur Bildung der Lungenfurche beiträgt,
gehört einem kleineren Halbmesser an, als der vordere. In der ersten
Rippe aber und in dem hinteren Theil der zweiten, die in dem oberen kup-
pelförmigen Theile des Brustkorbes liegen und demgemäss die innere Flä-
che abwärts, die äussere aufwärts kehren, sind es die Kanten, deren Krüm-
mung der Curve des Querschnittes des Brustkorbes entspricht, während die
Flächen plan oder nur in der Richtung vom oberen zum unteren Rand so
viel ausgehöhlt sind, als es die vom Frontalschnitt der Brustwand gebildete
Curve verlangt. Krümmungen um die eigene Axe oder Torsionskrümmun-
gen kommen, je nach der Stelle, welche die Rippe einnimmt, in verschiede-
nen Graden und in dreierlei Formen vor. An der ersten und zweiten Rippe
ist eine Torsion in der Art bemerklich, dass, da die Brust vorn steiler ab-
fällt als an den Seiten, die Flächen, welche am hinteren Theile der Brust
je nach oben und unten gerichtet sind, am vorderen Theile derselben sich
allmälig schief je nach vorn und hinten wenden. Eine Torsion entgegen-
gesetzter Art findet an den folgenden Rippen bis zur siebenten oder achten
Statt: die Flächen, welche im hinteren und Seitentheile der Brust vertical
stehen, legen sich, wie die Rippe an die Vorderseite des Thorax gelangt,
in Uebereinstimmung mit der geneigten Lage des Brustbeins schräg mit
dem oberen Rande nach hinten. Eine dritte Art von Torsionskrümmung
findet sich in den untersten Rippen, deren Flächen im hinteren Theile der
Brustwand, die innere nach oben, die äussere nach unten geneigt sind und
sich im Verlauf nach vorn allmälig vertical richten.
Die erste Rippe liegt mit den Flächen, die zweite theils mit den Flä-
chen, theils mit den Kanten, die folgenden Rippen liegen mit den Kanten
in schiefen Ebenen, welche im Allgemeinen der schiefen Ebene der oberen
Apertur des Brustkorbes parallel, jedoch an jeder folgenden Rippe etwas
mehr abwärts geneigt sind; daher die Zwischenrippenräume von hinten
nach vorn an Höhe gewinnen und eine senkrechte Linie, welche von der
vorderen Spitze der ersten Rippe zu einer durch die Spitzen der zwölften
Rippen gelegten Horizontalebene gefällt wird, reichlich um 2 Zoll länger
ist, als der verticale Abstand der hinteren Enden der ersten und zwölften
Rippen. 59
Rippe. Diese Abwärtsneigung und Divergenz der Rippen beruht auf meh-
reren Ursachen: erstens sind schon die Wirbelkörper, an welchen die
oberen Rippen angeheftet sind, mit den Vorderflächen nach unten gerich-
tet; der an dem Wirbel befestigte Theil der Rippe braucht aber nur eine
geringe Drehung mit der Vorderfläche abwärts zu machen, so verräth sich
dies durch eine ansehnliche Senkung der vorderen Spitze. Zweitens
liegt, zumal an den unteren Wirbeln, die Querfortsatzpfanne tiefer als die
entsprechende Rippenpfanne; der Rippe wird dadurch von Anfang an mit
der Richtung seitwärts auch die Richtung der Spitze nach abwärts mitge-
theilt. Drittens hat bei allen Rippen mit vertical gestellten Flächen, also
bei der dritten bis zwölften, auf die Lage der vorderen Spitze eine Krüm-
mung der Kanten Einfluss. Die Kanten sind an der dritten und vierten
Rippe seicht nach oben concav, an den folgenden bis zur zehnten immer
zunehmend und dann wieder abnehmend gegen das Vorderende der Rippe
abwärts gebogen.
Man erkennt und vergleicht diese Krümmungen am besten, wenn man die Rip-
pen neben einander, den oberen Rand gegen die Unterlage gewandt, auf eine plane
Fläche lest: die dritte und vierte Rippe berühren die Ebene mit den beiden Enden,
während der mittlere Theil des Randes sich wenig von derselben erhebt; ihr Rand
beschreibt also, abgesehen von der Flächenkrümmung, einen nach oben seicht con-
caven Bogen und steigt fast um ebenso viel, als er am Wirbelende abwärts läuft,
am vorderen Ende wieder gegen das Brustbein auf. Von der fünften Rippe an er-
heben alle, wenn man sie mit dem hinteren Theile des oberen Randes fest auflegt,
den vorderen Theil dieses Randes von der Unterlage. Die fünfte verlässt die Un-
terlage erst in der Nähe der Spitze, die sechste schon von der Hälfte ihrer Länge
an und jede folgende bis zur zehnten um etwas früher, und so erhebt sich auch die
vordere Spitze um so höher, je früher der Rand die Horizontalebene verlässt. Von
der zehnten bis zur letzten Rippe nimmt diese Krümmung wieder ab.
Die Abstände der Rippen von einander müssen wegen der von oben
nach unten zunehmenden Höhe der Brustwirbel von oben nach unten um
so gewisser an Höhe zunehmen, als auch die Rippenpfanne selbst an den
Wirbelkörpern allmälig abwärts rückt. Eine Ausnahme findet an den drei
ersten Rippen Statt, zwischen welchen die Abstände seitlich und vorn da-
durch erweitert werden, dass je die untere Rippe auch lateralwärts abrückt.
Ist jene Vergrösserung der Abstände nicht durchgängig an den Inter-
costalräumen zu erkennen, so ist dies durch Schwankungen theils der
Krümmung, theils der Breite der Rippen veranlasst. Das Auseinanderwei-
chen der Spitzen der Rippen kommt aber jedenfalls mehr auf Rechnung der
eben beschriebenen Krümmungen, als des Auseinanderrückens ihrer hinte-
‚ren Anheftungen.
Eine Linie, welche die vorderen Spitzen sämmtlicher Rippenknochen
verbindet, zieht sich vom ersten zum zweiten medianwärts; sie weicht von
dem zweiten zum zehnten ebenso stätig, als allmälig lateralwärts und bis
zum siebenten zugleich vor-, von da an aber rückwärts, endlich von der
Spitze des zehnten zur Spitze des zwölften Rippenknochens rasch zugleich
rück- und medianwärts.
‚Die Knorpel der wahren Rippen (Fig. 54) müssen, um an dem verhältniss-
mässig kurzen Seitenrand des Brustbeines ihre Anheftung zu finden, bedeutend
gegen das letztere convergiren. Von der ersten Rippe an geht der Knorpel
60 Rippen.
abwärts, von der zweiten fast horizontal, von der dritten zur siebenten im-
mer steiler aufwärts, wobei der Knorpel jeder Rippe gegen den vorherge-
henden an Länge zunimmt und jeder vom Ursprung am Rippenknochen zur
Insertion am Brustbeine hin sich verschmälert. Durchgängig sind die Rip-
penknorpel platt, mit schwach gewölbten Flächen, von welchen die eine
nach vorn, die andere nach hinten sieht, und mit abgerundetem oberen und
unteren Rande. An der sechsten und zuweilen schon an der fünften Rippe
geht nahe an der Verbindungsnaht des Knorpels mit dem Knochen vom
unteren Rande des ersteren ein kurzer, anfangs breiter und nach unten sich
verschmälernder Vorsprung abwärts, welchem vom oberen Rande des fol-
genden Rippenknorpels ein ähnlich gestalteter, nur noch niedrigerer Vor-
sprung entgegenkommt. Die elliptischen Endflächen, womit diese beiden
Vorsprünge einander berühren, sind an dem abwärts verlaufenden convex,
an dem aufwärts verlaufenden concav und durch eine fibröse Kapsel zu
einem Gelenk verbunden. Dies Gelenk kann Rippenknorpelgelenk,
Articulatio cartilaginum costalium, die Fortsätze, welche die Gelenk-
flächen tragen, können oberer und unterer Gelenkfortsatz, Pro-
cessus artieularis sup. et inf., des Rippenknorpels genannt werden. Ge-
lenke derselben Art auf ähnlichen Vorsprüngen finden sich, immer mehr
nach den Seiten zurückweichend, zwischen den Knorpeln der siebenten und
achten, der achten und neunten Rippe; jenseits der Gelenkverbindung ge-
gen das Brustbein hin laufen der achte und neunte Rippenknorpel jeder in
eine feine Spitze aus, die etwa zur Mitte der Länge des nächst oberen Rip-
penknorpels reicht und nur durch straffes Bindegewebe an denselben befe-
stigt ist. Der Knorpel der zehnten Rippe legt sich mit einer ähnlichen
Spitze, ohne Artieulation, an den neunten Rippenknorpel an. Die Knorpel
der freien Rippen sind kurz, ebenfalls zugespitzt und in gleicher Flucht mit
den Rippenknochen gelegen.
An jeder- Rippe unterscheidet man von dem Mittelstück oder Kör-
per, Corpus, das hintere oder Wirbel - Ende, Extremitas posterior
und das vordere Ende oder die Spitze, Extremitas anterior.
Fig. 60. Das hintere Ende reicht '
von dem Köpfchen, welches
an den Wirbelkörper anstösst,
bis zum Höcker, der an den
Querfortsatz befestigt ist. Es
Sei Ci ist von cylindrischer oder
prismatischer Gestalt, hat an
den zehn oberen Rippen fast:
die gleiche, der Länge des
Fig. 61. Wirbelquerfortsatzes entspre-
= chende Länge und wird erst
an den beiden freien Rippen
kürzer. Köpfchen, Capi-
fulum, heisst der äusserste,
Dieselbe Ton Een etwas angeschwollene Theil
(Fig. 60), welcher die senk-
recht abgestutzte und überknorpelte, an der zweiten bis zehnten Rippe von
Ses CCs Cpt
A
- Vierte Rippe von vorn.
Rippen. 61
einer Querleiste, der Crista capituli, durchzogene Endfläche trägt. Diese
Endfläche artieulirt in der. Rippenpfanne und wird durch die Querleiste in
zwei Felder, ein oberes, aufwärts geneigtes, und ein unteres, abwärts ge-
neigtes, geschieden, welche den beiden, zu einer Rippenpfanne zusammen-
tretenden Gelenkflächen je zweier Wirbel entsprechen. DerHöcker, Tu-
berculum, ist an der ersten und zweiten Rippe ein vorspringender Winkel
des hinteren Randes, an den übrigen Rippen eine platte Hervorragung der
hinteren Fläche oder, an den mittleren Rippen, des unteren Theils der hinte-
ren Fläche. Er besteht an den zehn oberen Rippen aus zwei durch eine ab-
und seitwärts laufende Furche getrennten Erhabenheiten (Fig. 61). Die
den Köpfehen näher und nach unten gelegene, den unteren Rand der Rippe
überragende Erhabenheit trägt eine rundliche, bei der natürlichen Lage
der Rippe schräg aufwärts gerichtete, schwach gewölbte Gelenkfläche
von etwas geringerem Umfange als die Querfortsatzpfanne des Wirbels, an
welchem sie eingelenkt ist. Die andere, seitlich und oben gelegene und
besonders an den fünf bis sechs oberen Rippen stark ausgeprägte Erhaben-
heit, Tub. s. s., ist kegelförmig oder abgeplattet, bald glatt, bald rauh und
ragt neben der Spitze des Querfortsatzes, mehr oder minder genau an diese
sich anschliessend, nach hinten (vergl. $. 40. Fig.39). An der elften und zwölf-
ten und zuweilen schon an der zehnten Rippe ist der Höcker eine niedere
Rauhigkeit oder auch nur eine schiefe Leiste, dem Köpfchen näher gerückt.
Der zwischen Köpfchen und Höcker befindliche Theil des Wirbel-En-
des der Rippe ist der Rippenhals, Collum costae. Er ist an der ersten
Rippe in demselben Sinne, wie der Körper dieser Rippe abgeplattet, mit
rauhem hinteren Rande; indem an der zweiten Rippe dieser rauhe hintere
Rand höher wird, erhält der Hals derselben eine dreiseitig prismatische
Gestalt. Der Sagittalschnitt zeigt ein mit der Spitze nach vorn gerichte-
tes, spitzwinkliges Dreieck. Einem dreiseitigen Prisma ähnlich ist der
Hals auch an den folgenden Rippen, nur dass die längeren Seiten nach
vorn und hinten schauen und, auf dem Sagittalschnitt, die Spitze des Drei-
ecks nach oben gerichtet ist. Häufig erhebt sich, besonders an den mittle-
ren Rippen, der obere Rand des Halses und des anstossenden Theiles des
Körpers zu einem-breiten, platten, nach oben convexen Kamme, Crista
colli sup., welcher zur seitlichen Begrenzung des Zwischenwirbelloches
beiträgt und den aus dieser Oeffnung austretenden Theilen eine Art Rück-
lehne bietet. Dadurch, dass die Vorderfläche des Kammes
Fig. 62. gegen die des Rippenhalses mehr oder minder rasch zu-
A Bes rückweicht, bildet sich am oberen Rippenrande eine seichte
Sei- Furche, Sulcus costalis sup., welche sich jenseits des
Höckers bald in den oberen Rand des Rippenkörpers ver-
© liert. Im Uebrigen ist die vordere Fläche des Rippenhal-
© Sei ses glatt, die hintere rauh und um so tiefer von oben nach
unten ausgehöhlt, je mehr der Kamm des Halses entwi-
ekelt ist. Die untere Fläche des Halses ist eine, besonders
Verticaler Durch- am vorderen Rande scharfkantige Hohlkehle, welche sich
schnitt einer rechten an dem Körper geradezu fortsetzt, aber dadurch als
a ee Furche, Suicus cost. inf., auf die Vorderfläche des Kör-
ER pers gelangt, dass sich der hintere Rand der Hohlkehle
en
62 Rippen.
ähnlich wie der obere Rand des Rippenhalses, in einen glatten, aber nach
unten convexen Kamm verlängert (CUrista colli inf.), der sich erst 'ge-
gen das vordere Drittel des Rippenkörpers in den unteren Rand verliert
(Fig. 63). Dieser Kanım ist Ursache, dass die Rippe in ihrem mittleren
Fig. 63. Fig. 64.
Ä g°“
Sei—
Verticaler Durchschnitt einer rechten Querschnitt der vierten Rippe.
Rippe, A. des Halses, B. des Körpers.
Theile höher erscheint, als in der Nähe des vorderen und hinteren Endes;
der Gipfel seiner nach unten gerichteten Convexität, der oft statt eines
Bogens einen stumpfen Winkel darstellt oder selbst in ein Knötchen ausge-
zogen ist, rückt an jeder Rippe, von der zweiten an, allmälig weiter seit-
wärts; an.ihm endet eine über die hintere Fläche der Rippe schräg ab- und
seitwärts laufende rauhe Linie, welche, aber nur auf der Aussenfläche der
Rippe, die bogenförmige Krümmung derselben in «der Art unterbricht, dass
der hintere Theil gegen den seitlichen durch einen stumpfen Winkel, An-
gulus costae, abgesetzt erscheint (Fig. 64). Die Reihe der Rippenwinkel
(Fig. 65) bildet die seitliche Begrenzung einer Längs-Furche, welche in
der Medianebene durch die Wirbeldornen geschlossen wird und zur Auf-
nahme der Streckmuskeln des Rückgrates dient.
Der Winkel fehlt an der ersten und zweiten Rippe oder fällt, wie man
sich ausdrückt, mit dem Höcker zusammen. An der ersten Rippe
(Fig. 66) findet sich dagegen meistens ein eigenthümliches Höckerchen, am
oberen Rande unweit der vorderen Spitze, T'uberc. scaleni, welches das
seitliche Ende der Insertion des M. scalenus ant. bezeichnet, und dahinter
eine geglättete und etwas vertiefte Stelle, NSulcus subelaviae, auf wel-
cher, bei ihrem Austritt aus dem Brustkorbe, die Art. subsclavia ruht. Die
zweite Rippe (Fig. 67) ist ausgezeichnet durch eine vom Höcker aus über
den nach oben gekehrten hinteren Theil der äusseren Fläche sich erstre-
ckende, den Bändern parallel verlaufende scharfe Linie, welche diese Fläche
in eine lateral- und eine medianwärts gewandte Abdachung scheidet und
etwa in der Mitte der Länge der Rippe sich gegen eine ansehnliche Rau-
higkeit (für den Ursprung des M. serratus ant.)- am unteren Rande dieser
Rippe hinzieht.
Am vorderen Ende sind die meisten Rippen sowohl im senkrechten,
als im Diekendurchmesser etwas aufgetrieben, was um so mehr auffällt,
wenn sie, wie dies häufig der Fall ist, eine kurze Strecke vor dem Ende
eingeschnürt erscheinen. Die Endfläche, die den Rippenknorpel aufnimmt
Rippen. , 63
ist rauh, vertieft, elliptisch, nähert sich aber an der zweiten und an den un-
tersten Rippen zuweilen mehr der Kreisform.
Fig. 65.
\ Fig. 66.
er
Erste Rippe von oben.
Fig. 67.
Zweite Rippe von oben.
Brustkorb von hinten.
Von der Vermehrung der Zahl der Brustwirbel und Rippen, die auf Kosten
der nächsten Hals- und Bauchwirbel dadurch erfolgt, dass der sonst mit dem Wir-
bel verschmolzene Querfortsatz als ein selbstständiger Knochen erscheint, war schon
bei der Beschreibung der Wirbelsäule die Rede. Ueberzählige Rippen dieser Art
kommen nach Gruber (Neue Anomalien. Berl. 1849. $.7) bei Individuen zwischen
10 und 16 Jahren in jedem dritten bis vierten Falle vor, häufiger unten als oben.
Selten trägt ausser dem ersten auch der zweite Bauchwirbel statt des Querfortsatzes.
eine falsche Rippe. Einmal (Cru veilhier) war der Querfortsatz des ersten Bauch-
wirbels normal und die Querfortsätze des zweiten bis vierten Bauchwirbels waren
Rippen ähnlich. Die Varietät findet sich häufiger symmetrisch, als einseitig Trägt
der siebente Halswirbel die überzählige Rippe, so endet dieselbe entweder frei oder
sie artieulirt mit der ersten Brustrippe (Meckel’s Archiv. Bd.I. S. 642. Taf. VI.
Fig. 36. Knox, Lond. med. gaz 1843. Novbr. p. 136) oder hängt durch Knorpel
oder Band mit dem Brustbein zusammen (Sömmerring).. Selten ist eine wirk-
liche Vermehrung der rippentragenden Wirbel, noch seltener eine Verminderung auf
4. Zungen-
bein.
64 N Zungenbein.
elf. Einmal sah Gruber eine überzählige freie Rippe auf Einer Seite am unteren
Rande der Spitze des Querfortsatzes des zweiten Brustwirbels eingelenkt.
Eine Articulation je zweier Rippen an ihrem hinteren Ende findet sich an einem
Präparat unserer Sammlung. Vom vorderen Rande des Halses geht, dem Höcker
gegenüber, von der fünften Rippe schräg abwärts ein platter Fortsatz, 4 Linien
breit, am freien Rande verdickt und quer abgestutzt. Derselbe articulirt in einem
Kapselgelenk .mit einem ähnlich gestalteten, von der sechsten Rippe vor- und aufwärts
entgegenkommenden Fortsatz. Eine unvollkommen gebildete erste Rippe, die nur
im hinteren Theil knöchern, im vorderen grösseren Theile ligamentös ist, beschreibt
Struthers (Monthly Journ. 1853. Oct. S. 292). Oft ist die zwölfte Rippe unge-
wöhnlich klein.
Der Knorpel der ersten Rippe kann mit dem Brustbeingriff mittelst einer Kap-
selmembran articuliren (Gruber); der Knorpel der achten Rippe kann das Brust-
bein erreichen. Das vordere Ende des Rippenknochen ist zuweilen gabelförmig
getheilt und geht in zwei Knorpel über, die sich entweder wieder vereinigen oder
gesondert ans Brustbein befestigen. Umgekehrt setzen sich mitunter zwei Rippen
mittelst eines gemeinschaftlichen Knorpels ans Brustbein.
Am weiblichen Thorax ist die Flächenkrümmung des’ hinteren Theils der Rippe
stärker, dagegen die Kantenkrümmung (nachunten) schwächer, als beim Mann; die
erste und zweite Rippe sind absolut länger (Meckel).
Zur Pubertätszeit entstehen an. Köpfchen und Höcker der Rippe besondere
Knochenkerne, welche bald mit dem Körper verschmelzen. Die Epiphysen der Hö-
cker fehlen den zwei unteren Rippen. Im höheren Alter verknöchern häufig die
Rippenknorpel, zuerst an der Oberfläche und vom Brustbeinende aus.
4. Zungenbein, Os hyoides.
Das Zungenbein (Fig.68.69) liegt, bei rückwärts gebeugtem Kopf leicht
durch die Haut fühlbar, an der Grenze zwischen der verticalen Vorderwand
des Halses und dem horizontalen Boden der Mundhöhle. Das unpaare Mit-
telstück desselben, der Körper, Basis, ist platt, 12” hoch und etwas
mehr als doppelt so breit, von einer Seite zur an-
deren und von oben nach unten gewölbt. Die letz-
tere Wölbung ist die stärkere und so beträchtlich,
dass die obere Hälfte der Vorderfläche, welche
durch eine quere Firste von der unteren Hälfte
geschieden ist, m@hr auf- als vorwärts sieht und
die Concavität der hinteren Fläche die Finger-
2 spitze aufnimmt. Der obere Rand ist eben, der
Zungenbein von vorn. untere, in der Mitte dem oberen parallel, steigt an
den Seiten schräg zum Seitenrande des Körpers
. auf, der ihm, etwas aufwärts geneigt, unter einem
stumpfen Winkel entgegenkommt.
Die Vorderfläche des Körpers wird ausser durch die erwähnte Quer-
firste noch durch eine mehr oder minder deutliche‘ mediane Firste getheilt,
wodurch vier Felder oder Gruben entstehen, in welchen Muskeln sich be-
festigen.
Mit dem Seitenrande des Körpers sind jederseits zwei Bogenstücke
verbunden, das Eine, längere, durch Synchondrose, das andere, kürzere,
durch ein Gelenk; das erstere verwächst häufig, das letztere nur ausnahms-.
weise knöchern mit dem Körper.
Zungenbein. 65
Die grösseren Bogenstücke oder Hörner, Cornua majora, schliessen
sich so an den Körper an, dass sie die von demselben begonnene Krüm-
mung nach hinten, nur steiler, fortsetzen. Mit ihrem vorderen Rande ent-
sprechen sie dem Seitenrande des Körpers, ihr oberer und unterer Rand
geht continuirlich oder nur durch eine geringe Einschnürung abgesetzt aus
dem gleichnamigen Rand des Körpers hervor, die Flächen des Körpers
gehen in die der Hörner über, doch drehen sich die letzteren alsbald so
um ihre Längsaxe, dass die äussere Fläche aufwärts, die innere abwärts
gerichtet wird, und gegen die hintere Spitze verjüngen sie sich, nähern
sich der eylindrischen Form und enden je in ein eylindrisches Knöpfchen.
Die kleinen Hörner, Cornua minora, sitzen mit, kreisförmigen Ge-
lenkflächen (3"m im Durchmesser) auf der Vorder-
Fig. 69. fläche der Naht der grossen Hörner und des Zun-
genbeinkörpers, näher dem oberen Rande, als dem
unteren. Sie sind weizenkorn- oder birnförmig,
meistens nur wenig höher, als dick, zuweilen aber
in schlanke, zugespitzte Säulchen bis zur halben
Zungenbein, Profil. Länge der grossen Hörner und mehr verlängert,
schief seit- und rückwärts gerichtet.
Das grosse Horn des Zungenbeins kann ebenfalls mit dem Körper durch Ge-
lenk verbunden sein. Manche halten dies für die Regel.
Von der Spitze der kleinen Hörner erstreckt sich das Lig. stylo-hyoid. zum
Griffelfortsatz des Schädels. Indem die Verknöcherung dieses Bandes vom Zun-
genbein aufwärts fortschreitet, verlängern sich die kleinen Hörner des letzteren ;
vom Schädel aus gewinnt öfters auf Kosten des Lig. stylo-hyoid. der Griffelfortsatz
eine ungewöhnliche Länge. Seltener enthält das Band ein von dem kleinen Horn
und dem Griffelfortsatz gesondertes, rundliches Knorpel- oder Knochenstück. Noch
seltener ist das ganze Band vom Schädel bis zum Zungenbein knöchern, so dass
der Griffelfortsatz und das kleine Horn in Eine Knochenstange zusammenfliessen,
die das Zungenbein mit dem Schädel verbindet.
Beim Neugebornen ist das Zungenbein noch grösstentheils knorplich , auf die-
selbe Art, wie beim Erwachsenen, abgetheilt, mit Knochenkernen im Körper und den
grossen Hörnern. Die kleinen Hörner bieiben am längsten knorplich und sind es
oft noch im Erwachsenen.
5. Schädel,
Der Schädel besteht aus der eiförmigen Kapsel, welche das Gehirn
enthält und welche, ausgenommen die Communicationsöffnung mit der Wir-
"belhöhle und die Lücken zum Durchtritt von Gefässen und Nerven, naclı
allen Seiten vollkommen geschlossen ist, und aus den Bogen, die den ober-
sten Theil der Eingeweideröhre umgeben. Gemeinschaftlich tragen diese
Bogen und jene Kapsel an der Grenze, wo sie einander berühren, zur Bil-
dung von Gruben und Canälen für die Apparate der höheren Sinne bei.
Eine Anzahl theils paariger, theils unpaarer Knochen setzen dies com-
plieirte Gerüste zusammen. Sie stehen mit einander grösstentheils durch
sehr feste, zackige; schuppige oder einfache Nähte in Verbindung, von wel-
chen manche schon zur Zeit der Reife, manche erst im höheren Alter , die
Henle, Anatomie. Thl. I. P)
meinen
Er
Ds
Muri
Schädel
66 Schädel.
einen gewöhnlich, die anderen selten durch Verknöcherung der Zwischen-
substanz verwischt werden. Nur an Einer Stelle jederseits am Boden des
Hirnschädels (zwischen dem Felsentheil des Schläfenbeins und dem Hinter-
haupts- und Wespenbein) ist eine etwas ansehnlichere, unregelmässige Kno-
chenlücke durch Knorpel ausgefüllt; nur Ein Knochen, der Unterkiefer, ist
durch Gelenke mit den übrigen verbunden.
An dem Rande einiger der Oeffnungen, wodurch Canäle, die im Schä-
del verlaufen, nach aussen münden, sind zur Verlängerung dieser Canäle
(Nase, Ohr, Tuba) Knorpelröhren angefügt, welche, streng genommen, wie
die Rippen und Gelenkknorpel, den Theilen des Skeletts zugezählt werden
müssten, gewöhnlich aber bei den betreffenden Sinnesorganen abgehandelt
werden. Es lässt sich dies einigermaassen damit rechtfertigen, dass man ge-
wöhnt ist, den knöchernen Schädel, nach der Maceration, ohne jene knor-
plichen Anhänge zu sehen und daher auch die letzteren bei allen Messun-
gen und Vergleichungen der Schädel ausser Acht zu lassen. Für die Auf-
fassung des Zusammenhanges der Schädelknochen unter sich ist die nähere
Kenntniss der knorplichen Anhänge, wegen ihrer Lage an den äussersten
Grenzen des Schädels, erlässlich.
Man theilt die Kopfknochen ein in die Knochen des eigentlichen Schä-
dels und des Gesichts. Zu jenen rechnet man alle, welche zum Verschluss
der Schädelkapsel beitragen; die meisten derselben, namentlich die an der
Basis gelegenen, gehen zugleich in die Bildung des Gesichtsschädels ein.
Die Gesichtsknochen aber nehmen an der Zusammensetzung des Hirnschä-
dels nicht Theil und sind von der Schädelhöhle aus nicht sichtbar.
Zu den eigentlichen Schädelknochen gehören:
a. Unpaare.
1. Hinterhauptsbein, Os occipiis, O.
2. Wespenbein, Os sphenoideum, 8.1).
3. Siebbein, Os ethmoideum, F.. 2).
4. Stirnbein, Os frontis, F.
b. Paarige.
5. Schläfenbeine, Ossa temporum, T..
6. Scheitelbeine, Ossa parietalia, Pr. 3).
Zu den Gesichtsknochen zählt man:
a. Paarige.
7. Oberkieferbeine, Ossa mazillae, M&. *).
8. Gaumenbeine, Ossa palatina, P\.
9. Thränenbeine, Ossa lacrymalia, L. 5).
10. Muschelbeine, Conchae inferiores, Ü. 9).
‘) Keilbein, Flügelbein, Os sphecoideum , vespiforme, cuneiforme, alare. Ich un-
terdrücke den gebräuchlicheren Namen Keilbein, weil derselbe an Fusswurzelknochen ver-
geben ist.
2) Riechbein, Os cribriforme.
°) Seitenwandbeine, Ossa dregmatis, Ossa verticis.
*) Maxilla superior, Os mazillare superius.
>) Nagelbeine, Ossa unguis.
°) Untere Muscheln, Ossa turbinata, spongiosa,
Schädel. 67
1i. Nasenbeine, Ossa nasi, N. 1).
12. Jochbeine, Ossa zygomatica, Z. 2).
b. Unpaare:
13. Pflugscharbein, Vomer, V.
14. Unterkieferbein, Mandibula, Md. 3.
Hinterhaupts- und Wespenbein werden , Ph sie nach der Pubertät mit einander
verschmelzen, von Manchen als Ein Knochen unter dem Namen Grundbein,
Ds basilare, beschrieben.
Zuweilen findet sich die Zahl der Knochen des Schädels durch abnorme Nähte
oder durch längeres Bestehen von Nähten, welche in früher Jugend normal sind,
vermehrt. Ich werde diese Varietäten nach der Beschreibung der regelmässigen
Zusammensetzung des Schädels anführen.
Ueber die Stellung der genannten Knochen und den Antheil, welchen
die einzelnen an der Zusammensetzung des Ganzen haben, wird es leich-
ter sein, sich zu orientiren, wenn wir der speciellen Beschreibung dersel-
ben eine Totalansicht des Schädels und seiner Höhlen vorausschicken.
Nennt man den Hirnschädel eiförmig, so ist zuerst hinzuzufügen, dass Hirnschäde
er mit dem spitzeren Ende nach vorn, mit dem breiteren nach hinten ge-
kehrt ist, so zwar, dass der. grösste Breitendurchmr. y (140®m im Lichten)
den längsten, vom unteren Rande der Stirn zum vorragendsten Theil des
Hinterhauptes gerichteten oder sagittalen Durchmesser « (170 mm) .an der
Grenze des hinteren und mittleren Drittels schneidet (Fig. 70 und 71).
Fig. 71.
Mediandurchschnitt des Hirnschädels. Horizontaldurchschnitt des Hirnschädels,
Wenig weiter nach vorn fällt auch die grösste Höhe des Hirnschädels,
wenn man nämlich die Höhe durch senkrecht auf die Längenaxe gezogene
Linien bestimmt. Bei natürlich aufrechter Haltung des Kopfes ist der
2) Ossa nasalia.
2) Wangenbeine, Ossa jugalia, malaria.
®) Unterkinnlade, Mazilla inferior, Os maxillare iny.
5 *
68 Schädel.
längste Durchmesser des Schädels unter einem Winkel von etwa 20 Grad
gegen den Horizont geneigt..
Sodann wird die Regelmässigkeit der Eiform vielfach gestört, theils
durch begrenzte Vorsprünge und Vertiefungen, theils durch Kanten, welche,
gerade oder gebogen, über längere Strecken der Oberfläche hinziehen und,
in Verbindung mit einer mehr der minder beträchtlichen Abplattung der
Oberfläche, stellenweise den Schädel einem von planen Wänden umschlos-
senen Körper ähnlich machen. An diesen Vorsprüngen und Kanten bethei-
ligen sich entweder beide Flächen in gleichem Sinne, so dass einem Vor-
sprung der äusseren Fläche eine Vertiefung der inneren und umgekehrt
entspricht; sie nehmen sich alsdann wie getrieben aus; oder die Vor-
sprünge undKanten sind nur gleichsam auf die eine Fläche aufgesetzt, die
Vertiefungen in die eine Fläche eingegraben und die Schädelwand wird
durch jene verdickt, durch diese verdünnt. Wird sie verdickt und weichen
die äussere und innere Tafel auseinander, so nimmt entweder die diploeti-
sche Substanz an Mächtigkeit zu oder sie schwindet völlig und es treten
an ihre Stelle die früher erwähnten, einfachen oder von dünnen Knochen-
plättchen durchsetzten Höhlen, welche sich von der animalischen Röhre
aus mit Luft füllen (Stirn- und Wespenbeinhöhlen, Zellen des Warzenfort-
satzes u. 8. f.).
Die Mächtigkeit der Schädelwand beträgt an den Stellen von mittle-
rer Stärke 3 — 4mm; an Stellen, wo die äussere oder innere Wand
Vorsprünge bildet, erreicht sie das Doppelte, an Stellen, wo sich lufthaltige
Räume zwischen beiden Platten befinden, das 6 — 7fache jener Stärke
und mehr.
Eine fast continuirliche Kante zieht sich, im Allgemeinen horizontal
verlaufend, äusserlich um den unteren Theil des Hirnschädels und scheidet
“die grösstentheils plane untere Fläche, Basis, von der mehr gewölbten
Schädeldecke. . Der Verlauf dieser Kante ist folgender: Von einem hinten
. in der Mittellinie gelegenen,
platten oder stachelförmigen
Vorsprung des Hinterhaupts-
beins, Profuberantia occi-
pilalis est., geht sie nach je-
der Seite in abwärts gekrümm-
tem Bogen, als Linea nuchae
superior !), auf den Rand ei-
nes stark nach unten vorsprin-
genden Muskelfortsatzes, des
Processus masloideus, über.
Vor diesem Fortsatz, iiber der
äusseren Ohröffnung, Porus
acust. esck., und dem Unter-
kiefergelenk, setzt sie sich in
Profilansicht des Hirnschädels ohne Jochbogen. die Wurzel des Jochbogens,
Arcus zygomaticus , fort,
Fig. 72.
) L. semicircularis sup. ossis occipitis.
Schädel. 69
welcher deprimirt, mit der oberen Fläche aus der Seitenfläche, mit der un-
teren Fläche aus der Grundfläche des Schädels entspringt und erst im wei-
teren Verlauf eine Torsion erfährt, wodurch die eine Fläche lateral-, die
andere medianwärts gewandt wird. Vor der Wurzel des Jochbogens er-
scheint die Grenze zwischen der Seiten- und Bodenfläche des Schädels
wieder als scharfe Kante, und zwar in Ziemlich gleicher Flucht mit der
Wurzel des Jochbogens. Wir nennen sie hier Urista infratemporalis
und werden sie bei der Beschreibung des Wespen- und Schläfenbeins wie-
der zur Sprache bringen. Durch die hohe vordere Insertion des Jochbo-
gens unterbrochen, tritt die Fortsetzung jener Kante als scharfer oberer
Rand der Augenhöhle, Margo supraorbilalis , auf das Gesicht über und
kommt mit der.gleichnamigen Kante der anderen Schädelhälfte in der Na-
senwurzel, Radix nasi, zusammen.
An der Schädeldecke sind die Seitenflächen abgeplattet und gegen
die gewölbte obere Fläche
abgegrenzt durch eine der
Curve, welche der obere
Rand des Mediandurchschnit-
tes des Schädels beschreibt,
fast parallel verlaufende Li-
nie, Linea temporalis \)
(Fig. 72 u. 73). Unterhalb
dieser Linie liegt die Schlä-
fenfläche, Planum tempo-
rale; den in der Mitte zwi-
schen beiden Schläfenlinien
gelegenen gewölbten Theil
kann man im weiteren Sinne
des Worts Scheitel, Vertex?), nennen; im engeren Sinne bedeutet Schei-
tel die mittlere und höchste Region dieses Gewölbes, während der nach
vorn gegen die Nasenwurzel abfallende Theil als Stirn, /'rons, der hin-
tere Abhang als Hinterhaupt, Occiput, unterschieden wird. Stirn und
Scheitel gehen an dem knöchernen Schädel ohne deutliche Grenze in ein-
ander über (in der äusseren Haut macht die Behaarung die Grenze); zwi-
schen Hinterhaupt und Scheitel ist die Grenze nicht selten durch eine Ver-
tiefung bezeichnet, welche einer Knochennaht entspricht und durch die Vor-
ragung des Hinterhauptsbeins über die Scheitelbeine erzeugt wird. Die
Zusammensetzung des Schädels aus zwei symmetrischen Hälften ist äusser-
lich längs der Stirn"und dem Scheitel öfters durch eine schwache Kante
oder eine leichte Vertiefung angedeutet.
Frontaldurchschnitt des Hirnschädels.
Von diesen Flächen und ihren Kanten ist an der Innenseite des Schä-
dels nichts zu sehen, ausser der Andeutung einer medianen Scheidewand
an dem vorderen und hinteren Ende der Basis und an der Decke der Schä-
\) L. semicircularis oss. parielalis.
2) Sinciput.
=
70 Schädel.
delhöhle (Fig. 74 und 75) und ausser einer Querfurche , Suleus trans-
versus, längs dem hinteren Theil der Grenze zwischen Basis und Decke.
Ansicht der Schädelhöhle von innen. Basis.
Von dem vordersten Theil der Basis erhebt sich jene Scheidewand in Gestalt
eines niedrigen, comprimirten , dreiseitigen Vorsprunges, der Orista galli
des Siebbeins; an der Decke erscheint sie von dem vorderen Rande der-
selben ansteigend und durch eine Grube gegen die Crista galli abgesetzt,
als niedrige Firste, die sich aber schon auf der Mitte der Stirn in zwei
Lippen spaltet und so in eine Rinne, Suleus saygittalis, verwandelt, wel-
che längs der Mittellinie des Scheitels weiter zieht, hinten in jene Quer-
furche einmündet und unterhalb der Querfurche wieder als Firste, Oristu
oceipitalis interna, bis zum Rande des Hinterhauptslochs herabläuft.
Von der Crista galli und dieser Längsfirste und Furche ragt senkrecht, von
der Querfurche wagerecht eine fibröse Scheidewand in die Schädelhöhle
vor, jene zwischen die beiden Seitenhälften des Gross- und des Klein-
hirns, diese zwischen das Grosshirn und das Kleinhirn. In den Furchen, zwi-
schen dem Knochen und der Anheftungsstelle jener fibrösen Scheidewände,
Schädel. 71
ruhen die wichtigsten Blutleiter (Sinus membranae durae) , häutige Ca-
näle, in welchen das Venenblut aus dem Gehirn und den Schädelknochen
sich sammelt. Der scharfe Winkel, unter welchem am oberen Rande der
Augenhöhle die Stirn äusserlich in die Schädelbasis umbiegt, ist durch
Fig. 75.
Ansicht der Schädelhöhle von innen. Decke.
Auseinanderweichen der beiden Platten des Stirnbeins inwendig ausgegli-
chen und abgerundet; ebenso geht, wie der Frontaldurchschnitt, Fig. 73,
zeigt, an der Innenseite der Schläfenfläche, die Aushöhlung der Seitenwand
ununterbrochen in die des Bodens und der Decke über.
Dagegen finden sich auch auf der, im Allgemeinen glatten und glän-
zenden inneren Tafel (Zamina vitrea) des Schädels Unebenheiten und
Kanten, welche nach innen vorspringen, ohne äusserlich angedeutet zu sein.
Ueberall, mit Ausnahme des mittleren Theils der Grundfläche, verlaufen
krummlinige Vorsprünge, Juga cerebralia, welche in die Furchen der Ge-
hirnwindungen passen, zwischen den diese Windungen aufnehmenden Ver-
tiefungen, den Impressiones digitatae. Zahlreiche, tiefere und seichtere ver-
zweigte Furchen (Fig. 75) bezeichnen den Verlauf der Gefässe an der
Aussenseite der fibrösen Haut, welche dem Schädel als Periost und zugleich
dem Gehirn als Umhüllung dient. Im Grunde dieser Furchen liegen Rei-
hen feiner Poren für die in die Substanz des Knochens tretenden Gefäss-
“
Schädel-
72 Schädel.
ästehen; die Furchen selbst gehen von Canälen der Schädelwand aus,
durch welche die Gefässstämme von aussen in die Schädelhöhle geführt
werden. Häufig kommen bei Erwachsenen an der Schädeldecke neben der
Längsfurche unregelmässige Gruben vor, in welchen Auswüchse von der
äusseren Fläche der fibrösen Hirnhaut, die sogenannten pacchionischen
Drüsen, liegen. 2
Die Grundfläche des Schädels, von innen betrachtet (Fig. 76), zeigt
uben, . - > R
& zwei quer verlaufende Kanten, welche in der Mitte am stärksten hervorra-
gen und gegen die Seitenwände sich verlieren, welche ferner in der Mitte
”
Ansicht der Schädelbasis von innen,
einander näher liegen als seitwärts, wo die vordere nach vorn, die hintere
nach hinten ausweicht. Sie theilen die Schädelbasis in drei Gruben, die
man als hintere, mittlere und vordere Schädelgrube, Fossa eranii ant., med.
und post., unterscheidet. In der hinteren Schädelgrube liegt die grosse Oeff-
nung, welche aus der Wirbelhöhle in die Schädelhöhle führt, F'oram. oc-
cipitale, Die Wölbung hinter dieser Oeffnung lässt sich, wie erwähnt, einem
»
Schädel. 73
ausgedehnten und abgeplatteten Wirbelbogen vergleichen. In dem vor dem
Hinterhauptsloch gelegenen Theil der hinteren und in den beiden vorderen
Schädelgruben wird die Mitte von einer Längsreihe wirbelkörperartiger,
aber schon zur Zeit der Reife untrennbar verbundener Knochenstücke, den
Körpern des Hinterhaupts- und Wespenbeins, eingenommen; ihnen zur Seite
liegt in der hinteren und mittleren Schädelgrube rechts und links in eben-
falls longitudinaler, jedoch unregelmässiger Reihenfolge eine Anzahl von
Oeffnungen für Gefässe und Nerven; sie sind den Zwischenwirbellöchern
der Wirbelsäule analog, doch ist diese Aehnlichkeit nur oberflächlich, weil
die Löcher den Zwischenräumen weder von Körpern noch von Bogen ge-
nau entsprechen. Die vordere Schädelgrube wird von der mittleren ge-
schieden in der Mitte durch einen dem Wespenbeinkörper angehörigen, platt
aufliegenden Saum, Limbus sphenoidalis; daneben durch die rückwärts
ragenden Procc. clinoid. anter., in welche jener Saum übergeht, und wei-
ter seitwärts durch den ausgeschweiften Rand der Orbitalflügel des Wes-
penbeins, Alae orbilales, welcher von der Spitze des Proce. clinoid. ant.
ausgeht, um sich in der Seitenfläche des Schädels zu verlieren. Die vordere
Schädelgrube ist flach; die Durchtrittsstellen des ersten Nervenpaares, F'o-
ramina cribrosa, nehmen in derselben einen schmalen Längsstreif jeder-
seits neben der Crista gallı ein.
Die mittlere Schädelgrube, von vorn her durch den eben beschtie-
benen hinteren Rand der vorderen Schädelgrube überragt, grenzt sich gegen
die hintere ab mittelst einer Firste, welche in der Mitte als querer, vorwärts
geneigter Kamm, Sattellehne, Dorsum sellae, des Wespenbeins, stark
vorragt und von der Wurzel dieses Kammes seit- und rückwärts auf eine
Kante, Angulus superior, der Schläfenpyramide und schliesslich von dieser
auf den oberen Rand der Querfurche übergeht, die, wie erwähnt, Basis und
Decke der Schädelhöhle von einander scheidet. Zur Seite des Fusses der
Sattellehne ist eine Aushöhlung, durch welche die mittlere mit der hinte-
ren Schädelgrube communieirt, durch welche namentlich die Nervenstämme
nach vorn verlaufen, die in der hinteren Schädelgrube aus den Oentralorga-
nen hervortreten und erst in der mittleren die Schädelhöhle verlassen.
Nicht selten wird diese Aushöhlung theilweise gedeckt durch Zacken, welche
von der Spitze der Schläfenpyramide aufwärts, von der Spitze des Dorsum ephippii
rück- und abwärts ragen. Sie sind als Verknöcherungen des Tentorium cerebelli zu
betrachten, welches von der Sattellehne zur oberen Kante des Schläfenbeins hinüber-
gespannt ist (s. Wespenbein).
Die Reihe der Löcher, welche aus der mittleren Schädelgrube nach
aussen führen, beginnt neben dem Limbus sphenoidalis mit dem Canalis
oplicus (für die Art. ophthalmica und den zweiten Hirnnerven); nur durch
ein dünnes Stäbchen von ihm getrennt, in der Ansicht von oben durch den
hinteren Rand des Orbitalflügels verdeckt, folgt die Fissura orbitalis
sup., eine am medianen Ende abgerundete, nach der Seite hin sich ver-
schmälernde und zuspitzende Querspalte, durch die am medialen Theil (der
seitliche, spaltförmige ist durch eine Verbindung der harten Hirnhaut mit
der Beinhaut der Augenhöhle verschlossen) die V. ophthalmica cerebralis,
1) Cam. condyloideus post.
74 Schädel.
der N. IL, IV., VI. und der erste Ast des N. V. treten. Hinter dieser
Spalte, allmälig von der Mittellinie seitwärts weichend, folgen hintereinan-
der: der Can. rolundus (für den zweiten Ast des N, V.), das Foramen
ovale (für den dritten Ast desselben), das Foramen spinosum für die
Vasa meningea) und medianwärts neben den beiden letzteren das Fora-
men lacerum, von einem Faserknorpel ausgefüllt, den nur wenige feine
Gefäss- und Nervenästchen durchsetzen. Gerade.über diesem Faserknorpel
liegt die Hauptarterie des Gehirns, Carotis int., nachdem sie an der Spitze
der Pyramide des Schläfenbeins aus dem Can. caroticus hervorgetreten und
bevor sie an der Seitenfläche des Wespenbeins aufwärts geht.
In der hinteren Schädelgrube liegen die Austrittsöffnungen in einer
der Queraxe fast parallelen, nur wenig rück- und medianwärts geneigten
Reihe neben oder vielmehr über einander in der medianwärts geneigten
Ebene, welche von der oberen Kante der Schläfenpyramide gegen das Hin-
terhauptsloch abfällt: zu oberst der Porus acust. int. (für die Vasa au-
ditiva und den N. VII.u. VIII.), darunter das F'oramen jugulare, durch
Vorsprünge des einen oder anderen der dasselbe begrenzenden Knochen in
einen seit- und rückwärts gelegenen geräumigen Theil (für die V. jugularis)
und einen median- und vorwärts gelegenen engeren Theil (für die N. IX.,
X und XI und den Sinus petros. inf.) geschieden; endlich, dem Rande
des Hinterhauptslochs zunächst und etwa über der Mitte des Gelenkhöckers
des Schädels, der Canalis hypoglossi (N. XIL) 2.
Einige andere, minder beständige Oeffnungen, welche Communications-
ästen zwischen äusseren und inneren Venen (Emissaria) den Durchtritt ge-
statten, kommen an der Basis, den Seitenwänden und an der Decke des
Hirnschädels vor. Zu diesen gehört der Can. condyloideus 2), dessen in-
nere Mündung in der hinteren Schädelgrube medianwärts vom Foramen
Jugulare sichtbar ist.
Aussentläähe Die Aussenseite der Grundfläche des Schädels (Fig. 77) ist zunächst
ee in zwei Regionen, eine hintere und eine vordere, zu scheiden, von welchen,
wenn man sie auf die Gegenden der Wirbelsäule zurückführt, jene der
Wirbelfurche, diese der Vorderfläche der Wirbelkörper entspricht. Weil
einerseits die Wirbelhöhle, wo sie sich zur Schädelhöhle erweitert, nach
hinten vorspringt und andererseits die Vorderfläche der animalischen Röhre
sich an der Uebergangsstelle zum Schädel unter einem rechten Winkel nach
vorn umbeugt, kommen beide Regionen in Eine und zwar in eine abwärts
gerichtete Ebene zu liegen. Die Grenze zwischen beiden bildet eine
schwach nach vorn convexe Linie, welche vom vorderen Rande des F'o-
ramen occipitale jederseits vor dem Gelenkhöcker, mittelst dessen der
Schädel auf dem Atlas artieulirt, Proc. condyloideus, vorüberführt und
von da auf einem Querwalle (Proc. jugularis des Hinterhauptsbeins)
seit- und rückwärts zu dem Warzenfortsatze (Proc. mastoideus) läuft. Auf
der Fläche, welche hinter dieser Linie, zwischen ihr, der oberen Nacken-
linie des Hinterhauptsbeins und den Warzenfortsätzen eingeschlossen ist —
wir wollen sie die Nackenfläche des Schädels nennen —, finden alle
von Rippen, Dornen und Querfortsätzen aufwärts zum Schädel verlaufenden
\) Can. condyloideus ant. ?) Can. condyloideus post,
Schädel. 75
Muskeln ihre Anheftung. Der Theil der Schädelbasis, weleher vor der
beschriebenen Linie liegt, ist zunächst wieder in zwei Felder, ein hinteres
Fig. 77.
|
Poe Fo
Basis des Schädels von aussen ; Gaumenflügel des Wespenbeins (Ppt) an der Basis quer
abgesägt. Cr. äussere Mündung des Can. rotundus. Pae. Aeussere Mündung des Gehör-
gangs. (ca. Eingang des Can. caroticus.
und ein vorderes, einzutheilen. Das hintere Feld stellt einen queren, in
der Mitte schmalen, nach den Seiten sich vor- und rückwärts ausbreitenden
Gürtel dar, welcher dem Umfang der mittleren Schädelgrube ungefähr
gleichkommt. Der mittlere Theil desselben, vor dem Rande des Hinter-
hauptslochs, dient Muskeln zur Insertion, welche an der Vorderfläche der
Hals- und oberen Brustwirbel entspringen. Zur Seite liegt der Knochen,
weleher das Gehörorgan einschliesst — die Pyramide, Pyramis, des Schlä-
fenbeins —, die Gelenkfläche für den Unterkiefer, F'ossa mandibularis,
und vor beiden eine Ebene, die sich-seitlich bis an die Orösta infratem-
poralis erstreckt und das Dach einer nach unten offenen Grube bildet, wel-
che von den den Unterkiefer bewegenden Muskeln grösstentheils ausge-
füllt wird. Ich nenne diese Grube Unterschläfengrube, Fossa infra-
temporalis, das ganze Feld mag mit dem Namen „Mittlerer Gürtel
Gesichts-
schädel.
76 Schädel.
der Schädelbasis“ bezeichnet werden. Das vordere Feld ist in sei-
nem mittleren Theil Decke der vegetativen Röhre, an den. Seiten theils
Decke, theils Seitenwand der Augenhöhlen. Zwischen der horizontalen
Platte, welche die Decke der Augenhöhle bildet, und der vertical gestellten,
vor- und medianwärts schauenden Wand, welche die Augenhöhle seitlich be-
grenzen hilft, liegt die obere Augenhöhlenspalte, Fissura orbitalis sup.
Gegen den mittleren Gürtel der Basis grenzt sich das vordere Feld ab: in
der Mitte durch das T'uberculum pharyngeum, einen etwa 12mm yor dem
Rande des Hinterhauptslochs auf dem wirbelkörperartigen Knochen der
Schädelbasis vorspringenden Höcker, an welchen die Mitte des oberen Ran-
des der hinteren Wand des Schlundkopfes befestigt ist. An den Seiten ist
die Grenze zwischen dem mittleren Gürtel der Schädelbasis und der Sei-
tenwand der Augenhöhlen bezeichnet durch einen dem Temporalflügel des
Wespenbeins angehörigen scharfen Kamm, Crista orbitalis, dem wir als
oberem Rand der unteren Augenhöhlenspalte bei Beschreibung der Augen-
höhle wieder begegnen werden. Zwischen dem Tuberceulum pharyngeum
und diesem Kamme läuft die Grenze längs dem medianen und vorderen
Rande der Wurzel der Gaumenflügel, Processus pterygoidei, des Wes-
penbeins hin. ;
Gehen wir zum Gesichtsschädel über, so erkennen wir als dessen
Fig. 78.
Frontaldurchschnitt des Schädels durch den dritten Backzahn.
1 Schädelhöhle. 2 Augenhöhlen. 3 Nasenhöhlen. 4 Kieferhöhlen, 5 Mundhöhle,
Schädel. 77
Grundlage die in den Wänden des horizontalen Endstücks des vegetati-
ven Rohres eingeschlossenen Knochenplatten (Fig. 79). Indem der vor-
dere Theil dieses Rohres durch eine horizontale Scheidewand quer abge-
theilt und die obere Abtheilung wieder durch eine mediane Scheidewand
der Länge nach halbirt wird, entstehen drei Canäle, zwei obere, Symme-
trisch und Wand an Wand an der Basis des Schädels in sagittaler Rich-
tung verlaufend, und ein dritter unpaarer, in gleicher. Richtung unterhalb
der beiden oberen. Der untere, unpaare Canal ist die Mundhöhle; die
beiden oberen, paarigen sind die Nasenhöhlen; die Wand, welche die
Nasenhöhlen von einander trennt, heisst Nasenscheidewand, Septum
narium; sie wird (Fig. 80) von einer perpendiculären Platte des Sieb-
Fig. 80.
Mediandurchschnitt des Schädels links neben der Nasenscheidewand,
* Knorpel der Nasenscheidewand.
beins, vom Pflugscharbein und nach vorn von einer Knorpelplatte gebil-
det. Die zwischen den Nasenhöhlen und der Mundhöhle verlaufende ho-
rizontale Wand heisst Gaumen, Palatum; zu ihrer Bildung tragen Ober-
kiefer und Gaumenbein bei. Nach aussen (vorn) öffnet sich die Mund-
höhle durch den Mund und am Schädel durch die Kieferspalte; die Ein-
gänge der Nasenhöhlen, die Nasenöffnungen oder Naslöcher, erscheinen
am skelettirten Schädel als einfache Oeffnung, weil der knorpelige Theil
der Nasenscheidewand fehlt und die knöcherne nicht bis an die Oberfläche
reicht. Die Oeffnung (Fig. 81 a. f. S.) wird Apertura pyriformis genannt.
Nach innen (hinten) münden die Nasenhöhlen oberhalb des Gaumens
und die Mundhöhle unterhalb desselben in die Vorderwand des oberen
78 Schädel.
Theiles des Schlundes oder des Schlundkopfes. Die hinteren Mündungen
der Nasenhöhle werden Choanen genannt; sie werden medianwärts
Ansicht des Schädels von vorn,
durch den scharfen hinteren Rand der Nasenscheidewand, unten durch den
scharfen hinteren Rand des Gaumens begrenzt. Die Stelle des lateralen
Randes nimmt eine Grube, F'ossa pterygoidea (Fig. 80.82), ein, welche,
nach hinten offen, von zwei rückwärts divergirenden verticalen Platten um-
fasst wird. Die Platten sind Theile des Gaumenflügels des Wespenbeins,
zwischen die sich nur am unteren Ende ein kleiner Fortsatz des Gaumen-
beins eindrängt. Die Grube wird ausgefüllt von einem Muskel (M. ptery- _
goid. int.), der sich von da zum Unterkiefer begiebt. Die Einmündung
der Mundhöhle in den Schlund erfolgt durch eine kreisförmige Oeffnung,
eine Art von Engpass, Isthmus faueium, welchen aber nebst dem Gaumen
nur Weichtheile, die Zunge am Boden der Mundhöhle und die an den
Seitenwänden der letzteren vorspringenden Gaumenbogen, umgrenzen.
Zwischen Mund- und Nasenhöhlen besteht eine Communication durch
den Can. ineisivus, welcher in der Nasenhöhle doppelt, dicht dies- und jen-
seits der Scheidewand beginnt und mit einer unpaarigen Oeffnung, Aper-
fura inf. can. incis. (Fig. 82), hinter den vordersten Zähnen ausmündet.
Die Nasenhöhlen sind von den vorderen bis zu den hinteren Oeffnun-
N
Schädel. 19
gen ringsum von festen, im vorderen Theile knorplichen, im hinteren
Theile knöchernen Wänden umschlossen. Der knöcherne Apparat. der
Fig. 82.
Ansicht des Schädels von hinten bei auf die Brust geneigtem Kinn.
Mundhöhle besteht aus zwei nach vorn convexen, einander nahezu paralle-
len, platten Bogen, deren einander zugekehrte Ränder die Zähne tragen.
Der obere Bogen ist mit dem vorderen und Seitenrande des Bodens der
Nasenhöhlen verwachsen und seine innere Fläche geht eontinuirlich in die
untere Fläche des Gaumens über. Der untere Bogen ist gegen den oberen
und somit gegen den ganzen Schädel beweglich und artieulirt an dem
letzteren mittelst eines jederseits senkrecht aufsteigenden Fortsatzes, des
Unterkieferastes, Ramus mandibulae, welcher da die Gelenkgrube
an der Grenze zwischen der Schläfen- und Grundfläche .des Schädels an-
gebracht ist, mit der Aussenfläche in der Fortsetzung der Schläfenfläche
Nasenhlıöle.
80 Schädel.
liegt, mit der Innenfläche eine unvollständige äussere Begrenzung de
Unterschläfengrube bildet. ,
Jede Nasenhöhle stellt in dem grössten Theile ihrer Länge einen vier-
seitigen Canal mit abgerundeten Ecken dar (Fig. 84), dessen Höhe die
Breite bedeutend übertrifft. Von den vier Wänden, welche den Canal
umgeben, stehen die Median- und Seitenwand vertical und einander pa-
rallel, wenn man von einigen Vorsprüngen der Seitenwand nach innen
und von den häufigen Unregelmässigkeiten in der Stellung der Nasen-
scheidewand absieht, welche bald nach der rechten, bald nach der linken
Nasenhöhle ausgebogen ist. Die Breite der Nasenhöhle ist demnach überall
ziemlich die gleiche (15mm), die Höhe aber ist in verschiedenen Regio-
nen verschieden und dies rührt, da die unterste Wand oder der Boden eben
und fast horizontal ist, von Ungleichheiten der oberen Wand oder der
Decke her. Die grösste Höhe (45”"M) besitzt die Nasenhöhle im mitt-
Fig. 83.
Seitenwand der Nasenhöhle.
leren Theile ihrer Länge, wo sie durch eine dünne, vorn von den Aesten
des Riechnerven durchbohrte Knochenplatte, Lamina cribrosa des Sieb-
beins, von der Schädelhöhle geschieden ist und auch von diesem Theile
der Decke ist nur ein schmaler Streifen (2 bis 3mm) zunächst der media-
nen Wand frei, während seitlich eine zellige Knochenmasse, das Labyrinth
des Siebbeins, Labyrinthus, von der Decke herabragt und den oberen
Theil der Nasenhöhle bis zur Seitenwand ausfüllt (Fig. 83. 84). Weiter rück-
wärts, so weit die Nasenhöhle unter der mittleren Schädelgrube liegt, wird
die Höhe der ersteren um die Höhe des wirbelkörperartigen Knochens die-
ses Theils der Schädelbasis — des Wespenbeinkörpers — beeinträchtigt.
Indess kommt diese Raumbeschränkung dadurch wieder der Nasenhöhle
zu Gute, dass sich im Wespenbeinkörper zwei geräumige, durch eine me-
diane Scheidewand getrennte Höhlen bilden, welche durch eine Oeffnung
in der vorderen Wand dieses Knochens jede mit Einer Nasenhöhle in Ver-
Schädel 81
bindung stehen. Dies sind die Wespenbeinhöhlen, Sinus sphenoi-
dales. Durch eine ähnliche Öeffnung in der Gegend der Nasenwurzel
hängt jede Nasenhöhle mit der Stirnhöhle, Sinus frontalis, zusammen,
einer Höhle, welehe sich zwischen den aus einander weichenden Platten
der vorderen Wand des Schädels befindet und mehr oder minder weit in
der Decke der Augenhöhle nach hinten erstreckt. Jenseits dieser Stelle
nach vorn, von der Nasenwurzel an, hört die Decke der Nasenhöhle auf,
Boden der Schädelhöhle zu sein; sie geht selbständig, mit freier, oberer
Fläche als sogenannter Rücken der Nase weiter, neigt sich aber zugleich
stark abwärts und diese Richtung verfolgen die am Rande der knöchernen
Nasenöffnung anhaftenden Nasenknorpel so weit, dass das Dach bis zur
Ebene des Bodens der Nase niedersteigt und die Eingänge der Nasen-
höhlen in den Boden derselben, vor dem knöchernen Gaumen, zu liegen
kommen. An der Seitenwand der Nase sind in ziemlich gleichen Entfer-
nungen über einander ‘drei
knöcherne Klappen, die Na-
senmuscheln, Üonchae,
befestigt, welche pultdach-
förmig schräg abwärts in die
Höhle vorspringen und sich
mit dem freien Rande wieder
lateralwärts umrollen. Die
unterste dieser Muscheln, (on-
cha inf., Fig. 82, ist ein selbst-
ständiger Knochen, die obe-
ren, Concha superior und
media, sind Theile des Laby-
rinths des Siebbeins. Der an-
geheftete Rand sämmtlicher
a Muscheln verläuft ziemlich
genau sagittal, der freie ge-
bogen, so dass jede in der
Mitte ihrer Länge die grösste
Höhe hat; an Länge übertrifft
jede untere die nächst obere.
Jede Muschel bildet mit ihrer
ceoncaven Fläche die Decke,
mit ihrer convexen Fläche den
Boden eines Ganges, der den
Frontaldurehschnitt des Schädels durch den dritten grössten Theil der Nasenhöhle
Baal: in sagittaler Richtung durch-
1. Schädelhöhle. 2. Augenhöhlen. 3. Nasenhöhlen. „ FAR
4. Kieferhöhlen. 5. Mundhöhle. setzt. Man zähltsolcher Gänge
(Nasengänge) drei, den
untersten, Meatus nariım
inf., zwischen dem Boden der Nasenhöhle und der unteren Muschel, den
mittleren, M. n. med., zwischen der unteren und mittleren, den obersten,
M.n. sup., Fig. 83, zwischen der mittleren und oberen Muschel. „Be-
deckt von den Muscheln, in der Seitenwand der Nasenhöhle, liegen die
Henle, Anatomie. Thl. 1. ” 6
Augen-
höhle.
82 Schädel.
Oeffnungen, durch welche die Zellen des Labyrinths, die Stirnhöhle und
einige andere noch zu erwähnende Höhlen und Canäle der Gesichtsknochen
mit der Nasenhöhle communiciren. Medianwärts öffnen sich die Nasen-
gänge durch weite Spalten in den Theil der Nasenhöhle, der ununter-
brochen von der Decke bis zum Boden reicht und den man den gemein-
schaftlichen Nasengang nennen könnte. Ein Loch in der lateralen
Wand der Nase, Foramen sphenopalatinum (Fig. 83), setzt die Nasen-
höhle mit der Fossa sphenomaxillaris und weiter mit der Fossa infratem-
poralis in Verbindung (s. unten).
An die Nasenhöhlen schliessen sich jederseits die Augenhöhlen an,
und der obere Theil der Seitenwand der Nase, an welchen von innen das
Labyrinth sich lehnt, ist zugleich mediale Wand der Augenhöhle. Sie
stösst mit der Decke der Augenhöhle unter einem stumpfen Winkel zu-
sammen, in welchem im Hintergrunde der Augenhöhle der Ausgang des
Canalis opticus und weiter nach vorn und vor einander die Foramina
ethmoidalia liegen, jenes zum Eintritt des Sehnerven, diese zum Aus-
tritt von Gefässen und Nerven aus der Augenhöhle bestimmt. Der untere
Theil der Seitenwand der Nase dagegen wird, mit Ausnahme des in das
Gesicht ragenden, knorplichen Theils, durch einen Anbau, den Oberkiefer-
körper, verdeckt, welcher fast so weit als die Decke der Augenhöhle seit-
wärts vorspringt und mit seiner oberen, etwas abwärts geneigten Wand
den Boden der Augenhöhle bildet. Dieser Anbau ist hohl, im Frontal-
schnitt dreiseitig mit nach unten gerichteter, stumpfer Spitze; seine obere
Wand, in sagittaler Richtung vom Canalis infraorbilalis durchzogen,
ist dreiseitig, ebenso der Querschnitt oben dreiseitig, unten halbkreisförmig
2 Fig. 85. mit seitwärts gerichteter Spitze oder Con-
vexität. Die Höhle heisst Kieferhöhle,
Sinus mawillaris V); sie steht mit der Nasen-
höhle und zwar mit dem mittleren Nasen-
gange durch eine weite Oeffnung der Wand,
welche beiden gemeinschaftlich ist, in Ver-
bindung. Der verschmälerte Boden der
Kieferhöhle liegt mit dem Gaumen in glei-
cher Höhe und über dem Seitentheile des
Zahnrandes, Processus dentalis, des
Oberkiefers (Fig. 84).
Der Winkel, unter welchem die obere
in die vordere Wand der Kieferhöhle um-
biegt, macht einen Theil des unteren vor-
deren Randes der Augenhöhle aus (ver-
gleiche Fig. 81). Von ihm steigt eine
Kante gegen die Nasenwurzel auf, die vor-
Frontaldsrähschnitt ls Chir Gere Grenze einer perpendiculären Rinne
schädels vor dem ersten Backzahn. bildend, welche abwärts in einen cylindri-
= en en schen Canal übergeht. Die Rinne ist die
Thränengrube, F'ossa lacrymalis
”
D) Antrum Highmori.
e
Schädel. 83
(Fig. 85, 86); der Canal heisst Thränencanal, Canalis lacrymalis; er
läuft zwischen Kiefer- und Nasenhöhle herab, um sich in die letztere unter-
halb der unteren Muschel zu öffnen; durch die Schleimhaut, womit er aus-
gekleidet ist, hängt der Schleimhautüberzug der Nasenhöhle mit der Schleim-
haut der Augenlieder zusammen.
Der Eingang in den Thränencanal unterbricht auf eine kurze Strecke
den Zusammenhang der medialen Wand und des Bodens der Augenhöhle.
Uebrigens, wenn man den Körper des Oberkiefers als einen Anbau an der
Seitenwand der Nase bezeichnet, versteht es sich schon, dass die der Augen-
höhle zugekehrte Seitenwand der Nase continuirlich auf die der Augenhöhle
zugekehrte obere Wand der Kieferhöhle übergeht. Dieser Uebergang erfolgt
so allmälig, dass die mediale und untere Wand der Augenhöhle nur Eine
schiefe oder schwach ausgehöhlte Ebene bilden. Dem Unteraugenhöhlenrande
gegenüber, im Hintergrunde der Augenhöhle, erfolgt der Uebergang der
oberen Fläche des Oberkieferkörpers in die hintere Fläche desselben mittelst
einer scharfen oder etwas abgerundeten vor- und seitwärts verlaufenden
Kante; diese Kante macht den unteren Rand der Fssura orbitalis inf.
aus, deren oberen Rand ich als Grenze des mittleren Gürtels der Schädel-
basis und der Decke der Augenhöhle bereits erwähnte. Die Spalte führt
aus der Augenhöhle zur Basis des Schädels und insbesondere zur Unter-
schläfengrube.
So weit die Augenhöhle von den Wänden der Schädel-, Nasen- und
Kieferhöhle begrenzt wird (Fig. 86),. kann man ihre Form einem Trichter
Fig. 86. Fig. 87.
Ansicht des Gesichtsschädels, ohne Joch“ Die Gesichtsknochen mit dem Jochbein, in
bein, von vorn, das Gesicht um Weniges gleicher Stellung.
nach links gestellt.
oder einer vierseitigen hohlen, mit der Spitze rückwärts gerichteten Pyra-
mide vergleichen, aus welcher am unteren Theile der lateralen Wand ein
schmaler, nach hinten zugespitzter Längsstreifen ausgeschnitten worden.
Die dadurch entstandene Spalte würde am vorderen breiteren Ende offen
sein, wenn sie nicht durch den vorüberziehenden Rand einer Knochenplatte
6*
Jochbogen.
84 Schädel.
abgeschlossen würde, die sich ober- und unterhalb der Unteraugenhöhlen-
spalte an die Wand der Augenhöhle anlegt und diese Höhle seitlich ver-
grössern hilft. Diese Knochenplatte ist das Jochbein oder vielmehr der
Orbitaltheil, Pars orbitalis, des Jochbeins. Der Augenhöhle mit der
Einen Fläche zugewandt, geht sie mit der anderen in die Schläfenfläche
des Schädels über, welche dadurch nach vorn über den Hirnschädel hin-
aus vergrössert, zugleich aber rinnenartig nach der Seite umgebogen wird,
Fig. 88, eine Beugung, an welcher auch die anstossenden, die Schädel- und
Augenhöhle seitlich begrenzenden Knochenwände (Stirnbein, Wespenbein-
flügel und Oberkiefer) Antheil nehmen.
Ich nehme als Regel den Fall an, wo das Jochbein an der Bildung der Fiss.
orb. inf. Theil nimmt. Diese Regel ist nicht ohne häufige Ausnahmen (s. Jochbein).
Die auf die eben beschriebene Weise entstandene flache Rinne wird
vertieft und erhält eine Seitenwand durch die Anfügung des vorderen
Endes des Jochbogens oder der Wangenplatte, Pars malaris, des
Jochbeins.
Der Jochbogen geht aus der Verbindung dieser Platte mit einem Fort-
satz des Schläfenbeins, Processus zygomalicus, hervor. Er entspringt,
Fig. 88. wie bereits erwähnt, platt (depri-
mirt) aus dem hinteren Theile ‘der
unteren Kante der Schläfenfläche
über der Oeffnung des knöchernen
Gehörganges, läuft anfänglich, an
der unteren Fläche zur Aufnahme
des Gelenkkopfes des Unterkiefers
ausgehöhlt, seitwärts, wendet sich
weiterhin, zugleich mit einer Dre-
hung um die eigene Axe, wodurch
die obere Fläche zur medialen wird,
nach vorn und erreicht in einer
seitwärts convexen Krümmung wie-
der die Seitenwand des Gehirn-
und Gesichtschädels. In der Nähe
des hinteren Ursprungs ist der
Jochbogen niedrig (7®”) ;allmälig
wächst, im Verlauf nach vorn,
Horizontaldurchschnitt des Gesichtsschädels, seine Höhe auf etwa das Doppelte ;
durch den vorderen Theil des Jochbogens. dann, während der untere Rand
f Sntäche der Gaumentigt, Pop Tabere-jy gleicher Flucht bis zum Ober-
kiefer fortschreitet, biegt der obere
Rand im rechten Winkel aufwärts um und wird zum hinteren Rande einer
Platte, welche hoch genug ist, um sich längs des ganzen Seitenrandes der
Augenhöhle anzulegen, Fig. 89. Die Vereinigung des Jochbogens mit der
Seitenwand der Augenhöhle erfolgt unter einem spitzen Winkel, dessen nach
vorn gelegener Scheitel scharf, dessen rückwärts schauende Oeffnung da-
gegen abgerundet ist. Oberhalb des seitlichen Augenhöhlenrandes geht
die Aussenfläche des Jochbogens in die Stirn, unterhalb dieses Randes
Schädel. 85
geht sie in die Gesichtsfläche des Oberkiefers über; oben, wo der Joch-
bogen sich mit dem Hirnschädel verbindet, setzt sich sein vorderer Rand
Fig. 89.
Ma
Schädel im Protil.
in den oberen Rand der Augenhöhle, sein hinterer Rand in den Anfang
der Schläfenlinie fort; unten, wo der Jochbogen sich an den Gesichts-
schädel anschliesst, unterbricht die Insertion desselben die halbkreisförmige
Krümmung der Oberkieferfläche und theilt diese jederseits.in ein vorderes
und ein hinteres Feld. Das hintere Feld bildet die vordere Wand der
Unterschläfengrube, deren anderweite Begrenzungen sogleich aufgezählt
werden sollen. Eine Hervorragung des unteren Randes des Jochbogens
nahe vor seinem Anschluss an den Oberkiefer wird Wangenhöcker,
Tuber zygomaticum, genannt.
Die Unterschläfengrube liegt unter dem Seitentheile des mitt-
leren Gürtels der Schädelbasis, vor- und medianwärts vom Unterkiefer-
gelenk. Von der Schläfengrube ist sie durch die Wurzel des Jochbogens und
weiter vorwärts durch die Unterschläfenfirste, Urista infralemporalis,
geschieden (Fig. 88, 90). Indem diese Firste, von der Gegend der Wurzel des
Jochbogens schräg median- und vorwärts auf dem Schläfen- und Wespen-
Unterschlä-
fengrube.
Spheno-
maxillar-
grube.
86 Schädel.
bein zur F'issura orbil. inf. läuft, macht sie die laterale, dann die
vordere Grenze der knö-
Fig. 90. chernen Decke der Unter-
+ Foi Tsp Cri schläfengrube aus; an ihrem
vorderen Ende, dicht hinter
der Fissura orbit. inf., findet
sich ein wulst- oder zacken-
oder kammförmiger Vor-
sprung, T'uber culum spi-
nosum; von ihm aus geht
ein Muskel quer zum Proc.
condyloideus des Unter-
kiefers herüber. Der vor-
deren Grenze der Decke
der U ıterschläfengrube pa-
LH rallel wird die hintere durch
die Fissura sphenopetrosa,
eine Spalte zwischen dem
Wespenbein und der Py-
ramide des Schläfenbeins,
bezeichnet, an welcher die
Profilansicht des Gesichtsschädels mit geringer Drehung Später, S. 90, zu erwähnende
um die verticale Axe nach rechts und um die sagittale knorpliche Tuba verläuft.
Axe mit der linken Hälfte aufwärts. Der Jochbogen und
Unterkiefer entfernt. } f Schnittflächen des Jochbogens.
Evv
Pptoın
Fism
wl-
Hart vor dieser Spalte, mit
dem längsten Durchmesser
parallel derselben, liegt das
F'oramen ovale, dahinter das F'oramen spinosum und hinter diesem
ragt mehr oder minder weit eine Zacke, der Wespenbeinstachel,
Spina angularis, herab. Medianwärts verschmälert sich die obere
Wand der Unterschläfengrube und biegt sanft in die mediale Wand dieser
Grube um, welche durch die laterale Platte des Proc. pterygoideus ge-
bildet wird. Von der vorderen Begrenzung der Unterschläfengrube, durch
den Oberkieferkörper, war soeben die Rede. Ueber demselben eommunieirt
sowohl die Schläfengrube als die Unterschläfengrube durch die Fissura
orb. inf. mit der Augenhöhle; seitlich an dem Oberkiefer und unter
dem Wangenhöcker vorbei gelangt man aus der Unterschläfengrube auf die
Vorderfläche des Gesichts. Als laterale Wand der Unterschläfengrube dient
vorn der Jochbogen, weiter rückwärts der Unterkieferast; nach unten und
hinten ist die genannte Grube am knöchernen Schädel offen (vgl. Fig. 82),
sie wird aber bis auf einige schmale Spalten durch die Muskeln verschlossen,
welche vom Gaumenflügel des Wespenbeins zum hinteren Rande des Unter-
kieferastes treten. ;
Indem der Gaumenflügel des Wespenbeins, schräg ab- und vorwärts
gerichtet, sich mit dem vorderen Rande allmälig dem Oberkiefer nähert
und endlich mit dem unteren Theile des vorderen Randes fest an denselben
anlegt, entsteht zwischen ihm und dem Oberkiefer, an der Grenze der me-
dialen und vorderen Wand der Unterschläfengrube, eine dreiseitige, mit
dem längsten Durchmesser vertical und mit der Spitze abwärts gerichtete
Schädel. 87
Spalte, die Fissura sphenomastllaris, Fig. 90; sie führt in eine enge,
medianwärts von der Unterschläfengrube gelegene Höhle, die Fossa
Fig. 91.
Seitenansicht des Schädels, insbesondere der die Fossa sphenomaxillaris umgrenzenden
Theile. X Schnittfläche der Decke der Augenhöhle. 7t Schnittflächen, wodurch der
Temporalfligel des Wespenbeins von dem Körper dieses ‚Knochens getrennt wurde.
1. Can. opticus. 2. Mediale Begrenzung der Fissura orbitalis sup. 3. 4. Foramina ethmoi-
dalia ant. und post. 5. Eingänge der Cann. alveolares posteriores.
sphenomaxillaris, von welcher aus durch verschiedene Oeffnungen und
Canäle der zweite Ast des Trigeminus und die Art. und V. maxillaris int. ihre
Zweige verbreiten. Eine dünne, dem Gaumenbeine angehörige Knochenplatte
schliesst, dem Eingange gegenüber, die Fossa sphenomaxillaris gegen die
Nasenhöhle ab, in der Nähe des oberen Randes von dem bereits erwähnten
Foramen sphenopalatinum durchbrochen, welches Gefässe und Ner-
ven zur Nasenhöhle durchtreten lässt. Am oberen, schwach abwärts ge-
neigten Theile der hinteren Wand der Sphenomaxillargrube liegt der Aus-
gang des Canals, Canalis rotundus, durch welchen der zweite Ast des
Trigeminus aus dem Schädel hervordringt; es repräsentirt dieser Theil der
hinteren Wand, insofern er die Schädelhöhle von der Sphenomaxillargrube
scheidet, gewissermaassen die obere Wand oder Decke der letzteren. Etwas
Gehör-
apparat.
88 Schädel.
ab- und medianwärts findet man die vordere Apertur des Can. Vidianus,
welcher die Wurzel des Gaumenflügels sagittal durchsetzt und der Spitze
der Schläfenpyramide gegenüber an der Schädelbasis ausmündet. An der
Vorderseite, wo der Oberkiefer die Sphenomaxillargrube begrenzt, bietet
sich über dem Rande dieses Knochens ein Ausgang durch die Fissura orbi-
talis inf. in die Augenhöhle dar. Am unteren Ende setzt sich von der
Stelle, wo der Gaumenflügel an den Oberkiefer sich anlehnt, zwischen
Gaumenflügel, Oberkiefer und Gaumenbein ein weiterhin mehrfach getheil-
ter Canal, Canalis pterygopalatinus, abwärts fort, um sich an der hin-
teren seitlichen Ecke der unteren Gaumenfläche zu öffnen.
Gleich der Augenhöhle wird auch die zur Aufnahme des Gehörorgans
bestimmte Höhle zum 'Theil unmittelbar von der Basis des Hirnschädels,
zum Theil von Knochenplatten, die dem vegetativen Rohre angehören, ge-
bildet, so dass die Schädelbasis zugleich die Decke, die dem vegetativen
Rohre angehörigen Knochen den Boden dieser Höhle darstellen und in den
Seitenwänden der letzteren die Knochen der animalischen und vegetativen
Röhre einander begegnen. Die den Gehörapparat umschliessenden Kno-
chen setzen, mit einigen Zuthaten, welche später einzeln namhaft gemacht
werden sollen, die Pyramide des Schläfenbeins zusammen. Wir versuchen,
um die Gestalt dieses Skeletttheils verständlicher zu machen, zuerst die
Grundform des Gehörapparates zu construiren. Derselbe besteht aus zwei
Haupttheilen, dem Labyrinth (Fig. 92, 1) und dem Zuleitungsrohr
(23321, 2''). Das Labyrinth ist mit Wasser, das Zuleitungsrohr mit Luft erfüllt.
Von dem Labyrinth genüge es, zu bemerken, dass es eine in der Dicke
der Wand der Schädelbasis eingeschlossene Höhlung ist, gemodelt nach
der Form häutiger, gleichfalls wasserhaltiger Bläschen und Röhrchen, die
in dem Wasser desselben aufgehängt sind und die Endausbreitung des Hör-
nerven tragen. Von der Schädelhöhle her führt zum Labyrinthe ein Canal,
Meatus acust. int., welcher vom Stamme des Hörnerven ausgefüllt wird;
in der äusseren Wand des Labyrinths sind zwei rundliche Knochenlicken,
über welche Membranen hingespannt sind, sogenannte Fenster, die in
das Lumen des Zuleitungsrohres schauen. Das Zuleitungsrohr lässt sich
als eine Ausstülpung des Schlundkopfes (3) betrachten, welche aus dem
obersten Theile der lateralen Wand hervor- und dann dicht unter der
Schädelbasis und an der äusseren Wand des Labyrinths vorüber rück- und
seitwärts geht, um sich zwischen dem Warzenfortsatz und dem Unterkiefer-
gelenk an der Seitenfläche des Schädels zu öffnen. Die Schleimhaut des
Schlundes würde sich auf diese Weise bis in die äussere Haut des Ohres
und so weiter fortsetzen, schlösse nicht in der Nähe der äusseren Oeffnung
eine häutige Scheidewand, Paukenfell (*) , den äusseren oder lateralen
Theil dieses Rohres gegen den inneren oder medialen Theil hermetisch ab.
Der laterale Theil, von einer blinden Einstülpung der äusseren Haut aus-
gekleidet, ist der äussere Gehörgang (2); er ist, vom äusseren Ohre an
gerechnet, eine Strecke knorplich, dann knöchern und verläuft im Allge-
meinen in einer transversalen Richtung. Der mediale Theil, in welchen
ein gleichfalls blinder Fortsatz der Schleimhaut des Schlundes sich hinein-
zieht, biegt allmälig in eine Richtung um, welche zwischen der trans-
versalen und sagittalen ungefähr die Mitte hält. Er zerfällt in zwei
Schädel. . 89
nicht scharf gegen einander abgegrenzte Abtheilungen, Paukenhöhle (2’)
und Tuba (2°). Die dem Paukenfell zunächst gelegene, geräumigere Ab-
Fig. 92.
Transversaler Durchschnitt des Gehörapparates. 1. Gehörlabyrinth. 2. Aeusserer Gehör-
gang. 2’ Paukenhöhle. 2” Tuba. 3. Schlundkopf. * Paukenfell; von demselben aus geht
eine punktirte Linie zu einem der Fenster des Labyrinths, die Lage der Gehörknöchelchen
bezeichnend. 4. 4. Knorpel des äusseren Ohrs und Gehörganges 5. 5. Knorpel der Tuba.
Fmd. Gelenkgrube des Unterkiefers. C'ca. Canalis earotieus. f Durchschnitt des Proc.
pterygoid. des Wespenbeins. }} Durchschnitt des Warzenfortsatzes.
theilung ist die Paukenhöhle; ihre laterale Wand ist das Paukenfell; dem
Paukenfell gegenüber, am medialen, wegen der Krümmung des Canals zu-
gleich nach vorn gerichteten Ende verjüngt sie sich zur Tuba. In die hin-
tere Wand der Paukenhöhle, welche aber wegen der erwähnten Krümmung
mehr lateral- als vorwärts gewandt ist, öffnen sich die Fenster des Laby-
rinths. Von dem Mittelpunkte des Paukenfells zu dem obersten dieser Fen-
ster verläuft (durch eine punktirte Linie angedeutet) eine Kette kleiner,
unter einander artieulirender Knöchelchen (Ossieula auditus), deren Be-
schreibung ich für die Splanchnologie verspare. Durch eine seitwärts von
den Fenstern befindliche weite Oeffnung der hinteren Wand tritt die Pau-
kenhöhle mit einer Höhle des Warzenfortsatzes, Antrum mastloiderm,
und den leeren Zellen desselben in der nämlichen Weise in Verbindung,
wie die Nasenhöhle mit den Aushöhlungen des Stirnbeins und Wespenbein-
körpers. Die mediale, resp. vordere engere und röhreniförmige Abtheilung,
die Tuba, ist wie der äussere Gehörgang halb knorplich, halb knöchern;
knöchern an der der Paukenhöhle zugekehrten Seite, knorplich am unteren,
dem Schlunde zunächst gelegenen Theile.
90%, Schädel.
Die knorplich-knöcherne Wandung des eben beschriebenen Zuleitungs-
rohres gleicht in ihrer ganzen Länge einer Dachrinne oder einer cylindri-
Fig. 93.
Schläfen-
pyramide.
Pyramide des rechten Schläfenbeins mit den knorplichen Anhängen, von unten, die me-
diale Wand der knorplichen Tuba mit dem unteren Rande medianwärts umgebogen.
+ Durchschnitt des Pr. pterygoid. }f Durchschnitt des Pr. styloideus. 1. Knorplicher
Gehörgang. 2. Knorpel der Tuba. Pc. Gelenkfortsatz des Hinterhauptes. Prm. Proc.
mastoideus. md. Gelenkgrube des Unterkiefers. Fov. For. ovale. Fs. Foramen spino-
sum. Sa. Spina angularis des Wespenbeins.
schen Röhre, aus deren Wand ein schmaler oder breiter Längsstreifen aus-
geschnitten ist. An dem knorplichen Theile der Tuba fehlt die vordere
und untere Wand, an dem Knorpel des äusseren Gehörganges ein Streif
der oberen Wand. So weit die Rinne knöchern ist, ist sie von unten her
theilweise bis zu völliger Verschmelzung an die Schädelbasis angelöthet,
doch wird auch hier am vorderen und hinteren Rande die Anfügungsstelle
durch schmale, spaltförmige Vertiefungen bezeichnet.
Ich habe von einigen Zuthaten gesprochen, welche, indem sie sich an
die eben beschriebenen Knochentheile anlehnen und mit denselben ver-
wachsen, die Pyramide des Schläfenbeins vervollständigen. Dahin gehö-
ren: 1) Die knöchernen Wände, welche den Canal der Carotis, (un. ca-
rolicus, umschliessen. Dieser Canal beginnt medianwärts neben dem vor-
deren Ende der knöchernen Tuba und läuft erst aufwärts, dann mit einer
Biegung, der knorplichen Tuba parallel, vor- und medianwärts, so dass
der Eingang in der Flucht der Schädelbasis horizontal, der Ausgang an
der Spitze der Pyramide vertical gerichtet ist. Der Ausgang sieht dem-
nach gegen die Seitenwand des Körpers des Hinterhauptsbeins. Zwischen
der Spitze der Pyramide, dem Körper des Hinterbauptsbeins und dem hin-
teren Rande des Temporalflügels des Wespenbeins bleibt eine grosse, un-
regelmässige, von Faserknorpel ausgefüllte Lücke, F'oramen lacerum, in
welcher sich die beiden Spalten begegnen, welche vor und hinter der
Spitze der Pyramide verlaufen, die Fissura sphenopetrosa, in welcher die
Tuba ruht, zwischen der Spitze der Pyramide und dem Temporalflügel,
und die Fissura pelrobasilaris zwischen der Spitze der Pyramide und
Hinterhauptsbein. 91
dem Hinterhauptsbeine. Die letztere verbindet das F'or. /acerum mit dem
For. jugulare. 2) Der Griffelfortsatz, Proc. styloideus (+}); dies
ist der mehr oder minder weit abwärts verknöcherte obere Theil des Auf-
hängebandes des Zungenbeins, welcher mit der unteren Wand der Pauken-
höhle, an die er befestigt ist, verschmilzt. Der Stelle, von welcher aussen
der Griffelfortsatz abgeht, entspricht innen ungefähr der Knochenfalz, in
welchen das Paukenfell eingefügt ist.
Ein Ausschnitt am lateralen Theile des hinteren Randes der Pyramide
umgrenzt mit einem entsprechenden Ausschnitt am Hinterhauptsbeine das
For. jugulare, und ein Vorsprung in jedem dieser beiden Ausschnitte
trennt das Foramen jugulare unvollkommen in zwei Oeffnungen, die hintere
für die V. jugularis, die vordere für die Nerven (8. oben). Von dem For.
jugulare ist die äussere Mündung des Canalis hypoglossi nur durch
eine schmale Knochenbrücke geschieden. Dicht am hinteren Rande des
Foramen jugulare, in der Pyramide des Schläfenbeins und unmittelbar hin-
ter der Basis des Griffelfortsatzes, liegt das F'oramen stylomasloideum,
aus welchem der siebente Hirnnerv hervortritt.
1. Hinterhauptsbein, Os occipitis.
Das Hinterhauptsbein nimmt den hinteren Theil der Grundfläche und
die hintere Wand des Schädels ein, das Hinterhauptsloch, Foramen
oeeipitale 1) allseitig umschliessend. Ein schwammiges, wirbelkörperartiges
Stück (Fig. 94), welches von vornher das Hinterhauptsloch begrenzt, wird
Körper, Corpus 2), genannt; eine vom hinteren Rande des Hinterhaupts-
loches sich rück- und aufwärts erstreckende, nach aussen gewölbte, nach
oben zugespitzte Platte heisst Schuppe, Sguama 3). Zwischen Körper
und Schuppe liegt jederseits, in beide ohne scharfe Begrenzung übergehend,
der Seitentheil, Pars lateralis +), welcher den auf der Gelenkfläche des
Atlas articulirenden Gelenkhöcker trägt.
Der Körper des Hinterhauptsbeins ist es, in welchem hauptsächlich
die mehrerwähnte Umbeugung der Axe der Wirbelsäule aus der verticalen
in die horizontale Richtung geschieht. Dieses Knochenstück würde dem-
nach, wenn es im Uebrigen die Gestalt eines regulären Wirbelkörpers hätte,
von einem solchen doch darin abweichen, dass die Endflächen nicht pa-
rallel, sondern fast rechtwinklig gegen einander geneigt, d. h. die untere
horizontal, die obere und nunmehr vordere nahezu vertical ständen. Statt
der unteren Endfläche aber besitzt der Körper des Hinterhauptsbeines
einen scharfen Rand, der, ebenso wie der obere Rand des vorderen Bo-
gens des Atlas, gekrümmt und an diesen durch ein Band befestigt ist. Von
jenem Rande aus gehen die innere und äussere oder die der Hirn- und
der Eingeweidehöhle zugewandten Flächen beide schräg aufwärts, aber die
I) F. occip. magnum.
2) Zapfentheil, Basis, Pars basileris.
8) Pars occipitalis.
%) Pars condyloidea, jugularis.
1. Hinter-
hauptsbein.
Körper.
92 | % Hinterhauptsbein.
innere Fläche steiler als die äussere, wobei also der Knochen an Höhe zu-
nimmt und eine vordere Endfläche gewinnt, welche, so lange sie überhaupt
Fig. 94.
Mediandurchschnitt des Hinterhauptsbeins.
noch von der entspre-
chenden des Wespen-
beins geschieden wer-
den kann, fast vier-
seitig (Fig. 95 u. 96)
und etwa um die
Hälfte breiter als
hoch ist (21: 13m).
Gleich der Durch-
schnittsfläche werden
auch die Seitenflä-
chen nach vorn all-
mälig höher, doch ist
nur die vordere Hälfte
derselben frei (an die
hintere fügt sich der Seitentheil); sie geht in die untere Fläche des Kör-
pers mit einem abgerundeten Rande über; die Kante, in welcher sie mit
der oberen Fläche des Körpers jederseits zusammenstösst, ist ein scharfer,
vorspringender Saum, an den eine ähnliche Kante der Schläfenpyramide
sich anlehnt. Die obere und untere Fläche verschmälern sich nach vorn;
die obere ist glatt, die untere rauh; die obere ist von Einer Seite zur an-
Fig. 95.
Hinterhauptsbein, von vorn.
deren ausgehöhlt, die
untere schwach gewölbt.
Nur dicht am _ Seiten-
rande fällt die obere
Fläche (Fig. 95) wieder
seitwärts ab, eine Fur-
che, Semisulcus pe-
frosus inf., bildend,
die sich noch nach hin-
ten auf den: Seitenrand
der Pars lateralis ver-
folgen lässt und durch
das anstossende Schlä-
fenbein zu einer tiefen
Rinne vervollständigt
wird; die Rinne nimmt
einen Blutleiter, den Si-
nus petr. inf., auf. Die
untere Fläche (Fig. 96)
ist ausgezeichnet durch
ein medianes Knötchen,
Tuberculum pharyn-
geum }), welches einige Linien vor dem Hinterhauptsloche liegt und sich
ı) Spina s. Crista pharyngea s. basilaris.
Hinterhauptsbein. 93
gegen dasselbe oder gegen den vorderen Rand des Knochens oder nach
beiden Richtungen öfters in eine schwache Firste fortsetzt. An das Knötchen
Fig. 9%. heftet sich die Spitze eines
in der Mitte der hinteren
Wand des‘Schlundes gele-
nen Sehnenstreifens, der Li-
nea alba pharyngis. Es
dient demnach, die Grenze
zu bezeichnen, von welcher
aus nach vorn die Schädel-
basis Decke der Rachen-
höhle wird. Eine Quer-
leiste, welche sich jeder-
seits, in einiger Entfernung
seitlich vom Tub. phar. be-
ginnend, aufden Seitentheil
erstreckt, dient einem Mus-
kel (Rect. cap. ant. min.)
Hinterhauptsbein, von unten. 2 zum Ansatz.
Die Schuppe kehrt
den mittleren, tief ausgeschnittenen und wulstigen Theil ihres vorderen
"Schuppe.
Randes dem Hinterhauptsloche zu; die Seitenränder gehen von der oberen '
Spitze erst divergirend ab- und lateralwärts, wenden sich dann unter einem
sehr stumpfen Winkel (Seitenwinkel) medianwärts, bis sie wieder unter
einem stumpfen, nach aussen offenen Winkel in den Seitenrand der Pars
lateralis übergehen. Der oberhalb des Seitenwinkels gelegene Theil des
Seitenrandes verbindet sich in einer scharfgezackten Naht mit dem Scheitel-
bein; unter dem Winkel ist der Rand mit schwächeren Zacken versehen
und mit dem hinteren Rande des Warzentheils des Schläfenbeins zusammen-
gefügt. In der Naht zwischen dem Hinterhaupts- und Schläfenbeine oder in
dem Warzentheile des Schläfenbeins liegt das Foramen mastoideum
(siehe Schläfenbein).
Die Grenze der Hinterhaupts- und Nackengegend ist auf der äusseren
Fläche der Schuppe (Fig. 97) durch eine von dem Einen Seitenwinkel
zum anderen oder etwas unterhalb derselben sich erstreckende, aufwärts
convexe Bogenlinie, die obere Nackenlinie, Linea nuchae sup. ),
bezeichnet, welche in der Regel durch eine mediane Einkerbung mehr oder
weniger tief getheilt ist. Ueber oder in der Einkerbung ist die Hinter-
hauptsschuppe verdickt, auch wohl in einen Höcker oder eine platte abwärts
gerichtete Spitze ausgezogen, Profuberanlia ?) occip. ext.; von da aus
bis herab zum Rande des Hinterhauptsloches erstreckt sich eine mediane
Firste, Lin. nuchae mediana 3). Etwa in der Mitte zwischen der oberen
Nackenlinie und dem Rande des Hinterhauptsloches verläuft die untere
Nackenlinie, Lin. nuchae infer.*), an manchen Schädeln ziemlich
») L. semicircularis sup. aut.
?) Spina.
3) Crista oceipialis. %) L. semicircularis inf.
94 - Hinterhauptsbein.
regelmässig der oberen parallel, an anderen winklig oder unterbrochen.
An die mediane Nackenlinie setzt sich das Nackenband, an die gebogenen
Nackenlinien und die
Fläche zwischen den-
selben setzen sich die
Muskeln des Nackens
fest.
Die innere Ober-
fläche der Schuppe
(Fig. 95 und 96) ist
durch zwei parallele,
eine Furche ein-
schliessende Firsten,
welche in der Höhe
des Seitenwinkels
oder dicht über dem-
selben fast horizontal
gehen, im ein oberes
und unteres Feld ge-
theilt, von denen jenes
dem Schädeldach,
dieses der hinteren
Hinterhauptsbein, von hinten. Schädelgrube ange-
hört. Senkrecht auf
diese Querfurche, Sule. transversus, steht im oberen Felde eine seich-
tere Furche, Swlc. sagillalis, im unteren ein einfacher Kamm, Crista
occipit. int., der aber bald in zwei, das Hinterhauptsloch umfassende und
längs dem Rande desselben sich verlierende Schenkel aus einander weicht.
Wo die obere verticale Furche auf die Querfurche trifft, biegt sie sich
meistens in die rechte Hälfte der letzteren um. Die Kreuzungsstelle der
Furchen und Firsten ragt, der äusseren Protuberanz gegenüber oder etwas
tiefer als diese, in Form eines platten oder theilweise scharfen Wulstes,
Protuberantia occ. int., nach innen‘ vor )).
In den Feldern oder Gruben über der Querfurche liegen die hinteren Spitzen
der Hemisphären des Grosshirns, in den unteren Feldern das Kleinhirn. Hier, zu
beiden Seiten der Crista occ. int., ist die Mächtigkeit des Knochens am geringsten.
In der Längsfurche selbst ruht der Sinus sagittalis sup., in der Querfurche jeder-
seits ein Sinus transversus, von denen gewöhnlich der rechte stärker ist und den
Sinus sagittalis aufnimmt. Abweichungen von diesem Verlaufe der Blutleiter be-
dingen Varietäten der Gestalt der inneren Oberfläche der Schuppe. Die Furchen
sind tiefer oder seichter oder fehlen theilweise. Auch die untere Firste kann fur-
chenartig werden und am Hinterhauptsloche in eine Furche (Sulcus marginalis
for. magni) übergehen, die den hinteren Rand dieses Loches. halbkreisförmig
umgiebt (Barkow, anatom. Abhandlungen. Breslau 1851. S. 1. Taf. I. Fig. 1)-
Die Schuppe ist in seltenen Fällen der Länge nach, häufiger transversal getheilt
(Meckel. Otto, De rarioribus quwibusdam sceleti humani cum animalium sceleto
U) Die von der Protub. int. ausgehenden kreuzförmigen Furchen werden die Eminentia
cruciata des Hinterhauptsbeins genannt.
Hinterhauptsbein. 95
analogüs. Wratisi. 1839. p. 11); in einem von Otto (a. a. O. Fig. 1) beobachte-
ten Falle trug ihre Spitze einen zungenförmigen, zwischen die Scheitelbeine ein-
geschobenen Fortsatz.
Die Seitentheile des Hinterhauptsbeines gehen platt und breit aus Seitentheile
der Schuppe hervor und fügen sich, hoch und schmal, an den Körper an.
Die Abnahme der Breite erfolgt rasch durch einen tiefen, abgerundeten
Ausschnitt des Seitenrandes, Drosselausschnitt, Ineisura jugularis
(Fig. 95), welcher den hinteren und medialen Rand desForamen jugulare)
ausmacht. Bis zu diesem Ausschnitt ist der laterale Rand des Seitentheiles
mit dem Schläfenbeine zusammengefügt, und zwar hinten mit dem Warzen-
theile durch eine schwachzackige Naht, eine unmittelbare Fortsetzung der
Naht, welche zwischen der Schuppe. des Hinterhauptsbeins und dem Warzen-
theil besteht; vorn mit der Pyramide des Schläfenbeins durch eine bald
nach der Pubertät verknöchernde Synchondrose, Synchondrosis pelro-
. occipilalis (Fig. 95 und 96), deren Berührungsflächen spitzwinklig drei-
seitig, mit aufwärts gerichteter Spitze, am Hinterhauptsbeine schwach con-
vex, am Schläfenbeine schwach concav, dort auf-, hier abwärts geneigt
sind. An der Incisura jugularis selbst ist der Rand scharf. Das zunächst
hinter dem querverlaufenden Theile des Jugularausschnittes gelegene Stück
des Hinterhauptsbeins heisst Drosselfortsatz, Processus jugularis.
Die äussere Fläche desselben ist ein transversaler Wulst, der dem M. rect.
cap. lateralis zum Ansatz dient (Fig. 97 *); die innere glatte Fläche wird
durch eine quere Firste (Fig. 95 und 96 **), die gegen den Seitenrand hin
zur oberen Spitze der Synchondrosis petro-oceipitalis ansteigt, in zwei Fel-
der geschieden. Das hintere Feld, indem es sich auch nach hinten gegen
die Schuppe durch eine stumpfe, schräg median- und vorwärts laufende
Kante .absetzt, erscheint als breite Furche, zur Aufnahme des vorderen
Endes des Sin. transversus; das vordere Feld, steil abwärts zum Rande
des Foramen jugulare abfallend, stützt die hintere Wand des Anfanges der
V. jugularis. Am medialen Ende der Firste, welche diese beiden Flächen
trennt, oder in der einen oder anderen dieser Flächen findet sich die innere
Mündung eines Canals, Canalis condyloid. 2) (Fig. 95), welcher in schrä-
ger Richtung rück - und abwärts den Knochen durchsetzt und sich in einer
Grube hinter dem Gelenkhöcker, Fossa condyloidea (Fig. 97), nach
aussen Öffnet.
Er fehlt nicht selten. In demselben liegt ein Communicationsast des Sin. transv.
mit den äusseren Venen des Schädels (Emissarium). In einem Präparate unserer
Sammlung geht der Canal von der inneren Mündung an vor- und medianwärts in
den sogleich zu beschreibenden Canal des Hypoglossus.
Die Verbindung zwischen der Schuppe und dem seitlich an dieselbe sich
anschliessenden Proc. jugularis einerseits und dem Hinterhauptskörper ande-
rerseits bewerkstelligen zwei Knochenleisten, von denen die eine in aufwärts,
die andere in abwärts convexem Bogen verläuft (Fig. 96). Sie fassen einen
Canal zwischen sich, den Can. hypoglossi?), welcher in schräger Rich-
l) F. lacerum posterius.
2) Foramen condyl. post. aut.
®) Foramen condyl. ant. aut.
96 Hinterhauptsbein.
tung seit- und vorwärts den N. hypoglossus aus der Schädelhöhle führt.
Die Divergenz beider Leisten ist, neben ihrer nach vorn hin wachsenden
Mächtigkeit, Ursache der Höhenzunahme, welche die Seitentheile in ihrem
Anschluss an den Körper erfahren. Von diesen Leisten entspricht ‘die un-
tere, zugleich der Mittellinie nähere dem seitlichen, gelenktragenden Theile
des Körpers eines Drehwirbels. Ihre untere Fläche vermittelt die Artieu-
lation mit dem Atlas. Die Gelenkflächen sind, gleich denen des Atlas,
länger als breit und mit den vorderen Spitzen gegen einander geneigt; sie
sind aber zugleich mit den Flächen etwas von einander ab- und seitwärts
gekehrt, indem der mediale Rand tiefer steht als der laterale. Im Frontal-
schnitt sind sie schwach convex, dergestalt, dass die Convexitäten beider
Flächen in Einem flachen Kreisbogen .zu liegen scheinen; eine stärkere
Wölbung besitzen sie in der Richtung von vorn nach hinten. Indem die
hintere Spitze in eine Grube, die Fossa condyloidea, eingelassen, die vor-
dere dagegen durch einen abwärts gerichteten Vorsprung, den Gelenk-
fortsatz, Proc. condyloideus (Fig. 96 und 97), abwärts geschoben ist,
kommen beide, die vordere und hintere Spitze, bei ruhiger aufrechter Hal-
tung des Schädels in eine horizontale Ebene zu liegen, indess eine durch
das Hinterhauptsloch und den Körper des Hinterhauptes gelegte Ebene
schräg ansteigt. Medianwärts gehen die Gelenkfortsätze in den vorderen
Rand des Hinterhauptsloches über und bilden mit demselben einen con-
tinuirlichen Bogen, welcher die Lücke zwischen Hinterhaupt und Atlas
von oben her begrenzt.
Ueber die eben beschriebene untere Leiste ist die obere und zugleich
mehr seitlich gelegene gleich einem Brückenbogen hinübergespannt, in der-
selben Weise, wie zuweilen am oberen Rande des Atlas eine Knochen-
brücke von der Seitenmasse zum hinteren Bogen verläuft. Von der
Aussenfläche der Schädelbasis gesehen, scheidet jene Brücke die äussere
Mündung des Can. hypoglossi (Fig. 96) von dem Foramen jugulare. An
der Seite, welche sie dieser Oeffnung zuwendet, zieht sich von hinten her
in Form einer Firste der Rand des Foramen jugulare, von vorn her die
Spitze der rauhen Seitenfläche des Körpers herauf. In der Regel springt
diese Spitze (Fig. 96 ***) seitlich vor in Form eines Fortsatzes I), welcher
sich genau an die Schläfenpyramide anlegt und das For. jugulare von vorn-
her begrenzt. Die Firste, welche den Rand des Foramen jugulare bildet,
trägt dicht hinter dem vorderen Ende ein Knötchen, zuweilen auch einen
kurzen Stachel, Processus intrajugularis ossis occipitis 2), wodurch sie
das Foramen jugulare in einen hinteren grösseren Abschnitt (für die V.
Jugularis) und einen vorderen kleineren für die Nerven quertheilen hilft.
Die Furche des Sinus petrosus inferior geht vor diesem Knötchen oder
Stachel abwärts und das Ende des Sinus petrosus liegt demnach mit den
Nerven in der vorderen Abtheilung des For. jugulare. Die untere Fläche
des Brückenbogens, welche sich dem Canal des Hypoglossus zuwendet, ist
glatt, ausgehöhlt, der Eingang in diesen Canal öfters durch ein feines
Knochenstäbchen der Länge nach getheilt. Die obere Fläche ist aus-
') Proe. jugularis accessorius M. J. Weber, Proc. J. anterior Gruber.
2) Proc. jugularis medius Gruber.
Wespenbein. 97
gezeichnet durch eine seichte Querfurche, welche den Verlauf der Nerven
andeutet und durch eine verdickte und rauhe Stelle, T’ubere. jugulare ))
vor dieser Querfurche, welche den auf dem Hinterhauptskörper ruhenden
Hirntheilen zur seitlichen Stütze dient.
Var. Die Gelenkflächen des Hinterhauptsbeins sind, gleich denen des Atlas,
durch eine Rinne quergetheilt. — Zwischen dem Gelenkfortsatz und der Jugular-
öffnung verläuft ein vom scharfen Rand der letzteren mehr oder minder gedeckter
Gefässcanal. Schultz, Bem. über den Bau der Menschenschädel. Petersb. 1852. 8. 15.
Taf. I. Fig.5. An drei Schädeln beobachtete Dieterich (Beschreibung einiger Ab-
normitäten des Menschenschädels. Basel 1842. S.8. Fig. 1) am vorderen Rande des
For. occipitale eine Gelenkgrube zur Aufnahme des Zahnes des zweiten Halswirbels.
Gruber (Neue Anomalien. Berl. 1849. S. 4) sah eine Gelenkfläche am hinteren
Rande des Hinterhauptsloches und den vorderen Rand rinnenförmig vertieft zur Auf-
nahme des vorderen Bogens des ersten Halswirbels. Ein cylindrischer medianer
Fortsatz oder zwei Fortsätze neben einander mit überknorpelter unterer Fläche
kommen am vorderen Rande des Hinterhauptsloches vor Zur Articulation mit dem
Atlas (Meckel, dessen Archiv Bd. I. S. 644. Taf. VI. Fig. 37. Dieterich, a.a. O.
Gruber, a.a. O. S. 3). Neben dem Proc, jugularis findet sich ein überknor-
pelter Fortsatz, Processus paramastoideus, der mit dem Querfortsatze des ersten
Halswirbels artieulirt (Dieterich, a. a. O. Fig. 5. Mayer, N. Untersuchungen
aus d. Gebiete der Anatomie und Physiol. Bonn 1842. S. 19. Patruban, Prager
Vierteljahrsschr. 1848. Bd. I. S. 36. Taf. I. Fig. 5. 6. Gruber, a. a. O. S. 4).
Von der lateralen Spitze der Firste, welche den Sulcus transversus von vorn-
her. begrenzt, geht ein Knochenplättchen rückwärts, um diese Furche zu über-
wölben (Gruber, a. a. O. S. 5). Der Processus jugularis ist von einem Emissa-
rıum durchbohrt (ebendas.).
In der Form gleicht das Hinterhauptsloch dem For. vertebrale des
ersten Halswirbels. Es ist elliptisch, mit dem längsten Durchmesser (30"m)
sagittal gestellt, die vordere Abtheilung von beiden Seiten her aussen durch
die Gelenkfortsätze, innen durch die Tubercula jugularia eingeengt.
Beim Neugebornen besteht das Hinterhauptsbein aus vier, durch Synchondrose
zusammengefügten Stücken, dem Körper, der Schuppe und den beiden Seiten-
theilen. Die paarigen Seitenstücke entsprechen aber nicht dem Theile des Knochens,
der beim Erwachsenen Seitentheil genannt wird, indem einerseits die Naht zwischen
den Seitenstücken und dem Körper beim Neugebornen durch die Gelenkhöcker geht
und der Körper die vordere Spitze der letzteren trägt, andererseits die Naht zwi-
schen Seitenstücken und Schuppe fast in gleicher Flucht mit dem hinteren Rande
des Hinterhauptsloches liegt, das letztere also beim Neugebornen seitlich fast allein
durch die Seitenstücke begrenzt wird. Die Schuppe ist von der Spitze aus senk-
recht und von der Mitte des Seitenrandes aus transversal mehr oder minder tief
eingeschnitten, Einschnitte, welche sich mitunter in Form feiner Fissuren ziemlich
lange erhalten. Im zweiten bis vierten Jahre verbinden sich die Seitentheile mit der
Schuppe, ein bis zwei Jahre später mit dem Körper. — Bevor das Hinterhaupts-
bein mit dem Wespenbeine verschmilzt, bilden sich an beiden Flächen der Syn-
chondrose platte Knochenscheiben, ähnlich denjenigen auf den Endflächen der
Wirbelkörper.
2. Wespenbein, Os sphenoideum.
Es besteht aus einem unpaaren, würfelförmigen Mittelstück, dem Kör-
per, dessen hintere Fläche an die Vorderfläche des gleichnamigen Stückes
des Hinterhauptsbeins stösst und im Erwachsenen mit demselben verschmilzt,
l) Proc. anonymus.
Henle, Anatomie. Thl. I.
1
2. Wespen-
bein,
a. Körper
obere
Fläche
98 Wespenbein.
und aus den symmetrischen Seitentheilen. Der Körper zeigt in den ersten
Lebensjahren und zuweilen noch später die Spuren der Zusammensetzung
aus zwei hinter einander gelegenen und durch Synchondrose verbundenen
Stücken von fast gleicher Grösse; er stellt also zwei an den Berührungsflä-
chen verschmolzene Wirbelkörper dar. Die Seitentheile sind jederseits drei
platte, fügelförmige Fortsätze, zwei horizontal, der dritte vertical mit ge-
ringer Neigung des unteren Endes nach vorn gestellt. Die horizontalen ver-
halten sich zum Körper wie Anfänge von Wirbelbogen; sie gehören, so
lange der Wespenbeinkörper sich in zwei zerlegen lässt, der eine dem vor-
deren, der andere dem hinteren Körper an; der horizontale Fortsatz des
vorderen Körpers, in allen Dimensionen der kleinere, wird Orbitalflügel,
Ala orbitalis %), der von dem hinteren Wespenbeinkörper ausgehende hori-
zontale Fortsatz wird Temporalflügel, Ala temporalis2), genannt. Die Spalte
zwischen beiden ist die obere Augenhöhlenspalte, Fissura orbita-
lis sup. 2). Der verticale Fortsatz lässt sich einem Rippenrudiment ver-
gleichen, welches, an dem Körper und dem Temporalflügel entspringend, in
der Seitenwand der Choane abwärts zum Gaumen geht. Er führt den Na-
men Gaumenflügel, Proc. pterygoideus ?).
Der Wespenbeinkörper wendet die obere Fläche der Schädel-
Fig. 98. höhle, die untere der Nasenhöhle zu; in
die letztgenannte Höhle schaut auch die
vordere Fläche, während die hintere, wie
erwähnt, an den Körper des Hinterhaupts-
beins stösst. Die lateralen Flächen sind fast
ganz durch die Wurzeln der horizontalen
Fortsätze eingenommen und verdeckt. Die
hintere Fläche ist stark abwärts geneigt
(Fig. 98), die vordere ist es ebenfalls in gerin-
Mediandurchschnitt des Wespenbeins. gerem Grade, wenn man absieht von einem
Ors Crista sphenoid. Rs Rostr. sphenoid. medianen vorspringenden Kamm, der diese
Fig. 99. Fläche theilt. Durch die
Convergenz der hinteren
und vorderen Fläche nach
unten erhält der Körper
die Keilform, derentwegen
man ihn mit dem Schluss-
stein eines Gewölbes ver-
glichen hat.
Die obere Fläche des
Wespenbeins wird durch
zwei quer verlaufende Vor-
ragungen in drei Felder
abgetheilt, von welchen das
mittlere die Art von Isth-
Wespenbein von oben. Pca Proc. elinoideus ant. mus: darstellt, welcher die
Crs
S' Ala parva, Proc. ensiformis, >) Ala magna, Ala lateralis.
®) Fissuras sphenoidalis. ') Ala descendens s. palatina.
Wespenbein. 99
beiden Seitenhälften der mittleren Schädelgrube verbindet, das vordere und
hintere Feld demnach je der vorderen und hinteren Schädelgrube angehö-
ren. Das mittlere Feld nimmt etwa die Hälfte, das vordere und hintere
Feld je ein Viertel des sagittalen Durchmessers der ganzen Fläche (34m) ein.
Die vordere Vorragung, Limbus sphen. m., ist in ihrem mittleren Theile
einem feinen, platt aufliegenden Saume ähnlich, der sich zuweilen kaum
merklich gegen die Fläche absetzt; um so auffallender wird sie nach den
Seiten, wo der hintere Rand des Saumes sich aus dem transversalen Ver-
lauf im Bogen rückwärts wendet, um in die hintere Spitze des Orbitalfüü-
gels überzugehen. Die Fläche vor dem Limbus 1) ist glatt, mit einer leise
angedeuteten medianen Firste, einer Art Vorläufer der Crista galli; nach
den Seiten setzt sich diese Fläche ununterbrochen ’in die obere Fläche der
Orbitalflügel fort; ihr vorderer Rand, welcher ebenfalls eontinuirlich in den
vorderen Rand der Orbitalflügel übergeht, ist mit dem hinteren Rand des
Stirnbeins und der Siebbeinplatte in mehr oder minder zackiger Naht ver-
bunden, selten einfach transversal, meistens in eine einfache oder getheilte
mediane Spitze vorspringend.
Das mittlere Feld der oberen Wespenbeinfläche in Verbindung mit
der Hervorragung, durch welche es von dem hinteren Felde geschieden
wird, gewährt das Bild eines Sattels mit Knopf und Lehne 2), in
dessen Vertiefung oder Sitz ein drüsenartiger Anhang der Hirnbasis, die
Hypophyse, ruht. Der Sattelknopf, Tuberculum sellae 3), ist ein
Querwulst dicht hinter und unter dem Limbus; wie dieser zieht er sich
seitlich in einen platten Fortsatz, Radix inf. alae orbitalis, aus, der, an
die untere Fläche des Orbitalflügels stossend, die Austrittsöffnung des N.
opticus und der Art. ophthalmica, Can. opficus %), umschliessen hilft. Je
nach der Entfernung des Sattelwulstes von dem Limbus, je nachdem der
letztere nach hinten vorspringt und der erstere sich erhebt, entsteht zwi-
schen beiden eine flachere oder tiefere, schmalere oder breitere Querfurche,
Sulcus opticus, welche seitwärts zu dem Can. optieus führt und dem
Chiasma der Nn. optiei zur Anlehnung dient.
Var. Nicht selten folgt hinter dem Sattelknopf eine zweite seichtere und
schmalere Querfurche, die den vorderen Theil eines kreisförmigen, die Hypophyse
umgebenden venösen Sinus aufnimmt. Der niedere Wulst, welcher diese Furche
von der dahinter befindlichen Grube trennt und der Synchondrose der beiden ur-
sprünglichen Wespen! einkörper entspricht, steigt zuweilen an jeder Seite zu einem
stumpfen oder spitzen Knötchen, dem Proc. clinoideus med., auf. Der Proc. clin.
med. kann sich zu einem Stäbchen verlängern, das sich, gleich der unteren Wurzel
des Orbitalflügels, an die untere Fläche der hinteren Spitze dieses Flügels anlegt.
Es entsteht dadurch, von dem Can. opticus durch die untere Wurzel des Orbitalflü-
gels geschieden, ein ähnlicher, kürzerer Canal, Foramen carotico-clinoideum, an wel-
chem die Carotis int. auf- und dann rückwärts läuft.
Mitten zwischen 'beiden Proce. clinoid. med. liegt eine feine Oeffnung (oder meh-
rere), wodurch Gefässe ins Innere des Knochens treten.
D) Jugum sphenoidale.
2?) Sella turcica, ephippium.
®) Sattelwulst, Tab. ephippü.
2) Foramen opt.
Seiten-
flächen,
100 . Wespenbein.
Die tiefste Stelle des Sattels, Hypophysengrube, Fossa hypho-
physeos, ist in sagittaler wie in transversaler Richtung concav, gegen die
Seitenfläche des Wespenbeinkörpers jederseits durch eine sagittale, sehr
stumpfe , selten rinnenförmige Kante undeutlich abgesetzt. Die Sattel-
lehne, Dorsum sellae !), von welcher sie nach hinten begrenzt wird, ist
ein starker, von der ganzen Breite des Körpers sich erhebender und vor-
wärts geneigter, im sagittalen Durchmesser comprimirter Kamm mit paral-
lelen oder aufwärts convergirenden Seitenrändern und wulstigem, horizon-
talem oder leicht concavem oberen Rand. Auf seine glatte Voorderfläche
setzt sich die Aushöhlung des Sattelsitzes fort; seine hintere Fläche ?), eben
oder leicht von einer Seite zur anderen ausgehöhlt und rauh, liegt in Einer
Flucht mit der oberen Fläche des Körpers des Hinterhauptsbeins. Die Naht
zwischen beiden ist oft noch im Erwachsenen durch eine Rauhigkeit ange-
deutet. Die oberen Ecken der Sattellehne sind jede in einen kurzen, plat-
ten, kolbigen oder knopfförmigen Fortsatz, oder auch in eine ab- und rück-
wärts ragende Spitze verlängert, Proc. elinoideus post.
Die Form der Proce. clinoidei post. ist verschiedenartig und öfters sehr un-
regelmässig, was seinen Grund ohne Zweifel darin hat, dass sich Verknöcherungen
der harten Hirnhaut auf dieselben auflagern und mit ihnen verschmelzen. Die Ver-
schmelzung ist mitunter unvollkommen und man findet Knochenspitzen und Plätt-
chen durch eine mehr oder minder deutliche Naht an den Proc clinoid. post. ange-
fügt. Ein solches Plättchen von ungewöhnlicher Grösse (Y, Zoll lang, 3 — 4!
breit) hat Gruber (Abhandl. aus der menschlichen und vergleichenden Anatomie.
Petersburg 1852. S. 1. Fig. 1 — 3) aus dem Schädel eines 30 — 40jährigen Man-
nes beschrieben. Vergl. Schultz, a. a. O. S. 18.
Am Fuss der Sattellehne ragt jederseits ein schmales, rückwärts ge-
bogenes Plättchen (Fig.99 *) vor, welches mit der Spitze der Schläfenbein-
pyramide zusammenstösst 3); es bildet die laterale Wand einer Rinne,
durch welche die in der Naht zwischen dem Körper des Hinterhauptsbeins
und der Schläfenpyramide befindliche Furche (des Sinus petrosus inf.) mit
der Hypophysengrube in Verbindung steht. In anderen Fällen ist der Fuss
der Sattellehne verschmälert und unter ihm zieht eine breite Furche, Fort-
setzung des Sule. petr. inf., zur Seitenläche des Wespenbeinkörpers.
Wenden wir uns zur Betrachtung dieser Seitenfläche (Fig. 100),
Fig. 100. so finden wir einen grossen Theil derselben,
Ri wie erwähnt, durch die Wurzeln der Orbital-
und Temporalflügel eingenommen. Indem die
ersteren an der vorderen oberen Ecke, die
letzteren weiter hinten in der Nähe des unte-
ren Randes ihren Ursprung nehmen, bleibt
vorn der untere, hinten der obere Theil der
Seitenfläche frei. Der unterhalb der Orbital-
flügel gelegene Theil der Seitenfläche fällt fast
perpendiculär ab; er bildet den medialen Rand
Seitenansicht des Wespenbeinkör- der Fissura orbitalis sup. und inferior, und
pers, Orbital- und Temporalfügel ist eine kurze Strecke weit im Hintergrunde
an den Wurzeln abgesägt.
Ra, Rm, Rp, Wurzeln des Tem-
poralllügels. Cr, Can. rotundus. )) D. ephippüi. 2) Clvus; Cl. Blumenbachü.
®?) Proc. basilaris Sue. Proc. occipitalis Loder.
Wespenbein. m 101
der Augenhöhle an deren medialer Wand sichtbar; der hinter den Orbital-
flügeln und oberhalb der Temporalflügel befindliche Theil der Seiten-
fläche des Wespenbeinkörpers ist sanft geneigt, näher der horizontalen als
der verticalen Stellung; er zeigt vorn, neben dem Sattelknopf, einen mehr
oder minder tiefen Eindruck, Impressio carotica, welcher die letzte, nach
vorn convexe Krümmung der Carotis aufnimmt und hinten (Fig. 99), ne-
ben der Sattellehne, eine breite Furche, Sulcus caroticus, in welcher
dieselbe Arterie gleich nach ihrem Eintritt in die Schädelhöhle ruht. Diese
Furche zu vertiefen und gegen den Temporalflügel abzugrenzen, erhebt
sich längs dem lateralen Rande derselben ein saum- oder zungenförmiges,
nach innen umgerolltes Plättchen, Lingula sphenoidalıs.
Sömmerring fand bisweilen statt der Lingula ein völlig abgesondertes, in
der harten Hirnhaut liegendes Knochenstückchen.
An der unteren Fläche des Wespenbeinkörpers (Fig. 101) unterschei-
Fig. 101.
Wespenbein von unten. Die Proc. pterygoidei an der Wurzel abgesägt.
7 Schnittfläche derselben.
det. man ein unpaares mittleres Feld von den paarigen Seitenfeldern, wel-
che letztere wieder durch eine vom lateralen zum medialen Rande schräg
rückwärts verlaufende Furche in eine vordere und hintere Abtheilung ge-
schieden werden. Das Mittelfeld gleicht der Vorderfläche eines schmalen
Wirbelkörpers; es ist von einer Seite zur anderen convex, glatt, nach vorn
verschmälert und meist ausgezeichnet durch eine tiefere oder seichtere
Querspalte oder eine rundliche Grube in der Nähe des vorderen Randes,
Ueberbleibsel einer Synchondrose der beiden Wespenbeinkörper des Fötus.
Die hintere Abtheilung des Seitenfeldes, Processus vaginalis, ist von
dem Mittelfeld, dem sie ihre schmalste Seite zuwendet, durch eine tiefe
Furche abgesetzt. Sie wird in Verbindung mit dem Gaumenflügel näher
beschrieben werden, von welchem aus sie sich über die untere Fläche des
Körpers herüberzulegen scheint; die vordere Abtheilung des Seitenfeldes
untere
Fläche.
vordere
Fläche,
a
102 Wespenbein.
gehört der Wespenbeinmuschel, Concha sphenoidalis !), an, einem
dünnen, blasig aufgetriebenen Knochenplättchen, von etwa dreieckiger Form,
dessen nach hinten gekehrte Spitze sich zwischen das Mittelfeld und den
Pr. vaginalis einschiebt, dessen Basis nach vorn gerichtet und an der Vor-
derfläche des Wespenbeinkörpers aufwärts gebogen ist. Wenn der Wes-
penbeinkörper, der in den ersten Lebensjahren noch aus schwammiger
Substanz besteht, hohl geworden ist, bildet die Wespenbeinmuschel den
Boden und den untersten Theil der vorderen Wand dieser Höhle; noch
zur Pubertätszeit ist sie von den übrigen Theilen des Wespenbeinkörpers
durch eine Naht geschieden. Später tritt an die Stelle dieser Naht eine
lineare Furche, die sich nur selten ganz verwischt.
Die vordere mediale Ecke jeder Wespenbeinmuschel biegt in einen
platten, beilförmigen Fortsatz um, dessen Flächen sich in eine der Median-
ebene parallele Lage begeben; die entsprechenden Fortsätze beider Seiten
stossen mittelst einer verticalen Naht vor dem vorderen verschmälerten
Ende des Mittelfeldes in der Medianebene zusammen. Auch diese Naht
schwindet zur Zeit der Reife, indessen die zusammenstossenden Kanten sich
in einen platten Kamm mit scharfem und unebenem Rande verlängern, der,
einem comprimirten Schnabel ähnlich, nach unten und vorn vorspringt,
Rostrum sphenoidale, und sich niedriger in der Mitte der vorderen Fläche
heraufzieht, Ü'rista sphenoidalis (Fig. 102). Das Mittelfeld der unteren
Fläche wird fast ganz (nur ein schmaler Streifen längs dem hinteren Rande
bleibt frei) durch die Anheftung der knöchernen Nasenscheidewand, insbe-
sondere des oberen, breiten Randes des Vomer, verdeckt. In eine Furche
dieses Randes passt das Rostrum sphenoidale. Ueber den Seitenrand der
Wespenbeinmuscheln erstreckt sich mehr oder minder weit medianwärts die
Platte des Gaumenbeins, welche die mediale Wand der Fossa spheno-
maxillaris ausmacht.
Die vordere Wand des Wespenbeinkörpers (Fig. 102) ist, wie er-
wähnt, abwärts ge-
neigt, so dass sie mit
der unteren Wand in
einer stumpfen, meist
abgerundeten Kante
zusammenstösst. Mit
denseitlichenWänden
und mit der oberen
Wand vereinigt sie
sch in zackigen, mehr
oder minder vorsprin-
genden Kanten, an
welche das Stirnbein,
Siebbein und dieGau-
menbeine sich anfü-
gen. Ist sie vollstän-
dig und regelmässig,
Fig. 102.
® _Wespenbeinkörper von vorn. Vergl. S. 110.
!) Ossiculum Berlini, Cornu sphenoidale , Wespenbeinhorn oder Tute, Der Name
Corau ist unpassend und verdankt seinen Ursprung einem Missverständniss. Bertin
» “Wespenbein. 108
so zeigt sie an jeder Seite der Crista sphenoidalis eine grosse, kreisrunde oder
ovale, scharfrandige Oeffnung (von 6%” Durchm.), die sich‘in der Nasenhöhle,
hinter den oberen Zellen des Labyrinths verbirgt. Diese Oeffnung, Fo-
ramen sphenoidale, entsteht dadurch, dass vom vorderen Rande der
oberen Wand des Wespenbeinkörpers eine Platte mit ausgeschnittenem
Rand dem vorderen, aufwärts gerichteten Rande der Wespenbeinmuscheln
entgegenwächst. Häufig ist die vordere Wand unvollständig und demge-
mäss das Foramen sphenoidale unregelmässig, weit und gerissen. Vor den
lateralen Theil desselben legen sich alsdann, als Stellvertreter der vorderen
Wand, oben die hinteren Siebbeinzellen, unten ein Fortsatz des Gaumen-
beins. Häufiger verwachsen die Ränder der ebengenannten Knochentheile
mit der vorderen Wand des Wespenbeinkörpers, so dass beim Zerlegen der
Schädelknochen die letztere zerbricht und theilweise den ersteren folgt.
Die hintere Fläche des Wespenbeinkörpers (Fig. 110) ist vierseitig, mit
abgerundeten Ecken, rauh und von tiefen Furchen durchzogen. Neben der
unteren Ecke und über der Wurzel der Gaumenflügel ist jederseits der Sul-
cus caroticus und am Seitenrande der letzteren die Lingula sichtbar.
Die Höhlen des Wespenbeinkörpers, Sinus sphenoidales, entwickeln
sich durch Aufsaugung der ursprünglich spongiösen Substanz des Knochens
in der Richtung von vorn nach hinten; sie haben daher eine je nach dem
Lebensalter der Individuen verschiedene Tiefe. Eine perpendiculäre, nicht
immer genau mediane und nicht immer ebene Scheidewand, die sich eben-
falls mit den Jahren verdünnt, Septum sphenoidale, grenzt in Einer Flucht
mit der Nasenscheidewand den rechten und linken Sinus sph. gegen einan-
der ab. Oft ragen von dieser Scheidewand, wie von den übrigen Wän-
den, kurze Zacken oder Plättchen in das Innere der Höhle und theilen sie
in Zellen ab.
Var. Sehr- selten fehlt das Septum sph. Häufiger weicht es so weit aus der
Medianebene, dass die Eine Höhle sich auf Kosten der anderen bedeutend verklei-
nert. — Das Foramen sph. ist auf eine schmale, seitwärts gerückte Spalte redu-
cirt, die von dem Labyrinth des Siebbeins überragt wird. — Die Wespenbeinhönle
dehnt sich abwärts in die Wurzeln der Gaumenflügel aus.
Die Orbitalflügel sind platte und horizontale Auswüchse des
vorderen Theils der oberen Seitenkante des Wespenbeinkörpers (Fig. 105).
Ich habe schon erwähnt, dass die obere Fläche und der vordere Rand des
Körpers ununterbrochen in die entsprechenden Theile des Orbitalflügels
übergehen und dass der hintere Rand dieses Flügels mit dem Limbus sphenoi-
dalis zusammenhängt. Man kann das zunächst an den Körper anstossende,
von parallel verlaufenden Rändern eingeschlossene Stück des Orbitalflügels als
. eine, und zwar als obere Wurzel des Flügels betrachten; als zweite, untere
Wurzel tritt das ebenfalls bereits erwähnte Plättchen, Aad. inf., hinzu,
welches, neben dem Sattelwulst, von der Seitenwand des Körpers seitwärts
und im Bogen aufwärts abgeht, die eine Fläche nach oben und etwas nach
vorn, die andere nach unten und hinten gerichtet, mit scharfem Hinter- und
(Hist. de Vacademie royale d. sciences de lannde 1744. Paris 1748, p. 298) wählte für die
von ihm beschriebenen Knöchelchen dıe Benennung Cornets wegen ihrer Aehnlichkeit mit
den Muscheln (Corneis) des Siebbeins.
hintere
Fläche,
Wespen-
beinhöhlen,
b. Orbital
flügel,
104 Wespenbein. ; ni
wulstigem Vorderrande. Beide Wurzeln schliessen mit der Seitenwand des
„Körpers den vor- und lateralwärts verlaufenden, eylindrischen und nach
Fig. 103. vorn trichterförmig sich
erweiternden Can. optieus
ein; die untere Wurzel des
Orbitalflügels scheidet den
Canal von der Fissura or-
bitalis sup.
Von der Vereinigungs-
stelle beider Wurzeln oder
vom Seitentheil des hinte-
ren Randes des Can. opt.
ragt frei nach hinten in
die Schädelhöhle ein plat-
ter, dreiseitiger. Fortsatz
mit abgerundeter und et-
was verdickter Spitze, der
Processus clinoid. ant., dessen medialer Rand gerade von vorn nach hin-
ten, dessen lateraler Rand von der Spitze an schräg vor- und seitwärts läuft,
um in den ausgeschweiften hinteren Rand des Orbitallügels überzugehen.
Der mediale Rand des Proc. clinoid. ant. ist zuweilen der Länge nach ge-
furcht zur Aufnahme der Art. ophthalmica, die sich an denselben anlehnt.
Seitwärts läuft der Orbitalflügel in eine mehr oder minder fein ausge-
zogene, nach der Kante rückwärts gekrümmte Spitze aus, die sich hinter
den oberen Rand des Temporalflügels zurückzieht. Entweder legt sie sich
dicht an diesen an oder sie bleibt von ihm durch einen schmalen Zwischen-
raum getrennt und diesen Zwischenraum füllt der hintere Rand des Augen-
höhlentheils des Stirnbeins aus, mit dem sich sowohl der Orbital- als der
Temporalflügel verbinden. Von den Flächen des Orbitalflügels ist die
obere in der Schädelhöhle als hinterer Theil des Bodens der vorderen
Schädelgrube sichtbar; die untere, in welche die Seitenfläche des Wespen
beinkörpers umbiegt, gehört theils der Decke der Augenhöhle, theils der
Schädelhöhle an. Von der Insertion der unteren Wurzel an läuft nämlich
über diese Fläche in lateraler Richtung eine sehr stumpfe Kante, welche
die eigentliche obere Begrenzung der Fissura orbitalis sup. ausmacht
(Fig. 107 ***), was vor dieser Kante liegt, sieht in die Augenhöhle; der
hinter der Kante befindliche Theil der unteren Fläche des Orbitalflügels
liegt in der Schädelhöhle und stellt mit der seitlichen Spitze des Flügels
einen saumartigen Vorsprung des Bodens der vorderen Schädelgrube über
die mittlere dar.
Var. Der Orbitalflügel erhält eine dritte Wurzel durch Verschmelzung des
Pr. clinoid. med. mit der Spitze des Pr. clinoid. ant., wovon bereits die Rede war-
Selten erreicht diese Spitze den Pr. elinoid. post. und verschmilzt auch mit diesem,
Ein Präparat unserer Sammlung zeigt in dem Orbitalflügel einen geräumigeu Sinus,
der sich vor der vorderen Wand des Körpers direct in die Nasenhöhle öffnet.
a Die Temporalflü gel des Wespenbeins nehmen ihren Ursprung vom
“ hinteren und unteren Theil der Seitenfläche des Körpers mit einer Haupt-
und zwei Nebenwurzeln (Fig. 104, 105). Die Hauptwurzel, Radix me-
Wespenbein von oben.
» Wespenbein. 105
dia alae temp., ist platt, deprimirt, — mit dem längsten Durchmesser sa-
gittal; ihre Mächtigkeit nimmt von vorn nach hinten etwas zu, ist aber
Fig. 104. nicht genau bestimmbar, weil an ihre untere
Fläche ein Theil des Gaumenflügels anstösst.
Mit dem vorderen Rande schräg vorwärts, mit
dem hinteren Rande schräg rückwärts verlau-
Cr fend, entfaltet sie sich fächerförmig zu einer
Platte, welche, aufwärts gekrümmt, ihre con-
Rp _cave (innere) Fläche der Schädelhöhle zuwen-
det und mit ihrer convexen Fläche aussen an
der Basis und Seitenwand des Schädels sicht-
bar wird. 2
Von den Nebenwurzeln muss die eine
vordere, Rad. ant. alae temp., die andere
hintere, Rad. post. alae temp., genannt
Ri
Seitenansicht des Wespenbeinkör-
pers, Orbital- und Temporalflügel
an den Wurzeln abgesägt. werden. Die vordere entspringt platt und
gleichfalls deprimirt, mit scharfem Hinter-
Fig. 105. i und abgerundetem V order-
rande über dem vorderen
Viertel der Hauptwurzel.
Indem sie sich brücken-
förmig auf die Innenfläche
der Hauptwurzel herüber-
schlägt, um sich in diese
Fläche zu verlieren, ver-
wandelt sie eine über der
Hauptwurzel von hinten
nach vorn verlaufende Rin-
ne in einem Canal mit hin-
terer und vorderer runder
Wespenbein von oben. Orbitalflügel abgesägt. Oeffnung. Dies ist der
Can. rotundus ), wel-
chen der zweite Ast des Trigeminus benutzt, um die Schädelhöhle zu ver-
lassen. Wie der Can. opticus durch die untere Wurzel des Orbitalflügels,
so wird der Can. rotundus durch die vordere Wurzel des Temporalflügels von
der Fiss. orbitalis sup. geschieden. Die hintere Nebenwurzel ist ein com-
primirtes, dickeres oder dünneres Plättchen, welches an der Seitenfläche des
Körpers zwischen der Hauptwurzel des Temporalflügels und der Lingula ent-
springt und, parallel dem hinteren Rande der aus der Hauptwurzel hervor-
gehenden Platte, hinter dieser und in geringer Entfernung von ihr (3wm)
seit- und rückwärts verläuft. Ihre in allen Dimensionen verjüngte Spitze
verschmilzt mit der hinteren Spitze der erwähnten Platte; vorher zieht sich
ein plattes Stäbchen mit nahezu vertical gestellten Flächen von der Vor-
derfläche der hinteren Wurzel an den hinteren Rand der Platte herüber.
Durch das Stäbchen von einander getrennt, entstehen zwei Oeffnungen: die
Eine, der Mittellinie nähere, grösser, oval, mit dem längsten Durchmesser
parallel dem hinteren Rande des Temporalflügels, die andere, weiter seit-
1) For. rotundums, Can. mawillar. sup.
“
106 Wespenbein.
und rückwärts gelegene, kleiner und kreisrund. Jene ist das Foramen
ovale, durch welches der dritte Ast des Trigeminus aus der Schädelböhle
austritt, diese das F'orumen spinosum, durch welches die Vasa menin-
gea media verlaufen. Medianwärts vom Foramen spinosum schickt die
hintere Wurzel häufig ein dünnes horizontales Plättchen (Lamina spheno-
petrosa) nach hinten ab, welches mit seinem hinteren Rande an den oberen
Rand der vorderen Mündung des Can. musculo-tubarius des Schläfenbeins
stösst und so in die knöcherne Decke dieses Canals übergeht.
Ziemlich beständig findet sich die hintere Wurzel an ihrer Abgangsstelle vom
Körper in verticaler Richtung von einem oder einigen Canälchen, Canalicui sphe-
noidales, oder einer Längsspalte durchsetzt, wodurch sie den Anschein gewinnt, als
ob sie selbst wieder aus der Verschmelzung von zwei hinter einander gelegenen
Wurzeln hervorgegangen wäre.
Häufig ist die hintere Wurzel unvollkommen ; sie erscheint in Gestalt eines
kurzen, zungenförmigen Plättchens; dann ist das Foramen ovale am hinteren Rande
offen. Oder das Foramen ovale ist vollständig, aber das Foramen spinosum media-
lerseits nicht geschlossen. Doch kommt seitwärts neben dem unvollständigen oder
auch vollständigen Foramen spinosum öfters noch ein vollständiges innerhalb der
hinteren Spitze des Temporaltlügels vor.
Medianwärts neben dem Foramen ovale und spinosum ist der Temporalflügel
zuweilen in schräger Richtung von einem engen auf- und rückwärts verlaufenden
Canälchen durchzogen, dem Can. innominatus Arnold, in welchem der N. petr. su-
perf. min. liegt, wenn er nicht, was häufiger vorkömmt, durch die Fissura spheno-
petrosa geht.
In einiger Entfernung seitwärts von der lateralen Spitze der Fissura orbitalis
sup. findet sich mitunter ein Canälchen, welches den 'Temporalflügel von der Schä-
del- zur Orbitalfläche durchsetzt und Zweige der Vasa meningea aus der Schädel-
höhle zur Augenhöhle treten lässt (Albin, Tabb. ossium. Taf. V. Fig. 6. 7. U.).
Wir haben an dem Temporalflügel zunächst eine innere, concave und
eine äussere, convexe Fläche unterschieden. Der Rand, in welchem diese
beiden Flächen sich vereinigen, geht mit mehreren benachbarten Knochen
Verbindungen ein und ändert, abgesehen von der Flächenkrümmung des
Flügels, in seinem Verlaufe zu wiederholten Malen theils in Winkeln, theils
in Bogen seine Richtung. Berücksichtigt man nur die schroffen,, winkligen
Umbeugungen des Randes, so erkennt man an demselben fünf Abtheilun-
gen, von welchen zwei vorwärts, zwei rückwärts gewandt sind undEine, die
schmalste, seitwärts oder, wegen der Flächenkrümmung des Flügels, aut-
wärts sieht. Von den beiden nach vorn und nach hinten gerichteten Ab-
theilungen des Randes ist je die dem Körper zunächst gelegene scharf und
frei; die weiter seitlich gelegenen verbinden sich, die vordere, Margo
frontalis (Fig. 106), mit dem Stirnbein und, wenn er so weit vorwärts
reicht, mit dem vorderen Rand des Orbitalflügels, die hintere, Margo
temporalis '), mit der Schläfenschuppe; der schmale Seitenrand des
Temporalflügels, M. parietalis, stösst an das Scheitelbein.
Der freie Theil des vorderen Randes (Fig. 106 **) begrenzt von unten
die Fissura orbitalis sup. So weit er, dem Körper zunächst, von der vor-
deren Wurzel des Temporalflügels gebildet wird, läuft er gerade seitwärts,
dann wendet er sich in einer geraden oder convexen Linie nach oben und
) Incisura temp. Margo semilunaris.
Wespenbein. 107
zugleich nach vorn, um in einem stumpfen Winkel in den frontalen Rand
überzugehen. Dieser verläuft im Bogen erst seit-, dann rückwärts; er ist
Fig. 106. breit, eine horizontale, rau-
he, dreiseitig stumpfwinke-
lige Fläche. Der stumpfe
Winkel ist nach vorn ge-
richtet und entspricht dem
oberen Ende einer Firste,
welche die Aussenfläche
des Flügels senkrecht theilt.
Der parietale Rand geht,
wenn er deutlich ausge-
prägt ist (oft redueirt er
sich auf eine Einkerbung
zwischen dem vorherge-
Wespenbein von oben. Örbitalflügel abgesägt. henden und dem folgen-
den Rand), unter einem
stumpfen Winkel vom frontalen Rande ab und gerade oder wenig ab-
wärts geneigt von vorn nach hinten; er ist von der äusseren gegen die
innere Fläche des Knochens abgeschrägt und legt sich schuppenförmig
über den unteren Theil der äusseren Fläche des Scheitelbeins, oft auch
des Stirnbeins. Der temporale Rand, unter einem rechten oder spitzen
Winkel gegen den parietalen abgesetzt, läuft in einem Viertelskreis erst me-
dian-, dann rückwärts und zugleich, mit der Flächenkrümmung des Flügels,
von der Seitenwand des Schädels zur Basis desselben. Er ist breit, von der
parietalen Ecke an zunehmend zackig und in der Art schuppenförmig, dass
an dem in der Seitenwand des Schädels gelegenen Theile die innere Flä-
che über die äussere, an dem in der Basis gelegenen Theile die äussere
Fläche über die innere hervorragt. So muss die Schläfenschuppe, welche
sich, entsprechend zugeschärft, mit diesem Rande des Temporalflügels ver-
bindet, an der Seitenwand des Schädels ihn decken, an der Schädelbasis
aber von ihm: getragen werden.
Der Uebergang des temporalen Randes in den freien und glatten, me-
dian- und vorwärts gerichteten Theil des hinteren Randes erfolgt unter einem
spitzen Winkel, welcher zwischen die Schuppe und Pyramide des Schläfen-
beins einspringt. Von diesem Winkel ragt abwärts die Spena angularis )
(Vergl. Fig. 77. 88. 93), eine stumpfe oder spitze Zacke oder auch eine
scharfkantige, mit der scharfen Kante parallel dem hinteren freien Rande
des Flügels verlaufende Gräte. Sie scheidet an der Schädelbasis die Unter-
kieferpfanne von der Rinne, in welcher die knorpliche Tuba liegt, und hat
das For. spinosum vor- und medianwärts neben sich.
Var. Vor der grätenförmigen Spina angularis und in gleicher Flucht mit ihr
liegt an der unteren Fläche der zwischen For. spinosum und ovale befindlichen
Brücke eine zweite, ähnlich gestaltete Gräte; beide schicken sich von ihren einan-
der zugewandten unteren Ecken spitze Fortsätze entgegen, die einander erreichen
) Sp. sphenoidalis. — Ala parva Ingrassiae wird die grätenartige Spina angularis ge-
nannt, die sich einem schmalen, abwärts gerichteten Flügel vergleichen lässt.
108 Wespenbein.
oder nicht und ein vollständig oder unvollständig geschlossenes rundes Loch von
der Weite des Foramen spinosum umgeben, welches in einer verticalen Ebene ge-
rade unter dem Eingange des F. spinosum gelegen ist und wahrscheinlich von der
Art. meningea media durchsetzt wird an der Stelle, wo sich diese Arterie nach oben
krümmt, um in die Schädelhöhle einzutreten.
Seitlich von der eben erwähnten vorderen Gräte und parallel derselben, gerade
hinter dem lateralen Rande des For. ovale, findet sich zuweilen noch eine Spitze
oder Gräte, die in Verbindung mit jener eine gegen das For. ovale verlaufende
3mm breite Furche begrenzt.
Der freie hintere Rand des Temporalflügels wird ganz oder doch zum
grössten Theil von der hinteren Wurzel desselben gebildet. Er begrenzt
von vorn mit dem dem Körper zunächst gelegenen Theile das Foramen la-
cerum, weiter nach der Seite hin die enge Fissura spheno -petrosa und
macht die vordere Wand der zur Aufnahme der 'Tuba bestimmten Rinne
aus, deren hintere Wand von der Schläfenpyramide gebildet wird.
Die innere Fläche des Temporalflügels ist einfach, glatt oder mit
leichten, den Gehirnwindungen entsprechenden Eindrücken, zuweilen auch
mit einer vom C. rotundus zum For. ovale verlaufenden Furche versehen.
Fig. 107.
Temporalflügel von aussen. C'v Can. vidianus. *** vgl. S. 104,
Die äussere Fläche ist in vier Felder getheilt durch zwei über die Mitte
der Fläche hinziehende Firsten, eine von horizontalem, die andere von
verticalem Verlauf, welche einander demnach fast rechtwinkelig kreuzen
und mittelst der Durchkreuzung theilen, so dass die verticale Firste in
eine obere und untere, die horizontale in eine laterale und mediale Ab-
theilung zerfällt. Ich werde die obere Abtheilung der verticalen Firste
Crista zygomalica nennen, die untere Abtheilung dieser Firste
Crista spheno-mazillaris; die laterale Abtheilung der horizontalen
Firste ist schon als Crösta infratemporalis ) hervorgehoben wor-
den; die mediale Abtheilung der horizontalen Firste soll COrösta
orbitalis genannt werden. Am stärksten springt, besonders im unteren
Theil, die Crista zygomatica vor. In ihrem Laufe nach unten, parallel dem
unteren Rande der Fissura orbit. sup., schräg rück- und medianwärts ge-
richtet, scheidet sie die Aussenfläche des Temporalflügels, bis zur Kreu-
zungsstelle mit den horizontalen Firsten, in eine median- oder vorwärts ge-
U) Crista alae magnae aut,
N VE GE
Wespenbein. 109
wandte Fläche, die in der Seitenwand der Augenhöhle liegt, Flacies or-
bilalis, und eine lateralwärts gewandte Fläche, die der Schläfengrube an-
Fig. 108. gehört, F'acies temporalis. Die Crista zygomatica
trägt zur Vergrösserung sowohl der Orbital - als der
Temporalfläche bei; die. Orbitalfläche aber setzt sich in
gleicher Flucht auf die Crista fort, während die Tempo-
ralfläche beim Uebergang auf die letztere rinnenförmig
vor- und dann seitwärts umbiegt. Der freie Rand der
Crista zygomatica ist zackig und verbindet sich mit
dem Rande des Jochbeins, auf welches jene beiden Flä-
chen, die eine in fortgesetzt gerader, die andere in fort-
gesetzt concaver Richtung, weiter sich erstrecken (s.
Horizontaldurchschnitt Fig. 108).
des Temporalilügels. Zu der unteren Spitze der Crista zygomatica geht
als unterer Rand der Temporalfläche die Crista infra-
temporalis gerade oder in einem aufwärts convexen Bogen, die Crista or-
bitalis, welche den unteren Rand der Orbitalfläche und den oberen Rand
der Fissura orbit. inf. bildet, in einer fast ganz geraden Linie, jene ziem-
lich genau sagittal, diese nur wenig von dem oberen (Stirnbein-) Rande
der Orbitalfläche divergirend. Die Crista infratemporalis erreicht indess in
der Regel nicht genau die Ecke, in welcher die Crista zygomatica und
orbitalis sich verbinden; dicht hinter dieser Ecke endet sie in einer kurzen,
stumpfen oder spitzen, abwärts ragenden Zacke, Tuberculum spinosum,
von welcher sich eine Kante entweder medianwärts zur Crista orbitalis
oder abwärts zur Crista spheno-maxillaris fortsetzt.
Die Crista spheno-maxillaris ist eine stumpfe Kante, welche im Bogen
erst median-, dann abwärts und schliesslich auf den Gaumenflügel übergeht
und den hinteren Rand der Fissura spheno-maxillaris bildet. Die zur Seite
neben und hinter ihr und unterhalb der Crista infratemporalis gelegene
Fläche des Temporalflügels, F'acies infratemporalis, ist, als Decke der
Unterschläfengrube, ein Theil der Grundfläche des Schädels. Die median-
wärts von der Crista spheno-maxillaris und unterhalb der Crista orbitalis
befindliche Fläche, Facies sphenomasxillaris, liegt in der Frontalebene,
gegen die Orbitalfläche etwas zurückweichend; sie ist schmal und verschmä-
lert sich noch nach unten, wo sie auf die Vorderfläche des Gaumenflügels
übergeht. Von der Augenhöhle aus ist sie als hintere Wand der Fossa
spheno-maxillaris sichtbar; mitten in derselben befindet sich die äussere
(vordere) Mündung des Can. rotundus.
Der Gaumenflügel entspringt mit zwei Wurzeln, einer lateralen, a. Gaumen
perpendieulären und einer medialen, schräg abwärts an die laterale heran- ""**'
tretenden, mit der medialen längs der unteren Fläche des Seitentheils des
Körpers, mit der lateralen längs der unteren Fläche der Hauptwurzel des
Temporalflügels. Indem beide Wurzeln dicht neben einander liegen und
alsbald zusammenfliessen, schliessen sie in Gemeinschaft mit dem Körper
einen engen, cylindrischen, sagittal verlaufenden Gang ein, den Can. vi-
dianus ), der mit der vorderen Mündung (Fig. 109 a. f. S.) in die Fossa
) Can. pterygoideus, recurrens.
110 Wespenbein.
spheno -maxillaris, mit der hinteren Mündung gerade unterhalb der
Lingula in das Foramen lacerum sieht (Fig. 110). Vergleicht man den
Fig. 109. Gaumenflügel einer Rippe,
so entspricht seine mediale
Wurzel dem Kopf und
Hals, seine laterale Wur-
zel dem mit einem kurzen
Querfortsatz verschmolze-
nen Höcker der Rippe, und
der Can. vidianus einem
Foramen costo - transver-
sarium.
Die laterale Wurzel
ist die stärkere; sie hat eine
vordere Fläche, welche
Hp Shp Fip ohne Unterbrechung aus
der Fac. spheno-maxillaris
des Temporalflügels hervor-
geht, und eine Seitenfläche,
in welche ebenso die Facies
infratemporalis dieses Flü-
gels umbiegt. Die mediale
Wurzel ist dünn, am vor-
deren Rande sogar scharf;
hinten ist sie, neben dem
Ausgang des Can. vidia-
nus, in eine stumpf-kegel-
förmige Spitze ausgezogen;
von ihrer der Nasenhöhle
zugekehrten Fläche geht
ein Plättchen, Processus
vaginıdlis 1), aus, welches
dicht unter dem Körper,
mit seinen Flächen der unteren Fläche des Körpers parallel, mehr oder
minder weit medianwärts vorspringt und von unten her den Falz begrenzt,
in welchen der obere Seitenrand des Vomer eingefügt ist. Die untere
Fläche dieses Plättchens hat dicht am Ursprung eine seichte Grube 2), in
welcher einer der Gaumenmuskeln befestigt ist.
Wespenbein von vorn.
Wespenbein von hinten.
Var. Der Proc. vaginalis hat an seiner unteren Fläche eine Längsrinne, dem
Can, vidianus parallel, zuweilen dürch ein feines Plättchen, welches unterhalb des
Proc. vaginalis von der medialen Wurzel entspringt, zum Canal geschlossen.
Der vierseitige Knochentheil, welcher aus der Vereinigung beider
Wurzeln hervorgeht, zeigt schon am Ursprung die hintere Fläche rinnen-
förmig ausgehöhlt. Indem nun diese Aushöhlung nach abwärts sich rasch
oder allmälig weiter vertieft, gewinnt der Gaumenflügel das Ansehen einer
1) Proc. ad vomerem.
2) Fossa navicularis Cruveilhier.
Wespenbein. s 111
Zusammensetzung aus zwei perpendieulären, nach vorn convergirenden und
an den vorderen Rändern mit einander verbundenen Platten. Auch diese
Verbindung hört ungefähr in der Mitte der Höhe des Gaumenflügels auf:
beide Platten trennen sich und weichen auseinander, mit ihren vorderen,
rauhen Rändern eine dreiseitige Spalte, Fissura plerygoidea !), begren-
zend, in die ein Fortsatz des Gaumenbeins passt. Im Verein mit der nach
hinten gerichteten Concavität dieses Fortsatzes schliessen die einander zuge-
wandten Flächen der Platten des Gaumenflügels, die F'ossa plerygoidea ein.
Ihrer Stellung nach müssen die Platten des Gaumenflügels mit dem Na-
men der medialen und lateralen, Lamina medialis und lateralis,
bezeichnet werden (Fig. 111). Die mediale Platte liegt mit ihren Flächen pa-
rallel der Medianebene, die laterale ist unter
einem spitzen Winkel gegen die mediale geneigt.
Die laterale macht der hinteren Theil der me-
dialen Wand der Unterschläfengrube aus; die
mediale liegt im hinteren Theile der Seitenwand
der Nasenhöhle. Die laterale Platte übertrifft
die mediale im sagittalen Durchmesser, ragt
dagegen minder weit abwärts als diese; der
hintere Rand beider Platten ist frei, einfach
er concav oder durch mehr oder minder vorsprin-
Fastzontalskhnits.der Ganmenfiügel, gende Spitzen unterbrochen, deren sich Eine, auf
Pl. Gaumenbein. Mk. Oberkiefer- welcher der untere Rand der knorplichen Tuba
bein. V. Pflugscharbein. ruht, regelmässig in der Mitte der Höhe des me-
dialen Flügels, eine oder zwei unbeständig am
lateralen Flügel finden. Mit ihren Vorderrändern fassen beide Platten bis
zu ihrer Trennung die Vorderfläche des Gaumenflügels ein. Ausserdem
begrenzt der vordere Rand der lateralen Platte, eine Fortsetzung der Crista
spheno-maxillaris des Temporalflügels, bis zu seiner Verbindung mit dem
Gaumenbein von hinten her den Eingang in die Fossa spheno-maxillaris,
der vordere Rand der medialen Platte fügt sich an die in der Seitenwand
der Nase gelegene Platte des Gaumenbeins und wird von der letzteren zum
Theil nach der Nasenhöhle hin bedeckt.
Von der Vorderfläche des Gaumenflügels wurde bereits erwähnt, dass
sie, So weit sie der lateralen Wurzel angehört, eine Fortsetzung der Sphe-
no-Maxillarfläche des Temporalflügels ist, in welcher die vordere Mündung
des Can. rotundus liegt. Median- und etwas abwärts vom Can. rotundus
öffnet sich in der Vorderfläche des Gaumenflügels der. vidische Canal.
Weiter nach unten verschmälert sich diese Fläche und endet spitz über dem
Anfang der Fissura pterygoidea oder geht in eine schmale Rinne über, wel-
che sich noch eine Strecke weit auf dem rauhen Vorderrand der einen oder
anderen Platte hinzieht und von den Rinnen des Gaumen- und Oberkiefer-
beins zum Canal ergänzt wird. Dies ist der Canalis pterygo-palatinus; die
Rinne, Suleus plerygopalalinus ?), beginnt zuweilen schon unter der
Ausmündung des Can. vidianus, seitlich begrenzt von einer verticalen
I) F. pterygo-palatina. Incisura pt.
2) 8. pterygoideus M. J. Weber.
112 . Wespenbein.
Kante, welche von der vorderen unteren Ecke des Wespenbeinkörpers
herabsteigt (Fig. 109).
Vom unteren Rand der medialen Platte des Gaumenflügels geht nach
unten der Hamulus pterygoideus aus, ein eylindrischer oder von den
Seiten comprimjrter, hakenförmig rück- und seitwärts gekrümmter Fortsatz,
der an der lateralen Seite durch eine tiefe, von vorn nach hinten verlau-
fende Rinne, Sulcus hamuli pt. (Fig. 109), gegen den die Fossa ptery-
goidea begrenzenden Theil der Platte abgesetzt ist. Die Rinne liegt nur
wenig tiefer als der untere Rand der lateralen Platte; der Hamulus springt
um 4 bis 9mm über dieselbe abwärts vor und kann selbst den Zahnrand des
Oberkiefers überragen.
Var. Die Fossa pterygoidea ist durch unregelmässige Leisten abgetheilt; zu-
weilen im oberen Theile flach, mit einer seichten Rinne versehen, Sulcus tubae,
welche die Tuba aufnimmt Die laterale Fläche der lateralen Platte ist ebenfalls
durch Leisten und Vertiefungen uneben.
Der vordere Rand der lateralen Lamelle trägt kurze, stumpfe oder spitze, zu-
weilen hakenförmig aufwärts gekrümmte Zacken,, auf welchen die Gefässe ruhen,
welche von der Seite her in die Fossa spheno-maxillaris eintreten. Die Zacken am
hinteren Rande der lateralen Platte gewinnen eine ungewöhnliche Ausdehnung-
Eine derselben, welche etwa von der Mitte dieses Randes ausgeht, reicht zuweilen
(nach Gruber unter 13 — 14 Schädeln Einmal) bis an die Spina angularis , mit
welcher sie sich verbindet (Dieterich, a. a. O. Fig. 1, a). Es geschieht dies
durch Verknöcherung eines Bandes, Lig. pterygo-petrosum Civinini (Schmidt’s
Jahrb. Bd. XXIII. 5.277), welches von jener Zacke zur Spina angularis hinüberge-
spannt ist. Selten entspringt höher oben noch ein kleinerer Fortsatz, der sich mit
der Brücke zwischen jenem unteren Fortsatz und der Spina angularis oder auch nur
mit dem einen dieser beiden Knochentheile verbinden kann (Theile-Sömmer-
ring, Muskellehre, S. 68. Gruber, Bulletin de la classe physico-mathemat. de
lacademie des sciences de St. Petersbourg. T. VIII. Nr. 24).
An Negerschädeln sind die Gaumenflügel stärker, weiter von einander entfernt
und mit dem unteren Ende mehr nach vorn geneigt, als an kaukasischen. Der Win-
kel, welchen sie mit der Basis des Hinterhauptsbeins bilden, beträgt nach Betz
(Zeitschr. für rat. Med. N. F. Bd. II. S. 54) bei wohlgeformten kaukasischen Schä-
deln 70 bis 80°; bei einem Negerschädel betrug er 93°; an den Schädeln von Ma-
laien, Kalmucken und Peruanern schwankte er zwischen 85 und 90°.
Das Wespenbein des Neugebornen besteht aus drei oder vier durch Synchon-
drose verbundenen Stücken. Ein Stück bildet der vordere Wespenbeinkörper mit
den Orbitalflügeln, ein zweites der hintere Körper, der aber oft mit dem vorderen
bereits verschmolzen ist; die beiden 'Temporalflügel sind immer gesondert und
wachsen erst im Verlauf des ersten Jebensjahrs an den Körper an. Die Naht zwi-
schen Körper und Temporalflügel verläuft sagittal, seitlich neben der anfänglich noch
sehr stumpfen Lingula sph. Der Gaumenflügel hängt durch seine laterale Wurzel
mit dem Temporalfligel zusammen; die mediale Wurzel desselben steht anfangs
mit ihrem ganzen oberen Rande frei; dann legt sie sich mit dem vorderen Theil
dieses Randes an die laterale Wurzel an und ist mit dieser verschmolzen, bevor
der Temporalflügel mit dem Körper verschmilzt. Die hintere Wurzel des Tempo-
on ist zur Zeit der Geburt noch kurz, das For. ovale am hinteren Rande
offen.
Die Wespenbeinmuscheln entstehen im Laufe des ersten bis zweiten Lebensjah-
res als dünne, etwa kreisförmige Plättchen auf der abwärts geneigten Vorderfläche
des Wespenbeinkörpers, platt auf der dünnen Decke aufliegend, welche die spon-
giöse Substanz dieses Knochentheils nach aussen begrenzt. Allmälig gewinnen sie
in den nächsten Jahren die Form, die sie am reifen Knochen zeigen, sie entwickeln
die quere Kante, welche die untere Fläche des Wespenbeinkörpers von der vorderen
Siebbein. 113
scheidet, und schicken einander die Fortsätze entgegen, die sich in Gestalt des Rostr .
sphen. in der Mittellinie vereinigen, indess unter ihnen nicht bloss die Decke des ur-
sprünglichen Körpers, sondern auch dessen spongiöse Substanz schwindet Der
Anfang einer Höhlenbildung im Wespenbein ist schon im dritten Lebensjahre
gemacht. Der obere Theil der vorderen Wand des Körpers entwickelt sich gleich-
zeitig mit der Wespenbeinmuschel aus einem ähnlichen Knochenplättchen, dessen
Ränder aber früh mit den Rändern der oberen und Seitenflächen des Körpers ver-
wachsen. Die Verwachsung der Wespenbeinmuscheln mit dem Körper erfolgt erst
zwischen dem zehnten bis fünfzehnten Jahre. Nach dem zwanzigsten obliterirt die
Naht zwischen Wespen- und Hinterhauptsbein (s. oben).
Der Winkel, welchen die Gaumenflügel mit dem Körper bilden, beträgt beim
Neugeborenen 110 — 115° beim Greise, nach dem Ausfallen der Zähne, 90 — 100°
(Betz).
3. Siebbein, Os ethmoideum.
Die Grundlage des Siebbeins ist eine horizontale, in der Mitte der
vorderen Schädelgrube vor dem Wespenbeinkörper gelegene Platte, Sieb-
platte, Lamina cribrosa, welche zugleich Boden der Schädelhöhle und
Decke der Nasenhöhle ist. Sie wird in zwei gleiche Seitenhälften getheilt
Fig. 112. durch eine der Regel nach verticale,
Cgr häufig aber etwas schräg gestellte
A ich
Platte, die zum kleineren Theil auf-
wärts in die Schädelhöhle, zum grös-
seren Theil abwärts in die Nasen-
höhle ragt und mit ihrem oberen
Theile, Hahnenkamm, Ürista
galli, in der unvollkommenen me-
dianen Scheidewand der Schädel-
höhle, mit dem unteren Theile, der
perpendieulären Platte, La-
mina perpendicularis, in der Na«-
senscheidewand liest. Am Seiten-
Frontaldurchschnitt des Siebbeins. CZf Cellu- rande der Siebplatte hängt jederseits
lae front. Cns Concha sup. Cnm Concha 4,5 Labyrinth, Labyrinthus, ein
media. Pa Proc. uneinatus.
zelliger, aus feinen Lamellen zusam-
mengesetzter, etwa vierseitig prismatischer Körper, welcher den oberen
Seitentheil der Nasenhöhle einnimmt und mittelst seiner perpendieulären
Seitenwand, Papierplatte, Lamina papyracea'!), den grösseren hin-
teren Theil der medialen Wand der Augenhöhle ausmacht.
Die Siebplatte (Fig. 113 a. f. S.) ist länglich vierseitig, gegen den vorde-
ren Rand verschmälert, im sagittalen Durchmesser etwa doppelt solang als im
transversalen am hinteren Rande. Dieser Rand ist mit dem vorderen Rande
des Wespenbeinkörpers in einer einfachen Naht zusammengefügt, oft auch
von dem letzteren etwas überragt und demselben entsprechend ausgeschnit-
ten. Mit den vorderen und den seitlichen Rändern passt die Siebplatte in
einen Ausschnitt des Stirnbeins; gegen die seitlichen Ränder krümmt sie
sich aufwärts, um in die Wölbung überzugehen, womit die Seitentheile
der vorderen Schädelgrube über die Augenhöhle hingespannt sind. Die
Lpe Cam
ı) Os planum.
Henle, Anatomie. Thl, I, 8
3. Siebbein
Siebplatte
Crista galli.
114 Siebbein.
Fläche der Siebplatte ist ausgezeichnet durch eine Menge feinerer und wei-
terer Poren, Foramina eribrosa, welche ordnungslos zu beiden Seiten der
Crista galli zerstreut liegen, meist zahlreicher im vorderen als im hinteren
Fig. 113., Pa Theile der Platte. Dicht an der Crista
_%s galli und am Seitenrande der Sieb-
platte führen sie in kurze, enge Ca-
nälchen, welche sich längs der Lamina
perpendicularis und der medialen Wand
Le des Labyrinthes hinziehen; längs der
AR Mitte jeder Seitenhälfte der Siebplatte
Pa sind sie einfache Löcher, durch breite
\ oder schmale Brücken von einander
Cl geschieden, oft zu mehreren im Boden
seichter Grübchen vereinigt, oft, und
namentlich in der Nähe des vorderen
Randes, zu schmalen Längsspalten zu-
sammengeflossen.
Alle diese Oeffnungen werden von
Aestchen des N. olfactorius durch-
setzt, mit Ausnahme der vordersten jederseits (Fig. 113 *), welche häufig
von dem Sieb- und Stirnbein gemeinschaftlich gebildet wird und dem N.
ethmoidalis den Durchtritt aus der Schädel- in die Nasenhöhle gestattet.
Oft grenzt ein feiner und niedriger Kamm, dicht am Seitenrande der Sieb-
platte und diesem parallel verlaufend, eine Rinne für den N. ethmoidalis
von der eigentlichen Siebplatte ab.
‘ DieCrista galli, von der Seite betrachtet, ähnelt einem rechtwinke-
ligen, ungleichseitigen Dreieck, welches mit der längeren Kathete auf der Sieb-
platte aufgewachsen, mit der kürzeren nach vorn gerichtet ist. Die längste
Fig. 114. Seite steigt entweder continuir-
lich vom hinteren Rande der
Siebplatte an oder erhebt sich
von der Fläche der letzteren
aus einer anfänglich niederen
und stumpfen medianen Kante.
Die längste Seite und der ober-
ste Theil der vorderen, sowie
der Winkel, in welchem diese
beiden zusammenstossen, bil-
den den freien Rand der Crista
galli; hier ist sie dünn und
Siebbein, Profilansicht, das linke Labyrinth entfernt. SCharf; nach unten und be-
Ens, Cnm Concha sup. und media. sonders gegen den unteren
Theil des vorderen Randes,
der sich an das Stirnbein anlegt, nimmt sie an Mächtigkeit zu. Die
Seitenflächen werden gewölbt und schliessen spongiöse Substanz oder
eine Höhle ein; der vordere Rand ist breit und rauh. Seine Breite wird
zunächst unter der Spitze noch vergrössert durch einen Jjederseits vor-
und aufwärts abgehenden, kurzen, platten Fortsatz, Processus ala-
N
Siebbein von oben. C/If Cell. front.
Siebbein. 115
ris 2), der sich an das Stirnbein anlegt (Fig. 113 und 114). Die Rinne zwi-
schen diesen beiden Fortsätzen umschliesst, in Verbindung mit einer medianen
Furche des Stirnbeins, einen eylindrischen, nach unten verjüngt und blind
zulaufenden Canal, Foramen coecum; häufig ist das Foramen coecum in
dem Stirnbeine allein enthalten; der vordere Rand der Crista galli zeigt
alsdann statt einer medianen Furche eine schwache Firste, mit welcher es
in einer Rinne des Stirnbeins befestigt ist.
Das Foramen coecum wird in der Regel von einem Bindegewebestrang, welcher
sich in die Falx cerebri fortsetzt, ganz ausgefüllt. Zuweilen jedoch findet man im
Grunde desselben noch eine feine Oeffnung (nach M. J. Weber in der Regel zwei),
die zu Gefässcanälen des Proc. nasalıs des Stirnbeins führt.
Unterhalb des Abganges der Procc. alares setzt sich der vordere Rand Lamina
der Crista galli, allmälig wieder verschmälert, in den vorderen Rand der Pa
Lamina perpendicularis fort. Die Grenze beider wird, ausser durch die
Kreuzung mit der Siebplatte, auch durch die veränderte Richtung des Ran-
des angezeigt, der sich, wo er auf die perpendiculäre Platte übergeht, unter
einem stumpfen Winkel vorwärts wendet, entsprechend der Neigung des
Nasenrückens, an dessen Mitte er sich von innen, längs der Naht der Nasen-
beine, anlegt. Im Ganzen dem vorderen Rande parallel, jedoch oft un-
regelmässig ausgeschnitten, oder in einer gebrochenen Linie mit nach vorn
offenem, stumpfem Winkel verläuft der hintere scharfe Rand der Lamina
perpendieularis, der sich mit dem oberen, kürzeren Theile an die Crista
sphenoidalis, mit dem unteren, längeren Theile auf den Vorderrand des
Pfiugscharbeins fügt. Der untere Rand der L. perpend. geht entweder
dem oberen, an die L. eribrosa angehefteten parallel oder convergirt nach
vorn mit demselben. Er ist diek, wulstig und rauh und begrenzt von oben
den Knorpel der Nasenscheidewand. Die Form der von diesen vier Rän-
dern umschlossenen Lam. perpendieularis ist die eines mehr oder minder
regelmässigen verschobenen Rechtecks. Im Allgemeinen dünn, verdickt
‘sich die Platte in der Nähe des oberen, des vorderen und des unteren Ran-
des. Nahe am oberen Rande ist sie in senkrechter Richtung von Furchen
und feinen Canälchen durchzogen, in welchen, wie erwähnt, die Zweige
des N. olfactorius herablaufen.
Die Labyrinthe des Siebbeins ragen zuweilen über den unteren Labyriuthe.
Rand der Lamina perpendicularis vor und verstecken denselben; häufiger
erreichen sie ihn nicht. Ihre Höhe beträgt 23"m (etwas mehr als die Hälfte
der grössten Höhe der Nasenhöhle), ihr sagittaler Durchmesser 92”, die
Breite eines Labyrinths 16"m. Ein Gang von etwa 4" Breite trennt die
mediale Wand jedes Labyrinths von der Lam. perpendieularis (Fig. 112).
Die Form, Grösse und Zahl der Zellen des Labyrinths unterliegt vielen
individuellen Verschiedenheiten, ebenso die Art ihrer Verbindung; es giebt
Zellen, welche die halbe Höhe und Breite des Labyrinths einnehmen, und
andere von einigen Millimetern Durchmesser; die Communication findet
bald durch weite Oeffnungen, bald durch schmale Spalten Statt; häufig
zeigt sich die eine oder andere Zelle blasig aufgetrieben auf Kosten der
benachbarten, deren Wände dann nach innen gewölbt erscheinen.
) Hamulus frontalis.
8*
116 Siebbein.
Alle Siebbeinzellen öffnen sich unmittel- oder mittelbar auf der media-
len Fläche oder am medialen Rande der unteren Fläche des Labyrinths.
Nach allen übrigen Seiten sind sie an dem vollständigen Schädel ge-
schlossen. Integrirender Bestandtheil des Siebbeins und mit den Wänden
der Zellen untrennbar verschmolzen ist aber nur die erwähnte Lam. pa-
pyracea. welche gegen die Augenhöhle den grössten Theil der Zellen ab-
schliesst. Vor ihr an der lateralen Fläche des Labyrinths, dann an der
oberen, hinteren und unteren Fläche desselben sieht man Zellen, von wel-
chen einzelne in allen, andere in vielen Siebbeinen offen stehen und ihren
Fio. 115. Verschluss durch die benach-
o' .
[0 barten Kopfknochen, wie durch
Deckel, erhalten. Das Ver-
hältniss zu diesen Deckkno-
chen ist verschieden, indem
die Zelle zum grösseren Theil
bald in dem Siebbein, bald
im Deckknochen enthalten ist.
Manche Zellen erhalten eine
doppelte Aussenwand, indem
sie mit ihrer dem Siebbein
eigenthümlichen Lamelle sich
unmittelbar an benachbarte
Pu | Com Knochenplatten anlegen; zu-
Cim weilen ersetzen auch die Aus-
Seitenansicht des Siebbeins. Cnm Concha media. senwände von Siebbeinzellen
Pu Proc, uncinatus. a
zum Theil die Lamellen ande-
rer, anstossender Knochen, z. B. die vordere Wand des Wespenbeinkörpers.
Die Zellen, welche die Lamina pap. schliesst, heissen eigentliche Sieb-
beinzellen, Cell. ethmoidales ; die übrigen werden je nach den Deekknochen
benannt, durch welche sie vervollständigt werden. Vor den Cell. ethmoi-
dales liegen die Cell. lacrymales '), welche, in gleicher Flucht mit der
Lamina papyracea, das Thränenbein und von vorn her der Stirnfortsatz
des Oberkieferbeins zudeckt. Zeigen sich an der hinteren Fläche des La-
byrinths offene Zellen, so erhalten sie ihre hintere Wand und einen Theil
ihrer Seitenwände durch das Gaumenbein, Cell. palatinae, und, über
demselben, durch den Wespenbeinkörper, Cell. sphenoidales. Ueber
die an der oberen Fläche des Labyrinths sich öffnenden Zellen, Cellulae
frontales, legt sich das Stirnbein, von dessen längs der Ineisura ethmoi-
dalis gelegenen Zellen die vorderste in die Stirnhöhle führt. Endlich kom-
men am lateralen Theile der unteren Fläche des Labyrinths zuweilen un-
vollständige Zellen vor, Cellulae masillares, die von dem Oberkiefer-
beine ergänzt werden. Häufiger ruht das Labyrinth mit einem glatten,
schräg lateralwärts gerichteten Seitentheile seiner unteren Fläche auf einer
entsprechend geneigten Fläche am medialen Rande der Orbitalfläche des
Oberkieferbeins.
Die Lamina papyracea ist in der Regel länglich vierseitig, die längste
[@!
=
17
I) (Cell. orbitariae.
Siebbein. 117
Seite sagittal, häufig aber mit abgerundeten Winkeln und mannigfach ge-
zackten und gebogenen Rändern versehen. Mit diesen Rändern stösst sie
an die aufgezählten Deckknochen der Siebbeinzellen, vorn an das Thränen-
bein, oben an das Stirnbein, hinten an den Körper des Wespenbeins, unten
an den Körper des Oberkiefers.. An ihre hintere, untere Ecke, bald mehr
dem unteren, bald mehr dem hinteren Rande entlang, fügt sich, zwischen
Wespen - und Oberkieferbein, der Proc. orbitalis des Gaumenbeins.
Var. Die Lamina papyracea ist durch eine perpendieuläre Naht in zwei Plat-
ten getrennt, von welchen die vordere, kleinere, dem hinteren Thränenbeine man-
cher Säugethiere verglichen werden kann.
. In der Naht zwischen der Lamina papyracea und dem Stirnbein finden
sich die beiden Foramina ethmoidalia (11/;wm Durchm.), das eine (F. e. ant.)
in der Nähe der vorderen, das andere (F. e. post.) dicht an der hinteren
Ecke der L. papyracea. Sie werden durch Ausschnitte der beiden zusam-
menstossenden Knochen gebildet oder gehören Einem derselben, am häufig-
sten dem Stirnbein allein an. Von der Ineisura ethmoidalis der Lam. pa-
pyracea, wenn eine solche vorhanden ist, geht eine mehr oder minder tiefe
Furche (Fig. 116 **) mehr oder minder weit medianwärts über die obere
Fläche des Labyrinths, welche vom Stirnbein so zum Can. ethmoidalis er-
gänzt wird, dass das mediale Ende dieses Canals zuweilen ganz im Stirn-
bein verläuft.
Der Can, ethmoidalis ant., welcher nebst den gleichnamigen Gefässen den
N. ethmoidalis zur Schädelhöhle führt, ist sehr beständig. Dagegen fehlt nicht
selten der Can. ethm. post., in welchem Vasa ethm. post. zu den Siebbeinzellen
und zur Schädelhöhle verlaufen. Statt des hinteren For. ethm. oder neben dem-
selben kömmt zuweilen ein mittleres vor, welches ebenfalls den Eingang eines in
die Schädelhöhle einmündenden Canals darstellt.
Die Platte, welche die mediale Wand des Labyrinths bildet 1), ist eigen-
thümlich rauh durch zahlreiche, meist schief ab- und rückwärts verlaufende
gerade und gebogene Furchen, durch Grübchen und feinere und gröbere
Poren, worunter hier und da ein grösseres, scharfrandiges Loch, und durch
die zwischen den Furchen und Oeffnungen vorspringenden Spitzen und
Leistchen. Ihr vorderer Rand _ ist
scharf und in seiner oberen Hälfte mit
dem Proc. nasalis des Oberkieferbeins
und der medialen Fläche des Thränen-
Uns heins verbunden, in der unteren Hälfte
dagegen frei und concav oder gerade
und dann schräg ab- und rückwärts
gerichtet. Ihr hinterer Rand ist tief
Cnm eingeschnitten durch eine Spalte, welche
von der medialen Fläche des Labyrinths
aus horizental bis fast an die laterale
Siebbein von der Seite, das linke Laby- Oberfläche desselben vordringt und die
ns Bam. nervenf; entfernt, nn en sa des Labyrinths quer in
zwei Theile von fast gleicher Höhe scheidet. Der obere Rand dieser Spalte
Fig. 116.
\) Lamima concharum
118 Siebbein.
ist nicht nur scharf, sondern meist auch in einen abwärts ragenden Saum
verlängert, der den Zugang zur Spalte verengt. Die Spalte (Fig. 116) ist
der obere Nasengang, Meat. nar. sup., der überhängende Rand der-
selben ist die obere Muschel, Concha sup. !). In den oberen Nasen-
gang, versteckt durch die obere Muschel, münden mit einer oder mehreren
runden oder querspaltförmigen Oeffnungen die Zellen des hinteren oberen
Viertels des Labyrinths, namentlich die Cellulae palatinae und sphenoidales.
Der untere Rand der medialen Wand des Labyrinths stösst mit dem
vorderen in einem rechten oder stumpfen Winkel zusammen und verläuft
von vorn nach hinten gerade oder wenig abwärts geneigt und zugleich mit
einer schwachen Convexität. Dieser Rand ist ausserdem seitwärts umge-
rollt oder auch in eine scharfe Kante seitwärts umgebogen. Die Fläche
“ zunächst über demselben ist gegen die Nasenscheidewand hin gewölbt und
geht mittelst dieser Wölbung in den horizontalen Boden des oberen Nasen-
ganges über. Die Platte, die diesen Boden bildet und sich dann abwärts
und endlich wieder seitwärts umrollt, wird mittlere Muschel, Concha
media, genannt. Sie überwölbt den mittleren Nasengang, welchem zum
Boden die obere Fläche der unteren Muschel dient, eines selbständigen und
mit dem Oberkieferbeine durch Naht verbundenen, im Uebrigen aber ganz
nach Art der mittleren Muschel gestalteten Knochens. Unter der letzteren
finden sich vorn die Mündungen zunächst der vorderen Siebbeinzellen, mit
welchen die Stirnhöhlen und die in der unteren Hälfte des hinteren Theiles
des Labyrinths gelegenen Zellen in Verbindung stehen. Nach hinten ist
die mittlere Muschel über die übrigen Theile des Labyrinths hinaus in eine
Spitze verlängert, deren lateraler Rand sich an eine Firste des Gaumen-
beins anlegt. Längs dem freien Rande ist sie in der Regel verdickt und
in einer dem Rande parallelen Richtung von weiten Canälen durchzogen,
welche von Bindegewebe und Gefässen erfüllt werden.
Var. Der lateralwärts umgerollte Rand der mittleren Muschel geht weit auf-
wärts und die Muschel scheint in eine knöcherne Blase oder Tasche umgewandelt,
zu welcher nur ein enger Zugang von oben an der dem Labyrinth zugewandten
Seite bleibt.
Gedeckt von der mittleren Muschel, findet sich im mittleren Nasengange ein
kleinerer, muschelartig umgerollter Fortsatz, den Eingang der Kieferhöhle von
oben überwölbend. Die Siebbeinzellen öffnen sich oberhalb dieses Fortsatzes; der
Proc uncinatus (s. unten) liegt unterhalb desselben.
An einem Siebbein unserer Sammlung fehlt die obere Muschel; die mediale
Platte des Labyrinths ist eine perpendiculäre, am unteren Rande umgerollte Platte,
an deren hinterem Rande nur ein abwärts geneigter, spitzer Fortsatz die Stelle der
oberen Muschel bezeichnet.
Häufig findet sich über der oberen Muschel eine vierte, von ähnlicher Form,
aber kleinere, Concha Santoriniana.
Wo der vordere Rand der medialen Wand des Labyrinths in die mitt-
lere Muschel übergeht, entwickelt sich von jenem Rande und den Wänden
der vorderen Siebbeinzellen ein platter und sehr dünner Fortsatz, Proc.
uncinalus?) (Fig. 112. 115—117), welcher weiter lateralwärts liegt als die
5) Os turbinatum s. spongiosum sup. — Concha Morgagniana,
) Proc. hamatus; Proc. unc. oder ham, major.
“ u
i *
“
Stirnbein. 119
Muschel, übrigens in gleicher Höhe mit der letzteren oder um Weniges tiefer
Fig. 117. und dem unteren Rande derselben ziemlich
Le parallel ab- und etwa bis unter die Mitte des
Labyrinths rückwärts läuft. Seine beiden
Flächen liegen sagittal, seine Ränder sind
einfach oder zackig, das freie, etwas ange-
schwollene hintere Ende läuft in kurze
Spitzen, zuweilen in eingerollte Plättehen
aus. Der Proc. uncinatus legt sich vor die
weite Lücke der Nasenwand des ÖOber-
kieferbeins, die in die Kieferhöhle führt,
und begrenzt mit seinem oberen Rande die
Communicationsöffnung der Kiefer- und
Nasenhöhle. Das untere Ende desselben
stösst mit dem Proc. ethmoid. der unteren
Muschel zusammen.
Siebbein von unten.
Als Proc. uncinatus minor wird bei Albin,
Sömmerring, Meckel und M. J. Weber
ein breites und kurzes, seitwärts umgebogenes Plättchen beschrieben, welches von
der vorderen, unteren Ecke der Lam. papyracea ausgeht. Es hängt zuweilen mit
der Wurzel des Proc uncinatus ınaj. zusammen, wird von dem Thränenbein be-
deckt oder stösst an den oberen Rand des Oberkieferbeins und wird nicht leicht
völlig vermisst. Doch lässt es sich immer als ein unvollständiges Deckstück der
untersten Cellulae lacrymales oder der vordersten Cellulae maxillares betrachten und
scheint mir deshalb einen besonderen Namen nicht zu verdienen.
Beim reifen Fötus sind nur die beiden Labyrinthe des Siebbeins knöchern, aber
von sehr geringem transversalen Durchmesser; bis zum vierten oder fünften Jahre
vergrössern sie sich durch Ausdehnung der Zellen und zwar hauptsächlich in me-
dialer Richtung. Die Verknöcherung des unpaaren Theils des Siebbeins beginnt
erst im sechsten Lebensmonat oder noch später, und zwar von der Crista galli an
abwärts. Im zweiten bis dritten Jahre sind die Labyrinthe mit dem mittleren Theile
verwachsen. Unentschieden ist noch, ob die Siebplatte, bevor die Verschmelzung
der einzelnen Stücke zu einem Knochen vollendet ist, mit den Labyrinthen oder
mit der Crista galli und der Lamina perpendicularis verbunden ist. Gegen die
letztere, allgemein angenommene Ansicht hat M. J. Weber sich erklärt.
4. Stirnbein, Os frontis.
Das Stirnbein stellt, von innen betrachtet, einen Hohlkugelabschnitt 4. stirnbein .
dar und schliesst von vornher die Schädelkapsel allseitig, einen schmalen
Ausschnitt in der Mitte des Bodens, J/neisura ethmoidalis, ausgenommen,
welchen die Siebplatte ausfüllt. Es reicht indess an der Schädeldecke
weiter rückwärts als an der Basis, so dass eine durch den hinteren Rand
desselben gelegte Ebene in einem Winkel von 60° gegen den Horizont ge-
neigt ist. In Verbindung mit der Siebplatte gleicht der hintere Rand des
Stirnbeins einem Kreisbogen oder einer mit dem längsten Durchmesser quer
gestellten Ellipse, die in ihrem unteren Theile abgeflacht und zu beiden
Seiten neben dem hinteren Rande der Siebplatte sogar etwas aufwärts ge-
bogen ist, entsprechend der Wölbung des Daches der Augenhöhle. Oben
Aeussere
Fläche,
’ vn Fir
120 Stirnbein.
und seitlich steht der hintere Rand des Stirnbeins mit den Scheitelbeinen,
Fig. 118. unten von der Stelle an, wo
er sich abzuflachen beginnt,
mit dem Wespenbein in Ver-
bindung. Oben ist er stark
und zackig und nimmt nach
(crunten hin an Mächtigkeit all-
mälig ab.
Die innere Oberfläche
des Stirnbeins zeigt die gewöhn-
lichen Gehirn- und Gefäss-
eindrücke; die Gehirneindrücke
und die dieselben trennenden
Leisten am stärksten ausge-
prägt am Boden, die Gefäss-
eindrücke an der Seitenfläche.
Stirnbein von innen. Der schmale Rand, welcher
die Incisura ethmoid. von vorn
begrenzt, ist, wenn er gemeinschaftlich mit dem vorderen Rande der Crista
galli das Foramen coecum bildet, in senkrechter Richtung tief gefurcht;
schliesst er aber das Foramen coecum ganz ein, so ist er unterhalb des
Eingangs in diesen Canal glatt oder mit einer nur linearen senkrechten
Rinne versehen. An eine kleine, plane, kaum rauhe Fläche (Fig. 118*) zu
jeder Seite jener Furche (oder der hinteren Wand des For. coecum) lehnen
sich die Proce. alares der Crista galli. Ueber dem Rande des For. eoecum
beginnt, senkrecht ansteigend, die Crösta frontalis, ein scharfer, selten
auf der Schneide gefurchter Kamm, welcher mehr oder minder weit (bis
zu S®M) in die Schädelhöhle vorspringt und nach längerem oder kürzerem
Verlaufe in zwei Lippen aus einander weicht, die, sich allmälig abflachend,
den Sulcus sagittalis ) (4”m breit) begrenzen. Längs dem letzteren
finden sich die unbeständigen Eindrücke pacchionischer Drüsen.
An der äusseren Fläche des Stirnbeins (Fig. 119) ist, wie schon bei
der allgemeinen Beschreibung des Schädels angegeben wurde, Decke und
Boden bestimmter von einander geschieden, als an der inneren Fläche. Die
Grenze ist durch drei nach oben convexe Bogen, zwei seitliche symme-
trische und einen mittleren, unpaaren, bezeichnet. Die seitlichen Bogen
sind die Öberaugenhöhlenränder, Margines supraorbitales, Kanten,
mit welchen die perpendiculäre, die Stirngegend einnehmende Platte in
die horizontale obere Wand der Augenhöhlen umbiegt. Der mittlere Bo-
gen, Margo nasalis, ist der vordere Rand einer rauhen Fläche, welche
an der Bildung des Daches der Nase Antheil nimmt und am unversehrten
Schädel durch die Anfügung der Nasenbeine und der Stirnfortsätze der
Oberkieferbeine verdeckt ist.
Die Supraorbitalränder sind nach oben und zugleich nach vorn con-
vex; sie sind, je näher den Schläfen, um so schärfer und um so mehr
überhängend; in der Nähe der Nase runden sie sich ab, so dass der Ueber-
Y) Sulcus frontalis. /
" x
Stirnbein. 121
gang aus der Augenhöhle in die Stirn und in die Wölbung, womit mei-
stens die letztere über
die Nasenwurzel vor-
ragt, sanfter wird. Meist
steht das nasale Ende
merklich tiefer als das
temporale. Ein flacher
Ausschnitt, Jneisura
supraorbilalis, wel-
chen der Supraorbital-
rand in der Nähe seines
nasalen Endes (25mm
von der Medianebene)
zeigt, geht in der Re-
gel an seinem lateralen
Rande scharf aus dem
Supraorbitalrande her-
vor und an dem media-
Stirnbein von vorn. len Rande abgerundet in
den letzteren über; doch
ist öfters auch der mediale Rand der Incisura supraorb. durch eine spitze,
quer vorspringende Zacke bezeichnet, und nicht selten verbindet sich diese
Zacke mit einer ähnlichen an der lateralen Ecke der Ineisura supraorb. zu
einer Knochenbrücke, die den Einschnitt zu einem Canal (Can. supraorb.)
umwandelt, dessen Eingang in der Decke der Augenhöhle hinter dem
Supraorbitalrande, dessen Ausgang (For. supraorb.) an der Stirn über
dem Süpraorbitalrande sich findet.
Durch die Incisura oder das Foramen supraorbitale kommen die Vasa supra-
orbit. und der N. frontalis und supraorbit. aus der Augenhöhle zur Stirn. Oft ist
der Canal von Anfang an oder am Ausgange durch eine schmale oder breite Brücke
in zwei neben oder über einander liegende Canäle getheil. Vom Grunde der In-
eisur oder von der oberen Wand des Canals führt zuweilen ein For. nutritium in
das Stirnbein.
Zuweilen besteht ausser dem Can. resp. der Incisura supraorbitalis und seit-
wärts von derselben ein Canal vom Verlauf und Durchmesser des Can. supraorbi-
talis, dessen Mündungen aber sowohl an der Stirn wie in der Decke der Augen-
höhle weiter vom Rande des Knochens entfernt liegen.
Der Nasenrand ist steiler vorwärts und etwas steiler aufwärts gebogen
als der Supraorbitalrand. Er ist aber kürzer als dieser (die Länge der
Sehne des Mg. nas. verhält sich zur Länge der Sehne des Mg. supraorbit.
‘etwa wie 2 : 3) und reicht nicht so weit aufwärts.
Der perpendiculäre, oberhalb der Mgg. supraorbit. und der Ineisura
nasalis gelegene Theil des Stirnbeins, Stirnplatte, Pars perpendieu-
laris 1), zerfällt durch zwei nahe am Seitenrande aufwärts verlaufende
Kanten in drei Felder, ein grosses, unpaares, mittleres, F'acies frontalis,
und zwei kleine, seitliche, F'acies temporales. Jenes umfasst die ganze
Breite der Stirn und reicht in den vorderen Theil des Scheitels hinauf;
\) P. ascendens, P. frontalis s. s.
Perpen-
dieulärer
Theil.
Horizon-
taler Theil.
122 Stirnbein.
diese gehören jederseits dem vorderen Theile der Schläfenfläche an. Die
Kante, welche Stirn- und Schläfenfläche trennt, ist das vordere Ende der
Schläfenlinie I). Sie geht nach unten in seitwärts concavem Bogen auf
den oberen Rand des Jochfortsatzes, Proc. zygomaticus ?) (Fig. 119, 120),
über, eines seit- und abwärts vorragenden Fortsatzes von dreiseitig pris-
matischer Gestalt, auf welchen ich zurückkomme.
Die Stirnfläche (Fig. 119) zeigt zunächst über jedem Supraorbitalrande
eine Wölbung, Arcus supereciliaris, welche von der Nasenwurzel aus seit-
wärts und aufwärts, sich allmälig über den Mg. s. o. erhebend, verläuft und
gegen die Schläfenlinie hin verflacht. Durch diese Wölbung erhält das Stirn-
bein über den Augenhöhlenrändern eine bedeutende Mächtigkeit; doch ist
der Superciliarbogen oft nur die dünne äussere Wand einer Höhle, der
Stirnhöhle, Sinus frontalis (Fig. 122), welche sich von der Nasen-
höhle aus zwischen die äussere und innere Knochentafel des Stirnbeins er-
streckt. Die beiden Supereiliarbogen stossen über der Nasenwurzel zu-
sammen oder werden, was häufiger der Fall ist, durch ein flaches Feld
von der Breite des Nasenrückens, die @/abella, von einander geschieden.
Ueber dem Arcus superciliaris und ungefähr an der Stelle des Uebergangs
der eigentlichen Stirn- in die Scheitelgegend, gleich weit entfernt von der
Mittellinie und der Schläfenlinie, findet sich eine zweite, einer flachen Beule
ähnliche Wölbung, welche man Stirnhöcker, Tuber frontale, nennt.
Die Mittellinie der Aussenfläche des verticalen Theiles des Stirnbeins ist
oft, jedoch nur in wenig auffallender Weise bezeichnet durch eine Furche
auf der Glabella und weiter hinauf durch eine Kante, welche zwischen den
Stirnhöckern am stärksten ist.
Die Furche und die Kante sind Ueberbleibsel einer Naht, Sutura frontalis,
welche sich beim Erwachsenen zuweilen vollständig, zuweilen nur im untersten
Theile der Stirnplatte erhält.
Der horizontale Theil der Aussenfläche des Stirnbeins zerfällt
in den Nasentheil (Pars nasalis) und die Augenhöhlentheile oder Flächen
(Plana orbitalia) 3). Der Nasentheil liegt, wie sich von selbst versteht,
unpaar zwischen den paarigen Augenhöhlentheilen; seine Grenze gegen
die Augenhöhlenfläche ist jederseits eine scharf vorspringende Linie, Margo
naso-orbitalis (Fig 120), welche, sagittal und gerade oder mit geringen
Excursionen auf- und abwärts gebogen, von dem Winkel, in welchem der
Supraorbital- und Nasenrand der Stirnplatte zusammenstossen, bis an den
hinteren Rand des Knochens verläuft. Wenn sich der vordere Endpunkt
dieser Linie an dem isolirten Stirnbein wegen der Abrundung des nasalen
Endes des Supraorbitalrandes nicht mit völliger Schärfe bestimmen lässt,
so ist er dagegen, so lange das Stirnbein mit den Nachbarknochen in Ver-
bindung steht, durch das obere Ende des vorderen Randes der Thränen-
grube hinlänglich gerau bezeichnet (vgl. Fig. 81, 89).
Der Naso-Orbitalrand ist an der inneren Wand der Augenhöhle sicht-
bar, wo er in einer Naht mit dem oberen Rande zuvorderst des Stirnfort-
») Linea semicircularis. ®) Proc. malaris s. Jugalis.
3) Die Pars orbitalis aut. entspricht dem von mir sogenannten Planum orbitale nebst
dem anstossenden zelligen Theile der Pars nasalis. Der letztere wird jener Auffassung
zufolge als innerer Rand der Orbitalplatte beschrieben.
Stirnbein. 123
satzes des Oberkiefers, dann des Thränenbeins und dahinter der Papier-
Fig. 120. platte des Siebbeins zu-
sammenstösst. In dem mit
der Papierplatte verbun-
denen Theile des Randes
kommen die Ausschnitte,
die zur Bildung der Fo-
ramina ethmoidalia beitra-
gen, oder über dem Rande
die Foramina elhmoi-
dalia ant. und post. vor,
von welchen bei der Be-
schreibung des Siebbeins
Stirnbein von unten. Ft Fossa trochlearis. (S. 117) die Rede war.
Der Nasentheil des Stirnbeins hat die Form eines mit der Convexität Nasentheil
nach vorn gerichteten und nach hinten lang ausgezogenen Hufeisens. Von
den zwei Rändern, innerhalb welcher die hufeisenförmige Fläche beschlos-
sen ist, ist der innere identisch mit der schon erwähnten Ineisura ethmoi-
dalis, welche die Siebplatte einfasst; der äussere wurde ebenfalls als Nasen-
rand mit seinen Fortsetzungen, den Naso-Orbitalrändern, bereits beschrie-
ben. Der innere Rand bildet vorn einen etwas flacheren Bogen als der
äussere, oder, mit anderen Worten, die Ränder stehen vorn weiter von
einander ab als an den Seiten, und in einzelnen Fällen rücken sie einander,
je weiter nach hinten, um so näher.
Die beiden seitlichen, gerade verlaufenden Partien des Nasentheils
haben ein von dem mittleren, bogenförmigen Stücke wesentlich verschie-
denes Ansehen. Jene sind die schon bei Gelegenheit des Siebbeins be-
sprochenen Deckel der Stirnbeinzellen des Labyrinths. Sie stellen eine
von dünnen Platten begrenzte, hinten flache und nach vorn allmälig sich
vertiefende longitudinale Rinne dar, die durch perpendieuläre, der Frontal-
ebene parallele Scheidewände mehr oder minder regelmässig in eine Reihe
vierseitiger Zellen abgetheilt wird. Von der vordersten dieser Zellen aus
erstreckt sich zwischen die Tafeln der Stirn- und der Augenhöhlenplatte
die Stirnhöhle; die Aushöhlung schreitet mit den Jahren bis zu einer indi-
viduell variirenden Grenze auf-, seit- und medianwärts fort; medianwärts
erstreckt sie sich von beiden Seiten her auch über der mittleren Partie des
Nasentheils der Norm gemäss bis zur Meuianebene und lässt nur eine
dünne Scheidewand, Septum frontale, zwischen beiden Sinus übrig, die
indess häufig nicht ganz median gestellt ist.
Von den Forr. ethmoidalia aus gehen Rinnen oder Canäle Für den N.
und die Vasa ethm. schräg median- und vorwärts, die Rinnen in der Decke,
die Canäle innerhalb des angewachsenen Randes der Scheidewände der
Cellulae frontales.
Die mittlere, gebogene Partie des Nasentheils ist eine sehr rauhe,
schräg nach unten und hinten abfallende Fläche, deren hinterer Rand in
einen, der Wurzel des Nasenrückens entsprechend gewölbten Fortsatz, den
Nasenfortsatz, Processus nasalis o. fr., ausläuf. Form und
Dimensionen dieses Fortsatzes, den man als den wesentlichen Theil der
124 Stirnbein.
über den Boden der Hiirnte hinaus verlängerten Decke des vegetativen
Rohrs betrachten muss, sind sehr veränderlich. Wo er am vollkommen-
sten entwickelt ist, nimmt er mit seinem Ursprunge den ganzen vorderen
Rand der.Ineisuraethmoid. ein; er ist von da in einem zur Stirnplatte
stumpfen Winkel ab- und vorwärts gerichtet, an der gewölbten Aussenfläche
rauh, an der concaven ı Innenfläche glatt, am vorderen (unteren) freien Rande
scharf, längs der Mitte der oberen Fläche mit einer stumpfen, längs der
Mitte der unteren Fläche mit einer scharfen perpendiculären Kante ver-
Fig. 121. x sehen. Mittelst eines senkrecht gegen den Nasen-
rt rücken geführten Querschnittes getheilt, giebt er
7 Mx das Bild eines Kreuzes mit rückwärts gekrümmten
3 Seitenschenkeln. Die rauhe Fläche des Nasentheils
Malz Pn und die Aussenfläche des Nasenfortsatzes dienen in
as der Mitte den Nasenbeinen (N), seitlich den Stirn-
(A ——E fortsätzen des Oberkieferbeins (Mx) zur Befestigung,
| \ in der Art, dass diese platten Knochentheile mit
| ihren zackigen hinteren und wegen der Neigung des
de des Pr. nasalis Nasenrückens aufwärts gerichteten Rändern in_die
des Stirnbeins. rauhe Fläche des Nasentheils eingreifen und mit
ihren unteren, rückwärts schauenden Flächen anfänglich auf der gewölbten
Fig. 122. Aussenfläche des Nasenfortsatzes ru-
hen. Die stumpfe mediane Kante die-
ser Fläche springt in die Naht der
Nasenbeine vor. Die Innenfläche des
Nasenfortsatzes begrenzt oben von
vornher das For. coecum (wenn
an der Bildung desselben das Sieb-
bein Theil nimmt), dient mit ihrer
medianen Längsfirste dem oberen
Theile des vorderen Randes der La-
mina perpendicularis des Siebbeins (Z)
zur Anheftung und deckt zu den Sei-
ten der Nasenscheidewand die Nasen-
höhle und zuweilen auch. noch, wenn
len des Labyrinths.. Die Varietäten
der Form des Nasenfortsatzes beruhen
nun auf einem Uebergewicht der Ent-
wickelung bald des platten Theiles,
bald der medianen Kanten, insbesondere der unteren. Im ersten Fall stellt
er eine plane und dünne, von einer Seite zur anderen gewölbte, scharfran-
dige Lamelle, im anderen einen seitlich comprimirten, spitzen Stachel dar )).
Die Uebergänge zwischen diesen Extremen ergeben sich von selbst.
Augenhöh- Die Augenhöhlenfläche des Stirnbeins (Fig. 123) ist concav von
Ientheile. Hiner Seite zur anderen und, in schwächerem \ Maasse, von vorn nach hinten;
Pn E "Fre
Mediandurchschnitt des Stirnbeins mit dem
Nasenbein und Siebbein.
') Spina nasalis aut. Die Alae spinae nasalis M, J. Weber entsprechen dem pla-
nen Theil des Nasenfortsatzes bei stark vorspringenden medianen Kanten,
sie breit genug ist, die vorderen Zel-.
N
Stirnbein. 125
hinter dem, wie erwähnt, stark überhängenden lateralen Theil des Supra-
orbitalrandes hat sie eine meistens kaum merkliche, seichte Grube, Fossa
lacrymalis, welche die Thränendrüse aufnimmt, und in gleicher Höhe hinter
Fig. 123. dem nasalen Ende des Su-
praorbitalrandes einen tie-
Ft feren, aber minder umfang-
reichen Eindruck, F'ossa
trochlearis, in welchem
die Schlinge befestigt ist,
77 durch die die Sehne des M,
\ oblig. oeuli sup. läuft. An
A der Stelle der Fossa tro-
ENZW CN F 5
ar = chlearis findet sich zuwei-
len, zur Anheftung der ge-
Fep nannten Schlinge, ein kur-
zer, spitzer Stachel, Spina
trochlearis. Im Uebrigen ist
die Augenhöhlenfläche glatt und eben, unregelmässig vierseitig. Von ihren
Rändern ist der vordere, der sie gegen die Stirnplatte, und der mediale, der
sie gegen den Nasentheil absetzt, bereits beschrieben; der’hintere Rand ist
dem Supraorbitalrande fast parallel und mit dem vorderen Rande des Or-
bitalflügels des Wespenbeins durch die Naht verbunden, die in der Augen-,
wie in der Schädelhöhle sichtbar ist; er ist aber schmaler, als der Supra-
orbitalrand, da der laterale Rand der Orbitalfläche sich auf dem Weg von
vorn nach hinten der Medianebene nähert. An den lateralen Rand schlies-
sen sich die Knochen an, welche mit ihren medianwärts gewandten verti-
calen Flächen die Augenhöhle seitlich begrenzen und dieselbe von der
Schläfengrube abschliessen, zuvorderst die Orbitalplatte des Jochbeins, da-
hinter der Temporalflügel des Wespenbeins. Seitlich von diesem Rand fin-
den sich die rauhen, theilweise zackigen Flächen, mit welchen entsprechende
Flächen der beiden genannten Knochen sich verbinden: dem hinteren Rande
des Stirnbeins zunächst eine stumpfwinkelig dreiseitige, mit dem stumpfen
Winkel vorwärts gerichtete Fläche, mittelst welcher das Stirnbein auf dem
oberen Rande (Mg. frontalis) des Temporalflügels ruht; vorn eine schma-
lere, rauhere, ebenfalls dreiseitige, aber spitzwinkelige und mit der Spitze
rückwärts gerichtete Fläche, mit welcher sich das Stirnbein auf den oberen
Rand des Jochbeins stützt; zwischen den einander zugekehrten Spitzen die-
ser beiden Flächen ein scharfer Rand, der etwa dem mittleren Drittel des
lateralen Randes der Orbitalfläche entspricht, und von dem oberen Rande
der Crista zygomatica des Temporalfligels und der Augenhöhlenplatte des
Jochbeins eingenommen wird, mehr von der einen oder anderen, je nach-
dem die Seitenwand der Augenhöhle zum grösseren Theil vom Joch- oder
Wespenbein gebildet wird.
Die rauhe Fläche, welche zur Verbindung mit dem Jochbein dient,
ist etwas lateralwärts gerichtet; sie ist die Endfläche eines dreiseitig pris-
matischen Vorsprungs, dessen schon oben gedacht wurde und welcher als
Proc. zygomat. beschrieben wird. Auf die Vorderfläche dieses Fortsatzes
setzt sich die Vorderfläche des Stirntheils, auf seine untere Fläche die Or-
Mn
Stirnbein von unten. Ft Fossa trochlearis.
Jochfort-
satz.
5. Schläfen-
bein.
126 Schläfenbein.
bitalfläche ohne ur, fort; seine obere, Fläche geht in einem
sanften Bogen aus der Schläfenfläche, sein oberer Rand ebenso aus der
Schläfenlinie des perpendieulären Theils des Stirnbeins hervor.
Zwischen dem hinteren und dem lateralen Rande der Orbitalfläche, mit anderen
Worten, zwischen der Insertion des Orbital- und Temporalflügels an das Stirnbein
bleibt mitunter eine kleine Strecke des Randes der Orbitalfläche frei, welche ebenso
oft in gleicher Flucht mit dem hinteren, als mit dem lateralen Rande erseheint und
an der Begrenzung der Fissura orb. sup. Antheil nimmt. Durch eine unbeständige
Oeffnung im Orbitaltheil tritt eine Vene aus der Schädel- in die Augenhöhle, welche
durch die Naht zwischen Stirn- und Wespenbein wieder in die Schädelhöhle zu-
rückkehrt. Schultz, a. a. O. S. 27.
Das Stirnbein besteht beim Neugeborenen noch aus zwei syınmetrischen Hälften.
Die mediane Naht, in welcher diese beiden Hälften aneinandergefügt sind, ist an-
fangs einfach, ‘wird später zackig und verschwindet gewöhnlich gegen Ende des
zweiten Lebensjahres. Die Stirnhöhlen entwickeln sich nicht vor dem zweiten Jahre,
nehmen von da an langsam an Ausdehnung zu und scheinen sich auch nach voll-
endeter Reife noch zu vergrössern.
5. Schläfenbein, Os temporum.
Das Schläfenbein füllt jederseits an der Seitenwand und Basis des
Schädels die Lücke zwischen dem Hinterhaupts- und Wespenbein aus. So
weit es an der Seitenwand des Schädels erscheint, ist es, abgesehen von den
aus der äusseren Fläche hervorgehenden Fortsätzen, platt mit schwach con-
vexer Aussen- und concaver Innenfläche. Das an der Basis gelegene Stück
ist einem Prisma oder einer liegenden Pyramide ähnlich, welche mit der
Grundfläche seit- und etwas rückwärts, mit der Spitze median- und vor-
wärts gerichtet, im medialen (vorderen) Theile massiv, im lateralen (hinte-
ren) Theile von einer weiten Höhle quer durchzogen ist, deren Eingang, der
Porus acusticus ext. 1), sich in der Grundfläche der Pyramide, an der Sei-
tenwand des Schädels findet.
Fig. 124. An dem platten Theil des Kno-
chens unterscheidet man zwei Abthei-
_ lungen, eine vordere, Schuppen-
!PFtneil oder Schuppe, Pars squa-
mosa s. Squama, von welcher in der
Nähe des unteren Randes der Joch-
fortsatz, Processus zygomali-
ceus, seinen Ursprung nimmt, und eine
hintere und kleinere, den Warzen-
theil, Pars mastoidea ?), dessen äus-
Ri Pt sere Fläche fast ganz durch den
Warzenfortsatz, Proc. mastoi-
deus ?) , eingenommen wird (Fig.
Linkes Schläfenbein, von der Seite, bei einer 124). Beide Abtheilungen sind am
geringen Drehung des Schädels um die sa- oberenRand des Knochens durch eine
gittale Axe mit der linken Fläche aufwärts. Einbiegun 8, in welcher ihre econvexen
») P. auditorius ext. 2) Zitzentheil, Pars mamillaris.
2) Zitzenfortsatz, Proc. mamillaris.
Schläfenbein. 127
oberen Ränder einander begegnen, Ineisura parielalis, gegen einander
abgegrenzt; am unteren Rande geht der Warzen- in den Schuppentheil mit-
telst einer bogenförmig aufwärts gewölbten Platte über, welche den oberen
Theil des Eingangs in den äusseren Gehörgang und die obere Wand des
letzteren bildet. Diese Platte, wiewohl sie an dem vollendeten Schläfenbein
mit demselben Rechte dem Warzen-, wie dem Schuppentheil zugerechnet
werden kann, erweist sich doch bei ihrem ersten Auftreten als ein Bestand-
theil der Schuppe und soll deshalb in Verbindung mit dieser beschrieben
werden. Im Uebrigen scheiden sich Schuppen- und Warzentheil auf der
Aussenfläche des Schläfenbeins durch eine bald nur schwache, bald wulstige
Firste, die sich von der Ineisura parietalis schräg vorwärts gegen den
Jochfortsatz erstreckt und das hintere Ende der Schläfenlinie darstellt. Auf
der Innenfläche des Knochens setzt sich häufig eine Spalte (Fig. 135), wel-
che den Schuppentheil von der Pyramide trennt, zwischen dem ersteren
und dem Warzentheil bis zur Ineisura parietalis fort, entweder als Spalte
oder in Form einer seichten, linearen Furche oder einer Reihe punktförmi-
ger Oeffnungen.
Der an der Basis gelegene, pyramidenförmige Theil, Pyramide, be-
steht aus zwei, ganz unabhängig von einander sich entwickelnden Stücken,
dem Felsentheil, Pars pelrosa, und dem Paukentheil, Pars
Iympanica )).
Am Felsentheil unterscheiden wir zunächst den massiven, aus be-
sonders fester Substanz gebildeten Körper von dem dünnen, plattenartigen
Fortsatz, Paukendecke, Tegmen tympani?), der von der Einen Kante
desselben ausgeht. Der Körper ist ein vierseitiges, mit der Einen, schräg
abgestutzten Endfläche auf dem vorderen unteren Theil der inneren Fläche
des Warzentheils aufgewachsenes Prisma, dessen Längsaxe, wie bereits von
der Pyramide im Ganzen angegeben wurde, vor- und medianwärts und
zwar so verläuft, dass die Fortsetzungen der Längsaxen beider Felsentheile
einander unter einem stumpfen Winkel in der Gegend des hinteren Randes
der Nasenscheidewand schneiden würden. Von den vier Kanten des pris-
matischen Körpers liegen je zwei und zwei einander gegenüberstehende die
einen in der verticalen, die anderen in der horizontalen Ebene, sie sind
demnach als obere (s), untere (Ü), vordere (a) und hintere (p) zu
bezeichnen (Fig, 125, 126, 127 a.f.S.). Von den vier Seitenflächen schauen
zwei, die in der oberen Kante zusammenstossen , in die Schädelhöhle; die
Eine, die von der oberen Kante schräg vorwärts abfällt, nennen wir in-
nere vordere (ia), die andere, die von der oberen Kante schräg rück-
wärts abfällt, innere hintere (£p) Fläche. Zwei Flächen liegen an der
Aussenseite der Grundfläche des Schädels; eine äussere hintere (ep);
der inneren vorderen parallel, liegt frei, eine äussere vordere (ea), der
inneren hinteren parallel, ist theils durch den Schuppen-, theils durch den
!) Ich gebrauche den Namen Felsentheil in einem engeren, als dem üblichen Sinne.
Die Meisten nehmen Felsentheil und Pyramide synonym und begreifen unter beiden Be-
zeichnungen den Paukentheil mit; Arnold aber, welcher den Paukentheil vom Felsentheil
trennt, rechnet zu dem letzteren auch den Warzentheil.
2) Processus tympani s. Tegmentum tympani. M. J. Weber.
128 Schläfenbein.
den Paukentheil verdeckt und macht die
Parallele Durchschnitte des Schläfenbeins in einer auf die
Längsaxe der Pyramide senkrechten Richtung. Fig. 125 vor
dem vorderen Rand des äusseren Gehörgangs. Fig. 126 vor
dem Griffelfortsatz. Fig. 127 vor dem Eingang des Can. carot.
Pst Proc. styloideus. Crp Crista petrosa. Miy Margo tym-
panicus squamae. Ama Antr. mastoideum. (af Can. facialis.
Cvt Cavum tympani. Cca Can. carot. Cm Canalis musculo-
tubarius. Stu Septum tubae,
hintere Wand der Pauken-
höhle aus. Durch die
Convergenz der Längs-
axen der Felsentheile
nach vorn sind aber
die vorderen Flächen an
der Innen- und Aussen-
seite des Felsentheils zu-
gleich lateralwärts, die
hinteren Flächen an der
Innen- und Aussenseite
zugleich medianwärts
gewandt.
Keine dieser Flächen
ist gegen die Flächen des
Warzentheils, an welche
sie stossen, bestimmt
abgegrenzt; höchstens
könnte man den vorderen
Rand des Suleus sinus
transversi, wovon Spä-
ter, als laterale Grenze
zwischen der inneren
hinteren Fläche des Fel-
sentheils und der Innen-
fläche des Warzentheils
betrachten. Mit dem
Schuppentheil steht der
eigentliche prismatische
Körper des Felsenbeins
in gar keiner Berührung,
vielmehr bleibt, da der
letztere sich von sei-
nem Ursprung am War-
zentheil an immer mehr
von der Schuppe me-
dianwärts entfernt, zwi-
schen dem Felsentheil
und der Schuppe eine
Lücke, die nur durch
eine dünne und durch-
scheinende Platte von
oben her zugedeckt wird.
Diese Platte — das be-
reits erwähnte T'’egmen
lympani — ist ein Fort-
satz des Felsentheils, von
dessen vorderer Kante
Schläfenbein. 129
sie ausgelit, so dass ihre obere Fläche mit der inneren vorderen Fläche des
Felsentheils in Einer Flucht liegt, ihre untere Fläche dagegen rechtwinkelig
gegen die Paukenhöhlenfläche des Felsentheils geneigt ist. Der vordere
Rand dieser Platte legt sich an den Schuppentheil an, anfangs, d. h. mit
dem lateralen Theil (Fig. 125) an die innere Fläche der Schuppe, wei-
ter medianwärts (Fig. 126) an den unteren Rand derselben. Die Stelle der
Verbindung wird erkannt an einer Fissur, der Fissura pelro-sguamosa,
welche sich von dem lateralen Ende aus häufig eine Strecke weit verwischt,
am medialen Ende aber immer deutlich und wenn auch eng, doch durch-
gängig ist. Sie hat einen im Ganzen bogenförmigen und nach vorn con-
vexen, dabei fein gezackten oder wellenförmigen Verlauf.
Der Paukentheil gleicht einer kurzen und weiten, mit der
Längsaxe transversal
gestellten und oben
offenen Röhre, wel-
che mit den etwas ein-
gerollten oberen Rän-
dern an den Warzen-
und Schuppentheil so
angefügt ist, dass der
Ausschnitt zwischen die-
sen beiden zur ellipti-
schen Oeffnung, Porus
acuslicus ext., und
die concave Platte der
Schuppe, die ich als
obere Wand des Gehör-
gangs bezeichnete, zum
Theil des linken Schläfenbeins, wie Fig. 124. Mty Mg. tympan. elliptischen Canal er-
gänzt wird. Der Ein-
Fig. 129 gang der Röhre ist wulstig und
zur Anheftung des knorpeligen
Gehörgangs rauh, die Ausmün-
dung gegen die Paukenhöhle hin
so schräg abgestutzt, dass die vor-
dere Wand fast doppelt so lang
ist, als die hintere (vgl. Fig. 148).
Die hintere Wand der Röhre lehnt
sich an den Warzenfortsatz und
ist äusserlich von demselben durch
eine Spalte, Flssura Iympa-
nico-masloidea ') geschieden,
in welcher sich die feinen Mün-
dungen des Can. mastoideus fin-
Dasselbe, ohne den Paukentheil. + Schnittfläche, den. Die vordere Wand ist frei,
wodurch der Paukentheil entfernt wurde. begrenzt von vorn und unten den
| äusseren Gehörgang und weiter
Fig. 128.
Fps
Cea
1) Fissura petroso-mastoidea.
Henle, Anatomie, Thl. T, )
a. Schup-
pentheil.
130 Schläfenbein.
medianwärts die Paukenhöhle und den Can. musculo-tubarius !) und endet,
allmälig verjüngt, mit gerade abgestutztem Rande unter dem medialen
Ende der Paukendecke. Von dem Boden der Röhre, in welchem die In-
nenflächen der vorderen und hinteren Wand in einander umbiegen, ragt
aussen eine scharfe Kante, die Urista petrosa, abwärts, die mit der un-
teren Kante des Felsentheils untrennbar verwächst; der obere Rand der
vorderen Wand ist vom Porus acust. ext. an eine kurze Strecke mit dem
Schuppentheil verschmolzen, dann weiter medianwärts an die untere Fläche
der Paukendecke gefügt und vom vorderen Rande der letzteren so über-
ragt, dass zwischen beiden eine Spalte bleibt, die Fissura pelro-tympa-
nica?), welche an dem medialen Ende häufig verwächst, am lateralen Ende
aber weit und wegsam bleibt und von der Schädelbasis ins Innere der
Paukenhöhle führt. Mit der äusseren vorderen Wand des Felsentheils um-
schliessen die lateralen Ränder der Paukendecke und des Paukentheils die
dreiseitige Mündung des Can. musculo-tubarius (Fig. 127). Von den
Canälen, welche die massive Substanz des eigentlichen Felsentheils
durchziehen, liegt der ansehnlichste (5 bis 6mm im Durchmesser) an der
Vorderseite des medialen, über die Schuppe hinaus sich erstreckenden
Theils desselben; dies ist der (un. caroticus. Der Eingang in den-
selben ist auf der hinteren unteren Fläche des Felsentheils hinter dem
medialen Ende der Vorderwand des Paukentheils. In einem Viertelkreis
aufsteigend, würde er an der Spitze der Pyramide münden, wenn nicht mei-
stens die vordere und obere Wand des Canals, wie durch Abnutzung, de-
fect wären und die eigentliche Mündung desselben mit der Lücke dieser
Wand zu einer langen und breiten Spalte zusammenflösse. Da die vordere
Wand des Felsentheils zugleich hintere Wand der Paukenhökle ist und da
der Eingang in den carotischen Canal sich hinter der medialen Mündung
des Can. musculo-tubarius befindet, so folgt, dass die Paukenhöhle und der
Can. musc.-tub. einerseits und der Can. carot. andererseits eine Strecke
weit Wand an Wand liegen. Namentlich ist es nur eine dünne Platte, wel-
che den aufsteigenden und den Anfang des liegenden Theils des Can. carot.
von der Paukenhöhle und dem Can. musculo-tubarius scheidet (Fig. 127).
Der Sehuppentheil, für sich betrachtet, hat ungefähr die
Fig. 130 Form einer kreisförmigen Scheibe,
aus deren unterem Rande mittelst
zweier in einem stumpfen oder abge-
Ipr rundeten Winkel convergirender Li-
nien ein Stück ausgeschnitten ist. Er
wird demnach eingefasst von einem
Bogen, welcher mehr als drei Vier-
teln eines Kreises entspricht, und von
rz”
\) Ich wähle diesen Namen, um nicht von
RS einer knöchernen Tuba im engeren und wei
Pt Pr teren Sinne reden zu müssen. Die Tuba im
weiteren Sinne dieses Worts ist durch eine
quere Scheidewand in den Canal des M. ten-
Linkes Schläfenbein, von der Seite, bei einer ”sor tympani und die eigentliche Tuba getheilt.
geringen Drehung des Schädels um die sa- 2?) Fissura Glaseri.
gittale Axe mit der linken Fläche aufwärts,
SE
Schläfenbein. 131
den geraden odeı schwach nach oben convexen, den Ausschnitt begrenzen-
denLinien. Die vordere dieser Linien ist auf der Aussenfläche des Schläfen-
beins als oberer Rand der Frssura pelro-squamosa (Fig. 131) sichtbar und
Fig. 131. weiter aufwärts durch
die Verwachsung der
Schuppe mit dem obe-
ren Rand der vorderen
Platte des Paukentheils
verdeckt. Die den Aus-
schnitt von der hinteren
Seite begrenzende Linie
ist im Grunde des äusse-
ren Gehörgangs als me-
dialer Rand der oberen
Wand des genannten
Ganges sichtbar. Dieser
Rand (ich werde ihn den
Margo Iympanicus des
Schuppentheils nennen)
Theil des linken Schläfenbeins, wie Fig. 130. ist in der Regel etwas un-
eben und vorn und hin-
ten durch die Anlagerung des rinnenförmigen Paukentheils überragt; er dient
dem Paukenfell zur Anheftung. Der bogenförmige Theil des Randes des
Schuppentheils (Fig. 130) zieht aus der Tiefe des äusseren Gehörgangs nach
hinten längs der Grenze zwischen Schuppen- und Warzentheil zur Jneisura
parietalis, an welcher er frei wird; er ist zunächst der Ineisura parietalis
eine kurze Strecke zackig, dann im grössten Theil seiner Länge auf Kosten
der inneren Fläche zugeschärft, am vorderen unteren Theil wieder dick und
zackig und hier auf Kosten der äusseren Fläche schräg abgeschnitten. Mit
dem hinteren und oberen Theil dieses Bogens setzt sich das Scheitelbein
in Verbindung und der zugeschärfte Rand des letzteren wird vom Rand
der Schläfenschuppe äusserlich überdeckt. Der vordere und untere Theil
des bogenförmigen Randes der Schläfenschuppe fügt sich an den entspre-
chend gebogenen Rand des Temporalflügels des Wespenbeins so an, dass
oben die Schläfenschuppe, unten der Temporalflügel an der Aussenfläche
des Schädels weiter vorragt.
Die Flächen der Schuppe sind sowohl von oben nach unten, als von
vorn nach hinten gekrümmt, die äussere convex, die innere concav; in bei-
den Richtungen entspricht die Krümmung der inneren Fläche einem klei-
neren Radius, als die der äusseren, wodurch es geschieht, dass der Knochen
in der Mitte am dünnsten ist und gegen die Ränder an Mächtigkeit zu-
nimmt. Die Krümmung von vorn nach hinten ist im Ganzen schwächer
als die von oben nach unten; die letztere nimmt abwärts dergestalt zu,
dass der untere Theil der Platte an der Schädelbasis und an der Decke
des äusseren Gehörgangs fast horizontal zu liegen kommt. Wie bei allen
Knochen, welche zugleich an der Bildung der Schädeldecke und Basis An-
theil nehmen, erfolgt auch an der Schuppe des Schläfenbeins der Ueber-
gang der Seiten- in die Grundfläche innen sanft und im Bogen, aussen
9*
Innere
Fläche.
Aeussere
Fläche.
132 Schläfenbein.
schroff und mittelst einer vorspringenden Kante. Der oberhalb der Kante
gelegene Theil ist so geneigt, dass die Schuppen beider Schläfenbeine so-
wohl mit den vorderen, als mit den unteren Rändern convergiren.
Die innere Oberfläche der Schuppe (Fig. 132) ist durch die Anheftung
der Pauckendecke (F'ps) in ein oberes
und ein unteres Feld getheilt; das obere
bei Weitem grössere, gehört der Seiten-
wand der mittleren Schädelgrube an;
das untere sieht in die Paukenhöhle und
bildet in Verbindung mit dem Pauken-
fell deren vordere Wand. Der der Schä-
delhöhle angehörige Theil der inneren
Oberfläche der Schuppe zeigt ausser den
Eindrücken der Hirnwindungen und den
scharfen Vorsprüngen zwischen denselben
eine tiefe Gefässrinne (**) für die Vasa
meningea media, welche an der vorde-
Schuppentheil von innen. + Schnittfläche, Yen unteren Ecke entsteht, in der Nähe
wodurch der Warzentheil abgetrennt ist. dessworderen Bandes er
meist höher oder tiefer eine horizontal
rückwärts ziehende Zweigfurche abgiebt.
Die Kante, welche an der äusseren Fläche des Schuppentheils die Sei-
ten- und Grundfläche von einander scheidet, beginnt über dem Porus acust.
ext. und läuft von da an fast horizontal nach vorn; aus ihr, und zwar aus
ihrem mittleren Theil geht der Jochfortsatz hervor, anfänglich platt, depri-
mirt, seitwärts gerichtet und dann, mit einer Torsion um seine Axe, wo-
durch er eine comprimirte Gestalt annimmt, im Bogen nach vorn sich wen-
dend (Fig. 133 und 134). Der der Schuppe zunächst gelegene deprimirte
Fig. 133. Fig. 134.
Jm
Rechtes Schläfenbein von unten ohne den Dasselbe mit dem Paukentheil. Tt Tegmen
Paukentheil. 7 Schnittfläche, wodurch der UyIUDADI: Sao Suleus art. oceip. Im In-
Paukentheil entfernt wurde. +7'Schnittfläche eisura mastoidea.
des Griffelfortsatzes.
Theil, den man als Wurzel des Jochfortsatzes betrachten kann, ist dreisei-
tig mit seitwärts gerichteter Spitze. Sein hinterer Rand geht, aus der
Linea temporalis hervor, schräg seit- und vorwärts in den oberen Rand
Schläfenbein. 133
des comprimirten Theils des Joehfortsatzes über; sein vorderer Rand ist
concav, wird einerseits zum unteren Rand des comprimirten Theils des
Jochbogens und setzt sich andererseits auf der Schläfenschuppe nach vorn
als eine stumpfe Firste fort, welche, wenn das Schläfenbein mit dem Wes-
penbein verbunden ist, auf die Crista infratemporalis des Temporalflügels
stösst und als Cr?sta infratemporalis des Schläfenbeins bezeichnet wer-
den mag. Die Seitenfläche der Schuppe über dem Ursprung des Jochbo-
sens und über dieser Crista infratemporalis gehört der Schläfenfläche des
Schädels an und geht mittelst einer Aushöhlung in die obere und etwas
vorwärts geneigte Fläche der Wurzel des Jochfortsatzes über; sie ist be-
sonders im vorderen unteren Theil mit seichten Eindrücken versehen, die
den gröberen Abtheilungen der Bündel des M. temporalis entsprechen, und
durch eine Gefässfurche ausgezeichnet, welche die Art. temporalis media
aufnimmt, hinter der Wurzel des Jochfortsatzes über dem Rande des Porus
acust. ext. beginnt und meist einfach, selten nach vorn verzweigt gerade
oder leicht geschlängelt aufwärts zieht (Fig. 130).
Der unter dem Ursprung des Jochbogens und unter der Crista infratem-
poralis an der Grundfläche des Schädels gelegene Theil der Schläfenschuppe
befindet sich mit der unteren Fläche der Wurzel des Jochbogens in gleicher
Flucht und ist durch einen queren Kamm (Fig. 133 k), an den sich der
obere Rand der vorderen Platte des Paukentheils anlegt, in eine hintere Re-
gion, die Decke des äusseren Gehörganges, und eine vordere Region, wel-
che hauptsächlich der Articulation mit dem Unterkiefer dient, geschieden.
Der eigentliche Rand des Porus acust. ext. ist öfters noch bezeichnet durch
ein mehr oder minder scharfes und horizontales oder nach dem Umfang des
Gehörgangs gekrümmtes Leistehen (Fig. 134 !) und darüber durch einen
seichten Eindruck oder ein spaltförmiges von einem Fortsatz der Beinhaut
ausgefülltes Grübchen. Die vordere Abtheilung der Basalfläche der Schuppe
gewinnt in Verbindung mit der Wurzel des Jochbogens die Form eines
verschobenen Rechtecks, wovon die Eine, meist längere Diagonale sagittal
liest, die andere kürzere von der Queraxe des Schädels nur wenig, und
zwar mit dem medialen Ende nach hinten abweicht. Es kann in drei
Felder eingetheilt werden, welche in der Richtung von hinten nach vorn
sich folgendermaassen an einander schliessen: 1) das hintere Feld, dreisei-
tig mit nach hinten gerichteter und meist quer abgestutzter Spitze, ist eine
seicht von hinten nach vorn ausgehöhlte und mit einem dünnen Knorpel-
überzug bekleidete Gelenkfläche, die F'ossa mandibularis!), die sich seit-
wärts bis an den Rand der Wurzel des Jochbogens erstreckt, medianwärts
von der Frssura pelro-squamosa begrenzt wird. Vor der Fossa man-
dib. liegt 2) ein querer oder schwach nach vorn gebogener Wulst, dessen
Dimensionen denen der Fossa mandibularis ungefähr gleichen, dessen trans-
versaler Durchmesser aber nach vorn abnimmt; es ist das T'uberculum
articulare, auf welches beim Oeffnen des Mundes der Gelenkkopf des
Unterkiefers zu stehen kommt. Die hintere Wand dieses Tuberculum fällt,
wenn man den Schädel von unten her betrachtet, mehr oder minder steil
gegen die Fossa mandibularis ab; vorn reicht es bis zum vorderen Rande
) Fossa artieularis mazillae inferioris.
134 Schläfenbein.
der Wurzel des Jochbogens und nach beiden Seiten grenzt es sich durch
convergirend vorwärts verlaufende rauhe Linien ab, welche von der Anhef-
tung der Gelenkkapsel des Unterkiefers herrühren. Vor dem Tubereulum
artieulare liegt 3) eine mit der Spitze vorwärts gerichtete dreiseitige Flä-
che, H'acies infratemporalis, welche mit der Facies infratemporalis des
Temporalflügels des Wespenbeins das Dach der Unterschläfengrube aus-
macht. Sie ist von wechselndem Umfang, fliesst häufig mit dem Tubere.
articulare zusammen, ist aber meistens von demselben durch eine vom vor-
deren Rande der Wurzel des Jochfortsatzes quer herüberziehende Kante
deutlich geschieden.
An dem Jochfortsatz haben wir die Wurzel von dem eigentlichen Bo-
gentheil unterschieden. Die Wurzel biegt in den Bogen um, indem sich
ihre Flächen verschmälern und zugleich die obere medianwärts, die untere
lateralwärts richten. Der Uebergang der oberen Fläche der Wurzel in die
innere des Bogens erfolgt allmälig; der Uebergang der unteren Fläche der
Wurzel in die äussere des Bogens ist schroffer und durch die rauhe, nach
unten gekrümmte Linie bezeichnet, die das Tubereulum artieulare lateral-
wärts begrenzt. In der Regel stellt sich auch die laterale Fläche des Bo-
gens früher perpendieulär als die mediale, und der Bogen erscheint eine
Strecke weit dreiseitig prismatisch, indem sich am vorderen Rande des Tu-
berceulum artieulare zwischen die laterale und mediale Fläche eine untere
Fläche einschiebt, welche bald in den unteren Rand des Bogens aufgeht.
Die Länge des Jochfortsatzes ist verschieden, doch überragt sein vorderes
Ende meistens den vorderen Rand der Schuppe. Seine Höhe und Mäch-
tigkeit nimmt gegen das vordere Ende etwas zu. Der vordere Rand ver-
läuft schräg von oben und vorn nach hinten und unten und ist stark
zackig, zur Verbindung mit dem hinteren Rande des Pr. temporalis des
Jochbeins.
Var. Von dem vorderen Rand der Schuppe geht ein platter Fortsatz zwischen
dem Wespenbein und dem Scheitelbein zum hinteren Runde des Stirnbeins, das
Scheitelbein von der Berührung mit dem Wespenbein ausschliessend (Chizeau s.
Meckel, Path. Anat. Bd. I, S. 341. Dieterich, a. a. O. S. 9. — Einmal auf 50
bis 60: Gruber, Abh. aus der menschl. und vergleichenden Anatomie. Petersburg
1852. S. 6. 114. Fig. 4). Ein Fall beidseitig in der hiesigen Sammlung. Diese
Anomalie entsteht dadurch, dass ein an der vorderen unteren Spitze des Scheitel-
beins gelegener Nahtknochen, welcher ziemlich häufig vorkommt , statt mit der un-
teren Spitze des Scheitelbeins oder mit dem oberen Rande des Temporalflügels
vielmehr mit der Schläfenschuppe verschmilzt.
Der Schuppentheil ist durch eine quereNaht getheilt (Meckel, Path. Anat. Bd.
I, S. 339. Gruber, a. a. O. S. 114).
Die Schuppe ist von einer Oeffnung durchbohrt, durch welche ein Zweig der
Art. mening. media aus der Schädelhöhle in die Schläfengrube tritt (Gruber, a.a.O.
S. 126) Ein Fall in der hiesigen Sammlung. Dicht über dem hinteren Rande der
Wurzel des Jochbogens liegt in einem Schläfenbein der hiesigen Sammlung die Oeff-
nung (ImmDarchm.) eines Canals, welcher schrig vorwärts durch die Schuppe in die
Schädelhöhle führt.
Die gewöhnlich sehr geringe Neigung der Queraxe des Tuberculum artieulare
mit dem medialen Ende rückwärts kann so stark werden, dass die Queraxen der
Tubercula beider Seiten einander unter einem Winkel von weniger als 90 Grad
schneiden.
Schläfenbein. 135
Der Warzentheil ist eine aussen convexe, innen concave Platte,
mächtiger als die Schuppe, aber kleiner und von sehr unbeständiger Form.
im Allgemeinen kreisförmig oder oval, mit mancherlei Einkerbungen und
winkeligen Ausbiegungen des Randes. Unten greift er fast ebenso weit als
die Schuppe an die Basis des Schädels herum, reicht aber in der Seiten-
wand des Schädels minder hoch hinauf. Vorn fliesst er mit dem Schuppen-
und Felsentheil zusammen ; der obere und hintere Theil des Randes ist an
dem isolirten Schläfenbein frei.
Wie sich der Warzentheil gegen den Schuppentheil abgrenzt, wurde
bereits angegeben. Der freie Rand des Warzentheils geht von der Ineisura
parietalis an erst etwas aufwärts und dann gerade oder im Bogen nach
hinten, biegt aus dieser Richtung abgerundet oder im Winkel nach unten
und endlich, ebenfalls abgerundet oder im Winkel, nach vorn um. An der
Ineisura parietalis und einer kleineren oder grösseren Strecke hinter der-
selben steht er, auf Kosten der äusseren Fläche schräg abgeschnitten, mit
dem Scheitelbein, von da an bis zum Anschluss an den Felsentheil mit dem
Hinterhauptsbein in Verbindung durch Nähte, welche grösstentheils stark-
gezackt und nur gegen das untere Ende einfach sind, an welchem sie auch
nicht selten verwachsen.
An der Aussenfläche des Warzentheils (Fig. 133.134) geht nach unten
der Fortsatz ab, von welchem er den Namen trägt. Der Warzenfortsatz
ist im Allgemeinen kegelförmig mit abwärts gerichteter Spitze. Doch ist die
Spitze abgerundet, die laterale Fläche stärker gewölbt als die mediale, so
dass der Kegel von den Seiten zusammengedrückt, jaan der medialen Flä-
che mitunter eingedrückt erscheint und einen schneidenden Rand erhält,
welcher nur hinten eine schräge, vorn dagegen eine fast perpendiculäre
Richtung hat. Die Höhe des Warzenfortsatzes wird etwas, vergrössert da-
durch, dass sich längs der Wurzel desselben an der medialen Fläche eine
tiefe Rinne, die Incisura mastoide:, hinzieht; medianwärts ist diese Rinne
durch einen dem Warzenfortsatz parallelen, aber niedrigen scharfen oder
stumpfen Kamm eingefasst. In ihr ist der hintere Bauch des M. digastrieus
befestigt. Längs der medialen Seite des Kamms verläuft eine von der Art.
oceipitalis herrührende Furche, Suuleus arteriae occipitalis. Im Uebrigen
ist sowohl die Höhe, als das Ansehen der Oberfläche des Warzenfortsatzes
sehr verschieden. Er ist rauh, mit Muskeleindrücken, Gefässöffnungen, un-
regelmässigen Furchen und selbst kurzen zackigen Vorsprüngen versehen
oder glatt, blasenartig aufgetrieben und durchscheinend, und verräth im
letzteren Falle schon äusserlich die grosszellige Beschaffenheit seiner Di-
plo&, deren Hohlräume sich in die Paukenhöhle öffnen. Oft ist der War-
zentheil in der Nähe des oberen oder hinteren Randes von einem engeren
oder weiteren Canal oder von mehreren Canälen durchbohrt, oder es wird
ein solcher Canal durch die Vereinigung entsprechender Ausschnitte im
Warzentheil des Schläfenbeins und Hinterhauptsbein gebildet, ein Canal,
welcher den Knochen schräg ein-, vor- und abwärts durchsetzt und innen
am hinteren Rande des sogleich zu erwähnenden Sulcus sinus transversi
ausmündet. Es sind dies die Zoramina mastoidea, durch welche Arterien-
zweige zur Dura mater treten und der Sinus transversus mit äusseren
Schädelvenen anastomosirt.
b. Warzen-
theil.
Aeussere
Fläche.
136 : Schliäfenbein.
innere Durch eine scharf vorspringende Kante, die von der oberen Kante des
as: Fig. 135. Felsentheils fast horizontal und
mit gegen die Schädelhöhle ge-
richteter Concavität auf den
Warzentheil sich fortsetzt, ist die
innere Oberfläche des letzte-
ren in ein kleineres oberes und
ein grösseres, unteres Feld ab-
getheilt (Fig. 135). Das obere
Feld bildet die hintere laterale
Ecke der mittleren Schädelgrube ;
es liegt fast horizontal und in
einer Ebene mit der oberen
Fläche des Felsentheils, in die
es ohne Unterbrechung übergeht,
Rechtes Schläfenbein von innen. + Sehnittiläche, während es von der innerenFlä-
durch welche die Pyramide abgetrennt ist. che der Schuppe häufig, wenn-
“Grenze des Schuppen- u. Warzentheils. gleich nieht beständig, durch die
Spuren der oben erwähnten
Spalte (*) getrennt ist. Das untere Feld liegt vertical, am unteren und
hinteren Rande medianwärts umgebogen, und nimmi. die vordere laterale
Ecke der hinteren Schädelgrube ein. Es ist ausgezeichnet durch eine breite
Furche, Swlcus sinus Iransversi 1), welche am oberen Rande des Kno-
chens genau unter der die beiden Felder scheidenden Kante beginnt, eine
kurze Strecke weit dieser Kante paraliel läuft, dann aber von derselben
im Bogen ab- und medianwärts zum unteren Ende des freien Knochenran-
des ablenkt. Die Furche beherbergt einen Theil des Sinus transversus, der
von der Querfurche der Hinterhauptsschuppe auf den Warzentheil über-
geht, um von diesem wieder auf den Proc, jugularis des Hinterhauptsbeins
zurückzukehren.
Var. Das For. mastoideum kann eine bedeutende Weite erreichen und für das
Foramen jugulare vicariiren.
Die Aussenfläche des Warzenfortsatzes ist durch eine unregelmässige, zackige,
im Ganzen perpendiculäre Furche getheilt, welche einer ehemaligen Spalte zwischen
Schuppen- und Warzentheil entspricht.
Hyrtl gedenkt eines Schläfenbeins, an welchem hinter und über dem äusseren
Gehörgang eine kreisrunde, 3 Linien weite Oeffnung in die Trommelhöhle führt.
e. Pyramide. An der Pyramide haben wir vier Kanten und vier Flächen zu un-
terscheiden, welche den oben näher bezeichneten Kanten und Flächen des
Körpers des Felsentheils entsprechen und zum Theil identisch sind. So
sind (Fig. 136 u. 137) die hintere innere und die hintere äussere Fläche
der Pyramide, sowie die obere und die hintere Kante derselben, Theile
des Körpers des Felsentheils, welcher auch allein die Spitze der Pyra-
mide darstellt. Dagegen ist die vordere innere Fläche der Pyramide nur
in ihrer hinteren Hälfte vom Körper des Felsentheils, in der vorderen
Hälfte von der Paukendecke gebildet und die vordere äussere Fläche der
Pyramide ist identisch mit der vorderen Wand des Paukentheils bis zu der
!) Fossa sigmoidea aut,
Schläfenbein. 137
Stelle, wo Pyramide und Schuppe in einem Winkel auseinanderweichen,
der die hintere, die Spina angularis tragende Ecke des Temporalflügels
aufnimmt. Die Richtung dieser vorderen äusseren Fläche der Pyramide ist
im Allgemeinen die nämliche,, wie die der entsprechenden, hinter ihr ver-
steckten Wand des Felsentheils, doch ist sie überall mehr gegen den Hori-
zont geneigt und entfernt sich, je näher dem lateralen Rand (dem Porus
acust. ext.) um so mehr auch nach vorn von dem Felsentheil. Die untere
Kante der Pyramide geht aus der Verschmelzung einer Firste, die der
unteren Fläche des Paukentheils angehört, mit der eigentlichen unteren
Kante des Felsentheils hervor. Die vordere Kante der Pyramide endlich
ist, so weit dieselbe mit der Schuppe in Verbindung steht, aus dem vor-
deren Rande der Paukendecke und dem oberen Rande der Vorderwand
des Paukentheils so zusammengesetzt, dass längs der medialen Hälfte des
Paukentheils (Fig. 137) die beiden genannten Ränder unter sich und der
überragende derselben mit dem Rande der Schuppe zusammenstossen , wei-
Fig. 136
Fig. 137
Parallele Durchschnitte des Schläfenbeins in einer auf die Längsaxe der Pyramide
senkrechten Richtung. Fig. 136 vor dem vorderen Rand des äusseren Gehörgangs.
Fig. 137 vor dem Griffelfortsatz. Vergl. S. 128.
ter lateralwärts hingegen (Fig. 136) der Rand der Paukendecke und des
Paukentheils auseinanderweichen, jener aufwärts, dieser abwärts und beide
zugleich vorwärts auf die Fläche der Schuppe, die sich auf diese Weise ge-
wissermaassen zwischen die beiden genannten Knochenränder einzudrängen
scheint.
Ich gehe zu einer näheren Betrachtung zuvörderst der Kanten und
Flächen der Pyramide über, um sodann auf die Wände der Höhle, welche
von dem Pauken- und Felsentheil umschlossen wird, zurückzukommen.
Die im Körper des Felsentheils enthaltenen Höhlungen des Labyrinths er-
wähne ich nur soweit, als sie die Gestalt der Oberfläche des Knochens
bestimmen.
Kanten.
138 : Schläfenbein.
Die obere Kante der Pyramide (Fig. 140. s) von sanft wellenförmi-
gem Verlauf, ragt frei in die Schädelhöhle ; sie setzt sich, wie oben erwähnt
wurde, nach hinten auf den Warzentheil und von da weiter auf den oberen
Rand der Querfurche der Hinterhauptsschuppe fort, trägt zur Abgrenzung
der hinteren gegen die mittlere Schädelgrube bei und ist in ihrer ganzen
Länge zur Aufnahme des Sinus petrosus sup. gefurcht. Die untere Kante,
Crista petrosa (Fig. 138), ist ein scharfer, mehrmals ausgerandeter, zuwei-
len auch in Zacken und Spitzen verlängerter Kamm, der von der Fissura
/ympamico-masloidea an, sich an der vorderen Fläche des Proc. styloidens
dicht vorüberzieht und nach vorn hin ver-
liert. Die vordere Kante der Pyramide
ist mit dem unteren Rande des Schup-
pentheils in der eben angegebenen Weise
Cea verbunden. Die Frssura petro-squa-
mosa und pefro-tympanica verlaufen
dicht neben einander und medianwärts
nur wenig divergirend, durch ein schma-
les, unregelmässiges Knochenplättchen
Ds getrennt, welches sich wie die Schneide
Tu eines von oben her zwischen den Rand
Tt der Schuppe und des Paukentheils her-
abgesenkten Keils ausnimmt. Dies Kno-
Rechtes Schläfenbein von unten, der au ie or au u Fame
Schädel um seine sagittale Axe mit der des Schuppentheils abwärts verlängerte,
linken Seite aufwärts gedreht. Vgl. S. 141. vordere Rand des Teymen iympant.
Ueber die Fissuren hinaus setzt sich der
obere Rand der vorderen Wand des Paukentheils medianwärts noch eine
kleine Strecke weit in Form einer rauhen Fläche fort, an welche sich die
Basis der Spina angularis mit einer entsprechenden Fläche anlehnt. Sodann
fällt der obere Rand des Paukentheils gegen die untere Kante in einem
perpendieulären und rauhen, nicht selten abwärts in eine platte Zacke ver-
längerten Rande ab, hinter welchem die vordere untere Fläche des eigent-
lichen Felsentheils, als Spitze der Pyramide, zum Vorschein kommt. An
dieser Spitze ist die untere Kante, wie erwähnt, nur schwach angedeutet,
die vordere Kante aber, die vom Ende des angewachsenen Randes der Pau-
kendecke sich medianwärts fortsetzen sollte, ist in der Regel ganz unschein-
bar, so dass die vordere innere und vordere äussere Fläche des Felsentheils
zu Einer convexen Fläche zusammenfliessen und die Pyramide gegen die
Spitze einem dreiseitigen Prisma ähnlich wird. Die hintere Kante der
Pyramide (Fig. 139 und Fig. 142 p) beginnt am unteren Ende des
freien Randes des Warzentheils als hinterer Rand der dreiseitigen
Fläche, durch welche das Schläfenbein an die Seitenfläche des Proces-
sus jugularis des Hinterhauptsbeins angefügt ist; sie geht dann anfangs
scharf und allmälig stumpfer mehrfach ausgebogen oder ausgezackt vor-
wärts und steigt zuletzt schräg zur oberen Kante (Fig. 142) auf, um sich
mit ihr an der Spitze des Felsentheils unter einem spitzen Winkel zu ver-
binden. Der laterale scharfe Theil der hinteren Kante ist in der Schädel-
höhle als vorderer Rand des Foramen jugulare sichtbar. Durch einen Vorsprung
Fig. 138.
Fps Cit
Schläfenbein. 139
oder Stachel, Processus infrajugularis partis petrosae, wird er, gleich der
Fig. 139.
Rechtes Schläfenbein von unten, der
Schädel um seine sagittale Axe mit
der rechten Seite aufwärts gedreht.
Ineisura jug. des Hinterhauptsbeins, in zwei
Concavitäten, Incisura jugul. lateralis u.
medialis (ant. und post.), geschieden. Der
mediale, stumpfere Theil der Kante geht
entlang der lateralen Kante des Hinter-
haupts- und des hinteren Theils des W espen-
beinkörpers. Zwischen diesen Knochen einer-
und der Pyramide andererseits bleibt eine
enge und unregelmässige, von Faserknorpel
oder von einer Reihe platter Knöchelchen
ausgefüllte Spalte, Fissura petrobasilaris
(Fig. 93); sie verläuft, von der Schädel-
höhle aus betrachtet, im Grunde einer
Rinne, welche in der Regel zum grösseren
Theile vom Hinterhaupts- und Wespenbein,
zum kleineren vom Felsentheil gebildet wird
und den Sinus petrosus inf. enthält.
Var. In der Fissura petrobasilaris kommt vor dem Foramen jugulare ein run-
des Loch vor, von Ausschnitten
des Schläfen- und Hinterhauptsbeins begrenzt,
in welchem abgesöndert der Sinus petr. inf. verläuft.
An der vorderen inneren Fläche der Pyramide ist der massive
Theil von dem unterhöhlten und über die Paukenhöhle zur Schuppe her-
übergespannten T'egmen Iympani schon dem äusseren Ansehen nach,
Fig. 140.
Fps
Linkes Schläfenbein von oben, der
obere Theil der Pars squamosa u.
mastoidea durch einen horizontalen
Schnitt entfernt.
D) Jugum petrosum.
vermöge der Durchsichtigkeit des letzteren,
leicht zu unterscheiden. Im medialen Theil
dieser Fläche (Fig. 140), wo die Flissu-
ra petro - squamosa deutlich zu werden
beginnt, setzt sich die Paukendecke ge-
wöhnlich auch gegen die Oberfläche des
Felsenbeinkörpers durch eine Längsfurche,
oder eine unregelmässige Längsspalte, oder
auch nur durch eine veränderte Neigung
der Oberfläche (Fig. 137) ab. Dem Fel-
sentheil allein gehört eine Wölbung, Himi-
nentia arcualıa)), an, die sich an der
Grenze des lateralen und mittleren Drittels
desselben rechtwinkelig auf dessen Längs-
axe von der oberen Kante gegen die vor-
dere erstreckt; sie rührt her von dem vor-
deren perpendieulären Bogengang des La-
byrinths, welcher hier bis nahe unter die
Oberfläche des Knochens tritt. Etwas nä-
her der Spitze der Pyramide und dicht ne-
ben der Paukendecke findet sich, von
einem unebenen Rande überragt, eine
Flächen,
vordere
innere
Vordere
äussere
Fläche.
140 Schläfenbein.
spaltföormige Oeffnung, Hiatus Canalis facialis ), zu welcher von der
Spitze der Pyramide her und parallel der Längsaxe derselben eing
seichte gerade Furche führt. In der Furche liegt der N. petrosus superf.
maj.; durch die Oeffnung tritt er in einen Canal, der ebenfalls ganz inner-
halb des Felsentheils eingeschlossen ist und nach kurzem geraden Verlauf
mit dem Canalis facialis, wovon später, zusammenmündet. Die der Spitze
der Pyramide zunächst gelegene Partie der vorderen inneren Fläche ist
dicht unter der oberen Kante eingedrückt, zur Aufnahme des Stammes des
N. trigeminus (Impressio trigemini); nach unten, über dem carotischen
Canal, ist sie vom Rande der medialen Oeffnung dieses Canals aus mehr
oder minder tief ausgebuchtet. Die Paukendecke hat, für sich betrachtet,
ungefähr die Gestalt eines mit der Basis an den Felsentheil gefügten stumpf-
winkeligen Dreiecks mit abgestutzten Winkeln; sie ist über der eigentlichen
Paukenhöhle am breitesten und verschmälert sich lateral- und medianwärts
über den Zellen des Warzenfortsatzes und über dem Can. musculo-tubarius.
Der mediale schmalere Theil ist meistens vom Körper des Felsentheils durch
eine der Längsaxe des letzteren parallele Spalte geschieden, welche sich zu-
weilen bis an den Hiatus Can. facialis erstreckt; er ist vom freien Rande
aus mehrfach eingekerbt, wie gesplittert; der Eine dieser Splitter tritt durch
seinen freien Rand mit einem platten Fortsatz der hinteren Wurzel des Tem-
poralflügels in Verbindung. Zwischen den Splittern oder in dem Winkel
zwischen der unteren Fläche der Paukendecke und der vorderen unteren
Fläche des Felsentheilkörpers, mittelst eines longitudinalen Leistchens von
dem Lumen des Can. musculo-tubarius geschieden, verläuft parallel dem
Suleus n. petr. superf. maj. ein feines Canälchen, der obere Theil des Can.
tympanicus, dessen Eingang (Aperltura sup. Can. tympaniei) sich nahe
an dem Hiatus Can. fac. und gewöhnlich in gerader Richtung vor demsel-
ben befindet. Auch zum Eingang in dieses Canälchen führt öfters eine
feine, dem Suleus n. petr. superf. maj. parallele Furche; in dieser Furche
und durch das Canälchen verläuft der N. petr. superf. min.
Ausser den benannten Erhabenheiten, Furchen und Löchern zeigt die vordere
innere Fläche der Pyramide noch unbeständige Gehirneindrücke, Gefässrinnen und
Foramina nutritia. Der Can. n. petr. sup. maj. bietet zahlreiche Abweichungen dar:
häufig ist die obere Wand desselben unvollständig oder fehlt und die entsprechende
Furche ist im letzteren Fall offen bis an den Can. facialis. Oft ist der Hliatus Can.
fac. durch eine Knochenbrücke perpendiculär getheilt. Nach der Ap. sup. Can.
tympanici sucht man an manchen Schläfenbeinen vergeblich, der entsprechende
Nerv muss hier entweder durch den Hiatus ©. fac. oder durch die Tuba eintreten.
In anderen Schläfenbeinen kommen um die Ap. sup. Can. tympanici feine Oeffnun-
gen vor, welche Arterienzweige in die Gehörhöhle und zunächst in den Can tens.
tymp. (s. unten), oder in den Can. n. petr. superf. maj. führen. Der Suleus sin.
petr. sup. verläuft, statt in der oberen Kante, neben derselben über die vordere in-
nere Fläche der Pyramide.
Ueber die Impressio trigemini ragt von deren medialem Rande ein stachelför-
miger, kurzer Fortsatz seit- und rückwärts.
Die vordere äussere Wand der Pyramide ist, so weit sie dem Pau-
\) Hiatus canalis Fallopiae. Apertura spuria C. F.
Schlätenbein. 141
kentheil angehört, im oberen Theil nach vorn gewölbt, unten nach vorn
coneav; sie ist glatt oder von feinen Gefässrinnen und Ernährungslöchern
rauh, mächtig oder dünn und stellenweise durchscheinend (Fig. 141). Vor
dem medialen Rande des Paukentheils
mündet der Can. musculo-tubarius.
Wo neben diesem Rande die entspre-
chende Fläche des Felsentheils zu Tage
Cca kommt, hat die letztere noch eine an-
sehnliche Höhe, verjüngt sich aber ge-
gen die Spitze der Pyramide. Sie liegt,
an der Aussenfläche der Schädelbasis
j sichtbar, dicht hinter dem freien hinteren
N Rande des Temporalflügels, demselben
lu parallel und gegen ihn geneigt und be-
\rt grenzt so von hinten her die Fissura
spheno-petrosa, eine schmale und gerade,
von Faserknorpel ausgefüllte Spalte, wel-
Bu a Sr che, von aussen betrachtet, den tiefsten
der linken Seite aufwärts gedreht. Theil der Rinne ausmacht, in welcher
die knorpliche Tuba eingebettet ist. Der
von dem Tegmen tympani überdeckte laterale Theil der vorderen äusseren
Wand des Felsentheils trägt etwa in der halben Höhe des Can. musculo-
tubarius ein horizontales, aufwärts concaves Plättchen, Sep/um tubae, wel-
ches in selteneren Fällen die gegenüberstehende Wand erreicht, gewöhnlich
aber durch einen fibrösen Streifen ergänzt wird und auf die eine oder an-
dere Art den Can. musculo-tubarius in zwei übereinander gelegene Canäle
scheidet. Der untere dieser Canäle, dessen Wände von Schleimhaut aus-
gekleidet werden, ist die knöcherne T'uba. der obere, Can. tensoris tym-
pani ), wird vom M. tensor tympani ausgefüllt. Das Septum tubae ver-
liert sich medianwärts auf der vorderen Wand des carotischen Canals; von
dem lateralen Ende in der Paukenhöhle wird später die Rede sein. Die
Wand, die den Can. tensoris tympani vom carotischen Canal scheidet, be-
steht nicht selten aus zwei Lamellen, welche eine sehr dünne Lage diplo&-
tischer Substanz zwischen sich schliessen. Zwischen beiden Lamellen oder
in der Dicke der Wand, wenn sie massiv ist, läuft ein feines Canälchen in
einer dem Can. tensoris tympani parallelen Richtung; wir nennen es nach
dem Nerven, der in demselben eingeschlossen ist und welcher aus der Pau-
kenhöhle vorwärts zu dem die Carotis umspannenden Nervengeflecht geht,
Can. n. petr. prof. minoris. Die laterale Mündung dieses Canals liegt
in der medialen oberen Ecke der Paukenhöhle oder in der Tuba dicht un-
terhalb des Septum derselben; die mediale Mündung findet sich in der vor-
deren Wand des Can. caroticus, entweder gerade auf dem Rande derselben,
oder an ihrer inneren oder äusseren Fläche; im letzteren Fall läuft der aus
dem Canal hervorgetretene Nervenzweig in einer Furche der Aussenfläche
dieser Wand bis zur medialen Oeffnung-des Can. caroticus weiter. (Vergl.
Fig. 146 A*.)
Fig. 141.
Fps Ctt
Fim Crp Fpt
1) Semicanalis T. t. — Sulcus musculosus.
%
142 Schläfenbein..
_ Var. Oft ist die vordere Wand des äusseren Gehörorganes in einer kleineren
oder grösseren Ausdehnung durchbrochen. Cassebohm, Tract. de aure humana.
Hal. 1734. p. 28. Taf. I, Fig. 2r‘. Dieterich a.a. O.S. 10, Fig. 1 bb.
Hintere, in: Auf der hinteren inneren Fläche der Pyramide (Fig. 142) zeichnet
nereFläche. sich etwä&.in der Mitte ihrer Länge und etwas näher der oberen Kante,
als der unteren eine weite, rundliche oder
Fig. 142. quer - elliptische Oeffnung mit überhän-
gendem und abgerundetem oberen Rande
aus, der Porus acust. int., von welcher
aus ein Canal, 6"Wm Jang, in fast genau
transversaler Richtung ins Innere des
Knochens führt; der Canal ist der innere
Gehörgang, Meat. acust. int.!), zur
Aufnahme des N. facialis und acustieus
und der Art. auditiva int. bestimmt. Der
auf den ersten Blick anscheinend blinde
Grund desselben?) ist durch eine queren
Arnold Ijın Vorsprung in eine obere und untere
Ä i j Grube, jede dieser Gruben wieder durch
a Sen En einen niedrigen Wulst perpendiculär in
Gesicht stark nach rechts und zugleich eine mediale und laterale getheilt. Die
abwärts. P77. Proc. intrajugularis. Jjl. beiden unteren Gruben und die laterale
Jim. Ineisura jug. later. und med. - > x
obere sind nur von sehr feinen Löchern
siebförmig durchbohrt, durch welche die
Nerven- und Gefässzweige zum Labyrinth treten; die mediale und zu-
gleich mehr nach vorn gelegene obere Grube setzt sich in den Can. n.
facialis fort.
Seitwärts vom Porus acust. int. und näher der oberen Kante des Fel-
sentheils findet sich eine blinde, einer eingezogenen Narbe ähnliche, von
der Spitze der Pyramide her zugängliche Vertiefung (***), eine unvollständig
ausgefüllte Grube unter dem oberen perpendiculären Bogengang. Noch
weiter seitwärts, etwa in der Mitte zwischen dem Porus acust. int. und dem
Rande des Suleus sinus transv. und in gleicher Höhe mit dem ersteren
verläuft in verticaler oder schräger Richtung eine von einem scharfen Rand
verdeckte und von der Grundfläche der Pyramide her zugängliche Spalte,
die 4pertura externa aquaed. vestibuli, durch welche die harteHirnhaut
gefässhaltige Fortsätze zur Beinhaut des Labyrinths schickt. So weit der
untere Rand dieser Fläche die Fissura petrobasilaris begrenzen hilft, streicht
dem Rande entlang eine Furche, deren obere Kante so sehr vorragt, dass
die Höhlung der Furche medianwärts und: theilweise sogar abwärts sieht.
Wir nennen sie Semisuleus pelr. inf. Mit der gleichbenannten Furche
des Hinterhauptsbeins setzt sie die bei der Beschreibung des Hinterhaupts-
beins erwähnte tiefe Rinne zusammen, welche den Sinus petr. inf. trägt.
Var. Der überhängende obere Rand des Porus acust. int. ist medianwärts,
seltener rückwärts in eine stumpfe oder scharfe Zacke verlängert (Crista tentorii
I) Canalis communis nervorum auditus.
Septum meat. acust,
Schläfenbein. 143
M: J. Weber), welche in das Tentorium vorspringt und dem Sinus petrosus sup.
zur Unterlage dient. “
Die hintere äussere Fläche der Pyramide ist unregelmässig, durch
Gruben, Oeflnungen und Fortsätze ausgezeichnet (Fig. 143). Wir thei-
len dieselbe, der leichteren Uebersicht we-
Fig. 143. gen, durch drei senkrecht auf die Längs-
axe der Pyramide geführte parallele Linien
in vier Zonen, von welchen jede folgende me-
dianwärts und zugleich etwas nach vorn
von der vorhergehenden liegt. Die Dimen-
sionen dieser Zonen sind an manchen Schlä-
fenbeinen einander ziemlich gleich, doch
kann sich jede auf Kosten der angrenzen-
den vergrössern. Die in derselben Zone
hinter einander gelegenen Theile kommen,
wegen der Neigung der ganzen Fläche, je
weiter nach hinten um so höher und um so
näher der Medianebene zu liegen.
Die erste Zone, vom Proc. mastoid.
an gerechnet, wird in ihrer hinteren Hälfte
von der etwas vertieften und überknorpelten
Fläche, Synchondr. pelro-occipil. einge-
nommen, durch welche das Schläfenbein
mit dem Hinterhauptsbein zusammengefügt
ıst und später verschmilzt. Aus der vorde-
ren Hältfte dieser Zone ragt der Griffelfort-
satz, Proc. stylotideus, hervor, ein eylindri-
scher, stellenweise comprimirter, gerader oder
schwach gekrümmter Stift von sehr verän-
derlicher Länge, mit der Spitze ab-, vor-
und wenig medianwärts gerichtet. Seine
Basis ist vorn und seitlich von der Crista
petrosa, wie von einer Scheide umsäumt
Rechtes Schläfenbein von unten, und meistens auch nach den anderen Seiten
der Schädel um seine sagittale Axe E © . B
mit der rechten Seite aufwärts gedr. VOR einem Graben, in welchem sich feine Er-
nährungslöcher befinden, und einem niedrigen
Wall!) umgeben. Seitlich von der Basis des
Griffels, in einer Vertiefung, die sich rück- und seitwärts in die Incisura
mastoidea fortsetzt, liegt das For. siy.omasloideum, die äussere Oeflnung
des Can. facialis und Eintrittsstelle der Art. stylomastoidea.
Die zweite Zone ist in ihrem ganzen Umfange oder doch bis in die
Nähe des vorderen Randes glatt und vertieft, eine weite Grube, F'ossa jugu-
laris, mit scharfen Rändern oder, in der natürlichen Lage des Schläfenbeins,
eine Kuppel, die sich über den oberen und vorderen Theil des Ursprungs
der V. jugularis an der Schädelbasis wölbt. Ueber die Mitte dieser Grube
!) Vagina proc. styloidei,
Hintere
äussere
Fläche.
144 Schläfenbein.
zieht, parallel der Längsaxe der Pyramide, eine seichte Furche, Swleus r.
auricul. vugi, und am seitlichen Ende dieser Furche, dicht am Rande der
Fig. 144. Fossa jugularıs, liegt eine feine Oeffnung,
die in den Can. mastoideus führt. Dieser
Canal, zur Aufnahme des genannten R. aur.
vagi bestimmt, verläuft durch die Dicke des
Felsentheils, dann an der Grenze des Fel-
sen- und Warzentheils in transversaler und
etwas aufwärts convexer Richtung und in
zwei AbtheilungeMfvon welchen die erste
(mediale) von der Fossa jugularis bis in
den Can. facialis, die zweite (laterale) vom
Can. facialis bis zur Fissura tympanico-ma-
stoidea reicht, in welcher er, gegen das Ende
meistens gabelig getheilt, mit zwei feinen
Oeffnungen mündet. F
In der dritten Zone ist die vordere Hälfte eine grosse, kreisrunde
Oeflfnung, der Eingang des Can. caroficus : die hintere Hälfte nimmt eine
trichterförmige, dem Abdruck einer flachen, dreiseitigen Pyramide ähnliche
Grube ein, aus deren Spitze eine rundliche Oeffnung zum Aquaeductus
cochleae führt (Ap. ext. Ag. c.), der, gleich dem Aquaeductus vestibuli, die
Verbindung der äusseren Beinhaut mit der Beinhaut des Labyrinthes vermit-
telt. Ein scharfer Kamm scheidet die Fossa jugular. von dem Eingange des
Can. earoticus, ein stumpferer Kamm, der sie von der Apertura ext. aquae-
ductus cochleae scheidet, stösst mit seinem hinteren Ende aufden Proe. in-
frajugularis (Fig. 143) des hinteren Randes der Pyramide. Dicht vor der
Mitte dieses Kamms und genau am hinteren Rande des For. caroticum liegt
flach oder in einem seichten Grübchen 2) die feine Apert. inf. Can. tympaniei.
die den gleichnamigen Nervenast (vom N. glossopharyngeus) auf- und seit-
wärts in die Paukenhöhle führt. Eine noch etwas feinere Oeffnung findet
sich, von dem Eingange des Can. caroticus aus sichtbar, in der hinteren Wand
des aufsteigenden Theils des letzteren; von ihr geht ein Canälchen aus,
welches in ziemlich gleicher Richtung mit dem Can. tympanicus die dünnere
oder dickere Knochenwand zwischen Paukenhöhle und Can. caroticus durch-
setzt. Die Oeffnung und das Canälchen heissen nach dem Nervenzweig,
den sie einschliessen F'or. und Can. carolicolympanieus.
Die vierte Zone entspricht in ihrer vorderen (lateralen) Hälfte, die sich
gegen den medialen, gewöhnlich etwas ausgeschnittenen Rand hin zuschärft,
dem Boden des carotischen Canals, in der hinteren (medialen) Hälfte der
massiven Spitze der Pyramide; sie ist unregelmässig, rauh, von einer Masse
feiner Ernährungslöcher durchbohrt; der massive Theil, der sich übrigens
auch bezüglich seiner inneren Textur der spongiösen Knochensubstanz nä-
hert, ist öfters von tiefen Furchen oder Gruben durchzogen, die von Fort-
setzungen des Faserknorpels, welcher das For. lacerum schliesst, ausgefüllt
werden. Gegen den vorderen Rand glättet sich dieser Theil der vorderen
unteren Fläche allmälig und biegt ebenso allmälig in die vordere innere Flä-
Fst
\) Fossula petrosa.
Schläfenbein. 145
che des Felsentheils um, die die Furche zur Aufnahme der knorplichen
Tuba von hinten her begrenzt.
Var. Der Proc. styloideus besteht aus zwei oder selbst mehreren, durch Syn-
chondrose verbundenen Abtheilungen.
Neben den feinen Mündungen des Can mastoideus in der Fissura tympanico-ma-
stoidea, neben der Apertura inf. can. tympanici und dem Aquaeductus cochleae kom-
men Ernährungslöcher vor, von welchen die betreffenden Oeffnungen manchmal
schwer zu unterscheiden sind. Von dem einen oder anderen der in der Fissura tyın-
panico-mastoidea befindlichen Löcher geht zuweilen ein feines Canälchen aus, das in
der Tiefe des knöchernen Gehörganges ausmündet. Statt eines N. und Can. caro-
tico-tympanicus finden lich: selten zwei feinere. Auch aus der Fossa jugularis
fuhren mitunter feine Löcher gerade aufwärts in die Paukenhöhle.
Die Höhle desGehörapparats, welche das Schläfenbein von einer Gehörhönle
Seite zur anderen durchzieht, hat, im Grossen und Ganzen betrachtet, die Form
eines liegenden Y; der Theil der Höhle, welcher dem Fuss des Y entspricht,
ist parallel der Längsaxe des Felsentheils median- und vorwärts, die bei-
den divergirenden Schenkel sind neben einander, jedoch nicht in ganz glei-
cher Höhe, seit- und rückwärts gerichtet (Fig. 145).
Fig. 145. Der Vorsprung, an welchem
sich der einfache Canal in zwei
Arme bricht, wird vomMargo !ym-
panicus des Schuppentheils und
von der convexen Aussenfläche des
Warzenfortsatzes mit der daran
lehnenden Wand des Paukentheils
gebildet. Der. Schenkel, welcher
unter dem Paukenrand des Schup-
pentheils und längs der Aussen-
fläche des Warzenfortsatzes ent-
schiedener transversal verläuft, ist
der äussere Gehörgang, Meatus
acust.ext.,.der einfache Canal in
Verbindung mit dem anderen me-
Rechtes Schläfenbein, Horizontaldurchschnitt der dialen und mehr in der Flucht des
Pyramide. } Horizontaldurchschnitt der vorderen einfachen Canals gelegenen Schen-
Wand des Paukentheils. /a. Gehörlabyrinth. | Er ? i -
Tt. Untere Fläche des Tegmen tympani. Stu. kel stellt die Höhle des mittleren
Septum tubae. Cca. Untere Fläche der obe- Ohrs dar.
sen Wand des Cam. carot. Die Höhle des mittleren Ohrs zer-
fällt, wie schon bei der allgemeinen
Beschreibung des Schädels angegeben wurde, in drei nur unvollkommen
gegen einander abgegrenzte, neben oder hinter einander gelegene Abthei-
lungen. Die mittlere Abtheilung, welche sich der Einmündung des äusse-
ren Gehörgangs gerade gegenüber befindet, ist diePaukenhöhle, Cavum
Zympani; aus ihr geht vor- und medianwärts der Can. musculolubarüus,
rück- und lateralwärts das Antrum mastoideum hervor. Die Paukenhöhle
und der Can. musculo-tubarius haben im Wesentlichen die gleiche Form
und Begrenzung. Die Grundform beider Höhlen: ist die eines dreiseitigen
Prisma, mit einer hinteren Wand, einer dachförmig geneigten oberen und
Henle, Anatomie. Thl. I. 10
146 Schläfenbein.
einer schräg aufsteigenden vorderen oder unteren Wand (vgl. Fig. 125 —
127). Die hintere Wand ist identisch mit derjenigen Fläche des Felsentheils,
die ich die äussere vordere genannt habe: sie ist also etwas abwärts und
stark lateralwärts gerichtet. Die obere Wand haben wir als Paukendecke
beschrieben, sie scheidet das mittlere Ohr von der Schädelhöhle. Die vor-
dere Wand, ebenfalls stark zur Seite gekehrt, ist zum Theil identisch mit
der vorderen äusseren Wand der Pyramide und gehört, so weit sie den
Can. musculo -tubarius begrenzt, dem Paukentheil des Schläfenbeins an.
Wo nun aber die vordere Wand dieses Knochentheils auf ihrem Weg von
der Mündung der Tuba zum Porus acust. ext. aus der diagonalen Richtung
in die eigentlich laterale übergeht und vordere Wand des äusseren Gehör-
gangs wird, da wird die Stelle einer vorderen Wand der Paukenhöhle durch
eine Membran, das Paukenfell, vertreten, die in gleicher Flucht mit dem
Paukenrand der Schuppe und mit der medialen Wand des Paukentheils von
jenem zu diesem herübergespannt ist. Eine schmale und seichte Furche,
Sulcus tympanicus (Fig. 146B), zwischen zwei parallelen, feinen
Fig. 146 A.
tr
Fig. 146B.
Pyramide des linken
Schläfenbeins, in den
Felsen- und Pauken-
theil zerlegt; der Fel-
sentheil von der vor-
deren äusseren Fläche,
der Paukentheil, um-
gelegt, von der ange-
wachsenen Fläche. +
correspondirende
Schnittflächen des Fel-
sen- und Paukentheils.
Tr Schnittfläche, durch
welche dieSchuppe ab-
getrennt ist. T£. Teg-
men tympani. * Mün-
dung des Can. n. petr.
prof. min. vgl. S. 141,
Leistchen, bezeichnet auf der inneren Fläche der vorderen Wand des Pan-
kentheils die Einfügungsstelle des Paukenfells. Sie steigt auf der vorde-
Schläfenbein. 147
ren Platte des Paukentheils ziemlich in der Mitte zwischen dem lateralen
und medialen Rande derselben senkrecht herab und auf der hinteren Platte
des Paukentheils unmittelbar am lateralen Rande derselben wieder hinauf.
In mancherlei Weisen wird die eben dargestellte Grundform gestört.
Die Decke der Paukenhöhle ist von sehr verschiedener Mächtigkeit und
öfters an ihrer unteren Fläche mit einer Lage zelliger Knochensubstanz be-
kleidet. Der Uebergang der hinteren Wand zur vorderen geschieht in der
Paukenhöhle und selbst im Anfang der Tuba mittelst einer Aushöhlung,
die man als untere Wand oder Boden der Paukenhöhle unterscheiden könnte.
Auch diese Wand ist meistens mit zahlreichen feinen Zellen) besetzt. Be-
sonders reich an Unebenheiten von verschiedener Bedeutung ist aber die
hintere Wand der Paukenhöhle und des Can. museulo-tubarius.
Was an dieser Wand zuerst in die Augen fällt, ist etwas über der
Mitte ihrer Höhe das Vorhofsfenster, F'enes/ra veslibuli?), eine glattran-
dige, halb-ovale oder nierenförmige, mit dem längsten Durchmesser (3mm)
parallel der Längsaxe der Pyramide und mit dem convexen Rande nach
oben gestellte Oeffnung, welche, wie das sogleich zu beschreibende schne-
ckenfenster, in die Höhle des knöchernen Labyrinthes führt. Das Vorhofs-
fenster liegt im Grunde einer mehr oder minder tiefen, trichierförmigen
Grube, nach verschiedenen Seiten von verschiedenen Wülsten überragt.
Quer über den oberen Rand desselben zieht ein halbeylindrischer Wulst,
von einer dünnen Knochenplatte gebildet, welcher sich gegen die laterale
Grenze der Paukenhöhle etwas abwärts senkt und in der Basis des Felsen-
'theils verliert. Es ist die Vorderwand des queren Theils des Can. facialis.
Fast beständig findet sich in dieser Wand, zunächst der lateralen Grenze der
-Paukenhöhle, eine ovale, mit dem längsten Durchmesser parallel der Längsaxe des
Canals gestellte Veffnung, die aber nur in ‚macerirten Knochen wegsam und am
frischen Präparate vollständig von fibröser Haut geschlossen ist.
Die Stelle des Knies des Can. facialis liegt etwa um die Länge des
Vorhöfsfensters medianwärts von der medialen Spitze des letzteren; über
dieser Spitze aber ist der Wulst des Can. facialis durch das laterale Ende
des Uun. fensoris tympani verdeckt. Das Septum tubae setzt sich nämlich
von der hinteren Wand des Can. musculo-tubarius in gerader Richtung oder
kaum ansteigend auf die hintere Wand der Paukenhöhle fort. Schliesst es
len Can. tensoris tympani vollständig, so geht sein vorderer Rand von der
Vorderwand des Can. musculo - tubarius allmälig an die Decke desselben
und endlich nach oben umgerollt an die hintere Wand der Paukenhöhle
über und lässt an der Spitze des Canals nur eine kleine Lücke zum Aus-
tritt der Sehne des M. tens. tymp. übrig. Ist aber der vordere Rand des
Septum tubae, wie dies die Regel ist, frei, so biegt er an der bezeichneten
Stelle iiber dem ovalen Fenster in einem kurzen Bogen um in ein ähnliches,
nur schmaleres und mit dem freien Rande abwärts geneigtes Plättchen,
welches oberhalb des Septum tubae und parallel demselben eine kurze
Strecke gegen die mediale Mündung des Can. museulo-tubarius zurückläuft.
Der umgebogene Theil des Plättchens, welches den Can. tensoris tympani
\
N Cellulae tympanicae.
?) Fen. owalis. F. semiovalis. M. J. Weber. 3
10*
148 Schläfenbein.
blindsackig abschliesst, wird Proc. cochleariformis genannt. Die Oeff-
nung, aus welcher die Sehne des Tensor tympani hervortritt, hat in diesem
Falle nur zur Hälfte einen knöchernen, zur anderen Hälfte einen fibrösen Rand.
Auf der anderen Seite, lateral- und etwas abwärts von der lateralen
Spitze des Vorhofsfensters und dicht vor dem Anfang des perpendiculären
Theils des Canalis facialis, löst sich von der unregelmässig zelligen Wand
derPaukenhöhle ein kegelförmiger Vorsprung ab, die Kminentia stapedü)),
dessen Spitze, von einer feinen Oeffnung durchbohrt, in gleicher Höhe mit
dem unteren Rande des Vorhofsfensters liegt und mit diesem durch ein
feines Stäbchen (von 11/gmm Länge) verbunden ist (Fig. 147). Das Kegelchen ist
hohl und umschliesst den M. stapedius, dessen Sehne durch die feine Oefl-
nung an der Spitze austritt, indess durch eine Communicationsöffuung der
Basis mit dem Can. facjalis ein Zweig des N. facialis zu dem Muskel ge-
langt. ’
Am unteren Rande des Vorhofsfensters endlich beginnt eine Wölbung,
Promontorium, welche sich ab- und medianwärts ausbreitet und nach diesen
Richtungen sanft senkt, lateralwärts aber steil und wie abgeschnitten mit
einerFläche abschliesst, welche gegen die Basis der Pyramide schaut. In dieser
Fläche liegt das bereits genannte Schneckenfenster, F'enestra cochleae?),
rundlich, mit einem Durchmesser, welcher dem kleineren Durchmesser der
Fen. vestibuli ungefähr gleichkommt, mit glatten, etwas wulstigen Rändern,
gerade unterhalb der Fen. vestibuli, durch eine Brücke von etwa 2 mm Höhe
von derselben geschieden.
Das Promontorium ist die Wand der untersten Windung der Schnecke
des Labyrinths und demnach eine Tafel der compacten Substanz, welche
nach allen Seiten dasLabyrinth begrenzt. Es ist glatt und glänzend, jedoch
durchzogen von einigen dicht unter der Oberfläche verlaufenden Canälchen,
welche meistens in grösseren Strecken durch Schwinden der dünnen Knochen-
decke sich in Furchen umgewandelt zeigen. Unter diesen Furchen oder Canäl-
chen ist das ansehnlichste ein Theil des Can. fympanieus (in welchem der
)) E. pyramidalis s. papillaris.
®) Fen. zotunda.
Schläfenbein. 149
N.petrosus sup. min. und derN. tympanicus glossopharyngei in einander über-
gehen). Der Can. tympanieus läuft von der oberen Oeffnung auf der vorderen
inneren Wand der Pyramide (S. 140) an lateralwärts, erst eine kurze Strecke
der Längsaxe der Pyramide parallel, dann hinter dem Can. tensoris tym-
pani, oder in einer Furche der hinteren Wand des letzteren steiler abwärts
und gelangt unter dem Proc. cochleariformis, nahe an der medialen Spitze
des Vorhofsfensters, in die Paukenhöhle. Weiter geht er als Canal oder
Rinne in einer geraden oder gebrochenen und mit dem Scheitel median-
wärts gerichteten Linie auf dem Promontorium nach unten und verlässt die
Paukenhöhle wieder durch ein Canälchen des Bodens derselben, welches
unterhalb des Schneckenfensters beginnt und medianwärts absteigend mit
der Ap. inf. can. tympanici (S. 144) mündet.
Etwa von der Mitte des Paukenhöblentheils des Can. tympanicus, bald
von Einem Punkte, bald gesondert, gehen zwei oder drei Furchen in media-
ler Richtung ab, Nervenzweige zu oder von dem N. tympanieus führend.
Die obere Furche (Suleus n.petr.prof. min.) setzt sich sanft ansteigend bis
in die Tuba fort und geht an dem medialen Ende der letzteren in den
gleichnamigen Canal (S. 141) über. Die untere Furche oder die beiden
unteren, Sulei carofico-tympanici, gehen gerade oder leicht gebogen ab-
wärts und stossen auf die Foramina carotico-tympanica in der Wand des
Can. caroticus.
Noch sind zwei Oeffnungen in der Paukenhöhle zu erwähnen, die Ein-
und Austrittsstelle der Chorda tympani, welche beide dicht hinter dem An-
heftungsrande des Paukenfalls liegen. Die Eintrittsstelle oder die Apertura
/ympanica Can. chordae (Fig. 148) findet sich am seitlichen unteren
Rande des Paukenfells und am Boden. der Paukenhöhle in der Ecke, welche
die hintere Wand der Paukenhöhle mit der vorderen bildet; die Austritts-
stelle ist die Fissura petro-tympanica, hinter dem medialen oberen Rande
des Paukenfells, in der Ecke, in welcher die hintere und die obere Wand
der Paukenhöhle zusammenstossen.
Die Paukenhöhle verjüngt sich nach vorn zum Can. musculo-tuba-
rius durch Verschmälerung und gegenseitige Annäherung ihrer drei Wände.
Indem die Decke an Breite abnimmt, rücken die hintere und vordere Wand
näher zusammen; indem die obere Wand sich zugleich mit dem vorderen
Rande etwas abwärts neigt, dagegen die Neigung der vorderen Wand ge-
ringer wird, und endlich die hintere Wand entsprechend der Wölbung des
Can. caroticus gewölbt vorspringt, wird der sagittale Durchmesser des Can-
musculo-tubarius noch mehr beeinträchtigt. Die Höhe desselben aber min-
dert sich theils durch eine geringe Senkung der Decke, theils und in be-
deutenderem Grade durch Aufsteigen des Bodens von der Stelle an, wo der
Boden des mittleren Ohrs zugleich laterale Wand und Decke des Can. ca-
roticus ist.
Die dritte am meisten seit- und rückwärts gelegene Abtheilung des mittleren
Ohrs, das Antrum mastoideum (Fig. 148), ist eine unregelinässig geformte
Höhle mit zelligen Wänden, deren’ Decke eine unmittelbare Fortsetzung der
Decke der Paukenhöhle ist, deren seitwärts gerichtete hintere Wand, gleich
der entsprechenden Wand der Paukenhöhle, von dem Felsentheil gebildet
‚wird, deren vordere medial gerichtete sehr unregelmässige Wand aber dem
150 Schlätfenbein.
Zitzentheil angehört. Es ist eine Höhle, welche die an den Warzentheil
angewachsene Basis der Pyramide und den Warzentheil selbst unterminirt und
nach unten mit den Zellen des Warzenfortsatzes in Verbindung tritt. Mit
der Paukenhöhle commünieirt sie durch eine weite Oeffnung, deren unterer
Rand etwa in gleicher Höhe mit dem Vorhofsfenster liegt. Der Boden der
Paukenhöhle steigt also ebenso, wie medianwärts gegen den Eingang der
Tuba, so lateralwärts gegen den Eingang des Antrum mastoideum auf.
Can. facialis. Hinter der Paukenhöhle verläuft der Can. facialis (Fig. 148). Aus
dem Grunde des Meat. acust. int. geht er, von der Richtung dieses
Canals etwas nach vorn abweichend, eine kurze Strecke weit fort und biegt
dann rasch und fast rechtwinkelig nach hinten um. Die Umbeugungsstelle,
Genu Can. facialis ist es, wo sich der Can.nervipelr.superf. maj. mit dem
Can. facialis vereinigt. Nach der Vereinigung läuft der letztere anfangs in
der Flucht des ersteren und über dem Vorhofsfenster lateralwärts; allmälig
aber wendet er sich im Bogen nach unten, um an der äusseren hinteren
Fläche des Felsentheils, am F'oramen stylomastoideum auszumünden. Dicht
hinter dem Knie eommunieirt der N. faeialis durch ein enges und kurzes
Canälchen mit dem Can. tympanicus. In der vorderen, der Paukenhöhle
Pyramide wie Fig. 146. Das Tegmen tympani entfernt, 7 Schnittfläche desselben. Durch
einen weiter nach hinten geführten Schnitt ist ein Theil der Pars mastoidea entfernt, der
Can. facialis und das Antr. mastoideum (Ama) geöffnet.
zugekehrten Wand.des Can. facialis ist unweit der äusseren Mündung ein
enges Loch sichtbar, derEingang des eben so engenC’un.chordae, der sich
unter spitzem Winkel vom Can. facialis abzweigt und vor- und aufwärts
durch die Dicke des Felsentheils zur Paukenhöhle verläuft, in deren laterale
untere Ecke er sich an der eben angegebenen Stelle öffnet. 5 — 6" über
dem Foramen stylomastoideum liegen einander gegenüber in der Wand des
Can. facialis die feinen Löcher, durch welche der N. auricularis vagi aus
der ersten Abtheilung des Can.mastoideus in die zweite übertritt (S. 144).
Var. Das Foramen stylomastoideum ist von unbeständigen, feinen Ernährungs-
löchern umgeben. Eine grössere Oeffnung finde ich an zwei Schläfenbeinen unse-
rer Sammlung, 3 mm Jateralwärts neben dem F. stylomastoideum, Eingang eines
Canälchen, welches ip der Paukenhöhle an der Stelle des Can. chordae mündet. Es
Schläfenbein. 151
scheint demnach, dass der Ursprung der Chorda tympani vomN. lacialis ausserhalb
des Can. facialis fallen kann.
Einige Monate vor der Geburt besteht das Schläfenbein noch aus drei geson-
derten, theils häutig, theils knorplich mit einander verbundenen Theilen, der Schuppe,
dem Paukentheil und der Pyramide, welche ohne Unterbrechung in den Warzentheil
übergeht. Zur Zeit der Geburt hängen diese drei Stücke in der Regel schon knö-
chern, jedoch theilweise noch leicht trennbar zusammen. Am festesten ist die Ver-
bindung des Paukentheils mit der Schuppe; die Nähte zwischen dem Schuppen- und
Paukentheil einerseits und der Pyramide andererseits sind aber überall noch sichtbar
und meist sind es nur vereinzelte schmale Knochenbrücken, mittelst welcher beide
Theile an einander haften und zwar die Schuppe an dem dem späteren Warzentheil ent-
sprechenden Stück und der Paukentheil an dem Rande des Felsentheils, der später
zur Crista petrosa wird Die Verknöcherung macht ohne Regel bald in der ersten,
bald in der zweiten der genannten Nähte raschere Fortschritte. Mit dem ersten
Lebensjahre pflegt sie vollendet zu sein, doch kann sich ausnahmsweise die Naht
zwischen Schuppen- und Warzentheil länger erhalten, und zwischen dem vorderen
Theile des unteren Randes der Schuppe und der Paukendecke besteht sie, wie er-
wähnt, während des ganzen Lebens.
Der Schuppentheil ist beim Neugeborenen platter, als beim Erwachsenen, gegen
den unteren Rand nur wenig medianwärts umgebogen; der Jochfortsatz geht. unter
einem spitzen Winkel fast gerade nach vorn ab; seine bogenförmige Gestalt gewinnt
er erst mit der Entwickelung des Musc. temporalis.
Der Paukentheil des Neugeborenen ist ein platter, an seiner inneren Fläche zur
Aufnahme des Paukenfells gefakzter, fast zum vollständigen Ring nach oben umge-
bogener Knochenstreif, mit dem hinteren Ende an einen Fortsatz der Schuppe und
an den Warzentheil befestigt, darunter, wo er auf den Felsentheil übergeht, über
eine Grube hingespannt, aus welcher der noch völlig knorpliche Griffelfortsatz her- °
vorragt. Der vordere Theil des Rings steigt von der unterenKante des Felsentheils
schräg auf zur Schuppe und wächst mittelst des oberen Endes ebenfalls an dersel-
ben fest. Da der abwärts ragende Theil der Paukendecke, der sich im Erwachsenen
zwischen den unteren Rand der Schuppe und den oberen Rand des Paukentheils
einschiebt, den letzteren beim Neugeborenen noch nicht erreicht, so fliesst die Fissura
petroso-tympanica mit dem Can. musculo-tubarius zusammen. (Zur späteren 'Tren-
nung beider trägt auch der lange Fortsatz des Hammers bei, welcher in der Fissura
petroso-tympanica liegt und mit den Wänden derselben verschmilzt.) — Zur Zeit
der Geburt ist der Porus acust extern. noch identisch mit dem Paukentellfalz; ein
knöcherner Gehörgang ist nicht vorhanden. Derselbe bildet sich in den ersten Le-
bensjahren durch Ansatz neuer Knochenmaterie am seitlichen (hinteren) Rande, be-
sonders des vorderen Theils des Paukenringes; doch erfolgt dieser Ansatz oft unregel-
mässig, in Gestalt platter Vorsprünge von einzelnen Gegenden des Randes, und es
entstehen so die Lücken in der vorderen Wand des knöchernen Gehörgangs, von
welchen oben S. 142 die Rede war.
Der Unterkiefer articulirt beim Neugeborenen in einem sehr seichten, kreisför-
migen Grübchen an der Wurzel des Jochfortsatzes. Wie sich der Schuppentheil
nach unten und der Jochfortsatz bogenförmig lateralwärts wölbt, wächst die Grube
im transversalen Durchmesser. Sie vertieft sich zugleich durch die Ausbildung der
vorderen Wand des Gehörgangs und des Tuberculum articulare.
Der Felsentheil ist anfangs genauer nach der Form des Labyrinths und insbe-
sondere der Bogengänge modellirt; eine tiefe, nur von Knorpel ausgefüllte Grube,
die freilich auch im Erwachsenen nicht ganz ausgeglichen wird, findet sich, mit me-
dianwärts gerichteter Oeffnung, unter dem oberen vorderen Bogengang.
An dem Warzentheil entsteht erst einige Zeit nach der Geburt die Andeutung
eines Warzenfortsatzes, doch hat im zweiten und dritten Jahre der Proc. und die
152 Schläfenbein.
Incisura mastoidea die dem reifen Zustand entsprechende Grösse. Zellig und luft-
haltig wird der Warzenfortsatz aber erst gegen die Zeit der Pubertät oder noch
später.
Der Griffelfortsatz verknöchert zum Theil von der Basis aus, zum Theil von
der Spitze aufwärts. Bevor beide Verknöcherungen einander begegnen, steht also
die verknöcherte Spitze durch Synchondrose mit dem Schläfenbein in Verbindung.
In der Fissura petro-basilaris findet sich ein oder eine Reihe platter Knochen,
welche längs dem Rande des Felsentheils vom For. jugulare bis zur Spitze des Fel-
sentheils reichen. Sie füllen am knöchernen Schädel die Spalte nicht aus, sondern
liegen beweglich in derselben und gehen daher bei der Maceration gewöhnlich ver-
loren. Am festesten haftet der der Spitze des Felsentheils zunächst gelegene Theil,
ein meist selbstständiges, platt linsenförmiges mit den Flächen horizontal gelegenes
Knöchelchen, welches mit einer rauhen Fläche in einem Grübchen des Felsenbeins
ruht und von dem vorspringenden Rande dieses Grübchens festgehalten wird ').
Die weiter hinten in der Fissura petro-basilaris gelegenen Knochenscheiben sind mit
den rauben Flächen nach der Krümmung dieser Spalte gebogen, am oberen Rande
scharf, am unteren gleich der unteren Fläche der Pyramide warzig und porös. Diete-
rich, welcher sie unter dem Namen Os raphogeminans ossis petrosi beschreibt, Gruber
(Bulletin de la classe physico-math. de Pacad. des sciences de Petersb. T. XI.S.557) u.
Schultz (a. a. ©.S.29) stellen sie mit den Nahtknochen zusammen, gleich welchen sie
zuweilen frei bleiben, zuweilen verwachsen, und zwar entweder mit der Pyramide oder
mit dem Wespenbein. Mir scheinen sie eher dieBedeutung von Epiphysen zu haben.
Sie entstehen erst zur Zeit der Pubertät, das Knöchelchen der Felsenbeinspitze aus-
genommen, welches Meckel und Zinn schon an Kinderschädeln fanden, und sie
verwachsen, allerdings zuweilen erst im späten Alter, mit dem Felsenbein. So ist es
wenigstens in der grossen Mehrzahl der Fälle; nur einmal fand ich den hinteren
Theil desKnochens der Fissura petro-basilaris mit dem Körper des Hinterhauptsbeins
und an demselben Schädel, auf der anderen Seite, zugleich mit dem Hinterhaupts
bein und der Pyramide verschmolzen.
1) Dieses Knöchelchen ist deshalb auch von mehreren Beobachtern erwähnt und unter
dem Namen des Cortesischen oder Riolanischen Knöchelchen in den Handbüchern einge-
führt worden. Den ersten dieser Namen trägt es mit Unrecht, Cortese (Miscellaneo-
rum medicinalium decades denae. Messanae 1625. p. 17) spricht von kleinen, sesamarti
gen Knochen im Sinus cavernosus, und zwar innerhalb der Arterien. Er sagt: Revolutio
arteriarum, in quarum cavitate ossicula duo reperiuntur, und weiter: Non solum in hac
parte arteriae ossicula in se continent, verum eliam in alüs, naturae providentia, um nämlich
die Arterien offen zu erhalten. Es ist unmöglich, diesen Worten ‘eine andere Deutung
zu geben, als ihnen bereits Morgagni (De sed. et caus. morb. epist. III. $. 22) ge-
geben hat, dass sie sich nämlich auf Verknöcherungen der Hirnarterien beziehen. Bes-
ser passt die kurze Beschreibung von Riolan (Osteologia. Paris 1613. p. 462), wo
von einem Knöchelchen die Rede ist, forma seminis.citrulli, in cavitate magni illius forami-
nis exterioris, quod subit penetratque carotis. Auch Winslow (Exposition anatomique
de la structure du corps humain. Paris 1732. T. I. p. 335), Meckel (De quinto pare
nervorum. Gotting. 1748. p. 21) und Zinn (Observationes quaedam botanicae et anato-
micae. Gotting. 1753. p. 40) scheinen die vordere Spitze der erwähnten Knochen-
reihe vor sich gehabt zu haben; Winslow’s sesamartiges Knöchelchen liegt nämlich zwi-
schen der Spitze des Felsenbeins und der oberen Oefinung des carotischen Canals, das von
Meckel und Zinn erwähnte Knöchelchen in dem Theile der harten Hirnhaut, welcher
‚ die obere Spitze des Felsenbeins bekleidet, zwischen dem Stamm des Trigeminus und dem
Sinus cavermnosus. Caldani, dessen Beobachtungen (Opusc. anatomica. Pataw. 1803. p.
44. Taf. II. Fig. 1.2) man mit denen von Cortese, Riolan u. s. w. zusammenzustellen
pflegt, handelt von einem platten Knöchelchen an der Aussen- (lateralen) Seite der Ar-
terie, welches durch feine Fäden der harten Hirnhaut mit den darunter gelegenen Knochen
verbunden sei, zuweilen sich bis zum Process. clinoid. post. erstrecke und ihm unter 10
Schädeln 6 Mal begegnet sei. Es mögen ihm demnach Fälle wie die oben nach Sömmer-
ring erwähnten vorgelegen haben, wo die Lingula sphenoidalis als selbständiger Knochen
bestand, und andere, wo mit dem Proc. clinoid. ein rück- und abwärts gerichteter Fort-
satz verbunden oder verwachsen war (S, 100).
TER
Scheitelbein. 153
6. Scheitelbein, Os parietale.
Die Scheitelbeine, platt, vierseitig, nach dem verticalen und sagittalen
Durchmesser des Schädels gewölbt, nehmen die hinteren ?2/; der Scheitel-
gegend und des oberen Theils der Seitenwände des Schädels ein, mit der
hinteren unteren Ecke bis nahe an die Schädelbasis herabreichend (Fig. 89).
, Sie verbinden sich
mit einander in
einer medianen
zackigen Naht,
Scheitelnaht,
Suturaparietalis!),
welche von der
Mitte des hinteren
Randes der Stirn-
beinschuppe zur
Mitte des oberen
Randes der Hin-
terhauptsschuppe
reicht. Der Rand,
an welchem beide
Scheitelbeine zu-
sammenstossen,
wird Scheitel-
rand, Margo
parietalis ?), ge-
nannt. Von dem
vorderen und hin-
teren Ende des
Scheitelrandes ge-
‘ hen unter nahezu
rechten Winkeln und einander ziemlich parallel die Ränder ab, mittelst de-
ren sich das Scheitelbein vorn an das Stirnbein, hinten an das Hinterhaupts-
bein anschliesst. Beide weichen in ihrem Verlaufe abwärts etwas nach
vorn ab, und zwar der hintere Rand stärker als der vordere, wodurch der
untere Rand, der seinerseits wieder dem oberen parallel geht, gegen den
Linkes Scheitelbein von aussen.
letzteren um Weniges verkürzt erscheint. Der vordere Rand, Mg. fron-
talis 3), ist mit dem hinteren Rande des Stirnbeins bis zur Begegnung mit
dem Temporalflügel des Wespenbeins in einer Naht, Kronennaht, Su-
tura coronalis, verbunden, welche, so weit sie quer über die eigentliche
Decke des Schädels verläuft, stark zackig, unterhalb der Schläfenlinie aber
mehr schuppenförmig ist, so zwar, dass der von innen zugeschärfte Rand
!) Pfeilnaht, Sut. sagittalis.
?) Mg. superior, sagittalis
®) Mg. coronalis
6. Scheitel-
bein.
154 Scheitelbein.
des Scheitelbeins den Rand des Stirnbeins deckt. Der hintere und wegen
der Flächenkrümmung des Scheitelbeins abwärts gerichtete Rand dieses
Knochens, Mg. ocei-
pilalis, kommt mit
dem oberen Rand der
Hinterhauptsschuppe
in einer sehr tief ge-
zackten und mit zahl-
reichen Nebenzacken
versehenen Naht, der
Hinterhauptsnaht
Sutura oceipitalis 1),
‚zusammen. Am Sei-
tenwinkel der Hinter-
hauptsschuppe setzt
sich das untere Ende
dieser Naht in ‚fast
gerader Richtung in
die Naht zwischen der
Hinterhauptsschuppe
und dem hintern
Rechtes Scheitelbein von- innen. Rande des Warzen-
theils des Schläfen-
beins fort, indess der
hintere Rand des Scheitelbeins abgerundet oder in einem stumpfen Winkel
in den unteren Rand dieses Knochens umbiesgt.
Der untere Rand, Mg. sphenotemporalis 2), besteht aus drei, im Verlauf
und theilweise auch in der Form verschiedenen Abtheilungen. Die vor-
derste Abtheilung, Mg. sphenoidalis >), die‘in horizontalem oder schräg
nach hinten absteigendem Verlauf nur eine kurze Strecke einnimmt, ist auf
Kosten der äusseren Fläche schräg abgeschnitten und verbirgt sich hinter
dem oberen Rande des Temporalflügels des Wespenbeins. Die mittelste
Abtheilung, Mg. sgquamosus, welche sich über mehr als die Hälfte der
Länge des ganzen Randes erstreckt, ist in gleicher Weise und nur noch
schräger zugeschärft, zugleich aber concav ausgeschnitten und durch radial
gegen den Ausschnitt gestellte Längswülste ausgezeichnet. Sie ist von dem
oberen Rande der Schläfenschuppe bedeckt: und mit demselben in einer
Schuppennaht (Sutura squamosa 8. s.) vereinigt. Die hinterste Abtheilung
des unteren Scheitelbeinrandes (Mg. masloideus *) ist dick, grobzackig,
gerade oder leicht auf- oder abwärts gebogen und ruht auf dem oberen
Rand des Warzentheils des Schläfenbeins. Die stumpfe Ecke, an welcher
der Mg. squamosus des Scheitelbeins in den Mg. mastoideus desselben
Knochens übergeht, springt in die Ineisura parietalis des Schläfenbeins ein.
Ni
Mi
RE
a
My
I) 8. lambdoidea.
2) Mg. temporalis aut.
?) Sie wird als quer abgestutzter vorderer unterer Winkel des Scheitelbeins unter dem
Namen Ang. sphenoid. beschrieben.
*) Ang. mastoideus aut.
Scheitelbein. 155
Die vier Winkel des Scheitelbeins können als oberer vorderer !) und
oberer hinterer?), unterer vorderer und unterer hinterer Winkel unterschieden
werden.
Die innere, concave Fläche des Scheitelbeins (Fig. 150) ist mit den-
selben Eindrücken der Hirnwindungen und der pacchionischen Drüsen ver-
sehen, wie die innere Fläche des Stirnbeins.. Voın vorderen unteren Win-
kel aus verästelt sich die tiefe, zuweilen im Anfange zu einem Canal ge-
schlossene Furche, in welcher die Vasa meningea media liegen. Meistens
geht weiter nach hinten eine zweite, feinere, ebenso verästelte Furche von
der Schläfenschuppe auf das Scheitelbein über. Längs dem Margo parie-
talis zieht sich eine hier und da unterbrochene Furche, Semisuleus sa-
gillalis, hin, welche erst durch die Verbindung beider Scheitelbeine voll-
ständig wird; sie setzt sich nach vorn in den Sulcus sagittalis des Stirn-
beins, nach hinten in den Suleus sagittalis des Hinterhauptsbeins fort und
dient, wie diese, zur Aufnahme des gleichnamigen Blutleiters. Eine kleine
geneigte Fläche ?) an der hinteren unteren Ecke (Fig. 150 *) vervollstän-
digt von oben her den Sulcus sin. transversi an der Stelle, wo er von der
Hinterbauptsschuppe auf die Innenfläche des Warzentheils übergeht.
Ueber die Aussenfläche des Scheitelbeins (Fig. 149) verläuft die
Sehläfenlinie in einem Bogen vom vorderen Rande an (etwa am oberen
Ende des unteren Viertels desselben beginnend) zum Winkel zwischen dem
Mg. squamosus und mastoideus. Sie erhebt sich mehr oder weniger gegen
den Scheitel aufwärts, ist bald nur leise angedeutet, bald scharf und selbst
wulstig; die Fläche unter ihr, Planum temporale%), flach oder gewölbt,
sticht öfters durch Glätte und Glanz gegen die Scheitelfläche des Scheitel-
beins ab, die durch eine Masse feinster Gefässlöcher ein mattes Ansehen
gewinnt. Hinter der Mitte des Mg. squamosus steigt die rinnenförmige
Spur der Art. tempor. media aufwärts.. Ueber der Schläfenlinie, in der
Mitte zwischen dem vorderen und hinteren Rande des Scheitelbeins, aber
dem unteren näher als dem oberen, liegt der Scheitelhöcker, Tuber pa-
rielale. eine platt kegeiförmige Hervorragung. Dicht am Mg. parietalis
und in geringer Entfernıng (20"m) vom hinteren oberen Winkel findet sich
öfters eine runde, die Dicke des Scheitelbeins durchsetzende Oeffnung,
Foramen parietale, in welcher ein Emissarium liegt.
Das Scheitelbein ist zuweilen durch eine Naht in eine obere und Rn, Hältte
getheilt (Sömmerring in Tiedemann und Treviranus’ Zeitschr. Bd. I. S. ı.
Taf. . Gruber, Abhandl. aus der menschl. und vergl. Anat. S. 113).
Die Verknöcherung des Scheitelbeins, welche strahlenförmig von einem Punkte,
dem Scheitelhöcker, ausgeht, lässt zur Zeit der Reife noch an allen vier Ecken
Lücken zwischen dem Scheitelbein und den angrenzenden Knochen übrig, die so-
genannten Fontanellen, Fonticui, auf welche ich später zurückkomme.
Verlaufen die Vasa meningea media in einem Canal des Scheitelbeins, so kann
im höheren Alter die äussere Wand dieses Canals durch Abnutzung schwinden
(Hyrtl, Topogr. Anat. Bd. I S. 16).
2) A. frontalis.
?) A. occipitalis.
9) Sulcus tramsversus.
*) Pl. semicirculare,
156 Oberkieferbein.
7. Oberkieferbein, Os masillae.
ee? Das Oberkieferbein, Fig. 151, der ansehnlichste Theil des Gesichts
und die eigentliche Grundlage desselben, besteht aus dem Körper und vier
Fortsätzen. Der Körper ist ein kurzer, aufrecht gestellter, hohler Halb-
eylinder, die obere Endfläche im Boden
der Augenhöhle, die untere Endfläche in
der Höhe des Gaumens gelegen, die con-
vexe Seitenwand nach aussen gerichtet, die
plane nach innen gegen die Nasenhöhle
und mit der unregelmässigen Oeffnung ver-
sehen, durch welche die eigene Höhle des
Oberkieferbeins (Kieferhöhle, Sinus
mazillarıs ) mit der Nasenhöhle commu-
nieirt. Von den Fortsätzen ragt der eine,
|pa Stirnfortsatz, Processus fronlalis 2),
\ längs dem medialen Rande der Augenhöhle
und als Seitenwand des Nasengewölbes
zum Stirnbein empor. Der zweite, Joch-
fortsatz, Processus zygomatico-
Rechtes Oberkieferbein von vorn. orbifalis 3), erhebt sich seitlich von der
Seitenwand des Körpers, indem er diese
in eine vordere, dem Gesichte, und eine
hintere, der Unterschläfengrube angehörige Hälfte scheidet, und legt
sich mit einem medialen Vorsprung seines oberen Randes wieder über
den Körper herüber, so dass er den Seitentheil des Bodens der Augen-
höhle und die Decke eines Canals darstellt, der als Can. infraorbitalis be-
schrieben werden wird. Der dritte Fortsatz, Zahnfortsatz, Processus
dentalis *), ist ein niedriger, verhältnissmässig dieker Bogen, mit einer
äusseren und einer inneren Fläche, die aus den entsprechenden Flächen
des Körpers geradezu hervorgehen, und einem unteren freien Rande, in
welchem die Wurzeln der Zähne stecken. Medianwärts ragt dieser Fort-
satz über den Körper des Oberkiefers bis zur Mittellinie und bis zur Be-
gegnung mit dem gleichnamigen Knochentheil der anderen Seite vor, mit
dem er sich in einer medianen, sagittalen Naht verbindet. Er bildet auf
diese Weise den vorderen Theil des Gaumengewölbes und den unteren
Rand des Eingangs der Nasenhöhle (vergl. Fig. 81). Der vierte Fortsatz,
Gaumenfortsatz, Processus palatinus (Fig. 152), ist eine horizon-
tale Platte, welche von dem vorderen Theile der Nasenfläche des Körpers
an der Grenze zwischen dem Körper und dem Alveolarfortsatz median-
wärts abgeht. Er erreicht mit seinem medialen Rande die Mittellinie, mit
=
2
1) Antrum Highmori.
2) Pr. nasalis.
®) Pr. malaris s. jugalis s. zygomaticus aut. Der Orbitaltheil des von mir sogenannten
Pr. zygomatico-orbitalis wird als ein Theil des Körpers beschrieben.
#) Pr. alveolaris,
Oberkieferbein. 157
seinem vorderen Rande den hinteren Rand des freien Theiles des Alveo-
5 larfortsatzes, mit dem er in der Regel bis auf
Fig. 152. Se > : ® : .
: einige leise Spuren einer Naht verschmilzt; sein
Re a hinterer Rand stösst an den Vorderrand der hori-
| zontalen Platte des Gaumenbeins, welche, in glei-
cher Fiucht mit dem Gaumenfortsatz des Ober-
kiefers, das Gaumengewölbe nach hinten ab-
schliesst.
Die Grenzbestimmungen zwischen Körper und
Fortsätzen sind meistens willkürlich; die Flächen
gehen von dem einen zu dem anderen ohne Un-
Linkes Oberkieferbein terbrechung über und nur an wenigen Stellen
von hinten. führt eine Naht oder die Spur einer solchen zu
einer schärferen Scheidung.
Den Körper begrenzen dünne Wände, an welchen zunächst mit
Rücksicht auf ihr Verhältniss zur Kieferhöhle eine äussere und innere
Fläche unterschieden werden muss. Wir beginnen mit der Betrachtung der
äusseren Flächen dieser Wände. Die äussere Fläche der vorderen Wand oder
die Gesichtsfläche des Oberkiefers (Fig. 151) ist zur Seite gerichtet und
glatt, erscheint aber von oben nach unten und von einer Seite zur anderen
etwas ausgehöhlt, weil der Zahnfortsatz, in welchen sie sich nach unten
fortsetzt, sowie der Stirnfortsatz, in welchen sie auf- und medianwärts,
und der Processus zygomatico-orbitalis, in. welchen sie auf- und lateral-
wärts übergeht, sämmtlich nach vorn vortreten. Die tiefste Aushöhlung,
Fossa mazillaris), liegt ziemlich in der Mitte der Vorderwand des
Oberkieferbeins, gleich weit vom ÖOrbital- und Alveolarrande entfernt.
Gerade über dieser Grube, &”m unterhalb des Infraorbitalrandes, findet.
sich das F'oramen infraorbitale, die vordere Mündung des gleichnami-
gen Canals, der am hinteren Rande des Bodens der Augenhöhle seinen
Anfang nimmt. Das Foramen infraorbitale ist am oberen Rande scharf;
von dem medialen Theile seiner Peripherie geht mehr oder minder schräg
medianwärts, seltener schräg lateralwärts hinauf zum Infraorbitalrande
eine feinzackige oder einfache Naht, welche häufig bis auf eine sehr feine
Linie oder Furche geschwunden, zuweilen auch ganz verwischt ist. Was
lateralwärts von dieser Naht liegt, ist Processus zygomatico-orbitalis; me-
dianwärts stellt die vordere Wand des Oberkieferbeins, indem sie mit der
oberen Wand in einer scharfen Kante fast rechtwinklich zusammenstösst,
auf der kurzen Strecke bis zur Wurzel des Stirnfortsatzes den Infraorbital-
rand dar; an ihrem medialen Rande verbindet sich die vordere mit der
medialen Wand in einer stumpfen oder scharfen Kante, welche an der
Begrenzung der Nasenöffnung Antheil nimmt.
Var. Der Infraorbitalcanal ist an seiner Ausmündung durch eine verticale
Brücke getheilt oder öffnet sich mit mehreren gesonderten Miindungen ins Gesicht.
Als Spur der ehemaligen Trennung des Os incisivum vom Öberkieferkörper will
Arnold, in höchst seltenen Fällen, eine Linie vom zweiten Schneidezahn bis über
den Rand der Nasenöffnung gesehn haben.
1) F. canina.
Körper. $
Gesichts-
fläche.
Infratempo-
ralfläche.
Orbital-
fläche.
158 Öberkieferbein.
Die Aussenfläche der hinteren Wand des Öberkieferkörpers oder die
Infratemporalffäche ist weniger seitwärts gewandt als die vordere; sie
ist von einer Seite zur anderen gewölbt und geht mittelst dieser Wölbung
Fig. 158. continuirlich in die Nasenfläche über; nach unten,
Sui gegen den Alveolarfortsatz, nimmt sie um We-
SZ u Trp - » = - = E
en niges an Breite ab. Die obere mediale Ecke, in wel-
cher die hintere, die mediale und die obere Wand
zusammenstossen, ist schräg abgestutzt mittelst
einer dreiseitigen, die Spitze abwärts kehren-
den, etwas rauhen und scharfkantigen Fläche,
an welche sich der Orbitalfortsatz des Gau-
menbeins lehnt; ich werde sie T'rigonum pa-
latinum nennen. Unten ist die zunächst an
Linkes Oberkieferbein von die Nasenfläche stossende Region der Infra-
hinten. Sz Spina zygomatica. temporalfläche durch eine vertiefte oder vor-
springende, auf die Nasenfläche sich fort-
setzende rauhe Stelle 1) ausgezeichnet, die sich mit dem Proc. pyrami-
dalis des Gaumenbeins in Verbindung setzt. Mit dem glatteren Theile
zwischen dieser Rauhigkeit und dem Trigonum palatinum bildet der ab-
gerundete mediale Rand der hinteren Wand die vordere Grenze der Fissura
spheno-maxillaris, indess der scharfe und nach der Schläfe abhängige obere
Rand dieser Wand zwischen dem Trigonum palatinum und dem Proc. zy-
gomatico-orbit. von unten her die Fissura orbit. inf. begrenzt. Seitwärts
ist die Grenze der Infratemporalfläche gegen den Proc. zygomatico-orbita-
lis häufig durch eine perpendiculäre Furche bestimmt, welche oben die
grösste Tiefe hat und nach abwärts sich verliert. Was nun die Infra-
-temporalfläche selbst betrifft, so ist sie meistens in der oberen Hälfte glatt,
nur von einer mehr oder minder schräg aufsteigenden Depression durch-
zogen, welche sich vom freien Theile des medialen Randes zu einer halb-
kreisförmigen Einkerbung in der Mitte des oberen Randes begiebt. Diese
Einkerbung ist der Eingang des Suleus infraorbilalis der Orbitalfläche,
weleher den N. und die Vasa infraorbitalia aufnimmt; in der genannten
Depression ruht der aus der Sphenomaxillargrube hervorgehende Nerv.
In der unteren Hälfte pflegt die Infratemporalfläche rauher zu sein von
feinen Poren und Gefässrinnen, und in der Mitte ihrer Höhe zeigt sie eine
oder mehrere, den Knochen schief ab- und seitwärts durchbohrende Oeff-
nungen oder Canäle, Canales alveolares postt., zu welchen und an
welchen vorüber in der nämlichen Riehtung ab- und seitwärts flachere oder
tiefere Furchen führen, N. und Vasa alveolaria supp. postt. enthaltend.
Zuweilen- findet sich noch ein Canalıs alveolaris höher oben, seitlich neben dem
Eingang in den Suleus infraorbitalıs.
Die Aussenfläche der oberen Wand oder die Orbitalfläche des
Oberkieferkörpers ist vorwärts und in noch stärkerem Maasse lateralwärts
geneigt; ihre mediale Hälfte liegt im Boden der Augenhöhle frei; der late-
rale, abhängigere Theil verbirgt sich, um den Boden des Infraorbitaleanals
») Unter Tuber s. Tuberositas mazillae wird von Manchen diese Rauhigkeit, von den
Meisten die ganze untere Hälfte der Infratemporallläche verstanden.
Öberkieferbein. 159
zu bilden, unter dem Proc. zygomatico-orbitalis, und kann erst in Verbin-
dung mit diesem beschrieben werden. Der mediale Rand der Infraorbital-
furche im Hintergrunde der Augenhöhle und weiter vorn eine Naht, welche
nur selten gänzlich schwindet, Sufura infraorbilalis, scheiden die freie
und völlig glatte Fläche, Planum orbitale, von der ganz oder theilweise
bedeckten, die ich das Planum infra-
orbitale nennen werde. Der vordere
Rand des Planum orbitale, welcher
demselben mit der Gesichtsfläche ge-
meinsam ist, der hintere Rand, wo-
durch es mit der Infratemporalfläche
zusammenstösst, die hintere mediale
Ecke, welche durch das Trigonum pa-
latinum schräg abgeschnitten ist, sind
schon im Vorhergehenden beschrieben.
So bleibt nur der mediale Rand zu be-
trachten übrig. Derselbe besteht aus
Linkes Oberkieferbein, Seitenansicht. zwei ziemlich gleich langen Abtheilun-
SkSuturalongit. imperf. ClaCristalaer.ant: gen, welche, je von der hinteren und
SlSuleus lacrymalis. MlMargo laerymalis. Yorderen Ecke an einander entgegen
und dabei sanft auf- und medianwärts verlaufend, in einem stumpfen Win-
kel oder in einer platten Zacke, Angulus ethmolacrymalis , zusammen-
treffen. Die hintere Abtheilung ist mit der-Papierplatte des Siebbeins ver-
bunden; sie ist uneben, fein gezackt oder mehr oder minder tief gekerbt;
die vordere Abtheilung hat mitunter eine kurze Strecke weit vom Angulus
ethmolaerymalis an die nämliche Beschaffenheit; gewöhnlich ist sie ganz
glatt. Ein schwacher Vorsprung theilt sie in zwei Concavitäten, von wel-
chen die hintere in der Regel den längeren Theil des Randes einnimmt,
die vordere tiefer ausgeschnitten ist. Auf den hinteren Theil stützt sich
der untere Rand des Thränenbeins; der vordere Theil, welchen man In-
eisura lacrymalis nennen kann, trägt den unteren Rand des Hamulus
laerymalis (s. Thränenbein) oder begrenzt frei von der Seite her den obe-
ren Eingang des Thränencanals. Das Verhältniss des Oberkiefers zu die-
sem Canal wird später dargestellt werden.
Var. Eine Zacke steigt von diesem Rande hinter dem hinteren Rande der
Papierplatte des Siebbeins zum Stirnbein auf (Gruber, Abh. aus der menschl.
und vergleichenden Anatomie. S.51). An einem Botokudenschädel, in der Samm-
lung des hiesigen physiolog. Instituts, findet sich in der Naht zwischen Sieb- und
Oberkieferbein, gerade unter dem For. ethmoidale ant., eine grosse Oeffnung (3mm),
welche aus der Augenhöhle direct in die Nasenhöhle führt.
Die äussere Fläche der medialen Wand oder die Nasenfläche des Nasenfläche
Öberkiefers hat den oberen Rand mit der Orbitalfläche, den hinteren Rand
mit der Infratemporalfläche, den vorderen Rand mit der Gesichtsfläche
gemein; nach unten geht sie zuvorderst sanft ausgehöhlt auf die obere
Fläche des Zahnfortsatzes, weiter hinten ebenso auf die obere Fläche
des Gaumenfortsatzes, und mit dem hintersten Drittel gerade abwärts auf
die innere Fläche des Zahnfortsatzes über. Sie ist von einer Lücke, dem
160 Oberkieferbein.
Hiatus mazillarıs }), durchbrochen, welche über ein Viertel undmanchmal
fast die Hälfte der ganzen Wand einnimmt und einen halbkreis- oder ei-
Fig. 155 oder bohnenförmigen Umfang hat. Mit
dem oberen und hinteren Theile ihres
Randes beschreibt diese Lücke einen im
Allgemeinen dem oberen und hinteren
Rande der ganzen Nasenfläche paral-
lelen, jedoch steileren und auf dem
Wege von vorn nach hinten und unten
sich allmälig von diesem Rande ent-
fernenden Bogen. Der vordere Rand
der Lücke geht in gerader oder in vor-
oder rückwärts gebogener Linie von
Rechtes Oberkieferbein von innen. der Mitte der vorderen, mit dem Thrä-
Ce Crista ethmoid. Ct Crista turbinalis. nenbein verbundenen Abtheilung des
J Ineisura lacr. Mi Margo lacrym. oberen Randes schräg ab- und rückwärts.
Im ganzen Umkreise der Oeffnung ist
die Wand dünn und scharf abgeschnitten mit Ausnahme einer kurzen Strecke
am oberen Ende des vorderen Randes, wo sie mitunter gleichsam nach
vorn umgeklappt erscheint oder mit dem concaven hinteren Rande eines
schmalen, halbmondförmigen Plättchens verwächst, welches zur Bildung
der medialen Wand des Thränencanals beiträgt und Lunula lacrymalis
genannt werden soll.
Der vor dem Hiatus maxill. gelegene Theil der Nasenfläche ist gegen
die Nasenhöhle frei,. nur von der Schleimhaut überzogen, glatt und eben;
der über, hinter und unter dem Hiatus maxill. gelegene Theil dieser Fläche
ist von den benachbarten Knochen bedeckt, uneben und stellenweise rauh.
Die Grenze beider Theile ist zuweilen vom Rande der Kieferhöhle abwärts
schroff durch einen Absatz bszeichnet, welcher dadurch entsteht, dass der hintere,
von der perpendiculäven Platte des Gaumenbeins bedeckte T'heil um die ganze
Mächtigkeit dieser Platte unter das Niveau des vorderen freien Theils zurückweicht
Ueber dem Hiatus maxill. ist die Fläche aufwärts geneigt und beson-
ders gegen den hinteren Rand hin in flache oder tiefe Zellen abgetheilt,
welche, wie bei der Beschreibung des Siebbeins angegeben wurde, die
unteren Zellen des Labyrinths dieses Knochens schliessen. Die Fläche hin-
ter dem Hiatus maxill. ist,von längeren Gefässfurchen durchzogen und mit
feinen Grübchen und Vorragungen versehen; sie dient der dünnen ver-
ticalen Platte des Gaumenbeins zur Unterlage. Weiter abwärts, unterhalb
des Hiatus maxillaris und hinter dem hinteren Rande des Gaumenfortsatzes
findet sich ein auffallend rauhes Feld, gewöhnlich von einer flachen, schräg
ab- und vorwärts laufenden Furche, Swlcus pterygopalatinus, getheilt;
in die Rauhigkeit greift eine rauhe Fläche des Gaumenbeins ein; die Furche
schliesst sich durch eine Rinne des Gaumenbeins zum Canal (Can. pterygo-
palatinus).
\) Apertura sinus max. aut. Unter diesem Namen verstehe ich den Eingang, wie er
sich an dem ungetrennten Schädel darstellt.
Oberkieferbein. 161
Die untere Wand des Körpers des Oberkieferbeins ist nach unten
durch den Ansatz des Zahnfortsatzes gedeckt.
Die Kieferhöhle entspricht in ihrer Form ziemlich genau der äus- Kieferhöhle.
seren Form des Knochens; doch erstreckt sie sich mitunter in die Basis des
Proc. zygomatico-orbitalis und frontalis. Auch gehen, von der Kieferhöhle
aus betrachtet, die Wände des Oberkieferkörpers sämmtlich abgerundet in
einander über. Der Boden ist durch einige niedere Querleisten unvollkom-
men in Fächer abgetheilt. Von der Mitte der Decke an zieht sich zur Ge-
gend des Foram. infraorbitale in der vorderen Wand ein halbeylindrischer,
nach vorn, wie er sich tiefer herabsenkt, auch an Breite zunehmender
Wulst, die untere Wand des Canalis infraorbitalis. An der inneren Flä-
che der hinteren Wand verlaufen, von der inneren Mündung der Canales
oder Foramina alveolaria aus, schmale, zuweilen verzweigte Furchen
schräg absteigend oder sanft abwärts gebogen nach vorn. Oft sind sie un-
deutlich, und zwar aus zweierlei Ursachen ; dort werden sie zu seicht, hier
ziehen sie sich ganz oder stellenweise als Canäle in die Dieke der Knochen-
wand zurück. Oft sieht man von denselben feine, lineare Gefässrinnen
abwärts gehen und sich verästeln. Die eine oder andere jener Furchen /
setzt sich in der Regel, als Furche oder Canal, Suleus s. Can. alveolar. ant.,
auf die Innenfläche der vorderen Wand bis an den Boden des Can. infra-
orbitalis fort und steht mit den Lumen des letzteren durch eine spaltförmige
Oeffnung in Verbindung. Zweige der im Infraorbitaleanal enthaltenen Ner-
ven und Gefässe gehen durch diese Oeffnung herab in die Wand oder auf
die Innenfläche der Kieferhöhle und kommen schlingenförmig mit den
durch die For. alveol. postt. eintretenden Nerven und Gefässen zusammen.
Der Stirnfortsatz, von der vorderen oberenEcke des Körpers platt En
und etwas nach hinten gekrümmt emporsteigend, hat eine äussere, Ge- )
sichts,- und eine innere, der Nasenhöhle zugekehrte Fläche; die äussere
Fläche geht aus der vorderen Fläche des Körpers unmittelbar hervor, neigt
sich aber unter einem spitzeren Winkel gegen die Medianebene;; die innere
Fläche ist eine Fortsetzung der medialen Fläche des Körpers. Die Flächen
des Fortsatzes verjüngen sich nach oben; an Dicke aber nimmt er zu ge-
gen den oberen Rand, welcher quer abgestutzt und zackig mit dem rauhen
Theil der Pars nasalis des Stirnbeins in der früher ($S. 124) beschriebenen
Weise zusammenstösst. Von dem oberen Rande an geht der vordere zuerst
ab- und etwas vorwärts, und ist, so weit er diese Richtung einhält, mit dem
lateralen Rande des Nasenbeins verbunden; sodann, etwa in der Höhe des
tiefsten Theils des Augenhöhlenrandes, wendet er sich scharf und frei unter
einem stumpfen, gewöhnlich abgerundeten oder abgestutzten Winkel rück-
und etwas seitwärts, um sich in den Rand des Oberkieferkörpers fortzu-
setzen, welcher die knöcherne Nasenöffnung begrenzt. Der hintere Rand
des Nasenfortsatzes (Fig. 155) beginnt oben abgerundet, weicht aber bald
in zwei scharfe Kanten auseinander, welche eine Hohlkehle zwischen sich
schliessen, die, je weiter abwärts, um so mehr an Tiefe und Breite zunimmt.
Diese Hohlkehle, Thränenfurch e, Swle. lacrym., ist die vordere Hälfte der
Thränengrube, f'ossa lacrymal.; sie schaut nach hinten, jedoch so, dass
ihre mediale Kante etwas weiter rückwärts vorspringt als die laterale. Die
letztere, Crista lacrymal. ant., ist als vorderer Rand des Sulcus lacry-
Henle, Anatomie, Thl, I. 11
162 Oberkieferbein.
malis freil)und geht, einfach ausgeschweift oder in eine niedrige, platte Zacke
erhoben, nach unten in die obere vordere mediale Ecke des Oberkieferkör-
pers, einerseits also in den Infraorbitalrand, andererseits in die Ineösura
lacrymalis über. Die mediale Kante der Hohlkehle, Mg. lacrymalis,
setzt sich weiter nach unten auf der Nasenfläche des Oberkieferkörpers
fort; oben, so weit sie über den Körper des Oberkiefers hervorragt, stösst
sie im Grunde der Thränengrube mit dem vorderen Rande des Thrä-
nenbeins zusammen ; unten, wo sie, den Schädel im Proiil betrachtet, hin-
ter dem medialen Rande der Orbitalfläche des Oberkiefers verschwindet,
krümmt sie sich von vorn-
her der Lunula lacrymalis
entgegen (Fig. 156) und
verbindet sich mit dem
vorderen Rande der letz-
teren entweder direct oder
durch Vermittlung eines
zwischen beiden empor-
steigenden platten Fortsa-
tzes (Proc. lacrymalis) der
unteren Muschel. Schliess-
lich läuft sie zum Theil
abwärts in die Nasenfläche
des Körpers aus, zum Theil
biegt sie etwa in der hal-
Transversaldurchschnitt des rechten Oberkieferbeins, dicht ben Höhe der Apertura
unter der oberen Wand. 1. Thränengrube 2. Kiefer-
höhle. 3. Can. infraorbitalis.
pyriformis fast rechtwinke-
lig nach vorn um in eine
vor- und wenig abwärts bis
zum vorderen Naseneingange verlaufende Rauhigkeit, Orista turbinalis 2),
an die der vordere Theil des oberen Randes der unteren Muschel sich an-
heftet (Fig. 155). Auf der äusseren Fläche des Stirnfortsatzes bemerkt man
zwischen unbeständigen feinen Gefässfurchen eine bogenförmig vor der
Crista lacrymalis vom oberen zum unteren Ende derselben verlaufende line-
are Rinne, Sufura longitudınalis imperfecta Weber, die Spur einer
Naht, welche die frühere Abgrenzung eines zweiten vorderen Thränen-
beins bezeichnet (Fig. 154).
In dieser Naht kommen mitunter tiefe Gruben und Ernährungslöcher, auch Oeff-
nungen vor, welche in die Nasenhöhle führen (Schultz,a.a.0.p.39. Taf. XI. Fig.1).
Rosenmüller (Partium externarum oculi humani descr. Lips. 1797. p- 17) sah zwei-
mal den Theil des Stirnfortsatzes, der an der Bildung der Thränengrube Theil hat,
abgetrennt, nur durch Harmonie mit dem Oberkieferbein verbunden.
Ziemlich beständig findet sich im unteren, breiteren Theil der Gesichtsfläche
des Stirnfortsatzes ein weites Foramen nutritium, welches in einen mehrere Linien
langen, in der Dicke des Knochens abwärts verlaufenden Canal führt.
Die innere Fläche des Stirnfortsatzes ist mit zahlreichen, feinen, meist
aufwärts verzweigten Gefässfurchen und etwa in der Mitte zwischen der
') Der Name Crista lacrymalis wird von Manchen der medialen Kante der Hohlkehle
oder auch dem ganzen, nach hinten abstehenden Plättchen ertheilt.
2) Cr. turb. inf. aut.
Oberkieferbein. 163
Crista turbinalis und dem oberen Rande mit einer stumpfen, der Crista tur-
binalis parallel verlaufenden Erhabenheit versehen. An diese, die Crista
ethmoidalis 1) (Fig. 155), fügt sich der untere Rand der vorderen Spitze
des Geruchs-Labyrinths, welcher weiter hinten sich in die mittlere Muschel
und den Proc. unecinatus theilt. Von der Fläche über der Crista ethmoidalis
trägt der vordere Theil mit den Nasenbeinen zur Bildung der Decke des
Nasengewölbes bei; der hintere Theil ist mehr rückwärts gewandt, zuwei-
len von schwach vorspringenden Leisten in Zellen getheilt, und schliesst mit
dem Thränenbein die vorderen Siebbeinzellen.
Der Processus zygomatico-orbitalis entspringt dreiseitig pris-
matisch aus der Aussenfläche des Körpers; von den drei Seitenflächen die-
ses Prisma ist die eine, auf- und medianwärts gerichtet, laterale Wand des
Can. infraorbitalis; sie geht in der ganzen Länge dieses Canals aufwärts ge-
rollt aus dem Boden desselben hervor und wölbt sich sogleich wieder median-
wärts als Decke über denselben (Fig. 156). Die beiden anderen Flächen con-
vergiren nach unten zu einer stumpfen, concaven, seitwärts stark vorsprin-
genden Kante; sie sind Fortsetzungen, die eine der vorderen, die andere der
hinteren Fläche des Oberkieferkörpers, jene vor- und abwärts, diese rück-
und abwärts über die Flächen, mit welchen sie zusammenhängen, herüber-
gebogen; die hintere Fläche zugleich auffallend glatt, die vordere öfters
mit einer Muskelrauhigkeit gerade über dem For. infraorb. versehen. Die
freie Endfläche des kurzen Prisma liegt wegen des starken Vorsprungs der
unteren Spitze mehr gegen den Horizont geneigt, als die Fläche des Kör-
pers, welche den Fortsatz trägt; jene ist nach jeder Dimension grösser, als
die an dem Oberkieferkörper angewachsene Grundfläche, besonders aber
überragt sie die letztere im Querdurchmesser mittelst ihrer lateralen Spitze
und mittelst einer Platte, in welche die, dieser Spitze gegenüberliegende
Kante sich medianwärts verlängert (Fig. 157). Diese Platte, die ich die
Lamina orbitalis des Proc. zygomatico-orbitalis nennen werde, ist die
Decke des Can.
Fig. 157. infraorbitalis, er-
streckt sich aber,
je näher der vor-
deren Oeffnung
desselben, um so
weiter median-
wärts über ihn
hinaus, und nimmt,
während sie am
hintern Rande pa-
pierdünn ist, nach
vorn wie an Breite,
Linkes Oberkieferbein ; der Proc. zygomatico-orbitalis mittelst eines so auch allmälig
schrägen, vom Can. infraorbitalis aus seit- und abwärts geführ- an Mächti ekeit zu.
ten Schnittes abgetrennt. Po Planum orbitale.. Pi Planum
infraorbitale. Sna Spina nasalis ant. Ihre obere Fläche
ist in gleichem Ni-
') Crista turbin. sup. Crista transversa.
ı1*
Proc. zygo-
matico-or-
bitalis.
164. Oberkieferbein.
veau mit dem Planum orbitale des Oberkieferkörpers; demnach geht der
Canal. infraorbitalis, je weiter nach vorn, um so weiter unter dieses Niveau
herab und die Distanz zwischen dem Mg. infraorbitalis und dem Foramen
infraorbitale wird durch die Dicke des vorderen Randes der Lamina or-
bitalis bestimmt.
Mit der oben erwähnten Endfläche des Proc. zygomatico-orbitalis hängt
die obere Fläche der Lamina orbitalis ununterbrochen zusammen. Zwar
ist die obere Fläche des Proc. zygomatico - orbitalis, die Lamina orbitalis
mit eingerechnet, deutlich in zwei Felder geschieden, ein seitliches, dreisei-
tiges, schr rauhes und zur Seite geneigtes Feld, T'uberositas zygomalica,
auf welchem das Jochbein ruht, und ein mediales, vierseitiges und glattes,
mehr horizontal im Boden der Augenhöhle gelegenes Feld. Allein die
Grenze beider Felder, eine in sagittaler Richtung gerade oder lateralwärts
convex verlaufende Linie, liegt ganz oder grösstentheils seitwärts vom Üa-
nalis infraorbitalis, fällt also noch in das Gebiet des eigentlichen Processus
zygomaticus, und zieht sich nur am vorderen Rande zuweilen über das Fo-
ramen infraorbitale weg und selbst bis zum medialen Rande der Lamina
orbitalis medianwärts hin, in welchem Falle die Lamina orbitalis durch das
Jochbein von dem Antheil an der Bildung des Mg. infraorbitalis völlig aus-
geschlossen wird.
Wegen der mannigfaltigen Varietäten in der Bildung dieses Randes verweise
ich auf die Beschreibung des Jochbeins.
An der hinteren oberen Ecke endet die 'Tuberositas zygomatica mit
einer platten, aufwärts ragenden Zacke, Spina zygomalica, welche mit
ihrem stumpfen, etwas concav.n, medialen Rande den unteren Theil der la-
teralen Begrenzung der Fissura orbitalis inferior abgiebt. An die vordere,
rauhe Fläche dieser Zacke legt sich das Jochbein in der Regel so an, dass
es über ihr und bis zur Crista zygomatica des Wespenbeins mit einem klei-
nen Theil seines Randes die Begrenzung der Fissura orbitalis infer. über-
nimmt; die hintere Fläche der Spina zygomatica (Fig. 154) ist platt und
geht in die glatte hintere Fläche des Processus zygomatico-orbitalis und
des Oberkieferkörpers über, von welchem letzteren sie indess, meistens noch
eine Strecke weit durch eine perpendiculäre Furche oder eine Art Ein-
schnitt geschieden ist. Zuweilen läuft der Can. infraorbitalis dieht neben
und sogar unter dem Ursprung der Spina zygomat., und die Platte, die den
Canal deckt, schliesst sich unmittelbar an diese Spina an; häufiger ist der
Boden der Augenhöhle von der Wurzel der Spina zygomatica bis zum Ein-
gang des Can. infraorbitalis eine einfache Platte, und es bleibt sogar der
hinterste Theil des Can. infraorbit. ungedeckt, eine offene, oder nur unvoll-
ständig vom lateralen Rande her überwölbte Rinne. Erst in einiger Ent-
fernung vom Eingang, zuweilen erst in der Hälfte seiner Länge erhält er
eine vollständige Decke durch die Lamina orbitalis, welche oben glatt, un-
ten, entsprechend der Furche der oberen Fläche des Oberkieferkörpers rin-
nenförmig ausgehöhlt und gegen den Oberkieferkörper durch eine unregel-
mässig wellenförmige oder zackige Spalte, die obenerwähnte Sutura infra-
orbitalis, abgesetzt ist, die früh obliteriren, sich aber auch noch in hohem
Alter ganz oder theilweise wegsam erhalten kann. Bleibt sie wegsam, so
geht die im Boden der Augenhöhle befindliche Naht in die $. 157 beschrie-
Oberkieferbein. 165
bene, vom Foramen infraorbitale zum Mg. infraorbitalis aufsteigende Naht
über. Der Abstand des Foramen infraorb. vom unteren Augenhöhlen-
rande längs dieser Naht giebt ein Maass der Höhe oder Mächtigkeit, wel-
che die Lamina orbitalis des Proc. zygomatico-orbitalis am vorderen Rande
erreicht, jedoch kein vollständiges. Denn es ragt von diesem Rande me-
dianwärts neben dem Foram. infraorbitale ein platter, mitunter spitzer und
bis Sem Janger Zahn (Fig. 157 *) nach unten, der zwischen zwei Lamellen
der Vorderwand des Oberkieferkörpers wie in einer Tasche aufgenommen
und demnach von der einen dieser Lamellen von vornher bedeckt wird )).
Var. Vom medialen Rande der Spina zygomatica geht abwärts zum Rande
des Oberkieferkörpers eine platte Brücke. Es entsteht dadurch ein Loch nach vorn
und unten von dem lateralen Ende der Fissura orbitalis inferior, durch welches eine
erst innerhaib der Augenhöhle von der A. infraorbitalis abgehende Alveolaris oder
Buccinatoria wieder aus der Augenhöhle austritt. Die untere Spitze des Pr. zygoma-
tico-orbital. ragt zuweilen lateralwärts weit über den Wangenhöcker hinaus und ver-
tritt demnach einen Theil des unteren Randes des Jochbeins. In einem von Diete-
rich (a. a O. S.10. Fig.4) beschriebenen Falle setzte sich diese Spitze längs dem
ganzen unteren Rand des Jochbeins bis an den Jochfortsatz des Schläfenbeins fort.
Der Zahnfortsatz zeigt auf der unteren freien Fläche, welche man
äuch den Zahnrand, Margo dentalis 2), nennt, die weiten Mündungen
von acht tiefen, sich trichterförmig verjüngenden, von dünnen Rändern
eingefassten und durch dünne Scheidewände von einander getrennten Gru-
ben (Fig. 158). Diese Gruben, Alveoli, dienen zur Aufnahme der Zahn-
wurzeln; gleich den Zähnen
nehmen sie im Allgemeinen
von vorn nach hinten an Um-
fang zu; die fünf hinteren,
für die Backzähne, sind in der
Tiefe mehrfächerig und häufig
im Grunde, gegen die Kie-
ferhöhle hin, durchbrochen ;
in den übrigen enthält der
Grund je eine feine Oeffnung
oder mehrere, dicht neben ein-
ander, durch welche die Zahn-
‘nerven und Gefässe zur Spitze
der Zahnwurzel treten. Von
den Scheidewänden -steht die
vorderste der Medianebene fast parallel; die hintersten stehen parallel
der Frontalebene und die zweite und dritte oder nur die zweite haben
eine schräge, den Uebergang vermittelnde Stellung. Auf der äusseren oder
Gesichtsfläche des Zahnfortsatzes erkennt man perpendiculäre, den Zahn-
fächern entsprechende Erhabenheiten 3); seine innere Fläche ist rauh, po-
Pzo
Oberkieferbeine von unten.
") Um diese eigenthümliche Anordnung zu sehen, muss man an einem Oberkieferbein,
an welchem die Sutura infraorbitalis wegsam ist, ein feines Uhrfedersägeblatt in den In-
fraorbitaleanal einführen und den Proc. zygomatico-orbit. durch einen schräg ab- und seit-
wärts geführten Schnitt vom Körper trennen. Der beschriebene zahnartige Fortsatz lässt
sich alsdanz mit Leichtigkeit aus seiner Tasche herausheben,
?) Mg. alveolaris, ») Juga alveolaria.
Zahn-
fortsatz.
166 -Oberkieferbein.
rös; hinten, wo sie direct in die Nasenfläche des Körpers sich fortsetzt
und an der Bildung der rauhen Fläche, an die das Gaumenbein sich an-
legt, Theil nimmt, steht sie perpendiculär; sie erhält aber, je weiter nach
vorn, um so mehr die Neigung nach unten, um sanft in die untere Flä-
che des Gaumenfortsatzes überzugehen. Als Grenzmarke zwischen beiden
Fortsätzen findet sich regelmässig am medialen Rande der unteren Fläche
und in geringer Entfernung (8””) vom Zahnrande ein halbkreisförmi-
ger Ausschnitt, Ineisura ineisiva, der sich mit dem entsprechenden Aus-
schnitt des Knochens der anderen Seite zu einer in der mediansagittalen
Naht der beiden Oberkieferbeine gelegenen, unpaaren Oeffnung, F'oramen
incisivum }), verbindet; sodann, an jüngeren Schädeln beständig, aber
auch an älteren häufig, vom hinteren Rande dieser Oeffnung ausgehend,
eine feine Naht oder Furche, Sufura incisiva, welche dem Zahnrande
parallel seit- und rückwärts läuft und etwa der Scheidewand der Alveolen
des dritten und vierten Zahns gegenüber endet. Seltener erhält sich im
Erwachsenen die Spur eines noch beim Neugeborenen normalen Theils die-
ser Naht, welcher von dem eben bezeichneten Ende vorwärts zur Scheide-
wand der Alveolen des zweiten und dritten Zahns geht.
Die obere Fläche des Zahnfortsatzes, so weit sie am Boden der Na-
senhöhle frei liegt, ist glatt, etwas nach hinten abhängig und von einer
Seite zur anderen ausgehöhlt, indem sie am lateralen Rande ausgerundet
in die Nasenfläche des Körpers, und am medialen Rande ebenso auf einen
aufwärts vorspringenden und mitunter selbst seitwärts übergebogenen
Kamm, Semicrista incisiva 2), sich fortsetzt. Auf dieser Fläche liegt an
der Grenze zwischen dem Zahn- und Gaumenfortsatz dicht an der Se-
micrista ineisiva eine runde Oeflnung, Apertura sup. Can. incisivi, und
auch von dieser sieht man, wiewohl seltener als an der unteren Fläche, die
Sutura incisiva in Form einer Rinne oder eines feinen Spalts quer herüber
und zuweilen noch an der medialen Wand des Körpers eine Strecke weit
hinaufgehen (Fig. 155). An der lateralen Wand des Can. ineisivus, auf
welchen ich sogleich zurückkomme, verläuft eine perpendiculäre Rinne,
welche die medialen Enden der Sutura incisiva der unteren und oberen Flä-
che des knöchernen Gaumens mit einander verbindet, zuweilen auch bis zu
einer geringen Tiefe als verticaler Spalt in den Knochen eindringt.
Die mediale Fläche des -Zahnfortsatzes, welche sich in einer Flucht
vom unteren Rande dieses Fortsatzes bis zum oberen Rande der Semi-
cerista nasalis erstreckt, ist rauh, von dünnen Blättern der Höhe nach durch-
zogen, mittelst welcher die Fortsätze von beiden Seiten in einander grei-
fen. Dicht unter dieser Fläche verläuft der Can. ineisivus , von der obe-
ren Mündung an ab- und etwas vorwärts, nur von einem dünnen Plättchen
medianwärts gedeckt, welches den unteren Rand der Fläche nicht erreicht
und meistens an dem einen Oberkieferbein höher oben endet als an dem
anderen. An dem einzelnen Oberkiefer ist der Can. ineisivus von der Stelle
an, wo dieses Plättchen endet, eine medianwärts offene Furche; liegen die
2) F. palatinum anterius.
°) So nenne ich die jedem Knochen zugehörige Hälfte der durch Vereinigung beider
Knochen entstehenden Crista ineisiva (nasalis aut.).
Oberkieferbein. 167
Öberkieferbeine in ihrer natürlichen Verbindung an einander, so vereini-
gen sich diese beiden Furchen zu dem unteren, einfachen Theil des Can.
Fig. 159. _ ineisivus und die Plättchen zu der medianen
Scheidewand, welche den Canal nach oben in ei-
nen rechten und linken Arm trennt (Fig. 159).
Die Semicristae beider Oberkiefer bilden, zusam-
mentretend, die mediane Crista ineisiva;, ihre
divergirenden oberen Ränder tragen den unteren
Rand des Knorpels der Nasenscheidewand. An
den hinteren steil abfallenden Rand der Crista in-
eisiva stösst die vordere, untere Ecke des Pflug-
scharbeins; vorn, gegen den Naseneingang, senkt
sich die Semicrista sanft zum Boden der Nasen-
Frontaldurchschnitt des Gau- höhle herab und ragt über denselben vor in Form
2 en einer spitzen dreikantigen Zacke, auf welche die
mediale und die obere Fläche des Proc. alveo-
laris gerade und die Gesichtsfläche seit- und abwärts umgebogen übergehen.
Beide Zacken, mit den medialen Flächen zusammengefügt, bilden den vor-
deren Nasenstachel, Spina nasalis anl. (Fig. 157).
Der hintere Rand des Zahnfortsatzes ist eine Wölbung, mittelst wel-
cher die äussere und innere Fläche dieses Fortsatzes abgerundet in einan-
der übergehen. Auf diese Wölbung setzt sich die Rauhigkeit des Oberkie-
ferkörpers, welche zur Befestigung des Gaumenbeins bestimmt ist, mehr
oder minder weit abwärts fort und es bleibt demnach unterhalb der Anhef-
tung des Gaumenbeins ein höherer oder niedrigerer Theil des hinteren
Randes frei; derselbe ist durch Muskelansätze uneben.
Rosenmüller (Diss. de singularibus et nativis ossium c. h. varietatibus,
Lips. 1804, p. 14) giebt die Beschreibung und Abbildung eines Falls, wo die Sutura
incisiva sich an der medialen Wand des Oberkieferkörpers und weiter an dem
Stirnfortsatz hinaufzieht, an dem letzteren als eine, auch auf der Gesichtsfläche des-
selben sichtbare Spalte. So weit die Spalte auf der Gesichtsfläche des Stirnfortsat-
zes verläuft, hat sie die nämliche Richtung, wie die oben erwähnte Spur der Ab-
trennung eines vorderen Thränenbeins.
Der Can. ineisivus ist von sehr wechselnder Weite; die mediale Scheidewand
desselben endet bald hoch oben, bald reicht sie bis zur unteren Mündung; die Zahl
der Mündungen kann sich auf mehrfache Weise vervieltältigen. Scarpa (Anatom.
annotat. Lib. II. p. 75) schildert als normale Form diejenige, wo vor und hinter
der Scheidewand der eigentlichen Cann. ineisivi und in der sagittalen Gaumennaht
je ein unpaares Canälchen liege, beide feiner, als die Cann. incisivi, das vordere
noch feiner als das hintere. Sie seien insbesondere zur Aufnahme der Nn. naso-
palatini bestimmt, und zwar in der Regel das vordere Canälchen zur Aufnahme des
linken, das hintere des rechten Nerven. Unter 46 ohne Wahl untersuchten Fällen
habe ich 16 Mal den Can. ineisivus so getroffen, wie er oben beschrieben wurde,
unten einfach und oben durch eine mediane Scheidewand getheilt, häufig jedoch die
linke und rechte Abtheilung von verschiedener Weite. Einmal war der obere Theil
des Canals unwegsam, von den Eingängen am Boden der Nasenhöhle war nichts zu
sehen ; am Gaumen fand sich eine, in zwei blinde Löcher führende Grube. In den
übrigen Fällen war die Gaumenmündung des Can. incisivus in drei oder vier, ein-
mal in fünf Oeffnungen getheilt. Am häufigsten (17 Mal) bestand in der Mitte vor
Gaumen-
fortsatz.
168 Oberkieferbein.
den beiden regelmässigen Canälen ein unpaarer, medianer, auf die Nasenscheide-
wand stossender und demnach blinder Gang, der einem Ernährungsgefäss diente.
Seltener (3 Mal) kam ein solcher Gang hinter den Mündungen des Can. ineisivus
vor. In anderen Fällen verdreifachte sich die Gaumenmündung durch eine frontal
oder sagittal gestellte Scheidewand des einen der beiden regelmässigen Canäle und
zwar bald des rechten, bald des linken. Vier Gaumenöffnungen entstehen entweder
durch eine derartige Theilung beider Canäle oder durch Theilung des einen bei
gleichzeitiger Anwesenheit eines blinden Ernährungsloches. Oft stehen die Gaumen-
mündungen symmetrisch im Dreieck oder im Kreuz, indess die Canäle unsymme-
trisch, zwei in die eine, einer in die andere Nasenhöhle führen.
Der Gaumenfortsatz (Fig.158) ist am vorderen Rande auf die an-
gegebene Weise vom Zahnfortsatz geschieden, am hinteren, quer oder unre-
gelmässig wellenförmig verlaufenden Rande auf Kosten der oberen Fläche
schräg zugeschärft und mit der horizontalen Platte des Gaumenbeins in ei-
ner Art Schuppennaht, Sutura palatina transversa, verbunden. Seine obere
Fläche ist glatt und gleich der oberen Fläche des Zahnfortsatzes, deren
Fortsetzung sie ist, von einer Seite zur anderen ausgehöhlt; doch ist der
mediale Rand der oberen Fläche des Gaumenfortsatzes nur wenig aufge-
worfen und die mediale Fläche dieses Fortsatzes fast um die Höhe der
Crista ineisiva niedriger als die mediale Fläche des Zahnfortsatzes, mit
welcher sie den blätterigen Bau gemein hat. Die Plattenform des Pro-
cessus palatinus erlaubt, diese mediale Fläche auch als verdickten,
medialen Rand zu betrachten. Die Naht, in welcher die medialen
Flächen oder Ränder von beiden Seiten zusammenkommen, ein Theil
der Sutura palatina sagittalis, bildet gegen die Nasenhöhle einen hö-
heren oder niederen, öfters zweilippigen Vorsprung, Crista nasalis, auf
welchem der vordere Theil des unteren Randes der Pflugschar ruht. Die
untere Fläche des Gaumenfortsatzes ist rauh, von vielen Ernährungslöchern
durchbohrt, und öfters mit einer in sagittaler Richtung etwas geschlängelt
und näher dem lateralen als dem medialen Rande verlaufenden, nach vorn
sich verlierenden seichten Furche versehen, an welcher, besonders im hinte-
ren Theil, bald median-, bald lateralwärts niedere Kämme oder Spitzen
vorragen. In dieser Furche liegen die Vasa und N. pterygo-palatina.
Das Oberkieferbein des Neugehornen fällt durch seine verhältnissmässig geringe
Höhe auf, bedingt durch die mangelhafte Entwickelung des Zahnfortsatzes, der um
diese Zeit nur die Kronen der Zähne, später die viel längeren Wurzeln derselben
einschliesst. Die Kieferhöhle ist besonders im verticalen und transversalen Durch-
messer sehr seicht; ihr Boden liegt in gleicher Höhe mit dem unteren Rande des
Hiatus maxillaris; ihre Decke reicht lateralwärts noch nicht bis zum Boden des
Can. infraorbitalis. Von den Vorragungen an der Vorderfläche des Kiefers, welche
den Alveolen entsprechen, ist besonders die des dritten Zahns deutlich und stark
gewölbt. Die Sutura infraorbitalis ist zur Zeit der Geburt eine wegsame Spalte ;
dem Fortsatz, welcher sich vom Proc. zygomatico-orbitalis über den Suleus infraor-
bitalis des Oberkieferkörpers medianwärts herüberlegt, um mit seinem unterer Rande
den oberen Rand des Foramen infraorbitale zu bilden, begegnet ein lateralwärts vor-
ragender, schräg abgestutzter Fortsatz des Körpers anfünglich in einer einfachen, ab-
und medianwärts verlaufenden Naht, bald aber wächst an der Vorderfläche vom
Rande des letzteren Fortsatzes eine dünne Platte über den Rand des ersteren late-
ralwärts hinaus. Die Spur der Verbindung beider Fortsätze ist auf der Gesichts-
fläche des Kiefers nicht selten schon im ersten Lebensjahre verwischt; auf der Or-
bitalfläche erhält sie sich länger.
Oberkieferbein. 169
Die Sutura ineisiva ist beim Neugebornen sowohl an der Gaumen- wie an der
Nasenfläche sehr deutlich; der Can. ineisivus ist medianwärts offen; die Wand, die
später den oberen Theil desselben nach dieser Seite schliesst, entsteht aus dünnen
und niedrigen Plättchen, welche vom vorderen Rande der Furche rückwärts, vom
hinteren Rande vorwärts wachsen.
In der Ineisura lacrymalis des Oberkieferbeins und auf dem unterhalb derselben
gelegenen Theil der medialen Fläche, welche die seitliche Wand des Thränencanals
ausmacht, bildet sich häufig ein besonderes Knöchelchen, zuerst von Rousseau
(Ann. des sc. natur. T. XVII. 1829. p. 86. pl. 5 A) unter dem Namen Os lacry-
male ext. oder unguis minor, dann von Gruber (Bulletin physico - mathematique
de lacademie des sciences de Petersbourg. T. VIII. 1850. Nro. 13) unter dem Na-
men eines Os canalis naso-lacrymalis beschrieben. Es besteht im vollkommensten
Zustand aus zwei, unter einem rechten Winkel verbundenen, dünnen Plättchen, von
welchen das eine horizontal am Boden der Augenhöhle, an der Grenze zwischen
dem Körper und dem Stirnfortsatz des Oberkieferbeins liegt, das andere, verticale,
in den Thränencanal mehr oder minder weit hinabragt, mit quer abgestutztem oder
lancettförmig zugespitztem Ende. Die Mächtigkeit beider Plättchen ist verschieden ;
meistens liegen sie papierdünn und flach auf den Wänden des Oberkieferbeins, öf-
ters sind sie mit convexen und rauhen, selbst zackigen Flächen in Vertiefungen des
Oberkiefers eingesenkt; nur ein Mal sah ich das Os lacrymale ext. in eine entspre-
chende Lücke des Oberkiefers eingelassen, so dass die Naht nicht nur auf der Or-
bital- und Nasenfläche , sondern auch von der Kieferhöhle aus sichtbar war. Die
horizontale Platte, mehr oder minder weit lateralwärts und zuweilen»auch über den
Infraorbitalrand ins Gesicht vorragend mit zackigem oder abgerundetem Rande, ver-
hält sich zur verticalen wie der einseitige und platt geschlagene Kopf eines Nagels.
Die Kante, in welcher das horizontale und verticale Plättchen zusammenstossen, kann,
gleich der Incisura lacrymalis selbst, einen Theil des oberen Randes des Thränen-
canals bilden, oder sie ‚wird von diesem Rande abgedrängt durch den Hamulus la-
erymalis, der sich mit seinem unteren Rande an jene Kante anlegt, oder durch einen
dem Hamulus lacrymalis entgegenkommenden Fortsatz des Stirnfortsatzes des Ober-
kiefers oder durch beide. Im letzteren Fall (dem von Rousseau abgebildeten)
liegt die horizontale Platte wie ein Nahtknochen im Boden der Augenhöhle lateral-
wärts vom Eingang des Thränencanals. Die horizontale Platte kann fehlen oder
auf einen schmalen Saum redueirt sein, mit welchem das verticale Plättchen gleich-
sam am Rande des Thränencanals aufgehängt ist.
Das äussere Thränenbein verwächst im reiferen Alter mit dem Oberkiefer, sel-
tener mit dem eigentlichen Thränenbein. Es scheint sich erst längere Zeit nach
der Geburt zu entwickeln. In Kinderschädeln geht vom Rande der Incisura lacry-
malis eine sagittale Spalte tief abwärts zwischen die Knochenlamellen, welehe die
mediale Wand des Oberkieiers bilden, eine Spalte, wodurch die innere, die Lunula
lacrymalis tragende Lamelle eine Strecke weit vom übrigen Knochen abgelöst er-
scheint. Vielleicht hat Gruber diese Lamelle mit dem äusseren Thränenbein ver-
wechselt, wenn er behauptet, das letztere schon bei 6- und 7monatlichen Embryonen
gesehen zu haben.
Fallen im höheren Alter die Zähne aus, so schwinden die Alveolen theils durch
Ausfüllung mit Knochensubstanz, theils durch Abnutzung.
8. Gaumenbein, Os palatinum.
Das Gaumenbein besteht aus zwei dünnen, vierseitigen, im rechten
Winkel zusammengefügten Platten, von welchen die eine, horizontale,
Pars horizontalis \), den hinteren Theil des Gaumengewölbes bildet, die
andere, verticale, Pars perpendicularis ?), vom lateralen Rande der
D) P. palatina. 2) P. nasalis. P, ascendens.
8. Gaumen-
bein,
170 - Gaumenbein.
horizontalen an, längs der Nasenfläche der medialen Wand des Oberkiefers
aufsteigt. Von der hinteren Ecke der Kante, in welcher die horizontale
und verticale Platte zusammenstossen, geht rückwärts
der Proc. pyramidalis ab und legt sich in die Inci-
Ip sura pterygoidea (des Gaumenflügels des Wespenbeins).
Nach oben, etwas unter dem Niveau des Bodens der
| Augenhöhle, theilt sich die perpendiculäre Platte des
S\Ps Gaumenbeins mittelst‘eines tiefen, fast kreisförmigen
Ausschnittes, Incisura palatina, in einen vorderen
und einen hinteren Fortsatz. Jener, der Processus
orbitalis, liegt auf dem Trigonum palatinum des
Oberkiefers; dieser, Processus sphenoidalis , setzt
„) pı, Sich mit dem Körper des Wespenbeins in Verbindung.
Die beiden Flächen der horizontalen Platte
des Gaumenbeins sind Fortsetzungen der Flächen des
a Gaumenfortsatzes des Oberkieferbeins: die obere gehört
dem Boden der Nasenhöhle an und ist wie die Fläche
des Gaumenfortsatzes, als deren Verlängerung sie er-
scheint, glatt und von einer Seite zur anderen ausge-
höhlt; die untere oder Gaumenfläche ist ebener
usa glatter als die Gen aache des Gaumenfortsatzes und nur längs dem
Seitenrande vertieft von einer an der hinteren lateralen Ecke befindlichen
ovalen und mit dem längsten Durchmesser in sagittaler Richtung gestellten,
seitwärts nicht immer ganz geschlossenen Oeffnung an, dem Floramen
pterygopalatinum (Fig. 161), auf welches ich zurückkomme. Die Vertie-
fung ist der Anfang der Furche für die Vasa
und N. pterygo-palatina, deren bei Beschrei-
bung des Gaumenfortsatzes des Oberkiefers
gedacht wurde. Der vordere Rand der hori-
zontalen Platte ist mit dem hinteren Rande
des Gaumenfortsatzes des Oberkiefers in der
schon bei diesem Knochen beschriebenen que-
ren Gaumennaht vereinigt; der hintere Rand
der horizontalen Platte ist concav, am media-
len Theile scharf, am lateralen Theile in ei-
nen abwärts ragenden Kamm umgebogen,
welcher quer hinter dem erwähnten For.
pterygo-palatinum auf den Proc. pyramikalis
übergeht und die hintere Wand einer niederen trichterförmigen Höhle
bildet, in deren Spitze jene Oeffnung sich befindet. Mit dem verdickten und
besonders nach oben aufgeworfenenmedialen Rande liegt diePars horizont. in
der sagittalen Gaumennaht, setzt in der Nasenhöhle die Crista nasalis der
Gaumenfortsätze des Oberkieferbeins fort und stützt so den hinteren Theil
des unteren Randes der Pflugschar; mit dem lateralen Rande biegt sie in
den perpendiculären 'Theil und zunächst in die mediale Wand des Canalis
pterygo-palatinus um. Die Spitze, in welcher der concave hintere Rand
mit dem lateralen zusammenstösst, setzt sich in den Proc. pyramidalis fort ;
die Spitze an der vom medialen und hinteren Rande gebildeten Ecke tritt
Fig. 160.
Horizontate
Platte.
Das linke Gaumenbein
von hinten.
Rechtes Gaumenbein von unten.
Gaumenbein. 171
mit der entsprechenden des gleichnamigen Knochens der anderen Seite zu
der platten und meist abgerundeten Spina nasalis post. zusammen.
Die perpendiculäre, mit dem oberen Ende rückwärts geneigte
Platte des Gaumenbeins deckt den hinteren Theil der medialen Wand des
Oberkiefers dergestalt, dass sie nach hinten diesen Knochen in sagittaler
Richtung, je näher dem oberen Rande,
um so weiter überragt und sich in der
Regel auch nach vorn über den Hiatus
maxillaris hinaus erstreckt. Ihr hinterer
Rand legt sich an den vorderen Rand des
Gaumenflügels des Wespenbeins und deckt
ihn von der Nasenseite her; ihr vorderer
Rand ist senr dünn und uneben; nicht
selten sendet er etwa von der Mitte
seiner Höhe einen platten, ebenfalls sehr
dünnen Fortsatz, Nasenfortsatz, Proc.
nasalis, nach vorn, der sich mit dem
unteren Rande an den unteren Rand des
Hiatus maxillaris fügt, mit der vorderen
abgerundeten Spitze den vorderen Rand
dieser Lücke erreicht und so, von unten
auf, einen Theil derselben schliesst.
Fig. 162,
Rechtes Gaumenbein, mediale Fläche.
Die Verbindung des Fortsatzes mit der betreffenden Wand des Oberkiefers ge-
schieht entweder in einfacher oder schuppenförmiger Naht und im letzteren Fall
häufig so, dass die Spitze des Fortsatzes auf die laterale Fläche der Oberkieferwand
tritt, dieselbe also nach der Kieferhöhlenseite eine Strecke weit bedeckt. Vergl.
Schultz, a. a. O. p. 51.
Die mediale Fläche der perpendiculären Platte des Gaumenbeins (Fig.
162) hat zwei parallele, sagittale, mit der hinteren Spitze wenig abwärts
geneigte Firsten, die Eine etwa in der Mitte ihrer Höhe, die andere am obe-
ren Ende unmittelbar unter oder etwas über dem Ausschnitt, welcher den
Proe. orbitalis und sphenoidalis trennt. Die untere Firste, Crista furbi-
nalis), dient, wie die gleichnamige Firste des Oberkieferbeins, der unteren
‘Muschel zur Befestigung; mit der oberen Firste, Orösta elhmoidalis 3),
welche meist nur im vorderen Theil des Knochens deutlich ist, verbindet
sich der laterale Rand der Siebbeinplatte, welche die hinteren Zellen des
Labyrinths von unten schliesst und sich medianwärts in die mittlere Mu-
schel fortsetzt.
- Die laterale Fläche der perpendiculären Platte (Fig. 163) ist in vier
perpendiculäre Felder oder Streifen getheilt. Das hinterste Feld ist von un-
beständiger Breite, nicht selten auf einen schmalen Saum redueirt, mässig
rauh, an die mediale Fläche der Gaumenflügel gefügt. Das zweite Feld,
von hinten an gerechnet, ist glatt, und im oberen Theile, wo es die mediale
Wand der Fossa sphenomaxillaris darstellt, lach; abwärts wandelt es sich
in eine Furche, Sulcus pterygopalatinus um, welche seicht beginnt und
!) Cr. turbin. inf. aut.
2) Cr. turbin. sup. aut,
Perpendi-
culäre
Platte.
172 Gaumenbein.
nach unten dadurch an Tiefe zunimmt, dass: sich vom vorderen und hinte-
ren Rande Kämme !) erheben, und je weiter nach unten, um so weiter ein-
ander entgegen über die Furche herüberbiegen, zuweilen bis zur wirklichen
Vereinigung, ja bis zur Verschmelzung über derselben. Beide Kämme sind
an ihrer medialen, dem Sulcus pterygo-palatinus zugekehrten Fläche glatt,
an ihrer lateralen Fläche rauh, und es setzt sich die Rauhigkeit des hinte-
Fig. 163. ren Kammes auf die laterale Fläche des Pro-
j cessus pyramidalis, die Rauhigkeit des vorderen
Kammes auf das dritte Feld der perpendi-
culären Platte fort. Indem sich sodann diese
rauhe Fläche, sowie die rauhe Fläche des
Processus pyramidalis an die entsprechen-
den Rauhigkeiten des Oberkieferkörpers 'anle-
gen, fügen sich die zwischen den Rauhigkeiten
befindlichen Rinnen, der Sulcus pterygo-palati-
nus des Oberkiefers und des Gaumenbeins, zum
Canalis pterygo-palatinus an einander. Je näher
der unteren Oeffnung, um so grösser wird der
Antheil, welchen das Gaumenbein an der Bildung
Linkes Gaumenbein, laterale des Canals nimmt; die untere sagittal- ovale
m Oeffnung selbst, das For. pterygo-palatinum,
ist zu seinem grössten Theil und, wenn die
perpendiculären Kämme unten zusammentreten, ringsum vom Gau-
menbein eingefasst; eine feine Naht, Fortsetzung der queren Gaumen-
naht, läuft im letzteren Falle an der lateralen Seite desselben hin. Höher
oder tiefer im Suleus pterygo-palatinus findet man zwei Löcher (selten drei
oder vier, noch seltener nur ein einziges), welche in Zweigcanäle des Can.
pterygo-palatinus, die unter zpitzen Winkeln abwärts abgehenden ('anales
palatini posteriores führen.
Var. Zuweilen öffnet sich in den Can. pterygo-palatinus ein Canälchen, welches
die perpendiculäre Platte in schräg von der medialen zur lateralen Fläche absteigen-
der Richtung durchsetzt. Auch gerade nach vorn in die horizontale Platte des Gau-
menbeins tritt ein Canälchen aus dem Can. pterygo-palatinus ein.
Das vorderste Feld der perpendiculären Platte, von sehr wechselnder
Form und Ausdehnung, ist glatt, schaut in die Kieferhöhle und setzt sich
in die laterale Fläche des Nasenfortsatzes, wenn ein solcher vorhanden ist,
ohne Unterbrechung fort.
Proc. py- Der Pr. pyramidalis sitzt in Form eines Steuerruders am hinteren
ramidalis. Rande der perpendiculären Platte, ein rechtwinkeliges Dreieck, die Eine
Kathete mit diesem Rand verwachsen, die andere in der Flucht des unteren
Randes der perpendiculären Platte, die schwach ausgehöhlte Hypothenuse
rück- und aufwärts gerichtet. Der Fortsatz entspringt dünn von der per-
pendiculären Platte, verdickt sich aber gegen die freien Ränder und zwar
vorzugsweise nach der lateralen Fläche hin, so dass diese Fläche von der
lateralen Fläche der perpendieulären Platte unter einem stumpfen Winkel
») Orista longitudinalis ant. und post.
Gaumenbein. 173
lateralwärts abweicht (Fig. 160.161). Die Verdiekung beginnt mit dem den
Suleus pterygo -palatinus
von hinten her begrenzen-
den Kamme ; mit der bereits
erwähnten, vom Rande
dieses Kammes auf die
laterale Fläche des Proc.
pyramidalis sich erstrecken-
den Rauhigkeit legt sie
sich an die rauhen Stellen
der medialen Wand und
des hinteren Randes des
Körpers und des Zahnfort-
satzes des Oberkiefers ah;
weiter rückwärts ragt ein
kleiner glatter Theil dieser
ah e Fläche (Fig. 163.164 p) frei
aumen nebst den die Choanen begrenzenden Knochen .. . >
von unten. Ppt. Processus pterygoidei. über den hinteren Rand
des Oberkiefers nach hinten.
Die mediale Fläche des Pr.
pyramidalis ist fast ganz
von einer tiefen und rauhen Rinne (Fig. 160—162*) eingenommen, welche
den vorderen Rand der medialen Platte des Gaumenflügels des Wespen-
beins umfasst. An diese Rinne stösst, schon dem hinteren Rande des Proc.
pyramidalis angehörig, die glatte, ausgehöhlte, dreiseitig spitzwinkelige und
mit der Spitze nach oben gerichtete Fläche, welche in der Fissura ptery-
goidea zwischen den auseinanderweichenden Platten des Gaumenflügels im
Grunde der Fossa pterygoidea zum Vorschein kommt (ebend. **). Weiter
seitwärts folgt die rauhe Rinne, in welche der vordere Rand der latera-
len Platte des Wespenbeinflügels eingefügt ist (160. 161. 163. ***). Die oben
erwähnten Canales palatini post., welche, vom Sulcus pterygo-palatinus aus,
in der Dieke des Proc. pyramidalis abwärts laufen, münden in der Regel
mit zwei Oeffnungen, F'oramina palalina posleriora, neben einander
auf dem unteren, wulstigen Rand dieses Fortsatzes, auf und hinter dem
Kamme, der in transversaler Richtung hinter dem Foramen pterygo-palati-
num verläuft.
Grösse, Zahl und Form dieser Canäle und Löcher sind veränderlich. Zuweilen
wird der am meisten seitlich gelegene Can. palatinus post. gleich dem Can. ptery-
go-palatinus von Rinnen des Gaumen- und Oberkieferbeins zusammengesetzt.
Von den beiden vom oberen Ende der perpendiculären Platte aus-
gehenden Fortsätzen ist der vordere seitwärts gekrümmt, um auf dem
Körper des Oberkiefers zu ruhen, der hintere im Bogen medianwärts ge-
richtet, um längs der medialen Wurzel des Gaumenflügels sich an die un-
tere Fläche des Wespenbeinkörpers anzulegen (Fig. 160. 164).
Der Proc. orbitalis ist eine dreiseitige hohle Pyramide, die Spitze
seit- und vorwärts, die der Grundfläche entsprechende Seite median- und
etwas rückwärts gewandt; die Stelle der Grundfläche nimmt ganz oder
grösstentheils eine weite Oeffnung ein, die in die trichterförmige Höhlung
Proc.
orbitalis,
174 Gaumenbein.
der Pyramide führt (Fig. 162); der Rand der Oeffnung liegt in gleicher
1 Flucht mit dem hinteren oberen zel-
ligen Theil der Nasenfläche des Ober-
kiefers und verbindet sich mit dem
Rande der Siebbeinzelle, welche der
Proc. orbitalis von der Seite her zu
schliessen bestimmt ist. Was von der
Grundfläche des Proc. orbitalis hin-
ter dieser Oeffnung übrig bleibt, legt
sich vor die laterale untere Ecke der
vorderen Wand des Wespenbeinkör-
pers und trägt, wenn diese Wand un-
vollständig ist, zur Schliessung der
Wespenbeinhöhle bei. Von den drei
in der Spitze der Pyramide zusam-
menstossenden, dreiseitigen Seitenflä-
chen ist die Eine, vor- und abwärts
geneigt, mit dem Trigonum palatinum
Linkes Gaumenbein von der Seite, im Zu- des Oberkieferkörpers verbunden;
at ei uk ne die zweite, horizontale, nimmt in der
lenplatte des Stirnbeins. ff Durchschnit- Höhe der Orbitalfläche des Oberkie-
tene Wurzeln des Temporalflügels. ZLpa. fers die hintere mediale Ecke des
Tamm ee hen meinatus Bodens der Augenhöhle ein; sie stösst
an ihrem medialen Rande in einer
Naht zusammen mit dem hinteren
Theil des unteren Randes der Papierplatte des Siebbeins und reicht eine
kurze (zuweilen eine längere) Strecke weit zwischen dem hinteren Rande
der Papierplatte und dem vorderen Rande des Wespenbeinkörpers an der
medialen Wand der Augenhöhle empor. Die dritte Fläche steht, an die
Infratemporalfläche des Oberkiefers sich anschliessend, perpendieulär und
macht den oberen Theil der vorderen Wand der Fossa sphenomaxillaris
aus. Diese Fläche ist von oben nach unten ausgehöhlt und bildet so den
Anfang der Rinne, die auf der Infratemporalfläche des Oberkiefers weiter
zum Can. infraorbitalis führt; sie ist ferner von einer Seite zur andern con-
cav und wendet sich mit dem medialen Rande rückwärts, um sich an die
laterale Fläche des Wespenbeinkörpers anzuschliessen. Die Kante zwi-
schen den beiden letztgenannten Flächen (Fig. 165 k) ist der hinterste
Theil des unteren Randes der Fissura orbitalis inf.
Der Orbitalfortsatz des Gaumenbeins ersetzt demnach genau die Ecke,
welche an der Vereinigungsstelle der Orbital-, Nasal- und Infratemporal-
fläche dem Oberkiefer fehlt und verliert in dem Maasse an Umfang, als der
Oberkiefer nach dieser Seite hin vollständiger wird. Andererseits wechselt
die Ausdehnung des Orbitalfortsatzes gegen das Siebbein, indem die von
beiden Knochentheilen gemeinschaftlich gebildeten Zellen zum grösseren
Theile bald dem einen, bald dem anderen angehören. So findet sich der
Orbitalfortsatz bald auf ein flaches, gegen das Siebbein nur leicht ausge-
höhltes Plättchen redueirt, bald zu einem tiefen Trichter mit einem von
flachen Zellen umgebenen Eingang verlängert.
Fig. 165.
Gaumenbein. 175
Var. Der Orbitalfortsatz des Gaumenbeins reicht dem hinteren Rande der
Papierplatte des Siebbeins entlang und vor dem vorderen Rande des Wespenbeinkör-
pers bis zum Stirnbein hinauf (Gruber, Abh. S.4). Die Zelle des Orbitalfortsatzes
ist gegen das Siebbein geschlossen und öffnet sich dagegen in die Kieferhöhle
(M. J. Weber).
Der Proc. sphenoidalis ist ein kleines, medianwärts gebogenes
und zugleich rückwärts gelehntes Plättchen, mit sagittal abgestutztem
Rande. Dieser Rand ist breit und abgeplattet, oder scharf, und unter der
unteren Wand des Wespenbeinkörpers so herübergebogen (Fig. 164), dass
er den vorderen seitlichen Theil dieser Wand verstärkt oder, vor dem Pro-
cessus vaginalis der medialen Wurzel des Gaumenflügels, den vordersten
Theil des Falzes zur Aufnahme des oberen Randes der Pflugschar bilden
hilft.
Der Ausschnitt zwischen den beiden obenbeschriebenen Fortsätzen be-
grenzt mit der unteren Fläche des Wespenbeinkörpers, an welche die beiden
Fortsätze sich anlegen, eine runde, zuweilen unregelmässige Oeffnung, F'or.
sphenopalatinum, die Communicationsöffnung zwischen der Fossa spheno-
maxill. und der Nasenhöhle (Fig.165). Der Antheil des Wespenbeins wird
um so geringer, je mehr sich die gegen einander gekehrten Ränder des Gau-
menbeins einander zuneigen, und nicht selten wird das Wespenbein ganz
ausgeschlossen durch einen verschiedentlich gestalteten leisten - oder blatt-
förmigen oder schnörkelartig geschwungenen Fortsatz, welchen der Proc.
orbitalis von der hinteren oberen Ecke an zum Vorderrande des Processus
sphenoidalis rückwärts sendet.
Var. Das Foramen sphenopalat. ist durch ein feines Knochenplättchen ge-
theilt, welches zwischen den Wurzeln des Proc. orbit. und sphenoid. horizontal hin-
gespannt ist. — Das Gaumenbein des Neugebornen ist von dem des Erwachsenen
besonders durch die verhältnissmässig geringe Höhe der verticalen Platte und durch
die mangelhafte Entwickelung des Orbitalfortsatzes, der ein solides dünnes Plättchen
darstellt, unterschieden.
9. Thränenbein, Os laerymale.
Das Thränenbein ist ein im Wesentlichen vierseitiges Knochenplätt-
chen, seitliche Decke der vorderen Siebbeinzellen, in die Lücke gefügt, wel-
che vorn von der medialen Kante der Thränenfurche des Stirnfortsatzes
des Oberkiefers, hinten vom vorderen Rande der Papierplatte des Sieb-
Fig. 166. beins, oben und unten von den medialen Rändern
der Orbitalplatten des Stirnbeins und des Oberkiefer-
körpers eingefasst wird. Die Ränder verlaufen gerade
oder fein gezackt (Fig. 166); mitunter wird die
vierseitige Form durch grössere und unregelmässige
Biegungen besonders des hinteren Randes alterirt;
der untere Rand ist in der Regel länger als der
obere und convex. Der obere, vordere und hintere
ae hg Rand sind mit den Knochen, an welche sie angrenzen,
Be : durch einfache Nähte verbunden; nur der untere Rand
Proc.
sphenoida-
lis.
9. Thrä-
nenbein.
176 Thränenbein.
ruht, so weit er mit dem Oberkiefer in Verbindung steht, meistens mit-
telst einer breiteren, schräg ab- und medianwärts gerichteten Lippe auf
der im entsprechenden Sinne abgeschrägten Kante des genannten Knochens.
Auf der äusseren Fläche des Thränenbeins verläuft in vertiealer Rich-
tung, mit dem oberen Ende ein wenig nach vorwärts geneigt, eine scharfe
Kante. Crista lacrym. post., die sich von oben nach unten allmälig
mehr über die Fläche erhebt und am unteren Ende in eine dünne, haken-
förmig nach vorn gekrümmte Spitze, Hamulus lacrymalis, ausgeht.
Durch diese Kante wird die Fläche getheilt in ein hinteres, breiteres und
ein vorderes, schmaleres Feld. Das hintere Feld ist flach und bildet den vor-
dersten Theil der medialen Wand der Augenhöhle ; das vordere Feld, Sul-
cus lacrymalis (Fig. 166), ist in einem stumpfen. Winkel gegen das hintere
vorwärts gerichtet, von einer Seite zur anderen ausgehöhlt, und legt sich mit
seinem vorderen Rande an den hinteren Rand der gleichnamigen Rinne des
Stirnfortsatzes des Oberkiefers, um in Verbindung mit dieser die Thränen-
grube, F'ossa lacrymalis zu bilden (Fig. 167). Unten trifft die Crista
Fig. 167.
Das linke Thränenbein, in Verbindung mit dem Siebbein und Oberkieferbein. Der
Schädel um seine sagittale Axe mit der linken Gesichtshälfte abwärts gedreht. Lpa. La-
mina papyracea des Siebbeins. Prl. Proc. lacrymalis des Muschelbeins. Pf. Proc. fron-
talis. Ola. Crista lacrymalis ant. des Oberkieferbeins.
lacrymalis post. auf die hintere Ecke der Incisura laerym. (des Oberkie-
fers); der Hamulus laer. verläuft mit seinem unteren Rande auf dieser In-
eisur, je nach seiner Länge, mehr oder minder weit vorwärts. Der untere
Rand der Thränenfurche des Thränenbeins dagegen ist von der hinte-
ren Ecke der Incisura laerymalis in einem medianwärts convexen Bogen
zum medialen Rande der Thränenfurche des Oberkieferbeins hinüberge-
spannt. Indem die parallel ab- und seitwärts verlaufenden Cristae
lacrymales des Oberkieferbeins und des Thränenbeins an ihrem unte-
ren Ende durch Vermittelung des oberen Randes des Hamulus und
Muschelbein. > 177
allenfalls der Ineisura laerymalis in einander umbiegen, stellen sie eine
langgestreckte Ellipse und den oberen Rand eines cylindrischen Canals
dar, zu welchem der Zugang durch einen spitzwinkelig gegen die Axe
und von der medialen abwärts zur lateralen Wand geführten Schnitt ge-
wonnen scheint. Die Thränengrube ist die mediale Wand dieses Canals,
so weit sie durch den besagten Schnitt sichtbar geworden. Die mediale
Wand des eigentlichen Thränencanals ist
demnach die gerade Fortsetzung der Thrä-
nengrube, nur dass für den Suleus lacr.
des Thränenbeins, vom unteren Rande des
letzteren an, die Lunula lacrym. des Ober-
kieferbeins und ein Fortsatz des Muschel-
beins (Prl, Fig. 167) eintreten, dessen Be-
schreibung im nächsten Abschnitte folgt 1).
Die dem Labyrinth zugekehrte Flä-
che des Thränenbeins (Fig. 168) hat in
der Regel eine der Crista und öfters auch
Rechtes Thränenbein in Verbindung mit dem Hamulus laerymalis der Aussenseite
dem Oberkieferbein, mediale Fläche. entsprechende verticale Vertiefung, und
Zu. Lunula lacrymalis. Ct. Crista is} durch horizontale oder schräge Leist-
turbinalis des Oberkiefers. x =
chen in flache Zellen abgetheilt.
Das Thränenbeın bietet zahlreiche Varietäten dar. Es ist von feinen Canälen
durchzogen (Schultz a. a. O. p. 42. Taf. IV. Fig. | — 4), häufig von grösse-
ren oder kleineren Oeffnungen durchbrochen, und die Zahl der Löcher kann
so gross werden, dass nur eine Art Netz zarter Knochenleistchen übrig bleibt.
Es kann der Quere und der Länge nach durch Nähte getheilt oder mit der Papier-
platte des Siebbeins verwachsen, endlich durch Ausdehnung des Oberkiefer- oder des
Siebbeins oder beider theilweise oder völlig verdrängt sein. An einem Schädel (Italiener)
des hiesigen physiol. Instituts findet sich ein Thränenbein von nur 4mm jm sagittalen,
&mm jm verticalen Durchmesser hinter der Thränengrube , welche allein dem Stirn-
fortsatz des Oberkiefers angehört. In einem von Gruber beschriebenen Falle
(Müll. Arch. 1848. S. 412. T. XIV) wird das Thränenbein ersetzt durch Fortsätze
des Stirnbeins und Oberkieferkörpers, welche zwischen dem Stirnfortsatz des Ober-
kiefers und der Papierplatte des Siebbeins einander in der medialen Wand der Au-
genhöhle begegnen.
10. Muschelbein, Concha inferior.
Die Muschelbeine bestehen aus dem Körper und drei Fortsätzen. Kör-
per und Fortsätze sind dünn und platt. Der Körper ist uneben, einer Mu-
schel oder einem mit den Seitenrändern eingerollten Myrtenblatt vergleich-
bar. Mit dem längsten Durchmesser (40 ””) parallel der sagittalen Axe des
Schädels, liegt er in der Seitenwand der Nasenhöhle, die convexe Fläche
auf-, die concave abwärts gekehrt, eine Spitze nach vorn, die andere nach
!) Der unterste Theil des Suleus lacr. des Thränenbeins, welcher sich mitunter dem
Muschelbein entgegen abwärts verlängert, wird als Proc. nasalis s. laerymalis des Thrä-
nenbeins aufgeführt.
Henle, Anatomie, Thl. I. 12
10. Mu-
schelbein.
Körper.
Proc.
lacrymalis.
178 ; Muschelbein.
hinten gerichtet (Fig. 169). Die vordere Spitze ist in der Regel abgerun-
Fig. 169. det oder abgestutzt, die hintere
Th ape länger ausgezogen. Von den Rändern
des Muschelbeinkörpers ist der Eine
an die Knochen der lateralen Wand
der Nasenhöhle befestigt, der andere
weiter median- und abwärts gelegene
springt frei in die Nasenhöhle vor.
Der befestigte Rand ist scharf, der
freie wulstig. Die Flächen gleichen
denen der Siebbeinmuscheln: die con-
vexe ist, besonders in der Nähe des
unteren Randes, mit mehreren, unter-
Rechtes Muschelbein, in Verbindung mit dem brochenen, theilweise von dünnen Plätt-
Oberkiefer- und Gaumenbein, mediale Flä- chen überbrückten, der Länge nach
che. Hm En ne Lu Lunula verlaufenden Furchen versehen, wel-
RE che durch niedere Kämme und Spitzen
von einander geschieden sind; die concave Fläche ist in der Regel glatter ;
beide sind, gleich dem wulstigen Rande, siebförmig von einer Masse feiner
Poren durchlöchert. Je nachdem die Wölbung des Muschelbeinkörpers
schwächer oder stärker ist, ragt er entweder, wie ein Dach schräg median-
wärts abfallend, über den Boden der Nasenhöhle, oder er geht aus der ho-
rizontalen Lage des lateralen Theils medianwärts im Bogen in die verticale
über, rollt sich auch wohl mit dem freien Rande wieder lateralwärts um
und macht so mit seiner convexen Fläche den Boden des mittleren, mit der
concaven die Decke des unteren Nasengangs ans.
Der angewachsene oder lateraleRand des Muschelbeins ist in drei Ab-
theilungen geschieden. Die vordere, von vorn nach hinten schräg aufstei-
sende Abtheilung ist mit der Crista turbinalis des Oberkieferbeins, die
hintere, von vorn nach hinten schräg absteigende mit der gleichnamigen
Crista des Gaumenbeins verbunden; die mittlere Abtheilung ist zwischen
beiden Kämmen frei an der medialen Wand des Oberkieferbeins, welche
hier theils zurückweicht, theils durchbrochen ist, hingespannt. Von die-
ser Abtheilung gehen die Fortsätze aus. Wir haben an derselben wieder
zwei Abtheilungen zu unterscheiden: die vordere, kürzere, reicht vom hin-
teren Ende der Crista turbinalis des Oberkiefers bis an den vorderen Rand
des Hiatus maxillaris; sie setzt sich aufwärts in ein quer abgestutztes
Plättehen, den Proc. lacrymalis 2), fort, welcher, zwischen das un-
tere Ende des medialen Randes des Suleus lacrymalis und die Lunula la-
erymalis des Oberkieferbeins eingeschoben, oder auch, von der Nasenseite
ber den einen oder anderen dieser Knochentheile deckend, dem unteren
Rand des Thränenbeins begegnet und demnach, je weiter das Thränenbein
herabragt, um so niedriger und unscheinbarer wird. Der Proc. lacrymalis
des Muschelbeins wendet die mediale, etwas rauhe Fläche der Nasenhöhle,
die laterale, schwach eoncave und glatte Fläche der Thränengrube zu; die
Prı
2
') Hamulıs palatinus. ?) Processus nasalıs,
Mnschelbein. 179
quere Naht, in welcher er mit dem Thränenbein zusammenstösst, liegt in der
medialen Wand des Thränencanals (Fig. 167); die stumpfwinkliche Kante, an
welcher die laterale Fläche des Proc. laerym. in die concave Fläche des Mu-
schelbeinkörpers ausbiegt, begrenzt den Ausgang des genannten Canals (vgl.
Fig. 85). Die hintere, längere Abtheilung des freien Theiles des lateralen
Randes des Muschelbeinkörpers läuft horizontal über den unteren Theil des
Hiatus maxill. vom vorderen zum hinteren Rande desselben und schickt auf- und
abwärts platte Fortsätze, welche sich vor diese Oeffnung legen, um sie ge-
gen die Nasenhöhle hin zu verengen oder abzuschliessen. Der abwärts ge-
richtete Fortsatz, Pr. ma.xillaris, ein Theil der lateralen Wand des unteren
Nasenganges, schliesst den unterhalb des Muschelbeins befindlichen Theil
des Hiatus maxill. vollständig; es ist ein’halbmondförmiges oder vierseiti-
ges Plättchen, welches sich mit seinem freien Rande entweder auf den
Rand der genannten Oeffnung stützt oder den letzteren bald an der media-
len, bald an der lateralen Fläche etwas überragt (Fig. 170, 171). Deckt
Fig. 170. die perpendiculäre Platte des Gaumenbeins oder ein
Pr Proc. nasalis derselben einen Theil des Hiatus
N maxill., so tritt der Proc. maxill. des Muschelbeins
auch mit diesen Theilen des Gaumenbeins in Ver-
bindung, und wird um so kleiner, je enger der
Pın — Hiatus maxillar. an sich ist und je mehr er durch
das Gaumenbein verengt wird. Der Fortsatz, der
ui rer r ein, laterale _ 1 dem oberen Rande des Muschelbeinkörpers
Bet aufsteigt, um zur Schliessung des über dem latera-
len Rande des Muschelbeins in den mittleren Nasengang sich öffnenden
Theils des Hiatus maxillaris beizutragen, Pr. elhmoidalis, ist von sehr
wechselnder Grösse und Gestalt. Er entsteht in einiger Entfernung hinter
dem Thränenfortsatz, geht schräg oder im Winkel gebogen nach vorn und
vereinigt sich mittelst eines abgestutzten Randes mit dem ab- und rück-
wärts gekehrten unteren Rande des Pr. uncinatus des Siebbeins (Fig.
171). Er ist meistens schmal, oft aber auch breit genug, um mit dem hin-
Fig. 171. teren Rande sich an den a Rand
Pu der Kieferhöhle anzulegen. Häufig sieht
man ihn von. rundlichen Oeffnungen
durchbrochen, in feine Zacken ausgezo-
pe gen. Zwischen ihm und dem Thränen-
21 fortsatz kommen manchmal noch mehrere
pı kleinere, spitze oder blattförmige Neben-
fortsätze vor, welche alle unter sich und
mit dem Processus uneinatus durch eine
ı fibröse Membran verbunden sind, so dass
2 der Zugang von der Nasen- zur Kiefer-
2 i .. höhle nur oberhalb des Proc. ethmoidalis
Linkes Oberkieferbein mit dem Sieb-, Ä y
Gaumen- und Muschelbein; die Seiten- der Muschel und hinter dem Proc. unci-
wand der Kieferhöhle weggenommen. natus des Siebbeins offen bleibt.
Das Muschelbein des Neugebornen ist in keinem wesentlichen Punkt von dem
des Erwachsenen verschieden. Nicht selten verwächst es im reiferen Alter mit dem
Oberkieferbein.
12?
Proc.
maxillaris,
Proc.
ethmoidalis
180 Nasenbein.
1l. Nasenbein, Os nası.
i1. Nasen- Die Nasenbeine füllen, in einer medianen Naht an einander gefügt,
bein die Lücke aus, welche in der Decke der Nasenhöhle zwischen den media-
len Rändern der Stirnfortsätze des Oberkieferbeins und dem Nasentheil des
Stirnbeins übrig bleibt (Fig. 172). Mit ihren Flächen jederseits in die
Flächen des genannten Fort-
satzes übergehend, bilden sie
den Rücken und einen Theil
der Seitenwand der knöcher-
nen Nase. Ihr hinterer oder,
bei der geneigten Lage der
Nasendecke, oberer Rand
setzt sich gegen das über-
hängende Stirnbein, als Na-
senwurzel, ab; ihr vorderer,
breiterer Rand ist am knö-
chernen Schädel frei, leicht
gekerbt, scharf, ein Theil
; der Apertura pyriformis und
2 Epe B F R
Rechtes Nasenbein in Verbindung mit dem Sieb-, Stirn- mu Dnge Tlucht u
und Oberkieferbein, von vorn. Lpe. Lamina perpendi- freien Rande des Stirnfort-
eularis fdes Siebbeins.. Pr. Processus nasalis des satzes des Oberkieferbeins.
Burspeins An ihn ist die knorpliche
Stütze des vorderen (unteren) Theils des Nasenrückens befestigt.
Jedes Nasenbein ist eine vierseitige Platte, mit geradem medialen und
gegen das vordere Ende schräg lateralwärts abweichendem und auf Kosten
der vorderen Fläche schräg zugeschärftem lateralen Rande. Die Flächen
nehmen somit gegen den freien Rand an Breite zu. Sie sind von Einer
Seite zur anderen die äusseren convex, die inneren concav, und zwar ent-
spricht die Concavität der inneren einem kleineren Radius, als die Convexi-
tät der äusseren, weil der mediale Rand nach innen aufgeworfen ist und
einen Vorsprung in die Nasenhöhle bildet, welcher, zusammen mit dem
entsprechenden Vorsprung des anderen Nasenbeins, einen einfachen oder
Fig. 173. zweilippigen medianen Kamm darstellt. Dieser Kamm
» ruht auf dem oberen (vorderen) Rand der knöchernen
Scheidewand der Nase, und zwar auf dem medianen obe-
ren Kamm des Nasenfortsatzes des Stirnbeins und weiter
vorn auf der perpendiculären Platte des Siebbeins. In
. der Richtung von der Wurzel zum vorderen Rand ist die
Rechtes Nasenbein . 5 i
vom medialen Rand. Innere Fläche des Nasenbeins gerade oder leicht concav,
der Wurzel zunächst, wo sie den Nasenfortsatz des Stirn-
beins deckt, eine grössere oder geringere Strecke weit rauh, im Uebrigen glatt
und von einigen longitudinalen Furchen durchzogen, von welchen die tiefste
und dem lateralenRande zunächst gelegene, Sulcus elhmoidalis, Fig. 173,
zur Aufnahme des N. ethmoid. dient. Die äussere Fläche des Nasenbeins
ist, abgesehen von einigen Ernährungslöchern und sehr feinen Gefässrinnen,
Nasenbein. 181
glatt, und von der Wurzel zum vorderen Rande erst concav, dann convex.
Indem sich gegen die Nasenwurzel hin die äussere Fläche des Knochens
von der inneren allmälig entfernt, nimmt er in dieser Richtung an Mäch-
tigkeit und besonders sein medialer Rand an Höhe zu. Dieser Rand ist,
zur Verbindung der Nasenbeine unter sich, feinblätterig, oft an dem einen
Nasenbeine gewölbt, am anderen entsprechend vertieft. Der hintere Rand
ist eine rauhe, zackige Fläche, auf die oben (8. 124) beschriebene Weise
mit dem Nasentheil des Stirnbeins verbunden.
Die Form der Nasenbeine ist sehr grossen individuellen Schwankungen
unterworfen. Ihre Breite wechselt um das Vierfache; die breiten liegen
mit dem grössten Theile ihrer Fläche bald vor-, bald seitwärts gewandt,
wodurch der Nasenrücken platt oder scharf wird. Wie sehr der Winkel,
den ihre Gesichtsfläche mit der Stirn bildet, variren kann, lehrt schon die
Betrachtung lebender Köpfe.
Oft sind die Nasenbeine ungleich, das Eine auf Kosten des anderen vergrössert.
Einen Fall, wo das linke Nasenbein sich mit einem queren Fortsatz zwischen das
Stirnbein und das rechte Nasenbein eindrängt, bildet d’Alton ab (Handb. der
menschl. Anat. Bd. I. S. 40). Aehnliche Fortsätze kommen an der oberen lateralen
Ecke der Nasenbeine vor, wo sie sich zwischen das Stirnbein und den Stirnfortsatz
des Oberkieferbeins erstrecken. Der hintere (obere) Theil der Naht beider Nasen-
beine kann zackig sein oder obliteriren. Verwachsung dieser Naht in der ganzen
Länge ist selten. Diese Verwachsung, die an Affenschädelbildungen erinnert, ist
kein Racenkennzeichen; denn es kommen kaukasische Schädel mit verschmolzenen
Nasenbeinen und äthiopische mit sehr schön ausgebildeten und gesonderten Nasen-
beinen vor. Merkwürdig aber ist es, dass Mangel und die auffallendste Verkümme-
rung der Nasenbeine verhältnissmässig häufig an Schädeln fremder Racen beobach-
tet worden ist. Das hiesige physiologische Institut besitzt aus der Blumenbach’-
schen Sammlung den Schädel eines Negerkindes, an welchem jede Spur einer Ab-
‚trennung der Nasenbeine von den Stirnfortsätzen der Oberkieferbeine fehlt, die
letzteren also die Stelle der ersteren mit vertreten. Dieselbe Anomalie, an euro-
päischen Kinderschädeln, ist von Köhler (Beschreibung der physiol. und pathol.
Präp. in der Sammlung des Hrn. Loder, Leipzig 1795, S. 124) und einseitig von
J. F. Meckel (Beitr. zur vergl. Anatomie, Bd.I. Hft. 2. Leipz. 1809. S. 54) notirt.
An dem Schädel eines Kindes und eines Weibes beobachtete sie Sandifort
(Observationes anatomico- path. Lib- II. p. 130; IV. p. 136). An einem Javanesen-
schädel der Blumenbach’schen Sammlung reichen die Stirnfortsätze des Ober-
kiefers medianwärts so weit vor, dass sie zwischen den oberen Theilen ihrer me-
dialen Ränder nur eine schmale Spalte lassen, die sich abwärts erweitert; in der
Spalte liest ein plattes Knochenstück von verschoben rhombischer Form, unzer-
trennlich mit der vorderen Kante der Lamina perpendicularis des Siebbeins ver-
wachsen, höher als breit, einen spitzen Winkel aufwärts gegen den Rand des Stirn-
beins, den anderen, minder spitzen Winkel jenem gegenüber frei nach unten, die
beiden stumpfen Winkel seitwärts gerichtet. Die Breite der transversalen Diagonale
dieses Knochenstücks zwischen den stumpfen Winkeln beträgt 6Gmm. — An einem
Kafferschädel derselben Sammlung wird ein noch engerer Raum zwischen beiden
Stirnfortsätzen des Oberkiefers durch ein noch schmaleres, längliches und plattes,
aber selbstänuiges Knochenstück und durch einen vom Stirnbein herabragenden und
abwärts zugespitzten Fortsatz ausgefüllt, der sich zwischen den rechten Rand des
eben erwähnten Knochenstücks und den Stirnfortsatz des Oberkiefers eine Strecke
weit eindrängt. Die Blutgefässe des Gesichts stehen mitunter mit denen der Na-
senhöhle durch Löcher der Nasenbeine in Verbindung.
Unter dem Namen Ossa internasalia beschreibt Mayer (Archiv für phy-
siol. Heilk. 1849. S. 235) Knochen, welche, ganz oder theilweise mit einander ver-
182 Jochbein.
wachsen, in dem dreieckigen Ausschnitt des Randes der Nasenbeine, im oberen
Winkel der Apertura pyriformis, auf der vorderen Spitze der Lamina perpendicu-
Jaris des Siebbeins liegen; sie haben die Grösse etwa eines halben Silbergroschens
und kommen unter hundert Schädeln zwei bis drei Mal wohl entwickelt vor. In
der Regel verwachsen sie im späteren Alter, vom vierzigsten Jahre an; an dem
Schädel eines Neugeborenen erscheinen sie bereits in dem Knorpel der Lamina
perpendieularis hinter der Nasenspitze. (Mayer betrachtet diese Knochen als Ana-
loga der Rüsselknochen mancher Säugethiergattungen.)
12. Jochbein, Os zygomaticum.
12. Joch- Das Jochbein muss man sich zusammengesetzt denken aus zwei, unter
beit einem spitzen Winkel (60 — 70°) und mit halbmondförmig ausgeschnitte-
nen Rändern zusammengefügten Platten. Die scharfe Kante, welche durch
die Zusammenfügung beider Platten gebildet wird, ist die untere Hälfte
des lateralen und die laterale Hälfte des unteren Randes der Augenhöhle,
«verläuft demnach im Bogen erst ab-, dann median- und zugleich vorwärts.
Von den Platten macht die eine, Orbitalplatte, Pars orbitalis, den vor-
deren Theil der lateralen Wand und des Bodens der Augenhöhle aus; die
andere, Wangenplatte, Pars malaris, deckt von der Seite her den vor-
Fig. 174. deren Theil der Schläfengrube. Die
Orbitalplatte ist spitzwinklich drei-
seitig mit abwärts gerichteter Spitze,
die Wangenplatte unregelmässig
vierseitig. Beide Platten stehen
mit dem grössten Theile ihrer Flä-
chen vertical, und zwar in einer
diagonalen, die Mitte zwischen der
frontalen und sagittalen haltenden
Richtung, die Orbitalplatte von der
semeinschaftlichen vorderen Kante
median-, die Wangenplatte lateral-
wärts verlaufend. Nur die untere
4 Ar Spitze der Orbitalplatte biegt in
die horizontale, die obere vordere
Gesichtsschädel von vorn. Foi Fissura orbit. Ecke der Wangenplatt® in eine
inf. Pz Proc. zygomat. des Schläfenbeins. mehr der frontalen sich nähernde
Stellung um. Die Orbitalplatte zeigt sich demnach, wenn man den
Schädel von vorn betrachtet, von oben nach unten ausgehöhlt, die Wangen-
Pr platte von hinten nach vorn schwach gewölbt. Die Orbitalplatte wendet ihre
vordere Fläche der Augenhöhle’ zu; die vordere Fläche der Wangenplatte
gehört dem Gesichte an; die hinteren Flächen beider Theile sehen in die
Schläfengrube und stellen, indem sie ausgerundet in einander übergehen,
eine einzige verticale und gerade nach hinten gerichtete Hollkehle dar,
welche die Schläfengrube von vorn abschliesst und sich aufwärts auf die
hintere Fläche des Jochfortsatzes des Stirnbeins, abwärts auf die hintere
Aushöhlung des Proc. zygomatico -orbitalis des Oberkieferbeins fortsetzt.
Orbital- Ich habe die Orbitalplatte des Jochbeins einem spitzwinklichen
Dreieck verglichen. Die schmale, dem spitzen Winkel gegenüberliegende
Jochbein. 183
Seite ist ein horizontaler, zackiger Rand !), am medialen Ende scharf, gegen
Fig. 175. das laterale an Mächtigkeit (im sagittalen Durchmesser)
Czt zumehmend, in gleicher Flucht oder etwas tiefer
als der Stirnrand des Temporalflügels des Wespen-
beins gelegen. Auf ihn stützt sich der Jochfortsatz des
Stirnbeins. Von den beiden langen, den spitzen Win-
kel einschliessenden Seiten ist die laterale der Augen-
höhlenrand, die mediale ein grösstentheils oder in der
ganzen Länge zackiger Rand. Der hintere, verticale
techtes Jochbein von Theil dieses Randes (Fig. 175 *) ist an die Urisla
a. um zygomalica des Temporalflügels des Wespenbeins der-
rechts gedreht, gestalt angefügt, dass die beiden Flächen dieses Flügels,
welche die Crista zygomatica scheidet, durch die Orbital-
und Temporälfläche des Jochbeins geradezu verlängert
werden (Fig. 176). Der vordere, horizontal verlaufende
Theil desselben Randes (Fig. 175***) stösst am Boden
der Augenhöhle in einer Naht mit der Lamina orbitalis
des Proc. zygomatico -orbitalis des Oberkieferbeins zu-
sammen. Zwischen jenem, mit dem Wespenbein, und
diesem, mit dem Oberkieferbein verbundenen Theil ist
der Rand (**) in der Regel eine kurze Strecke frei
und scharf, vertical vom oberen zum unteren Rande
Horizontalschnitt des der Fissura orbit. inf. hinübergespannt. Häufig kommen
Jochbeins in Verbindung „per das Wespen- und Oberkieferbein einander am
mit dem Temporalflügel „ . 2 a :
des Wespenbeins.: Feo Seitenrande der Fiss. orbit. inf. so entgegen, dass sie
Facies orbit. Fet Fa- das Jochbein vom Antheil an der Bildung dieser Oeff-
eies temporalis.
Fig. 176.
nung ausschliessen. $
Nach Gruber’s Untersuchungen an 120 Schädeln (Abhandl. aus der menschl.
u. vergleichenden Anatomie, Petersburg 1854, S. 116) ist das Jochbein ebenso oft
von der Fissura orbit. inf. ausgeschlossen, als es an derselben Antheil nimmt. Die
Ausschliessung geschieht nicht nur durch Fortsätze, welche Oberkiefer und "T’em-
poralflügel einander entgegensenden, sondern auch durch Nahtknochen, einen oder
mehrere, welche am lateralen Ende dieser Fissur zwischen den genannten Knochen
und dem Jochbein liegen. Froment (Fech. sur plusieurs points d’anatomie, Paris
1854, p. 55) sah die Theilnahme des Jochbeins an der Fissur unter 375 Schädeln
105 Mal auf beiden Seiten und 87 Mal auf Einer Seite. Von den Fällen, in wel-
chen das Jochbein ausgeschlossen war, war 28 Mal auf beiden Seiten und 31 Mal
auf Einer Seite die Verbindung des Wespen- und Oberkieferbeins durch einen Naht-
knochen bewerkstelligt. Ausserdem constatirte Froment, dass die Häufigkeit der
Verbindung des Wespen- und Oberkieferbeins mit dem Alter zunimint.
Nicht selten legt sich das Jochbein von vorn her so über die Spina zygomatica
des Oberkieferbeins, dass beide mit einander, das Jochbein vorn, das Oberkiefer-
bein hinten, den lateralen Rand der Fissur bilden.
An der unregelmässig vierseitigen Wangenplatte ist die dem Orbi-
talrande gegenüberliegende untere Kante frei und wulstig und verläuft ge-
rade oder schwach nach unten gekrümmt mit mässiger Steigung rück - und
lateralwärts. Sie geht hinten in den unteren Rand des Jochfortsatzes des
Schläfenbeins, vorn in die untere Kante des prismatischen Proc. zygomatico-
) Proc. frontalis aut.
E
Wangen-
platte.
DS
184 Jochbein. a
orbitalis des Oberkieferbeins über, in die letztere mit einer stumpfwinklichen
Knickung, Wangenhöcker, Tuberosilas malarts. Fig. 177, deren Scheitel
abwärts gerichtet ist und entweder genau dem Ende der Naht beider Kno-
chen entspricht oder auf den einen oder anderen derselben rückt. Die
ganze Kante ist von Muskelansätzen
rauh und diese Rauhigkeit greift als
schmaler oder breiter Saum auf die
äussere Fläche der Wangenplatte über-
Der vordere und hintere Rand
der Wangenplatte haben eine einiger-
maassen parallele, schräg von oben
und vorn nach hinten und unten ge-
neigte Richtung, doch ist in der Re-
gel der vordere Rand noch etwas mehr
gegen den Horizont geneigt als der
hintere, um so mehr, je länger die
vordere Spitze ausgezogen ist, in wel-
cher dieser Rand mit dem medialen
Rande der Pars orbitalis zusammen-
Linkes Jochbein, fast Profil. stösst. Er ist gerade oder unregel-
mässig wellenförmig gebogen, schwach
zackig und in seiner ganzen Länge mit dem vorderen Rande des Proc.
zygomatico -orbitalis des Oberkiefers verbunden.
Fig. 177.
Die Länge der vorderen oberen Spitze des Jochbeins !') und damit der Antheil,
welchen das Jochbein an der Bildung des Infraorbitalrandes nimmt, ist grossen in-
dividuellen Schwankungen unterworfen. Als Regel kann gelten, dass die Spitze des
Jochbeins gerade oder etwas medianwärts über dem For. infraorbitale endet. Steigt
sodann, wie dies ebenfalls Regel ist, die Naht vom Foramen zum Mg. infraorbitalis
ebenso schräg medianwärts auf, so folgen in dem letztgenannten Rande von der
Schläfen- zur Nasenseite einander Jochbein, Proc. zygomatico - orbitalis, Oberkiefer-
körper, endlich Crista lacrymalis des Stirnfortsatzes des Oberkiefers. Hat die Spitze
des Jochbeins die gewöhnliche Länge, steigt aber die Naht vom For. zum Mg. in-
fraorbitalis lateralwärts auf, so wird der Proc. zygomatico-orbitalis von der Bil-
dung des Mg. infraorbitalis ausgeschlossen und die Spitze des Jochbeins reicht
auf den oberen Rand des Oberkieferkörpers hinüber. Nun kann die Naht vom For.
zum Mg. infraorbitalis so sehr lateralwärts vordringen, dass der Körper des Ober-
kiefers vom Mg. infraorbitalis ausgeschlossen wird. Die Spitze des Jochbeins kann
dabei die gewöhnliche Länge behalten. Endlich kann sich auch diese Spitze so
verlängern, dass sie über den Proc. zygomatico-orbitalis und den Körper des Ober-
kiefers weg die Crista lacrymalis erreicht.
Die Zahl der Varietäten wird noch vermehrt durch die Existenz von Schalt-
knochen in der Naht des Proc. zygomatico-orbitalis und des Körpers des Oberkiefers.
Zuweilen springt die Gesichtsfläche der vorderen Spitze des Jochbeins wulstig
über die Gesichtsfläche des Oberkieferbeins vor und in der Naht finden sich tiefe
Gruben und Ernährungslöcher.
Der hintere Rand der Wangenplatte hat zwei Abtheilungen. Der
obere, längere, S- oder ziekzackförmig gekrümmte Theil ist frei, oben
wulstig, abwärts, je mehr die Schläfengrube sich neben ihm vertieft, um
so schärfer. Die untere rückwärts verlaufende Krümmung der Sförmigen
D) Proc. maxillaris aut.
Jochbein. 185
Linie geht unter einem stumpfen Winkel über in den unteren, schräg ab -
und rückwärts gerichteten und stark gezähnelten Theil des hinteren Ran-
des, welcher sich mit dem Jochtortsatz des Schläfenbeins in Verbindung
setzt. Die durch die Einbiegung des hinteren Randes abgesetzte rückwärts
vorragende Platte, welche in dem erwähnten zackigen Rande endet, wird
Schläfenfortsatz, Proc. temporalis, des Jochbeins genannt.
Die laterale Fläche der Wangenplatte ist glatt, in verschiedenem
Grade gewölbt. Von der medialen Fläche (Fig. 178) ist der grössere,
Fig. 178. hintere Theil ebenfalls glatt und tritt mit
Eat dem verticalen Theile der hinteren Fläche der
Ezf Orbitalplatte in der beschriebenen Weise zu
einer Concavität zusammen. Der vordere
Theil ist rauh in einer dreiseitigen Fläche,
deren Basis sich längs dem horizontalen
Theile der Orbitalplatte hinzieht, deren
Spitze mit der vorderen unteren Ecke der
Wangenplatte zusammenfällt. Diese Rau-
higkeit, welche sich auf die untere Fläche
der Orbitalplatte fortsetzt, entspricht in ihrer
Form genau der Form der rauhen End-
fläche des Proc. zygomatico - orbitalis, auf welcher sie ruht.
Das Jochbein wird von zwei Canälen durchzogen, welche die Bestim-
mung haben, Nerven- und Gefässäste aus der Augenhöhle einerseits auf
die Wange, andererseits in die Schläfengrube zu leiten. Die Nervenäste
sind, wie überall, die beständigeren, ein N. zygomatico -facialis und ein
N. zygomatico-temporalis vom N. zygomaticus !) des zweiten Astes des
Trigeminus. Die betreffenden und gleichbenannten Canäle, Can. zyg0-
matico - facialis und Can. zygomatico-temporalis, gehen von der
Örbitalfläche aus, der eine in transversaler Richtung, etwas nach vorn und
wenig nach unten abweichend zur Gesichtsfläche, der andere rück- und
auf- oder abwärts zur Schläfenfläche. Die Eingänge ?) liegen auf der
Orbitalfläche ungefähr im Niveau der Fissura orbit. inferior, der Ausgang
des Can. zygomatico-facialis 3) findet sich auf der Gesichtsfläche nahe
(5 — 8m) unter dem Orbitalrande, in gerader Linie über dem Wangen-
höcker; der Ausgang des Can. zygomatico -temporalis #) liegt in der obe-
ren Hälfte der Schläfenfläche, bald dem unteren, bald dem oberen Rande
näher. Nicht selten erfolgt die Theilung des N. zygomaticus in seine bei-
den Aeste erst innerhalb des Jochbeins. Dann ist Eine orbitale Mündung
beiden Canälen gemein, der Can. zygomatico-facialis liegt in der Flucht
des gemeinsamen Anfanges, und der Can. zygomatico-temporalis geht unter
einem spitzen Winkel rück- und medianwärts von demselben ab.
Es giebt noch andere zahlreiche Varietäten der beschriebenen Canäle. Die
Ausgangsöffnungen beider können sich vervielfältigen; die des (’an. zygomatico-
temporalis stehen alsdann über einander, die des Can. zygom.-fac., 2—4, in einem
Pam
Rechtes Jochbein von innen.
1) N. subcutaneus malae aut.
2) Foramen zygom. orbitale Krause, F. z. sup. Weber, F. z. int. Arnold.
3) Foramen zygom. faciale Krause, F. z. ant. Weber, F. z. ext. Arnold.
4) For. zygom. int. Meckel, F. z. temp. Krause, F. z. post. Weber und Arnold,
Can.
zygon.-fac.
u. zygom.-
tempor.
186
lem Orbitalrande concentrischen Bogen.
Pflugscharbein.
In einem Falle sah ich zwei Cann. zygo-.
matico-facial. sich gegen die Mündung zu einem einfachen Canal vereinigen. Beide
Canäle kommen doppelt, der Can. zygomat.-temporalis auch dreifach vor, oder es
bestehen neben dem vom Can. zygomatico-fac. sich abzweigenden Can. zygomatico-
temp. noch zwei besondere.
Der Eingang des Can. zygomatico-temporalis rückt
medianwärts in die Naht zwischen der Pars orbitalis des Jochbeins und der Crista
zygomatica des Temporalflügels; sehr selten versetzt er sich auf die letztgenannte
Crista. Hier erscheint der Can. zygomatico-temp. als einfaches Loch der Orbital-
platte, dort durchzieht er den verticalen Theil dieser Platte von unten nach oben.
Zuweilen geht ein Canal, der in dieser Richtung aufsteigt, an der oberen Ecke des
Jochbeins statt auf die Schläfenfläche, auf die Gesichtsfläche über. Auch findet man
die Pars malarıs am oberen Theile des hinteren Randes in transversaler Richtung
von einem Canälchen durchsetzt.
Zuweilen führen auf der Orbital- und Schläfen-
fläche längere Furchen zu den Oeffnungen oder von ihnen weg. Variabel und in
keinem bestimmten Verhältniss za einander sind auch die Durchmesser der Oeff-
nungen (bis zu 3mm), Selten fehlt der Can. zygomatico-temporalis, noch seltener
der Can. zygomatico-facialis.
Jochbeine, durch eine horizontale Naht getheilt, bilden Sandifort (a. a. O.
Lib. III. p. 113. Taf. VII, Fig. 7) und Schultz (a. a. O. p. 57. Tat. II. Fig. 3)
ah. Der dem Oberkiefer zunächst gelegene Theil des Jochbeins kann eine Höhlung
(bis zu Bohnengrösse) enthalten, die sich mit der Kieferhöhble in Verbindung setzt
Mayer in Schmidt’s Jahrb. Bd XXX. S. 12).
13. Pflugscharbein, Vomer.
13. Pflug- Das Pflugscharbein ist der hintere Theil der Nasenscheidewand, eine
aufrecht in der Medianebene stehende, aber meistens nach der einen oder
anderen Seite ausweichende, vierseitige Platte. Sie verbindet sich (Fig. 179)
durch den oberen Rand mit der Schädelbasis und insbesondere mit der
scharbein,
Fig. 179.
Knöcherne Scheidewand der Nase von der
linken Seite. Zp Lamina perpendicularis
des Siebbeins,
Ci Crista ineisiva,
unteren Fläche des Wespenbein-
körpers, durch den unteren Rand
mit der Crista nasalis der Ober-
kiefer- und Gaumenbeine, durch
den vorderen Rand mit der per-
pendiculären Platte des Siebbeins
(Lp) und weiter abwärts mit dem
Knorpel der Nasenscheidewand ;
der hintere Rand steht frei zwi-
schen beiden Choanen. Der
obere und der hintere Rand
einerseits und der vordere und
untere andererseits sind von fast
gleicher Länge; die letzteren bei-
den länger als die ersteren; der _
obere steigt von hinten nach vorn
schräg auf, der hintere, meistens
schwach concav, schräg ab, der
untere Rand, ebenfalls schwach
concav, liegt horizontal oder
mit dem hinteren Ende kaum merklich höher als mit dem vorderen; der
Pflugscharbein. 187
vordere Rand ist dem hinteren parallel oder etwas mehr gegen den Hori-
zont geneigt. Der obere und hintere Rand verbinden sich in einem spitzen
Winkel, der obere
Fig. 180. Fig. 181. und vordere, so-
wie der hintere
und untere unter
stumpfen Win-
keln; die Spitze,
in welcher der
vordere und un-
tere Rand zusanmı-
menstossen soll-
ten, ist vertical
abgestutzt oder
Ptlugscharbein von vorn
Knöcherne Nasenscheidewand von hinten. an durch’einen Aus:
+ Schnittfläche des Körpers, ff des i NE ar
Temporalfiügels des Wespenbeins. schnitt auf die hintere Ecke der Crista
Fov Foramen ovale. ineisiva aufgepasst. Das Pflugschar-
bein ist am hinteren Rande und am
hinteren Theile des unteren Randes
am dünnsten; vor- und aufwärts nımmt es an Dicke zu und am oberen
Rande legt es sich in zwei Blätter, Alae vomeris (Fig. 180—182), aus ein-
ander, die, unter stumpfem Winkel gegen einander geneigt, eine Rinne !)
einschliessen, welche zur Aufnahme des Wespenbeinschnabels bestimmt ist.
Die Vförmig divergirenden hinteren Ränder dieser Rinne sind wulstig und
abgerundet, die lateralen Ränder scharf, zwischen die untere Fläche des
Wespenbeinkörpers und die Procc. vaginales des Gaumenflügels wie ein-
gefalzt, weiter vorn an den Rand des
Wespenbeinfortsatzes des Gaumenbeins ge-
lehnt oder von ihm getragen (Fig. 182).
Die Rinne vertieft sich nach vorn in dem
Maasse, als die Spitze des Wespenbein-
schnabels vorspringt und schliesst sich ent-
weder über dem letzteren zu einer Art von
Tasche, oder sie läuft offen, schmal und
tief, von zwei sehr zarten Blättern ein-
gefasst, längs dem ganzen vorderen Rande
oder längs dem grössten Theile desselben
herab. Sie wird dann von dem Scheide-
.. wandknorpel ausgefüllt; die perpendiculäre
Decke der Nasenhöhle von unten. Platte des Siebbeins stützt sich asymmetrisch
f Horizontalschnitt des Vomer. S 2 = .
+ Schnittfläche der Gaumenflügel. auf eins der Blätter (gewöhnlich auf das
Pv Proc. vaginalis des Gaumenflügels. rechte) und drängt dasselbe aus dem Loth
Ps Proc. sphenoidalis des Gaumenbeins. lateralwärts, so dass dieNaht sich in Form
einer stumpfwinkeligen Kante nach der
einen (meist der linken) Nasenhöhle ausbiegt. Das andere Blatt ragt an
dem macerirten Schädel frei empor, ist aber oft unvollständig.
Fig. 182.
1) Incisura vomeris.
14. Unter-
kiefer.
188 Unterkiefer.
Au der unteren Fläche des Wespen- und über der Rinne des Pflug-
scharbeins verläuft ein medianer Canal (Fig. 180, 182 *), welcher Blutgefässe
zwischen die Platten des Pflugscharbeins und weiter nach vorn zum Knor-
pel der Nasenscheidewand führt. Neben demselben und in gleicher Rich-
tung kommt häufig jederseits ein Canal vor, zwischen dem Wespenbeinkörper,
der Wurzel des Proc. vaginalis und dem lateralen Rande der Ala vomeris,
ein Canal, durch welchen Blutgefässe von der Basis des Schädels vorwärts in
die spongiöse Substanz des Wespenbeinkörpers oder in die Wespenbeinhöhlen
oder, in selteneren Fällen, in die Nasenhöhle treten (Fig. 182 **). Ein zweiter
paariger und ebenfalls sagittaler Canal !) liegt unterhalb des vorigen, um
Weniges lateralwärts und mit der hinteren Mündung (Fig. 182 ***) weiter
vorn; die obere Wand desselben wird vom Keilbeinkörper, die untere vom
medialen Rande des Proc. sphenoid. des Gaumenbeins in Verbindung mit
dem lateralen Rande der Ala vomeris gebildet. Durch ihn gelangen Ge-
fäss- und Nervenästchen aus der Nasenhöhle und zwar von der Gegend
des For. sphenopalatinum zur oberen Wand des Schlundkopfs. Man kann
diese Canäle C©. vomerobasilares nennen und nach ihrer Lage als medianen,
lateralen oberen und lateralen unteren unterscheiden. ,
Jeder dieser Canäle kann fehlen; der mediane Canal fehlt im höheren Alter
gewöhnlich oder ist obliterirtt (Tourtual, Rhein.-westfäl. Correspondenzbl. Bd. IV.
Nr. 10, 11.) Der laterale untere Canal verläuft häufig zwischen Gaumen- und
Wespenbein allein. Er kann mit dem Can. vidianus communiciren.
Die Flächen des Pflugscharbeins sind in der Regel glatt. Eine seichte,
meistens kaum bemerkbare Furche zieht auf beiden Flächen von der Ge-
gend der hinteren oberen zur vorderen unteren Spitze. Sie rührt vom
N. nasopalatinus her.
Das Pflugscharbein besteht beim Neugeborenen aus zwei dünnen Blättern,
welche nur am unteren und hinteren Rande mit einander verwachsen sind oder in
einander umbiegen und einen platten, in die knorpelige Scheidewand der Nase sich
fortsetzenden Knorpel umgeben. Völlig verwachsen diese Platten erst gegen die
Zeit der Pubertät. Im reifen Alter verschmilzt das Pflugscharbein mit der perpen-
dieulären Platte des Siebbeins.
14. Unterkiefer, Mandibula.
Der Unterkiefer ist ein halbelliptischgebogener, platter Knochen, wel-
cher den unteren Theil der Vorderfläche und den hinteren Theil der Seiten-
flächen des Gesichtes einnimmt. Seine Flächen haben eine von der ver-
ticalen nur wenig und zwar in der Art abweichende Stellung, dass die
äussere Fläche etwas aufwärts, die innere abwärts gewandt ist. Von den
Rändern ist der untere abgerundet, wulstig, überall durch die Haut zu
fühlen; er bezeichnet die Grenze der Unterkiefer- und Unterkinngegend.
Der obere Rand trägt in seinem mittleren Theile die Zähne; hinter dem
letzten Zahn jederseits erhebt sich‘ etwa von dem hinteren Drittel jeder
Seitenhälfte ein platter Fortsatz, dessen fast sagittal gestellte, nur wenig
mit dem hinteren Rande lateralwärts ausweichende Flächen aus der inne-
I) Canaliculus pharyngeus Arnold.
Unterkiefer. 189
ren und äusseren Fläche des zahntragenden Bogens unmittelbar hervor-
gehen. Diese Fortsätze heissen Aeste, Ramid); im Gegensatz zu den-
selben nennt man den mitt-
leren bogenförmigen Theil des
Unterkiefers den Körper ?).
Der der hinteren unteren Ecke
zunächst gelegene Theil des
Knochens, welcher durch eine
in Gedanken vom vorderen
Rande des Astes abwärts und
vom oberen Rande des Kör-
pers rückwärts gezogene Linie
begrenzt wird, kann ebenso-
wohl zum Körper wie zum
Aste gerechnet werden. Ihn
dem Aste zuzurechnen, scheint
aber deshalb natürlicher, weil
sich vom vorderen Rande des
Astes eine Kante auf die Vor-
derfläche des Körpers eine
Strecke weit schräg abwärts fortsetzt, die den Ast gegen den Körper ab-
grenzt. Der untere Rand des Astes liegt nach dieser Vorstellung in der
Flucht des unteren Randes des Körpers. Die abgerundete Ecke, mit wel-
cher der untere Rand in den hinteren Rand des Astes unter einem stumpfen
Winkel übergeht, heisst Unterkieferwinkel, Anyulus mandibulae.
Am oberen Rande ist der Ast durch einen bogenförmigen Ausschnitt,
Incisura mandibulae 3), in zwei Fortsätze getheilt; der hintere Fort-
- satz, Gelenkfortsatz, Proc. condyloideus (Pc) articulirt mit der Pfanne des
Schläfenbeins; der vordere, Proc. coronoideus (Pco) *). ist ein Muskel-
fortsatz, welchen die Sehne des M. temporalis umfasst.
An dem Körper des Unterkiefers ist der obere oder Zahnrand,
Limbus alveolaris, mit Fächern zur Aufnahme der Zahnwurzeln in gleicher
Zahl und Form, wie die beiden Oberkieferbeine, versehen, nur dass die
Alveolen der Schneidezähne, wie diese Zähne selbst, im Unterkiefer klei-
ner sind als im Oberkiefer. Damit hängt zusammen, dass der Rand des
Unterkiefers, so weit er die Schneidezähne trägt, einen flacheren Bogen
bildet als der entsprechende Rand des Oberkiefers, und hinter den letzte-
ren zurückweicht; ja dass, wenn die Eckzähne und deren Fächer vortreten,
der Zahnrand des Unterkiefers statt eines Bogens eine gebrochene Linie
darstellt, transversal im mittleren Theile und unter einem stumpfen Winkel
in die Seitentheile übergehend. Der untere Rand 5), wegen der erwähnten
Neigungen der Flächen vor den oberen vortretend, ist demselben im
Unterkiefer im Profil.
2) Rami perpendiculares seu adscendentes.
?) Ramus horizontalis.
®) I. semilunaris s. sigmoidea.
*) Von xogwvn, Krähe, nicht von corona, daher unrichtig mit Kronenfortsatz
übersetzt.
5) Basis.
Körper
190 Unterkiefer.
Uebrigen parallel, zwischen den Eekzähnen transversal, dann im Bo-
Fig. 184.
Tme Fa
Unterkiefer von unten.
gen rück- und seitwärts
gewandt. Während aber
der obere Rand in einer
horizontalen Ebene liegt,
steigen die Seitentheile
des unteren Randes nach
hinten sanft aufwärts.
Der Unterkiefer wird da-
durch in der Gegend der
Schneidezähne höher als
an den Seiten; der Win-
kel, mit welchem der mitt-
lere transversale Theil in
die Seitentheile übergeht,
ist am unteren Rande des
Kiefers auffallender und
öfters durch ein vor-
springendes, schmaleres
oder breiteres Knötchen,
Tuberculum mentale,
noch mehr markirt. Dem Zahnrande zunächst zeigt die äussere und in
schwächerem Maasse die innere Fläche am deutlichsten an den Schneide-
und Eekzähnen die den Zahnfächern entsprechenden Wölbungen, Juga
alveolaria. Diese Wölbungen bewirken, dass, so weit die Schneidezähne
Fig. 185.
Unterkiefer von vorn.
reichen, der obere
Theil der äusseren
Fläche sich im Ver-
gleich zur unteren
mehr gerade stellt
und selbst nach vorn
überhängt. Dadurch
wird die Vorderfläche
von oben nach unten
concav und die. Con-
cavität wird mitunter
noch tiefer durch ein
wulstartiges Vortre-
ten des unteren Ran-
des. Sie wird aber
in der Mitte des Un-
terkiefers _unterbro-
chen und in zwei
Gruben, Kinngruben,
Fossae mentales, ge-
schieden durch die Protuberantia mentalis »), einen dreiseitigen. Vor-
') Crista mentalis ext., Spina m. e., Tuberculum m. e.
Unterkiefer. 191
sprung, dessen Basis mit dem transversalen Theile des unteren Randes
zusammenfällt, dessen stumpfe oder lang ausgezogene Spitze sich in
der Mittellinie mehr ‚oder minder weit zwischen die Juga alveolaria
der Schneidezähne erhebt. Ausserdern ist die Mittellinie durch eine sehr
feine lineare Furche, eine Spur der Zusammensetzung des Unterkiefers aus
zwei seitlichen Hälften bezeichnet, welche sich vom Zahnrande abwärts,
selbst bis auf die Protuberantia mentalis erstreckt. Unter dem zweiten
Backzahn und in der Mitte der Höhe des Unterkiefers liegt das Floramen
mentale !), der Ausgang eines Canals, der sich von dem, den Unterkiefer
der Länge nach durchsetzenden Can. alveolaris abzweigt und Nerven und
Gefässe ins Gesicht führt. In der Gegend des vierten Backzahns erhebt
sich die schiefe Linie, Linea obligua 2), welche, wie erwähnt, rück- und
aufwärts in den vorderen Rand des Astes übergeht.
Die innere Fläche des Unterkiefers (Fig. 186) steht im Allgemeinen der
äusseren parallel. Durch eine Kante aber, welche dem M. mylohyoideus zum
Ansatze dient und mehr oder minder vorspringend vom hintersten Backzahn
bis zur Mittellinie verläuft, erhält der obere Theil der inneren Fläche eine
} { mehr verticale oder gar eine
Fig. 186. aufwärts schauende Rich-
tung, wogegen der unter
der Kante befindliche Theil
sich stärker abwärts neigt.
Da ferner jene Kante, die
Linea mylohyoidea, auf
ihrem Wege nach vorn je-
derseits schräg vom oberen
zum unteren Rande des
Kiefers herabsteigt, so ist
der mit der Aussenfläche
convergirende, abwärts ge-
neigte Theil der inneren
Fläche um so niedriger, je
Rechte Hälfte des Unterkiefers von innen. näher der Mittellinie, und
am Kinn fällt er fast mit
dern unteren Rande zu-
sammen. Die Fläche unter der Linea mylohyoidea ist noch durch eine
Furche, Silleus mylohyoideus , unterbrochen, welche vom Aste auf den
Körper übergeht, sich in der Gegend der Eckzähne verliert und den N.
und die Vasa mylohyoidea beherbergt. Auf dem Ast beginnt sie zuweilen
als Canal, auf dem Körper wird sie bald sehr seicht; in der Gegend des
letzten Backzahns ist sie gleich weit vom unteren Kieferrand und der Linea
mylohyoidea entfernt; nach vorn nähert sie sich, wie die Lin. mylohyoidea,
aber in minder schrägem Verlauf, dem unteren Rande des Unterkiefers.
Unter der Linea mylohyoidea liegen am transversalen Theile des Randes
unmittelbar neben einander zwei, die Fingerspitze aufnehmende Eindrücke,
") F. mazillare ant. 2) L. 0. externa.
Aeste.
Proc, coro-
noideus.
192 Unterkiefer.
Fossae digastricae, in welchen die vorderen Bäuche der Mm. digastriei
sich befestigen ; darüber eine mediane Zacke oder Firste, welche, aufwärts
zuweilen in zwei getheilt, unter der Mitte der Fläche endet. Es ist die
Spina mentalis !), die Anheftungsstelle der Mm. geniohyoidei und dar-
über der Mm. genioglossi; neben derselben findet sich jederseits eine flache
Grube (Fig. 186 *),. in welcher der Vorderrand der Gland. sublingualis
ruht 2). Vom oberen Ende der Spina mentalis geht zuweilen eine sehr
feine mediane Furche, wie auf der Aussenfläche, zur Scheidewand der
beiden mittelsten Schneidezähne.
Der Ast des Unterkiefers ist auf der äusseren Fläche mit schräg ab -
und rückwärts verlaufenden Streifen und breiten Furchen, den Abdrücken
der Bündel des Masseter,. versehen, gegen den Winkel rauh, über dem-
selben und dem zunächst liegenden Theile des hinteren und unteren Ran-
des etwas vertieft, so dass der Rand nach aussen umgebogen erscheint.
Aehnliche schräge, nur meistens stärkere Leisten und Eindrücke finden
sich, von der Insertion des M. pterygoideus int. herrührend, an der inneren
Fläche des Unterkieferwinkels. In der Höhe des Zahnrandes und ziemlich
in der Mitte zwischen ihrem hinteren und vorderen Rande besitzt diese
Fläche eine (3mm) weite Oeffnung, Foramen mandibulare 3), durch
welche die Nerven und Gefässe der Zähne in den Can. mandibularis *) ein-
treten. Den medialen Rand dieser Oeffnung bildet ein scharfes, aufwärts in
eine abgerundete Spitze verlängertes Plättchen, Lingula mandibulae;
dasselbe wird von dem Lig. laterale internum umfasst und setzt sich ab-
wärts in den vorderen Rand des Sulcus mylohyoideus fort; beginnt aber
der Sulcus myloh. als Canal, so bedeckt die Lingula den Ursprung dessel-
ben aus dem Can. mandibularis.
Der Proc. coronoideus, in welchen der vordere Rand des Astes
aufsteigt, ist von sehr verschiedener Form; er ist bald etwas höher, bald
etwas niedriger als der Gelenkfortsatz, meistens aber mit diesem von glei-
cher Höhe; er ist, wie der ganze Ast, mehr oder minder rückwärts geneigt,
in verschiedenem Grade sichelförmig rückwärts gebogen, das obere Ende
spitz oder abgerundet, vertical oder zur Seite geneigt, die Höhe des Fort-
‚satzes kürzer oder länger als der sagittale Durchmesser seiner Basis. Er
ist an der Spitze ganz platt oder schon von der Spitze an auf der inneren
Fläche gewölbt. Regelmässig entwickelt sich weiter abwärts auf der Innen-
fläche neben dem vorderen Rande eine Kante, welche im Bogen erst ab-, dann
vorwärts verläuft, sich dabei allmälig von dem vorderen Rande zurückzieht
und auf der Innenfläche des Körpers am letzten Backzahn endet (Fig. 186).
Der Raum zwischen dem vorderen Rande des Proc. coronoideus und dessen
Fortsetzung, der Linea obliqua einerseits und der eben beschriebenen Kante
andererseits, ist eine nach unten und vorn sich verbreiternde und vertie-
fende, schliesslich den Zahnrand umfassende Hohlkehle. Sie ist durch eine
schwache Firste getheilt, welche von ihrem hinteren Rande zum äusseren
Rande der Alveole des letzten Backzahns und oft noch eine kurze Strecke
1) Sp. m. interna.
®) Fossa mylohyoidea M. J. Weber.
®) F. alweolare inf., F. mazillare post.
*) C. mazillaris inf., C. alveolaris inf.
Unterkiefer. > 193
vor diesem her verläuft. Die Firste kann Urisia buceinaloria genannt
werden, da ein Theil der Fasern des M. buceinator von ihr entspringt.
Der Gelenkfortsatz endet in einen elliptischen, flach gewölbten, von
einer sehr dünnen Knorpellage bekleideten Kopf, dessen grösster Durchmesser
(16®m) fast transversal, mit dem medialen Ende wenig rückwärts abwei-
chend, gestellt ist. Die hintere Fläche des Fortsatzes, dreiseitig mit aufwärts
gerichteter Basis, geht aus dem hinteren Rande des Astes hervor, der sich
fächerförmig, jedoch mehr median- als lateralwärts ausbreitet; an seine
Vorderfläche zieht sich, gegen den lateralen Rand der Gelenkfläche, der
scharfe Rand der Incisura mandib. herauf. Medianwärts von dieser Kante
ist die Vorderfläche etwas ausgehöhlt, zuweilen rauh, von der Anheftung
des M. pterygoideus ext. Die Gelenkfläche greift auf der vorderen Seite
weiter herab als auf der hinteren und ist gegen jene schärfer abgesetzt als
gegen diese.
Unter den mannigfaltigen Formverschiedenheiten des Gelenkfortsatzes ist wohl
die seltenste die, dass die Gelenkflächen mit den transversalen Axen nach vorn
convergiren. Oft verjüngt sich der sagittale Durchmesser gegen den lateralen oder
medialen Rand. Zuweilen ist die Gelenkfläche auffallend nach Einer Seite abhängig
oder halbmondförmig, die Concavität nach vorn, oder Sförmig gebogen.
Der Unterkiefer enthält eine feinzellige Diploe zwischen compacten
Tafeln, die an der äusseren Seite mächtiger sind als an der inneren und
die verhältnissmässig grösste Mächtigkeit an den Rändern und den Aesten
haben. Der Can.
Fig. 187. mandibul. durch-
B c zieht den Knochen
ziemlich genau in
der Richtung des
Sule. mylohyoi-
deus, am Körper
also viel näher
dem unteren Rand
als dem oberen;
er liegt der inne-
ren Oberfläche nä-
her als der äusse-
Verticale Durchschnitte der rechten Unterkieferhälfte, A hinter dem ren. Jenseits des
letzten Backzahn, B vor dem dritten Backzahn, C' vor dem ersten AR des Sei
Backzahn. Lim Linea mylohyoidea. Sansn des, DEI-
tenzweiges, der
sich am For. men-
tale öffnet, verringert sich sein Lumen plötzlich um mehr als die Hälfte
(vergl. Fig. 187 B C). Seine obere Wand ist sehr porös, regelmässigere
Zweigeanälchen sind aber nur im mittleren Theile des Unterkiefers zu fin-
den, wo sie im rechten Winkel abgehen und zwischen den Alveolen gegen
den freien Rand der Septa der Schneidezähne aufsteigen.
Cmd
Beim Neugeborenen besteht der Unterkiefer aus zwei seitlichen, durch eine
mediane Synchondrose verbundenen Hälften. Die Verknöcherung der Synchondrose
beginnt selten vor der Geburt, meistens bald nach derselben und zwar von meh-
reren Punkten aus. Ein linsenförmiges plattes Knochenscheibehen entsteht dicht
Henle, Anatomie. Thl. I, 13
Proc. con-
dyloideus.
Can. man-
dibularis,
Nähte.
194 Nähte.
vor. der Endfläche jeder Unterkieferhälfte, mit den Flächen parallel dieser Endfläche
und gleich dem Knochenkern einer Epiphyse in der Tiefe des Knorpels; ein un-
paariger oder zwei dicht zusammenstossende paarige Knochenstreifen finden sich
oberflächlich am unteren Rande des Knochens und dem diesem Rande zunächst
liegenden Theile der vorderen Fläche in der Gegend der nachmaligen Protuberantia
mentalis. Die zwei tiefen, linsenförmigen Epiphysen verbinden sich unter einander
zu einem unpaaren, eiförmigen Stück, dann verwachsen sie mit den Unterkiefer-
hälften und mit der oberflächlichen Epiphyse des Kinns; im dritten bis vierten
Monat ist diese Verwachsung meistens schon so weit vollendet, dass keine Spur
der Nähte mehr sichtbar ist, indess die Naht am Zahnrande des Kiefers sich, wie
erwähnt, oft bis ins reife Alter erhält’).
Im Uebrigen zeichnet sich der Unterkiefer des Säuglings vor dem des Erwach-
senen aus durch die geringe Höhe der Aeste und durch den stumpfen Winkel, in
welchem Körper und Aeste zusammenstossen. Statt des Foramen mandibulare fin-
den sich zwei (selten drei) Oeffnungen, von welchen die eine zu einer Furche am
Boden der hinteren Backzähne, die andere in den eigentlichen Can. mandibularis
führt. Die weiteren Formveränderungen stehen mit dem Durchbruch und Wechsel
der Zähne in zu genauem Verband, als dass hier darauf eingegangen werden
könnte. Im hohen Alter schleifen sich, wenn die Zähne verloren gegangen sind,
die Alveolarränder ab, die Aeste erhalten wieder eine mehr geneigte Stellung und
der Körper, einem rippenartigen Bogen ähnlich, tritt bei geschlossenem Munde mit
seinem mittleren Theile über den Rand des Oberkiefers hinauf.
Wir schliessen die Beschreibung des Schädels mit der Darstellung der
Nähte, in welchen die denselben zusammensetzenden Knochen an seiner
Oberfläche zusammenstossen.
An der Schädeldecke verlaufen zwei Nähte hinter einander und ein-
ander einigermaassen parallel, die vordere zwischen dem hinteren Rande des
Stirnbeins und dem vorderen der Scheitelbeine, die hintere zwischen dem hin-
teren Rande der Scheitelbeine und der Hinterhauptsschuppe (vgl. Fig. 74,75).
Jene wird Kronennaht, Sutura coronalis 2), diese wird Lambdanaht,
Sutura lambdoidea 3), genannt. Die Kronennaht hat auf dem Scheitel eine
genau transversale Richtung, weicht aber, indem sie sich an der Seiten-
wand des Schädels und in der Schläfengrube herabzieht, nach vorn ab;
die Lambdanaht ist eine gebrochene Linie, deren Schenkel in einer Ebene
liegen, welche zwischen der frontalen und horizontalen ziemlich die Mitte
hält. Den Scheitel dieser gebrochenen Linie und die Mitte der Kronen-
naht verbindet die mediane Scheitelnaht, Sutura parietalis #).
Die Kronen- und Lambdanaht treffen je mit ihrem unteren Ende in der
Seitenwand des Schädels auf eine Naht, welche im Allgemeinen der Scheitel-
naht parallel, jedoch in schlangenförmigen Krümmungen auf- und abgeht
(Fig. 72). An derselben nimmt von oben her das Stirn- und Scheitelbein,
von unten her das Jochbein, der Temporalflügel des Wespenbeins und die
Schläfenschuppe Theil. Sie beginnt, in der Höhe der Nasenwurzel, am
') Die oberflächlichen Epiphysen. wurden zuerst von Meckel beobachtet und von
M. J. Weber für eine constante Durchgangsbildung erklärt. Den Zahnrand erreichen
diese Zwischenknochen nicht, haben an der Bildung der Alveolen der Schneidezähne keinen
Antheil und es ist deshalb nicht statthaft, sie, wie Dieterich (a. a. O. S. 18) und
Arnold (Lehrb. der Physiologie Bd. II. S. 1261) gethan, den Zwischenkieferbeinen des
Oberkiefers an die Seite zu stellen.
2) 8. fronto - pavietalis. ®) 8. oceipito-parietalis, occipitalis. *) 8. sagittals.
Nähte. 195
äusseren Rande der Augenhöhle mit der Naht zwischen Stirn- und Joch-
bein (Sutura zygomatico-frontalis), setzt sich in aufwärts convexem Bogen
längs dem oberen Rande des Temporalflügels, zwischen diesem und zuerst
dem Stirnbein, dann dem Scheitelbein fort, geht dann in einem zweiten
längeren und stärker aufwärts gekrümmten Bogen zwischen dem Scheitel-
bein und der Schläfenschuppe (Suzura squamosa), endlich wieder in kurzem
niedrigen Bogen zwischen Scheitelbein und Warzentheil nach hinten. Das
Ende der Kronennaht fällt demnach etwa auf die Mitte des oberen Randes
des Temporalflügels; das Ende der Lambdanaht fällt auf die hintere obere
Ecke des Warzentheils des Schläfenbeins und theilt sich in zwei Schenkel,
von welchen der eine (S. parieto-mastoidea) nach vorn in die eben beschrie-
bene sagittale Naht der Seitenwand des Schädels umbiegt, indess der an-
dere (S. oceipito-mastordea) fast in der Flucht der Hinterhauptsnaht und
nur wenig rückwärts abweichend zwischen Hinterhauptsbein und Warzen-
theil seinen Weg zur Schädelbasis fortsetzt.
Die Nähte der Schädeldecke sind sämmtlich gezalınt, mit groben
Zacken an der Aussenfläche, fein wellenförmig an der Innenfläche des
Schädels. Die gröbsten Zacken mit zahlreichen Nebenzacken hat die Hin-
terhauptsnaht. Die sagittale Naht der Seitenwand ist, so weit das Wespen-
bein und die Schläfenschuppe betheiligt sind, Schuppennaht, dergestalt,
dass die Knochen der Seitenwand die der Decke umfassen. Nur in der
Sutura parieto-mastoidea tritt das umgekehrte Verhältniss ein und wird
das Schläfenbein von der Ecke des Scheitelbeins äusserlich überragt.
Indess die sagittale Naht der Seitenwand von oben her die Kronen-
und Lambdanaht aufnimmt, sendet sie nach der entgegengesetzten Richtung
abwärts zur Schädelbasis drei Nähte ab, zwei im vorderen Theil der
Schläfenfläche, eine hinter dem Warzenfortsatz. Die vorderste dieser
Nähte, Sutura spheno-zygomatica, verläuft zwischen der Orbitalplatte des
Jochbeins und dem Wespenbeinflügel fast vertical und stösst auf die ab-
gerundete laterale Spitze der Fissura orbitalis inf. Indem diese Fissur
median- und abwärts in die Fissura spheno-maxillaris umbeugt und von der
unteren Spitze der letzteren die Naht zwischen dem Gaumenflügel des Wespen-
beins und dem Proc. pyramidalis des Gaumenbeins ihren Ursprung nimmt,
entsteht ein Bild (Fig. 90), wie wenn auf der Landkarte ein Fluss in einen
See über- und wieder aus demselben hervorgeht, und lässt sich die untere
Naht als eine mittelbare Fortsetzung der oberen betrachten. Die zweite
von der sagittalen Seitennaht abwärts laufende Naht, Sutura spheno-tempo-
ralis, geht im Bogen zwischen Temporalflügel und Schläfenschuppe abwärts
und über die Infratemporalfirste rückwärts, um an der Schädelbasis zwi-
schen dem Unterkiefergelenk und der Spina angularis auf einer transver-
salen Naht, auf welche ich zurückkomme, zu enden. Die dritte Naht
ist die bereits erwähnte Sutura oceipito-mastoidea; sie zieht sich an der
Schädelbasis medianwärts vom Proc. mastoideus und styloideus fast gerade
nach vorn zum For. jugulare; der vorderste "Theil derselben ist die Syn-
chondrosis petrobasilaris.
Ausser den Nähten, welche von der Seitenwand des Schädels auf die
Basis übergehen und abgesehen von den frühzeitig verknöchernden queren
Synehondrosen zwischen den Körpern des Hinterhaupts- und Wespenbeins,
13
196 Nähte.
besitzt die Schädelbasis (Fig. 77) zwei parallele, in der Richtung der Axe
der Schläfenpyramide schräg median- und vorwärts laufende Nähte, welche
man freilich nicht als Nähte, sondern als Spalten aufzuführen gewöhnt ist,
mit Unrecht, da sie an dem frischen Schädel ganz und gar von Knorpelmasse
ausgefüllt sind. Die Hauptmasse dieses Knorpels liegt im For. lacerum;
von da aus erstreckt sich die eine hintere Naht, Sutura (Fissura) pe-
trobasilaris, zwischen Schläfenpyramide und Hinterhauptsbein zur lateralen
Spitze des For. jugulare; die andere, vordere, Sutura (Fissura) spheno-
petrosa, verläuft zwischen Schläfenpyramide und Temporalflügel und setzt
sich über der medialen Mündung der knöchernen Tuba noch eine Strecke
weit in der Decke derselben fort, während an der Schädelbasis in der glei-
chen Flucht die Fissura petrosquamosa und petrotympanica auftreten.
‘ Wegen der Nähte am Gaumen verweise ich auf S. 170.
Im Gesicht (Fig. 81) findet sich die transversale Naht der Nasenwurzel,
die sich jederseits in die Augenhöhle fortsetzt, zwischen Stirnbein einerseits
und Nasenbeinen und Stirnfortsätzen des Oberkiefers andererseits; von der
Mitte derselben abwärts eine mediane Naht zwischen den Nasenbeinen und
zwischen den Zahnfortsätzen der Oberkieferbeine, der medianen Naht der
Nasenbeine fast parallel die Naht zwischen Nasenbein und Stirnfortsatz des
Oberkiefers jeder Seite, endlich etwa von der Mitte des unteren Bandes der
Augenhöhle schräg seit- und abwärts zum Wangenhöcker die Naht zwi-
schen Joch- und Oberkieferbein, Sutura zygomatico-mazillaris. Häufig
geht von der letzteren oder medianwärts neben ihr vom Augenhöhlenrande
zum For. infraorbitale die dem Oberkiefer angehörige Sutura infraorbitalis
herab.
Die Art, wie die Knochen, welche die Augenhöhle begrenzen , zusam-
mengefügt sind (Fig. 81, 86, 87), lässt eine gewisse Symmetrie nicht ver-
kennen. Vier Nähte laufen sagittal, ungefähr je an der Grenze der oberen,
unteren, medialen und lateralen Wand. Die obere und untere Wand sind
durch ziemlich entsprechende quere Nähte, die mediale und laterale Wand
ebenso durch verticale Nähte abgetheilt. Die transversale Naht der Decke der
Augenhöhle befindet sich zwischen Stirnbein und Orbitalflügel des Wespen-
beins und grenzt von der Decke ein kleines dreiseitiges Feld im Hinter-
grunde der Augenhöhle ab; die transversale Naht des Bodens verläuft
zwischen Öberkiefer und Proc. orbitalis des Gaumenbeins, ein ebenfalls
dreiseitiges, nur noch kleineres Feld im Hintergrunde der Augenhöhle ab-
grenzend. Gegen die mediale Wand setzt sich die vom Stirnbein gebildete
Decke durch eine Naht ab, welche längs dem Stirnfortsatz des Oberkiefers,
dann dem 'Thränenbein, dann der Papierplatte des Siebbeins hinzieht; die
Grenze gegen die laterale Wand bildet eine Naht, welche zwischen Stirn-
und Jochbein beginnt, sich dann zwischen Stirnbein und Temporalflügel
fortsetzt und in der Spitze der Fissura orbitalis sup. endet. An der Naht,
welche die untere und mediale Wand scheidet, betheiligen sich von unten
her Oberkiefer- und Gaumenbein, von oben her Thränen- und Siebbein;
zwischen der unteren und lateralen Wand erstreckt sich, vom lateralen
Ende der Fissura orbitalis inf. beginnend, die Sutura zygomatico-maxillaris.
Die laterale Wand wird an der Grenze des vorderen und mittleren Drittels
perpendiculär getheilt durch die Naht zwischen Orbitalflügel una Jochbein ;
Nahtknochen. 197
die mediale Wand wird an der entsprechenden Stelle ebenfalls perpendicu-
lär getheilt durch die Naht zwischen Thränen - und Siebbein, ferner, dicht
am vorderen Rande der Augenhöhle, durch die im Grunde der Thränen-
grube verlaufende Naht zwischen Stirnfortsatz des Oberkiefers und Thränen-
bein, und im Hintergrunde der Augenhöhle durch die Naht zwischen Sieb-
bein und Wespenbeinkörper. Den Boden der Augenhöhle theilt in zwei
seitliche Hälften die Sutura infraorbitalis zwischen dem Körper und dem
Proc. zygomatico-orbitalis des Oberkieferbeins.
Im Inneren der Schädelhöhle sind an der Decke und in den beiden
hinteren Abtheilungen des Bodens dieselben Nähte wie an der Aussenfläche
sichtbar; in der vorderen Schädelgrube kommen die Nähte zwischen der
Siebplatte des Siebbeins, dem Stirn- und Wespenbein hinzu (Fig. 74).
Die mannigfaltigen Varietäten der Schädelknochen haben, wie sich von selbst
versteht, Varietäten der Nähte im Gefolge. Doch giebt es eine Art von Varietäten,
bei welchen die abweichende Form der Naht als das Wesentliche sich aufdrängt
und die damit verbundene Abweichung in der Form der Knochen als etwas Secun-
däres aufgefasst wird. Es kann — am häufigsten geschieht dies in der Lambda-
naht — eine einzelne Zacke oder eine Anzahl von Zacken von einem der mit ein-
ander verbundenen Knochen sich ablösen, ringsum abgrenzen und so gleichsam
eine Insel in der Naht bilden. Die von einer abnorm getheilten Naht inselartig
umschlossenen Knochen werden Nahtknochen, Ossa suturarum '), genannt.
Der Begriff der Nahtknochen ist übrigens in doppelter Beziehung schwankend.
Erstens ist es willkürlich, ob wir einen Knochen, z. B. den oberen Theil einer
durch quere Naht in zwei Stücke zerfallenen Hinterhauptsschuppe, als selbststän-
digen Nahtknochen oder als Theil des Knochens, von welchem er abgelöst ist, be-
. trachten wollen. Zweitens haben die Nahtknochen mitunter nur eine vorüber-
gehende Existenz, verschmelzen später mit dem einen oder anderen der Knochen,
zwischen welche sie eingefügt sind, und gehören also eigentlich in das Gebiet der
Epiphysen, wie der Knochen der Fissura petrobasilaris (S. 152), das äussere Thrä-
nenbein (S. 169) u. a. Unzweideutig sind die Nahtknochen, welche in den Bereich
der beiden die Naht begrenzenden Knochen eingreifen, als ob jeder der letzteren
seinen Beitrag zu dem einfachen, eingeschalteten Stück abgegeben hätte.
Eine besondere und seltene Art abnormer Nähte umschreibt Knochenstücke,
welche eher den Namen Schalt- als Nahtknochen, nach der oben gegebenen
Definition, verdienen würden. Es sind meist nur kleine, in der Continuität eines
Knochens eingesprengte, also von einem und demselben Knochen ringsum umgebene
Stücke. Am häufigsten finden sich dergleichen im Warzentheil des Schläfenbeins ,
sie kommen innerhalb der Zacken des Randes eines Schädelknochens und sogar
innerhalb eines Nahtknochens vor. r
Mit Rücksicht auf ihre Mächtigkeit lassen sich zwei Arten von Nahtknochen
unterscheiden. Es giebt 1) oberflächliche, in Vertiefungen der eigentlichen Schädel-
knochen gleichsam nur eingelegte, und zwar ebensowohl an der äusseren Oberfläche,
welche nicht bis an die Glastafel reichen, wie an der inneren Oberfläche, welche
von aussen nicht wahrnehmbar sind. 2) Durchgreifende, durch deren Entfernung
die Schädelwand eine Lücke bekommt. Die letzteren sind fast immer keilförmig,
gegen die innere Oberfläche verjüngt. Der Anschein von Nahtknochen der ersteren
Art entsteht zuweilen dadurch, dass an schuppenförmigen Nähten neben dem Naht-
rande Stifte des tieferen Knochens in Löchern des oberflächlichen aufgenommen
werden (Schultz, a a. O. 8. 9).
Nahtknochen kommen symmetrisch vor, doch ist dies nicht die Regel. Die
Form ihrer Ränder richtet sich nach der Form der Knochen, welche sie vertreten;
!) Schaltknochen, Zwickelbeine, Nahtdoppler, Ossa intercalaria, epactalia, triquetra,
Wormiana, raphogeminantia.
Naht-
knochen.
Unter-
schiede der
Racen,
198 Nahtknochen.
in den zackigen Nähten des Schädels sind sie aussen Zackig, innen fein wellen-
förmig, zwischen den Gesichtsknochen sind sie glattrandig. Ihre Grösse wie ihre
Zahl ist sehr veränderlich, die Grösse vom Punktförmigen bis zu einem Durch-
messer von mehreren Zollen. Die grösste Zahl kleiner Nahtknochen findet man
mitunter in der Lambdanaht.
In den meisten Nähten des Schädels und Gesichts hat man Nahtknochen beob-
achtet, am häufigsten, wie erwähnt, in der Lambdanaht, wo bald ein unpaariger,
medianer, eckiger Knochen die Spitze des Hinterhauptsbeins vertritt, bald zackige
Knöchelchen in den Schenkeln der Naht reihenweise geordnet sind. Seltener sind
die Nahtknochen in der Kronen-, noch seltener in der Scheitelnaht. Sehr oft findet
sich ein länglicher, mit dem längsten Durchmesser sagittal gestellter Nahtknochen
am unteren vorderen Winkel des Scheitelbeins; indem derselbe mit der Schläfen-
schuppe verwächst, bildet er die oben (S. 134) erwähnte Zacke derselben, die sich
zwischen Scheitelbein und Temporalflügel einschiebt. Eben so gewöhnlich ist an
der Stelle, wo der hintere untere Winkel des Scheitelbeins mit dem Hinterhaupts-
bein und dem Warzentheil des Schläfenbeins zusammentrifft, ein Nahtknochen oder
eine Anzahl derselben, die sich auf Kosten bald des einen, bald des anderen der
genannten Knochen entwickeln. Zwischen Scheitelbein und Schläfenschuppe, dem
ganzen oberen Rande der letzteren entlang, wurde zuweilen ein mehrere Linien
hoher Nahtknochen beobachtet, so dass die Schuppennaht doppelt vorhanden schien.
In der Grube, welche in der Schädelhöhle hinter dem Jochfortsatz des Stirnbeins
oberhalb der Verbindung des letzteren mit dem Temporalflügel liegt, vor oder
hinter der queren Naht zwischen Siebbein, Stirnbein und Wespenbein, sowie neben
der sagittalen Naht zwischen Stirn- und Siebbein kommen bei jungen Subjecten
zahlreiche kleine, durch verschiedenartig angeordnete Linien umschriebene Plättchen
vor (Gruber, Abh. S. 114). Statt der Knochenspitzen, welche vom Hinterhaupts-
oder Schläfenbeine aus das Foramen jugulare quertheilen, findet sich ein besonderes
Knöchelchen, Ossieulum jugulare Gruber (Bulletin de lacademie de St. Peters-
bourg, T. XI. p. 93).
Uster den Nähten des Gesichts bieten die der Augenhöhle am häufigsten Naht-
knochen dar und hier wieder vorzugsweise die Naht, in welcher Orbitalflügel, Ober-
kiefer und Jochbein einander vor dem lateralen Rande der Fissura orbit. inf. be-
gegnen. Einen Nahtknochen in der Decke der Augenhöhle zwischen dem Wespen-
bein, Sieb- und Stirnbein hat Czermak (Zeitschr. für wissensch. Zool. Bd. Ill.
S. 27. Taf. II) unter einigen hundert Schädeln fünf Mal angetroffen. Erwähnung
verdient noch wegen der häufigen Anwesenheit feiner Nahtknochen die Sutura
ineisiva. Vergl. Sandifort, Observat. anatomico-pathol. Lib. III. p. 103. Lib. IV
p. 134. Rosenmüller, De singularibus et nativis ossium c. h. varietatibus. Lips.
1804. p. 11. Jung, Animadv. de ossibus generatim et in specie de ossibus rha-
phogeminantihus. „Basil. 1827.
Man hat vielfach nach Charakteren an dem Schädel gesucht, mittelst welcher
die Racen des Menschengeschlechts gesondert und unterschieden werden sollten.
Solche Charaktere sind nicht in eigentlichen Varietäten der Form der Kopfknochen
zu finden; wenigstens ist bis jetzt noch jede Varietät, welche als Eigenthümlichkeit
einer fremden Race angesehen worden war, bei einheimischen Schädeln wieder-
gesehen worden, und es könnte sich höchstens fragen, ob Varitäten, wie Verschmel-
zung der Nasenbeine, gewisse Nahtknochen und dergl., bei einer Race relativ vor-
wiegen. Die Racenkennzeichen bestehen nur in Verschiedenheiten der Proportion, der
Neigung und Krümmung der einzelnen Elemente des Schädel. Man hat dieselben
auf einen mathematischen Ausdruck zu bringen gesucht durch Vergleichung der
Winkel, welchen die Stirnebene mit der Schädelbasis oder dem Gaumen oder einer
durch beliebige Punkte des Schädels gelegten Ebene bildet, oder durch Vergleichung
gewisser Axen des Schädels oder des Flächenraumes, welchen am Mediandurch-
schnitt des Schädels die Hauptabtheilungen einnehmen. Solche Proportionen kön-
nen, ihrer Natur nach, keine scharfen Grenzen zwischen den einzelnen Typen bil-
den, Auch hat die Erfahrung gelehrt, dass kein einfaches Verhältniss zur Bezeich-
Fontanellen. 199
&
nung dessen hinreicht, was für die verschiedenen Typen charakteristisch ist. Zu
dem Ende schlägt Retzius (Müll. Arch. 1845, S. 84) die Combination zweier Mo-
mente vor, der Schädelform und der Stellung der Kiefer. Er unterscheidet lang-
köpfige Formen (mit vorwiegendem sagittalen Durchmesser) und kurzköpfige, Doli-
chocephali und Brachycephali, und unter diesen wieder Formen mit geraden und mit
vorstehenden Kiefern, Orthognathi und Prognathi.
Bei Vergleichung der menschlichen und thierischen Schädel fällt das relative
Uebergewicht des Hirn- über den Gesichtstheil beim Menschenschädel auf. Ob bei
den Menschenracen, die man als höhere und niedere einander entgegenstellt, ein
ähnlicher Unterschied bestehe, haben Tiedemann (Das Hirn des Negers, Heidel-
berg 1837, S. 21) und Morton (Edinb.. new philosoph. Journ. 1850. Jan.) durch
Messungen der Capacität des Hirnschädels verschiedener Stämme zu entscheiden
gesucht. Nach Tiedemann ist die mittlere Capacität des Neger- und Europäer-
schädels nicht verschieden, nur kommen ‘die höchsten Extreme häufiger bei dem
etzteren vor; nach Morton’s Durchschnittszahlen ist das Negerhirn um 9" Cub.
kleiner als das der germanischen Völkerschaften; allein diese Durchschnittszahlen
verdienen nur geringes Vertrauen, weil Morton unterliess, männliche und weib-
liche Schädel zu sondern.
Der weibliche Kopf ist im Allgemeinen kleiner als der männliche, der Hirn-
schädel aber im Verhältniss zum Gesichtsschädel grösser. Ebenso sind die Augen-
höhlen des weiblichen Schädels verhältnissmässig grösser, alle übrigen Höhlen und
Canäle aber minder geräumig, der Unterkiefer enger gekrümmt. Der Schädel des
Neugeborenen hat im sagittalen Durchmesser (von der Nasenwurzel zur Spitze der
Hinterbauptsschuppe) 120mm, im transversalen Durchmesser (von einem Scheiiel-
beinhöcker zum anderen) 90mm und ungefähr eben so viel im verticalen Durch-
messer. Die Knochen der Schädeldecke, die im Erwachsenen durch zackige Nähte
in einander greifen, sind mit glatten oder schwach gekerbten Rändern versehen
und durch fibröse Substanz, eine Fortsetzung der Bein- und harten Hirnhaut, zu-
sammengehalten, welche eine geringe Verschiebung gestattet: Dabei treten, wenn
der Druck in der Richtung des sagittalen Durchmessers wirkt, Hinterhaupts- und
Stirnbein unter den Rand der Scheitelbeine. Dieselbe fibröse Substanz füllt die
eben erwähnten Knochenlücken an den Winkeln der Scheitelbeine, die Fontanellen
(Fonticuli) aus. Von diesen Fontanellen sind die oberen, am vorderen und hinte-
ren Ende der Scheitelnaht befindlichen unpaar; man kann sie als Fontanellen
schlechtkin oder als Medianfontanellen bezeichnen und zwar als vordere !) und
hintere 2). Die an den unteren Winkeln gelegenen Fontanellen nennt man Seiten-
fontanellen, Fonticuli laterales, und unterscheidet ebenfalls eine vordere °) und
hintere ‘). Die vordere Medianfontanelle ist vierseitig, von der Gestalt eines Papier-
drachen, den stumpfen, von den vorderen Rändern der Scheitelbeine eingefassten
Winkel rückwärts gerichtet, den spitzen Winkel nach vorn, mehr oder minder tief
zwischen die beiden Stirnbeinhälften eindringend. Die hintere Medianfontanelle hat die
Form eines kleinen, stumpfwinkeligen Dreiecks, dessen Basis von’ der Spitze des
Hinterhauptsbeins gebildet, dessen stumpfer Winkel von den Scheitelbeinen ein-
geschlossen wird. Die vordere Seitenfontanelle ist eine längliche, mit dem längsten
Durchmesser sagittal gestellte Spalte, vorn vom Stirnbein, oben vom Scheitelbein,
unten vom oberen Rande des Temporalflügels, hinten von der Schläfenschuppe be-
grenzt. Die hintere Seitenfontanelle, zwischen dem Warzentheil des Schläfenbeins,
dem hinteren unteren Winkel des Scheitelbeins und dem Hinterhauptsbein, ist von
unregelmässiger Form, medianwärts in die Spalte zwischen der Schuppe und dem
Seitenstück des Hinterhauptsbeins, öfters auch in die Querspalte der Hinterhaupts-
schuppe (S. 97) verlängert. Nicht selten setzt eine streifenförmige Knochenlücke
zwischen dem unteren Rande des Scheitelbeins und dem oberen Rande des Schläfen-
I) Grosse, vierseitige oder Stirnfontanelle, Fonticulus anterior, major , quadrangularis.
®) Kleine, dreiseitige, Hinterhauptsfontanelle, Font. posterior, minor, triangularis,
®) Keilbeinfontanelle. *) Font. Casseri, Warzenfontanelle,
2
des Ge-
schlechts,
des Alters.
Fonta
nellen,
B. Knochen
der Extre-
mitäten.
Gürtel,
200 ” Knochen der Extremitäten.
beins die vordere und hintere Seitenfontanelle mit einander in Verbindung. Kurze
Zeit nach der Geburt schliesst sich die hintere Median- und die vordere Seiten-
fontanelle. Die vordere Medianfontanelle erhält sich bis zum Anfang und zuweilen
selbst bis ans Ende des zweiten Jahres.
Zugleich mit der Ausbildung der Nähte entstehen an der inneren Oberfläche
der Schädelknochen die den Gefässen und den Wölbungen der Gehirnoberfläche
entsprechenden Eindrücke.
Im höheren Alter findet häufig eine Obliteration der Nähte Statt, welche von
der inneren Tafel gegen die äussere fortschreitet, zuerst gewöhnlich in der Scheitel-
naht, dann in der Kronen- und Hinterhauptsnaht. Uebrigens gehören auch früh-
zeitige Verknöcherungen sämmtlicher Nähte, noch in den Jahren des Wachsthums,
nicht zu den Seltenheiten (Sandifort a. a. O.). Durch vorzeitige Verknöcherung
der einen oder anderen Naht wird der Schädel verhindert, sich gleichmässig aus-
zudehnen; es entstehen abnorm spitze oder im sagittalen Durchmesser verlängerte
oder assymmetrische Schädelformen, je nachdem der Absatz neuer Knochenmaterie
zuerst an den transversalen Nähten oder an der sagittalen beeinträchtigt ist (vergl.
Virchow, Verh. der physikal.-medicin Gesellsch. in Würzburg. Bd. II. S. 238)-
B. Knochen der Extremitäten.
Jede Extremität besteht aus dem Gürtel und der eigentlichen Glied-
maasse ($. 22).
Den Gürtel der obe-
ren Extremität setzen
zwei Knochen zusammen,
das Schulterblatt,
Scapula, ein breiter,
dreiseitiger, auf der hin-
teren Fläche des Brust-
korbes platt aufliegen-
der Knochen, und das
Schlüsselbein, Üla-
vieula, der eylindrischen
Gestalt sich nähernd und,
einer Strebe gleich, zwi-
schen der lateralen Ecke
des Schulterblattes und
dem _Schlüsselbeinaus-
schnitt des Brustbeins
befestigt. Den Gürtel
der unteren Extremität
bildet im Ewachsenen
jederseits ein einziger
Knochen, das Hüft-
"bein, Os coxae, des-
sen obere, den untersten
Theil der Seitenwand des
+ ; Rumpfes stützende Hälfte
breit und platt ist, dessen
unteren Extremität. untere Hälfte, in dem
Skelett des Rumpfes mit dem Gürtel der oberen und
Knochen der Extremitäten 201
abwärts geneigten untersten Theile der Vorderwand des Rumpfes gelegen,
aus ebenfalls platten, aber verhältnissmässig schmalen, eine ovale Oeffnung
umschliessenden Knochenleisten besteht.
Bis gegen die Zeit des Zahnwechsels ist das Hüftbein (Fig. 189)
aus drei durch Synchondrose verbundenen Stücken zusammengesetzt, eins,
Fig. 189.
Linke obere und untere Extremität, Profilansicht. Vgl. S. 202 und 205.
Os ilium, für die breite, obere Hälfte, zwei, welche, Halbringen ähnlich,
die ovale Oeffnung der unteren Hälfte einfassen, M ischi und Os pubis.
Da nun auch am Schulterblatt ein Fortsatz sich befindet, der Processus
coracoideus, welchen man als das verkümmerte und mit dem Schulter-
blatt verwachsene Rudiment eines bei Vögeln und Reptilien selbständigen
Glied-
maassen.
202 Knochen der Extremitäten.
dritten Knochens des oberen Extremitätengürtels ansehen kann: so würden
die beiden Extremitätengürtel einander bezüglich der Zahl und einiger-
maassen auch der Form ihrer Bestandtheile entsprechen. Darin aber wei-
chen sie von einander ab, dass in der Oberextremität nur das Schulter-
blatt, in der unteren alle drei Knochen an der Bildung der Gelenkpfanne
für die Gliedmaassen Antheil nehmen, ferner dass die Gürtel der unteren
Extremität unmittelbar, die der oberen durch Vermittelung des Brustbeins
in der Mittellinie zusammenstossen.
Die Gliedmaassen sind aus einer grösseren Zahl zum Theil eylindri-
scher, zum Theil kurzer Knochen zusammengefügt und lassen sich in Ab-
theilungen zerlegen, welche gleicherweise, jedoch nicht ohne bedeutende Ver-
schiedenheiten, in der oberen und unteren Extremität wiederkehren. Die
oberste Abtheillung — Oberarm, Oberschenkel — bildet ein einziger,
verhältnissmässig starker und langer eylindrischer Knochen ( Humerus,
Femur ): in der zweiten Abtheilung — Unterarm, Unterschenkel—
liegen zwei ähnliche, etwas kürzere Knochen neben einander, der Länge nach
durch eine fibröse Haut, Zwischenknochenhaut, Membrana interossea,
an einander geheftet. An der oberen Gliedmaasse trägt das obere Ende des
stärkeren dieser Knochen, der Ulna, einen aufwärts ragenden Fortsatz,
Olecranon, welcher der Sehne der Streckmuskeln zur Insertion dient; an
der unteren Gliedmaasse ist der gleichbedeutende Fortsatz ein besonderer
scheibenförmiger Knochen, Kniescheibe, Patella, nur durch Bandmasse
mit dem betreffenden Röhrenknochen, Tdia, verbunden. Am Bein artieulirt
nur dieser stärkere Knochen, am Arm articuliren beide mit dem unteren Ende
des einfachen Knochens der ersten Abtheilung. Die dritte Abtheilung —
Hand, Fuss — zerfällt wieder in drei Unterabtheilungen. Die erste —
Hand- und Fusswurzel — enthält eine Anzahl kurzer, in Querreihen ge-
ordneter Knochen ; in der zweiten Unterabtheilung — Mittelhand, Mittel-
fuss — liegen eylindrische Knochen, der Zahl der Finger oder Zehen ent-
sprechend, neben einander, am oberen, und, mit Einer Ausnahme (Daumen),
am unteren Ende durch Bänder an einander befestigt, mit Zwischenräumen,
welehe von Muskeln ausgefüllt werden. Die dritte Unterabtheilung machen
die Finger und Zehen aus, je vier aus drei cylindrischen Gliedern, ein
äusserster — Daumen, Grosszehe (Pollex, Hallux) — aus zwei Gliedern
gebildet. Finger und Zehen werden von der Daumen - und Grosszehenseite
an gezählt. Die Länge der Glieder der einzelnen Finger und Zehen nimmt
im Allgemeinen von der Wurzel der Hand und desFusses gegen die Spitze
der Gliedmaasse ab; eine Ausnahme machen die kleineren Zehen, deren
letztes Glied das vorletzte an Länge übertrifft. Die cylindrischen Knochen
der Finger- und Zehenglieder heissen Phalangen; wir nennen die Knochen
der ersten Glieder Grundphalangen, die der zweiten Glieder Mittel-
phalangen, die der dritten Endphalangen!). Dem Daumen und der
Grosszehe fehlt die Mittelphalange. Dagegen besitzen sie beide je zwei
scheibenförmige Knöchelchen, Sesambeine, an dem lateralen und me-
€
) Chaussier’s Bezeichnung Phalange, Phalangine und Phalamgette für das erste
dritte Glied giebt dem Namen Phalange einen doppelten, engeren und weiteren Sinn,
e Endphalangen werden auch Nagelglieder genannt,
Knochen der Extremitäten. 203
dialen Rande der Beugeseite des Gelenks des Mittelhand- (Fuss-) Knochens
mit der Grundphalange.
Ausnahmsweise kommen einzelne Sesambeine an dem entsprechenden Gelenke
des zweiten und fünften Fingers (Zehe) und an dem Gelenke zwischen Grund- und
Mittelphalange des Daumens und der Grosszehe vor.
Das Gelenk, in welchem die Gliedmaassen mit dem Gürtel artieuliren,
ist ein Kugelgelenk, und zwar trägt der Knochen der Gliedmaasse (Arm-
und Schenkelbein) den kugeligen Gelenkkopf, Condylus. indess die ent-
sprechende Gelenkhöhle den Knochen des Gürtels angehört. Diese Höhle
schaut lateralwärts; der Kugelabschnitt, der sich in derselben bewegen soll,
muss demnach mit seiner gewölbten Oberfläche medianwärts gerichtet sein;
er muss, da die ruhende Extremität mit der Längsaxe vertical am Leibe
herabhängt, am oberen Ende der medialen Fläche des cylindrischen Kno-
chens angebracht sein. Hier steht er auf einem, am Schenkel ansehnlichen,
am Arm kaum angedeuteten, zunächst hinter dem Rande des Gelenkkopfes
gleichsam eingeschnürten, cylindrischen Vorsprung, dem Hals, dessen
Längsaxe die Längsaxe des Gliedes unter einem stumpfen Winkel schneidet.
Die Gelenke der Gliedmaassenknochen unter sich sind grösstentheils
Winkelgelenke, d. h. Gelenke, in welchen der convexe Kopf einen liegen-
den Cylinderabschnitt darstellt und sich in einer entsprechenden Aushöh-
lung um seine Längsaxe dreht, was eine Bewegung der articulirenden
Knochen auf- und abwärts in einer Ebene, eine Streckung und Beugung
zur Folge hat. Selbst wo die kugelförmige Gestalt der Flächen eine
Axendrehung gestatten würde, wie in den Gelenken der Mittelhandknochen
ınit der Grundphalange, ist die Bewegung durch die Bänder auf Streckung
und Beugung eingeschränkt. Ausnahmen machen: das Gelenk zwischen
beiden Vorderarmknochen, worauf ich zurückkomme, ferner die sattel-
förmigen Gelenke der Hand- und Fusswurzel mit den Knochen der Mittel-
hand und des Mittelfusses; endlich die straffen Gelenke der Hand- und
Fusswurzelbeine unter sich, welche aus Flächen von verschiedener Gestalt
gebildet sind und geringe Verschiebungen in verschiedenem Sinne gestat-
ten. Uebrigens sind auch die Winkelgelenke nicht alle gleich genau und
in vielen derselben hat der Gelenkkopf Spielraum genug, um sich, wie
z. B. der Fuss im Knöchelgelenk, nach verschiedenen Richtungen in seiner
Pfanne schräg zu stellen. |
Im Allgemeinen gehört bei den Winkelgelenken der Extremitäten dem
höheren Knochen der Gelenkkopf, dem tieferen die Pfanne an, so dass
also der beweglichere Theil nieht in, sondern auf dem minder beweglichen
articulirt. Das Umgekehrte findet in den Gelenken des Unterarms mit der
Hand, des Unterschenkels mit dem Fusse Statt.
Die Ortsveränderungen, zu welchen die im Winkelgelenk beweglichen
Glieder befähigt sind, werden, wie erwähnt, Beugung und Streckung ge-
nannt. Gestreckt heissen Glieder, wenn sie eine gerade Linie aus-
machen; durch die Beugung wird die gerade Linie in eine gebrochene ver-
wandelt. Dies Kriterium reicht indess nicht überall aus; denn es giebt
Gelenke, wie z. B. das Knöchelgelenk der Hand und des Fusses, in wel-
chen die Knochen nach zwei entgegengesetzten Richtungen aus der gerad-
linigen Lage in die gebrochene ausweichen. Dadurch, dass beide Be-
204 Knochen der Extremitäten.
wegungen gebrochene Linien erzeugen, hört die eine nicht auf, sich zu
Fig. 190.
der anderen als deren Gegensatz zu verhalten, und wenn wir die eine als
Beugung betrachten, kann uns die andere nur als Uebermaass der Streckung
erscheinen. Was nunmehr Beugung, was übermässige Streckung sei, dar-
über lassen wir die Analogie entscheiden. An der oberen Gliedmaasse ist
die Wahl nicht schwer; Beugung ist hier die Bewegung, welche die Fin-
ger gegen die Hohlhand einschlägt, die Vorderfläche des Unterarms gegen
die gleichnamige Fläche des Oberarms heraufführt, consequenter Weise
also auch die Bewegung, durch welche die Hohlhand sich der Vorder-
fläche des Unterarms nähert. Hängt der Arm mit vorwärts gerichteter
Hohlhand herab, so ist, entsprechend den Flächen des Rumpfes, die ganze
hintere Fläche Rücken - oder Streckseite, die ganze vordere Fläche Beuge-
seite. Die untere Gliedmaasse richtet die Streckseite des Kniegelenks
nach vorn, der Zehengelenke nach oben; darüber, dass die obere, ge-
wölbte Fläche des Fusses dem gewölbten Rücken der Hand, die untere
Knochen der Extremitäten. 205
oder Hohlfläche (Sohle, Planta) der vorderen oder Hohlfläche (Vola)
der Hand entspreche, kann nach der Configuration der Knochen und
Muskeln kein Zweifel obwalten. Dann aber ist die Bewegung im Knöchel-
gelenk, durch welche die Zehenspitzen gegen das Schienbein geho-
ben werden, Streckung, die Hebung der
Fig. 191. Ferse Beugung. Die Haltung des Fusses
beim aufrechten Stehen ist schon Ueber-
streckung und bei der äussersten Beugung
erreichen wir es kaum, die Beugefläche
des Fusses und Unterschenkels in eine
Ebene zu bringen. Bei dieser Haltung
aber, in welcher der Fussrücken vorwärts
und die Sohle rückwärts sieht. ist die
ganze Vorderfläche der unteren Glied-
maasse Streckseite, die hintere Fläche
Beugeseite.
Diese Auffassung steht im Widerspruch mit
der Sprache des gemeinen Lebens und sogar
mit der gangbaren anatomischen Terminologie,
wonach „den Fuss strecken“ so viel heisst, als
die Spitze desselben abwärts gegen den Boden
bewegen. Wir schmeicheln uns auch nicht,
dass wissenschaftliche Bedenken mächtig genug
sein werden, die populäre Ausdrucksweise um-
zugestalten. Der Nachtheil des Widerspruchs
aber wird aufgewogen durch die Vortheile,
welche die consequentere Verfolgung der
Analogie bei der Beschreibung der Knochen
und insbesondere der Muskeln gewährt.
Dadurch, dass die obere und untere Extremität ihre Streck- und
Beugeseite von einander abwenden, die obere sich im Ellbogen nach hin-
ten, die untere im Knie nach vorn beugt, machen sie eine Ausnahme von
dem Gesetz der gleichsinnigen Anordnung der in der Längsaxe des Kör-
pers einander wiederholenden Theile (S. 5) und zeigen vielmelir eine Ten-
denz zur Symmetrie, die sich, wenn man beide Extremitäten in der Seiten-
ansicht oder wenn man die Vorderfläche der einen mit der hinteren Fläche
der anderen vergleicht, selbst in untergeordneten Einzelheiten nicht ver-
läugnet. So ist der Hals des Schenkelbeins vom Körper dieses Knochens
an etwas nach vorn, der gleichnamige Theil des Oberarms in gleichem
Maasse rückwärts gerichtet. Von den zwei starken Muskelfortsätzen,
“welehe am oberen Ende des Arm- und Schenkelbeins, gegenüber der Ver-
bindung des Halses mit dem Körper, hervorragen, steht am Schenkelbein
der kleinere, Trochanter minor, hinter dem grösseren, Tr. major,
am Armbein dägegen der kleinere, T’uberculum minus, vor dem grösse-
ren, T’ub. maj. Die unteren Gelenkhöcker des Armbeins sind nach vorn,
die des Schenkelbeins nach hinten umgebogen. @lecranon und Patella,
welche einander entsprechen, liegen jenes an der hinteren, diese an der
“ vorderen Seite des betreffenden Gelenks. Von den beiden Röhrenknochen
Analogie
der oberen
und unte-
ren Glied-
maasse.
®
206 Knochen der Extremitäten.
des Unterarmes ist der mediale, Ulna, schwach rückwärts convex, am
Unterschenkel zeigt der mediale Knochen, Tbia, eine schwache Wöl-
bung nach vorn; der laterale Knochen, Radius, F'ibula, ist dort in der
Nähe des vorderen Randes, hier in der Nähe des hinteren Randes des
medialen Knochens eingelenkt.
Diese ausnahmsweise Symmetrie erstreckt sich indess nicht auf das
untere Ende der Gliedmaasse. In dem Verhältniss der Hand zum Fuss
stellt sich die regelmässige, gleichsinnige Anordnung wieder her und darauf
beruht ein auffallender Mangel an Uebereinstimmung zwischen beiden
Extremitäten, dass nämlich der Daumen der Hand unter dem lateralen
Knochen des Unterarms oder an dem Radialrande der Hand, der Daumen
des Fusses dagegen unter dem medialen Knochen des Unterschenkels
oder am Tibialrande des Fusses liest. Man wird diese Verschiedenheit
am leichtesten dadurch verständlich machen, dass man sich die Aufgabe
stellt, mittelst einer Operation an der oberen Extremität den Uebergang
aus der symmetrischen Anordnung (des Armes und Beines) in die gleich-
sinnige (der Hand und des Fusses) zu bewerkstelligen. Das Einfachste
wäre alsdann, die Hand aus ihrem Gelenke zu lösen und sie, um ihre
Längsaxe gedreht, so wieder einzusetzen, dass der Rücken derselben in
eine Flucht mit der Beugeseite, die Vola in eine Flucht mit der Streckseite
des Armes zu liegen käme. Die Natur erreicht dasselbe, indem sie den
Vorderarmknochen eine Einrichtung giebt, vermöge welcher das untere
Ende des Radius und mit ihm die Hand sich über die Vorderfläche des
unteren Endes der Ulna weg medianwärts herumzuwälzen vermag. Sie
stellt so aus der symmetrischen Haltung, wobei die Handfläche vorwärts
gerichtet ist, aus der sogenannten Supination, jeden Augenblick die
gleichsinnige Haltung, die sogenannte Pronation, her. Sollen aber die
Hand in der Pronation und der Fuss einander decken, sollen ihre Daumen-
und Kleinfingerseiten einander entsprechen, so musste der Daumen der
supinirten Hand an dem dem Daumenrande des Fusses entgegengesetzten
Rande sich befinden.
Um Hand und Fuss mit einander zu vergleichen, muss man sie also
so neben einander stellen, als ob man die Hand zur Nachahmung des vier-
füssigen Ganges benützte. Die Verschiedenheiten,' welche man hierbei
gewahrt, scheinen auf den ersten Blick wesentlicher, als sie wirklich sind.
Zwar zählt man an der Fusswurzel sieben, an der Handwurzel acht Kno-
chen; allein von den Knochen der Handwurzel liegt einer, -das Erbsen-
bein (3°), nicht in der Reihe und ist nur als ein selbständig gewordener
Fortsatz des Knochens zu betrachten, auf dessen Volarfläche er eingelenkt
ist. Der analoge, aber angewachsene Fortsatz der Fusswurzel ist der
Proc. calcanei des Fersenbeins (III), welcher freilich durch. seine Grösse
und seine Verlängerung über das Knöchelgelenk hinaus nach hinten dem
Fusse eine eigenthümliche und von der Form der Hand sehr abweichende
Gestalt verleiht.
Die Knochen der Handwurzel liegen in zwei Reihen, die der Fuss-
wurzel am Kleinzehenrande in zwei, am Grosszehenrande in drei Reihen.
Bei näherer Betrachtung löst sich auch diese Differenz auf und es wird
“.
Knochen der Extremitäten. & 207
leicht, die einzelnen Hand- und Fusswurzelknochen auf dasselbe Schema
zu beziehen. Es besteht nämlich an der Handwurzel eine erste Reihe aus
drei Knochen — das Erbsenbein zähle ich aus dem eben angeführten
Fig. 193.
I
"il
Bei! Baal a EE
2 Me2 Meg M
M
i
c4 Mec5
Handwurzel von der Beugeseite.
Me Mittelhandknochen.
Grunde nicht mit —, welche mit
einander einen platten Bogen dar-
stellen, dessen eonvexe Seite zur
Artieulation mit den Vorderarm-
knochen bestimmt ist. Die Con-
cavität dieses Bogens wird aus-
gefüllt und ein gerader Rand der
Handwurzel gegen den zweiten
bis fünften Finger hergestellt,
durch eine zweite, ebenfalls aus
ter Stücken gebildete Reihe, wel- Fusswurzel von der Beugeseite. Mi Mittel-
che demnach einem stumpfen, von Do;
der Volar- gegen die Dorsalfläche
zusammengedrückten, mit der Spitze schulterwärts gerichteten Kegel eleicht.
Ein siebenter, würfelförmiger Knochen ist an der Daumenseite, gemäss
dem Winkel, welchen die Längsaxe des Daumens mit der Längsaxe der
ganzen Extremität bildet, in einen rechtwinkeligen. Ausschnitt der ersten
und zweiten Reihe so eingeschoben, dass die Diagonalen seiner vorderen
und hinteren Fläche mit der Längs- und Queraxe der Hand parallel stehen ;
die eine, der transversalen Diagonale entsprechende Ecke ist demnach ge-
rade auf die Spalte zwischen der ersten und zweiten Reihe gerichtet und
die Artieulationsflächen mit der ersten Reihe und der Mittelhand, welche
bei supinirt hängendem Arme horizontal liegen sollten, sind ab- und
lateralwärts geneigt. Die Knochen der ersten Reihe sind, von der Dau-
men- gegen die Kleinfingerseite gezählt: Kahnbein (1), Mondbein (2),
Pyramidenbein (3) mit dem Erbsenbein (3°); in der zweiten Reihe fol-
‚gen einander in der gleichen Richtung: Trapezoidbein (4), Kopfbein (5)
und Hakenbein (6); der Handwurzelknochen des Daumens, den man eben-
2308 P - Knochen der Extremitäten.
“sowohl in der ersten wie in der zweiten Reihe mitzählen kann, ist das
Trapezbein (7)D). Eine Unregelmässigkeit aber ist noch hervorzuheben
gleichsam im Gefolge der schrägen Stellung des Trapezbeins: dass nämlich
der an das Trapezbein anstossende Knochen, das Trapezoidbein, während
es mit seiner unteren Fläche einen wesentlichen Theil der Basis des er-
wähnten Kegels bildet, doch mit der lateralen und oberen Fläche an der
Wölbung des Kegels nicht continuirlich Theil nimmt und in die Concavität
der ersten Reihe nicht mit eingeht. Vielmehr ist seine obere Fläche in
gleicher Flucht mit der oberen Fläche des Trapezbeins schräg median-
und abwärts abgeschnitten und stösst medianwärts vom Trapezbein auf die
lateral- und abwärts gewandte Gelenkfläche des Kahnbeins.
Var. Einen neunten Handwurzelknochen zwischen dem Trapezoid- und Kopf-
bein erwähnt Salzmann vgl. Haller, disp. anat. Vol. VI. p. 691. Sömmer-
ring beobachtete eine Verschmelzung des Mond- und Pyramidenbeins.
Der aus den drei Knochen der ersten Reihe gebildete Bogen der Hand-
wurzel kehrt am Fuss mit derselben Knochenzahl wieder. Aber wie im Knie-
gelenk das obere Ende der Tibia durch seine Ausbreitung die Fibula von
der Articulation mit dem Schenkelbein abdrängt, so bemächtigt sich am
Knöchelgelenk das Sprungbein (II), der mittlere Knochen der Reihe, für
sich allein der Verbindung mit den Knochen des Unterschenkels.. Es
schiebt sich gleichsam zwischen seinen Nebenknochen hervor und herauf;
es richtet die Fläche, die seinem Nachbar zur Kleinzehenseite zugekehrt
sein sollte, abwärts, die Fläche, die dem Nachbar zur Grosszehenseite zu-
gekehrt sein sollte, vorwärts und schliesst sich, indem es sich zwischen
beide Nachbaren zurückzieht, von der Articulation mit der zweiten Reihe
der Fusswurzelknochen aus. Offenbar ist das Sprungbein der dem Mond-
bein analoge Knochen; der Knochen, welcher vor ihm liegt und, nach
Analogie der Hand, daumenwärts neben ihm liegen sollte, das Schiffbein
(II), entspricht dem Kahnbein; der unterhalb des Sprungbeins gelegene
Knochen, Fersenbein (III) mit dem Fersenfortsatz (III/), entspricht, wie
bereits erwähnt, einem mit dem Erbsenbein verschmolzenen Pyramidenbein.
Die rechtwinkliche Stellung der Längsaxe des Fusses gegen die Längsaxe
des Unterschenkels, welche für den Fuss im Vergleich zur Hand charakte-
ristisch ist, kann man sich so zu Stande gekommen denken, dass bei an-
fänglich hängendem Fuss die Ueberknorpelung sich von der oberen Fläche
des Sprungbeins nach vorn auf die Rückenfläche herabgezogen habe.
In der zweiten Reihe der Fusswurzelknochen liegt zunächst an der
Kleinzehenseite ein ährlicher, aus drei Knochen gebildeter, nur minder
regelmässiger Kegel, wie in der Hand, ebenso mit der Spitze in die Con-
cavität der ersten Reihe eindringend und auf der Grundfläche die Gelenk-
flächen für die vier äusseren Mittelfussknochen tragend. Das Trapezoid-
bein findet sich in dem zweiten Keilbein (IV), das Kopfbein in dem dritten
Keilbein (V), das Hakenbein in dem Würfelbein (VI) wieder, und die
Aehnlichkeit beschränkt sich nicht auf die Stellung, sondern lässt sich auch
!) Ich habe den Namen Pyramidenbein, Trapezoid- und Trapezbein den Vorzug ge-
geben vor den bei uns mehr eingebürgerten Namen „dreiseitiges, grosses und kleines viel-
winkeliges Bein“, weil sie in der Anwendung bequemer sind.
Schulterblatt. . 209
in der Form der Knochen nachweisen mit dem Unterschiede, dass in der
Hand das Kopfbein, im Fuss das Würfelbein die Spitze des Kegels aus-
macht und dass die Gelenkfläche, welche in der Hand an der unteren
Fläche des Mondbeins liegt, im Fusse dem Schiffbein mit übertragen ist.
Die Rolle des Trapezbeins übernimmt unter den Fusswurzelknochen. das
erste Keilbein (VII); da aber die Grosszehe den übrigen nicht entgegen-
gestellt wird und ihre Längsaxe von der Längsaxe des Fusses nur wenig
abweicht, so stehen auch Flächen. und Ränder des ersten Keilbeins den
entsprechenden Flächen und Rändern der. übrigen Knochen der zweiten
Reihe mehr parallel und das erste Keilbein schliesst sich natürlicher an die
zweite als an die erste Reihe der Fusswurzelknochen an.
Bezüglich der Proportionen besteht zwischen Hand und Fuss der Un-
terschied, dass an der Hand jede folgende Abtheilung die vorhergehende
an Länge übertrifft, indess an der unteren Extremität die Zehen von dem
Mittelfuss, der Mittelfuss von der Fusswurzel an Länge übertroffen wer-
den. Unter den Fingern ist der mittlere, unter den Zehen die zweite am
längsten.
l. Knochen der oberen Extremität.
a. Knochen des Gürtels der oberen Extremität.
1. Schulterblatt, Scapula D.
Das Schulterblatt ist ein platter und sehr dünner, schwach nach hin-
ten gewölbter Knochen, dessen Tafeln nur in der Nähe der Ränder Diploe
einschliessen. Es hat die Form eines spitzwinklichen Dreiecks mit wenig
gekrümmten Seiten, die schmalste Seite nach oben, den spitzesten Winkel
nach unten, etwas mehr als doppelt so hoch (170mm) als am oberen Rande
breit. Die Winkel sind demnach als unterer, oberer medialer und oberer
lateraler, die Ränder als oberer, medialer und lateraler zu bezeichnen. Die
Flächen sind eine hintere, convexe ?) und eine vordere, concave 3). We-
gen der gewölbten Form des Riickens, an dessen Seitentheilen das Schulter-
blatt liegt, ist aber die vordere Fläche zugleich median- und etwas ab-
wärts, die hintere Fläche lateral- und etwas aufwärts gekehrt. In ruhiger
Haltung des Armes reicht das Schulterblatt vom ersten Intercostalraum bis
zur siebenten Rippe oder bis zum Zwischenraum der siebenten und achten.
Sein medialer Rand ist von den Spitzen der (@uerfortsätze ungefähr eben
so weit entfernt, als die Spitzen der Querfortsätze von den Dornen. Der
Mittelpunkt des Oberarmgelenks steht in gleicher Höhe. mit dem unteren
Rande des vierten Rückenwirbels.
Der mediale Rand (Basis) des Schulterblattes ist gegen das obere und
untere Ende stärker als in der Mitte; er stellt eine schwach eonvexe oder
D) Omoplata. 2) Superf. dorsalis. ®) Superf. costals.
Henle, Anatomie. Thl. T. 14
I. Obere
Extremität.
a. Gürtel,
1. Schulter-
blatt.
210 ® Schulterblatt.
eine gebrochene Linie dar, welche bis zur Grenze des oberen und zweiten
Viertheils median - und vom zweiten Viertel an lateralwärts von der Ver-
ticalen abweicht, so dass bei ruhiger Haltung des Armes der untere Win-
kel meist etwas weiter als der mediale obere von der Mittellinie des
Rückens entfernt ist. Der Winkel, welchen der mediale Rand mit dem
oberen bildet, ist bald stumpf und abgerundet, bald spitz; je spitzer er ist,
um so schräger abwärts und um so tiefer ausgeschnitten verläuft der obere
Rand von der medialen zur lateralen Ecke. Der untere Winkel ist ab-
Fig. 194.
Pe, Fan Fig. 195.
sm Ts
R
Linkes Schulterblatt von der
Linkes Schulterblatt von vorn. lateralen Kante. sm Oberer
- medialer Winkel.
gerundet. Von ihm aus geht der laterale Rand gerade oder wellenförmig
in einer die Mitte zwischen der transversalen und verticalen haltenden
Richtung aufwärts; bei starken Körpern springt er zunächst dem unteren
Winkel convex oder in Form einer platten, stumpfen Zacke vor und ver-
grössert so die Fläche, von welcher an der Rückseite der M. teres maj. seinen
Ursprung nimmt (Fig. 195, 196 {mj). Weiter hinauf wird er breiter und
durch einen niedrigen, aber scharfen Kamm (*) der Länge nach getheilt
in einen halbeylindrischen Wulst (tm), welcher die hintere Fläche säumt
(Ursprungsstelle‘des M. teres minor), und eine Rinne (**), welche, wie sie
aufwärts an Breite und Tiefe zunimmt, sich allmälig mehr auf die vor-
dere Fläche wendet, von der sie durch eine stumpfe Kante geschieden ist.
Die Stelle des oberen lateralen Winkels vertritt der Gelenkknopf,
Condylus scapulae, mit der lateral- und vor- und etwas aufwärts ge-
richteten Gelenkgrube, Cav. glenoidea, für den Oberarm. Die Gelenk-
grube ist im Verhältniss zum Armbeinkopf klein; sie ist flach, eiförmig mit
nach oben gerichteter Spitze und am vorderen Rande unter der Spitze leicht
eingebogen (Fig. 195). Ihre Höhe beträgt 40"m, ihre grösste Breite (in sa-
gittaler Richtung.) 30"m. Zu dieser Mächtigkeit verdickt sich das Schulter-
u
Schulterblatt. 311
blatt, indem seine vordere Fläche allmälig und eben, seine hintere Fläche
mittelst eines aufgeworfenen und rauhen Randes an den Rand der Gelenk-
grube herantrit. Der zunächst hinter diesem aufgeworfenen Rande ge-
legene, leicht eingeschnürte Theil wird Hals, Collum scapulae, genannt.
Die Einschnürung vertieft sich am unteren Rande des Gelenkknopfes zu
einem Grübchen und wird um so auffallender, weil gerade unter derselben
ein Höcker, Tuberculum infraglenoidale, vorragt, worin der eben er-
wähnte Kamm des lateralen Randes endet. Von dem Höcker, aus dem Grüb-
chen und vom Rande des Gelenkknopfes vor dem letzteren nimmt der lange
Kopf des Extensor triceps seinen Ursprung. Am oberen Rande der Öber-
armpfanne, gerade über der Spitze derselben, findet sich ein Eindruck oder
eine kleine Rauhigkeit, Tuberculum supraglenoidale, die Ursprungs-
stelle des langen Kopfes des M. biceps. Unmittelbar neben derselben erhebt
sich vom oberen Rande des Schulterblattes ein starker und platter, haken-
förmiger Muskelfortsatz, Schulterhaken, Proc. coracoideus \). Er
steigt eine kurze Strecke gerade auf, mit Flächen, welche in der Flucht
der Flächen des Schulterblattkörpers liegen, und biegt dann so um, dass
seine Flächen nahezu horizontal, die obere zugleich etwas medianwärts,
die untere lateralwärts zu liegen kommen. Der Uebergang der vorderen
Fläche in die untere ist sanft und glatt; der Uebergang der hinteren in
die obere ist durch einen quer über den Fortsatz ziehenden rauhen Wulst
bezeichnet. Mit der Flächenkrümmung ist eine Krümmung der Kante ver-
bunden, wodurch der anfangs parallel dem längsten Durchmesser der Ge-
lenkpfanne sich erhebende Fortsatz fast rechtwinkelig in eine Richtung
umlenkt, welche einem auf den Mittelpunkt der Pfanne gefällten Loth pa-
rallel geht; oder wodurch er, das Schulterblatt in seine natürliche Lage
gedacht, Sich aus der anfänglich median- und vorwärts aufsteigenden
Richtung lateral- und vorwärts wendet. Bei der Drehung des Fort-
satzes verringert sich die anfängliche Breite desselben (27”m) fast um die
Hälfte; seine platt abgerundete Spitze steht in gerader Linie über dem
unteren Rande der Gelenkpfanne.
Der verticale Theil des Schulterhakens scheint am medialen Rande
höher als am lateralen, weil sein medialer Rand geradezu in einen
mehr oder minder tief halbkreisförmigen Ausschnitt des oberen Randes des
Schulterblattes übergeht. Dieser Ausschnitt, Incisura 2) scapulae, über
welchem Nerven und Gefässe von der seitlichen Halsgegend zur Rücken-
fläche des Schulterblattes verlaufen, ist durch ein Querband überbrückt,
welches theilweise oder ganz verknöchern kann und dann den Ausschnitt
in eine kreisförmige Oeffnung verwandelt.
Die Vorderfläche des Schulterblatts ist vom medialen Rande her
eine Strecke weit durch (drei bis vier) leistenartige, gegen den Gelenk-
knopf convergirende Vorsprünge getheilt. Auf der Mitte der Höhe des
Gelenkknopfes verliert sich die oben erwähnte stumpfe Kante, welche die
Furche des lateralen Randes von der Vorderfläche scheidet. Eine unter
dem oberen Winkel bogenförmig vom oberen zum medialen Rande ver-
!) Rabenschnabelfortsatz, Schulterschnabel. Proc. rostriformis, unciformis. 2) Lunula
scapulae. Incisura scapularis, swprascapularis , semilunaris.
4*
14 s
912 Schulterblatt.
laufende Linie rundet den ausgehöhlten Theil der vorderen Fläche, die
Fossa subscapularis, aufwärts ab und trennt von derselben ein drei-
seitiges, planes oder sogar gewölbtes Feld (s), auf dessen Rand sich die
oberen, starken Bündel des M. serratus anticus befestigen. Eine nicht
ganz so regelmässige Linie rundet die Fossa subscapularis gegen die untere
Spitze und gegen ein rauhes Feld (s') ab, dessen Rand den unteren Zacken
desselben Muskels zum Ansatze dient. Die untere Spitze des oberen und
die obere Spitze des unteren Feldes stehen mitunter durch eine feine, längs
dem medialen Rande herablaufende Furche (s‘) in Verbindung, welche
die zarte Sehne des mittleren Theiles des M. serratus aufnimmt.
Die hintere Fläche des Schulterblatts theilt ein Kamm, welcher von
der Grenze des obersten und zweiten Viertels des medialen Randes fast
quer und nur wenig ansteigend gegen den Gelenkknopf verläuft, in ein
oberes kleineres und ein unteres grösseres Feld. Dieser Kamm, Schulter-
kamm, Spina scapulae !), gleicht, für sich betrachtet, einem stumpfwink-
lichen Dreieck, dessen eine Spitze sich in einen platten Fortsatz, Schulter-
ecke, Acromion ?), auszieht (vgl. Fig. 198). Mit einem der Schenkel, die
den stumpfen Winkel einschliessen, ist es auf dem Schulterblattkörper auf-
gewachsen; der andere, den stumpfen Winkel einschliessende Schenkel
erhebt sich von der Fläche des Körpers in der Nähe des Schulterhalses
. und etwa der Mitte der Höhe
Fig. 196. des Gelenkknopfes gegenüber als
freier, seitlicher Rand des Kam-
mes; er ist diek, abgerundet,
schräg vor- und seitwärts ge-
neigt, etwas concav; sanft aus-
gehöhlt geht er an der Basis in
die hintere Fläche des Gelenk-
knopfes über und bildet mit dem
aufgeworfenen Rande desselben
eine Art breiter Furche, längs
welcher die ober- und unterhalb
des Kammes gelegenen Felder
mit einander communiciren. Dem
stumpfen Winkel gegenüber liegt
der hintere, freie Rand des Kam-
mes. Er entsteht am medialen
Rande des Knochens aus einem
kleinen, dreiseitigen Felde, wel-
ches die Spitze seitwärts wendet,
zuerst scharf, plattet sich im Auf-
steigen ab, so dass er nach oben
und unten die Flächen des Kammes überragt (Fig. 197), verschmälert sich
dann in der Regel noch ein Mal, um schliesslich in die breite obere Fläche
des Acromion überzugehen. Der platte Theil des Randes ist rauh und
der Länge nach durch eine schwache Firste getheilt. Mit den Flächen
Linkes Schulterblatt von hinten.
D) Schultergräte. ?) Schulterhöhe, Grätenecke, Proc. acromialis.
%*
Schulterblatt. 213
steht der Schulterkamm gegen die Fläche des Schulterblattkörpers geneigt,
Fig. 197. , 80 dass die obere Fläche des Kammes unter etwas we-
niger, die untere unter etwas mehr als einem rechten
Winkel in die hintere Fläche des Schulterblatts übergeht.
In Verbindung mit den Flächen des Kammes, in welche
sie sich ohne Unterbrechung fortsetzen, stellen die beiden
Felder der hinteren Fläche des Schulterblatts offene Gru-
ben dar, die Flossa supraspinata und Fossa infra-
- spinata, welche von den gleichnamigen Muskeln aus-
gefüllt werden.
Das Acromion ist ein platter, breit und abgestumpft
sichelförmiger Fortsatz mit stumpfen Rändern, der mit
seinen Flächen den Flächen des Schulterblattes parallel
liegt und nur mit der oberen Spitze sich vorn überbeugt.
Seine hintere Fläche, die allmälig zur oberen wird, ent-
steht, wie erwähnt, aus dem hinteren Rande des Schul-
} terkammes; seine vordere, an der Spitze abwärts ge-
Sagittaler Durch- E = . ee ne N
schnitt des linken neigte Fläche geht durch eine Art fächerförmiger Aus-
Schulterblattes.. breitung aus dem lateralen Rande des Schulterkammes
Fs Fossa sub- hervor. Der untere Rand des Acromion, der bei der
scapularis. Ei B - -
Krümmung der Spitze zum lateralen wird, ist stark con-
vex, uneben und ragt gleich einem Dach über den Armbeinkopf vor; der
obere und an der Spitze des Fortsatzes mediale Rand ist glatter und trägt
hinter dieser Spitze zur Articulation mit dem Schlüsselbein eine flache,
elliptische Gelenkfläche, F'acies articularis acromi (Fig. 194, 196),
länger als hoch, deren Höhe der Dicke des Fortsatzes gleichkommt. Er-
nährungslöcher finden sich, ausser am Condylus, in der Fossa supraspinata
oder infraspinata in der Nähe des Kammes.
Fssp
Var. Nicht selten zeigt der laterale Rand und die hintere Fläche unterhalb
des Condylus den rinnenförmigen Eindruck der Art. eircumflexa scapulae. Hyrtl
gedenkt einer grossen Oeffnung in der Fossa infraspinata. Die Epiphyse des Acro-
mion kann sich getrennt erhalten, durch Synchondrose oder selbst durch ein wahres
Gelenk (R. Wagner, Cruveilhier) an den Schulterkamm befestigt.
Beim Neugebornen ist der Schulterhaken, das Acromion und ein Theil zunächst
der Basis knorplich. Der Schulterhaken erhält einen Knochenkern schon im ersten
Jahre, welcher auf den oberen Theil des Condylus hinabreicht, und ist im fünfzehnten
Jahre mit dem Schulterblatt verwachsen. Schon früher hat sich ein Knochenkern
in der Basis des Acromion gebildet und im fünfzehnten Jahre erscheint ein zweiter;
der einen grösseren oder kleineren Theil der Spitze desselben einnimmt, ferner um
dieselbe Zeit ein Knochenstreif längs der Basis des Schulterblattes und ein Kern
im unteren Winkel. Die Verschmelzung dieser Epiphysen vollendet sich erst zur
Zeit der völligen Reife, im zweiundzwanzigsten bis fünfundzwanzigsten Jahre. Der
convexe Rand des Schulterhakens geht, nach Sharpey, zuweilen aus einer be-
sonderen Epiphyse hervor,
2. Schlüssel-
bein.
214 Schlüsselbein.
2. Schlüsselbein, Clavieula.
Ein schlank S-förmig gebogener Knochen, welcher am oberen Rande
des Thorax zwischen dem Acromion und dem Schlüsselbeinausschnitt des
Brustbeins in einer diagonalen, die Mitte zwischen der transversalen und
sagittalen haltenden Richtung so befestigt ist, dass sein mediales vorderes
Ende etwas tiefer steht als das lateral-hintere. Sein mediales Ende kreuzt
sich unter spitzem Winkel mit dem vorderen Ende der ersten Rippe; das
mittlere Drittel des Schlüsselbeins liegt vor dem ersten Intercostalraume.
In Verbindung mit dem Schulterkamme und dessen Fortsetzung, dem
Acromion, bildet das Schlüsselbein einen nur von der Haut bekleideten,
überall durchfühlbaren Gürtel, welcher die Wölbung, womit der Hals sich
zum Rumpf erweitert, ringsum bis in die Nähe der Wirbelsäule unterbricht.
Die aufwärts gekehrte und nur wenig nach aussen abhängige Fläche dieses
Fig. 198.
Thorax mit dem linken Schulterblatt und Schlüsselbein und dem Armbeinkopf von oben.
Vi1l Obere Fläche des ersten Brustwirbels. Fssp Fossa supraspinata. S Spina scapulae.
4A Acromion. Pc Proc. eoracoid. C'p Caput humeri. Tmj Tuberc. majus. 7m Tubere
minus des Armbeins.
Gürtels ist platt, sie hat die grösste Breite über dem Arm und verschmälert
sich gegen Brust und Rücken; sie gewinnt die grösste Breite durch eine
Ausladung des lateralen Randes, gegenüber einem spitzen und schnabel-
förmig nach vorn gekrümmten Winkel, womit der mediale Rand von hin-
ten nach vorn umbiegt. Von der Spitze dieses Winkels fast gerade nach
vorn geht die Spalte, welche das Gelenk zwischen Acromion und Schlüssel-
%
Schlüsselbein. 215
bein bezeichnet. Der laterale Rand, über dem Armbeinkopf in sagittaler
Richtung abgestutzt, läuft von da aus an die Vorder- und Rückseite in
S-Biegungen von symmetrischer Gestalt, nur dass die Biegung des Schulter-
kammes kürzer und verhältnissmässig steiler ist als die in der Vorderrand
des Acromion sich fortsetzende entsprechende Biegung des Schlüsselbeins.
Denkt man sich das Schlüsselbein in der Mitte seiner Länge getheilt,
so erhält man zwei, in entgegengesetztem Sinne schwach gebogene Stücke,
und zwar ist die dem Brustbeine zunächst liegende oder sternale Hälfte
vorwärts convex, die an das Schulterblatt stossende oder acromiale Hälfte
vorwärts concav. Der Bogen der acromialen. Hälfte gehört in der Regel
Fig. 199. einem kleineren Radius an als der Bogen der
5 % g sternalen Hälfte. In der Mitte ist das Schlüs-
: selbein eylindrisch, jedoch von oben nach un-
ten comprimirt. Gegen das sternale Ende ver-
diekt es sich allmälig und wird dreiseitig pris-
matisch, indem die obere Fläche sich abplattet
Sagittale Durchschnitte ds und aus der Mitte der unteren eine Kante her-
Schlüsselbeins, senkrecht auf die vorgeht. Seltener kommt an der Vörderseite
Längsaxe = des aeromialen En- ine vierte Kante hinzu, welche durch die
des, y des Körpers, z des ster- P: R N
nalen Endes, nach den Linien Ansätze des M. pector. maj. und sternocleido-
x, y, z, Fig. 200. mastoideus erhoben wird. Gegen das acro-
miale Ende gewinnt der Knochen breitere Flä-
chen, schärfere Ränder, im Ganzen also eine mehr platteForm. Die ster-
nale, schwach überknorpelte Endfläche ist von vorn nach hinten gewölbt, un-
regelmässig dreiseitig, den spitzesten Winkel nach unten und hinten gerichtet;
sie überragt am hinteren und noch mehr am oberen Rande die Gelenkfläche
des Brustbeins, mit welcher sie artieulirt (vergl. Fig. 188). Das acromiale
Ende hat eine plane, elliptische, seitwärts schauende Gelenkfläche, welche
gleich der Gelenkfläche des Acromion im sagittalen Durchmesser länger
ist als im verticalen. In der Nähe des sternalen Endes hat die untere
Kante eine breite, bald hervor-
ragende, bald vertiefte Rauhigkeit,
Tuberositas costalis !), zur In-
sertion des Lig. costo-claviculare;
eine ähnliche Rauhigkeit, Tube-
rositas scapularis, findet sich
an der unteren Fläche in der Nähe
des acromialen Endes; in dersel-
ben befestigt sich das Lig. coraco-
elaviculare. Zwischen beiden Rau-
higkeiten verläuft der Länge nach
eine seichte Furche (sc), in welcher
Rechtes Schlüsselbein von unten. der M. subelavius haftet. Nicht
selten ist der vordere und hintere
Rand vom acromialen Ende vorwärts eine Strecke weit rauh von der An-
heftung dort des M. deltoideus, hier des M. cucullaris. ®Der Markcanal
Fig. 200.
') Tuberositas claviculae,
b. Ober-
arm.
Armbein,
216 Armbein.
des Schlüsselbeins ist klein; öfters tritt spongiöse Substanz an die Stelle
desselben. Ein oder zwei Ernährungslöcher finden sich an der hinteren
Fläche.
Das Schlüsselbein bewegt sich zuweilen mittelst überknorpelter Flächen auf
der ersten Rippe oder auf dem Schulterhaken (Gruber, Neue Anomalien, 8. 7).
Der laterale Theil des Schlüsselbeins kann durch einen Fortsatz des Schulterblattes
vertreten sein (Martin, s. Meckel, Anat. $. 200).
Gewöhnlich ist das rechte Schlüsselbein stärker und mehr gekrümmt als das
linke. Beim Weibe sind die Schlüsselbeine in der Regel minder kantig und weniger
gekrümmt als beim Manne.
Das Schlüsselbein entwickelt sich aus Einem Knochenpunkte. Im fünfzehnten
bis achtzehnten Jahre tritt eine Epiphyse in Form einer dünnen Lamelle am Sternal-
ende hinzu, welche einige Jahre später mit dem Körper verwächst.
b. Oberarmknochen.
Armbein, Humerus 1).
Das Armbein ist ein Röhrenknochen mit verdickten, articulirenden
Enden, leicht gekrümmt, die Convexität gegen den Rumpf gerichtet. Das
obere Ende ist ein kuglicher, das untere ein querliegend cylindrischer Ge-
lenkkopf; das Mittelstück (Körper) ist demgemäss in der Nähe des oberen
Endes cylindrisch, in der Nähe des unteren Endes abgeplattet.
Um mich nicht von dem populären und ärztlichen Sprachgebrauche
zu entfernen, beschreibe ich die Knochen des Armes in der Lage, in wel-
cher die Handflächen gerade nach vorn gewandt sind. Es darf aber nicht
unerwähnt bleiben, dass diese Haltung eine unnatürliche ist. Sich selbst
überlassen, befindet sich am Lebenden der herabhängende Arm in mässiger
Pronation; der Daumenrand der Hand liegt nach vorn und die Hand-
flächen liegen in Ebenen, welche fortgesetzt nahe vor der Vorderfläche
des Körpers einander schneiden würden. Dabei ist der Oberarm so ge-
stellt, dass die obere Gelenkfläche mehr rück- als medianwärts gewandt
und die Längsaxe des unteren eylindrischen Gelenkkopfes näher der sa-
gittalen Richtung ist als der transversalen. Die Flächen der Hand, des
Vorderarmes und des unteren Theiles des Oberarmes müssten demnach
eigentlich als mediale und laterale, die Ränder als vorderer und hinterer
unterschieden werden.
Der obere Gelenkkopf des Armbeins, Capu£ humeri, ist kuglich; der
Rand des überknorpelten Theiles ist eine ziemlich regelmässige Kreislinie;
eine durch dieselbe gelegte Ebene macht mit dem Horizont einen Winkel
von etwa 40% 2). Der grössere, untere Theil des Randes ruht auf einem
\) Oberarmbein, Os humeri, Os brachiü. 2) Genauere Angaben über Form und
Maasse der Gelenkflächen behalte ich mir für die Bänderlehre vor, da sie erst im
Zusammenhange mit der Beschreibung der Bänder und nur durch die unmittelbare
Nebeneinanderstellung der mit einander articulirenden Flächen ein praktisches Interesse
gewinnen.
a N
Armbein. 217
halbeylindrischen, sanft ausgeschweiften Vorsprung (Fig. 201 — 203), den
er überragt; der obere Theil des Randes ist mittelst einer schmalen und
seichten Furche gegen die sogleich zu beschreibenden Höcker abgesetzt
Fig. 201") Fig. 202.
Fig. 203.
Armbein von vorn, von hinten, Profil.
und so der Kopf ringsum von einer Einschnürung, dem sogenannten Hals,
Collum 2), umgeben.
I) Die abgebildeten Extremitätenknochen gehören sämmtlich der rechten Glied-
maasse an. 2) Auch anatomischer Hals genannt, zur Unterscheidung vom Hals im
Sinne der Chirurgen, wonach die Höcker noch mit zum Halse gerechnet werden,
218
Armbein.
Den seitlichen Umfang des oberen Endes des Armbeins zunächst dem
Kopf nehmen zwei Höcker ein, ein grösserer und ein kleinerer, T'uber-
Fig. 204.
Tmj c1 Cp
pnı
culum maj.‘) und T. minus 2), durch eine
(10mm breite) im oberen Theile überknorpelte
Rinne, Swlcus interlubercularis 3), von
einander getrennt. Der grössere dehnt sich
von der seitlichen Fläche noch etwas auf die
hintere aus (bei ruhendem Arme liegt er ge-
rade nach vorn); der kleinere befindet sich in
der Mitte der vorderen Fläche (bei ruhendem
Arme am medialen Rande). Der kleinere ist
ein einfacher, abwärts zugespitzter Vorsprung
mit einem, dem Rande des Gelenkkopfes pa-
rallel ab- und medianwärts laufenden Kamm,
an den sich von oben her der M. subscapu-
laris ansetzt. Der grössere Höcker wird ver-
mittelst einer queren, stumpfen Kante in eine
obere, glatte und eine seitliche, durch Gefäss-
Y--- -------- -löcher und Rinnen rauhe Fläche geschieden ;
Armbein von vorn.
die obere Fläche ist in drei neben einander
liegende Facetten, Impressiones, von ziemlich
gleicher Ausdehnung abgetheilt, in welchen
drei von der hinteren Fläche der Scapula ent-
springende Muskeln haften (Fig. 203).
Vom grösseren Höcker zieht sich, als
lateraler Rand des Sulcus intertubercularis,
eine Linie, Spina tuberculi majoris, herab,
welche an der Grenze des obersten und zwei-
ten Viertels des Armbeinkörpers mit einer
rauhen Fläche (pm), der Insertionsfläche des
M. pectoralis major, endet. In gleicher
Höhe endet mit einer ähnlichen Rauhig-
keit (ld), für die Insertion des M. latissi-
mus dorsi und teres major, eine vom kleine-
ren Höcker als medialer Rand des Sulcus in-
tertubereularis herablaufende Linie, Spina
tuberculi minoris. Die Spina tuberculi ma-
Joris aber setzt sich ununterbrochen oder nach
kurzer Unterbrechung abwärts fort zuerst am
Vorderrande einer rauhen Fläche (d), auf wel-
cher der M. deltoideus zwischen den Ursprüngen des Brachialis int. endet,
wendet sich sodann von der Mitte der Höhe des Oberarms an als stumpfe,
gegen das Ellenbogengelenk mehr und mehr verflachte Kante, Angulus
anlerior , auf die Mitte der Vorderfläche des Armbeins, die sie in eine
") T. anterius Meckel, posterius Weber-H., externum. 2) T. posterius Meckel,
anterius Weber-H., internum.
®) Sulcus bicipitalis, Semicanalis humeri,
.
a
Armbein. 219
lateral- und eine medianwärts abhängige Fläche theilt. In der Höhe, in
welcher diese Kante auf die Vorderfläche tritt, beginnen auch die gegen
s das untere Ende divergirenden
Fig. 205. Kanten, welche die beiden vor-
deren Flächen von der Rücken-
(®) fläche des Arms scheiden. Die
Mol: laterale, Angulus lateralis,
n nimmt ihren Anfang hinter der
Deltoideus-Rauhigkeit; sie ist
Querschnitte des Armbeins nach den Linien &, %, % von derselben durch eine Furche
Bine 202 (Fig. 202 *) geschieden, die
- sich im Absteigen von der hin-
teren auf die laterale Fläche des Armbeins herumwindet !), und tritt wie
ein scharfer, etwas ausgehöhlter Saum neben der vorderen lateralen Fläche
hervor. Die mediale Kante, A. med., entsteht vor einer kleinen Rauhig-
keit (ec), welche von der Insertion des M. coracobrachialis herrührt; sie ist
überall minder scharf, biegt aber am unteren Ende weiter von der Längs-
axe des Knochens ab. Die von diesen beiden Kanten eingefasste hintere
Fläche ist glatt, im oberen Theile noch etwas gewölbt, im unteren platt
und in der Nähe des unteren Endes sogar von einer Seite zur anderen
vertieft (Fig. 205 2).
Das Haupternährungsloch des Armbeins, in einen abwärts gerichteten
Canal führend, findet sich in der Regel auf oder dicht vor der medialen
Kante, nicht weit unterhalb der Insertion des M. coracobrachialis; doch
kommt es auch an der äusseren Kante und auf der Rückenfläche vor.
Gegen das untere Ende verbreitert sich das Armbein, und zwar, wie
aus dem Gesagten hervorgeht, mehr gegen den medialen als gegen den
lateralen Rand. Die Ausladung des medialen Randes kommt aber nicht
dem Gelenkkopf zu Gute, sondern gehört fast ganz einem von vorn nach
hinten platten, am Rande abgerundeten und abgestumpften Fortsatz, dem
medialen Knorren, Epicondylus medialis 2), an, mit rauher Vor-
derfläche, von welcher eine Anzahl Muskeln der Beugeseite des Vorder-
arms entspringen, und glatter, zunächst dem Gelenk etwas eingedrückter
hinterer Fläche, in deren Vertiefung, Sulcus ulnaris, der N. ulnaris
herabläuft (Fig. 202). Die laterale Kante endet, vorwärts umbiegend, auf
einem ähnlichen, nur viel stumpferen Fortsatz, dem lateralen Knorren,
Epicondylus lateralis 3), von dessen Vorderfläche und unterem Rande
Muskeln der Streckseite des Unterarms ihren Ursprung nehmen.
Der überknorpelte Theil des unteren Endes des Armbeins, Processus
cubitalis, bildet zunächst dem medialen Rande einen rollenartigen Gelenk-
kopf, Trochlea %), auf welchem die Ulna artieulirt; die Rolle wird er-
») Gouttiere de torsion der französ. Schriftsteller. Dieser Rinne folgt der N. radiahs
mit der Art. profunda brachü. ?) Nebenhöcker, Condylus iniernus, flexorius aut. No-
dus int. s. flexoriuss Arn. Die Benennung Epicondylus rührt von Chaussier- her. Sie
wird sich vielleicht am ehesten Eingang verschaffen, weil sie der bei uns gebräuch-
lichen, allerdings unpassenden, am ähnlichsten klingt. 3) Condylus s, Nodus externus,
extensorius, ) Rotula,
220 Armbein.
zeugt durch einen Kugel- und einen liegenden abgestumpften Kegelabschnitt,
und zwar liegt der Kugelabschnitt dem medialen Rande zunächst und reicht
weiter abwärts als der Kegelabschnitt; die medianwärts gewandte Schnittfläche
des ersteren beträgt ?/, einesKreises; die Stelle des vierten Viertels nimmt der
Knorren ein, der sich von oben her etwas über den Mittelpunkt der Fläche
hinaus erstreckt. Der Kegelabschnitt, mit der abgestumpften Spitze an die
Kugelfläche anstossend und in dieselbe übergehend, reicht an der hinteren
Fläche weiter hinauf als der Kugelabschnitt und endet lateralwärts mit
scharfem überragenden Rande; an der vorderen Fläche ist er durch eine Ein-
schnürung abgesetzt gegen das Köpfchen, Capilulum )), ein flaches Kugel-
segment auf der Vorderfläche des vorwärts umgebogenen lateralen Drittels
des Armbeins, welches zur Articulation mit dem Radius bestimmt ist.
Ueber den beschriebenen Gelenkköpfen liegen stumpfwinklich drei-
seitige, mit der stumpfen Spitze aufwärts gekehrte Gruben, die breiteste
Fig. 206. und tiefste, F'ossa olecrani?), an der hinteren
Fläche des Knochens, eine schmalere und seich-
tere, F'ossa ant. mj., an der vorderen Fläche
über der Trochlea, die kleinste, F'ossa ant.
min., an der vorderen Fläche über dem Capi-
tulum. Die der Basis entsprechende Seite dieser
Dreiecke setzt, ohne überknorpelt zu sein, die
Krümmung der Gelenkköpfe fort und nimmt bei
äusserster Beugung und Streckung die vorderen
und hinteren Ränder der Gelenkflächen der Vor-
derarmknochen auf. Zwischen der hinteren Grube
Sagittalschnitt des unteren & 5 . 2
ne des Armbeins mit dem und der vorderen grösseren bleibt nur eine dünne
oberen Ende der Una. „ Knochenwand (Fig. 206), die zuweilen völlig
durchbrochen erscheint.
Aus der medialen vorderen Fläche des Armbeins, etwa 40mm oberhalb des vor-
deren Randes der Trochlea erhebt sich zuweilen ein von vorn nach hinten platt-
gedrückter und hakenförmig abwärts gekrümmter Fortsatz von 3 — 13mm Länge,
Proc. supracondyloideus Otto. Der Erste, welcher dieses Fortsatzes gedenkt, ist
Tiedemann; er bildet ihn (Tabb. arteriarum 1822. Taf. XV. Fig. 3) als einen
„ungewöhnlichen Knochenauswuchs‘“ ab, an welchem ein ungewöhnlicher Theil des
M. pronator teres entspringt, indess hinter ihm eine abnorm von der A. brachialis
abgehende Interossea zum Vorderarm herabläuft. Das Armbein, der Proc. supra-
condyloideus und ein Band, welches von dem letzteren zum medialen Epicondylus
verläuft, umschliessen eine ovale Oeffnung. Otto (De rarioribus sceleti h. cum ani-
malium sceleto analogüs. p. 25. Taf. I. Fig. 10, 11) gewann dem Proc. supracondy-
loideus ein höheres Interesse ab, indem er auf die Analogie dieser Oeffnung mit
dem Can. supracondyloideus mancher Säugethiere hinwies. Seitdem wurde der ge-
nannte Fortsatz vielfältig beschrieben und abgebildet, von Quain (The anatomy of
arteries in the human body. Lond. 1840. Taf. 36. Fig. 3), Knox (Edinb. med. and
surg. Journ. 1841. p. 125), Wilbrand (Ueber einen Proc. supracondyloideus hu-
meri und femoris. Giessen 1843), Tiedemann (Supplementa ad tabulas arteriar.
Heidelb. 1846. Taf. 47. Fig. 1, 2), Struthers (Monthly Journ. 1848. Oct. p. 265),
Gruber (N. Anomalien, S. 8. Taf. VII) und Barkow (Anatom. Abhandl. S. 7.
Taf. I. Fig. 1). Nach Gruber ist der Proc. supracondyloideus immer bedingt
N) Eminentia capitata, Tuberculum. Eminentia trochlearis Loschge. Rotula M.J. Weber.
?) Fossa posterior. Sinus maximus.
Unterarmknochen. 921
durch die von Tiedemann erwähnte Anomalie im Ursprung des M. pronator
teres. Art. brachialis und N. medianus treten immer durch die elliptische Lücke,
welche von dem’ anomalen Muskelbauch und dem Knochenfortsatz begrenzt wird.
Unter den von Barkow beobachteten Fällen ist einer, in welchem ein Proc. supra-
condyloideus (lateralis) von der lateralen Kante des Armbeins abgeht, in der-
selben Höhe, wie sonst der Proc. supracondyloideus (medialis) und von ähnlicher
‚ Form.
Zur Zeit der Geburt sind die Enden des Armbeins in der Regel noch voll-
ständig knorplich. Nach Meckel kommt jedoch im Köpfchen des unteren Endes
eine Verknöcherung vor, welche entweder selbstständig oder vom Körper aus sich
entwickle. Gegen das Ende des ersten Lebensjahres erhält der Armbeinkopf, etwas
später der grössere Höcker (nach B&eclard auch der kleinere) einen besonderen
Knochenkern. Im fünften Jahre sind Kopf und Höcker zu einer Epiphyse ver-
bunden, welche aber erst im zwanzigsten Jahre mit dem Körper verschmilzt. Im
unteren Ende entstehen die Knochenkerne später, im Köpfchen gegen Ende des
zweiten Jahres, im medialen Epicondylus im fünften Jahre, in der Trochlea im
zwölften Jahre, im lateralen Epieondylus im dreizehnten bis vierzehnten Jahre.
Bald darauf verbinden sich die Knochenkerne des Cubitalfortsatzes und des lateralen
Epicondylus erst unter einander und dann mit dem Körper des Knochens; im acht-
zehnten Jahre etwa ist auch der mediale Epicondylus mit dem übrigen Knochen
verschmolzen.
ce. Unterarmknochen.
Die Mittelstücke oder Körper der Unterarmknochen sind in ihrer gan-
zen Länge durch eine Membran, das Zwischenknochenband, Lögamentum
interosseum !), verbunden, welche eine Scheidewand zwischen den Mus-
keln der vorderen und der hinteren Fläche des Unterarmes darstellt und
an beiden Flächen, gleich den Knochen, von Muskelursprüngen eingenom-
men wird.
Man kann die Knochen als die verdickten und verknöcherten Seiten-
ränder des Zwischenknochenbandes oder Knochen und Zwischenknochen-
band mit einander als einen der Länge nach rinnenförmig vertieften und
im mittleren Theile häutigen Rahmen betrachten, der dem Unterarm zum
Gerüste dient. Jeder Knochen ist dreiseitig pris-
matisch; an beiden ist der Rand, mit welchem sie
an das häutige Zwischenstück stossen, Zwischen-
knochenrand, ÜUrisia interossea, vorzugs-
weise scharf; jeder derselben hat eine schräg ge-
gen diesen Rand abfallende vordere und hintere
Fläche, beide der Länge nach ausgehöhlt, jedoch
ee laleckaibt derstniter- die vordere tiefer als die hintere. Die dem Zwi-
armknochen mit dem Lig. schenknochenrande gegenüberliegende Fläche, an
interosseum. der Ulna die mediale, am Radius die laterale,
ist glatt und schwach gewölbt; sie ist an der
Ulna durch schärfere Kanten gegen die vordere und hintere Fläche ab-
gesetzt, als am Radius. Längs der ganzen Ulna und an der unteren Hälfte
D) Membrana interossea,
c. Unter
arm.
1. Ulne.
232 Blna,
des Radius ist sie durch die Haut zu fühlen und nur in der oberen Hälfte
des Radius durch Muskeln versteckt.
Da beide Unterarmknochen sich am oberen und unteren Ende gegen
» einander neigen, um mit einander zu articu-
Fig. 208. liren, so hat der Zwischenraum zwischen bei-
Fsi den eine nach oben und unten zugespitzte
Form. Die Breite des Zwischenraumes wird
gegen die Mitte der Höhe des Unterarmes
noch vergrössert durch eine besonders am
-TY Radius merkliche Seitwärtskrümmung des
Mittelstückes und von der Mitte des Unter-
armes an abwärts durch Verjüngung der
Ulna. i
In geringem Grade sind beide Unter-
armknochen, die Ulna mehr als der’ Radius,
auch nach vorn gebogen. Die Foramina
nutrifia führen in beiden Knochen in schräg
aufsteigende Canäle; sie liegen in beiden
meistens in ziemlich gleicher Höhe, und zwar
in der Mitte oder am unteren Ende des obe-
ren Drittels am einen oder anderen Rande
der vorderen Fläche.
An den Gelenkenden compensiren Ra-
dius und Ulna einander; die Ulna trägt vor-
zugsweise zum Ellenbogengelenk, der Radius
zum Handgelenk bei.
2 1. Ulna, Ellenbogenbein 2).
Die Ulna ist, von vorn betrachtet, schlank
S-förmig gebogen, indem sie sich oben me-
dial-, unten lateralwärts zur Seite neigt.
Nahe unter dem oberen Ende springt nach
vorn ein kragsteinähnlicher Fortsatz mit schar-
fem Rande vor, der Proc. coronoideus
ulnae ; seine vordere, abwärts geneigte, vier-
seitige Fläche ist eine Fortsetzung der Vorderfläche des Körpers der Ulna;
die Stelle des Ueberganges ist. durch eine bald erhabene, bald vertiefte
räuhe Stelle, Tuberosilas ulnae, die Anheftungsstelle des M. brachialis
int., bezeichnet. Von den dreiseitigen Seitenflächen des Proc. coronoideus
geht die mediale (Fig. 209) ununterbrochen aus der medialen Fläche des
Körpers der Ulna hervor; die laterale entsteht (Fig. 210) mit abwärts ge-
richteter Spitze erst gegen das obere Ende des Körpers der Ulna, zwischen
dessen vorderer und hinterer Fläche. Ihr oberer Theil ist überknorpelt,
in verticaler und sagittaler Richtung schwach ausgehöhlt, eine sichelför-
mige, mit der Spitze vor- und aufwärts gerichtete Gelenkfläche, Sinus
Unterarmknochen in Verbindung,
von vorn.
Y) Elle, Cubitus, Focile majus.
Ulna. 223
lunatus ulnae %), längs welcher bei den Drehungen des Radius der Seiten-
rand des Köpfchens dieses Knochens sich bewegt. Der Theil der Ulna,
Fig. 209. Fig. 210. Fig. 211.
Oberes Ende der Ulna von hinten.
welcher über den Proc. co-
ronoideus hervorragt, wird
Ellenbogenfortsatz,
Olecranon 2), genannt.
Er ist vierseitig, die» vor-
dere Fläche breiter als die
hintere und die Seiten-
flächen demgemäss von hin-
ten nach vorn divergirend.
Die hintere Fläche (Fig.
211) ist ein langgezogen-
spitzwinkliches Dreieck, mit
dem spitzen Winkel nach
Ulna im Profil, Fig. 209 von der medialen Seit, unten zwischen die me-
Fig. 210 von der lateralen Seite. diale und hintere Fläche
des Körpers eingeschoben
und mit der dem spitzen Winkel gegenüberliegenden Seite stark nach oben
gewölbt. Von der Kante, welche diese Fläche medianwärts begrenzt (wi),
entspringt der M. ulnaris internus; an die laterale Kante derselben (ag) be-
festigt sich der M. anconaeus quartus. Ihr obererRand begrenzt von hinten
die schräg nach hinten abfallende obere Fläche des Olecranon und zunächst
die den hinteren Theil dieser Fläche einnehmende Insertionsrauhigkeit (ef)
des Extensor triceps ?). Die vordere Fläche des Olecranon, mit dem obe-
ren Rande vorn überhängend, und die obere Fläche des Proc. coronoideus,
mit dem vorderen Rande aufwärts gebogen, bilden in Verbindung mit ein-
ander eine tief ausgehöhlte, im sagittalen Durchschnitt halbkreisförmige,
auf der Trochlea des Armbeins articulirende Gelenkfläche, Fossa sigmoi-
dea *%). Doch ist der dem Olecranon angehörige Theil dieser Fläche von
\) Fossa s. Cavitas s. Incisura semilunaris s. sigmoidea minor. *) Processus anconaeus,
®) Tuberositas olecrani. ®) F. sigmoidea major s. semilunaris major.
224 Radius.
dem dem Proc. coronoideus angehörigen durch tiefe Einbuchtung der Seiten-
ränder und durch eine quer über die Gelenkfläche verlaufende, rauhe
Furche abgegrenzt. Unter rechtem Winkel wird diese Furche gekreuzt
von einer stumpfen Hervorragung, die mit einer Einbiegung des oberen
Randes in der Mitte desselben beginnt und auf einem Vorsprunge des vor-
deren Randes endet (Fig. 208). Mit dem lateralen Rande stösst der dem
Olecranon angehörige Theil der Fossa sigmoidea unmittelbar an den oberen
Rand des Sinus lunatus (Fig. 210).
Das untere Ende der Ulna ist ein besonders in der Richtung gegen
den Radius verdicktes Köpfchen, Capilulum ulnae, mit kreisrunder, über-
knorpelter, unebener und schwach eingedrückter Endfläche. Mit dieser ver-
bindet sich im stumpfen Winkel der untere Rand einer halbmondförmigen
Gelenkfläche, Cörcumferentia articularis ulnae, gegen welche der
Zwischenknochenrand des Körpers sich verflacht und welche die dem Ra-
dius zugewandte Hälfte des Randes des Köpfchens einnimmt. Der Mitte
dieser Gelenkfläche gegenüber liegt hinten am medialen Rande des Köpf-
chens ein kurzer, cylindrischer, stumpfer, über die Endfläche vorspringen-
der Fortsatz, Processus siyloideus ulnae, auf welchen die mediale Fläche
des Körpers der Ulna übergeht. Eine seichte Furche scheidet ihn von der
vorderen, eine tiefe von der hinteren Fläche der Ulna. In der tiefen Furche
gleitet die Sehne des Ulnaris externus. An dem Fortsatz ist ein Band der
Handwurzel befestigt.
Sömmerring gedenkt, nach Chenal, eines Sesambeines über dem Olecra-
non, und, nach eigener Beobachtung, eines Sesambeines an der Spitze des Proc.
coronoideus.
Die Verknöcherung der beiden Epiphysen der Ulna beginnt erst gegen das
sechste Lebensjahr. Am oberen Ende des Olecranon entsteht ein Knochenkern
oder mehrere (der Proc. coronoideus ossificirt vom Körper aus); die untere Epi-
physe stellt das Köpfchen dar, Die obere Epiphyse vereinigt sich mit dem Körper
gegen das fünfzehnte bis sechzehnte, die untere erst gegen das zwanzigste Jahr.
2. Radius).
Auch der Radius ist einigermaassen S-förmig gekrümmt, nur dass die
obere, mit der Convexität gegen die Ulna schauende Biegung unverhält-
nissmässig kurz ist im Vergleich zur unteren, lateralwärts convexen.
Das obere Ende, Capilulum, ist eine niedere cylindrische Scheibe,
welche die Eine Endfläche frei nach oben kehrt. Diese Fläche ist über-
knorpelt, leicht eingedrückt, auf dem Köpfchen der Ulna um ihren Mittel-
punkt beweglich. Die Seitenfläche des Cylinders steht an ihrer medialen
Hälfte vertical und ist von einem Knorpel überzogen, der mit dem Knorpel-
überzug der Endfläche continuirlich zusammenhängt, ÜCörcumferenlia
articularis rad; an der lateralen Hälfte ist sie rauh, etwas wulstig und
abgeschrägt. Das Köpfchen sitzt auf einem engen, gleichfalls eylindrischen
Halse, Collum radi, in welchen der überknorpelte Theil mit einem schar-
2) Speiche, Armspindel, Zocile minus.
Radius. 225
fen Rande, der rauhe Theil sanft, aber tiefer ausgeschweift übergeht. Die
Grenze des Halses gegen den Körper ninmt eine elliptische, mit dem läng-
sten Durchmesser parallel der Längsaxe des Armes gestellte, stark vor-
Unterarmknochen in Verbindung, von vorn. Radius, von der Rückseite
springende, rauhe Fläche ein, Tuberosifas radii, welche unter der Mitte
des überknorpelten Theiles der Seitenfläche des Köpfchens steht, nur wenig
tiefer als die Tuberosität der Ulna. Sie dient der Sehne des Biceps zur
Befestigung. An der Tuberosität beginnt die lateralwärts convexe Krüm-
mung des Radius; von ihr aus erhält auch der Körper die dreiseitig pris-
matische Form, und zwar dadurch, dass von der Tuberosität drei Kanten
ausgehen, die Eine, schärfste, gerade abwärts, als Zwischenknochenkante,
und, von ihr anfangs divergirend, die beiden anderen, stumpfen Kanten,
welche die laterale Fläche des Knochens von der vorderen und hinteren
Fläche scheiden. Auf der lateralen findet sich etwa in der Mitte ihrer
Höhe eine Rauhigkeit, die Insertionsstelle des M. pronator teres (Fig. 213 pt).
Gegen das untere Ende nimmt der Radius an Umfang zu. Die Zwi-
schenknochenkante verbreitert sich zu einem dreiseitigen Felde, welches
über dem unteren Rande die halbmondförmige, mit der Concavität abwärts
Henle, Anatomie, Thl, I, 15
®
226 Radius.
gerichtete Gelenkfläche, Sinus lunatus radü »), trägt, mittelst welcher
der Radius auf dem unteren Ende der Ulna rotirt; am gegenüberliegen-
den Rande geht die Kante zwischen der vorderen und
lateralen Fläche in einen stumpf abgerundeten und über
den unteren Rand des Knochens hervorragenden Fort-
satz, Processus s!yloideus radü, über. Die rauhe Sei-
tenfläche dieses Fortsatzes ist von der glatten und etwas
ausgehöhlten Vorderfläche durch eine scharfe Leiste ge-
trennt (Fig. 212), setzt sich aber ohne bestimmte Grenze
in die laterale Fläche fort, welche ihrerseits wieder mit-
telst eines schärferen Vorsprungs sich von der hinteren
Fläche scheidet (Fig. 213). Dem letztgenannten Vorsprung
parallel und in geringer Entfernung neben demselben ver-
Unteres Ende des Tz ft auf der hinteren Fläche ein niedrigerer und kürzerer
Radius, mediale >
Fläche. Kamm; beide gemeinschaftlich begrenzen die Rinne (epl), in
welcher die Sehne des M. extensor poll. long. gleitet, eine
Rinne, die sich flacher gegen den unteren Theil der Zwischenknochenkante
schräg hinüberzieht. Durch mehrere stumpfe Erhabenheiten ist auch die
laterale Fläche mit der zugehörigen Fläche des Proc. styloid. unvollkom-
men der Länge nach in Furchen geschieden. Die Erhabenheiten und
Kämme sind. sämmtlich zur Anheftung fibröser Scheidewände bestimmt,
welche zur Fascie des Handgelenks aufsteigen und die Fächer abtheilen,
in welchen die Sehnen der Streckmuskeln der Hand und der Finger gleiten.
Die überknorpelte Endfläche des Radius, deren medialer Rand mit
dem unteren Rande der Rotationsgelenkfläche zusammenfällt, ist in hori-
zontaler und sagittaler Richtung concav, dreiseitig, in eine auf den Proc.
styloideus übergehende Spitze ausgezogen, durch eine feine sagittale Furche
Fig. 215. oder Kante getheilt in ein vierseitiges und ein drei-
seitiges Feld, jenes mit dem Mondbein, dieses mit
dem Kahnbein der Handwurzel artieulirend. Der
sagittale Durchmesser des vierseitigen Feldes ist un-
gefähr gleich dem transversalen des dreiseitigen.
Vor der Gelenkfläche liegt, zur Befestigung der
Ulna und Radius in Ver- Bänder, eine schräg rück- und abwärts gerichtete,
bindung, von unten. pauhe, dreiseitige Fläche (Fig. 212, 215 *), mit der
Basis am Proc. styloideus, mit der Spitze gegen den Ulnarrand des
Knochens.
Fig. 214.
Der Radius hat. zur Zeit der Geburt noch völlig knorpliche Enden. Die Ver-
knöcherung reicht aufwärts bis an den Rand des Köpfchens, abwärts endet sie mit
einer rauhen Fläche etwa in der Gegend der Wurzel des Proc. styloideus. Die
flıchen Knorpelscheiben der Enden verknöchern erst längere Zeit nach der Geburt;
zuerst (nach dem zweiten Jahre) die untere, gegen das funite Jahr die obere.
Die Verbindung der oberen Epiphyse mit dem Körper erfolgt vor Vollendung des
Wachsthums, die Verbindung der unteren im achtzehnten bis zwanzigsten ‚Jahre.
!) Tneisura semilunaris.
ilandwurzelknochen. 227
d. Knochen der Hand.
@. Handwurzelknochen, Ossa carpi.
Die Knochen der Handwurzel stehen in zwei Reihen, in welchen sie
mit dem Unterarm und der Mittelhand und unter sich artieuliren; an jedem
ist die Volar- oder Hohlhandfläche und die Rückenfläche frei; ausserdem
sind frei je die Daumen - und Kleimfingerflächen der Knochen, welche
an der Daumen- und Kleinfingerseite zu äusserst liegen. Alle übrigen
Flächen sind durch Zusammenstossen mit benachbarten Knochen verdeckt.
Sie sind wesentlich Gelenkflächen und überknorpelt; doch sind ausnahms-
weise auch Abtheilungen der Flächen, mit welchen je zwei Knochen ein-
ander berühren, zur Verbindung beider mittelst straffer Bandmasse benutzt
und deshalb rauh. Solcher völlig oder grossentheils überknorpelter Ge-
lenkflächen unterscheidet man an dem einzelnen Knochen vier, eine la-
terale oder Daumenfläche und eine mediale oder Kleinfingerfläche I) zur
Verbindung mit den Nebenknochen derselben Reihe, und eine obere und
untere Fläche 2). Durch die oberen Gelenkflächen artieuliren die Knochen
der ersten Reihe mit dem Unterarm, die der zweiten Reihe mit der ersten;
dureh die unteren Gelenkflächen artieuliren die Knochen der erstesı Reihe
mit der zweiten, die Knochen dör zweiten Reihe mit der Mittelhand. Der
Handwurzelknochen des Daumens, das Trapezbein, gehört diesen Bestim-
Fig. 216%. mungen zufolge zur zweiten Reihe; aber
wegen seiner schrägen Stellung (s. oben)
ist seine obere Gelenkfläche zugleich
kleinfingerwärts und die gegenüberlie-
gende um eben so viel daumenwärts
gekehrt.
Die Knochen der ersten Reihe, das
Erbsenbein nicht mitgerechnet, sind als
Theile eines Reifes, der die Convexi-
tät seiner Fläche gegen den Unter-
arm und die Convexität seines Ran-
des gegen den Rücken wendet, mehr
Frontaldurchschnitt der Handwurzelknochen oder minder deprimirt und in sagittaler
in Verbindung mit den unteren Enden der an transverealer Richtung RE
Unterarmknochen und den oberen Enden 3
der Mittelhandknochen. S Kahnbein, Fläche gebogen. Die Krümmung der
L Mondbein, Py Pyramidenbein, Tr Tra- oberen, convexen Fläche gehört einem
Beeheirt, ERDE: pibe grösseren Radius an als die der unte-
i ren, concaven; die obere Gelenkfläche
zieht sich gegen den Rücken der-Hand weiter hinab als gegen deren Volar-
fläche; die Rückenfläche der Knochen der ersten Reihe ist deshalb allgemein
®
!) Auch ulnare und radiale. Die Bezeichnungen Daumen- und Kleinfingerflächen
haben den Vorzug, für die einander entsprechenden Flächen und Ränder der Hand und
des Fusses gleichmässig zu passen. 2) Brachiale und digitale. 3) Nach Günther,
Das Handgelenk. Hamb. 1841. Taf. VII. Fig. 5
15*
d. Hand.
«a. Hand-
wurzel.
228 Handwurzelknochen.
minder hoch als die Hohlhandfläche (Fig. 217). Eigenthümlich gestaltet sich
das Kahnbein dadurch, dass es neben der unteren und kleinfingerwärts ge-
wandten Gelenkfläche, die zur Vervollständigung des ge-
nannten Reifes dient, noch eine schräg daumenwärts ge-
richtete Fläche zur Articulation mit dem Trapezbein trägt.
Doch sind, einigermaassen symmetrisch, auch die mit ein-
ander articulirenden Flächen der am Kleinfingerrande gele-
genen Knochen der ersten und zweiten Reihe so gekrümmt,
dass der dem Kleinfingerrande zunächst gelegene Theil der
Gelenkfläche des Pyramidenbeins convex, des Hakenbeins
concav ist (Fig. 216).
In der zweiten Reihe, in welcher die Knochen, ab-
gesehen vom Trapezbein, einen abgeplatteten Kegel dar-
stellen, sind die unteren Gelenkflächen fast plan, die obe-
ren, namentlich des Kopf- und Hakenbeins, stark convex,
1 in der Weise, dass dem Hakenbein der kleinfingerwärts
Kr abhängige Theil, dem Kopfbein der Gipfel und der dau-
en ch menwärts abhängige Theil der Gelenkfläche angehört.
wurzel durch das Die Wölbung der Handwurzel im Ganzen vom
Mondbein Z und Kleinfinger- zum Daumenrande, an der Rückenfläche
Kopfbein €’ mit dem - - en
Radius und dem (Convex, an der volaren concav, bedingt eine keilför-
dritten Mittelhand- mige Gestalt der die Handwurzel zusammiensetzenden
ee Knochen, eine Abnahme des transversalen Durchmessers
nschelinke: von der Rücken- gegen die Volarfläche. Eine solche
findet bei den Knochen der zweiten Reihe regelmässig
Statt; unter den Knochen der ersten Reihe findet sie sich aber nur an den
beiden äussersten, und auch hier nur wenig markirt, indess der mittlere
Knochen, das Mondbein, an der Rückenfläche sogar schmaler ist, als an der
volaren. Der Hauptgrund der concaven Form der Volarfläche der Hand-
wurzel liegt in den Vorsprüngen der äussersten Knochen des Daumen- und
Kleinfingerrandes, den sogenannten KEminentiae carpi. Es sind vier, in
jeder Reihe und an jedem Rande zwei, die des Kleinfingerrandes die stärk-
sten. Die obere Hervorragung des Kleinfingerrandes ist das auf dem
Pyramidenbein articulirende Erbsenbein, P%, die untere Hervorragung dessel-
ben Randes ein hakenförmig lateralwärts umgebogener, comprimirter Vor-
sprung, Uncus !), von welchem das Hakenbein den Namen trägt. Die
obere Hervorragung des Daumenrandes ist ein platter Höcker des Kahn-
beins, Tuberosilas oss. scaph.; die untere Hervorragung desselben Ran-
des ist eine der Längsaxe des Armes parallel und demnach über die Vor-
derfläche des Trapezbeins in diagonaler Richtung verlaufende, comprimirte,
stumpfe Leiste, Tuberos. oss. frapez. (Fig. 218, vergl. Fig. 192). An den
Hohlhandvorsprüngen ist das Lig. carpi volare proprium, ein starkes Quer-
band, befestigt; über die hohle Vorderfläche der Handwurzel brückenför-
mig hingespannt, schliesst dasselbe einen Ring, in welchem die Sehnen
der Fingerbeuger und die Gefässe und Nerven der Hohlhand gleiten.
!) Proc. uncinatus, hamatus,
Kahnbein. 229
l. Kahnbein, Os scaphoideum 3) 8. "
Die volare, im Ganzen etwas medianwärts gewandte Fläche (Ah) des ı. Bu
Kalınbeins gleicht einem spitzwinklichen Dreieck mit gekrümmten Seiten,
einer oberen, einer unteren lateralen und unteren medialen. Die kürzeste
ist die untere laterale Seite; sie läuft, schwach convex, in schräger Richtung
median - und abwärts. Von ihren Endpunkten gehen die beiden längeren
Seiten, die obere flach S-förmig gebogen, die untere einfach aber tief concav,
median- und aufwärts, um sich in einem spitzen Winkel zu vereinigen. Die
Gegend zunächst der lateralen Ecke tritt in Form der bereits erwähnten Tu-
Fig. 218.
Handwurzelknochen von der Volarseite, das Erbsenbein vom Pyramidenbein getrennt und
zur Seite gerückt; s obere Fläche, i untere Fläche, d Daumenfläche, %k Kleinfingerfläche,
h Hohlhandfläche.
berosität (7s) um so mehr hervor, als die Mitte der Volarfläche durch eine
abwärts laufende breite Furche vertieft ist. Die obere Fläche des Kahn-
beins ist in der medialen, aufwärts convexen Hälfte (s) überknorpelt, eine
dreiseitige, nach hinten (vgl. Fig. 223) überhängende Gelenkfläche mit abge-
rundeten Winkeln und aufgeworfenem hinteren Rande; die laterale, aufwärts
concave Hälfte (s’) ist rauh und geht ohne bestimmte Grenze in die Rinne und
Tuberosität der vorderen Fläche über. Der überknorpelte Theil der oberen
Fläche bewegt sich in dem lateralen, dreiseitigen Felde der Endfläche des
Radius; der rauhe Theil der oberen Fläche liegt der Vorderfläche des Proc.
styloideus radii gegenüber und nimmt die von dem letzteren ausgehenden Bän-
der auf. Die untere Fläche zerfällt in zwei, unter einem rechten Winkel
in einer gemeinsamen Kante zusammenstossende Gelenkflächen, eine me-
diale und eine laterale. Die mediale (?), zur Articulation mit dem Kopf-
V) Schiffbein, Os navieulare,
2. Mond-
bein.
230 Mondbein.
bein bestimmt, verläuft längs dem unteren medialen Rande der Vorder-
fläche, von unten audyzuerst medianwärts, dann abwärts und zugleich mit
einer geringen Torsion vorwärts schauend; die laterale, zur Articulation
mit dem Trapez- und Trapezoidbein bestimmte Fläche () zieht sich, etwas
lateralwärts gerichtet, an der Rückseite des Knochens herauf; sie ist drei-
seitig, eine Spitze nach unten, die eine Seite identisch mit der unteren.
lateralen Seite der Vorderfläche des Knochens, die andere, wie bemerkt,
identisch mit der hinteren Kante der medialen unteren Gelenkfläche, die
obere Kante fast horizontal (Fig. 223). Die eigentliche dorsale Fläche
des Kahnbeins ist auf eine schmale rauhe Rinne reducirt, die sich zwischen
Fig. 219.
Händwurzelknochen von der Volarseite, das Erbsenbein vom Pyramidenbein getrennt und
zur Seite gerückt; s obere Fläche, ö untere Fläche, d Daumenfläche, %k Kleinfingerfläche,
h Hohlhandfläche.
dem unteren Rande der oberen Gelenkfläche und dem oberen Rande der
lateralen unteren Gelenkfläche hinzieht. Die Stelle der Daumenfläche
(d) vertritt eine rundliche stumpfe Spitze, in welcher die lateralen Ecken
der beschriebenen Flächen zusammenstossen; die Kleinfingerfläche (k)
ist ein niederer, ‘von zwei aufwärts convexen Linien begrenzter, theil-
weise überknorpelter Streifen, der sich an das Mondbein lehnt.
2. Mondbein, Os lunatum )) L.
Das Mondbein ist ungefähr eben so hoch als breit; sein sagittaler
Durchmesser ist der längste, länger am unteren Rande als am oberen. Die
Flächen sind sämmtlich vierseitig, die volare und dorsale verschobenen
Rechtecken ähnlich, mit schräg auf- und medianwärts gerichteten seitlichen
Rändern. Die volare ist breiter als die dorsale. Die obere Fläche, dau-
») Os semilunare,
Pyramidenbein. Erbsenbein. Trapezbein. 231
menwärts abhängig, gewölbt und nach hinten verjüngt, articulirt auf dem
medialen, vierseitigen Felde der unteren Gelenkfläche des Radius; die
untere, concave Gelenkfläche ruht grösstentheils auffdem Kopfbein; durch
eine nahe am medialen Rande verlaufende sagittale Kante ist ein schmales
Feld abgegrenzt, welches mit dem Hakenbein articulirt (Fig. 216, 223).
Die Daumenfläche ist im oberen Theile rauh und hat längs dem unteren
Rande eine halbmondförmige Gelenkfläche, wodurch sie mit dem Kahnbein
articulirt; die Kleinfingerfläche, kaum gewölßs ist überknorpelt zur
Articulation mit dem Pyramidenbein.
Var. Man findet statt der oberen Fläche einen scharfen, gewölbten Kamm,
in welchem die Daumen - und Kleinfingerfläche zusammenstossen.
3. Pyramidenbein, Os pyramidale ) Py.
Dieser Knochen gleicht einer dreiseitigen, liegenden Pyramide. Die
hintere Fläche ist es, welche fehlt oder statt welcher eine schmale Rinne
den hinteren Rand der oberen vom hinteren Rande der unteren Fläche
scheidet. Am Kleinfingerrande kommen die drei übrigen Flächen in eine
stumpfe Spitze zusammen. Die Daumenfläche, welche die Basis der Py-
ramide darstellt und an das Mondbein stösst, ist wenig vertieft und nähert
sich der vierseitigen Form dadurch, dass der Rand, welcher ihr mit der
oberen Fläche gemeinschaftlich ist, in einem steilen Bogen, fast einer ge-
brochenen Linie ähnlich, verläuft. Die obere Fläche ist stark gewölbt,
eine gegen die mediale Spitze von rauhen Furchen durchzogene, im Uebri-
gen glatte Gelenkfläche, welche (durch Vermittelung einer Bandscheibe)
Fig. 220. an der Ulna eingelenkt ist. Die Volarfläche ist gegen
den Daumenrand rauh (h), gegen den Kleinfingerrand
wit einer sehr schwach convexen kreisrunden Gelenk-
fläche (für das Erbsenbein) versehen (h‘). Die untere,
daumenwärts schauende Fläche ist überknorpelt und con-
cav bis auf die schwach gewölbte mediale Spitze.
Sagittaler Durch-
schnitt des Erbsen- 4. Erbsenbein, Os pisiforme 2) Pi.
und Pyramiden- ‘
Pla Ein unregelmässiges, von den Seiten plattgedrücktes
Kügelchen mit kreisrunder oder ovaler und schwach aus-
gehöhlter, von einer seichten Einschnürung umgebener, rückwärts ge-
wandter Gelenkfläche.
5. Trapezbein, Os trapezium®) Tr.
Das Trapezbein ist ein im Wesentlichen würfelförmiger, mit seinen
I e)
Flächen in der mehrerwähnten Weise schräg gestellter Knochen, dessen
“Würfelform aber verschiedentlich alterirt erscheint. DieHohlhand-, Dau-
D) Os triquetrum, triangulare, cuneiforme. ®) Os subrotundum, rotundum, orbiculare,
3) Os multangulum majus, trapezoides, rhomboides
3. Pyra-
midenbein,
4. Erbsen»
bein.
5. Trapez-
bein.
232 Trapezoidbein. — Koptbein.
men- und Rückenflächesind frei und rauh und gehen ohne eigentliche
Kanten in einander über; über die vordere verläuft fast vertical .die oben
beschriebene Tuberosität (7%), eine tiefe Rinne von der lateralen Seite be-
grenzend; an jeder der unteren Ecken der hinteren Fläche stehen stumpfe
Höcker, wodurch auch die laterale und hintere Fläche einigermaassen der
Länge nach ausgehöhlt erscheinen. Die mediale Gelenkfläche, in wel-
cher das Trapezoidbein ruht, ist auf Kosten der oberen medialen Kante®
tief ausgeschnitten, oben breit und nach unten von der vorderen Fläche
her verschmälert. Ihre obere Kante dient zur medialen Begrenzung der
oberen Gelenkfläche, welche, halbkreisförmig und leicht concav, die late-
rale Hälfte der lateralen unteren Gelenkfläche des Kahnbeins einnimmt.
An der unteren Fläche des Trapezbeins sind zwei Gelenkflächen zu un-
terscheiden, getrennt von einander durch einen Streifen rauher Oberfläche
(), mittelst welcher zwischen den Mittelhandknochen des Daumens und
Zeigefingers die Volar- und Rückenfläche des Trapezbeins zusammenfliessen.
Die laterale, bei Weitem grössere Gelenkfläche (# für den ersten Mittel-
handknochen) ist schräg ab- und lateralwärts gekehrt, sattelförmig, im
transversalen Durchmesser concav, im sagittalen convex, im ersteren bei-
nahe doppelt so lang als im letzteren. Die mediale Gelenkfläche () ist
ein kleines, kreisförmiges oder ovales, mit dem medialen Rande an den
unteren Rand der medialen Gelenkfläche stossendes flaches Grübchen,
schräg ab- und medianwärts gekehrt, welches zur Artieulation der Hand-
wurzel mit dem Mittelhandknochen des Zeigefingers beiträgt (vgl. Fig. 222).
6. Trapezoidbein, Os trapezoides !) T'rd.
6. Trape- Das Trapezoidbein nimmt. von hinten nach vorn an Höhe wie an
zoidbein. Breite ab; es verjüngt sich von unten nach oben im sagittalen Durchmesser,
indem die volare Fläche gerade, die dorsale mit dem oberen Rande vor-
wärts geneigt steht. Die obere Fläche, ein kleines, vierseitiges, über-
knorpeltes Feld, tritt mit der oberen Gelenkfläche des Trapezbeins zur
Aufnahme der lateralen unteren Gelenkfläche des Kahnbeins zusammen.
Mittelst einer stumpfen Kante geht sie in die dem Trapezbein zugekehrte
Daumenfläche über, deren obere Hälfte (d) schräg lateral- und aufwärts,
deren untere Hälfte (d‘) gerade lateralwärts gerichtet ist, jene überknorpelt,
diese im vorderen Theile rauh. Die Kleinfingerfläche sieht mit der vor-
deren Hälfte gerade medianwärts und wendet sich mit der hinteren Hälfte
allmälig etwas vorwärts; sie ist ganz oder nur im vorderen Theile über-
knorpelt und steht mit dem Kopfbein in Verbindung. Die untere Fläche
(vgl. Fig. 222) ist gleich der des Trapezbeins sattelförmig, im längeren, sagit-
talen Durchmesser concav, im schmalen, transversalen Durchmesser convex.
7. Kopfbein, Os capitatum?) C.
7. Kopt- Ausgezeichnet durch den kugelförmigen, von den Seiten comprimir-
bein ten, hoch in die erste Reihe der Handwurzelknochen hinaufragenden Kopf,
welcher die obere und einen Theil der medialen Gelenkfläche trägt. Die
') Os multangulum minus, trapezium minus, pyramidale. ?) Os magnum.
s
Hakenbein. 233
obere Gelenkfläche nämlich, mit der medialen unteren Fläche des Kahn-
" beins und dem grösseren Theile der unteren Fläche des Mondbeins artieu-
lirend, beginnt, anfangs vollkommen lateralwärts gerichtet, etwa in der
halben Höhe des Knochens und wendet sich mit einer abgerundeten Kante
aufwärts; sie setzt sich auf die Rückenfläche und etwas weniger weit ab-
wärts auf die Vorderfläche des Knochens fort, von beiden durch einen fast
" genau transversalen, überhängenden Rand gesondert. Von der mit dem
Trapezoidbein artieulirenden Daumenfläche ist sie nur durch eine leichte
Einbiegung geschieden. Eine schärfere Kante trennt am oberen Rande
des Knochens die obere Fläche von der medialen, mit dem Hakenbein zu-
Fig. 221.
"rd
Handwurzelknochen von der Volarseite, das Erbsenbein vom Pyramidenbein getrennt und
zur Seite gerückt; s obere Fläche, ö untere Fläche, d Daumenfläche, % Kleinfingerfläche,
h Hohlhandfläche.
sammengefügten und nur in der unteren vorderen Ecke durch Anheftung von
Bändern rauhen Fläche. Die untere Fläche (vgl. Fig. 222) zerfällt durch
zwei stumpfe, sagittale Kanten in drei Felder: ein laterales (?), welches die
sattelförmige Gelenkfläche des Trapezoidbeins vervollständigt, ein mittleres
grösstes, concaves (#), auf welchem der dritte Mittelhandknochen eingelenkt
ist, und ein mediales (?“), welches nur die hintere Ecke einnimmt und
zur Gelenkfläche des vierten Mittelhandknochens mit beiträgt. Die Hohl-
handfläche des Kopfbeins ist vierseitig, im queren Durchmesser ge-
wölbt; an der hinteren Fläche ist der untere Rand schräg und kommt
mit dem Kleinfingerrande in einer abwärts ragenden Spitze zusammen.
8. Hakenbein, Os hamatum) H.
Die Volar- und Dorsalfläche des Hakenbeins gleichen, wenn man
von dem aus der Vorderfläche vorspringenden Haken absieht, rechtwinklichen
1) Os unciforme, cuneiforme.
8. Haken-
bein.
Hand-
wurzel-
Mittelhand-
gelenke.
234 Hakenbein.
Dreiecken. Von den ziemlich gleich langen Katheten steht die eine ver-
tical, die andere horizontal; die Hypothenuse geht schräg median- und ab-
wärts. Die obere Gelenkfläche, gegen den Kleinfingerrand abhängig und
nur in der Nähe dieses Randes aufwärts gekrümmt, trägt einen kleinen Theil
des Mondbeins und das Pyramidenbein; die untere, in sagittaler Richtung
concave und durch eine sagittale Kante in zwei gleiche Hälften (Fig. 221
i und 7) getheilte Fläche artieulirt mit den Mittelhandknochen des vierten
und fünften Fingers. Die obere und untere Fläche stossen medianwärts
entweder in einer scharfen Kante unmittelbar zusammen oder werden durch
einen niederen Streifen rauher Fläche (k) geschieden. Die Daumenfläche,
vertical gestellt, ist gleich der entsprechenden Fläche des Kopfbeins bis
in die Nähe der unteren vorderen Ecke überknorpelt.
Alle Handwurzelknochen sind zur Zeit der Geburt knorplich: alle verknöchern
von einem Knochenkern aus, der im Kopf- und Hakenbein schon im ersten Lebens-
jahre erscheint, im Pyramidenbein im dritten Jahre, im Mond- und 'Trapezbein im
vierten bis fünften, im Kahn- und Trapezoidbein im achten bis neunten. Das
Erbsenbein wird erst zwischen dem zwölften und fünfzehnten Jahre knöchern.
Die Form des Gelenks der Hand mit dem Unterarm und der beiden
Handwurzelreihen unter sich, sowie der Antheil, welchen die einzelnen
Knochen an diesen Gelenkverbindungen nehmen, ergiebt sich aus dem Vor-
hergehenden. Die erste Reihe wendet dem Unterarm eine im transversalen
und sagittalen Durchmesser convexe Fläche zu und kann demnach vor-
und rückwärts sowie seitwärts bewegt werden. Die Bewegung der zwei-
ten Reihe gegen die erste beschränkt sich auf Beugung und Streckung;
die Drehung um die sagittale Axe wird verhindert durch den Winkel,
welchen die Gelenkfläche des Kahnbeins gegen das Trapez- und Trapezoid-
bein mit der Gelenkfläche desselben Knochens gegen das Kopfbein bil-
det. Noch unregelmässiger, wenn auch nicht in so auflallender Weise
Fig. 222. wechselnd, ist die Krümmung,
welche die Knochen der zwei-
ten Reihe den Mittelhand-
knochen zuwenden. An die
gegen die Volarfläche der
Hand vortretende, lateral-
wärts gekehrte sattelförmige
Gelenkfläche (M,) des Tra-
pezbeins für den Daumen
schliesst sich, ' durch einen
schmalen Zwischenraum ge-
trennt, eine Gelenkfläche (M,)
für den Mittelhandknochen
Zweite Reihe der Handwurzelknochen von unten. des Zeigefingers, welche das
M, bis M, Gelenkflächen für die Mittelhand-
knochen 1 bis 5.
ganze Trapezoidbein, die hin-
tere Ecke des Trapezbeins
und ein dreieckiges Feld auf dem Kopfbein einnimmt. Sie hat eine in
sagittaler Richtung verlaufende Wölbung zwischen zwei Concavitäten,
deren grösste Tiefe mit den zwei Spalten zwischen den drei genannten
Knochen zusammenfällt. Die dem dritten Mittelhandknochen bestimmte
ee nn
Mittelhandknochen 235
-Gelenkfläche des Kopfbeins (M,) ist vierseitig, schmal, mit einer diagonal
von der vorderen medialen gegen die hintere laterale Ecke ziehenden Con-
cavität versehen. Die Gelenkfläche (M,) des vierten nimmt die hintere Ecke
des Kopfbeins und die Hälfte des Hakenbeins ein; sie ist flach ausgehöhlt
und nur in der Nähe des hinteren Randes etwas convex. Die Gelenk-
fläche (M,) des fünften Mittelhandknochens ist gleich der des Daumens sat-
telförmig, aber im entgegengesetzten Sinne, convex im transversalen, con-
cav im sagittalen Durchmesser. Sie ist im Ganzen lateralwärts abhängig
und kommt der medialwärts abhängigen Gelenkfläche des vierten Mittel-
handknochens unter einem sehr stumpfen Winkel entgegen,
ß. Mittelhandknochen.
Die Mittelhandknochen (Fig. 223) sind Röhrenknochen mit verdicktem +.
oberen und unteren Ende. Indem die Enden im horizontalen Durchmesser die
Körper überragen, entstehen zwischen den mit den Enden genau an ein-
ander gefügten Knochen die nach oben und unten sich zuspitzenden Zwi-
schenknochenräume, Spatia interossea. Indem die im sagittalen Durch-
messer verdickten Enden vorzugsweise gegen die Volarfläche über die
Körper vorspringen, erscheint die Mittelhand gegen die Vola von oben
nach unten ausgehöhlt. In geringem Grade sind indess auch die Körper
nach diesem ‚Sinne gebogen. Die Endflächen des oberen Endes (Dasis)
sind den unteren Flächen der Knochen der zweiten Handwurzelreihe ent-
sprechend ‚gebogen, sattelförmig am Daumen und fünften Finger, am Dau-
men dreiseitig mit vor-, rück- und seitwärts gerichteten Winkeln, am fünf-
ten Finger länglich vierseitig mit transversal gestelltem längsten Durcli-
messer. Sattelförmig und vierseitig ist auch das grössere Mittelfeld des
zweiten Mittelhandknochens, transversal tief concav, sagittal convex, durch
scharfe Kanten von dem kleineren, vorwärts schauenden lateralen und dem
grösseren, medianwärts schauenden medialen Nebenfelde gesondert. Die
Endfläche des Mittelhandknochens des dritten Fingers, von einer diagonalen
Convexität vor- und rückwärts :bfallend, verlängert sich an der hinteren
lateralen Ecke in eine Spitze, welche sich an dem sogleich zu erwähnen-
den Proc. styloideus dieses Knochens hinaufzieht. Die Gelenkfläche- des
vierten Mittelhandknochens, transversal convex, sagittal concav, hat zwei
durch eine rauhe Furche geschiedene Abtheilungen; die kleinere, welche
die hintere, laterale Ecke einnimmt, ruht auf dem Kopfbein, die grössere
auf dem Hakenbein; die Furche liest der Spalte des Kopf- und Haken-
beins gegenüber.
Am Mittelhandknochen des Daumens ist die Endfläche ringsum von
einem mehr oder minder abgeschrägten, rinnenförmigen Saume umgeben,
durch dessen Vermittelung sie in den Körper des Knochens sich fortsetzt.
Der Körper ist dreiseitig prismatisch mit Flächen, welche den Rändern
der Endfläche genau entsprechen. Die Mittelhandknochen der übrigen
Finger sind am oberen Ende vierseitige, freilich ziemlich unregelmässige
Prismen, mit einer volaren und dorsalen, einer Daumen- und Kleinfinger-
fläche, von welchen die beiden letzteren, insoweit die vier Mittelhand-
knochen einander mittelst derselben berühren, mit planen, überknorpelten
Mitte!
hand.
236 Mittelhandknochen.
Gelenkflächen versehen sind. Am zweiten Mittelhandknochen geht die
laterale, am fünften die mediale Fläche abgerundet in die volare und dor-
sale über. An allen ist die
Fig. 223. J
N g volare Fläche rauh, von einem
en platten Höcker dicht unter dem
Py ve oberen Rande eingenommen;
fe) die Rückenfläche ebenfalls rauh,
aber vertieft, mit einer Grube
Ps oder einer der Längenaxe des
Gliedes parallel laufenden Fur-
che unter dem oberen Rande.
Das obere Ende des zweiten
Mittelhandknochens ist nach
jeder Dimension am stärksten,
durch einen tiefen Einschnitt des
hinteren Randes zweizackig,
die lateraleZacke, welche vorn
die Gelenkfläche für das Tra-
pezbein trägt, auch nach hinten
schräg lateral- und abwärts abgestutzt; die mediale Gelenkfläche, unmittelbar
an die überknorpelte Endfläche sich anschliessend, durch eine Einbiegung
des unteren Randes fast in zwei Felder getheilt, Fig. 224 *. Die gleiche
Fig. 225. Form besitzt die laterale Gelenkfläche
des dritten Mittelhandknochens, der
durch einen aufwärts ragenden stum-
pfen Fortsatz an der lateralen hinteren
Ecke, den genannten Proc. styloideus,
ausgezeichnet ist, von wo aus der hin-
tere Rand medianwärts ziemlich schräg
absteigt. Wegen dieses Fortsatzes ist
der dritte Mittelhandknochen hinten
breiter als vorn; seine mediale Gelenk-
fläche ist völlig in zwei hinter ein-
Fig. 224 zweiter Mittelhandknochen, ander liegende, durch eine Furche
Fig 225 dritter Mittelhandknochen getrennte Felder (Fig. 225 *) zerfal-
N len. So auch die entsprechende, late-
rale Gelenkfläche des vierten Mittel-
handknochens, dessen mediale Gelenkfläche, gleich der lateralen Gelenk-
fläche des fünften, einen niederen, halbmondförmigen Saum darstellt. Im
Uebrigen ist das obere Ende des vierten Mittelhandknochens im sagittalen
und horizontalen Durchmesser kleiner als der entsprechende Täeil des
dritten; der fünfte ist im sagittalen Durchmesser noch mehr verjüngt, aber
breiter. Unterhalb der Gelenkflächen, durch welche die Mittelhandknochen
mit einander artieuliren, findet sich an allen ein Grübehen (* *) und
darunter ein Wulst, zur Anheftung von Bändern bestimmt. Die mediale
Fläche der Basis des fünften Mittelhandknochens ist ein platter Höcker
(Tuberositas), an welchen die Sehne des M. extensor c. ulnaris sich
befestigt.
| h 4
Ma 2
Handwurzel mit den Mittelhandknochen, Rückseite.
Mittelhandknochen. 337
Die Körper der Mittelhandknochen nehmen von dem zweiten gegen
den fiinften an Länge ab, so dass die Reihe der Gelenke sowohl der Hand-
wurzel mit der Mittelhand, als der Mittelhand mit den Fingern schräge
und zwar gegen den Kleinfingerrand convergirende Linien bildet. Der
Mittelhandknochen des Daumens ist kürzer als der des fünften Fingers,
aber dicker als alle. Von den übrigen sind der zweite und dritte an Dicke
gleich, der fünfte ist schwächer und der vierte am schwächsten. Der Kör-
per des Daumens ist, wie erwähnt, dreiseitig prismatisch, mit sehr schwach
gewölbter Dorsalfläche und zwei, durch eine mehr oder minder scharfe
Kante geschiedenen volaren Flächen, welche gegen das untere Ende in
eine convexe Fläche zusammenfliessen. Die Dorsalfläche des Daumens
ist lateralwärts gerichtet. Die Körper der vier medialen Mittelhandknochen
sind in der Nähe des oberen Endes undeutlich vierseitig prismatisch oder
eylindrisch, werden aber gegen das untere Ende regelmässig dreiseitig
prismatisch, so zwar, dass eine fast plane Fläche dem Rücken der Hand
angehört und zwei convexe Seitenflächen in einer scharfen, volaren Kante
Fig. 226. zusammenstossen. Die plane Rücken-
fläche aber spitzt sich gegen die Basen
> 4 IE: der Mittelhandknochen zu, oder, mit
\®) 2 anderen Worten, sie geht aus einer
(© Kante hervor, welche die Mitte der
y Rückenfläche der Basis einnimmt und,
je näher ein Mittelhandknochen dem
@) (®> 1 Daumen liegt, um so weiter abwärts
2 sich erstreckt, bevor sie in die zwei
ä Seitenkanten der Rückenfläche des Kör-
Horenaltrhsehi er Körper der yore mus einander weicht (Big. 223)
oberen Enden, y in der Nähe der Umgekehrt verliert sich die volare
unteren Enden. Kante an der Grenze des hinteren und
mittleren Drittels des Körpers in eine
plane oder schwach gewölbte dreiseitige Fläche, die sich in die volare Fläche
- der Basis der Mittelhandknochen fortsetzt (Fig. 227, 228). Indem sich diese
Kante auch am unteren Ende des Mittelhandknochens zu einer dreiseitigen
Fläche ausbreitet, erhält dieses Ende wieder eine vierseitige, seitlich com-
primirte und an allen fünf Mittelhandknochen sehr ähnliche Gestalt.
Das untere Ende der Mittelhandknochen, Köpfchen, Capitulum )),
trägt eine kugelförmige Endfläche, welche über die volare Fläche des Kör-
pers weiter vorspringt und weiter an derselben hinaufragt als an der dor-
salen Fläche. Der hintere Rand der Gelenkfläche (Fig. 223) ist gerade
oder schräg, durch eine seichte Rinne oder ein Grübehen gegen den Kör-
per abgesetzt. Der vordere Rand der Gelenkfläche (Fig. 228) ist tief
eingebogen, an jeder Ecke gleichsam in einen abgerundeten, auf einem
kleinen Vorsprunge stehenden Zipfel verlängert; auf der Fläche dieser
Zipfel gleiten die Sesambeinchen, wo solche vorhanden sind. Die Ver-
tiefung zwischen ihnen ist rauh und enthält meistens ein feines Ernährungs-
loch oder mehrere. Die Seitenränder der Gelenkflächen sind stark abwärts
ı) Condylus, Caput.
y. Finger.
238 Phalangen.
convex, die Seitenflächen der Köpfchen (Fig. 224, 225) stark eingedrückt })
Fig. 227. Fig. 228. zwischen dem erwähnten Vorsprunge, der
den vorderen Theil der Gelenkfläche trägt,
und einem ähnlichen Vorsprunge am hin-
teren Rande.
Die Ossa sesamoidea der Hand
(S. 202) sind dem Erbsenbein ähnlich, kuge-
lich und an der artieulirenden Fläche kreis-
förmig abgeplattet, 5mm im Durchmesser.
Die Ernährungslöcher der Körper lie-
gen im zweiten bis fünften Mittelhandkno-
chen am Daumenrande der Hohlhandfläche
und führen in aufwärts gerichtete Canäle;
im Körper des ersten Mittelhandknochens
liegt das Ernährungsloch am Kleinfingerrande
und durchbohrt den Knochen schräg abwärts.
Zur Zeit der Geburt ist das Mittelstück der
Mittelhandknochen knöchern, die Enden sind
knorplich. Ein besonderer Knochenkern ent-
steht im zweiten bis dritten Jahre in der Basis
des Mittelhandknochens des Daumens und im
Köpfchen jedes der vier übrigen Mittelhand-
m. knochen Nur ausnahmsweise erhalten die Ba-
Mittelhand- = - ®
% knochen und Sen der vier medialen und das Köpfchen des
Phalangen d. ersten Mittelhandknochens ebenfalls besondere
Zeigefingers, Knochenkerne. Diese, wenn sie vorhanden sind,
von vorn. verschmelzen frühzeitig mit dem Körper; die
regelmässigen Epiphysen nicht vor dem acht-
zehnten bis zwanzigsten Jahre.
[ Der Mittelhandknochen des Daumens weicht demnach hin-
sichtlich des Ganges seiner Verknöcherung, wie hinsichtlich
der Lage des Ernährungsloches, von den übrigen Mittelhand-
knochen ab. Er stimmt dagegen in beiden Punkten mit den
Phalangen überein, eine immerhin bemerkenswerthe Eigen-
thümlichkeit, wenn es sich darum handelt, ob der erste cylin-
Sagittaldurehschnitt des drische Knochen des Daumens als Mittelhandknochen oder
Köpfchens des Mittel- als erste Phalanx zu denten sei. Da er in allen anderen
handknochens undder Beziehungen den Mittelhandknochen gleicht, und da er aus-
Phalangen des Dau- „ahmsweise auch gleich den übrigen Mittelhandknochen ver-
mens mit dem Sesam- Br LS NIE E - .
heil knöchert, so schien es mir nicht zweifelhaft, welche von jenen
beiden Ansichten den Vorzug verdiene.
Mittelhandknochen
und Phalangen des
Daumens, von vorn.
Fig. 229.
Mı,-
Ya
y. Phalangen.
Die Körper der Phalangen sind alle nach demselben Plane gebil-
det. Ihre sehr regelmässig transversal gewölbten Dorsalflächen und trans-
versal planen oder schwach ausgehöhlten Volarflächen kommen in schar-
fen Seitenrändern zusammen; der Horizontaldurchsehnitt ist demnach
halbmondförmig mit vorwärts gerichteter Concavitä. An den Grund-
U) Impressio lateralis. Sinus tuberculi.
Phalangen. 239
phalangen wird die Concavität der Vorderfläche noch tiefer dadurch, dass
der Rand in Form eines schmalen, rauhen Saumes auf die letztere über-
greift. An den Mittelphalangen ist der Saum verhältnissmässig breiter und
die Fläche ist der Länge nach in zwei rauhe Seitenfelder und ein glattes,
etwas gewölbtes mittleres Feld getheilt. Alle Phalangen sind der Länge nach,
Fig. 230. Fig. 231. aber nur in sehr geringem Grade, gegen
die Volarfläche gebogen. Diese Biegung
ist, weil die Enden den Körper im sagit-
talen Durchmesser hauptsächlich vorwärts
Bi 20 Merontlitehit dr überragen, an der vorderen Kläche af
Mittelphalange des zweiten Fingers. fallender als an der hinteren. An der hin-
teren Seite wird vielmehr die entsprechende
Wölbung durch die Verdickung der Extremitäten ausgeglichen oder selbst,
besonders an den Basen der Mittel- und Endphalangen, in eine Concavität
verwandelt (Fig. 232).
Nieht nur im sagittalen, sondern auch im transversalen Durchmesser
(Fig. 227) sind die Enden der Phalangen stärker als das Mittelstück. Von
Fig. 232. den oberen Enden an verschmälern sie sich, um am unteren
Ende sich wieder in die Breite, doch nicht bis zu dem Umfange
des oberen Endes, auszudehnen. Und obgleich jede untere
Phalange im Ganzen schmaler ist als die nächst obere, so ragt
doch das obere Ende einer jeden um Weniges über das untere
Ende der nächst vorhergehenden hervor.
Die einzelnen Phalangen unterscheiden sich von einander
durch die Dimensionen und durch die Form der Enden. In
letzterer Beziehung sind die Phalangen je einer Reihe einander
fast vollkommen gleich; hier bleiben also fast nur die Dimen-
sionen als Unterscheidungsmerkmale übrige. Was nun die
Länge der Phalangen betrifft, so nimmt sie an jedem Finger
von oben nach unten regelmässig ab; doch ist die Endphalange
im Verhältniss zur vorhergehenden am Daumen und fünften
Zweiter Fin- Finger länger als an den übrigen Fingern. Die längsten Pha-
Burn: langen besitzt der dritte Finger, ihm folgt der vierte, zweite,
fünfte. Die Grundphalange des Daumens ist kürzer als die des fünften
Fingers, steht aber an Breite und Dicke der Grundphalange des Mittel-
fingers nicht nach, und die Endphalange des Daumens übertrifft in jeder
Dimension die Endphalange der übrigen tinger. Im Uebrigen ist die
kleinste Grundphalange länger als die längste Mittelphalange; die kürzeste
Mittelphalange wird dagegen von der Endphalange des dritten Fingers um
Weniges an Länge übertroffen, und die Endphalange des Daumens gleicht
an Länge der Mittelphalange des zweiten Fingers.
Die Grundphalangen haben an dem dem Mittelhandknochen zuge-
wandten Ende eine kreisförmige oder ovale, mit dem längsten Durch-
messer transversal gestellte, flach kugelförmig vertiefte und überknorpelte
Endfläche, von einem wulstigen Saume umgeben, welcher an der Vorder-
fläche jederseits in einem stumpfen Höcker vorspringt. Die Gelenkfläche
des unteren Endes der Grundphalange ist ein liegender, in der Mitte ein-
gebogener Cylinderabschnitt, welcher auf der vorderen Fläche weiter hin-
U. Untere
Extremität.
a. Gürtel.
Hüftbein.
340 Hüftbein.
aufreicht als auf der hinteren, vorn mit fast geradem, binten mit convexem
Fig. 233. Rande, nur am Daumen ist der vordere Rand der Gelenkfläche,
der Vertiefung derselben entsprechend, deutlich eingebogen.
Die Seitenflächen des unteren Endes!) sind kreisförmig, leicht
vertieft, etwas schräg gestellt, nach hinten convergirend. Das
obere Ende der Mittelphalangen trägt eine elliptische, mit dem
längsten Durchmesser transversale, durch einen sagittalen Vor-
sprung getheilte Gelenkfläche ; diese ist von einem ähnlichen
Wulst umgeben, wie die Gelenkfläche des oberen Endes der
Grundphalange; der Höcker aber, welcher hier nach vorn vor-
springt, liegt dort mehr am Seitenrande und ist stumpfer. Das
untere Ende der Mittelphalange ist dem unteren Ende der
Grundphalange vollkommen ähnlich. Ebenso gleicht die Basis
der Endphalange der Basis der Mittelphalange, nur dass jene
sich rascher verjüngt und der seitliche Vorsprung stärker, zu-
Zweiter Fin- \veilen selbst scharf oder spitz hervortritt. Nach unten endet
ger, Rücken- _, RS P . isn: 5
Aüche. die Endphalange mit einer breiteren, hufeisenförmig gekrümm-
ten Platte, Tuberositas unguieularis, welche vorn rauh und
hinten glatt ist bis in die Nähe des Randes, der die hintere Fläche
einem gezähnelten Wulste ähnlich überragt. Der Rand dieser Platte geht
entweder sanft eingebogen in den Seitenrand des Körpers über oder er setzt
sich jederseits mit einer stumpfen oder spitzen, aufwärts ragenden Zacke
gegen den Körper ab.
Die Ernährungslöcher haben eine unbeständige Lage auf der Volar-
fläche, die Canäle, in welche sie führen, sind abwärts gerichtet.
Das obere Ende der sämmtlichen Phalangen entwickelt sich aus einer besonde-
ren Epiphyse, welche zwischen dem dritten bis siebenten Jahre entsteht und im
achtzehnten bis zwanzigsten mit dem Körper verschmilzt.
II. Knochen der unteren Extremität.
a. Knochen des Gürtels der unteren Extremität.
Hüftbein, Os cowae 2).
Das Hüftbein ist ein platter, unter der Mitte sanduhrförmig einge-
schnürter Knochen, dessen oberer und unterer Rand convex, dessen vorde-
rer und hinterer Rand concav verläuft. Man kann es sich zusammengesetzt
denken aus zwei fächerförmigen, gegen die Spitze abgestutzten und mit
den abgestutzten Rändern dergestalt an einander gewachsenen Knochen-
stücken, dass das Eine über dem anderen steht, das Eine den breiten Rand
nach oben, das andere ihn nach unten wendet, zugleich aber durch eine
Torsion an der Stelle der Vereinigung das obere Stück in der Seitenwand,
das untere in der Vorderwand des Rumpfes eingeschlossen ist (Fig. 188,
189). Die Flächen des oberen Stückes lägen demnach in sagittalen, die
1) Impressiones laterales. 2) Beckenknochen, Os innominaltum, Os pelvis
’ p
Hüttbein. 241
des unteren in frontalen Ebenen; aber wegen der cylindrischen Gestalt des
Rumpfes hat das obere eine medianwärts, das untere eine rückwärts
schauende Concavität, krümmt sich das obere von der seitlichen auf die
hintere Wand, das untere von der vorderen auf die seitliche Wand des
Rumpfes hinüber, und ausserdem erhalten beide durch die umgekehrt kup-
pelförmige Wölbung des unteren Endes des Rumpfes eine Neigung mit
den äusseren Flächen abwärts. Der convexe (obere) Rand des oberen
Stückes ist länger und viel steiler gekrümmt als der convexe (untere) Rand
des unteren Stückes. Das obere übertrifft das untere an Breite und Höhe,
mehr noch in der Höhe als in der Breite, woraus folgt, dass im Verhält-
niss zur Höhe das untere Stück breiter ist als das obere.
Das obere Stück nimmt von den Rändern gegen die Mitte an Mäch-
tigkeit ab, zuweilen in dem Grade, dass die Diploe in grösserer oder ge-
ringerer Ausdehnung schwindet und die dünne Knochentafel stellenweise
sogar durchbrochen erscheinen kann. An dem unteren Stücke ist regel-
mässig ein grosser mittlerer Theil häutig; nach Entfernung des häutigen
Theiles (der Membrana obturatoriu) bleibt nur ein platter Rahmen übrig,
eine ovale (uder nierenförmige oder stumpfwinklich dreiseitige, mit dem
stumpfen Winkel nach unten gerichtete) Lücke umschliessend, deren läng-
Fig. 234. ster Durchmesser (60mm)
dem breiteren Rande die-
ses Knochentheiles parallel
verläuft. Die Lücke ist das
Hüftbeinloch, Fora-
men obturatorium )).
Die Grenze, welche
wir zwischen dem oberen
und dem unteren Theile
des Hüftknochens soeben
in Gedanken gezogen ha-
ben, besteht vor dem
siebenten Jahre in Wirk-
lichkeit; die Synchondrose,
welche beide Abtheilungen
scheidet, läuft fast genau
transversal, wenig nach
unten convex über den
schmalsten Theil (Isth-
mus)- des Hüftbeins und
fast mitten durch die Ge-
lenkpfanne, welche. die
Aeussere Fläche des (männlichen) Hüftbeins, Seitenansicht, Aussenfläche des Isthmus
der Rumpf um die verticale Axe ein wenig mit der rechten einnimmt. Die obere Ab-
Seite rückwärts gedreht. Zga, Lgp Linea glutaea ant. u. post.
theilung wird Darmbein,
Os ilium, genannt; die untere wollen wir Leistenbein, Os pubo-ischiadi-
cum, nennen. Das Leistenbein ist äm kindlichen Becken durch zwei cor-
I) F. ovale.
Henle, Anatomie Thl. T. 16
242 Hüftbein.
“ respondirende verticale Synchondrosen, welche ohne die Unterbreehung
durch das Hüftbeinloch als eine einzige erscheinen würden, in zwei stark
gekrümmte Halbringe getrennt, einen lateralen und medialen, von welchen
aber der laterale, wegen der oben erwähnten Krümmung des Leistenbeins,
mehr hinter als neben dem medialen liegt. Der hintere Halbring heisst
Sitzbein, Os ischü, der vordere Schambein!), Os pubis. Man hat
sich gewöhnt, bei der Beschreibung des erwachsenen Beckens sich der Ein-
theilung in die drei Stücke zu bedienen, welche durch die Entwieckelungs-
geschichte vorgezeichnet ist ?); man muss demnach, wenn man sich das
Leistenbein der Länge nach getheilt denkt, an jedem der beiden Halbringe
einen oberen und einen unteren Ast unterscheiden. Der obere Ast eines
jeden nimmt mit einem verdickten Ende, dem sogenannten Körper, an
der Bildung der Pfanne Antheil; zu der unteren Hälfte derselben trägt das
Schambein das vordere Drittel, das Sitzbein die beiden hinteren Drittel
bei. Von dem Körper geht sodann der obere Ast des Schambeins, Ra-
mus sup. 0. P.°), vorwärts, der untere, R. inf. o. p.*), rückwärts; vom
Körper des Sitzbeins geht der obere Ast, R. sup. o. ischö), rückwärts,
der untere, R. inf. o. 2. 6), vorwärts.
Ich erwähnte bereits die Gelenkpfanne, Acetubulum, welche der
Isthmus des Hüftbeins auf seiner äusseren Fläche trägt. Der Durchmesser
dieser Pfanne ist eben so gross oder etwas grösser als der längste Durch-
messer des Hüftbeinloches, aber kleiner als die Breite des Isthmus; sie
liegt näher dem vorderen oberen als dem hinteren unteren Rande des
letzteren; mit dem vorderen unteren Theile ihres Randes berührt sie
beinahe den Rand des Hüftbeinloches. Ihre Tiefe gewinnt sie dadurch,
dass von allen Seiten, besonders aber von der hinteren Seite her, die Ober-
fläche des Knochens gegen den Rand der Pfanne ansteigt. Ihr Eingang,
obgleich an der Seitenwand des Beckens gelegen, richtet sich dadurch
nach vorn, indess der hinter der Pfanne gelegene Theil der Aussenfläche des
Isthmus vom Pfannenrande an median- und rückwärts verläuft (vgl. Fig. 237).
Von dem schmaleren, aber diekeren Ende, womit sie zur Bildung der
Pfanne beitragen, breiten sich Darm- und Leistenbein, indem sie platter
werden, so aus, dass, im Groben betrachtet, der vordere Rand des Darm-
beins mit dem hinteren Rande des Leistenbeins in Eine Flucht zu liegen
kommt und umgekehrt; dass man also die Ränder beider verbundenen Kno-
chen mit einer 8- Tour umschreiben kann, deren Kreuzungspunkt in den
Isthmus fällt. Die concaven vorderen und hinteren Ränder des Hüftbeins
gehören in der oberen Hälfte dem Darmbein, in der unteren Hälfte dem
Y) Schoossbein. ®) Diese Art der Eintheilung ist weder consequent, noch glück-
lich; namentlich würde die Beschreibung des von mir sogenännten Leistenbeins minder
schwerfällig geworden sein, wenn man dasselbe einfach als durchbrochene Platte oder als
fing aufgefasst hätte. Indessen sind die Benennungen, welche sich auf die Zerlegung
des Leistenbeins in Scham- und Sitzbein beziehen, zu zahlreich und zu allgemein ver-
breitet, als dass man, nur der Bequemlichkeit der Darstellung wegen, davon abzugehen
sich erlauben dürfte. Anders ist es mit den Namen der. sogenannten Aeste des Scham-
und Sitzbeins, die nicht nur unbequem sind, sondern auch falsche Vorstellungen er-
wecken, und die ich deshalb mit neuen, einfacheren zu vertauschen keinen Anstand nehme.
®) R. horizontalis oss. pubis. ") R. descendens oss. pubis. >) R. descendens oss. ischü.
6) R. ascendeus 0ss. ischü. -
fr - Hüftbein. 243
Leistenbein (vorn dem Schambein, hinten dem Sitzbein) an. Die tiefste
Einbiegung dieser Ränder entspricht dem Uebergange des Randes des Darm-
Fig. 285. beins vorn auf den oberen
Ast des Schambeins, hin-
ten auf den oberen Ast des
Sitzbein. Im Uebrigen
beobachtet man bei Ver-
gleichung des vorderen und
hinteren Randes des Hüft-
beins eine merkwürdige
und eigenthümliche Art von
Symmetrie, eigenthümlich
durch die gekreuzte Lage
der einander entsprechen-
den Punkte. 5
Vier mehr oder min-
der vorspringende Winkel
werden an dem Hüftbein
erzeugt durch das Zusam-
mentreffen des concaven.
vorderen und hinteren Ran-
des mit dem convexen obe-
ren und unteren. Der obere
vordere dieser Winkel, an
Aeussere Fläche des (männlichen) Hüftbeins, Seitenansicht, der Stelle, wo der obere
der Rumpf um die verticale Axe ein wenig mit der rechten Rand des Darmbeins in den
Seite rückwärts gedreht. Zga, Zgp Linea glutaea ant. u. post. 2 5 <
vorderen übergeht, ist ein
stumpfer, platterFortsatz, Spina ant. sup. oss. ilium, a; durch einen Aus-
schnitt, Incisura Üiaca minor %), b, von ihm getrennt, folgt dann am vor-
deren Rande unter ihm ein zweiter, ähnlicher Fortsatz, Spina ant. inf. 0ss.
ilium, €, beide von Muskelursprüngen eingenommen. Weiter abwärts, vor
der Pfanne, liegt der tiefe und glatte Ausschnitt, Incisura iliaca major, d, mit
welchem der vordere Rand des Darmbeins in den vorderen (oberen) des Lei-
sten- (Scham-) Beins umbiegt. An die untere, vordere Ecke e, an welcher
der vordere Rand des Hüftbeins mit dem unteren convexen Rande sich ver-
bindet, stösst die obere Spitze einer überknorpelten Fläche, der Synchon-
drose nämlich, welche die beiden Schambeine an einander befestigt, Syn-
chondrosis oss. pubis. Gehen wir in umgekehrter Richtung am hinteren
Hüftbeinrande von der unteren hinteren Ecke aufwärts, so finden wir diese
Ecke abgerundet, rauh und verdickt durch einen von zahlreichen Muskel-
ansätzen bedeckten Vorsprung, Tuber ischiadieum, A; über demselben zeigt
sich ein kleiner, am frischen Becken von Knorpel bekleideter (der Sehne
des M. obturator. int. als Rolle dienender) Einschnitt, Jneisura ischiadiea
minor 2), B, dann ein zweiter, platter Muskelfortsatz, Spina ischiadica, €,
und über diesem, hinter der Pfanne, der tiefe, glatte Einschnitt, JIneisur«a
ischiadica major 3), D, womit der hintere Rand des Leisten- (Sitz-) Beins
I) Incisura semilunaris. ®) I. i. inferior. 3) Tncisura iliaca may. s. sup.
16*
244 Hüttbein. .
sich in den hinteren (unteren) Rand des Darmbeins fortsetzt. Durch die
starke Biegung abwärts; welche dem hinteren Rande des Darmbeins eigen
ist, erhält die Incisura ischiadica maj. eine von der Incisura iliaca maj. ver-
schiedene Form und steilere Biegung. Wieder aber entspricht die obere
hintere Ecke des Darmbeins der vorderen unteren des Leistenbeins dadurch,
dass sie an ihrer inneren Seite die untere Spitze E einer überknorpelten
Fläche trägt, welche zur Verbindung des Hüftbeins mit dem Kreuzbein
dient, der Synchondrosis sacro-iliaca. Diese Ecke ist fast vertical abge-
stutzt und durch eine niedrige Einbiegung !) in zwei Zacken, Spina post.
inf. und Sp. p. sup. oss. iium, getheilt. Die untere Zacke, platt und
scharf, entspricht mit ihrem abgerundeten Contur dem abgerundeten Rande
der Synchondrosis sacro-iliaca; zuweilen trägt sie unten eine Zacke oder
einen Kamm, von der Anheftung des M. pyriformis herrührend. Mit der
oberen Zacke beginnt, diek und wulstig, der convexe Rand des Hüftbeins.
& Fig. 236. Dieser Rand 2), von dem
die langen Rückenmuskeln
ausgehen und an den die
Bauchmuskeln sich an-
setzen, hat die grösste
Mächtigkeit (bis 25”"m) un-
mittelbar über der 'Spina
post. sup., verschmälert sich
am vorderen Ende des hin-
teren Viertheils, um am
Tp
\ Eip CipSai Sas
TH 4 Li 2 . n . .
Ser f hinteren Ende des vorderen
Viertheils noch einmal auf
eine kurze Strecke, und
zwar gegen die Aussen-
fläche des Beckens, an
Breite zuzunelimen. Ueber
ihn verläuft der ganzen
Hüftbein (eines weiblichen Beckens) von oben. Länge nach ein scharfer
Kamm, Linea interme-
dia, von welchem aus ein breiterer Theil nach aussen, ein schmalerer
nach innen abfällt. Neben der continuirlichen Convexität nach oben, die,
bei natürlicher Stellung des Hüftbeins, ihren höchsten Punkt mitten zwi-
schen dem vorderen und hinteren oberen Darmbeinstachel hat, zeigt der
obere Rand des Hüftbeins, von oben betrachtet oder in horizontaler Pro-
jeetion, eine S-förmige Krümmung, welche von der Spina posterior sup. an
eine erste Convexität nach innen, eine zweite nach aussen wendet. Dem
höchsten Punkte dieser zweiten Convexität entspricht die erwähnte vordere
Breitenzunahme des Randes. Der vordere obere Darmbeinstachel biegt
aber wieder nach aussen und der hintere obere, minder auffallend und
beständig, nach innen um.
Mit den soeben geschilderten Krümmungen des oberen Randes stimmt
die Gestalt der äusseren Fläche des Darmbeins überein. Ihre hintere
Sps
2) Ineisura semilunaris. ?) Crista oss. ilum.,
Hüftbein. - 245
Hälfte ist im Querschnitt flach vertieft, jedoch gegen den hinteren Rand
wieder etwas gewölbt; die vordere Hälfte ist im Querschnitt gewölbt, nicht
selten sogar durch eine stumpfe Kante, die von der breitesten Stelle des
Randes eine Strecke
weit abwärts läuft,
getheilt, in der Nähe
des vorderen Darm-
beinstachels aber
leicht eingedrückt.
Alle diese Uneben-
heiten gleichen sich
abwärts aus gegen
den Rand der Pfanne,
zu welchem, wie er-
wähnt, die Fläche
des Darmbeins gleich-
mässig ansteigt. Ge-
rade über dem Rande
der Pfanne und dicht
an der Spina ant. inf.
Durchschnitt eines weiblichen Beckens parallel der Ebene des findet sich ein rauher
Beckeneingangs. Vs3 Durchschnittsfläche des Körpers des drit- Eindruck, an wel-
ten Kreuzwirbels. Ssi Synchondrosis sacro-iliaca. ‚Sp Synchondr. chem die eine der
pubis. 7p Tubere. pubis. So Suleus obturatorius. Fa Fossa h d 1
acetabuli. Tim Ineisura ischiadica maj. Ti Tuberositas iliaca. Sehnen des langen
Kopfes des Quadri-
ceps femoris entspringt. Noch sind zwei Linien zu erwähnen, welche,
oft nur schwach angedeutet, die äussere Fläche des Darmbeins uneben
machen. Die untere, Linea glutaea ant.‘), geht aufwärts convex von
der Spina ant. sup. zur Mitte des hinteren Randes des Darmbeins; sie
schliesst mit dem oberen Rande des letzteren ein sichelförmiges, mit der
Spitze nach vorn gerichtetes Feld ein, Ursprungsstätte des M. glutaeus
medius, welches rauher ist als das unterhalb der Linea glutaea inf. ge-
legene Feld, in welchem die Fasern des M. glutaeus minimus entspringen.
Die Linea glutaea post. schneidet, indem sie von der Spina post. inf.
schräg auf- und vorwärts zum oberen Rande geht, eine hintere Ecke der
Aussenfläche des Darmbeins ab, die der Ursprung des M. glutaens maximus
einnimmt (vgl. Fig. 235).
Ernährungslöcher sind auf der Aussenfläche des Darmbeins zerstreut.
Ein ziemlich beständiges, grösseres liegt am hinteren Theile der Linea
slutaea inf. _
Unterhalb des vorderen unteren Darmbeinstachels fällt mit dem vor-
deren Rande des Hüftbeins der Rand der Pfanne zusammen. Oft ist an
dieser Stelle, entsprechend der Rinne, über welche der M. iliopsoas aus
dem Becken herabgeht, der vordere Rand der Pfanne mehr oder minder
eingebogen. Regelmässig findet sich am unteren Rande der Pfanne ein
Einschnitt, Ineisura acetabuli; durch denselben setzt sich die äussere
!) Zinea arcuata externa. L. semicircularis,
246 Hüftbein.
Fläche des oberen Sitzbeinastes geradezu in ein rauhes, d.h. nicht von Knor-
pel bekleidetes und unter dem Niveau des überknorpelten Theiles der Pfanne
gelegenes Feld fort, welches dem mittleren Drittel der unteren Hälfte der
Fig. 238. Pfanne ungefähr gleichkommt.
Dieses Feld, F'ossa acelabul:,
ist aufwärts von einer, dem
Rande der Pfanne einigermaas-
sen eoncentrischen, jedoch nach
vorn flacher gebogenen Linie
begrenzt; dem überknorpelten
Theile der Pfanne !) bleibt dem-
nach die Form eines Hufeisens
mit gegen einander gebogenen
Schenkeln oder eines mit der
Convexität nach oben umgeleg-
ten C, von dessen Enden ?) das
hintere abgerundet, das vordere
zugespitzt und daher schmaler ist.
Das hintere abgerundete Ende
Unterer Theil des Hüftbeins eines um die trans- steht auf einem ansehnlichen,
versale Axe aufwärts und um Weniges mit dr an der Basis eingeschnürten
rechten Seite vorwärts gedrehten Beckens.
Vorsprunge des Sitzbeins; es
überragt daher von oben eine Rinne (*), die sich längs dem oberen Rande
des Sitzbeinhöckers verflacht nach hinten bis zur Ineisura ischiadica minor
fortsetzt. Von dem vorderen, spitzen Ende der überknorpelten Fläche
der Pfanne gehen zwei Kanten ab: die eine geht schräg rück- und ab-
wärts und verbindet sich bald mit dem scharfen Rande des Hüftbeinlochs;
von der Verbindungsstelle springt eine kurze, platte Zacke, T’uberc. ob-
furalorium superius, in das Hüftbeinloch vor; die andere Kante, Crista
obluratoria m.?), geht, mit jener einen rechten Winkel einschliessend,
vor- und abwärts fast über die ganze äussere Fläche des oberen Astes
des Schambeins; sie endet, in einer Entfernung von 18" von der Syn-
chondrose der Schambeine, vorwärts umbiegend, auf einem Vorsprung,
Tuberculum ossis pubis, auf welchen ich zurückkomme.
Die sogenannten Aeste des Scham- und Sitzbeins, welche das Hütft-
beinloch umgeben, wenden dieser Oeffnung scharfe Ränder zu, an welche
die Membrana obturatoria sich anheftet. Nur an der vorderen oberen Ecke
bleibt zwischen der Membran und dem Knochen eine Lücke, durch welche
N. und Vasa obturatoria aus dem Becken hervortreten. Die Membran,
vom Tub. obturat. sup. zu einer ähnlichen Zacke, T'ub. obt. inf.. an der
gegenüberliegenden Seite hingespannt, wendet dieser Lücke einen geraden und
scharfen Rand zu. Der Knochen überwölbt die Lücke mit einer breiten und
flachen, an der unteren Fläche des Schambeins von der Höhle des Beckens zu
dessen äusserer Wand vor- und abwärts verlaufenden Furche, Sulcus ob-
turalorius. Die seitlichen Begrenzungen dieser Furche entstehen so, dass
der Rand des Hüftbeinlochs einerseits, wo er vom oberen Ast des Sitzbeins
D) Supenficies lunata. 2) Cornua. 2) Spina 038. pubis.
Hüftbein. 27
auf den oberen Ast des Schambeins übergeht, gegen die Crista obturatoria
hinaufzieht, in deren Mitte etwa er sich verliert, andererseits, wo er sich
vom unteren Ast des Schambeins auf dessen oberen Ast wendet, hinter
der Crista obturatoria weg auf die der#Beckenhöhle zugekehrte Fläche des
Schambeins zurückweicht.
Wir haben die Aeste des Scham- und Sitzbeins mit Bezug auf die
Gesammtform des Leistenbeins platt genannt, doch nähern sie sich alle
durch Aufwulstung der dem Hüftbeinlochrande gegenüberliegenden Ränder
mehr oder weniger einer dreiseitig-prismatischen Gestalt. Am meisten ist
dies beim oberen Ast des Sitzbeins der Fall; hier ist die Stelle des freien
Randes durch einen keulenförmigen, rauhen Wulst, den erwähnten Sitzhöcker,
Truber ischiadicum, vertreten, der das breite und abgerundete Ende aut-
wärts gegen die Incisura ischiadica minor wendet und mit dem zugespitzten
Ende auf den unteren Ast des Sitzbeins reicht. Die Fläche des Sitzhöckers
schaut rück- und lateralwärts; an ihrer breitesten Stelle erreicht oder über-
trifft sie selbst die Breite der glatten, eigentlich äusseren Fläche des oberen
Sitzbeinastes, mit der sie in einer stumpfen Kante zusammenstösst. Wo
der Sitzhöcker endet, entwickelt sich der freie Rand des unteren Astes des
Sitz- und Schambeins zu einer schräg gegen die Axe der Beckenhöhle
aufsteigenden Fläche (Fig. 239), so dass hier die Aussenfläche des Kno-
chens plan, die innere Fläche
durch eine stumpfe, der Länge
nach verlaufende Kante in eine
auf- und eine abwärts schauende
Fläche getheilt erscheint. Die
Aussenfläche ist etwas schräg,
mit dem unteren Rande vorwärts
gestellt; am aufallendsten ist
dies an der Stelle der ehema-
ligen Synchondrose des unteren
Scham- und unteren Sitzbein-
astes, die zuweilen noch am Er-
wachsenen an einer vom freien
zum Hüftbeinlochrande verlau-
fenden Rauhigkeit, Zuberositas
pubo - ischiadica, kenntlich - ist.
Ueber dieser Rauhigkeit fin-
det sich eine flache Vertiefung
und über dieser, in der Fort-
setzung der inneren unteren
Fläche, die untere Spitze der
Hüftbein, innere Oberfläche, Seitenansicht. überknorpelten Fläche, die zur
Verbindung der beiden Scham-
beine unter sich dient. Die letztere, Synchondr. oss. pubis, ist lang-
gestreckt-elliptisch, mehr als doppelt so hoch als (im sagittalen Durch-
messer) breit (40 : 16mm), in sagittaler Richtung schwach eonvex. Ihre
obere Spitze fällt, wie oben erwähnt, mit der Ecke zusammen, an welcher
der untere convexe und der vordere econcave Rand des Hüftbeins sich ver-
Fig. 239.
Sp
N
248 Hüftbein.
einigen. sie liegt der Medianebene näher als die untere Spitze, so wie
Fig. 240. auch der hintere Rand der über-
knorpelten Fläche meJianwärts
weiter vortritt als der vordere.
Der obere Ast des Schambeins
erhält durch die Crista obtura-
toria eine dreiseitig-prismatische
Form, und hier ist es also wie-
der die äussere Fläche des Kno-
chens, die in zwei Flächen zer-
legt wird. Die unterhalb der
Crista obturatoria gelegene Flä-
che ist in Folge des Ueberhän-
gens dieser Crista und insbeson-
dere des Tubere. oss. pubis con-
cav; sie setzt sich einwärts in
den Suleus obturatorius fort; die
Fläche, welche auf- und median-
wärts von der Crista obturatoria
liegt, vereinigt sich mit der in-
neren Fläche des oberen Scham-
beinastes in einen scharfen Kamm,
Hüftbein, innere Oberfläche, Seitenansicht. welcher von der inneren Fläche
des Hüftbeins herkommt und so-
gleich im Zusammenhang beschrieben werden soll.
Auf der inneren Fläche wird das Hüftbein, im Allgemeinen glatt
und concav, in eine obere und untere Hälfte getheilt durch eine Kante,
welche sich schräg ab- und vorwärts von der Synchondrosis sacro - iliaca
bis zur Synchondrosis oss. pubis erstreckt, unter einem spitzen Winkel die
transversale Synchondrose des Darm- und Leistenbeins schneidend. Was
über dieser Kante liegt, gehört dem oberen, was unter ihr liegt, dem unte-
ren Becken an. Die Kante wird Crista ileo-pectinea genannt. Die
gleichnamigen Kanten beider Hüftbeine, durch die Wölbung, welche am
Kreuzbein die obere Fläche der Flügel von der vorderen trennt, und durch
das Promontorium mit einander in Verbindung gesetzt, stellen die obere
Apertur des kleinen Beckens dar (Fig. 237). £
Die Crista ileo-pectinea !) entsteht aus einer planen, spitzwinklich-
dreiseitigen, mit der schmalen Seite gegen die Synchondr. sacro-iliaca ge-
richteten Fläche; sie wird nach vorn. allmälig schärfer; recht scharf und
mitunter saumartig vorspringend erscheint sie erst nach ihrem Uebergange
auf das Schambein 2). In der Nähe des Tuberc. ossium pubis wendet sie
sich vorwärts und convergirt auf demselben mit der Crista obturatoria.
Von dem Schambeintheile der Crista ileo-pectinea entspringt der M. pecti-
neus. An das Tuberculum ossium pubis und eine von demselben aus me-
dianwärts zur Synchondrose der Schambeine sich erstreckende Rauhigkeit
befestigt sich der M. rectus abdominis. Bevor aber die Crista ileo-pectinea
') Linea üeo-pectinea, L. innominata, L. arcyata int. 2) Crista s. pecten oss. pubis.
Hütftbein. 249
das Tuberc. pubis erreicht, zweigt sich von derselben eine stumpfere Kante
ab, welche in einem flachen, gegen die Beckenhöhle eoncaven Bogen zur
oberen Spitze der Artieulationsfläche der Schambeine verläuft. Diese Firste
schliesst mit dem vorderen Theile der Crista ileo -pectinea und der vom
Tuberc. pubis zur Synchondrose ziehenden Rauhigkeit ein dreiseitiges Feld
(s) ein, welches als obere Fläche der vorderen Beckenwand betrachtet wer-
den muss; sie scheidet diese obere Fläche von der inneren oder hinteren.
Da die Crista ileo-pectinea sich mit der Synchondrose des Darm - und
Leistenbeins kreuzt, so muss eine Eintheilung des Hüftknochens nach dem
Verlaufe jener Crista, d. h. eine Eintheilung in die dem oberen und unteren
Becken zugehörige Fläche, Theile des Leistenbeins mit dem Darmbein, und
umgekehrt, in Verbindung bringen. Es zeigt sich dabei dieselbe Art von
Gleichgewicht der einander kreuzweise gegenüberliegenden Punkte, welche
bei der Beschreibung der Ränder des Hüftknochens hervorgehoben wurde.
Die Wand des oberen Beckens wird zum bei weitem grössten Theile vom
Darmbein, die Wand des unteren Beckens ebenso vom Leistenbein gebildet;
die Crista ileo-pectinea schneidet vom Darmbein einen schmalen unteren
Streifen ab für das untere Becken; vom Leistenbein schneidet sie einen
schmalen oberen Streifen ab für das obere Becken. Der über der Crista
ileo-pectinea gelegene Theil der inneren Fläche des Darmbeins setzt sich
also von der unteren vorderen Ecke aus auf jene Fläche des Leistenbeins fort,
die als äussere obere Fläche des oberen Astes des Schambeins bereits be-
schrieben wurde. dieselbe, welche nach unten vom Rande der Pfanne und
weiter medianwärts von der Crista obturatoria begrenzt wird. Der unter
der Crista ileo-pectinea gelegene Theil der inneren Fläche des Leistenbeins
läuft dagegen von der oberen hinteren Ecke in einen Streifen aus, welcher
längs dem hinteren Rande des Darmbeins als eine Art schmaler unterer Fläche
desselben verläuft. Die Stelle, wo die Darmbeinfläche auf das Leistenbein
übergeht, entspricht der Ineisura iliaca maj., die Stelle, wo die Leistenbein-
fläche auf das Darmbein übergeht, entspricht der Incisura ischiadica ma].
Die Stelle der ehemaligen Darmleistenbein- Synehondrose ist auf der dem
grossen Becken angehörigen Fläche in der Regel während des ganzen Le-
bens erkennbar an einer Rauhigkeit, Eiminentia 2) ileo-pectinea, welche
von der Crista ileo-peetinea vorwärts gegen den Rand der Pfanne geht
und die mediale Begrenzung der Rinne darstellt, in welcher der M. iliopsoas
aus dem Becken hervortritt. Auf der dem kleinen Becken angehörigen
Fläche des Hüftbeins erhält sich von jener Synchondrose kaum eine Spur.
An der Grenze des grossen und kleinen Beckens findet sich die zur
Articulation mit dem Kreuzbein bestimmte überknorpelte Fläche, F'acies
auricularis, von ohrförmiger Gestalt, mit vorderem eonvexen und hinte-
rem concaven Rande. Der Gipfel der Convexität liegt fast gerade über
der Stelle, wo der obere Rand des Sitzbeinausschnittes in den unteren um-
biegt. Von da an geht der eine Schenkel der Gelenkfläche ab- und rück-
wärts, um abgerundet auf der Innenfläche der Spina post. inf. zu enden,
der andere, kürzere, mit ebenfalls abgerundeter Spitze, in der Flucht der
Crista ileo-pectinea auf- und rückwärts. Der hinter der Facies auricularis
1) Spina.
Becken.
250 Becken.
und hinter einer von der oberen Spitze derselben aufwärts zum Darmbein-
rande gezogenen Linie befindliche Theil des Darmbeins, T’uberosilas
tliaca, ist sehr rauh und uneben von der Insertion der Bänder, welche
das Kreuz- und Hüftbein an einander heften. Die übrige obere Becken-
fläche ist eine flach ausgehöhlte Grube, Fossa iliaca, vom M. iliacus be-
deckt. Sie besitzt ein sehr beständiges For. nutritium vor der oberen
Spitze der Fac. auricularis. Auf der unteren Beckenfläche beginnt unter der
Crista ilio-pectinea der Swlcus obluratorius und als medialer Rand des-
selben eine Firste, welche sich abwärts auf die oben beschriebene Weise
in den Rand des For. obturatorium fortsetzt und in ihrem oberen Theile
meistens mit einer Reihe kurzer Zacken oder scharfer Leistehen, T'ubere.
obturat. inf., besetzt ist. ;
Dass das Darmbein an seiner dünnsten Stelle, in der Mitte, zuweilen durch-
brochen ist, wurde bereits erwähnt; eine ähnliche Durchbrechung, Folge des
Schwindens der Knochenmasse, kommt im Grunde der Pfanne vor. Theilweise
Verknöcherungen der mit dem Hüftbein in Verbindung stehenden Bänder, der
Membrana obturatoria, des Lig. tuberoso- und spinoso-sacrum erscheinen an dem
macerirten Knochen in Form abnormer Zacken und Balken. Hyrtl erwähnt ein
Hüftbein, an welchem die unteren Aeste des Scham- und Sitzbeins einander nicht
erreichen. : .
Zur Zeit der Geburt ist noch ein grosser Theil des Hüftbeins knorplich; die
drei Stücke, welche dasselbe zusammensetzen, sind in der Pfanne weit von einander
getrennt; die Verknöcherung erstreckt sich am Darmbein nicht bis zum oberen
Rande und beschränkt sich am Scham- und Sitzbein auf den Körper und die obe-
ren Aeste. Gegen das sechste Jahr ist die Verknöcherung der unteren Aeste dieser
Knochen vollendet; der Verknöcherung derselben folgt bald die vollständige Ver-
schmelzung. In der Pfanne vereinigt sich das Darmbein mit dem Sitzbein, dann
mit dem Schambein erst zur Zeit der Pubertät, durch Vermittelung eines oder
mehrerer platter Knochen, welche sich im dreizehnten bis vierzehnten Jahre in der
Y-förmigen Synchondrose der Pfanne entwickeln. Um dieselbe Zeit entsteht eine
Epiphyse längs dem ganzen oberen Rande des Darmbeins, eine zweite, unbestän-
dige, an der Stelle des vorderen unteren Darmbeinstachels, eine dritte am Sitz-
höcker, eine vierte, dünne und scheibenförmige und wahrscheinlich ebenfalls un-
beständige Epiphyse an der Fläche der Schambeine, wodurch dieselben mit ein-
ander articuliren. Diese Epiphysen verschmelzen mit dem Körper des Hüftbeins
im zweiundzwanzigsten bis fünfundzwanzigsten Jahre, am spätesten die Epiphyse
am oberen Rande des Darmbeins.
Die Hüftbeine in ihrer natürlichen Verbindung mit dem Kreuz- und
Steissbein bilden das Becken, Pelvis.
Das Becken, im weiteren Sinne dieses Wortes, wird eingetheilt in das
obere) und untere 2); die Grenze zwischen beiden ist aber nur auf
der inneren Fläche bestimmt und scharf. Sie ist, wie erwähnt, bezeichnet
durch die Crista ileo-peetinea der beiden Hüftbeine und eine von dem hin-
teren stumpfen Ende jeder derselben über die Seitentheile des Kreuzbeins
zur Synehondrose zwischen dem letzten Bauch- und dem ersten Kreuz-
wirbel hinziehende, abgerundete Kante. So beschreibt sie eine kreisförmig
oder elliptisch gebogene Linie, welche sich, je nachdem das Promontorium
mehr oder weniger vorspringt, der Kartenherz- oder Nierenform nähert.
Man nennt diese Linie sowohl als die von ihr umschlossene Ebene den
1) Grosse Becken, °?) Kleine Becken.
Becken. . 251
Beckeneingang, Apertura pelns sup."). Der unterhalb derselben ge-
legene Theil des Beckens lässt sich, wenn man das Hüftbeinloch ver-
schlossen denkt, im Ganzen einem platten Ringe oder einem eylindrischen
Rohre vergleichen, dessen Höhe wegen tiefer Einbuchtungen des unteren
Fig. 241. Randes sehr ungleichmässig ist. Sol-
cher Einbuchtungen finden sich drei,
eine mediane- vordere, und zwei ein-
ander gegenüber an der Seitenwand
des Beckens. Die mediane Bucht ist
von den auf- und vorwärts conver-
girenden unteren Rändern der beiden
Leistenbeine eingefasst; es ist ein
bogenförmiger Ausschnitt, Scham-
bogen, Arcus pubis, dessen Gipfel
von dem unteren (hinteren) Rande
der Synchondrose der Schambeine ge-
bildet wird. Die Einbuchtung der Seitenwand, Incisura sacro -ischia-
dica, ist länglich, mit dem längsten Durchmesser auf- und vorwärts ge-
neigt, oben abgerundet, vorn und oben vom hinteren Hüftbeinrande, hinten
vom lateralen Rande des Kreuz- und Steissbeins begrenzt.
Eine genauere Beschreibung der unteren Oeffnung und der Wände
des kleinen Beckens unterlasse ich für jetzt, weil an der Bildung derselben
die Bänder einen wesentlichen Antheil haben. Namentlich erhält der
Beckenausgang, Apertura pelvis inf.?), seine Begrenzung zum Theil
durch ein Band, welches am Eingange der Bucht der Seitenwand vom
Kreuzbein.zum Sitzbeinhöcker gespannt ist.
Zu dem unteren Becken verhält sich das obere wie der breite, flache
Rand eines Tellers zu dem vertieften Theile. Doch erstreckt sich der Rand
in dieser Form nicht über die Gegend
der Pfanne hinaus nach vorn. Hinten
ist er in der Mitte unterbrochen durch
die von der oberen Fläche des Kreuz-
beins sich erhebende Wirbelsäule; vorn
wird er an der Incisura iliaca major
plötzlich schmal und setzt sich dann,
indem er sich allmälig noch weiter ver-
jüngt, bis zum Schambeinhöcker fort.
Zwischen den beiden Schambeinhöckern
Männliches Becken mit dem letzten Bauch- jst der obere Rand des unteren Beckens
wirbel, von vorn. 2 e m
wieder etwas breiter, nach aussen über-
hängend, aber minder scharf von der inneren Fläche der vorderen Wand
geschieden.
Der Beckeneingang liegt, gleich der oberen Apertur des Brustkorbes,
in einer mit dem vorderen Rande abwärts geneigten Ebene. Der Grad
der Neigung dieser Ebene wird bestimmt durch den Winkel, welchen eine
Weibliches Becken von hinten.
\) Obere Beckenöffnung, Apert. pelv. abdominalis, Introitus pelvis. Die Linie wird auch
Linea innominata s. terminalis genannt. ?) A. p. perinealis. Exitus pelvis.
252 Becken.
in.der Medianebene von einem Punkte der hinteren zu einem Punkte der
vorderen Beckenwand gezogene Linie, Conjugata !), mit dem Horizont
oder mit der sagittalen Axe des Beckens (w) bildet. Für die Conjugata
des Beckeneingangs x (vom Promontorium zum oberen Rande der Syn-
chondrose der Schambeine) beträgt dieser Winkel 55 — 65, im Mittel 60°;
für die Conjugata des Beckenausgangs y (von der Spitze des Steiss-
beins zum unteren
Rande der Synchon-
drose) beträgt derselbe
in gewöhnlichen Fäl-
len 7 — 27°. (Unter
500 Messungen fiel
diese Conjugata 20
Mal mit der sagittalen
Axe zusammen und.
26 Mal stand die
Steissbeinspitze tiefer
[bis um 20mm] als der
untere Rand der Syn-
chondrose, Nägele.)
Geringere Schwan-
kungen zeigt die von
H. Meyer?) soge-
nannte Normalconju-
zZ £ y Ben a gata, eine Linie, deren
= hinterer Endpunkt in
Mediandurchschnitt eines weiblichen Beckens. eine quer über die Mit-
te des dritten Kreuz-
wirbels verlaufende leichte Einkniekung, deren vorderer Endpunkt mitten
zwischen beide Schambeinhöcker fällt (2). Der vordere Endpunkt dieser Linie
liest tiefer als der hintere, und der Winkel, welchen sie mit der Sagittalen
bildet, beträgt 30%. Das Promontorium steht um 73mm (3 10) höher als
der obere Rand der Schambeinfuge, die Steissbeinspitze in der Regel um
15 — 16mm höher als der Scheitel des Schambogens. Eine vom oberen
Rande der Schamfuge gerade nach hinten gezogene Linie trifft auf die
Synchondrose zwischen dem zweiten und dritten Steisswirbel; ein Loth,
auf dem Mittelpunkte des Beckeneingangs errichtet, würde die vordere
Bauchwand etwa in der Gegend des Nabels durehbohren.
Das Becken ist derjenige Theil des Skeletts, in welchem sich der Geschlechts-
unterschied am bestimmtesten und zwar ebensowohl in der Form wie in den Dimen-
sionen ausspricht. Die Flächen der Darmbeine nähern sich beim Weibe in der
Regel mehr der horizontalen Lage, als beim Manne; das Promontorium springt
beim männlichen Becken meistens weiter vor, und so ist für das männliche Becken
die Herzform, für das weibliche die quer-elliptische Form der oberen Apertur die
normale. Das untere Becken des Weibes ist absolut niedriger als das männliche,
aber geräumiger. Bei beiden Geschlechtern nimmt die Weite der Höhle des unte-
ren Beckens gegen den Ausgang ab, bei dem Manne aber in stärkerem Maasse
!) Gerader Beckendurchmesser, ?) Müll. Arch, 1853. $. 541.
Schenkelbein. 253
als beim Weibe, so dass also die untere Apertur des weiblichen Beckens absolut
und relativ weiter ist. Hiermit steht in Verbindung, dass die unteren Ränder des
Leistenheins am männlichen Becken unter einem spitzeren Winkel zusammenstossen
als am weiblichen. Der Schambogen des Weibes ist eine Curve, der Schambogen
des Mannes gleicht mehr einer gebrochenen Linie.
Ich entlehne dem Handbuch von Krause: folgende Durchschnittszahlen, welche
aus Messungen regelmässiger männlicher und weiblicher Becken gewonnen sind:
————————— nn nn nn.
Weiblich. Männlich.
FELDES EEE RBB ee a Fe ee
Grösster Querdurchmesser des oberen
Beckens nn: N nal RL 256mm 9 64% 256mm
Entfernung der beiden vorderen obe-
ren Darmbeinstacheln von einander 92 243 94 243
Conjugata des Beckeneingangs - - - ZRUENEN 115 4 108
Querdurchmesser . . . 2.2... - 5 135 gu gu 128
Diagonaldurchmesser !) (von der Syn-
ehondros. sacro-iliaca zur Eminentia
Heo-peeimea) “7.2... 2... : AU RER 126 ANE 122
Conjugata des Beckenausgangs - - . BuzauN 90 23 74
(Veränderlich u. am frischen Becken
durch Zurückbiegen der Steiss-
beinspitze einer Vergrösserung um
etwa 1 fähig).
Querdurchmesser des Beckenausgangs
(zwischen den Sitzhöckern) . . . 4. 108 3 81
Höhe der hinteren Wand (Sehne der
Krümmung zwischen Promontorium
und Steissbeinspitze) . - - . . . Au Tr 128 Dananı 142
Höhe der Synchondr. der Schambeine ET, 45 1722 54
b. Knochen des Oberschenkels.
Schenkelbein, Femur 2).
Der Körper des Schenkelbeins ist leicht vorwärts gebogen und, wenn
das untere Ende auf einer horizontalen Unterlage ruht, mit diesem Ende
etwas schräg medianwärts gestellt. Von allen Röhrenknochen nähert
sich der Körper des Schenkelbeins am meisten der Cylindergestalt; doch
zeigt sich auch hier eine Tendenz zur dreiseitig - prismatischen Förm.
Ueber die hintere Fläche läuft nämlich der Länge nach ein rauher (8""
breiter) Kamm, Crista ?) femoris, öfters der Länge nach gefurcht und
dadurch in zwei Lippen, Lubium laterale und L. mediule, getheilt.
Durch diesen Kamm zerfällt die hintere Fläche in eine mediale und eine
l) Schräger oder Deventer'scher Durchmesser. 2) Os femoris. 2) Linea aspera.
pP
b. Ober-
schenkel.
Femur.
254 Schenkelbein.
2 SEES
laterale. Eine andere stumpfe Kante, Angulus medialis, geht, am obe-
ren Ende des Körpers beginnend, gegen den medialen Rand des unte- »
Fig. 244.
Schenkelbein von vorn. Schenkelbein von hinten.
ren“Endes herab, als Grenze zwischen der medialen und der vorderen
Fläche ; indem ferner die vordere Fläche von der Mitte der Höhe des Kör-
pers allmälig breiter und zugleich platter wird, scheidet sie sich, wenn-
gleich ohne scharfe Grenze, auch von dem lateralen Theile der hinteren
Fläche. * Das Haupternährungsloch sitzt unter der Mitte der Höhe des
Schenkelbeins auf oder neben der Crista und führt in einen aufwärts verlau-
fenden Canal (Fig. 245) Von dem oberen Ende des Körpers geht unter einem
Schenkelbein. 255
stumpfen Winkel median- und auf- und etwas vorwärts der Hals (Cl) ab,
„auf welchem der überknorpelte Gelenkkopf (Cp) sitzt. Von seinem Ur-
Fig. 246. Fig. 247
Querschnitte des Schenkelbeins nach den Linien x, y, z,
Fig. 244.
sprunge am Körper an verjüngt sich der
Hals, um unmittelbar am Rande des Kopfes
wieder an Umfang zuzunehmen. Er ist am
Ursprunge von vorn nach hinten compri-
mirt (der verticale Durchmesser beträgt
etwa das Doppelte des sagittalen) und ver-
diekt sich unter dem Kopfe hauptsächlich
gegen den hinteren Rand des letzteren.
Der Kopf ist ein etwas mehr als die Hälfte
betragender Abschnitt einer Kugel, deren
Durchmesser dem Durchmesser der Pfanne
genau entspricht. Der Rand, mit welchem
dieser Kugelabschnitt den Hals überragt,
liegt m einer Ebene, welche unter einem
Winkel von ungefähr 400 gegen den Hori-
zont geneigt ist; doch ist der Rand nicht
ganz eben, sondern am oberen hinteren
und zuweilen auch am vorderen Theile in
einem flachen Bogen ausgeschnitten. In
der Gegend der Mitte der Gelenkfläche,
näher dem unteren Rande als dem oberen,
findet sich eine rundliche, rauhe, die Spitze
des kleinen Fingers aufnehmende Vertie-
Schenkelbein von der lateralen Seite. fung, F'ossa capilis (Fig. 245, 248), Ur-
sprungsstätte des Lig. teres.
Wo das obere Ende des Körpers in den Hals umbeugt, zieht über die
hintere Fläche des ersteren, parallel dem Rande des Gelenkkopfs, recht-
winklich zur Längsaxe des Halses und also schräg abwärts vom lateralen
zum medialen Rande ein Wulst, aus welchem der Hals, wie aus einem
Kragen, hervortaucht. Unten endet der Wulst mit einem stumpf kegel-
förmigen, von vorn nach hinten abgeplatteten, medialwärts vorspringenden
Fortsatz; oben geht er auf den Rand eines Fortsatzes über, welcher, im
horizontalen Durchmesser abgeplattet, aus der ganzen lateralen Fläche des
Schenkelbeins entspringt und mit einer stumpfen, hakenförmig medianwärts
256 Schenkelbein.
eingebogenen Spitze im Niveau des unteren Randes des Gelenkkopfs oder
etwas über demselben endet. Dieser Fortsatz ist der grosse Rollhügel,
Fig. 248. Trochanter major. Der Wulst zwischen bei-
den Trochanteren wird Ürista intertrochan-
terica !) genannt; die Concavität zwischen dem
Schenkelhals und der Basis des grossen Trochan-
ter, welche unmittelbar am hinteren Rande des
letzteren am tiefsten ist, ist die flossa frochan-
terica. Alle diese Vorsprünge und Gruben sind
von Muskelansätzen und Ursprüngen eingenom-
men und der grosse Trochanter ist dadurch an
seinem oberen Rande und auf seiner lateralen
Fläche facettirt, bald durch Furchen, bald durch
Leisten getheilt, immer aber gegen den Körper
durch eine transversale Leiste abgesetzt. Von
der Wurzel des grossen Trochanter geht, an der
Vorderfläche des Schenkelbeins, in gleicher Rich-
tung mit der Crista intertrochanterica, aber etwas
Oberes Ende des Schenkelbeins tiefer, eine Rauhigkeit, Linea obligua femo-
von hinten, mit dem lateralen 779 2), herab und unter dem Ursprunge des klei-
Rande etwas vorwärts um .. . ER:
Bene Tänzeuen Bedtene | DEN Trochanter vorbei in die Crista femoris über.
Der obere Theil derselben bis zur Wurzel des
kleinen Trochanter ist ein breiter Wulst, der untere Theil eine feine, mit-
unter nur wenig vorspringende rauhe Linie. An den breiten Theil dieser
Rauhigkeit setzt sich von oben her das Kapselband des Hüftgelenks an;
von dem breiten und schmalen Theile gehen abwärts die Fasern des
M. vastus int. ab. Von der Stelle an, wo diese Linea obliqua mit der
Crista femoris zusammenstösst, theilt sich die letztere aufwärts in zwei
unter spitzem Winkel divergirende, rauhe Linien, welche leicht gebogen,
die eine zum kleinen, die andere zum grossen Trochanter ziehen, jene auf
der Spitze, diese auf der hinteren Fläche des betreffenden Fortsatzes sich
verlierend. Beide schliessen in Verbindung mit der Linea intertrochan-
terica ein spitzwinklich dreiseitiges, den spitzesten Winkel abwärts rich-
tendes Feld ein, dessen Ränder medialerseits durch Anheftung der Ab-
ductoren des Oberschenkels, lateralerseits durch den Ursprung von Streck-
muskeln eingenommen werden.
Auf dieselbe Weise gehen schon von der Grenze des mittleren und
unteren Drittels des Körpers an, die beiden Lippen der Crista fem. gegen
das untere Gelenkende des Schenkelbeins aus einander, eine plane und
gegen den unteren Rand sogar schwach vertiefte Fläche, Planum popli-
teum ?), zwischen sich fassend.. Durch den Hinzutritt dieser neuen Fläche
und durch Verbreiterung der vorderen Fläche, die sich ebenfalls gegen das
untere Ende abplattet und von einer Seite zur anderen aushöhlt, gewinnt “
das untere Ende des Körpers eine vierseitig-prismatische Form (Fig. 247 2),
im sagittalen Durchmesser comprimirt, die vordere und hintere Fläche ein-
ander beinahe parallel — die vordere tritt mit dem lateralen Rande etwas
2) Linea intertroch. post. ?) Linea intertrochanterica ant. 3) .Fossa poplitea, Poples.
pop ‚fop
Schenkelbein. 257
weiter vor —, die seitlichen Flächen rückwärts divergirend und insbeson-
dere die mediale Fläche schräg vorwärts gewandt. In dieser Weise ge-
winnt das untere Ende des Schenkelbeins rasch eine bedeutende Ausdeh-
nung in die Breite, welche hinter der Breite des oberen Endes, vom Rande
des grossen Trochanter bis zur höchsten Wölbung des Gelenkkopfes ge-
messen, nicht viel zurücksteht und noch dadurch vermehrt wird, dass an
jeder Seitenfläche, dieht über dem Rande, welchen sie mit der unteren
Endfläche gemein hat, ein platter, stumpfer Höcker sich erhebt, Epicon-
dylus lateralis und E. medialis '), zur Befestigung von Bändern und
Muskeln. In sagittaler Richtung verdickt sich das untere Ende durch zwei,
von der hinteren Fläche ausgehende Vorsprünge, Condylus medialis und
©. lateralis. Es sind (28”m) dicke, halbkreisförmige Scheiben, mit dem
geraden Rande in verticaler Richtung an die hintere Fläche des Schenkel-
beins angewachsen, den gewölbten Rand nach hinten gekehrt, die halb-
kreisförmigen Flächen in nahezu sagittalen Ebenen. Mit den von einander
abgewandten Seitenflächen setzen sich die Condylen ununterbrochen in die
Seitenflächen des Körpers fort; die Flächen, welche die Condylen einander
zuwenden, sind ausgehöhlt und begrenzen von den Seiten einen tiefen Aus-
schnitt, H'ossa infercondyloidea ?), dessen vordere Wand von dem Theile
Fig. 249. der hinteren Fläche des Schenkelbeins gebildet
wird, welche zwischen den Ansätzen der Con-
dylen frei bleibt und deren Breite der Dicke der
Condylen (im transversalen Durchmesser) ziem-
lich gleichkommt. Diese Fläche ist nach oben
durch eine deutliche transversale Kante, Linea
intercondyloidea m., gegen das Planum popli-
teum abgesetzt und läuft von dieser Kante aus
schräg vor- und abwärts. Die hinteren gewölb-
ten Ränder der Condylen, welche übrigens breit
genug sind, um den Namen Flächen zu verdienen, sind überknorpelt und
auch im transversalen Durchmesser convex, so dass sie gegen die Fossa
intercondyloidea weiter herumgreifen als an den Seitenflächen des unteren
Endes des Schenkelbeins. Nach oben endet ihr Knorpelüberzug abgerundet
oder quer oder schräg abgestutzt in der Höhe der Linea intercondyloidea.
Unten treten die überknorpelten Flächen der beiden Condylen, indem sich
die mediale vor der Fossa intercondyloidea schräg herüberzieht, in eine
einzige Gelenkfläche zusammen, welche die untere Endfläche des Körpers
einnimmt und sich eine kurze Strecke (25"") an der vorderen Fläche des
letzteren herauferstreckt. Der an der vorderen Fläche gelegene Theil dieser
Gelenkfläche, zur Aufnahme der Patella bestimmt ?), endet aufwärts mit einem
besonders an der lateralen Hälfte überstehenden, leicht eingebogenen und
medianwärts ein wenig abhängigen Rande. Er ist durch eine verticale Ver-
tiefung in zwei Felder, von welchen das mediale schmaler zu sein pflegt, ge-
theilt, übrigens gewölbt und gegen den unteren Theil der Gelenkfläche, wel-
cher mit der Tibia in Verbindung steht, durch eine kaum bemerkbare Kante
Schenkelbein von unten.
\) Tuberositas ext. et int. ?) Fossa intercondylica post. F. poplitea. *) Fossa
patellae. F. intercondylica ant. Sinus condylorum ant.
Henle, Anatomie. Thl. I. " 17
ce. Unter-
schenkel.
258 Unterschenkelknochen.
abgesetzt. Der Theil der Gelenkfläche, welcher zwischen dieser Kante und
den eigentlichen Condylen liegt, ist ebenfalls gewölbt, aber in schwächerem
Maasse wie die überknorpelte Fläche der Condylen, so dass der untere
Rand des Schenkelbeins, im Profil betrachtet, einen Bogen darstellt, dessen
vorderer Theil einem grösseren Radius angehört als der hintere.
Einen dem Proc. supracondyloideus des Oberarms vergleichbaren Vorsprung
beschreibt Wilbrand (a. a. OÖ. S. 7) unter gleichem Namen vom Körper des
Oberschenkels, wo er, 11%“ lang und 4“ dick, von der Ursprungsstelle des kurzen
Kopfes des Biceps oberhalb des lateralen Condylus vorkam. Barkow (a.a.0.5.9)
sah denselben Fortsatz, etwas höher oder tiefer, an drei Schenkelbeinen der Bres-
lauer Sammlung, Gruber (Abhandl. S. 132) sah ihn unter 220 Leichen drei Mal.
In weiblichen Schenkelbeinen ist der Winkel, den die Längsaxe des Ilalses mit
der Längsaxe des Körpers bildet, kleiner, einem Rechten nahe. Wegın der grösse-
ren Breite des Beckens und der geringeren llöhe der unteren Extremität ist beim
Weibe in aufrechter Stellung mit aneinanderschliessenden Fersen die Convergenz
der unteren Enden der Schenkelbeine auffallender.
Beim Neugebornen ist das obere und untere Ende des Schenkelbeius knorplich,
doch schliesst das untere Ende einen Knochenkern ein; im oberen Ende entsteht
der erste Knochenkern, und zwar im Kopfe, am Ende des ersten Lebensjahres; im
vierten Jahre kommt ein Kern im grossen Trochanter, im dreizehnten bis vier-
zehnten Jahre ein Kern im kleinen Trochanter hinzu. Dieser aber verschmilzt zu-
erst mit dem Körper, ihm folgt der grosse Trochanter, dann der Kopf und zuletzt,
im zwanzigsten Jahre, vereinigt sich die untere Epiphyse mit dem Körper. Beim
Greise ist besonders das Schwinden der spongiösen Substanz des Schenkelhalses
verhängnissvoll, Ursache der in höhe'em Alter so häufigen Brüche dieses Knochen-
theiles.
c- Unterschenkelknochen.
Das Skelett des Unterschenkels besteht aus drei Knochen. Zwei der-
selben, Tibia und Fibula, sind eylindrisch und stellen in Verbindung mit
einander und mit dem Lig. inlerosseum einen ähnlichen, der Länge nach
rinnenförmig vertieften Rahmen zur Aufnahme der Muskeln dar, wie die
beiden Knochen des Unterarms; der dritte Knochen, Patella, ist platt,
einem Sesambein ähnlich in die Sehne der Streckmuskeln eingeschlossen
und durch ein festes Band an die Tibia geheftet.
Von den beiden cylindrischen Knochen des Unterschenkels ist die
Tibia allein zur Articulation mit dem Schenkelbeine bestimmt; zugleich
liefert sie auch den grösseren Beitrag zur Gelenkfläche des Knöchels. Aus
diesem Grunde ist das Uebergewicht der Stärke des medialen Knochens
über den lateralen am Unterschenkel viel bedeutender als am Unterarme.
Die Fibula ist ein verhältnissmässig dünner Pfeiler, als Stütze unter den
am meisten über den Körper vorspringenden Theil des oberen Endes der
Tibia gestellt.
Der Körper der Tibia ist nur sehr schwach vor- und medianwärts
gebogen, der Körper der Fibula fast vollkommen gerade. Da nun ausser-
dem die Fibula an ihren Enden nur wenig dicker ist als am Körper und mit
dem oberen Ende unterhalb des Randes der Tibia befestigt, mit dem unte-
ren Ende in einen Ausschnitt der Tibia eingelassen ist: so ist der Zwischen-
raum zwischen beiden Knochen verhältnissmässig geringer als am Arme
und besonders im unteren Drittel auf eine schmale (8”” breite) Spalte redueirt.
Unterschenkelknochen. 259
Dieser Spalte und dem Lig. interosseum wendet sowohl die Tibia als
die Fibula eine Kante, Crösta inlerossea, zu, in welcher an jedem dieser
Tibia und Fibula verbunden,
beiden Knochen die Flächen sich verbinden,
welche den Muskeln der Streck- und Beuge-
seite zur Anheftung dienen. Aber die Crista
interossea ist an den Knochen des Unterschen-
kels nicht die schärfste Kante; schärfer ist,
besonders an der Tibia, die Kante («), in wel-
cher die vordere und mediale Fläche zusam-
menstossen !), so wie auch diese beiden Flä-
chen unter einem spitzeren Winkel gegen ein-
ander gestellt sind als die entsprechenden Flä-
chen der Ulna.
Am oberen und unteren Ende nimmt die
Tibia vorzugsweise im transversalen Durch-
messer zu und die Endflächen, vermittelst wel-
cher sie dort mit dem Schenkelbein, hier mit
dem Sprungbein artieulirt, haben dort eine
elliptische, hier eine länglich vierseitige Form.
Die grosse Axe jener Ellipse und die längste
Seite dieses Vierecks liegen aber nicht paral-
lel; sie schneiden einander in einem Winkel
von etwa 20° und die Tibia erscheint demnach
in geringem Maasse und zwar mit dem late-
ralen Rande des unteren Endes nach hinten
um ihre Längsaxe gedreht. Stellt man die
Tibia mit der grossen Axe der oberen Gelenk-
fläche genau transversal, so weicht die längere
Seite der unteren Gelenkfläche mit dem late-
ralen Ende rückwärts von der Transversalen
ab. Bei dieser Stellung wendet sich der Fuss,
dessen Längsaxe rechtwinklich auf die längere
von vorn, Tp Tuberos. patell. Seite der unteren Gelenkfläche steht, mit der
Fig. 251.
Horizontaldurchschnitt
der Unterschenkel-
knochen nach den Linien
x und y, Fig. 250.
') Crista tbiae aut.
Spitze lateralwärts, so weit, das die medialen
Ränder beider mit den Fersen aneinandergeschlosse-
nen Füsse einen Winkel von etwa 40 — 50° einschliessen.
Offenbar ist diese Stellung des Fusses und so auch die
entsprechende der Tibia die eigentlich natürliche. Da-
bei aber hat die Fläche des Körpers der Tibia, an
welcher die Muskeln der Streckseite entspringen,
Streckfläche, Jacies extensoria, eine bis gegen das
untere Drittel fast genau sagittale Lage und die der
Crista interossea gegenüberliegende freie Fläche könnte,
ihrer Richtung nach, mit eben so viel Recht vordere
wie mediale Fläche genannt werden.
Die Haupternährungslöcher, in schräg absteigende
[>]
1 line
1. Patella.
2. Tibia.
260 Patella. Tibia.
Canäle führend, liegen hinter der Crista interossea, auf der Tibia an der
unteren Grenze des oberen Drittels, auf der Fibula etwas tiefer.
1. Patella, Kniescheibe }).
Die Patella ist platt, elliptisch mit horizontal gestelltem grösseren
Durchmesser. Ihre Vorderfläche ist econvex, durch verticale Rinnen und
Spalten (Gefässöffnungen) rauh, ringsum abfallend oder abgerundet gegen
Fig. 252. Fig. 253. Fig. 254. den Rand, in welchem sie sich mit der
hinteren Fläche verbindet und hier und
da in der Nähe dieses Randes, dem
Rande parallel, gefurcht. Die Mitte
des oberen Randes springt zuweilen in
Form einer stumpfen Spitze vor; der
untere Rand wird fast in der ganzen
Patella. Fig. 252 von vorn, Fig. 253 von Breite verdeckt durch einen unmittelbar
a Mer se Durch“ über diesem Rande von der Vorder-
; fläche des Körpers entspringenden und
gerade oder leicht rückwärts gebogen herabragenden platten, stumpf-spitzen
Fortsatz, Apex patellae, dessen vordere Fläche eine unmittelbare Fort-
setzung der Vorderfläche des Körpers der Kniescheibe ist. Derselbe wird
von dem Lig. patellae umfasst.
Die hintere Fläche der Patella ist Gelenkfläche, überknorpelt, sattel-
förmig, von oben nach unten eoncav und von einer’Seite zur anderen eon-
vex, doch auch gegen die Seitenränder wieder flach ausgehöhlt. Die
stärkste Wölbung, eine stumpfe, verticale Leiste, liegt medianwärts neben
der Mitte des Knochens; sie passt in die Aushöhlung der Gelenkfläche des
Schenkelbeins, auf welcher die Patella gleitet.
A
Die Patella des Neugebornen ist knorplich ; die Verknöcherung beginnt erst im
vierten bis sechsten, nach Sömmerring zuweilen erst im zehnten Jahre und ist
im fünfzehnten bis zwanzigsten vollendet.
2. Tibia, Schienbein 2).
An dem Körper der Tibia ist die mediale Fläche, welche, wie er-
wähnt, eine mittlere Richtung zwischen der frontalen und sagittalen hat
und in ihrer ganzen Ausdehnung durch die Haut durchgefühlt werden
kann, vollkommen glatt, leielit vom vorderen zum hinteren Rande gewölbt.
Die im grössten Theile ihrer Länge lateralwärts gewandte Streckfläche
ist glatt und mehr oder minder rinnenförmig ausgehöhlt. Die hintere
oder Beugefläche ist gewölbt oder durch eine stumpfe Kante der Länge
nach getheilt und oben von einer schrägen rauhen Linie, Linea poplitea >),
durchzogen, welche unterhalb des oberen Drittels des medialen Randes der
hinteren Fläche beginnt und an der lateralen Ecke des oberen Endes der
Tibia sich verliert. Sie läuft dem unteren Rande des M. popliteus paral-
lel und rührt von der Anheftung eines Theiles des M. soleus her. Die
1) Rotula. ”) Focile majus. Canna major. 3) Linea obliqua.
Tibia. 261
Crista inlerossea ist im oberer Theile nicht viel mehr als eine rauhe
Linie, die über die Wölbung, mit welcher die vordere und hintere Fläche
in einander überge-
hen, herabzieht, erst
an der Grenze des
oberen und mittleren
Drittels des Knochens
bildet sie sich zu einer
deutlichen Kante aus.
Die scharfe vordere
Kante ist leicht S-för-
mig gebogen; im obe-
ren Drittel des Kör-
pers lateralwärts con-
cav, im mittlern Drit-
tel medianwärts con-
cav, verflacht sie sich
im Anfang des untern
Drittels (Fig. 250).
Aus dem Kör-
per der Tibia ent-
wickelt sich das obe-
re Ende ungefähr
wie der Knauf einer
Säule aus dem Schaft,
nur dass die Ausla-
dung nicht gleichför-
mig im ganzen Um-
fange, sondern haupt-
sächlich nach den Sei-
ten stattfindet. Die
hintereFläche nimmt
von der Gegend des
‚unteren Endes der
Linea poplitea an all-
mälig und nach beiden Seiten gleichmässig an Breite zu, an den Seitenrän-
dern sanft ausgeschweift und gegen den oberen Rand leicht nach hinten über-
gebogen. Vorn entsteht aus der vorderen Kante oder vielmehr indem sich
diese Kante im Bogen lateralwärts wendet, medianwärts neben derselben
(vgl. Fig. 250) ein dreiseitiges Feld, die Basis gegen den oberen Rand des Kno-
chens gewendet, die Spitze in Form eines langgezogenen, mit einer trans-
versalen oder schrägen rauhen Leiste versehenen Wulstes, Tuberosilas
patellaris '), über die Oberfläche vorragend, indess der über diesem Wulst
gelegene Theil der Fläche, parallel der hinteren Fläche, im Aufsteigen
rückwärts weicht. Die Leiste der Tuberositas patellaris ist die Anheftungs-
stelle des Ligam. patellae. Die Einschiebung dieser dreiseitigen Fläche
Tibia von hinten, von der lateralen Seite.
») Tuberositas s. spina tibiae.
262 Tibia.
treibt die Streckfläche und die mediale Fläche des Körpers auseinander
und ertheilt ihnen zugleich eine Neigung abwärts. Der oberste Theil der
Tibia endlich, welcher die Endfläche trägt, ist ein fast verticaler (16” ho-
her) rauher Rand, Margo infraglenoidalis m., in den die dreiseitige
Vorderfläche des oberen Endes der Tibia geradezu, die Seitenflächen mit-
telst stumpfer Kanten übergehen und der nur in der Mitte der hinteren
Fläche auf eine kurze Strecke (22"m) unterbrochen und durch eine ein-
fache Kante ersetzt ist, welche die hintere Fläche von einer vertieften Stelle
der oberen Fläche scheidet. Der Margo infraglenoidalis endet an jeder
Seite dieser Kante mit einer abgerundeten Ecke; unter jeder Ecke findet
sich eine Hervorragung; die mediale ist eine einfache Spitze oder Rauhig-
keit, Insertionsstelle des M. semitendinosus; die laterale trägt eine rund-
Fig. 257. liche oder dreiseitige, ganz seicht ausgehöhlte, ab-
Fia und rückwärts schauende Gelenkfläche, Super-
ficies articularis fibularis \), mit welcher das
obere Ende der Fibula artieulirt. Die obere End-
fläche hat zwei flach vertiefte, zur Aufnahme der
beiden Condylen des Oberschenkels bestimmte Ge-
lenkflächen zu den Seiten einer mittleren, von vorn
nach hinten ziehenden Rauhigkeit. Diese Rauhig-
keit ist sanduhrförmig, vom vorderen und hinteren
Obere Endfläche der Tibia, Rande der Fläche gegen die Mitte verschmälert.
Der schmale mittlere Theil, Eminentia inter-
condyloidea 2), ragt über das Niveau der beiden Gelenkflächen vor; von
ihm aus fallen die rauhen Flächen nach vorn und hinten ab bis unter das
Niveau der Gelenkflächen, Gruben darstellend, aus welchen die Ligg. eru-
ciata des Kniegelenks entspringen; die vordere Grube, F'ossa inter-
condyloidea ant., ist breiter, die hintere, F'. ö. post., tiefer. Die Ge-
lenkflächen, von welchen die mediale meist merklich grösser ist als die
laterale, sind halbkreisförmig oder elliptisch mit sagittal gestellter grosser
Axe und mit einer Ausbuchtung, welche sich an der Eminentia intermedia
oder an einem scharfen Kamm heraufzieht, der andererseits nach der Emi-
nentia intermedia abfällt.
4 Fip
Gegen den unteren Rand wird die Tibia vierseitig prismatisch ver-
möge einer Fläche, welche sich aus der Crista interossea entwickelt, ab-
wärts im sagittalen Durchmesser an Breite zunimmt, sich zugleich in der-
selben Richtung aushöhlt, eine Aushöhlung, welche durch stumpfe Vorsprünge
der Bänder noch vermehrt wird, und mit concavem unteren Rande endet.
In dieser Fläche, der Incisura fibularis (Fig. 256), ruht das untere Ende
der Fibula. Vor derselben wird die von der Crista interossea und der vor-
deren Kante eingeschlossene, bis dahin lateralwärts gerichtete Streekfläche zu
einer vorderen und nimmt an Breite zu, indem die vordere Kante sich, ab-
gestumpft, etwa an der Grenze des mittleren und unteren Drittels des Körpers
schräg medianwärts wendet, um an der vorderen medialen Ecke der unteren
Gelenkfläche zu enden (Fig. 250). In demselben Maasse, wie die Streck-
fläche nach vorn umlenkt, gelangt die mediale Fläche, welehe am Körper
) 8. a. lateralis. ?) Spina intercondyloidea, intermedia, media.
Fibula. 263
stark nach vorn gekehrt war, in eine reiner medianwärts schauende Stel-
lung, während zugleich die hintere Fläche, medianwärts an Breite zuneh-
mend, sich entschiedener rückwärts richtet. Wie bei der natürlichen Hal-
tung des Fusses die vordere und hintere Fläche des unteren Endes der
Tibia aus der frontalen Lage mit dem lateralen Ende rückwärts weichen,
wurde oben bereits angegeben. Beide Flächen sind, gleich der medialen,
schwach gewölbt (nur bei sehr starker Musculatur ist die vordere Fläche,
auf welcher die Strecksehnen gleiten, im transversalen Durchmesser con-
cav); die mediale Fläche geht in ihrer ganzen Breite auf einen abwärts
ragenden, abgestutzten oder abgerundeten Fortsatz, den inneren Knöchel,
Malleolus medialis, über, welcher an den Proc. styloideus des Radius
erinnert. Von der hinteren Fläche ist jener Fortsatz durch eine schräg
ab- und medianwärts verlaufende, von zwei niederen Leisten eingefasste
Rinne, Sulcus malleoli medialis. geschieden, in welcher sich Sehnen
der Beugemuskeln bewegen, Fig. 255. Gegen die Endfläche schrägen sich
sowohl die vordere und hintere Fläche, als auch der Knöchel mit einem
niederen rauhen Rande ab, welcher zur Anheftung der Bänder bestimmt
und am Knöchel zu diesem Ende mit einer Einbiegung versehen ist.
Die untere Gelenkfläche der Tibia geht von der Endfläche des Körpers
auf die laterale Fläche des medialen Knöchels unter einem Winkel von
wenig mehr als 90° über. So weit sie dem Knöchel angehört, ist die
Gelenkfläche dreiseitig mit verticalem Vorderrande (15mm hoch) und ab-
gerundeter Spitze.- Die Endfläche des Körpers habe ich länglich-vierseitig
genannt; doch ist an den Seitenrändern eine schwache Convergenz nach
hinten, am vorderen und hinteren Rande eine Convergenz gegen den me-
dialen Knöchel zu bemerken, so dass sich die Form der ganzen Gelenk-
fläche, so weit sie der Tibia angehört, einem Dreieck mit ‚abwärts ge-
bogener Spitze nähert. Sie ist im sagittalen Durchmesser concav, mit einer
sehr schwachen, mittleren, sagittalen Erhabenheit, am Uebergange vom
Körper zum Knöchel besonders im hinteren Theile sanft ausgerundet.
Zur Zeit der Geburt ist das Mittelstück der Tibia verknöchert; die obere Epi-
physe, eine platte Scheibe, von deren unterem Rande vorn in Form eines zungen-
förmigen Fortsatzes die Tuberositas patellaris herabragt, enthält in der Regel bereits
einen Knochenkern, der aber öfters auch erst innerhalb des ersten Jahres nach
der Geburt entsteht. Die Verknöcherung der unteren Epiphyse beginnt im ersten
bis zweiten Lebensjahre. Die Epiphysen verbinden sich mit dem Körper im acht-
zehnten bis fünfundzwanzigsten Jahre, die unteren früher als die oberen.
Sharpey sah einen besonderen Knochenkern in der Tuberositas patellaris und
B&clard einen solchen im medialen Knöchel.
3. Fibula, Wadenbein!).
Der mittlere Theil des Körpers der Fibula zeigt in der Regel drei
scharfe, gerade oder etwas gebogene Kanten und drei Flächen, eine me-
diale, gegen die Tibia gewandte, eine laterale und eine hintere. Die me-
diale und laterale Fläche stossen in der vorderen scharfen Kante zusam-
') Perone, Focile minus. (anna minor,
3. Fibula,
264 Fibula.
men; die Kanten, in welchen die mediale und laterale Fläche sich mit der
hinteren Fläche verbinden, sind stumpfer (vgl. Fig. 251). Unter diesen
drei zuerst auffallenden Kanten befindet sich die Crista interossea nicht.
Diese ist vielmehr auf eine stumpfe. im mittleren Theile des Körpers wenig
ınarkirte Linie redueirt, welche der Länge nach über die mediale Fläche
Fig. 258. herabzieht. Demnach liegen auch die Flächen , von
welchen je die Streck- und Beugemuskeln entspringen,
fast in einer Ebene, als vordere und hintere Hälfte
der medialen Fläche. Doch wird auch die hintere
Fläche etwa von dem unteren Ende des oberen Drit-
tels an für den Ursprung von Beugemuskeln (Flex.
hall. long.) in Anspruch genommen, während sie gegen
das obere Ende frei, d. h. nur von den Wadenmuskeln
bedeckt ist. An der lateralen Fläche nehmen die Mm.
peronei ihren Ursprung.
Dicht unterhalb des oberen Endes verschmälert
sich die mediale Fläche, die vordere Kante plattet sich
ab und der Knochen erhält einen fast ceylindrischen,
von vorn nach hinten comprimirten Hals, aus welchem
der verdickte Kopf, Capiftulum, hervorgeht. Der
Kopf überragt den Körper ziemlich gleichmässig nach
allen Seiten; er besitzt eine schräg ab- und median-
wärts abgestutzte Endfläche, welche am oberen Theile
des hinteren Randes die der Superf. articularis fibularis
der Tibia entsprechende, leicht ausgehöhlte Gelenk-
fläche, Superf. articularis tibialis, trägt. Der seit-
liche Umfang ist in drei stumpfe Höcker oder Zacken
getheilt, von welchen die mittlere (bf) die höchste ist;
sie dient dem Biceps fem. zur Insertion; von der vor-
deren (pl) entspringt ein Kopf des M. peroneus 1., von
der hinteren (s) ein Kopf des Soleus.
Das untere Ende der Fibula ist an der der Ti-
bia zugewandten Seite plan, lateralwärts verdickt, im
Ganzen dreiseitig prismatisch, wie der Körper, aber mit
etwas veränderter Lage der Flächen. Die hintere Fläche
N ist nämlich schon am oberen Ende des unteren Drit-
Fi ..,.. tels des Körpers mit dem hinteren Theile der medialen
ibula, von der medialen
Seite. Fläche zusammengeflossen; dagegen zerlegt sich die
laterale Fläche in zwei Flächen, eine schräg vor- und
eine schräg rückwärts schauende, durch eine Kante, welche an dem oberen
Ende des unteren Viertels des Körpers aus der vorderen Kante ihren Ur-
sprung nimmt. Die Crista interossea, welche unterhalb der Verbindung
der hinteren Fläche mit der medialen an Schärfe gewonnen hat, geht zu-
letzt, sich allmälig ausbreitend, in eine Fläche über von verschoben vier-
seitiger Form, die mit der Einen längeren Diagonale vertical, mit der kür-
zeren Diagonale sagittal gestellt ist. Die sagittale Diagonale theilt diese
Fläche in zwei Dreiecke, ein oberes spitzwinkliches, dessen Höhe (50mm)
die Höhe des unteren, ziemlich gleichseitigen, um mehr als das Doppelte
Knochen des Fusses. 265
übertrifft. Die obere dreieckige Fläche (*) ist rauh und passt in die Inci-
sura fibularis der Tibia. Das untere Dreieck (**) ragt über diese Ineisur
abwärts hervor; es ist überknorpelt, in der Mitte
vertieft und gegen die Ränder schwach gewölbt;
der überknorpelten Fläche des medialen Knöchels
gegenüber, aber höher, d. h. weiter nach unten
sich erstreckend, als diese, vervollständigt es die
Gelenkfläche des Unterschenkels, die den Kopf
des Sprungbeins aufnimmt.
Die seitlichen Flächen des unteren Endes
der Fibula verlängern sich auf einen, dem Proc.
styloideus der Ulna ähnlichen, aber platteren und
breiteren Fortsatz, den lateralen Knöchel, Mal-
leolus lateralis, welcher mit abgerundeter
Frontaldurchschnitt der Unter- Spitze, schwach medialwärts gekrümmt, rück-
schenkel- und Fusswurzelkno- nd abwärts iiber das untere Enıle des Knochens
chen. Ta Sprungbein, (a Fer- h
senbein. hervorragt. Er macht die laterale Begrenzung
einer an der hinteren Fläche des lateralen Knö-
chels vor- und abwärts verlaufenden Furche aus, des Swlcus malleoli
lateralis, in welcher die Sehnen der Mm. peronei gleiten.
Die Epiphysen der Fibula sind zur Zeit der Geburt noch vollkommen knorp-
lich; der Knochenkern der unteren bildet sich-früher als der der oberen, jener im
zweiten, dieser im vierten Jahre. Die Verschmelzung der Epiphysen mit dem
Körper findet in derselben Ordnung und um Weniges später, wie in der Tibia, Statt.
d Knochen des Fusses.
Die Knochen der Fusswurzel und des Mittelfusses setzen eine im sa-
gittalen und transversalen Durchmesser aufwärts gewö bte Platte zusammen.
Auf dem Gipfel derselben ist der Unterschenkel eingelenkt; sie stützt sich auf
den Boden hinten mit dem Rände des Fersenbeins, vorn mit den vorderen
Gelenkenden der Mittelfussknochen, insbesondere der grossen und fünften
Zehe, mit dem vorderen Ende des Mittelfussknochens der grossen Zehe durch
Vermittelung des Sesambeine. Ein Loth, von dem höchsten Punkte der
oberen Gelenkfläche des Sprungbeins gefällt, trifft die Sehne des (rewölbes
etwa an der Grenze des ersten und zweiten Viertels von hinten an gezählt.
Das vordere Ende des ersten Mittelfussknochens ragt indess etwas weiter
nach vorn als das vordere Ende des fünften; das Gewölbe ist deshalb am
Grosszehenrande weiter gespannt als am Kleinzehenrande: beide Sehnen
verhalten sich zu einander wie 8:9. Auch die Höhe der Wölbung ist
geringer an der Kleinzehen- als an der Grosszehenseite. Dies hängt zu-
sammen mit der Form der transversalen Wölbung, welche ihre grösste
Höhe unweit des medialen Fussrandes hat und medianwärts steiler als late-
ralwärts abfällt, zugleich aber gegen den lateralen Rand sich weiter ab-
wärts senkt, als gegen den medialen. Die Wölbung im Ganzen ist in der
Nähe der Zehen flach und nimmt gegen das Knöchelgelenk allmälig zu; in
derselben Richtung mindert sich die Breite des Fusses. So erinnert seine
Gestalt an die eines Fächers, dessen Stäbe, am bogenförmigen Rande
d. Fuss.
266 Knochen des Fusses.
horizontal ausgebreitet, sich gegen die Spitze hin vertical auf einander schich-
ten. In der That kann der Fuss der Länge nach in zwei Abtheilungen zer-
Fig. 260.
St Cb M5 3
Spl
Fig. 260 Profilansicht des Fusses von der Grosszehenseite. Fig. 261 desgl, von der Klein-
zehenseite. («a Fersenbein, 7’a Sprungbein, N Schiffbein, CI, CII, CHI erstes bis drittes
Keilbein, Cb Würfelbein, M1, M5 Mittelfussknochen der ersten und fünften Zehe, Os Se-
sambein, Si Sinus tarsi, Sfhl Suleus flex. hall. longi, Sp! Suleus m. peron. longi, Tn
Tub, oss. navicul.
legt werden (Fig. 264), welche mit den vorderen Enden neben einander in
einer Horizontalebene liegen, nach hinten aber sich so gegen einander ver-
schieben, dass die mediale Abtheilung über die laterale zu liegen kommt.
Die Grenze beider Abtheilungen fällt zwischen die dritte und vierte Zehe;
die Spalte zwischen dem dritten und vierten Mittelfussknochen setzt sich
in der Fusswurzel fort zwischen dem dritten Keilbein, Kahn- und Sprung-
bein einerseits und dem Würfel- und Fersenbein andererseits; der Schnitt
aber, welcher beide Abtheilungen von einander trennen sollte, müsste an
den vorderen Enden der Mittelfussknochen vertical, an den hinteren Enden
derselben Knochen schräg ab- und medianwärts geführt werden und, je
weiter nach hinten, um so mehr-in die horizontale Richtung übergehen.
Die laterale Abtheilung ist ein in sagittaler Richtung flacher Bogen; die
Knochen der medialen Abtheilung liegen in einer vor- und abwärts ge-
neigten Ebene. Die mediale Abtheilung ist, besonders nach vorn, breiter
als die laterale, da jene drei Zehen, und zwar die drei grösseren, diese
nur zwei Zehen begreift; an Länge sind sie einander ungefähr gleich, da
die mediale Abtheilung sich weiter vorwärts, die laterale dagegen um die
Länge der Ferse weiter rückwärts erstreckt. Vergleicht man beide Abthei-
lungen mit einander, so entspricht dem Fersenbein in der einen das Sprung-
Knochen des Fusses. 267
bein in der anderen; die Analogie der Mittelfussknochen und Zehen der
Fig. 262 Knochen des Fusses von oben.
den Linien w, x, y, z Fig. 262.
Knochen des Fusses von oben, der Länge
Fig. 264.
Fig. 263.
BR
pt u
‚ R) Be y Ge
Dann ae
IR BON AR NICH,
W
® ee
u) =
PLs + PL,
Fig. 263 Horizontaldurchschnitt des Fusses nach
Ct Canalis tarsi, Sz Sustentaculum tali des Fersenbeins,
Pl Proc lateralis des Sprungbeins, P/ Grundphalange.
nach in zwei Abtheilungen zerlegt. Tu
Tuberos.
oss,. navicularis.
einen und anderen Abtheilung versteht
sich von selbst. Aber an der Stelle
des Kahnbeins und der drei Keilbeine,
welche in der medialen Abtheilung den
Raum zwischen dem hintersten Knochen
der Fusswurzel und dem Mittelfuss er-
füllen, liegt in der lateralen Abtheilung
ein einziger Knochen, das Würfelbein,
das sich demnach als Aequivalent eines
Kahnbeins und zweier Keilbeine für
den vierten und fünften Mittelfusskno-
chen betrachten lässt. Der Vortheil
dieser Betrachtungsweise liegt darin,
dass sie anschaulich macht, an welchen
Stellen des Fusses die Spalten zwischen
den Knochen von Einem Seitenrande
zum anderen durchgreifen. Die vor-
deren Endflächen des Sprung- und Fer-
senbeins (Fig. 265) liegen fast in dersel-
ben frontalen Ebene; die Gelenke der
Fusswurzel mit dem Mittelfuss und der
Phalangen mit der Fusswurzel schliessen
sich an einander in Ebenen, welche
a, Fuss-
wurze].
268 Fusswurzelknochen.
dem vorderen Rande des Fusses parallel und, mit Ausnahme des Mittel-
Fig. 265. fussknochens der zweiten Zehe, ziemlich gleich-
mässig vom Grosszehen- zum Kleinzehenrande
rückwärts weichen. Ein Schnitt aber in das Ge-
lenk zwischen dem Kahnbein und den Keilbeinen
stösst auf das Würfelbein"und lässt sich nicht bis
zum Kleinzehenrande des Fusses fortsetzen.
Fersen- und Sprungbein in 2
Verbindung, von vorn. &@. Fusswurzelknochen, Ussa tarsı.
St Sinus tarsi.
Die Knochen der Fusswurzel nehmen mit rauhen Flächen an der Bil-
dung des Fussrückens, des Hohlfusses und der Seitenränder des Fusses
Theil; die Flächen, welche sie einander zuwenden, sind zum Behuf der
Artieulation überknorpelt. Doch bleibt namentlich an den medialen und
lateralen Binnenflächen ein verhältnissmässig grosser Theil rauh; die Ge-
lenke nehmen nur Streifen in der Nähe des oberen Randes ein, und die
Knochen, die am Fussrücken dicht verbunden scheinen, entfernen sich in
der Fusssohle von einander und lassen Lücken, die von Bandmasse aus-
gefüllt werden (Fig. 263 «).
Man hat in Betreff der den Flächen der Fusswurzelknochen zu erthei-
lenden Bezeichnung zwischen zwei Methoden zu wählen, welche ich als
anatomische und physiologische einander gegenüberstellen möchte. Nach
der physiologischen Methode unterscheidet man Flächen, welche zur Bil-
dung des Fussrückens, der Sohle, der Gelenke bestimmt sind, und unter
den letzteren wieder Flächen zur Artieulation mit höheren, mit tieferen,
mit Nebenknochen u. s. f£e. Die anatomische Methode dagegen unterscheidet
die Flächen nur nach ihrer Richtung. Eine Fläche im physiologischen
Sinne kann z. B. von dem vorderen auf den Seitentheil eines Knochens
übergehen; eine Fläche im anatomischen Sinne kann theilweise der Arti-
eulation mit Nebenknochen, theilweise der Artieulation mit Knochen einer
tieferen Reihe dienen. Auf diese Schwierigkeit trafen wir schon bei den
Knochen der Handwurzel, doch liess sie sich dort umgehen, weil die mei-
sten Flächen der Handwurzelknochen gekrümmt sind und sich allmälig aus
Einer Richtung in die andere wenden. An den Knochen der Fusswurzel
dagegen setzen sich die Flächen mit scharfen Kanten gegen einander ab,
und es tritt deshalb der Untersebied der Richtung auffallender hervor als
der Unterschied der Function. : Hierzu komnit noch, dass bei der Art, wie
die Handwurzelknochen angeordnet sind, die Flächen von gleicher Rich-
tung auch in der Funetion übereinstimmen: überall ist zur Articulation mit
den Knochen der höheren Reihe die obere Fläche, mit den Knochen der
tieferen Reihe die untere Fläche bestimmt. Die eigenthümliche Verschie-
bung der Fusswurzelknochen, welche oben S. 208.besprochen wurde, das
Emporsteigen des Sprungbeins über seine Nachbarn und die Knickung
der Längsaxe des Fusses bedingen es, dass hier die bezüglich der Lage
gleichnamigen Knochenflächen eine verschiedene Function haben, und um-
gekehrt. Nachdem ich an der eitirten Stelle die Bedeutung der einzelnen
Knochen der Fusswurzel, im Vergleich zur Handwurzel, erörtert habe,
Fersenbein. 269
woraus sich die Bedeutung der Flächen von selbst ergiebt, so werde ich
mich im Folgenden bei der Benennung und Einzelbeschreibung der Flächen
nur an deren Richtung halten. Ich abstrahire dabei von der geringen Dre-
hung um die verticale Axe, welche die Knochen bei der dem Fusse natür-
lichen Seitwärtswendung der Spitze (S. 259) erfahren, und nehme die Axe,
um welche das Sprungbein sich auf- und abbewegt, genau transversal ge-
stellt an.
Die Grundform der Fusswurzelknochen ist der Würfel, Grundform frei-
lich nur insofern, als wir an jedem dieser Knochen je sechs paarweise ein-
ander gegenüberliegende Flächen erkennen, während jeder einzelne sich
bald durch das Ueberwiegen des einen oder anderen Durchmessers, bald
durch Wölbung oder Aushöhlung der Flächen und bald dureh die Conver-
genz derselben wesentlich von der Würfelgestalt entfernt. Durch die ge-
wölbte Form der Fusswurzel erhalten insbesondere die Knochen der zwei-
ten Reihe gleich den entsprechenden der Hand, aber in noch auffallenderm
Grade, die Gestalt von Keilen mit gegen die Sohle gerichteter Schneide.
1. Fersenbein, Calcaneus }).
Das Fersenbein ist länglich vierseitig, der längste Durchmesser fast
parallel der Längsaxe des Fusses, nur wenig mit dem vorderen Ende late-
ralwärts abweichend. Dieser Durchmesser übertriflt fast um das Doppelte
die Höhe des Knochens am hinteren Rande, während die Höhe sich zur
Breite an dieser Stelle etwa wie 4 : 3 verhält. Am vorderen Ende ist das
Fersenbein ansehnlich (um etwa 1/,) niedriger, als hinten (Fig. 266); eine
geneigte Fläche führt in der Mitte
der Länge des Knochens von dem
höher gelegenen Theile der oberen
Fläche zu dem tieferen herab?). Ne-
ben diesem Abhange findet sich vom
medialen Rande ausgehend ein plat-
ter, halbkreisförmiger Anbau, dessen
obere Fläche, ebenfalls vorwärts ge-
neigt, mit der oberen Fläche des Fer-
senbeinkörpers in Einer Flucht liegt,
dessen untere, rück- und abwärts
schauende Fläche mittelst einer sanf-
ten Aushöhlung aus der Seitenfläche
des letzteren hervorgeht, dessen freier Rand, rauh und wulstig, von hinten
nach vorn an Höhe abnehmend, abwärts überhängt. Der Anbau, der das
Sprungbein tragen hilft, wird Sprungbeinfortsatz, Susienlaculum
tali 3), genannt (Fig. 266, 267, vgl. Fig.263 w). Die Fläche, durch welche
das Fersenbein mit dem Sprungbein sich verbindet, nimmt den Abhang des
Fersenbeinkörpers und des Sustentaculum tali ein. Sie dehnt sich vom
oberen (hinteren) Rande des Abhanges rück- und medianwärts abfallend,
Fersenbein, von der Grosszehenseite.
) Os caleis. ®) Der niedrigere Theil des Fersenbeins wird vorderer Fortsatz, Proc.
ant. calcanei, genannt, 2) Proc. lateralis.
1. Fersen-
bein.
270 Fersenbein.
eine kleine Strecke auf den höher gelegenen Theil der oberen Fläche des
Fersenbeins aus und geht von der vorderen Spitze des Sustentaculum tali
mehr oder minder weit am medialen Rande des niedrigeren Theiles der
oberen Fläche des Fersenbeinkörpers, nicht selten bis zu deren vorderem
Rande vorwärts.
Fig. 267. # Die Flächen, vermit-
telst welcher das Fersen-
und Sprungbein aneinan-
derstossen, sind aber nicht
in ihrem ganzen Umfange
Gelenkflächen. Regelmäs-
sig zieht sich ein cylindri-
scher Canal, Canalis tarsi!)
(Fig. 263 w.), von auf ein-
ander passenden Rinnen
des Sprung- und Fersen-
beins zusammengesetzt und
von Bandmasse ausgefüllt,
zwischen beiden Knochen
schräg lateral- und vor-
Fersen- and Sprungbein, das Fersenbein von der obe- wärts hin. Die Rinne des
ren, das Sprungbein von der unteren Fläche. Fersenbeins, Sulcus in-
lerarticularis calcanei,
ist seichter als die des Sprungbeins; vom hinteren Rande des Sustentaeu-
lum aus nach vorn verlaufend, scheidet sie zwei überknorpelte Flächen,
eine breitere convexe, unregelmässig vierseitige oder elliptische und mit dem
vorderen Ende des längsten Durchmessers lateralwärts abweichende, welche
ganz dem Fersenbeinkörper angehört, und eine schmalere concave, welche
sich entweder auf den medialen Theil der oberen Fläche des Sustentaculum
beschränkt oder sich in langgedehnt elliptischer oder Biseuitform auf die
obere Fläche des Körpers verlängert oder endlich durch eine transversale
Furche ebenfalls in zwei Gelenkflächen getheilt wird, von welchen die eine
das Sustentaculum, die andere die vordere mediale Ecke des Körpers ein-
nimmt. Die Gelenkfläche des Körpers wollen wir die laterale, H'ac. art.
lat., die von dem Sustentaculum aus nach vorn sich erstreckende die me-
diale nennen. Entwickeln sich aus der letzteren zwei, so ist die eine die
hintere (F'. art. med. pos!.), die andere die vordere (F'. art. med. anl.),
die quere Rinne zwischen beiden mag sodann Suleus interarticularis
access. heissen. Die auf einander passenden queren Rinnen des Fersen-
und Sprungbeins setzen einen Canalis tarsi accessorius zusammen, welcher
quer vor dem Sustentaculum vorüberführt, und, gleich dem hinteren und
beständigen Canalis tarsi, in eine weite Grube zwischen der unteren con-
caven Fläche des Sprungbeins und der oberen Fläche des Fersenbeins vor
der lateralen Articulation des Sprung- und Fersenbeins ausmündet. Diese
Grube nennen wir Sinus larsi (Fig. 265). Die obere Fläche des Fersen-
beins, welche den Boden des Sinus tarsi ausmacht, ist platt, mit scharfen
)) Sinus tarsi.
Sprungbein. 271
Kanten gegen die Seitenflächen abgesetzt, dieht am Rande der Gelenk-
fläche grubenförmig vertieft; hinter der Artieulation ist die obere Fläche
des Fersenbeins gewölbt, verschmälert und geht abgerundet in die Seiten-
flächen über.
* Von den Seitenflächen des Fersenbeins ist die Br: durch zahl-
reiche Gefässlöcher rauh’und plan bis auf einen leisten- oder höckerartigen
unter dem vorderen Rande der Gelenkfläche in der halben Höhe des Kno-
chens schräg ab- und vorwärts verlaufenden Vorsprung, welcher von oben
her eine Furche begrenzt, Sulcus M. peronei Il., Fig. 261, die die Sehne
des genannten Muskels aufnimmt. Der Vorsprung Kan fehlen oder sich der-
gestalt verdoppeln, dass die Sehne zwischen zwei Leisten eingeschlossen liegt.
Die mediale Fläche ist glatt, in sagittaler Richtung leicht concav, in ver-
tiealer durch den Uebergang auf die untere Fläche des Proe. lateralis tief
ausgehöhlt, mit einer flachen Rinne, Sulcus M. flexoris hall. longi,
Fig. 266, versehen. Die hintere Fläche des Fersenbeins ist besonders im
verticalen Durchmesser gewölbt, gegen den oberen Rand verschmälert, in der
oberen Hälfte glatt, in der unteren (durch die Anheftung der Achillessehne)
rauh, durch einen Ausschnitt des unteren Randes inzweian die untere Fläche
sich herumziehende und mit den Spitzen vorwärts gerichtete Zacken ge-
theilt (Fig. 193), eine breitere mediale und eine schmalere laterale. Die
untere Fläche, vor diesen Zacken vertieft, an den Seitenrändern abgerun-
det, durch Poren und sagittale Furchen rauh, verschmälert sich nach vorn
und endet unweit der vorderen Fläche mit einem stumpfen Höcker (Fig. 266*),
welcher an der medialen Fläche hinaufzieht, indess vor demselben die me-
diale mehr und mehr abwärts geneigte Fläche mit der lateralen in einer
abgerundeten Kante sich vereinigt. Die vordere, überknorpelte Fläche
(Fig. 265) ist demgemäss ein Dreieck, rechtwinklich, die Hypothenuse durch
die Kante gebildet, welche der vorderen mit der medialen Fläche gemein
ist, alle drei Winkel abgerundet. Sie ist durch Ueberhängen des oberen
Randes in verticaler Richtung eoncav und durch Zurückweichen der obe-
ren medialen Ecke in transversaler Richtung convex. Am medialen Drittel
des oberen Randes dieser Gelenkfläche findet sich zuweilen eine schmale
schräg aufwärts gerichtete Facette, auf welche das Schiffbein sich mit sei-
nem Rande stützt.
2. Sprungbein, Talus)).
Das Sprungbein ist Träger der überknorpelten Rolle, mit welcher der »
Fuss sich im Knöchelgelenk bewegt. Die in sagittaler Richtung gewölbte,
in transversaler Richtung schwach ausgehöhlte obere Fläche dieser Rolle
(Fig. 261, 263, 264) nimmt den grössten Theil der oberen Fläche des
Sprungbeins ein; der vor der Rolle gelegene rauhe Theil der oberen Fläche
ist nicht nur kürzer, sondern auch schmaler als der überknorpelte, und zwar
durch Einbiegung am Kleinzehenrande verschmälert; er ist zugleich vor der
Gelenkfläche vertieft, und auch diese Vertiefung ist am Kleinzehenrande am
auffallendsten und wird gegen den Grosszehenrand flacher. Der vordere
Rand der Gelenkfläche ist fast genau transversal; ihre Seitenränder zeigen
) Astragalus, Knöchelbein.
. Sprung-
bein.
272 Sprungbein.
eine geringe Convergenz nach hinten; ihr hinterer Rand, der zugleich der
hintere Rand der oberen Fläche ist, steigt schräg medianwärts ab (Fig. 269).
Auf die Grosszehenfläche des Sprungbeins (Fig. 260) erstreckt sich
der Knorpelüberzug vom oberen Rande her in Form eines halbmondförmi-
gen Saumes, der mit seiner hinteren Spitze die hintere Ecke der oberen
Gelenkfläche nicht erreicht, mit seiner vorderen, abgerundeten Spitze da-
gegen über den vorderen Rand der oberen Gelenkfläche hinaus vorwärts
ragt. Der überknorpelte Theil der medialen Fläche hat eine geringe Nei-
gung aufwärts, die zunächst dem vorderen Rande noch etwas deutlicher
wird. Der übrige, ziemlich rauhe Theil dieser Fläche. steht vertical; ihr
unterer Rand ist concav, dem oberen concentrisch gebogen.
Auf die Kleinzehenfläche des Sprungbeins (Fig. 261) geht der
Knorpelüberzug vom ganzen lateralen Rande der oberen Fläche continuirlich
über, vorn mit einer scharfen, hinten mit einer stumpferen Kante, die sich
zuweilen wie eine zwischen beiden Flächen eingeschobene schmale Facette
ausnimmt. Der überknorpelten Fläche des lateralen Knöchels ähnlich, aber
von grösseren Dimensionen, ist diese laterale Gelenkfläche des Sprungbeins
dreiseitig mit abwärts ragender Spitze und ungefähr ebenso hoch, als am
oberen Rande (im sagittalen Durchmesser). breit, im oberen Theile vertical
und gegen die Spitze sanft aufwärts geneigt, die Spitze getragen von der
lateralwärts am meisten vorragenden Ecke, Proc. lateralis, des Sprung-
beins (Fig. 268). Dem Rande dieser Gelenkfläche genau parallel ver-
. läuft der untere Rand der Kleinzehenfläche des
Sprungbeins von der hinteren Ecke an erst ab-
und lateral-, dann auf- und medianwärts. Nur
ein niederer Streifen rauher Oberfläche, zur An-
heftung der Gelenkbänder rinnenförmig vertieft,
zieht sich unterhalb der Gelenkfläche hin; er geht
hinten aus der niederen hinteren Fläche hervor
und grenzt vorn an den vorwärts gewandten
Theil der unteren Fläche, welche den Sinus tarsi
Sprungbein, von vorn, um von hinten her begrenzt. Unter der vorderen
die horizontale Axe wenig „beren Ecke der Knöchelgelenkfläche findet sich
aufwärts gedreht. R s = QS . S
die Kleinzehenfläche des Sprungbeins auf eine
ziemlich scharfe, im Bogen anfangs median-, dann vorwärts laufende Kante
beschränkt, welche sich erst in der Nähe des vorderen Randes wieder zu
einer Fläche entfaltet, wodurch der vordere Theil
des Sprungbeins, von dieser Seite betrachtet, das
Ansehen eines durch einen engen Hals von dem
Körper abgesetzten Kopfes gewinnt !) (Fig. 268).
Die hintere Fläche des Sprungbeins, niedrig,
vierseitig, etwas medianwärts gewandt, mit parallelen,
medianwärts absteigenden Seitenrändern ist von
einer den Seitenrändern parallel verlaufenden Rinne,
Sulcus M. flexor. hall. longti, zwischen zwei
mehr oder minder vorspringenden rauhen Höckern
durchzogen. Die Rinne nimmt die Sehne des Flex.
Fal Fma er
Fig. 269.
Sprungbein von hinten
2) Daher die Benennung Caput u. Collum tali.
Sprungbein. . 273
hall. long. auf und setzt sich in die gleichnamige Rinne des Fersenbeins
fort. Von den beiden Seitenhöckern ragt der laterale weiter rückwärts
und stützt sich auf die obere Fläche des Fersenbeins, der mediale liegt über
dem hinteren Eingange des Sinus tarsı (vgl. Fig. 260).
Die vordere Fläche des Sprungbeins ist überknorpelt, Theil einer
Kugelfläche, breiter als hoch, mit dem oberen Rande schräg medianwärts
abfallend. Sie greift an der unteren Fläche des Sprungbeins weiter herum
als an der oberen, und an der medialen Seite weiter als an der lateralen.
Das Schiffbein, welches mit der vorderen Fläche des Sprungbeins articu-
lirt, lässt einen Streifen überknorpelter Fläche (Fig. 260, 268, 270°*) am
unteren und medialen Rande frei, welcher zuweilen durch eine sehr stumpfe
Kante von dem mit dem Schiffbein artieulirenden Theil der Gelenkfläche
abgesetzt ist. Er ruht auf dem Lig. calcaneo-naviculare. Dieser Streifen
zieht sich zuweilen medianwärts bis unter das Knöchelgelenk hin.
Fig. 270. Die untere Fläche
des Sprungbeins zeigt
die beiden, durch eine
tiefe rauhe Furche. Suw-
cus inlerarticularis
taıli geschiedenen Ge-
lenkflächen, mittelst wel-
dem Fersenbein ruht.
Die laterale, auf dem
Körper des Fersen-
beins artienlirende Ge-
lenkfläche, Face. art.
lateralis, ist tief ausge-
höhlt, elliptisch; sie liegt
Fersen- und Sprungbein, das Fersenbein von der oberen, mit dem längsten Durch-
das Sprungbein von der unteren Fläche. messer schräg lateral-
und vorwärts und reicht
von dem unteren Rande der hinteren Fläche zu dem vorderen Rande des
oben erwähnten Proc. lateralis. Die mediale, mit dem Sustentaculum des
Fersenbeins artieulirende Gelenkfläche ist verschieden geformt, je nachdem
die Articulationsfläche des Fersenbeins sich auf das Sustentaculum be-
schränkt, oder sich bis zum vorderen Rande dieses Knochens ausdehnt.
In beiden Fällen geht die Gelenkfläche des Sprungbeins, Face. art. med.
postl., hinten schmal und nach vorn sich allmälig verbreiternd, längs dem
Grosszehenrande der unteren Fläche bis an den Knorpelüberzug der vor-
deren. Der Gelenkfläche am vorderen Rande des Fersenbeinkörpers ent-
spricht aber am Sprungbeine eine Facette, Face. art. med. ant.. welche
mit der Gelenkfläche für das Sustentaculum sowie mit dem Knorpelüberzug
der vorderen Fläche des Sprungbeins in einer stumpfen Kante zusammen-
stösst. Findet die Articulation nur mittelst der Gelenkfläche des Susten-
taculum und der ihr entsprechenden am Sprungbein Statt, so bleibt zwischen
Sprung- und Fersenbein vor dem Sustentaculum eine Spalte, die sich in
die Spalte zwischen Schiff- und Würfelbein fortsetzt. Ist am Sprungbein
Henle, Anatomie. Thl. I. 18
cher das Sprung- auf
.
S
274 4 Schiffbein.
wie am Fersenbein die mediale Gelenkfläche durch eine Furche, Sulcus
inlerart. ant., in zwei getheilt, so entsteht aus den auf einander passen-
den Furchen der bereits beim Fersenbein beschriebene Uan. tarsi accessorius.
6}
3. Schiffbein, Os navieulare}).
3. Schiffbein. Das Schiffbein gleicht einer dicken, elliptischen, mit der grossen Axe
transversal gestellten und nach der Fläche gebogenen Scheibe, welche die
concave Fläche nach hinten, die convexe nach vorn wendet (vgl. Fig.193).
Die hintere Fläche ist stärker gebogen als die vordere; insbesondere weicht
'sie mit dem medialen Rande zurück. Die Scheibe nimmt daher median-
wärts anDicke zu. Die hintere Fläche ist ein Hohlkugelabschnitt; sie ar-
tieulirt auf der Vorderfläche des Sprungbeins. Die vordere Fläche gewinnt
durch eine Einbiegung des unteren Randes eine nieren- oder bohnenförmige
Gestalt. Sie ist ebenfalls Artieulationsfläche und wird durch zwei stumpfe,
von der Mitte des unteren Randes ausgehende und nach oben divergirende
Kanten in drei Felder getheilt, welche die drei Keilbeine aufnehmen (Fig.
271). Das mediale Feld ist das grösste, halbelliptisch; das mittlere ist drei-
seitig mit abwärts gekehrter Spitze, das late-
rale vierseitig mit lateralwärts convergirendem
oberen und unteren Rande. An den lateralen
Rand desselben schliesst sich unmittelbar die
sogleich zu erwähnende laterale Gelenkfläche
an. Alle drei Felder sind fast plan oder
schwach gewölbt und nur in der Nähe der
Ränder etwas vertieft.
Der Rand, welcher die beiden beschriebe-
nen Flächen des Schiffbeins mit einander ver-
bindet, ist grösstentheils rauh und porös. Er
vertritt die Stelle der ohne bestimmte Gren-
zen in einander fliessenden oberen und unte-
ren, Gross- und Kleinzehenfläche des Knochens.
Der medianwärts abfallende Theil des Randes
setzt sich auf die medialeFläche einer compri-
mirten am Grosszehenrande des Fusses stark ab-
wärts ragenden stumpfen Zacke, T'uberosilas
3 $ ossıs navicularis, Fig. 260, 264, fort. Der
S Horizontalüurchach tt Ss, In Rheilsdeh Bandes 4 welcher etwa der Grenze
chiffbeins mit den Keilbeinen >
und dem Würfelbeine. der lateralen und unteren Fläche des Schifl-
beins entsprechen würde, trägt in der Regel
in der vorderen Hälfte eine halbkreisförmige mit dem geraden Rande an
die laterale Facette der Vorderfläche anstossende Gelenkfläche, welche, la-
teral- und abwärts geneigt, auf einer Gelenkfläche des Würfelbeins ruht.
Seltener kommt an dieser Stelle, inVerbindung mit dem Rande der hinteren
Gelenkfläche, ein schmaler Knorpelstreif zur Verbindung mit dem Rande
des Fersenbeins vor.
1) Os scaphoideum, Kahnbein,
Erstes Keilbein. ö 275
“
A. Erstes Keilbein, Os cuneiforme primum.
Dieses Keilbein trägt zwar seinen Namen mit Recht, ist aber, der
Regel entgegen, mit der Schneide aufwärts gerichtet (Fig. 272). Die
Schneide, in welcher die Gross- und Klein-
zehenfläche, beide lateralwärts gekrümmt, zu-
sammenkommen, besteht aus zwei Abtheilun-
gen, von welchen die hintere, längere, schräg
vor-, median- und aufwärts, die vordere gerade
vorwärts geht (Fig. 264). Die beiden Seiten-
flächen sind demnach fünfseitig und die hin-
Frontaldurchschnitt des Fusses u : a :
durch die Keilbeine und das tere Fläche ist ansehnlich niedriger, als die
Würfelbein. vordere. Die hintere Fläche(p) artieulirt auf
der medialen Facette des Schiffbeins und wie-
Fig. 273._ derholt genau deren halbelliptische Form, nur
dass sie leicht ausgehöhlt und gegen die Ränder
etwas gewölbt ist; die vordere Fläche, zur
Artieulation mit dem ersten Mittelfussknochen
bestimmt, ist leicht gewölbt, unregelmässig
bohnenförmig, den eingebogenen Rand late-
ralwärts gerichtet, im verticalen Durchmesser
etwa doppelt so lang, als im transversalen
(Fig. 274). Die Grosszehenfläche ist rauh,
Erstes Keilbein von der im verticalen Durchmesser gewölbt, im sa-
Kleinzehenseite.
gittalen etwas vertieft, an der vorderen un-
teren Ecke mit einem Eindruck versehen,
der von der Anheftung des M. tibialis ant. und der Bänder des medialen
Fussrandes herrührt; sie geht mit einer stumpfen Kante in die ebenfalls
rauhe Sohlenfläche und diese ebenso in die Kleinzehenfläche über. Die
Kleinzehenfläche hat längs dem hinteren und oberen Rande einen über-
knorpelten Saum. Der Saum des hinteren Randes stösst in einer scharfen
Kante mit dem Knorpelüberzug der hinteren Fläche zusammen. Der Saum
Fig. 274. des oberen Randes ist durch eine Kante oder
di" eine schmale Rinne gerade da getheilt, wo der
obere Rand seine Richtung ändert. Die unter
dem gerade vorwärts verlaufenden Theil des obe-
ven Randes gelegene kleine, kreis- oder halbkreis-
förmige Gelenkfläche (k“) steht mit dem zweiten
Mittelfussknochen in Verbindung; die im Winkel
gebogene Gelenkfläche am hinteren Theile des
. Die drei Keilbeine, von vorn. oberen Randes und am hinteren Rande (%‘) dient
zur Artieulation mit dem zweiten Keilbein. Der
rauhe Theil der Kleinzehenfläche (k) ist eine Strecke weit abwärts durch
den zweiten Mittelfussknochen und das zweite Keilbein versteckt. Zu-
nächst dem unteren Rande liegt diese Fläche frei an der Fusssohle (Fig. 272).
i
4. Erstes
Keilbein.
5. Zweites
Keilbein.
6. Drittes
Keilbein.
276 ' Zweites, drittes Keilbein.
®
5. Zweites Keilbein, Os cuneiforme secundum.
Das zweite Keilbein liegt am Fussrücken zu Tage mit einer mehr oder
minder gewölbten rauhen, vierseitigen Fläche, welche fast eben so lang als
breit ist, sich aber gegen den vorderen Rand hin um Weniges verschmälert;
Fig. 275. Fie. 276. die scharfe Schneide des Keils
liegt in der Fusssohle in einer
Vertiefung, welche von den ein-
ander zugewandten Flächen der
beiden Nebenknochen begrenzt
wird. Die vordere und hintere
Fläche sind überknorpelt ; die hin-
tere (p) gleichseitig dreieckig,
die vordere, weil am oberen Rande etwas schmä-
ler als die hintere, gleichschenklich dreieckig
(Fig. 277); diehintere in verticaler Richtung leicht
concav, die vordere mit einer geringen verticalen
Wölbung zwischen zwei Concavitäten. Von den
vierseitigen und abwärts convergirenden Seiten-
Nlächen ist die mediale mit einem Knorpelüberzug
versehen, welcher der eben beschriebenen Articu-
lationsfläche am ersten Keilbein genau gleicht, die
obere Hälfte und den hintern Theil der unteren
Hälfte der Fläche einnimmt und in scharfen Kan-
ten mit der hinteren und vorderen Gelenkfläche
zusammentrifft; das vordere untere Viertel der me-
dialen Fläche ist rauh. Die laterale Fläche ist in
der vorderen, grösseren Hälfte (k) rauh; die Fläche zur Articulation mit dem
dritten Keilbein (k‘), welche ihrerseits ebenfalls mit dem Knorpelüberzug der
hinteren Fläche zusammenstösst, reicht am oberen Bande bis zur Mitte, am
unterer nicht über das hintere Viertel und erhält durch S-förmige Einbiegung
des vorderen Randes eine der medialen Gelenkfläche ähnliche Winkelmaass-
form, jedoch mit kürzerem und abgerundetem horizontalen Schenkel.
Zweites Keilbein,
v.d. Kleinzehenseite.
Mediale Hälfte des Fusses.
6. Drittes Keilbein, Os cuneiforme tertium.
Das dritte Keilbein ist im transversalen Durchmesser kleiner, in den
übrigen Dimensionen grösser als das zweite; der transversale Durchmesser
beträgt etwas mehr als die Hälfte des sagittalen und des verticalen. Die
Rückenfläche, plan, rauh, gegen den Kleinzehenrand abwärts geneigt,
weicht mit dem lateralen Ende des vorderen und hinteren Randes und zwar mit
dem letzteren stärker rückwärts. Die Seitenränder gehen ziemlich parallel
in stumpfwinklich gebrochenen Linien vom hinteren Rande an erst bis etwa
zur Mitte lateral-, dann median-, endlich gerade vorwärts (vgl. Fig. 261).
Diese Aenderungen der Krümmungen treffen zusammen mit Aenderungen
® Würfelbein. i 277
“
der Beschaffenheit der Seitenflächen, welche längs der hinteren Hälfte über-
knorpelt, in der vorderenHälfte rauh und erst ganz in der Nähe des vorde-
renRandes wieder überknorpelt sind. Der hintere überknorpelte Theil ent-
Fig. 277.
spricht medialerseits der Ge-
lenkfläche des zweiten Keil-
beins, lateralerseits (k‘) einer
Gelenkfläche desW ürfelbeins;
die Knorpelüberzüge am vor-
deren Rande dienen zur Ar-
tieulation mit den Basen des
zweiten (d“) und vierten
Drittes Keilbein von . u o
Die drei Keilbeine, von vorn. der Kleinzehenseite. Mittelfussknochens (k ). Die
dem zweiten Keilbein zuge-
wandte Gelenkfläche ist derjenigen, auf welcher sie articulirt, in Form und
Grösse vollkommen gleich; sie erreicht demnach nicht den unteren Rand
der Fläche; die dem Wiirfelbein zugewandte Gelenkfläche „ von rundlicher
halbelliptischer Gestalt, reicht noch weniger weit hinab, dagegen etwas wei-
ter vorwärts. Die zur Articulation mit den Mittelfussknochen bestimmten
Facetten sind schmal- und streifen- oder halbkreisförmig; sie erstrecken sich
nicht über das obere Drittel der Seitenfläche und nehmen sich wie auf die
Seitenflächen zurückgeschlagene Anhänge der oberen Ecke des Knorpel-
überzugs der Vorderfläche aus. Im Uebrigen sind die Seitenflächen rauh,
im Umfang der Gelenkflächen rinnenartig vertieft, in der abgerundeten
Schneide des Keils vereinigt; die Grosszehenfläche ist arıfwärts geneigt, die
Kleinzehenfläche schon näher der horizontalen, als der verticalen Lage.
Die hintere Gelenkfläche, von der Form der lateralen Facette des Schiff-
beins, leicht vertieft, stösst in scharfen Kanten mit den hinteren Gelenkflä-
chen der Seitenflächen zusammen. Unter der abgerundeten und überra-
genden unteren Spitze derselben bleibt ein niederes und schmales, rauhes
Stück der hinteren Fläche frei. Die vordere Fläche (a) ist in ihrem gan-
zen Umfang zur Articulation mit dem dritten Mittelfussknochen bestimmt,
dreiseitig mit abwärts gerichteter, abgerundeter Spitze, oben plan und ge-
gen die Spitze sehr seicht concav.
Zwischen den Gelenken des dritten Keilbeins mit den Nebenknochen
und den Mittelfussknochen bleibt zu jeder Seite des dritten Keilbeins ein
verticaler, von Bandmasse erfüllter spaltförmiger Canal (Fig. 271), welcher
am skelettirten Fuss von der Rücken- zur Sohlenfläche führt.
7. Würfelbein, Os cuboideum.
Auch das Würfelbein ist keilförmig oder dreiseitig prismatisch. Die
Schneide liegt am lateralen Fussrande, gegen welchen die Rücken- und Soh-
lenfläche convergiren (Fig. 272). Zudieser Verjüngung desKnochens im verti-
calen Durchmesser kommt sodann noch eine Verjüngung gegen die Schneide
des Keils im sagittalen Durchmesser, indem die vordere Fläche rückwärts,
die hintere vorwärts zum Kleinzehenrande geht (Fig. 279). In geringerem
Maasse nähern sich Sohlen- und Rückenfläche einander auch nach vorn. Die
7. Würfel-
bein.
278
Würfelbein. *
Kante, in welcher Rücken- und Sohlenfläche einander begegnen, ist stumpf
Fig. 279.
Laterale Hälfte des
Fusses,.
eine nach hinten
Fig. 280.
und etwas eingebogen. Die Rückenfläche ist gegen
diese Kante so stark abwärts geneigt, dass sie mit der
lateralen Fläche des Fersenbeins in einer Flucht liest
und sich erst gegen den vorderen Rand allmälig mehr
aufwärts wendet. Auch die Sohlenfläche liegt mit dem
medialen Rande höher als mit dem lateralen, und die
Fläche endlich, welche die medialen Ränder der Rü-
cken- und Sohlenfläche verbindet und die Gelenkflächen
‚für das dritte Keilbein und das Schiffbein trägt, ist
auf- und wenig medianwärts gerichtet, so dass auf die-
selbe kaum mehr der Name einer medialen oder Gross-
zehenfläche passt. Rücken- und Sohlenfläche sind
rauh; die letztere (vgl. Fig. 195) ist ausgezeichnet
durch einen stumpfen, leistenartigen Vorsprung, T'ube-
rosilas oss. cuboidei, welcher von der hinteren late-
ralen Ecke an parallel dem Vorderrande über die ganze
Fläche zieht, am lateralen Theil seiner vorderen
Fläche von Knorpel bekleidet, von hinten her eine
Rinne, Sulcus peronei, begrenzend, in welcher
die Sehne des M. peroneus long. liegt. Die hinter
der Tuberositas befindliche dreiseitige Fläche ver-
längert sich an der medialen (oberen) Ecke in
vorragende Zacke mit abgerundetem Rande, welche,
gegen die Sohle rauh, zur Vergrösserung der Ge-
a’ lenkfläche, auf welche das Fersenbein sich stützt,
1
2 SP Te %
Würfelbein von der
Grosszehenseite.
verwandt wird. Diese Gelenkfläche nimmt die hin-
tere Fläche des Würfelbeins ein; sie ist, genau ent-
sprechend der vorderen Gelenkfläche des Fersen-
beins, dreiseitig mit abgerundeten Winkeln, einem
° unteren, einem oberen lateralen und einem oberen
etwas tiefer gelegenen medialen (Fig. 281). Der obere
mediale Winkel ist es, welcher auf die eben erwähnte
Zacke übergeht und an der übrigens schwach con-
vexen Gelenkfläche des Würfelbeins einen stark concaven Anhang darstellt,
der sich an den rückwärts gebogenen oberen medialen Winkel der Gelenk-
Würfelbein
von hinten.
fläche des Fersenbeins anlegt. Die vordere
Fig. 282. Fläche des Würfelbeins (Fig. 282) ist gleich-
falls Gelenkfläche und gleichfalls dreiseitig
mit abgerundeten Winkeln; ihr spitzester
Winkel entspricht der Schneide des Keils,
ihre beiden längsten Seiten hat sie mit der
Rücken- und Sohlenfläche, die kürzeste Seite
Dasselbe mit der Grosszehenfläche gemein. Durch eine
von vorn. dieser kürzesten Seite ziemlich parallele,
stumpfe Kante wird sie in ein vierseitiges
und ein dreiseitiges Feld getheilt, das eine mehr über als neben dem an-
deren, jenes mit derBasis des vierten, dieses mit der Basis des fünften Mittel-
* Mittelfussknochen, 279
fussknochens verbunden. Auf der Grosszehenfläche (Fig. 280.d) liegen,
wie erwähnt, dieGelenkflächen für das dritte Keilbein und dasSchiffbein; sie
stossen, durch eine stumpfe verticale Kante getrennt, unmittelbar an einan-
der, jene (d“) etwas vorwärts, diese (d‘) fast genau medianwärts gewandt.
Ihr .oberer Rand fällt mit dem oberen Rande der betreffenden Fläche des
Würfelbeins zusammen; vom vorderen und unteren Rande dieser Fläche
aber stehen sie weit ab und auch zwischen dem hinteren Rande der letz-
teren und der Gelenkfläche für das Schiffbein bleibt noch ein schmaler rau-
her Zwischenraum. Dass die Articulation mit dem Schiffbein fehlen kann,
wurde bereits bei der Beschreibung des letzteren erwähnt.
Beim Neugeborenen enthält von den Knochen der Fusswurzel nur das Fersen-
und Sprungbein, öfters auch das Würfelbein je einen Knochenkern, die Verknöche-
rung des dritten Keilbeins folgt innerhalb des ersten, die des ersten Keilbeins inner-
halb des dritten Lebensjahrs; erst im vierten Jahre verknöchert das zweite Keil-
bein und das Schiffbein. Im zehnten Jahr erhält das Fersenbein eine Epihyse, die
sich als eine platte, gebogene Scheibe an der hinteren Fläche desselben entwickelt
und zur Zeit der Pubertät mit dem Knochen verschmilzt.
ß. Mittelfussknochen.
Unter den Mittelfussknochen zeichnet sich der der Grosszehe durch £ Mittelfuss-
seine Stärke aus, indem er im Querdurchmesser die Mittelfussknochen der ae
übrigen Zehen wohl um das Doppelte
übertrifft; die grösste Länge kommt
dagegen dem zweiten Mittelfussknochen
zu, welcher, obgleich mit dem hinteren
Ende tiefer in die Fusswurzel vordrin-
gend, als seine Nachbarn, doch mit
dem- vordern Ende über den dritten und
meistens auch über den ersten Mittel-
fussknochen vorragt (Fig. 275). Die drei
lateralen Mittelfussknochen sind, wenn
man von dem sogleich zu beschreiben-
den Fortsatz am hinteren Ende des
fünften absieht, in Länge und Dicke
nur wenig verschieden, doch nimmt vom dritten zum fünften die Länge be-
ständig um Etwas ab.
Die Körper aller dieser Knochen sind gegen die Plantarfläche leicht
gekrümmt, doch rührt, wie in der Hand, die concave Gestalt der Beugeseite
hauptsächlich von dem Vorsprung der oberen und unteren Enden her, der
an den Knochen des Mittelfusses verhältnissmässig noch ansehnlicher ist,
als an den Mittelhandknochen.
Die Form des Körpers der Mittelfussknochen ist die dreiseitig pris-
matische. Man kann die Flächen bezeichnen als Rückenfläche (r), als me-
diale (d) (Grosszehen-) und laterale (k) (Kleinzehen-) Fläche. Am ersten
Mittelfussknochen sind die Kanten ziemlich gleich scharf, der Querschnitt
ist ein gleichseitiges Dreieck; die Flächen sind schwach gewölbt, am mei-
sten die Rückenfläche. Diese ist gegen den medialen Fussrand ab-
Frontaldurchschnitt der Mittelfussknochen
x in der Nähe der hinteren Endflächen,
y in der Mitte des Körpers.
280 Mittelfussknochen.
hängig, die mediale schaut abwärts und liegt mit dem medialen Rande nur
wenig höher, als mit dem lateralen, die laterale Fläche ist aufwärts geneigt.
An den übrigen Mittelfussknochen ist nur die Kante deutlich und scharf
welche die Rücken- und Kleinzehenfläche scheidet. Die beiden anderen
Kanten sind abgerundet; der Querschnitt stellt ein spitzwinklich - gleich-
schenkliches Dreieck dar, dessen kürzeste Seite im Allgemeinen der Rücken-
fläche entspricht, dergestalt, dass von dem dritten zum fünften Mittelfuss-
knochen das relative Uebergewicht der längeren Seiten zunimmt und der
fünfte wie plattgedrückt erscheint. Ueberall, gegen den fünften Mittelfuss-
knochen zunehmend, steht die Rückenfläche grosszehenwärts, die Gross-
zehenfläche abwärts, die Kleinzehenfläche aufwärts geneigt.
Die Verdiekung des hinteren Endes, der Basis, erfolgt am ersten Mit-
telfussknochen vorzugsweise kleinzehenwärts von der Kante aus, welche die
Fig. 284. mediale und laterale Fläche scheidet, und durch Brei-
terwerden dieser Flächen. Die erwähnte Kante ver-
dickt sich zu einem Höcker, T'uberculum, welcher
den grössten Theil der Basis des zweiten Mittelfuss-
knochens gegen die Sohle deckt (vgl.Fig.283). Die End-
fläche, deren Rand eine rinnenförmige Vertiefung um-
giebt, ist von Knorpel bekleidet und hat, leicht ausge-
höhlt, dieselbe Nierenform, wie die vordere Fläche des
ersten Keilbeins.
Die hinteren Endflächen (p) deszweiten unddritten
Mittelfussknochens sind überknorpelt und nach der Form
der vorderen Gelenkfläche des zweiten und dritten
Keilbeins spitzwinklich dreiseitig mit abwäris ge-
Erster Mittelfussknochen richteter und abgerundeter Spitze. Die Basen dieser
mit den Sesambeinen, Knochen sind demgemäss dreiseitig prismatisch mit ab-
Os, von unten, E, B 5
wärts gerichteter stumpfer und wulstiger Kante, welche
in der Flucht der Schneide der Keilbeine liegt. Sie haben eine plane,
längs dem hinteren Rande leicht gefurchte Rückenfläche und abwärts con-
vergirende Seiten-
’ Fig. 285. flächen. Die Basis
| des zweiten Mittel-
fussknochens trägt
an der oberen Ecke
der Grosszehen--
fläche eine kleine,
kreis- oder halb-
kreisförmige Ge-
lenkfläche (d), wo-
durch sie mit dem
ersten Keilbein ar-
ticuirt, an der
Kleinzehenfläche
zwei durch eine
tiefe und rauhe,
der Längsaxe des
Zweiter bis fünfter Mittelfussknochen, von der Grosszehenseite.
*
Mittelfussknochen. 2s1
Knochens parallel verlaufende Rinne geschiedene Gelenkflächen von ähnlicher
Form, die obere im sagittalen Durchmesser länger als die untere, beide
dureh eine verticale stumpfe Kante je in eine hintere kleinere und eine
vordere grössere Abtheilung geschieden, jene mit dem dritten Keilbein, diese
mit dem. dritten Mittelfussknochen artieulirend. Vor der Rinne, welche
die Gelenkflächen scheidet und sich an deren vorderem Rande herumzieht,
liegt ein glatter, rauher Höcker. Die Basis des dritten Mittelfussknochens
wendet der Basis des zweiten 2 Gelenkflächen (d) und, dem ebenerwähn-
ten Höcker entsprechend, eine flache Grube (d‘) zu. Die Gelenkfläche, wo-
durch der dritte Mittelfussknochen sich mit dem vierten verbindet, nimmt
halbkreisförmig oder halbelliptisch die obere Hälfte der Kleinzehenfläche
der Basis ein; vor sich hat sie eine Vertiefung, die sich nach vorn verliert,
mit ihrem hinteren Rande stösst sie, wie alle Seitengelenkflächen der Mit-
telfussknochen, an die hintere Gelenkfläche.
Die Basis desvierten Mittelfussknochens zeigt eine überknorpelte, leicht
gewölbte, vierseitige Endfläche (p), welche auf dem medialen Feld der Gelenk-
fläche des Würfelbeins eingelenkt ist, und vier Seitenflächen, von welchen
aber die mediale und untere abgerundet in einander und gemeinschaftlich
in die Grosszehenfläche des Körpers übergehen. Die Rückenfläche der
Basis, zwischen zwei Firsten der Länge nach vertieft, setzt sich mit der la-
teralen Fläche der Basis in die laterale (Kleinzehen-) Fläche des Körpers
fort; die Rückenfläche des Körpers entsteht aus der medialen Firste der
Rückenfläche der Basis. Von der Gelenkfläche an der Grosszehenseite der
Basis (d), welche mit dem dritten Mittelfussknochen artieulirt, ist zunächst dem
hinteren Rande ein schmaler Streifen (d‘) durch eine verticale Kante geschie-
den, mit welchem die oben erwähnte kleine Facette am vorderen Rande
der lateralen Fläche des dritten Keilbeins in Verbindung steht. Die Ge-
lenkfläche, mit welcher sich die Basis des vierten Mittelfussknochens an
den fünften lehnt, ist dreiseitig, nach vorn und unten von einer tiefen Furche
begrenzt, die von der hinteren unteren Ecke schräg vorwärts zum oberen
Rande geht. Die untere Fläche der Basis ist rauh. .
Die Basis des fünften Mittelfussknochens hat dieselben drei Seitenflä-
chen wie der Körper, und eine schräg rück- und lateralwärts abgeschnittene,
spitzwinklieh dreiseitige und mit der Spitze lateralwärts gewandte, leicht
convexe Endfläche (p), an deren medialen Rand sich mittelst einer stumpfen
Kante die Gelenkfläche der Grosszehenseite (d) schliesst. Die mediale und
laterale Fläche dieses Mittelfussknochens vereinigen sich in einen stumpfen
und rauhen, über die Articulation mit dem Würfelbein lateral- und rück-
wärts hinausragenden Muskelfortsatz, T'uberositus metatarsi quinti. Die
ınediale Fläche ist zwischen diesem Fortsatz und einem Höcker am me-
dialen Rande der Länge nach rinnenförmig vertieft.
Die unteren Enden oder Köpfehen der Mittelfussknochen sind denen
der Mittelliandknochen sehr ähnlich. Es sind kugliche Endflächen "je auf
einem vierseitigen Prisma, dessen verticaler Durchmesser am ersten Mittel-
fussknochen vom transversalen überwogen wird, an den übrigen aber fast
das Doppelte des transversalen beträgt. Die Rückenfläche der Köpfchen
geht erst ganz nahe dem vorderen Ende aus der Rückenkante des Körpers
hervor: die transversale Furche hinter dem oberen Rande der Gelenkfläche
Henle, Anatomie. Thl. I. 18*
282 Phalangen.
erscheint tiefer, als an den Mittelhandknochen, weil die Höcker hinter der-
selben, welche jederseits die Grenze der Rücken- und Seitenfläche bezeich-
nen, stärker vorspringen. ‘ An den Seitenflächen dieselben Gruben, vn
Sohlenfläche dieselben spitzen Zipfel der Gelenkfläche, wie an den Mittel-
handknochen; doch springen diese Zipfel an den Fusswurzelknochen weiter
über den Körper vor und haben das Eigenthümliche, dass jedesmal der la-
terale, welcher bei der natürlichen Stellung des Fusses tiefer liegt, den
Fic. 287. medialen in Länge und Breite. über-
3 trifft. Am ersten Mittelfussknochen
sind die quere Rinne und die Höcker
hinter dem oberen Rande der Gelenk-
fläche verhältnissmässig schwach. Den
‘Os unteren Theil der Gelenkfläche theilt
Horizontaldurch- eine sagittale Kante in zwei sattel-
schnitt des Köpfchens förmige, transversal concave, sagittal
des ersten Mittelfuss- eonvexe Flächen.
knochens mit den
Seiapeien: In diesen liegen die Ossa sesa-
moidea. zwei längliche, von den Sei-
ten zusammengedrückte Knöchelchen, mit oberer sagittal
concaver, transversal convexer Gelenkfläche und rauher,
Erster Mittelfussknochen allseitig stark gewölbter Sohlenfläche.
mit den Sesambeinen
von unten,
y. Phalangen.
y. Phalan- Der einzige wesentliche Unterschied, welcher zwischen den Fuss- und
gen.
Fig. 288, ;
Fig. 289 Fig. 290
PI Pu
® &
aM
2
Frontaldurchschnitt
der Grund- und Mittel-
phalange der zweiten
Zeche,
Zweite Zehe,
von unten.
Handphalangen aufzufinden ist, be-
trifft die Körper der Grundphalan-
gen, welche an den vier lateralen
Zehen, besonders aber an der zwei-
ten bis vierten eine cylindrische
oder dreiseitig prismatische, von
den Seiten eomprimirte Gestalt
haben; diese rührt her von einer
die Rückenfläche theilenden Kante
und einer leichten Wölbung der
Knochen d.s Fusses von oben. Plantarfläche.
rer
RT.
Phalangen. ; 283
Sodann sind im Allgemeinen die Phalangen der Zehen und besonders
die Endphalangen minder regelmässig, die Kanten minder scharf, die Rau-
higkeiten weniger genau begrenzt, als an den Fingerphalangen; doch ist
dieser Unterschied ohne Zweifel nur die Folge des Drucks und anderer
Unbilden, welchen die Zehen ausgesetzt sind.
%:
Aus der gleichen Ursache rührt die so häufige Ankylose der Mittel- und End-
phalange der kleinen Zehe her, ferner eine Varietät, die mir bis jetzt nur an den
Zehen begegnete, dass nämlich die Tuberositas unguicularis der Endphalange sich
mit ihrer Seitenspitze an die Seitenwand des Körpers anlegt und mit dem Körper
ein Loch umschliesst, durch welches Zweige von Nerven und Gefässen auf die
Rückseite der Glieder treten.
Die Phalangen der Zehen 'sind nicht so schlank als die der Finger,
weil sie weniger an Dicke als an Länge hinter denselben zurückstehen.
Insbesondere rücken durch die Verkürzung der Körper der Zehenphalan-
gen die verdickten Gelenkenden einander näher, an den Mittelphalangen
der vierten und fünften Zehe so nahe, dass die Knochen abgeplatteten Cy-
linderchen mit nur schwach der Länge nach ausgehöhlter Seitenfläche
gleichen.
Was nun die Dimensionen betrifft, so sind nur die Phalangen der
grossen Zehe denen des Daumens an Länge gleich oder etwas überlegen;
an den übrigen Zehen haben die Grundphalangen ungefähr die Länge der
Mittelphalangen entsprechender Finger, die Mittelphalange der zweiten und
dritten Zehe und die Mittel- sammt der Endphalange der vierten und fünf-
ten erreicht die Länge der Endphalange entsprechender Finger; die End-
phalange der zweiten und dritten Zehe hat etwa die halbe Länge der End-
phalange der längeren Finger.
Sehr auffallend ist das Uebergewicht der Stärke der Grosszehenpha-
langen, deren transversaler Durchmesser ziemlich genau das Doppelte des
transversalen Durchmessers der Phalangen der übrigen Zehen beträgt. Was
die Länge der Phalangen betrifft, so wurde schon früher die Eigenthüm-
lichkeit erwähnt, dass an den zwei oder drei lateralen Zehen die Mittel-
phalange kürzer ist als die Endphalange. Vergleicht man die Phalangen
der neben einander liegenden Zehen, so nimmt in allen Gliedern die Länge
von der grossen gegen die fünfte Zehe ab; die Abnahme der Grundpha-
langen erfolgt continuirlich und langsam (von 34 auf 23”). Die Länge
der Endphalange der Grosszehe ist ungefähr gleich der Summe der Längen
der Mittel- und Endphalange der zweiten Zehe. Die Spitze der zweiten
Zehe steht daher bald in gleicher Linie mit der Spitze der grossen, bald
um Weniges vor oder hinter derselben. Die Mittelphalangen verkleinern
sich von der zweiten Zehe zur vierten um mehr als die Hälfte (13 : 5m);
die Abnahme der Länge der Endphalangen ist eine kaum merkliche (von
10 auf Sum),
Die Verknöcherung der Mittelfussknochen und Phalangen erfolgt durchaus in
derselben Weise, wie die der entsprechenden Knocher der Hand, doch geht die
Verbindung der Epiphysen mit dem Mittelstück an den Bahn des a ltusees
etwas frühzeitiger vor sich, als an den Knochen der a <
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Die Herausgabe einer Uebersetzung in französischer und englischer Sprache
sowie in sonstige Sprachen wird von uns vorbehalten.
Friedrich Vieweg und Sohn.
HAN DBEUVCH
SYSTEMATISCHEN
ANATOMIE
MENSCHEN.
Dr. J. HENLE,
Professer der Anatomie in Göttingen.
IN DREI BÄNDEN.
ERSTER BAND. ZWEITE ABTHEILUNG.
BANDERLEHRE.
"MIT ZAHLREICHEN IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN.
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
r 829.0:
HANDBUCH
BANDERLEHRE
MENSCHEN.
VON
Dr. J. HENLE,
Professor der Anatomie in Göttingen.
MIT 161 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN.
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
1856.
Holzschnitte
aus dem xylographischen Atelier
von Friedrich Vieweg und Sohn
in Braunschweig.
Ps aup. iverr
aus der mechanischen Papier-Fabrik
der Gebrüder Vieweg zu Wendhausen
bei Braunschweig.
Vorrede.
Die Verspätung in dem Erscheinen dieser Lieferung bedarf wohl
einiger Entschuldigung. Ich wünsche, dass man sie finden möge in
der Sorgfalt, womit das ganze Gebiet aufs Neue durchgearbeitet
wurde, und in den Schwierigkeiten, mit welchen die Herstellung der
Abbildungen verbunden war.
Es ist hier der Versuch gemacht, durch Druck in zwei Farben und
durch Auszeichnung des Muskelfleisches mittelst der rothen Farbe die
Anschaulichkeit zu erreichen, welche colorirte Abbildungen gewähren,
und es hat bei dieser wiewohl scheinbar complicirteren Darstellungs-
weise dennoch die Absicht gewaltet, den Styl der Figuren zu ver-
einfachen, und Unterschiede des Charakters der Gewebe, die in
schwarzen Figuren nur durch verschiedene Behandlung der Flächen
ausgedrückt werden können, in einer bequemen und auch von Un-
geübten leicht nachzuahmenden Manier wiederzugeben. Der Verlags-
handlung bin ich für die Bereitwilligkeit, mit der sie auf meine
Intentionen einging, zu Dank verpflichtet, und ich darf, da es ihr
und nicht mein Verdienst ist, auch die Genauigkeit rühmen, womit
sie ihre schwere Aufgabe gelöst hat.
Die Abbildungen der vorliegenden Abtheilung sind ohne Aus-
nahme original und die Durchschnitte nirgends schematisch, sondern
nach der Natur gezeichnet. Um diese Durchschnitte zu gewinnen,
wurden die Gelenke mit den Bändern und übrigen Weichtheilen in
VI Vorrede. .
den erforderlichen Stellungen theils im gefrorenen, theils im hart-
getrockneten Zustande duxchsägt. Die getrockneten Präparate erlan-
gen im Wasser ihre Fülle und Geschmeidigkeit wieder, doch ist dazu
bei grösseren Stücken, wie Knie- und Hüftgelenken, eine Wochen
lang fortgesetzte Maceration erforderlich.
“Göttingen, Juli 1856.
Der Verfasser.
II.
En. ha #4:
Bänderlehre
A. Bänder des Shanrlnaa
1. Bänder der Wirbelsäule ande E: Tiataren Enden der Rippen
I. Bänder der Beugewirbel Art:
a. Synchondrosen und Kapselbänder .
1. Wirbelsynchondrosen
2. Kapselbänder der Eee Belgelenkeh
3. Kapselbänder der Rippenköpfchengelenke
4. Kapselbänder der Rippenhöckergelenke .
b. Bänder der vorderen Fläche der Wirbelsäule
1. Lig. commune vertebr. anticum
2. Ligg. costo-vertebraha radiata
c. Bänder des Intertransversal- und des Tinleken Theiles =
Intercostolräume .
a. Ligg. costotransversaria .
1. Ligg. cosotranversaria antica
2. Ligg. costotransversaria postica .
ß. Ligg. colli costae
y. Ligg. tuberculi costae a
d. Ligg. tuberositatum vertebralium .
d. Bänder der Wirbelhöhle
1. Lig. commune vertebr. posticum .
2. Ligg. intercruralia
e. Bänder der Dornfortsätze .
Ligg. interspinalia -
II. Bänder der falschen Wirbel . :
III. Bänder der Drehwirbel und des Hinterhauptbeins
a. Kapselbänder . TIER Ach
b. Bänder an der Vorderfläche -
c. Bänder in der Wirbelhöhle
«@. An der Vorderfläche .
1. Lig. latum epistrophei .
2. Lig. eruciatum epistrophei
3. Lig. alare dentis
4. Lig. suspensorium dentis Fa:
ß. An der hinteren Fläche . . 2...
VI Inhalt.
2. Bänder des Brustbeins und der vorderen Enden der Rippen
a. Symehondrosen und Kapselbänder
1. Brustbeinsynchondrosen
2. Kapselbänder der Bi enbriustheirgelenke
3. Kapselbänder der Rippenknorpelgelenke .
b. Haftbäuder ee Pe ee:
1. Ligg. sternocostalia .
2. Ligg. intercostalia
® 3. Ligg. costo-xiphoidea
3. Bänder: des Zungenbeins .
4. Bänder des Schädels
a. Synehondrosen
b. Haftbänder
ce. Kiefergelenk
«. Gelenkkapsel .
ß. Haftbänder 5 }
- 1. Lig. accessorium Iukerale :
2. Lig. accessorium mediale .
3. Lig. stylomyloideum
B. Bänder der Extremitäten
I. Bänder der oberen Extremität . Sly:
A. Bänder des Gürtels der oberen Extremität
a. Eigene Bänder des Schulterblatts
1. Lig. transversum superius
2. Lig. transversum inferius .
3. Lig. acromio- coracoideum
b. Bänder des sternalen Endes des Schlinnelbeitis
«. Kapsel des Sterno - Claviculargelenks
ß. Haftbänder e
1. Lig. interclaviculare
2. Lig. costo- claviculare .
c. Bänder des acromialen Endes des Söhliingelbeins
«. Kapsel des Acromio-Claviculargelenks
ß. Haftbänder £ 2,8
1. Lig. coraco- hie ek
2. Lig. coraco-claviculare anticum .
B. Schultergelenk .
C. Ellenbogengelenk
D. Haftbänder der Unkerarmiechers
1.. Chorda transversalis
2.. Lig. interosseum
E. Handgelenk
a. Kapselbänder .
1.. Unteres Radio - Ulmatgelenk:
2. Radio-Carpalgelenk
3. Carpalgelenk
4. Erbsenbeingelenk
>
Gemeinsames Eat Meiacaspalgelaık .
6. Daumencarpalgelenk
b. Haftbänder
a. Lig. carpi commune
ß. Haftbänder der Rückenfläche
1. Lig. carpi dorsale profundum
2. Ligg. carpi dorsalia brasia . .»
Inhalt.
y. Haftbünder der Volarfläche .
1. Lig. carpi volare proprium
2. Lig. carpi volare profundum
d. Am Ulnarrande . E ;
& Im den Zwischenräumen der Mittelhandknochen o
F. Fingercarpalgelenke
G.
a. Kapselbänder .
b. Haftbänder
Fingergelenke
a. Kapselbänder .
b. Haftbänder
II. Bänder der unteren Extremität
A.
saß
Bänder des Gürtels der unteren Extremität :
a. Eigenes Band des Hüftbeins, Lig. obturatorium ke
b. Bänder zwischen dem Knochen des Stammes und dem Hüft-
bein
«. Kapsel ae Tio- Sacralgelenk
ß. Haftbänder . S
1. Lig. ilio-lumbale
2. Ligg. ilio-sacraha
3. Lig. sacro-tuberosum
4.. Lig. sacro-spinosum :
ec. Bänder zwischen beiden Hüftknochen, Schambeite Ind diese
Hüftgelenk
Kniegelenk
Bänder der Unserachenkelknächdn
a. Oberes Tibiofibulargelenk
«@. Kapselband
ß. Haftbänder
b. Lig. interosseum
Fussgelenke . ı
a. Unteres Tibrofkilareekink. z
«@ Kapselband
ß- Haftbänder e B
b. Gelenkverbindungen des Spmgbeins E
«@. Kapselbänder . BEER.
1. Knöchelgelenk
2. Hinteres Spranshernfälenk
3. Vorderes Sprungbeingelenk .
ß#. Haftbänder
1]. Haftbänder schen. Unter chenkellmiockint: Green
1. Lig talo-fibulare post.
2. Lig. talo-tbiale post.
3. Lig talo-fibulare ant.
4. Lig. talo-tibiale ant. : -
II. Haftbänder zwischen. Sprung- Kara N
1. Lig. talo-caleaneum post.
2. Lig. talo-calcaneum laterale .
3. Lig. talo-calcaneum mediale
4. Lig. talo-caleaneum interosseum .»
III. Haftbänder zwischen Sprung- und Schiffbein.
Lig. talo-naviculare
IV. Lange Haftbänder sen Unterschenkel Anal usa
wurzelknochen .
1. Lig. tibio-navieulare .
. .
-
VIII
Inhalt.
Seite
2.. Ing. euleamenfinulare 1... 2. 2er
3. gF00.Senleuneouhule...." u 202 2 ei
e.-. AmphiarthrosentdersEusswurzel u... 0 0.
«e. Kapselbändee . . En La RE EC BA en
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2... Schüffbeingelenk ...; . Br sin erg
3-.Paxao-Metatarsalpelenke it a Ha nee
ß. Haftbänder . . ZENENEER Fe eZl
J. Haftbänder der Rückenfläche IENEE FIR 1. AR
IT. Haftbander-der. Planterflächens#taun.-# ', +2,70 175
as large, Banden... 1.2 Seal. 7
b. Kurze Bänder . . . a 17!
III. In den Zwischenräumen di Mittelfunäknöchen a ri!
F... Zehentarsalgelenke-) ass El ul Fe Re Reate
GH Zehengelenke:. #4 4088 rl erteninsa Aa ee rg
EEE
I. Bänderlehre.
Unter Bändern versteht man: Weichtheile von faseriger Textur und mnatt.
membran- oder strangförmiger oder massiver Gestalt, welche vorzugs-
weise dazu bestimmt sind, die Knochen des Skeletts mehr oder minder
beweglich an einander zu befestigen. Die Bänderlehre hat diese Weich-
theile zu beschreiben.
Mit den Bändern, welche die beweglichen Knochenverbindungen ver-
mitteln, stehen aber andere, ‘die Gelenkhöhle auskleidende und theilweise
erfüllende Gebilde in so genauer Verlindung, dass sich die Betrachtung
der einen nothwendig an die der anderen anschliessen muss; überhaupt
gewinnt die Anordnung eines Bandapparates erst Sinn durch Beziehung
auf die Bewegungen, die er unterstützt oder hemmt, somit durch Beziehung
auf die Formen der. an einander gleitenden Flächen. Diese im Zusammen-
hange mit den Bändern einer wiederholten Betrachtung zu unterwerfen, ist
um so nothwendiger, da Knorpel- und Bandüberzüge, welche bei der Ma-
ceration verloren gehen und daher bei der Schilderung der Knochen ge-
wöhnlich ausser Acht gelassen werden, auf die Form mancher Gelenk-
flächen einen nicht unwesentlichen Einfluss haben.
Die Bänderlehre erweitert sich so zur Lehre von den Gelenken, die
Syndesmologie zur Arthrologie, wie sie nach Cruveilhier’s Vorgang
von den französischen Schriftstellern genannt wird. Indess ist diese Be-
zeichnung wieder in einem anderen Sinne zu eng und deshalb unpassend.
Es kommen nämlich Bänder vor, welche zwischen zwei Knochen oder auch
nur zwischen zwei hervorragenden Punkten eines einzigen Knochens ausge-
spannt sind; könnte man jenen (z.B. dem Lig. spinoso-sacrum und tuberoso-
sacrum des Beckens) noch eine Beziehung zur Articulation, gleichsam aus der
Ferne, zuschreiben, so findet dies doch auf Bänder der letzteren Art, die so-
genannten eigenen Bänder, Ligg. propria, keine Anwendung. Beide
aber verdienen die Stellung neben den Gelenkbändern durch ihr Verhältniss
zum Skelett, als ergänzende, man könnte sagen, fibrös gebliebene Theile des-
selben. Als solche erweisen sie sich durch jeweilige Verknöcherung (die ge-
nannten Beckenbänder, das Lig. transversum scapulae superius u. a.), sowie
auch durch ihre mechanische Bedeutung, indem sie Muskeln Insertionspunkte
‘bieten, Rinnen zum Durchtritte von Gefässen und Nerven überbrücken u.s.f.
Wie die Bänderlehre hier in die Knochenlehre zurückgreift, so giebt
es andererseits Gebiete, auf welchen sie mit der Muskellehre zusammen-
trifft. Häufig versehen Muskelsehnen und Fascien, indem sie sich über
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 1
Arten der
Bänder.
2 Bänderlehre.
Gelenke ausbreiten, die Stelle von Verstärkungsbändern. Es giebt Faser-
züge, namentlich zwischen Wirbeln und Rippen, welche an analogen Stel-
len des Körpers hier aus Muskelsubstanz, dort, wie die Beweglichkeit der
Theile abnimmt, aus Sehnensubstanz bestehen, und man hat die Wahl, ob
man solche Muskeln als contractil gewordene Bänder oder die Bänder als
fibrös entartete Muskeln betrachten will. An vielen Stellen nehmen Mus-
kelfasern ihren Ursprung von Bandstreifen , welche von Knochen zu Kno-
chen brückenförmig über Gefässe oder Nerven hinziehen. Einen solchen
Bandstreifen kann man willkürlich als zweischenkliche Muskelsehne oder
als selbstständiges Ligament betrachten. Es kommt dabei auch nur dar-
auf an, ihn in dem Zusammenhange darzustellen, in welchem er am ver-
ständlichsten wird.
Wir haben die Verbindungen der Knochen unterschieden in Synarthro-
sen und Diarthrosen (Knochenl. S.7). In den Synarthrosen ist der we-
sentliche Theil der verbindenden Substanz eine zwischen den einander zu-
gekehrten Knochenflächen eingeschobene (Knorpel- oder Band-) Schichte;
dieser Schichte äusserlich adhärirend, setzt sich die Beinhaut von dem ei-
nen Knochen auf den anderen fort. In den Diarthrosen ist die Continui-
tät der Mittelschichte unterbrochen, als wesentliches Bindemittel bleibt die
von dem Rande der einen articulirenden Knochenfläche zum Rande der
anderen sich fortsetzende Beinhaut. Sie bildet eine Röhre, welche man Ge-
lenkkapsel oder Kapselband !) nennt; an die Beschreibung derselben
werde ich im Folgenden bei jedem einzelnen Gelenk die Beschreibung der
innerhalb der Gelenkhöhle oder der Kapsel gelegenen Gebilde anreihen.
Alle ausserhalb der Kapsel befindlichen Gelenkbänder fasse ich nebst
!) Synovialkapsel oder Synovialmembran. Dieser Namen ist aufzugeben, weil
er eine Nebenbedeutung hat, gegen welche sich ausdrücklich zu erklären noch immer
nicht überflüssig ist. Bei Bichat ist Synovialkapsel, unterschieden von der fibrö-
sen, eine Membran, die den flüssigen Inhalt des Gelenks secernirt; sie kleidet das
ganze Gelenk aus als ein geschlossener Sack, der sich continuirlich von dem einen Ge-
lenkknorpel, den er überzieht, auf die Innenfläche der fibrösen Kapsel, von dieser wieder
auf den Knorpel des anderen der articulirenden Knochen hinüberschlägt und den in das
Gelenk vorspringenden und durch das Gelenk verlaufenden Scheiben, Bändern, Sehnen
u. s. f. Ueberzüge giebt. Sie ist aber mit allen diesen Flächen, über welche sie sich
erstreckt, zu genau verwachsen, um für sich dargestellt werden zu können. Zur Zeit,
wo ich mich gegen diese dogmatische Auffassung der Synovial-, wie der serösen Häute
erklärte und eine Methode suchte, um die theoretisch construirten Ueberzüge die-
ser Art anatomisch nachzuweisen (allgemeine Anatomie Seite 364), hatte ich das Miss-
geschick, durch einen optischen Irrthum die Theorie gerade an einer unberechtigten Stelle
zu unterstützen. Charakteristisch für die serösen und Synovialhäute sollte eine Bindege- -
webslage mit einem die freie Fläche bedeckenden Epithelium sein. Beides glaubte ich auf
den Gelenkknorpeln ebenso, wie auf der inneren Kapselwand, zu finden. Giebt es nun
auch, wie das Folgende lehren wird, einzelne Gelenke, in welchen sich eine Bindegewebe-
schichte von der Kapsel über den Knorpel fortsetzt; sind auch in einem früheren Ent-
wickelungsstadium alle in die Gelenkhöhle schauenden Flächen von einer Zellenlage über-
kleidet, so liegt doch nach der Geburt in der grossen Mehrzahl der Gelenke der Knorpel
nackt und man würde also vergeblich nach einem Gewebe suchen, welches sich in conti-
nuirlichem Verlauf über alle Theile des Gelenks erstreckte. Was mich täuschte, haben, nach-
dem zuerst durch Todd und Bowman (Physiolog. Anatomy 1847, I, p. 90) das Factum
berichtigt war, Birkett (Guy’'s hosp. rep. 1848. Oct. p. 36) und Gerlach erklärt. Es
ist die in der Nähe der Oberfläche veränderte, flache und rundliche Form der Knorpel-
höhlen, welche die senkrechten Durehschnitte streifigfaserig erscheinen macht und dem von
Fu apts betrachteten Präparat ein Ansehen von nebeneinanderliegenden platten Zellen
giebt,
Bänderlehre. 3
den bereits erwähnten eigenen Bändern unter dem gemeinsamen Nah
Haftbänder 2) zusammen.
In manchen Kapselbändern sind die Bindegewebsbündel, ohne dass
eine Richtung vorherrschte, gleichmässig durcheinander gewebt; in anderen
treten besondere Faserzüge und Streifen hervor, welche auch wohl stellen-
weise die Mächtigkeit der Membran vergrössern. Solche Faserzüge lassen
sich mehr oder minder reinlich von der Substanz der Kapsel ablösen. Man
kann zweifelhaft sein, ob man sie als Theile der Kapsel oder als selbststän-
dige Haftbänder anzusehen habe. Eine scharfe Grenze ist hier in der
That nicht zu ziehen, doch- habe ich im Folgenden die Regel beobachtet,
alle Faserzüge als integrirende Theile der Kapsel zu beschreiben, welche
von dem fest verfilzten Bindegewebe der letzteren nicht wenigstens durch
eine, wenn auch dünne Lage von lockerem oder fetthaltigem Bindegewebe
geschieden sind.
Synarthrose und Diarthrose sind, so verschieden sie sich in ihren Ex-
tremen darstellen, dennoch keine wahren Gegensätze. Ich habe ihr Verhält-
niss zu einander an einer früheren Stelle (Knochenl. a.a.O.) durch die Vor-
stellung bezeichnet, dass die bewegliche Gelenkverbindung aus der unbe-
weglichen hervorgehe mittelst einer vom Centrum aus gegen die periphe-
rische Schichte vordringenden Erweichung und Verflüssigung der Zwischen-
substanz. Diese Vorstellung rechtfertigt sich sowohl durch die Entwicke-
lungsgeschichte, als durch die Reihen von Uebergängen, welche sich ne-
ben einander in den verschiedenen Knochenverbindungen des Erwachsenen,
sowie als Varietäten einer und derselben Knochenverbindung in verschie-
denen Individuen finden. Die Gelenkhöhlen des fötalen Knorpel- Skeletts
entstehen, wie Bruch?) bemerkt, durch Dehiscenz des zwischen den Enden
der knorplichen Anlagen der Skeletttheile übrig gebliebenen, nicht mehr
Fig. 1. zum Wachsthum des Knorpels verwende-
AM NIZOR MARS ten Bildungsgewebes; sie entstehen später
RN BRNTENR IR! als die Kapselbänder, die nichts Anderes
OO NND: pselbänder, |
MR RE sind, als die straff über den Zwischen-
ÜENRL raum der Knorpelenden hinweggespannten
mes Ne . .
dich ESS Fortsetzungen der Bein- oder vielmehr
Zu Seen Knorpelhaut. Noch beim siebenmonat-
SIE Ser i a hi
ee Rs lichen Fötus stehen manche Stücke, wel-
RE TIREISTTT EN
EITATNU IK TION DENN ESSN ai rei 5 ; ä
PORN Ya dh 10% che im reifen Körper mit planen Flächen
BANG OR nd articuliren, in ununterbrochenem Zusam-
Jan ER, wen“ menhang:: so ist z.B. die Stelle der späte-
Frontaldurchschnitt des Rippenknorpel- FEN Rippenknorpelgelenke auf dem Durch-
gelenks von einem monatlichen Fötus. schnitt (Fig. 1) nur durch einen schma-
len weissen Streifen angedeutet, der zwar dem blossen Auge ziemlich
scharf gegen den Knorpel abgesetzt erscheint, unter dem Mikroskope aber
sich als eine Knorpelschichte erweist, deren Höhlen nur etwas geräumiger
sind und dichter beisammen und mit dem längsten Durchmesser parallel
!) Ligg. accessoria, aumiliaria aut.
2) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Aus dem zwölften Bande
der Denkschriften der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft, S. 42.
ı*
Gelenke.
Zwischen-
bänder.
Bandschei-
ben.
4 Bänderlehre.
der künftigen Gelenkfläche liegen, indess sich in der zunächst angrenzenden
Knorpelsubstanz die längsten Durchmesser der Knorpelhöhlen meist schräg
gegen jene stellen. Eine ähnliche Beschaffenheit hat in der Regel beim
Erwachsenen die- Verbindung der ersten Rippe mit dem Handgriff des
Brustbeins, des Handgriffs des Brustbeins mit dem Körper dieses Kno-
chens; doch bildet sich hier in der Grundsubstanz zwischen den grösseren
Knorpelhöhlen der Zwischenschichte ein dem Binde- oder elastischen Ge-
webe ähnliches Fasergewebe aus. In den Verbindungen der übrigen wah-
ren Rippen mit dem Brustbein zeigen sich, von der untersten an aufwärts
gerechnet, immer ausgedehntere, immer näher unter das die Oberfläche be-
kleidende Perichondrium herantretende Gelenkspalten. So die Regel; wo-
mit nicht ausgeschlossen ist, dass zwischen Brustbeinhandgriff und Körper
oder zwischen Handgriff und erster Rippe eine wahre Gelenkhöhle vor-
kommt oder die nächsten Rippen mit dem Brustbein durch einfache Syn-
chondrose zusammenhängen. Andere Beispiele der in diesem Bereiche vor-
kommenden individuellen Schwankungen wird die Beschreibung der Wir-
bel- und Beckensynchondrosen liefern.
Eine nicht geringe Zahl von Gelenken zeichnet sich durch eine doppelte
oder getheilte Höhle aus; in ihnen muss die Verflüssigung oder Dehiscenz
von zwei Stellen ausgegangen sein. Die Scheidewand, welche beide Höhlen
trennt, wird entweder Zwischenband, Lig. interartieulare, oder Band-
scheibe, Meniscus 2), genannt. Zwischenbänder stehen mit ihren Flä-
chen senkrecht auf die artieulirenden Flächen. Sie finden sich nur in Gelen-
ken, deren Pfanne von zwei, durch Synchondrose verbundenen Knochen ge-
bildet wird, wie die Pfanne der zweiten bis zehnten Rippe von den Wirbel-
körpern und Synchondrosen, die Pfannen der vorderen Enden der zweiten
bis siebenten Rippe von den Abtheilungen und Synchondrosen des Brust-
beins; die Zwischenbänder gehen alsdann als Fortsetzungen der Synchon-
drose durch das Gelenk zu einer Firste der Endfläche (Crista capituli der
Rippe) des in der Pfanne befestigten Knochens. Bandscheiben liegen mit
ihren Flächen den Articulationsflächen parallel und sind mit dem Rande an
die Innenfläche der Kapsel oder unmittelbar an den Rand der einen oder
anderen Gelenkfläche angewachsen. In Synehondrosen , z. B. der Wirbel,
findet sich bei jungen Individuen eine den Bandscheiben der Diarthrosen
entsprechende, gleichsam dieselben vorbereitende Anordnung darin, dass
die von beiden Articulationsflächen gleich weit entfernte mittelste Schicht
der Zwischensubstanz aus dichter verwebten und stärkeren elastischen Fa-
sern besteht.
In den meisten der mit Bandscheiben versehenen Gelenke haben diese
Scheiben eine biconeave Form; ihre Mächtigkeit nimmt von den Rändern
gegen die Mitte ab. Hierbei ereignet es sich nun vielleicht durch Ab-
nutzung, vielleicht auch in Folge ursprünglicher Bildungsabweichungen, dass
die Mitte durchbrochen wird und statt der Scheibe ein platter und gegen
die Oeffnung zugeschärfter Ring sich zwischen die artieulirenden Flächen
einschiebt. Aus der doppelten Höhle wird auf diese Weise eine zweikam-
merige, deren beide Kammern durch das Lumen des Ringes mit einander
1) Cartilago interarticularis,
Bänderlehre. 5
communiciren. Die Umwandelung der Scheibe zum Ring kommt in dem
einen Gelenk häufiger vor als im anderen; im Kiefer- und Sternoclavieu-
largelenk ist sie Ausnahme, im Acromioclaviculargelenk Regel. Gelenke
der letzteren Art machen den Uebergang zu den regelmässig zweikamme-
rigen, die zweikammerigen endlich gehen durch Verschmälerung des ring-
förmigen Saumes in die einfachen über.
Einfach im strengen Sinne des Wortes sind nur sehr wenige Diar-
throsen des menschlichen Körpers. Nur in den den Synarthrosen zunächst
stehenden spaltförmigen Sternocostalgelenken, und auch in diesen nicht im-
mer, befinden sich die beiden Gelenkflächen in ihrer ganzen Ausdehnung
mit einander in unmittelbarer Berührung. In allen anderen Gelenken drin-
gen bald von dieser, bald von jener Seite, bald vom ganzen Umfange der
Kapsel höhere oder niedrigere, einfach scharfrandige oder gelappte Säume
mehr oder minder weit über den Rand der Gelenkflächen in die Höhle vor;
sie theilen tnvollkommen die einfache Höhle; sie finden sich aber meistens
auch in jeder Abtheilung einer durch eine vollkommene oder unvollkom-
mene Bandscheibe oder durch ein Zwischenband getheilten Höhle. Von
ihrem Volumen und somit von dem Raum, den ihnen die Gelenkhöhle dar-
bietet, hängt es ab, ob sie als Falten der Kapselmembran oder als selbst-
ständige Platten erscheinen; je nachdem sie zwischen den auf einander
gleitenden Flächen eingeklemmt oder neben ihnen oder in Vertiefungen
derselben frei liegen, sind sie straffer oder lockerer gewebt, arm oder reich
an Blutgefässen und Fett. Je nach diesem verschiedenen Ansehen wurden
sie als Bänder (Ligg. mucosa), Falten (Plicae synoviales s.. vasculosae),
als Fettklumpen oder Drüsen (Plicae adıposae, Glandulae mucilaginosae
Hav., Glandulae Haversü aut.), endlich als Bandscheiben- und Zwischen-
knorpel (Cartil. articulares des Kniegelenks) beschrieben. Ich werde sie
unter dem gemeinsamen Namen Synovialfortsätze (Processus syno-
viales) zusammenfassen. Dass Synovialfortsätze und Bandscheiben im We-
sentlichen identische Dinge sind, geht aus dem Gesagten hervor; man kann
die Bandscheiben für entwickelte Synovialfortsätze, wie die Synovialfort-
sätze für redacirte Bandscheiben erklären. Doch ist es dem Sprachge-
brauch gemäss, den Namen Bandscheiben für die selbstständigeren, festeren
und umfangreicheren Gebilde dieser Kategorie beizubehalten und auf die-
selben zu beschränken.
Die platten Synovialfortsätze, insbesondere der kleineren Gelenke, wer-
den meistens gegen den scharfen freien Rand, was freilich nur das Mikro-
skop nachweist, gelappt und gezähnelt, und von diesem Rande, aber auch
von manchen anderen Stellen des Gelenkes gehen fadenartige Auswüchse,
bald büschelförmig, bald vereinzelt ab, die ich mit Luschka Synovial-
zotten, Vili synoviales , nenne, wobei indess nicht verschwiegen werden
darf, dass sie in ganz ähnlicher Weise auch auf den Wänden anderer, ge-
schlossener (seröser) Höhlen und selbst in Schleimbeuteln vorkommen. An
Gelenken, die man unter Wasser öffnet, sieht man die stärkeren Zotten,
einem feinen Filz ähnlich, flottiren; daneben giebt es kürzere und dünnere,
wie auch Verästelungen der stärkeren, welche erst mit Hülfe des Mikro-
skops erkannt werden. Die stärkeren sind im frischen Zustande, von ge-
füllten Blutgefässschlingen, roth. Auf ihre Gestalt, in Verbindung mit ih-
Synovial-
fortsätze.
6 Bänderlehre.
rer Textur, komme ich sogleich zurück und erwähne nur noch, dass ich im
Schultergelenk Büschel solcher Zotten von der Kapselwand aus in Gruben
des gegenüberliegenden Halses des Armbeines eintreten sah, aus welchen
sie sich leicht herausziehen liessen, aber vielleicht doch nicht ohne Zerreis-
sung von Gefässen, die mit Gefässen der schwammigen Knochensubstanz
in Verbindung stehen. In vielen Gelenken, besonders in jenen mit dicken
und unregelmässigen Synovialfortsätzen, wie das Sternoclavieulargelenk,
finden sich eylindrische oder platte Fäden, die an beiden Enden angewach-
sen und strangförmig von der einen Fläche zur anderen gespannt sind.
iextuerder Die Gewebe, die sich zur Verbindung der Knochen verwendet finden,
Gelenke. sind das Knorpel-, elastische und Bindegewebe mit ihren mannigfaltigen
Uebergangsformen. Es ist nöthig, etwas näher auf die Art ihres Zusam-
menhanges in den Gelenken einzugehen. Um auch hier wieder mit dem
Einfachsten anzufangen, müssen wir zuerst derjenigen Synarthrösen geden-
ken, in welchen der Raum zwischen den beiden Knochenflächen von einer
gleichartigen Substanz ausgefüllt wird. Diese Substanz ist entweder Bin-
degewebe (an den Nähten des Schädels) oder Knorpel (an den erwähnten
Synchondrosen des Brustbeins und der Rippen, an den transitorischen Syn-
chondrosen des Rumpfes und der Extremitäten), je nachdem die Grundlage
der betreffenden Theile vor dem Beginn der Verknöcherung faserig oder
knorplich gewesen war (d.h. je nachdem die betreffenden Theile dem prim-
ordialen oder secundären Skelett angehören). Ganz rein ist übrigens das
Bindegewebe auch an diesen Stellen nicht; in den Zwischenräumen der
Bündel verlaufen, wie in allen fibrösen Gebilden, in weitläufigen Netzen
elastische (Kern-) Fasern. Der Knorpel jener einfachsten Synchondrosen
ist von der Art, die man hyalinisch (oder ächt) nennt: er besteht aus einer
spröden, harten und für das Mikroskop homogenen Grundlage, welche zahl-
reiche, ziemlich gleichmässig vertheilte, kugelförmige oder abgeplattete mi-
kroskopische Lücken enthält, in denen sich Kernzellen einzeln oder in klei-
nen Gruppen eingeschlossen finden.
Schon die rein hyalinischen Synchondrosen können, wie erwähnt,
einem Gelenk ähnlich werden und eine gewisse Beweglichkeit erlangen
dadurch, dass in einer mittleren Schichte die Lücken auf Kosten der Grund-
substanz sich vergrössern und näher an einander drängen. Gewöhnlich
aber ist mit dieser Veränderung der Lücken auch eine Zerfaserung der
Zwischensubstanz verbunden, die dann ebenfalls biegsamer wird, und die
Synchondrose ist alsdann entschieden in drei Lagen zerfallen, zwei hyali-
nische, die man als Ueberzüge der mit einander articulirenden Knochenen-
den (Analoga der Gelenkknorpel) betrachtet, und eine intermediäre faserige,
die nun das eigentliche Band darstellt. Die Fasern, die sich unter diesen
Umständen entwickeln, gehören dem Bindegewebe oder elastischen Gewebe
an; Jene charakterisirt der wellenförmig geschwungene Verlauf der blassen,
parallelen, zu Bündeln geordneten Fibrillen und deren Aufquellen in ko-
chendem Wasser und Essigsäure; diese, die elastischen Fasern, werden an
den dunklen Contouren, der netzförmigen Verbindung , der Unempfindlich-
keit gegen alle Arten von Reagentien erkannt. An einigen Stellen, na-
mentlich in den Wirbelsynchondrosen, kommt eine zwischen elastischem
Bänderlehre. 7
und Bindegewebe intermediäre Form von Fasern vor, welche parallel, wel-
lenförmig und in Bündeln liegen , aber der Essigsäure und dem kochenden
Fig. 2. Wasser wid@'stehen und in
Essigsäure sogar deutlicher
und dunkler werden. Alle
diese Faserung entsteht ge-
radezu aus Spaltung der hy-
alinischen Grundlage oder
aus Ablagerung in dieselbe;
jeder feine Durchschnitt an
geeigneter Stelle (vgl. Fig.
2) zeigt den Uebergang der
zwischen den zellenhaltigen
Lücken gelegenen Brücken
homogener Knorpelsubstanz
in Bindegewebsbündel, und
nurin Betreff der elastischen
Fasern besteht eine Con-
troverse, deren Erörterung
mich hier zu weit führen
würde, ob sie nicht zum
Theil als Ausläufer aus den
Zellen des Knorpels her-
vorwachsen.
Durch die Zerfaserung
der Grundsubstanz wird
Verticaldurchschnitt eines Fingergelenkes. 1 Knochen. der hyalinische Knorpel zu
2 Gelenkknorpel. 3 Synovialfalte, 4 Beinhaut. Faserknorpel , und der
5 Kapsel, aus longitudinal und quer durchschnittenen ö : - =
Bündeln gewebt. * Epithelialbekleidung derselben. letztere wird Bindegewebs
knorpel oder elastischer
Knorpel genannt, je nachdem die Faserung den Charakter des einen oder
anderen dieser Gewebe trägt. Zum Knorpel rechnen wir das Gewebe, so
weit die in das Fasergewebe eingebetteten Zellen und Zellengruppen, de-
ren Grösse und Form übrigens sehr mannigfaltig sein kann, an die Anord-
nung der Zellen und der sie einschliessenden Lücken im hyalinischen
Knorpel erinnern. Die Umwandlung in eigentliches Fasergewebe aber ist
erfolgt, wenn die Zellen verschwunden oder auch nur so weit verändert
sind, dass sie sich nicht mehr als solche zu erkennen geben. Dies ge-
schieht z. B. beim Uebergang des Bindegewebsknorpels in Bindegewebe in
der Weise, dass die Zellen sich zu dünnen Schüppchen abplatten oder
sammt ihren Kernen zu feinen Stäbchen verlängern. Bei dieser Art des
Zusammenhanges aber muss es Gebilde geben, die uns über die ihnen an-
zuweisende Stellung in Zweifel lassen, Knorpel mit Spuren von Faserung,
elastisches und Bindegewebe mit vereinzelten Knorpelzellen. Und zwar
finden sich solche Uebergangsformen nicht nur an den Grenzen, längs wel-
chen Knorpel und Fasergewebe einander berühren, sondern auch in ausge-
dehnteren und selbständigeren Massen (z, B, in den Wirbelsynchondrosen,
in manchen Bandscheiben). x
8 Bänderlehre.
Wenn sich in der Synchondrose eine Höhle bildet, so tritt die Spal--
tung innerhalb des Faserknorpels ein und sonach kleidet ein dem Faser- h
knorpel mehr oder minder nahe stehendes Fasergewebe die Wände der
Höhle aus. In den vollkommneren Gelenken dagegen sind in der Regel
die Artieulationsflächen allein von einer Schichte hyalinischen Knorpels
überzogen, dessen oberflächliche Lagen sich von den tiefen nur durch die
Abplattung der Knorpelhöhlen unterscheiden. Erst am Rande der Gelenk-
fläche geht der hyalinische Knorpelbeleg auf die beschriebene Weise in das
Bindegewebe der Beinhaut und Kapselmembran über und ganz allgemein
erfolgt dieser Uebergang in einer (auf dem Durchschnitt) re Linie,
je näher der Oberfläche in um so geringerer Entfernung vom Mittelpunkt
der Gelenkfläche (vergl. Fig. 3). Ausnahmsweise erhält in einzel-
nen Gelenken, und zwar nur in getheilten, die sanze Gelenkfläche
einen Ueberzug von Fasergewebe über dem hyalinischen (Faserknorpel in
Fig. 3. den getheilten Rippenköpf-
chengelenken, Bindegewe-
be im Kiefergelenk); eine
noch auffallendere Aus-
nahme machen die beiden
Schlüsselbeingelenke, in
welchen die artieulirenden
Knochenflächen ohne Ver-
mittelung von Knorpel nur
von Bindegewebe bedeckt
sind.
Nach Luschka (Müll.
Archiv 1355. 8. 486) liegt beim
Neugeborenen in verschiede-
nen Gelenken über dem Ge-
lenkknorpel eine bald homo-
gene, bald faserige Substanz,
aus welcher blattähnliche, ein-
fache oder ästige Zotten her-
vorgehen.
Die Mächtigkeit des
hyalinischen Gelenkknor-
pels schwankt zwischen 1/;
und 4m und ist im All-
gemeinen der Ausdehnung
der Gelenkfläche propor-
Verticaldurchschnitt eines Fingergelenkes. 1 Knochen. 2 1; Fed Gelenk
2 Gelenkknorpel. 3 Synovialfalte. 4 Beinhaut. H0N2 an: en ET
5 Kapsel, aus longitudinal und quer durchschnittenen “köpfen nimmt sie gegen
Bündeln gewebt. * Epithelialbekleidung derselben. den Umfang, auf den Pfan-
nen gegen die Mitte ders Gelenkfläche ab, so dass in der Regel die
Krümmung der freien Fläche einem kleineren Radius angehört, als
die der angewachsenen. An manchen Knochen (z. B. Capitula meta-
carpi) gleicht der Knorpel Unregelmässigkeiten der Krümmung der Kno-
chenfläche aus. Was den Umfang des Knorpels betriflt, so bedeckt er in
der Regel die Gelenkflächen in der Ausdehnung, in welcher sie bei den
Bänderlehre. 9
Extremen der Bewegung mit einander im Berührung kommen; doch finden
auch hiervon nach zwei Seiten Ausnahmen Statt. Einerseits findet sich
Knorpel auf Flächen, welche niemals von der gegenüberliegenden Gelenk-
fläche berührt werden, z. B. am lateralen Theile des Radiusköpfehens, an
der unteren Fläche der Köpfchen der Mittelfussknochen. Andererseits neh-
men auch Gewebe anderer Art an der Bildung der articulirenden Flächen
Antheil. Die Pfanne mehrerer und gerade der ansehnlichsten Gelenke ver-
grössert eine, gegen den freien Rand zugeschärfte, aus festem Bindegewebe
gebildete Lippe, Labrum glenoidewn !); an den Finger- und Zehengelenken
legt sich bei äusserster Beugung der überknorpelte Rand der je unteren
Phalanx auf einen nur von dem Bindegewebe der Kapsel überzogenen
Theil der Vorderfläche der je oberen Phalanx.
Nicht immer heftet sich die Kapsel an den Rand der Gelenkfläche.
Bald an Einem der articulirenden Knochen , bald an beiden setzt sie sich
in grösserer oder geringerer Entfernung vom Rande der überknorpelten
Fläche an, einen Theil des sogenannten Halses oder des die Pfanne tra-
genden Vorsprungs in.die Gelenkhöhle mit einschliessend. Von der Stelle,
wo die Kapsel an den Knochen herantritt, setzt sie sich nach der Seite des
Körpers des Knochens in die Beinhaut, nach der Seite der Gelenkhöhle in
eine Bindegewebehaut fort, welche in manchen Gelenken fest, in anderen
faltig und locker bis zum Rande des Knorpelüberzuges auf dem Knochen
aufliegt und im letzteren Fall bei Dehnung der Kapsel vom Knochen ab-
gezogen und zur Verlängerung der Kapsel verwandt wird.
Die Kapselmembran besteht aus Bindegewebe, dessen Bündel im All-
gemeinen in der äusseren Schichte einen Teneisdinalen. d. h. von einem
Knochen zum anderen gerichteten Verlauf haben, in der inneren Schichte
aber kreisförmig, d. h. dem Anheftungsrande parallel geordnet sind. Diese
Regel erleidet durch Beimischung der Faserzüge von Haftbändern, Muskel-
sehnen u. s. f. zahlreiche Ausnahmen. Wo der Faserverlauf eine innere
Sehichte zu unterscheiden gestattet, ist die Mächtigkeit derselben im Ver-
gleich zur äusseren gering. In jedem Falle hat die Kapsel in der Nähe
der freien Oberfläche feinere Bündel, feinere und minder zahlreiche elasti-
sche Fasern, dagegen einen Reichthum an feinen Capillargefässen. Und
immer ist der Zusammenhang aller Bindegewebslagen der Kapsel ein
gleich inniger, nirgends eine Trennung in Blätter vorgebildet.
Die innere Oberfläche der Kapselmembran ist von einem einfachen
Pflasterepithelium bekleidet, welches auf die Synovialfortsätze und Band-
scheiben in der Regel nicht übergeht und den Anheftungsrand der Kapsel
am Knorpel nicht überschreitet ?).
Aus Bindegewebsbündeln, die einander in verschiedenen, doch durch-
gängig der Oberfläche parallelen Richtungen durchkreuzen, bestehen auch
die Bandscheiben und die stärkeren scheibenförmigen Synovialfortsätze;
doch finden sich hier häufiger Knorpelzellen eingestreut. Die Läppchen,
in die der innere Rand der Synovialfortsätze sich theilt, sind ausgezeich-
)) L. cartilagineum s. fibrosum s. fibro-cartilagineum, Limbus carülagineus, Lig. glenoideum.
2) Die Stellen an den Kapselmembranen der Finger- und Zehengelenke, an welchen
Kölliker (Mikroskopische Anat, Bd. I, S. 325) beständig das Epithelium vermisste, wa-
ren die auseinander gezögenen Synovialfalten.
Synovia.
10 Bänderlehre.
net durch Reichthum an feinen zierlich gewundenen Blutgefässen. Die
zottenförmigen Synovialfortsätze sind im Wesentlichen ebenfalls Stränge
longitudinaler Bindegewebsfasern mit langgezogenen Gefässschlingen, mit
feinen interstitiellen elastischen Fasern und hier und da mit vereinzelten
oder gruppen- oder reihenweise geordneten kugeligen Zellen, die man
wohl Knorpelzellen nennen darf. Manche Zotten dehnen sich an der Spitze
oder an anderen Stellen zu kugeligen, wassererfüllten Blasen aus (Fig. 4).
In vielen nimmt ein Bindegewebsbündel nur die Axe ein, indess die
Peripherie aus einer unfaserigen, feinkörnigen und meist von Zellen-
kernen durchsäeten Substanz besteht. Diese Substanz bildet für sich allein
manche der kleineren Zotten; sie bildet kolbige Auswüchse bald an den
Fig. 4.
=
I rue
\f
Synovialzotten aus dem Öberarıngelenk. Synovialzotte aus dem Kniegelenk.
* Blasig angeschwollene Stellen.
Spitzen, bald von den Seiten der Zotten, bald hinter einander in einer
Reihe, welche von dem Bindegewebsbündel wie von einem gemeinschaft-
lichen Stiel durchzogen wird (Fig.5). Ein eigentliches Epithelium besitzen
diese Zotten nicht; doch nimmt sich die feinkörnige Substanz mit den re-
gelmässig vertheilten Kernen, wenn sie in dünner Lage an der Oberfläche
zum Vorschein kommt, wie ein Epitheliüm - Ueberzug aus.
Epithelium und Gefässe scheinen sich nur in denjenigen Regionen des Gelenks
auszubilden, die dem Druck oder der Reibung bei den Bewegungen weniger aus-
gesetzt sind. Beim Fötus fanden Todd und Bowman (a. a. O.) und Reichert
(Müller’s Archiv, 1849. Jahresbericht S. 16) die ganze Wand der Gelenkhöhle,
Knorpel und Kapselmembran von Pflasterepithelium bekleidet und Reichert fragt
deshalb mit Recht, ob nicht vielleicht auch beim Erwachsenen, wenn die Gelenke
längere Zeit ausser Thätigkeit gesetzt wären, sich die nackten Stellen des Gelenkes
mit Epithelialzellen beilecken möchten ?
Die etwaigen Unebenheiten der die Gelenkhöhle begrenzenden Wände
auszugleichen, die Lücken auszufüllen und die auf einander gleitenden Flä-
Bänderlehre. 11
chen schlüpfrig zu erhalten, dient eine zähe, klebrige Flüssigkeit, die
Synovia (Gelenkschmiere), von der es noch zweifelhaft ist, ob sie in
dieser Zusammensetzung aus den Gefässen der Kapsel und der Synovial-
fortsätze ausgeschieden wird, oder ob sie als ein Exsudat zu betrachten ist,
welches seine charakteristischen Eigenschaften nachträglich erhält, etwa
durch Wiederaufsaugung der wässerigen Bestandtheile oder durch eine Se-
cretionsthätigkeit der die Wände bekleidenden Epitheliumzellen oder .durch
Auflösung der letzteren.
Eine Anzahl von Gelenken steht mehr oder minder beständig mit Sy-
novial- oder Schleimbeuteln, Bursae synoviales, in Verbindung, einfa-
chen oder fächrigen Säcken, deren Wände von Bindegewebe gebildet, in
der Regel mit Epithelium bekleidet, auch stellenweise mit Zotten besetzt
sind. Wo eine solche Communication besteht, ist, wie von selbst einleuchtet,
der flüssige Inhalt des Gelenkes und des Schleimbeutels der nämliche, und
da sich der letztere leicht vom Gelenk aus füllen oder nach demselben ent-
leeren kann, so ist damit ein Mittel gegeben, die Verschiebungen der Kno-
chen im Gelenk zu erleichtern. An anderen Stellen dienen demselben Zwecke
Fettmassen und Venenplexus, welche das Gelenk umlagern und ohne Mühe
verdrängt oder comprimirt werden.
Was die Textur der Haftbänder betrifft, so bestehen sie aus reinem,
nur mit wenigen elastischen Fasern gemischtem Bindegewebe; davon ma-
chen allein die Ligamenta intereruralia der Wirbelsäule eine Ausnahme,
welche ganz aus elastischen Fasern gewebt sind.
Betrachtet man die Configuration der Gelenkverbindungen, von wel-
cher weiterhin die Art der Beweglichkeit abhängt, so findet man, dass in
einer grösseren oder geringeren Zahl von Gelenken das gleiche Prineip
sich wiederholt. So hat man sich veranlasst geseben, Gruppen aufzustel-
len, die das Aehnliche zusammenfassen sollten, in welchen aber freilich
auch manche Besonderheit unbeachtet untergegangen ist.
Ich habe erwähnt, dass schon die beiden Hauptabtheilungen der Kno-
chenverbindungen, die Synarthrosen und Diarthrosen, nicht scharf geschie-
den werden können. Verbindungen von ganz gleichem Bau, in welchen
die einander zugewandten Flächen theilweise überknorpelt und frei, theil-
weise durch Bandmasse vereinigt sind, wurden, die Einen Synchondrosen,
die anderen Gelenke genannt, je nachdem sich der Blick zufällig mehr auf
die freien oder auf die verwachsenen Stellen gerichtet hatte, oder je nach-
dem man willkürlich die durch Bandmasse vereinigten Flächen als Theile
der Gelenkfläche angesehen hatte oder nicht. So ist z. B. die Verbindung
der Hüftbeine mit dem Kreuzbein eine Syndesmose, wenn man die Tu-
berositos iliaca und die entsprechenden Rauhigkeiten des Kreuzbeins mit zu
den Articulationsflächen rechnet; sie ist dagegen Gelenk, wenn man die
diese Bauhigkeiten an einander heftenden Bänder als Hülfs - oder Haftbän-
der ansieht. Jedenfalls verdient aber diese Verbindung eher den Namen
eines Gelenks, als die sogenannten Rippenbrustbeingelenke 1).
!) Es war auch nichts damit gewonnen, dass man, wie Cruveilhier, für die Ver-
bindungen der erwähnten Art eine mittlere Classe, Amphiarthrosen oder Symphy-
sen (Cruv.), schuf, da daneben in dem Genus Arthrodie, worunter man in Frank-
Textur der
Haftpänder.
Formen der
Gelenke.
12 Bänderlehre.
Zur Classe der eigentlichen Gelenke zähle ich alle Knochenverbindun-
gen, in welchen constant ein Theil der Articulationsfläche frei ist; sie zer-
fallen in zwei, in ihren Extremen wesentlich verschiedene, aber auch wie-
der durch Uebergangsformen verbundene Gruppen: Gelenke mit congruen-
ten und mit incongruenten Flächen. Die Gelenke der letzteren Art sind
zahlreicher, als man glaubt. Es gehören dahin zuerst alle getheilten und
zweikammerigen, mit Bandscheiben versehenen Gelenke, und da die Band-
scheiben, wie oben bemerkt, allmälig zu Synovialfalten sich verschmälern,
so gehen auch allmälig die incongruenten Formen der Gelenke in die con-
gruenten über. Es ist schwer zu sagen, ob die Natur die Gelenkfläche in-
eongruent machte, um Raum für die Bandscheiben zu schaffen, oder ob sie
die Bandscheiben schuf, um die Incongruenzen der Knochen auszugleichen.
Gewiss aber liegt der Hauptzweck der Bandscheiben nicht darin, den Ge-
lenkknorpel gegen Druck und Stoss zu schützen; es wäre sonst unver-
ständlich, warum sie im Mittelpunkt der Gelenkflächen am schwächsten sind
oder fehlen; warum sie dem Kniegelenk nothwendiger waren, als dem
Knöchelgelenk u. s. f£ Druck auszuhalten, ist die Knorpelsubstanz ebenso,
wenn nicht besser geeignet, als das Bindegewebe; das letztere aber hat
den Vorzug der Zusammendrückbarkeit und Dehnbarkeit; ein Zwischenla-
ger von Bindegewebe erlaubt daher den articulirenden Knochen, sich nach
Jeder Seite hin gegen einander zu neigen, und so steht auch in mechani-
scher. Beziehung das getheilte Gelenk der Synchondrose am nächsten. In
manchen Gelenken gewährt die Bandscheibe noch den Vortheil der Be-
weglichkeit; sie stellt eine Art portativer Pfanne dar, die der Gelenkkopf
vor sich herschiebt (Kiefer-, Kniegelenk). Wieder eine andere Rolle spielt
die Bandscheibe des unteren Radio-Ulnargelenkes, auf dessen Beschreibung
ich verweise. Incongruenzen der Articulationsflächen kommen aber nicht
bloss in solchen Gelenken vor, wo sie durch Bandscheiben wieder corri-
girt werden; ein Beispiel unausgeglichener Incongruenz und ein Gelenk
ganz eigenthümlicher Art, dessen Construction sich nicht mit einem ein-
fachen Worte bezeichnen lässt, bieten die Verbindungen der unteren Ge-
lenkflächen des Atlas mit den oberen des Epistropheus. Ueberhaupt sind
nur wenige Gelenke mit der Genauigkeit gebildet, die uns an einzelnen
und gerade an den grösseren (Schulter-, Ellenbogen- und Hüftgelenk)
überrascht. Fast allgemein gehört die Wölbung des Gelenkkopfs einem
kleineren Radius an, als die entsprechende Concavität der Pfanne; manche
Gelenkhöhlen sind für den Kopf, den sie einschliessen, zu weitund gestatten
ihm demnach Drehungen noch in anderen Richtungen, als zu welchen er
nach der Form der Gelenkflächen befähigt scheint, und dies ist besonders
dann der Fall, wenn die Gelenkhöhle, wie im Carpal- und Knöchelgelenk,
von mehreren gegen einander, wenn auch nur in geringem Maasse ver-
schiebbaren Knochen getragen wird.
reich die Gelenke mit planen, wenig verschiebbaren Flächen versteht, Articulationen mit
theilweise freien und theilweise verwachsenen Flächen vorkommen, wie z. B. die Articula-
tionen des Kopfbeins mit seinen Nebenknochen. Die hierdurch erzeugte Verwirrung äus-
sert sich auch darin, dass von anderen Schriftstellern der Name Amphiarthrosen geradezu
auf die Arthrodien Cruveilhier's, auf die straffen Gelenke bezogen wurde, während man
in Deutschland allgemein unter Arthrodie die freiesten Gelenke versteht.
Binderlehre. 13
Unter den Gelenken mit eongruenten Flächen werden nach der Form Eintheilung.
der Gelenkflächen folgende Arten unterschieden:
1) Gelenk mit kugelförmigen Flächen, Arthrodiel). Der Kopf
lässt sich in der Pfanne nach jeder Richtung verschieben und in jeder Stel-
lung um eine senkrecht auf die Pfanne gedachte Axe drehen. Die Drehung
der letzteren Art wird insbesondere mit dem Namen Rotation bezeichnet.
2)Gelenkmitelliptischen Flächen, CondylarthrosisCruv.; der Con-
dylus, Theil eines Ellipsoids, wird in der entsprechenden Pfanne in zwei
einander rechtwinklich kreuzenden Richtungen, nämlich um seine grosse
und kleine Axe, gedreht, aber nicht (im engeren Sinne des Wortes) rotirt
(Radiocarpalgelenk).
3) Gelenk mit sattelförmigen Flächen; jede Gelenkfläche in Einer
Richtung kugelförmig concav, in einer anderen, rechtwinklich zu jener,
convex; beide ineinandergreifend, so dass in zwei unter rechtem Winkel
gekreuzten Durchschnitten des Gelenks derselbe Knochen hier die Pfanne,
dort den Gelenkkopf trägt. Bewegung, wie in der Condylarthrose, um
zwei einander rechtwinklich kreuzende Axen, mit Ausschluss der Rotation
(Daumencarpalgelenk).
4) Gelenk mit eylindrischen Flächen.
a) Winkelgelenk, Ginglymus 2).
Der Kopf, einem der Länge nach halbirten Cylinder einigermaassen
ähnlich, bildet, gleich der entsprechenden Pfanne, liegend, d. h. mit der
Längsaxe rechtwinklich gegen die Längsaxe der artieulirenden Knochen
gestellt, die Endfläche der letzteren. Kopf und Pfanne weichen, jener
dureh Furchen, diese durch vorspringende Leisten, welche rechtwinklich
gegen die Längsaxe des Cylinders über die Gelenkfläche ziehen, von der
reinen Cylinderform ab. Das Ineinandergreifen jener Furchen und Leisten
verhindert, in Verbindung mit seitlichen Haftbändern, die Verschiebung
der Gelenkflächen in einer der Längsaxe des Cylinders parallelen Richtung
(Finger- und Zehengelenke).
b) Rollgelenk, Trochoides 3).
Die Axe der eylindrisch gewölbten und vertieften Gelenkflächen fällt
mit der Längenaxe der articulirenden Knochen zusammen oder, mit anderen
Worten, die Gelenkflächen nehmen einen Theil der Seitenflächen der arti-
eulirenden Knochen ein. Die ausgehöhlte Gelenkfläche wird durch ein
Band zum Ring ergänzt (Radioulnargelenke, Zahngelenk des Epistropheus).
Die Amphiarthrose ) wird definirt als Gelenk mit planen oder fast
planen Flächen, welche sich nach jeder Richtung , aber nur innerhalb ge-
ringer Entfernungen, an einander verschieben. Das Charakteristische der
sogenannten Amphiarthrosen liegt aber nicht in der Gestalt der Flächen,
die sehr variabel ist, sondern in der geringen Verschiedenheit der Dimen-
sionen, die zwischen beiden Articeulationsflächen besteht. Von dieser Ver-
schiedenheit hängt die Grösse der Excursion der Bewegungen ab, da, ab-
gesehen von der Rotation, die zu bewegende Fläche auf der ruhenden in
jeder Lage um gerade so viel vorrücken kann, als die Distanz des vorde-
ren Randes der ersteren vom vorderen Rande der letzteren beträgt. Ge-
) Enarthrosis Cruv. ?) Gewerb-, Scharnier- oder Kniegelenk, ‚Gewinde.
®) Rotationsgelenk, rotatio, *) Arthrodie, Winslow, Cruv,
14 Bänderlehre.
lenkflächen, welche einander gegenseitig decken, haben, welches ihre Form
sein möge, so gut wie keine Beweglichkeit. Man dürfte demnach, wenn-
gleich auch dieser Charakter ein fliessender ist, die Gelenke eintheilen in
solche mit ähnlichen und mit gleichen Flächen; die Gelenke der letz-
teren Art sind die Amphiarthrosen. Mit dem Grade der Verschiebbarkeit
muss die Weite der Kapsel sich in Uebereinstimmung befinden: bei weit
exeurrirenden Gelenken wird sie also, wenn die eine extreme Stellung sie
nach der einen Seite spannt, an der entgegengesetzten Seite zu weit und
schlaff erscheinen. Es ist dafür gesorgt, dass sie sich jedesmal an der er-
schlaffenden Seite regelmässig in Falten legt, und zwar dadurch, dass die
Muskeln, deren Zusammenziehung die Knochen gegen einander bewegt, in
ihrem Verlauf über die Kapsel straff an die letztere angeheftet sind, zum
Tbeil auch wohl in ihr enden, so dass die active Bewegung der Knochen nicht
geschehen kann, ohne gleichzeitige Anziehung der Kapsel in der gleichen
Richtung. Kommen die Muskeln, die eine Bewegung ausführen, nicht in
Berührung mit der dabei interessirten Kapsel, so erhält diese einen eigenen
Spannmuskel (M. plantaris). Die Kapsel der Amphiarthrosen geht auf dem
kürzesten Wege vom Rande der Einen Gelenkfläche zum Rande der ande-
ren. Ganz passend werden sie deshalb auch, wie erwähnt, mit dem Na-
men straffe Gelenke belegt.
In den beweglichen Gelenken ist es immer die gewölbte Fläche, welche
die ausgehöhlte an Ausdehnung übertrifft. Die Ebene aber, in welcher
beide einander berühren, hat, wie sich von selbst versteht, bei jeder Stel-
lung des Gelenks die gleiche Gestalt. Die Beschreibung dieser Ebene,
die ich im Folgenden die Articulationsebene nennen werde, ersetzt uns
eine gesonderte Beschreibung der Gelenkflächen des Kopfes und der Pfanne.
Der Ausspruch, dass die Form der Gelenkflächen die Art und Exeur-
sion der Bewegungen bestimme, erfordert noch einige Einschränkungen.
Einerseits, wie bereits erwähnt, werden dadurch, dass die artieulirenden
Flächen sich von einander entfernen, Verschiebungen möglich, die nach
der ursprünglichen Anlage des Gelenks nicht vorgesehen scheinen. Syno-
via, die aus den seitlichen Ausbuchtungen der Kapsel zwischen die Gelenk-
flächen vordringt, Blut, welches sich in den Gefässen der Synovialfortsätze
anhäuft, füllt dann den zwischen den Articulationsflächen entstehenden
leeren Raum. Zu gleicher Zeit (wie ein Zug an dem Finger zeigt, der
die Grundphalange vom Köpfchen des Mittelhandknochens entfernt) drängt
der Druck der äusseren Luft die in der Umgebung der Kapsel befindlichen
Gewebe, die Cutis nicht ausgeschlossen, nach innen vor. Andererseits
giebt es mancherlei Einrichtungen, um eine Bewegung zu hemmen, ehe sie
das durch die Configuration der Gelenkflächen gesteckte Ziel erreicht hat.
Den wesentlichsten Einfluss auf die Beschränkung und Regulirung der Be-
wegungen übt in jedem Falle die Kapsel aus: insbesondere hängt von ihrer
Spannungs- und Torsionsfähigkeit die Grenze ab, bis zu welcher sich in
Kegel- und Rollgelenken die Knochen verschieben und um ihre Längsaxe
drehen lassen. Die Kapsel kann durch Haftbänder unterstützt werden;
Knochenvorsprünge, die sich vom Rande der Gelenkfläche erheben, können
verhindern, dass die Bewegung nach der einen oder anderen Seite zu Ende
geführt werde; in der Regel aber hat die Torsion und Spannung der Kapsel
Bänder des Stammes. 15
ihr Maximum erreicht, wenn diese accessorischen Hemmungsmittel zur
Wirksamkeit gelangen. Eine Ausnahme machen die Gelenke der Mittel-
hand- und Mittelfussknochen mit den Grundphalangen; diese Gelenke !)
sind mit Seitenbändern versehen, welche bei der Beugung in Spannung
gerathen und dann der Drehung der Phalange um ihre Längsaxe sich
widersetzen. Stehen zwei Knochen durch paarige Gelenke in Verbindung,
wie dies z. B. bei den Wirbeln der Fall ist, so gestatten beide Gelenke
einander nur diejenigen Bewegungen, die um die gleiche Axe von Statten
gehen, und beschränken einander gegenseitig in den übrigen.
Schliesslich verdient noch angemerkt zu werden, dass nicht alle Lage-
veränderungen, deren die Knochen vermöge der Organisation der Gelenke
fähig sind, durch die activen Bewegungsorgane wirklich ausgeführt wer-
den. Mit äusserer Gewalt lässt sich in vielen Gelenken (ich erwähne bei-
spielsweise die Gelenke der Hand und Finger) die Streckung, Beugung
und Rotation weiter treiben, als es mit Hülfe der diese Bewegungen ein-
leitenden Muskeln gelingt.
A. Bänder des Stammes.
1. Bänder der Wirbelsäule und der hinteren Enden der Rippen.
Da dieselben Knochen, welche an dem Brusttheil der Wirbelsäule als A. Bänder
Rippen beweglich angefügt sind, am Hals-, Bauch- und Kreuztheil a mue
Fortsätze der Wirbel erscheinen; da demnach die Bänder, welche am Br
korb dem hinteren Ende der Rippe angehören, so weit sie sich an anderen Yunern
Regionen der Wirbelsäule unverknöchert erhalten, in eigene Bänder der ER
Wirbel umgewandelt werden, so lässt sich die Beschreibung der Bänder,
welche die hinteren Enden der Rippen mit der Wirbelsäule und unter sich
verbinden, von der Beschreibung der Wirbelbänder nicht trennen. Die |
Bänder der falschen Wirbel sind im Wesentlichen nach demselben Plan |
gebildet, wie die der wahren; doch bedingt die Verwachsung der Kreuz-
wirbel und die Verkümmerung der Steisswirbel EigenthüMlähkeiten, de-
rentwegen es zweckmässig erscheint, die Bänder dieser Wirbel für sich
und im Zusammenhang zu beschreiben. Andererseits erfordern wegen ihrer
eigenthümlichen Einrichtung die Gelenkverbindungen der Drehwirbel und
ie: Schädels eine gesonderte Betrachtung.
Die Bänder der Beugewirbel und Rippen sind theils eigentliche Ge-
lenkbänder, wozu wir auch die Synchondrosen der Wirbellörper zählen,
theils Haftbänder. Die letzteren wiederholen sich entweder, wie die Ge-
lenkbänder, in gleicher Weise von einem Segment der Wirbelsäule zum
anderen, oder sie erstrecken sich ununterbrochen über eine Reihe von Wir-
beln. Bänder der letzteren Art nennt man gemeinsame; es sind deren
drei, unpaarig, sämmtlich, wie sich von selbst ‘versteht, von verticalem
Verlauf — von den Krümmungen der Wirbelsäule darf man bei der Be-
schreibung der Lage der Bänder abstrahiren —, an der vorderen und hin-
teren Fläche der Wirbelkörper und über den Dornen sich hinziehend.
Y) Ginglymo-Arthrodien nach H. Meyer.
16 Bänder der Beugewirbel.
Il. Bänder der Beugewirbel.
a. Syncehondrosen und Kapselbänder.
1. Wirbelsyncehondrosen, Ligamenta intervertebralia ').
I. Bänder Die Scheiben relativ weicher Substanz, welche zwischen je zwei Wir-
a belkörper eingeschaltet sind, passen sich in Form und Umfang den End-
a.Synchon- lächen der Wirbelkörper an und nehmen demnach vom unteren Ende der
ee Säule der wahren Wirbel gegen das obere im transversalen und sagittalen
1. Wirbei- Durchmesser ziemlich gleichmässig ab; ihre Höhe ist am geringsten zwi-
N schen dem dritten bis sechsten oder siebenten Brustwirbel; sie nimmt von
da an abwärts beträchtlich, aufwärts nur in geringem Grade zu, ist aber
zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel wieder geringer, als zwischen
den übrigen Halswirbeln 2). Verglichen mit den Wirbelkörpern beträgt
die mittlere Höhe der Synchondrosen an den Bauchwirbeln etwas über ein
Drittel der Höhe der Körper, an den Brustwirbeln ein Fünftel bis ein Vier-
tel, an den Halswirbeln etwa ein Viertele Der concaven Form der End-
flächen der Wirbel entsprechend ist jeder Zwischenwirbelknorpel in der
Mitte höher als an den Rändern. In der Hals- und Bauchgegend sind
sie wegen der vorwärts convexen Gestalt der Wirbelsäule am vorderen
Rande um ein Drittel bis zur Hälfte höher, als am hinteren Rande.
Die Endflächen der Wirbelkörper sind mit einer dünnen (1"®) Lage
von hyalinischem Knorpel bekleidet, welchen man einem Gelenkknorpel
—_ \ vergleichen kann. Innerhalb desselben entwickeln sich die Epiphysen der
“ Wirbelkörper. Das eigentliche Band, die Scheibe, welche diese beiden
Knorpelflächen an einander heftet, besteht aus zwei, bei Betrachtung mit
freiem Auge mehr oder weniger scharf
gegen einander abgesetzten Theilen. Zu
äusserst liegt ein fester, knorpelharter und
elastischer Ring ?), der aufdem transversa-
len Schnitt (Fig. 6) concentrische, auf dem
verticalen Schnitt (Fig. 7) verticale, nicht
selten unterbrochene Streifung zeigt. Die
Axe nimmt ein weicherer, übrigens aber
verschieden gestalteter, häutiger, gallert-
artiger oder gelappter Kern ®) ein, wel-
cher auf horizontalen Schnitten bald her-
Horizontalschnitt der Synchondrose des vorquillt, bald einsinkt, auf verticalen
siebenten und achten Brustwirbels. Schnitten aber immer durch die Zusam-
menziehung des Faserrings zwischen den
Schnitträndern der Wirbel hervorgepresst wird und nur durch gewaltsames
Auseinanderziehen der Wirbel in seiner natürlichen Lage erhalten werden
\) Cartilagines s. Fibrocartilagines intervertebr., Zwischenwirbelbänder, -knorpel, -scheiben.
”) E. H. Weber, Meckel’s Archiv 1827. 8.256. *) Annulus fibrosus s. fibrocartilagineus.
*) Gallertkern, Nucleus gelatinosus, gelatinoso - cartilagineus, pulposus.
Wirbelsynchondrosen. 17
kann. Der Kern liegt excentrisch, näher dem hinteren Rande der Scheibe
als dem vorderen; zuweilen sendet er einen Fortsatz zwischen den abge-
rundeten Spitzen des Faserrings bis an
das Lig. commune posticum (Fig. 15).
Der horizontale Durchmesser des Kerns
hat nicht ganz die Hälfte des horizonta-
len Durchmessers der ganzen Scheibe.
An den Halswirbeln ist er verhältniss-
mässig etwas umfänglicher, und insbe-
sondere ist von beiden Seiten her durch
die aufwärts ragenden Knochenränder
des je unteren Wirbels die Breite des
Faserrings beeinträchtigt.
Das Gewebe des eigentlichen Zwi-
schenwirbelbandes, im Gegensatz zu
dem hyalinischen Knorpelüberzug der
Knochenflächen, ist Bindegewebe und
Medianschnitt der Körper des siebenten ein eigenthümlich modifieirter Faserknor-
und achten Brustwirbels mit der Syn- pel. Zu äusserst, unter den verticalen
chondrose. cva Lig. comm. vertebr. ant. r
cvp Lig. comm. vertebr. post. *Locke- Bindegewebsbündeln der gemeinsamen
ves, den Raum zwischen dem Lig. comm. Wirbelbänder (s. unten) finden sich Bin-
vertebr. ant. und der Beinhaut erfüllen- ke . re
des Bindegewebe. ** Hyalinischer Knor- degewebsbündel von ringförmigem oder
pelüberzug. schräg von einem Wirbel zum anderen
absteigendem Verlauf in mehreren Schich-
ten, die schrägen Bündel der auf einander folgenden Schichten je einan-
der unter spitzen Winkeln kreuzend. Die Bündel sind von interstitiellen
elastischen Fasern durchzogen, einzeln von feinen elastischen Netzen umge-
ben, dann wieder in Abtheilungen höherer Ordnung geschieden durch gröbere
elastische Fasernetze, welche in verticalen und dem Umfang der Scheibe con-
centrischen Ebenen den Raum zwischen je zwei Wirbelkörpern durchziehen
und durch horizontale Septa unter einander in Verbindung stehen. Diese
äussere, eigentlich bindegewebige Abtheilung des Faserrings hat eine nur
geringe Mächtigkeit, um so geringer, je höher die Scheibe (an den Brust-
wirbeln 1””). An sie schliesst sich die zweite, innere und viel mächtigere
Abtheilung, aus parallelen Bündeln von demselben ringförmigen oder
schrägen Verlauf gewebt, die auch in ihrem äusseren Ansehen den Binde-
gewebsbündeln gleichen, in dem Verhalten gegen Reagentien aber dem
elastischen Gewebe näher stehen. Zwar verlieren sie in kochendem Was-
ser und in Essigsäure die (bei auffallendem Lichte) glänzend weisse Farbe
und werden durchsichtig, aber sie quellen nicht auf und behalten das fase-
rige Ansehen.
Die erwähnte Streifung des Faserringes, concentrisch auf horizontalen,
vertical auf verticalen Durchschnitten, giebt ihm den Anschein, als ob er
aus senkrechten, in einander eingeschlossenen niedrigen Röhren zusammen-
gesetzt sei. Haben die Bänder längere Zeit im Wasser gelegen, so wer-
den die Streifen alternirend glänzend weiss und röthlich gallertartig, als
ob Röhren von zweierlei Substanz mit einander wechselten. Dies ist nicht
der Fall. Das verschiedene Ansehen der Schichten rührt in der äusseren,
Henle, Anatomie. Bd. I Abthlg 2. 2
18 Wirbelsynehondrosen.
wie in der inneren Abtheilung des Faserringes nur von der verschiedenen
Richtung der Fasern her. Es ändert sich, wie bei den Figuren des Da-
mastes, mit der Beleuch-
tung: die Schichten,
welche bei einem von
rechts her einfallenden
Lichte sich glänzend
weiss zeigen, werden
bei von links einfallen-
dem Lichte röthlich gal-
lertartig und umgekehrt,
und dazwischen giebt es
eine Beleuchtungsweise,
welche die scheinbare
Schichtung verschwin-
den macht. Horizon-
tale Durchschnitte des
Faserringes spalten die
grosse Mehrzahl der Bündel parallel dem Zuge der Fasern; das Mikroskop
lässt Faserzüge (Fig. 8) erkennen, welche in alternirend glänzenden und
durehsichtigen Streifen von !/ — !/”"” Breite im Ganzen concentrisch,
aber schräg und, wie es scheint, in weitläufigen Spiraltouren wechselnd
nach der einen und anderen Seite gewunden, verlaufen. Scheidewände
zwischen diesen Bündeln sind nicht sichtbar; nur selten trifft man auf Quer-
schnitte von Faserbündeln. Verticale und parallel den Radien der Scheibe
geführte Schnitte (Fig.9)
zeigen dagegen, mikro-
skopisch betrachtet, un-
ter den äussersten, lon-
gitudinalen Bündeln fast
nur senkrecht auf den
Lauf der Fasern durch-
schnittene. Die Scheide-
wände der Bündel bilden
ein, bei durchfallendem
Lichte dunkles, bei auf-
fallendem Lichte weisses
Fach- oder Gitterwerk,
bestehend aus stärkeren
Verticalschnitt einer Wirbelsynchondrose. cva Lig. comm. und feineren Bälkchen,
vertebr. ant. 1 äussere, 2 innere Abtheilung des die stärkeren vertical,
Faserrings. R 3
hier und da unter spitzen
Winkeln zusammenflies-
send, in Distanzen, welche der Breite der concentrischen Schichten des Fa-
serringes entsprechen; die feineren in grosser Zahlund vielfach anastomosirend
den Raum zwischen je zwei verticalen Bälkchen durchziehend. In der äusse-
ren Abtheilung des Faserringes, so weit derselbe aus Bindegewebe besteht,
schliessen die feineren Bälkchen kreisförmige oder der Kreisform sich an-
Horizontalschnitt des Faserrings einer Wirbelsynehondrose.
Wirbelsynehondrosen. 19
nähernde Maschen ein; in der inneren Abtheilung sind die Maschen lang-
gestreckt, so zwar, dass der längste Durchmesser den Radien der Scheibe
parallel liegt. Der Durchschnitt der äusseren Abtheilung unterscheidet
sich in Nichts von dem Durchschnitt einer Sehne; in der inneren Abthei-
lung sind die Räume zwischen den Scheidewänden dicht von dunklen und
sehr feinen, nur mittelst starker Vergrösserungen unterscheidbaren Pünkt-
chen, den Durchschnitten der Fibrillen der concentrisch verlaufenden Bün-
del, erfüllt.
Die Scheidewände bestehen selbst wieder hauptsächlich aus dichten
Bündeln elastischer Fasern, welche sich aus der hyalinischen Masse des
Knorpels, der die Endflächen der Wirbelkörper bekleidet, entwickeln und,
indem sie von je zwei Wirbeln ‘einander entgegengehen, sich in feinere
Bündel theilen, um die ringförmigen Fasern zwischen sich zu fassen. Je
näher dem Kern, um so mehr treten die ringförmigen Fasern gegen die
Fasern der verticalen Septa zurück; in dem Kern fehlen die ringförmigen
Fasern völlig; die Fasern desselben verlaufen fein gekräuselt und, wiewohl
dieht neben einander, doch vereinzelt von einem Wirbel zum anderen. Zu-
weilen werden sie unterbrochen von einer horizontalen, aus dichteren und
stärkeren horizontalen Faserbündeln gewebten und in der Mitte zwischen
den beiden einander zugewandten Wirbelflächen gelegenen Lamelle.
Zwischen den elastischen Faserzügen treten in veränderlicher Zahl
grössere und kleinere, meistens kugelförmige Knorpelzellen auf, welche
zum Theil erst nach Anwendung der Essigsäure sichtbar werden. Zahl-
reich, oft in langen Reihen geordnet, finden sie sich in der Dicke der
stärkeren Scheidewände; in den feineren Scheidewänden und besonders in
den Theilungswinkeln derselben kommen sie vereinzelt vor und bewirken
bauchige Auftreibungen. Oft aber sitzen sie auch reihenweise neben den
Scheidewänden oder unregelmässig zerstreut in den von den Scheidewän-
den umgrenzten Räumen. Im Verhältniss zum Fasergewebe sind sie, je
näher dem Kern, um so reichlicher; in grösster Menge trifft man sie im
Kern, bald einzeln, bald in Reihen, bald in grossen, schon dem blossen
Auge erkennbaren, kuglichen oder eiförmigen Gruppen von zwölf und mehr,
zu deren Aufnahme die Fasern auseinanderweichen.
Die Zellen haben einen glänzenden, platten, meist unregelmässig ver-
bogenen Kern; sie sind in manchen Fällen vollkommen wasserhell; in an-
deren concentrisch geschichtet, in anderen mit gröberen und feineren Körn-
chen erfüllt. Oft sind sie äusserlich von_ dergleichen Körnchen umgeben ;
doch findet man in älteren Subjecten feinkörnige Trübungen der Scheiben
auch diffus, fleckenweise über Zellen und Fasern ausgebreitet. Viele Zel-
len sind, entsprechend der Richtung der Fasern, zwischen welchen sie lie-
gen, von zwei Polen oder sternförmig in kürzere oder längere Anhänge
ausgezogen.
Die Substanz des Kerns der Wirbelsynehondrosen besitzt eine merk-
würdige Quellbarkeit. Getrocknet schrumpft sie zu einem dünnen, hom-
artigen Ueberzug der Wirbelkörper zusammen. Feine Verticalschnitte die-
ser eingetrockneten Masse dehnen sich in einem Tropfen Wasser um das
Zwölf- bis Achtzehnfache aus. Frisch in Wasser gelegt, erreicht der Kern
durch Einsaugung etwa das Doppelte seines Volumens. In geringerem
9%
20 Wirbelsynchondrosen.
Maasse kommt diese Eigenschaft auch dem elastischen Theile des Faser-
ringes zu. Dabei ist es auffallend, wenn man dünne Durchschnitte getrock-
neter Synehondrosen mit Wasser versetzt, wie viel schneller der Kern und
die elastische Abtheilung des Faserringes sich erweichen und aufquellen,
als die bindegewebige- Abtheilung des letzteren. Diese Quellbarkeit erklärt
sich aus dem Eindringen des Wassers in die zahlreichen Knorpelzellen und
in die Zwischenräume der lose neben einander gelegenen Fasern. Doch
scheint eine einigermaassen feste, völlig durchsichtige und sehr hygrosko-
pische Substanz die Grundlage des Gewebes des Kerns zu bilden. Dies
ist daraus zu schliessen, dass auf feinen Querschnitten die den Durchschnit-
ten der Fasern entsprechenden Pünktchen sich öfters im Umfange heller,
kreisförmiger Flecke angehäuft finden, in deren Centrum regelmässig je
eine Knorpelzelle frei und unverschiebbar liest.
Die Varietäten der Form, welche der Kern der Wirbelsynchondrosen
darbietet, beruhen in der unbeständigen Entwicklung von Hohlräumen im
Inneren desselben. Oft zeigt schon der Faserring in der Nähe des Kerns
auf Vertiealschnitten einzelne leere Fächer, als ob Bündel der ringförmi-
gen, in diesen Fächern eingeschlossenen Fasern nicht zur Entwicklung
gelangt wären. Im Inneren des Kerns sind kleinere und grössere Lücken
bei erwachsenen Personen sehr häufig. Sie sind niedrig, oft nur spalt-
förmig, mit glatten oder unregelmässig ausgebuchteten Wänden. Die Sub-
stanz des Kerns, so weit sie diese Höhlen begrenzt, ist meistens verdichtet,
durch horizontale Faserzüge verstärkt und mit einem dunkel- und grob-
körnigen Ueberzug versehen, der in Form mikroskopischer, zottenförmiger
Fortsätze in die Höhle vorspringt. Eine andere Art von Lücken findet
sich zwischen dem Kern und dem Knorpel, welcher die Endfläche des
Wirbelkörpers bekleidet. Dieser Knorpel liegt dann stellenweise frei; seine
Oberfläche ist uneben, nach der Form der Oberfläche des Kerns; der letz-
tere gleicht ganz oder bis zu einer gewissen Tiefe den gelappten oder ge-
franzten Synovialfalten der eigentlichen Gelenke. Die Läppchen und
Kämme sind fester, minder leicht in Fasern zerlegbar und mehr gelblich
von Farbe, als der ungelappte Theil des Kerns 1).
Beim neugeborenen Kinde besteht der Faserring der Wirbelsynchondrose noch
ganz aus Bindegewebe. An der Stelle des Kerns findet sich, wie es den Anschein
hat, eine Höhle, von weisslichem Schleim erfüllt, der sich in Tropfen ausdrücken
lässt. In der That ist diese scheinbare Höhle von einzelnen zarten, knorpelkör-
perhaltigen elastischen Lamellen und dazwischen von einem zerreisslichen, netz-
förmigen Gewebe durchsetzt, dessen Bälkchen in einer structurlosen Grundsub-
stanz Kernzellen und kleinere und grössere, kugliche, von wasserheller Flüssigkeit
erfüllte Hohlräume enthalten, die sich auf Kosten der Grundsubstanz zu vergrös-
sern und die Grundsubstanz zu verdrängen scheinen. Die ausgepresste schleimige
Flüssigkeit enthält eylindrische und kolbenförmige Fragmente dieser Bälkchen; auf
jedem Durchschnitt sieht man einzelne derselben frei, kolbig enden; doch könnten
diese auch zufällig aus dem Zusammenhang gerissen sein.
‘) Von dieser Höhlung des Kerns handelten zuerst Portal (Anat. med. T. I, p. 279)
und Pailloux (Bulletin de la soc. anat. 1826). Cruveilhier hält sie für beständig,
Barkow beschreibt sie als Folge pathologischer Veränderung im höheren Älter. Eine
genauere histologische Darstellung der die Höhle begrenzenden Wände „ab kürzlich
Luschka (Zeitschr. für rat. Med, Bd. VII, Hft. 1).
Kapselbänder der Beugewirbelgelenke. 21
Beim neunjährigen Kinde hat die Wirbelsynchondrose im Wesentlichen den
Bau wie beim Erwachsenen. Der Knorpelüberzug der Wirbelkörperflächen ist
verhältnissmässig. mächtiger und die Scheibe ist, so lange der Rand des Wirbel-
körpers abgerundet ist, bieoncav, in der Gegend des Kerns am dünnsten.
In aufrechter Haltung des Körpers werden die Scheiben zusammengedrückt.
Der Verlust an Höhe, welehen der Rumpf durch Compression sämmtlicher Wir-
belsynchondrosen erleidet, soll bis zu einem Zoll betragen können (de Fontenu,
Hist. de Pacad. des sciences. Paris 1727, p. 16. Hyrtl, Lehrb. der Anat. 4. Aufl.
S. 255).
2. Kapselbänder der Beugewirbelgelenke Ligg. capsularia
process. articularium.
Die Riehtung und Form der artieulirenden Flächen der Gelenkfortsätze
der Wirbel ist schon im osteologischen Theil beschrieben. Der Knorpel-
überzug ist hyalinisch, bis 1”” mächtig. Die Kapsel ist straff an den Brust-
und Bauchwirbeln,, schlaff an den Halswirbeln; sie grenzt medianwärts an
die Ligg. intereruralia, von welchen sie sich als ein feiner Bindegewebs-
überzug abheben lässt; nach den anderen Sei-
ten ist sie durch unregelmässige Faserbündel
verstärkt. welche an den Halswirbeln kreisför-
mig, an den Brust- und Bauchwirbeln schräg
verlaufen. Oft erstrecken sich platte, dünne
Synovialfalten von der einen oder anderen Seite
bis gegen die Mitte der Gelenkhöhle.
Fig. 10.
Das Maassgebende beiden Bewegungen der Wir-
bel sind die Synehondrosen. Der Kern der letzteren
ist ein elastisches Polster, welches den mit einander
verbundenen Wirbelkörpern eine Art Schaukelbewe-
gung gestattet, wodurch sie sich nach jeder Seite hin
und mit jedem Theil ihrer Ränder einander um eben
so viel nähern, als sie sich am entgegengesetzten
Theil der Ränder von einander entfernen können. Die
Grenzen dieser Bewegung bestimmt der Faserring,
der an der Seite, wo die Wirbel sich von einan-
der zu entfernen streben, in verticaler Richtung
gedehnt wird, an der Seite dagegen, nach wel-
Horizontaldurchschnitt der > ; k
Wirbelsäule in der Gegend cher sich die Wirbel gegen einander neigen, seiner
der fünften bis sechsten natürlichen Elasticität überlassen und dann selbst
erseiprbelsynehondrose in Form eines Wulstes oder einer Falte zwi-
Gut %%). Pst4,Dormn des „chen den Rändern der Wirbel hervorgepresst wird.
vierten Brustwirbels. ic Lig.
ReoneeTeN Die Ergiebigkeit dieser Bewegung hängt von der
Höhe der Synchondrose ab; je grösser in einem
gegebenen Abschnitt der Wirbelsäule die Höhe der
Synehondrosen im Verhältniss zur Höhe der Wirbelkörper, um so grösser die
Beweglichkeit. Die Torsionsfühigkeit der Synchondrosen, von welcher die Mög-
lichkeit der Drehung der Wirbelsäule um ihre verticale Axe abhängt, ist in allen
Regionen der Wirbelsäule nur gering. Nach E. H. Weber's Messungen !) beträgt
die gesammte horizontale Drehung, deren der aufrecht stehende Körper bei fest-
stehender Fusssohle in seinen verschiedenen Abtheilungen fähig ist, am Kopfe
180°. Hiervon kommen auf die Drehung am Becken und den Füssen 73°, auf
‘
!) Meckel’s Arch. 1827, S. 261.
2. Kapseln
der Benge-
wirbel-
gelenke.
Physiol.
Bemerkun-
gen.
22 Kapselbänder der Beugewirbelgelenke.
Horizontaldurchschnitt durch das Gelenk des letzten
Brust- und ersten Bauchwirbels. Pai Proc. art. inf.
des zwölften Brustwirbels. ic Lig. intererurale, is
Lig. interspinale. ss Lig. supraspinale. 1. Cutis,
2. Fetthaut.
Horizontaldurchschnitt durch den dritten Bauchwirbel.
Pas Proc. art. sup. des dritten Bauchwirbels.
ic. ss, 1, 2 wie in Fig. 11.
die Drehung im Halse 79°; für
sämmtliche Brust- und Bauchwir-
bel bliebe demnach eine Drehung
von nur 28° übrig.
Sollten die Verschiebungen,
deren die Wirbelkörper vermöge
der Dehnbarkeit der Synchon-
drosen fähig sind, wirklich aus-
geführt werden, so war eine be-
wegliche Verbindung auch der
Wirbelbogen unter einander uner-
lässlich. Diese Verbindung wird
durch wahre Gelenke vermittelt.
Bei der Association der Ge-
lenke der Wirbelbogen mit den
Synchondrosen der Wirbelkörper
kann es nicht fehlen, dass Be-
wegungen, zu welchen die letzte-
ren für sich allein sich hergeben
würden, in jenen einen Wider-
stand finden, sowie umgekehrt
die Verschiebung der Gelenk-
flächen nach den Richtungen, nach
welchen sie von einer parallelen
Verschiebung der Wirbelkörper
begleitet wird, durch die letztere
beschränkt wird. Nur in Einem
Fall könnte eine Beweglichkeit
der Wirbelgelenke, die die Be-
weglichkeit der entsprechenden
Synchondrosen übertrifft, von
Nutzen sein, wenn nämlich die
paarigen Artieulationsebenen der
Wirbelgelenke Theile einer Cy-
linder- oder Kugelfläche sind, de-
ren Axe cder Centrum innerhalb
der entsprechenden Synchondrose
liegt. Dieser Fall scheint in den
Brustwirbeln vorzuliegen (vgl.
Fig. 10).
Von den oberen Brustwir-
beln an abwärts stehen die
Articulationsebenen sämmtlicher
Wirbel fast vollkommen vertical
(Fig. 13). Dadurch wird, welches
auch sonst die Form und Rich-
tung der Gelenkflächen sein möge,
vor Allem das Auf- und Abglei-
ten der Gelenkflächen an einan-
der begünstigt, wie es nöthig ist,
wenn die Höhe der Synchondro-
sen je nach der Belastung zu-
und abnimmt.
Die Richtung der Articula-
tionsebenen der Brustwirbel ist
eine frontale; dadurch ist für
Kapselbänder der Beugewirbelgelenke. 23
diese Region der Wirbelsäule Beugung und Streckung ausgeschlossen oder doch nicht
Fig. 13.
Sagittalschnitt durch sämmt-
liche Wirbelgelenke.
ohne Klaffen der Gelenkflächen, und demnach
nur in sehr beschränktem Maasse gestattet. Da
die Artieulationsebenen flach gekrümmt sind
und zwar, wie es den Anschein hat, nach
demselben Radius und vorwärts concav, so
können sie einer Torsion der Synchondrosen,
einer Drehung der Wirbelsäule um ihre ver-
ticale Axe folgen. Dass indess auch die Ex-
cursion dieser Bewegung nur unerheblich ist,
geht sowohl aus dem angeführten Versuch,
als aus der Straffheit der Gelenkkapsel her-
vor. Die relativ grösste Beweglichkeit be-
sitzen die Brustwirbelgelenke in der Seit-
wärtsbeugung, wodurch je die rechte oder
linke Schulter tiefer gestellt wird; nur tritt
hier wieder hemmend das ungünstige Verhält-
niss der Höhe der Synehondrosen zur Höhe
der Wirbelkörper entgegen. Es erklärt sich
daraus, warum, bevor die Wirbelkörper ihre
definitive Höhe erreicht haben und insbeson-
dere zu der Zeit, wo innerhalb der .Synchon-
drosen die Epiphysen gebildet werden sollen,
die Neigung gerade zur seitlichen Auswei-
chung (Skoliose) in der Brustwirbelsäule so
gross ist.
Wären die Gelenke der Bauchwirbel ge-
nau congruent und nur in der durch die
Configuration der Gelenkflächen vorgezeich- ”
neten Richtung verschiebbar, so wäre nur
Eine Bewegung des Auf- und Abgleitens,
diese allerdings in sehr sicherer Bahn, ge-
stattet — denn die paarigen Articulationsebe-
nen gehören, wenn man sie zu Rotations-
körpern ergänzt (sehr häufig sind sie unre-
gelmässig gekrümmt), jede einem Cylinder
an, deren Axen zwar parallel, vertical, aber
nicht zusammenfallend, sondern nebeneinan-
der hinter den Gelenken, etwa in der Ge-
gend der Wurzel des Wirbeldorns liegen wür-
den (Fig. 11, 12). Bei dem Mangel einer
gemeinsamen Drehungsaxe steht also jedes
Gelenk hemmend der Rotation des symmetri-
schen Gelenks entgegen Fielen aber auch
die Drehungsaxen der paarigen Gelenke zu-
sammen, so gestalteten sich die Verhältnisse
für die. Rotation dadurch schr ungünstig,
dass die horizontale Verschiebung in der
Synchondrose einen grösseren Kreis beschrei-
ben müsste, als un Gelenk. Die Seitwärts-
beugung der Bauchwirbel verbietet der sagit-
tale Theil, die Vorwärtsbeugung der fron-
tale Theil der Articulationsflächen der Wir-
belgelenke um so entschiedener, je beträcht-
licher (im Vergleich zu den Brustwirbeln) die
Höhe der Gelenkflächen. Wenn dennoch, wie
24 Kapselbänder der Rippenköpfchengelenke.
Weber’s Erfahrungen‘) lehren, zwischen den beiden untersten Brust- und den
beiden untersten Bauchwirbeln eine starke Vor- und Rückwärtsbeugung, zwischen
allen Bauchwirbeln eine Seitwärtsbeugung möglich ist, so ist dies nur ein Beweis,
dass die Wirbelgelenke zu den schlottrigen und unberechenbaren gehören, deren
in der Einleitung gedacht wurde, bei welchen, nach A. Fick’s bezeichnendem Aus-
druck, die Ungenauigkeit der Ausführung zum Prineip erhoben ist.
Die Artieulationsebenen der Gelenke der oberen Brustwirbel und der Beuge-
wirbel des Halses gehen von unten nach oben mehr und mehr in die horizontale Lage
über (Fig.13); sie nähern sich derselben um so mehr, je mehr der Kopf vorgestreckt
wird. Das Hinderniss, welches der Vorwärtsbeugung der Wirbel von Seiten der
Wirbelgelenke entgegensteht, nimmt also nach oben allmälig ab. ‘Die Seitwärts-
beugung wird in dem Maasse, als die Stellung der Artieulationsebenen ungün-
stiger wird, erleichtert durch die Configuration derselben, indem sie Abschnit-
ten von Kugelflächen ähnlich werden, so zwar, dass die unteren Gelenkflächen des
oberen Wirbels zusammen den Kopf, die oberen Gelenkflächen des unteren Wir-
bels die Pfanne eines Kugelgelenks. darstellen. Der Drehungsmittelpunkt kommt
auf diese Weise hinter die Gelenke zu liegen und die Rotation um die verticale
Axe wird eben so, wie an den Bauchwirbeln erschwert, während man sonst in der
Annäherung an die horizontale Stellung eine Tendenz erkennen müsste, die Rota-
tion zu erleichtern. Die Beugewirbel des Halses verdanken ihre verhältnissmässig
bedeutende Beweglichkeit nicht den Gelenken, sondern der relativen Höhe der Syn-
chondrosen. Die geringe Mächtigkeit der Synchondrose zwischen dem zweiten und
dritten Halswirbel ist Ursache, dass an dieser Stelle die Beweglichkeit am gering-
sten ist.
3. Kapselbänder der Rippenköpfehengelenke, Ligg. caps.
capitulorum costarum.
3. Kapsel- An der ersten, elften und zwölften Rippe sind in der Regel die Kap-
bänder.
d. Rippen-
seln einfach, schlaffer, als an den übrigen Rippen, die Gelenkpfannen und
köpfchen- Köpfchen von hyalinischem Knorpel (!/; bis 1mm dick) überzogen.
Die zweite bis zehnte Rippe articulirt (Knochenl. I, S.33) auf den Rän-
dern je zweier Wirbelkörper und der Seitenfläche der diese Wirbelkörper
gelenke.
Fig. 14.
’'a.P
ver
Fa Sf) @
‚yo
3 9, Ar
iv x
Verticaldurchschnitt des Gelenks des Köpfchens
der siebenten Rippe ‚mit der Wirbelsäule. ?v
Faserring der Wirbelsynchondrose. ** Knor-
pelüberzug der Endflächen der Wirbelkörper.
verbindenden Synchondrose. Der
etwa jmm mächtige Gelenkknor-
pel erstreckt sich continuirlich
von einem Wirbelkörper zum an-
deren über das Bindegewebe der
Synchondrose hinweg; dieGrund-
lage desselben ist zunächst dem
Knochen hyalinisch, im Uebri-
gen (elastisch) faserig; er steht
im Zusammenhang mit dem hya-
linischen Ueberzug der Endflä-
chen der Wirbelkörper. Das
Rippenköpfehen ist ebenfalls mit
Faserknorpel von ungefähr glei-
cher Mächtigkeit bedeckt. Die
Crista capituli und den über der Wirbelsynchondrose gelegenen Theil der
ı) A. a. 0.8. 246.
Kapselbänder der Rippenhöckergelenke. 25
Pfanne verbindet eine horizontale kurze Faserknorpelbrücke von verschie-
Fig. 15.
Horizontalschnitt der Wirbelsäule und Rippen durch die Synchondrose des sechsten und
‚siebenten Brustwirbels.. cvr Lig. costo-vertebrale radiatum. cv a Lig. commune vertebr.
ant. öc Lig. intererurale. tei Lig. tubereuli costae inf. Act Artieulatio costo-transver-
salis. ces Lig. colli costae sup.
dener Stärke, Lig. capıl. costae inlerarliculare }), welche die Ge-
lenkhöhle meist vollkommen in zwei abtheilt.
Die Kapselmembran ist dünn, fast allseitig von lockerem Bindegewebe
umgeben, nur nach vorn durch das Lig. costo-vertebr. radiatum (s. unten)
verstärkt.
Mehrmals sah Barkow die Rippenköpfchen mit den Wirbeln in einer grösse-
ren oder geringeren Zahl von Gelenken durch Synehondrose verbunden. Die ver-
bindende Substanz war ein biegsamer, gelblicher Faserknorpel.
n
4. Kapselbänder der Rippenhöckergelenke, Ligg. caps. costo-transversalia.
Die Querfortsatzpfanne des ersten bis zehnten Brustwirbels und die
_ entsprechenden Gelenkflächen der (ersten bis zehnten) Rippe bekleidet hya-
linischer Knorpel. Die Kapseln sind schlaff, ringsum von lockerem Binde-
gewebe umgeben. Die Articulationsebene ist schwach vorwärts concav.
) Cartilago interarticularis Arn. Lig. teres. Cloquet. Zig. transversum Hyrtl.
Lig. interosseum costo-vertebr, Cruv.
4. Kapsel-
bänder der
Rippen-
höcker-
geleuke.
26 Lig. comm. vertebr. ant.
b. Bänder an der vorderen Fläche der Wirbelsäule.
1. Lig. commune vertebr. ant. De.
b. Bänder Ein platter, aus vertical verlaufenden Bindegewebsbündeln (mit spar-
der Vorder-
fläche.
1. Lig.
oomm. vert.
ant.
Brustwirbel und Rippenköpfchen,
fast Profil. cta Lig. costo-trans-
vers. ant. cciLig. colli costae inf.
samen elastischen Fasern) zusammengesetz-
ter Bandstreifen, welcher über die Mitte der
Vorderfläche sämmtlicher Wirbelkörper un-
unterbrochen sich erstreckt. An denBauch-
wirbeln nimmt dies Band fast die Hälfte der
vorderen Fläche ein; der Seitenrand des-
selben reicht bis an das Ernährungsloch,
welches sich ziemlich regelmässig in der
Mitte der Höhe des Wirbelkörpers findet —
längs den Brustwirbeln wird es schmaler,
aber verhältnissmässig dicker; auf den Hals-
wirbeln plattet es sich wieder mehr ab und
dehnt sich in die Breite aus, bis es endlich
am Epistropheus sich zu einer Art von dün-
nem, medianem, am Vorderrande wulstigem Septum zwischen den Bäuchen
der Mm. longi colli?) redueirt.
Am Atlas hängt es mit dem Bandapparat ,
zusammen, der die Lücke zwischen Atlas und Schädel ausfüllt; von den
ax
Ro; N
Bauchwirbeln abwärts verliert es sich,
indem es sich fächerförmig ausbreitet,
auf der Vorderfläche des zweiten Kreuz-
wirbels. In der Gegend der oberen
Bauchwirbel wird es durch die sehni-
gen Ursprünge des Zwerchfells verstärkt.
Die Bündel, welche das vordere ge-
meinsame Wirbelband bilden, lassen
schmale verticale Spalten, durch welche
die Gefässe zu den Wirbelkörpern’ tre-
ten. Sie anastomosiren unter sehr spitzen
Winkeln und verflechten sich, indem an
jedem Wirbel einzelne entspringen, an-
dere enden, so zwar, dass die längsten
(und oberflächlichsten) über 4 bis 5 Wir-
Medianschnitt der Körper des siebenten belkörper wegzugehen scheinen. Sehr
und achten Brustwirbels mit der Syn-
chondrose. cvp Lig. comm. vertebr. post.
genau hängen sie mit den verticalen
*Lockeres, den Raum zwischen demLig. Bündeln der Oberfläche der Wirbelsyn-
comm. vertebr. ant. und der Beinhaut er ehondrosen zusammen: von den Wirbel-
I
füllendes Bindegewebe. ** Hyalinischer
Knorpelüberzug.
körpern sind sie durch eine Lage von
mehr lockerem und unregelmässigem
Bindegewebe (Fig.17*) geschieden, welche die Concavität der Vorderfläche
1) Lig. longitudinale ant. Fascia long. ant.
?) Lig. epistrophico - atlanticum anticum superficiale Barkow,
Ligg. costo-vertebr. radiata. 27
des Wirbelkörpers ausfüll. So dient das Band daz::, besonders in der
Brusthöhle, die Unebenheiten der Wirbelsäule an der Vorderfläche auszu-
gleichen, während an den Seitenflächen der Wirbel die Concavitäten gerade
zur Aufnahme der Intereostalgefässe bestimmt sind. Mit dem Seitenrand
fällt es rasch gegen die dünne Beinhaut des Wirbelkörpers ab (vgl. Fig. 15),
die zwar auch aus hauptsächlich verticalen Fasern besteht, aber doch schon
von den transversalen Bündeln der Ursprünge der Ligg. costo-vertebralia
radiata durchflochten ist.
2. Ligg. costo-vertebralia radiata'!) CvVr.
Die Bindegewebsbündel, welche auf den Vorderflächen der Wirbelkör-
per jederseits neben dem Lig. comm. ant. in transversaler Richtung zum
Vorschein kommen, neigen sich, indem sie seitwärts gegen die Rippen-
insertion vorschreiten, theils ab-, theils aufwärts, und sammeln sich, verstärkt
durch Fasern, die an den Seitenflächen der Wirbel entspringen, zu eben so
viel gesonderten Bändern, als es gesonderte oder mit den Wirbelkörpern
verschmolzene Rippen giebt. So weit die Köpfchen der Rippen mit je zwei
Wirbelkörpern in Verbindung steher, unterscheidet man an dem Lig. ra-
diatum je drei Portionen, eine massivere, schräg
absteigende von dem oberen, eine schräg aufstei-
gende von dem unteren Wirbelkörper ?) und eine
transversale, etwas zurückweichende und oft ver-
kümmerte, von der Wirbelsynchondrose (Fig. 16).
Auch zu der ersten, elften und zwölften Rippe
verlaufen Fasern schräg von dem zunächst höhe-
ren Wirbelkörper herab. An den Halswirbeln
(Fig. 18) convergiren Ligg. radiata gegen die vordere
Zacke des Querfortsatzes von dem zugehörigen und
dem nächst höheren Wirbelkörper. An den Bauchwirbeln laufen die Fa-
Fig. 19. sern von der Vorderfläche jedes Kör-
pers und allenfalls von der Wirbelsyn-
chondrose an gegen die Wurzel des
Querfortsatzes zusammen (Fig. 25).
An den Brust- und Halswirbeln
ist das Lig. radiatum straff über eine
Vertiefung herübergespannt, welehe —
an den Brustwirbeln bis zum Kapsel-
Halswirbel von vorn.
band des Rippenköpfchens — von
lockerem Bindegewebe ausgefüllt wird.
Brustwirbel mit der Rippe von der Anden Bauchwirbeln folgen die Bänder
linken Seite um die transversale genau der Oberfläche des Knochens und
Axe aufwärts gedreht. Fei Fossa
costalis inf. cci Lig. colli costae inf. können demnach nur als Verstärkun-
gen der Beinhaut gelten.
An den unteren Rand des Lig. radiatum schliessen sich minder bestän-
dige, schmale Fascikel an (Fig. 19, cvr’), welche etwas tiefer, als die Fasern
!) Ligg. capituli costae anteriora aut., radiata Krause.
2) Ligg. capitulorum antica supp. et inf. Barkow.
2. Lig.
costo- ver-
tebr. rad.
28 Ligg. costo -transversarla.
des Lig. radiatum von der Seitenfläche des Wirbelkörpers entspringen und
zum unteren Rande des Köpfchens gehen; sie tragen zur Begrenzung des
Zwischenwirbellochs bei.
e. Bänder der Intertransversal- und des hinteren Theils
der Intercostalräume.
e- Bauer Ich beschreibe diese Bänder zuerst, wie sie sich an den gleichartig be-
der Iuter- E 5 Ex - 0 .
transversal- weglichen, mit dem Körper und Querfortsatz articulirenden Rippen, also
und hinte- . B B u . .
ren Inter- namentlich an der zweiten bis einschliesslich zehnten finden, und werde
eptaräume nachher die eigenthümliche Weise angeben, in welcher sie an dem ersten,
"pe elften und zwölften Brustwirbel und an den übrigen, mit rudimentären Rip-
pen versehenen Wirbeln sich vereinfachen und umgestalten.
Die Bänder der erwähnten Region zerfallen in vier Abtheilungen: die
der ersten Abtheilung füllen den Raum zwischen je zwei Querfortsätzen
oder Rippen, liegen also.in verticalen Ebenen; dies sind die Ligg. cosio-
transversalia. Die der zweiten Abtheilung, ZLigg. colli costae, Rippenhals-
bänder, erstrecken sich zwischen dem Querfortsatz und dem Hals derjeni-
gen Rippe, mit welcher der Querfortsatz artieulirt, sie liegen demnach im
Wesentlichen horizontal. Die dritte Abtheilung bilden Bänder, welche am
Rippenhöcker ihren Ursprung nehmen, Ligg. tuberculi costae; in die vierte
Abtheilung stelle ich unter dem Namen Ligg. tuberositatum vertebralium
die Bänder, die zwischen den Muskelrauhigkeiten je zweier benachbarter
Wirbel ausgespannt sind.
Alle diese Bänder sind einfache, platte Faserbänder.
a. Ligg. costo-transversaria.
rs 1. Ligg. costo-transversaria antica!) Cla.
Te cr Das Lig. costo -transversarium anticum entspringt vom Köpfchen der
to-trausvers. 2 = 2 ae} 3 B Ei
Tara Fig. 20. Rippe an, längs der Crista colli sup. in ver
transv. antt. schiedenen, einander zum Theil deckenden
Schichten und Absätzen, durch welche die
Aeste der Nn. und Vasa intercostalia ge-
hen, und steigt schräg lateralwärts auf zum
unteren Rand der nächst oberen Rippe und
des (Querfortsatzes, an welchem diese Rippe
articulirt. Der mediale Rand dieses Bandes
macht die laterale Grenze einer elliptischen,
mit dem längsten Durchmesser vertical ge-
ER stellten Oeffnung aus, die einem For. sacrale
Beustwirlielund Ripnenkontnenireke ant. entspricht. Innerhalb derselben theilt
Profil. cci Lig. colli costae inf. sich der Spinalnerv dergestalt, dass der
n ) Lig. transversarium int, Weitbr. L. colli costae int. Weber H., anterius s. int.
Krause, Zongum Sharpey. L. colli costae sup. int, Arn. L. costo- transversarium
Boyer, costo- transversar. inf. Bichat, transverso - costal. sup. Cruv.
Ligg. colli costae. 2)
R. intercostalis vor, der R. dorsalis hinter dem Lig. costo-transversale
ant. verläuft. Lateralerseits setzt sich das Lig. costo-transvers. in ein eigentli-
ches Lig. intereostale fort, welches den M. intercostalis ext. nach innen ge-
gen die Brusthöhle hin bedeckt, dann, weiter lateralwärts von dem M. in-
tereost. int. nach innen gedeckt wird und sich als Fascie zwischen beiden
Intercostalmuskeln verliert.
2. Ligg. costo-transversaria postica!) eip.
Das Lig. costo-transv. posticum geht hinter dem vorigen und sich mit. Li.costo-
demselben kreuzend vom Hals der Rippe schräg auf- und medianwärts zur Be
hinteren Fläche des Gelenk- und
Qnerfortsatzes des oberen der beiden
Wirbel, mit welchen das Rippenköpf-
chen artieulirt. Das Band entspringt
spitz aus einermedianwärts vom eigent-
lichen Höcker der Rippe gelegenen
Grube, breitet sich im Aufsteigen fä-
cherförmig aus und inserirt sich mit
zwei Portionen, einer medialen an
den Gelenkfortsatz und einer latera-
len an den Gelenk- und Querfortsatz.
Zwischen beiden Insertionen ist ein
Brustwirbel und Rippe von hinten. Theil des Randes frei und brücken-
tes Lig. tub costae sup. £ed Lig. förmig über ein Gefäss- und Ner-
t. ec. inf. tv Lig. tuberos. vertebr. E
venbündel gespannt, welches vom
R. dorsalis des Spinalnerven und der
Intercostalarterie ausgeht. Andere Gefäss- und Nervenzweige treten unter
dem unteren Rande des Lig. costo-transvers. post. hervor. Die Haupt-
masse des R. dorsalis, durch das genannte Band von hinten her gedeckt,
kommt neben dem lateralen Rande desselben zum Vorschein.
ß. Lig. colli costae ?).
Wir unterscheiden an jeder Rippe ein Lig. coll c. superius ®) und ein g, Lie. cotti
L. e. c. inf. (Arn.). Beide entspringen nahe übereinander an dem Wirbel, das costae.
obere vom oberen Gelenkfortsatz und der Vorderfläche des Querfortsatzes,
das untere von der Wurzel des Querfortsatzes. Jenes liegt in einer der End-
fläche des Wirbelkörpers parallelen Ebene; dieses steigt gegen die Rippe
) Lig. cervicis costae ext. Weitbr. Zig. coli costae ext. Weber H. Z. c. c. post. s.
ext. Krause. Lig. colli costae sup. ext. Arn.
2) Lig. costo-tramsversarium intermed Bichat, Krause. Z. interosseum tiransverso -
costal. Cruv. L. transversale int. M. J. Weber. Lig. c. c. principale Barkow.
%) Lig. costo-transversarium med. Bichat. Z. colü c. med. Arn. Z. post. capituli
costae Arn. (?).
30 Ligg. tubereuli costae.
1. L.c.c. herab. Das L. colli c. sup. (Fig. 22) befestigt sich etwa in der Mitte der
Fig. 22.
sup.
Horizontalschnitt der Wirbelsäule und Rippen durch die Synehondrose des sechsten und
siebenten Brustwirbels (vgl. S. 25).
hinteren Fläche der Rippe, und zwar
an den Kopf und medialen Theil des
Halses; zwischen seinem lateralen
Rand und der Articulatio costo-trans-
versalis bleibt eine rundliche, von
schlafferem Bindegewebe ausgefüllte
Lücke. Das Lig. colli costae inf.
2.0 8.1040;
inf. (Fig. 20, 23) breitet sich gegen den
unteren Rand des Rippenhalses fächer-
förmig aus. Der rippenwärts sich er-
Brustwirbel mit der Rippe vor der linken weiternde Raum, welchen beide Bän-
Seite um die transversale Axe aufwärts 3 Er B
gedreht. der zwischen sich fassen (bis 4”m hoch)
ist von fettreichem Bindegewebe erfüllt.
y. Ligg. tuberculi costae.
y.Ligg. tu- An dem Rippenhöcker setzen sich zwei Bänder fest, ein unteres, Lig.
bereut fubere. c. inf.) und ein oberes, L.£. c. sup.2). Das untere (Fig. 22, 23,
costae.
1. L.t.c. 24) ist stark, vierseitig; es geht vom Höcker der Rippe median- und an den
inf.
1) Lig. transversarium ext Weitbr.
Krause. Lig. transversarium d’Alton,
2) Lig. arcessorium Weitbr.
Lig. costo-transvers. post. s. ext. s. tuberculi
Ligg. tuberositatum vertebralium. 31
oberen-Rippen abwärts zur Spitze des Querfortsatzes, an welchen der Rippen-
höcker sich lehnt. Eine Lage lockeren
Bindegewebes trennt die Vorderfläche
dieses Bandes von dem Lig. caps. costo-
transvers. DasL. tub.c. sup. (Fig. 24)
istunbeständig, schmaler oder breiter,
vom Höcker der Rippe median- und
aufwärts zur Spitze des nächst oberen
Querfortsatzes gespannt. Lateral-
wärts stösst es unmittelbar an den
) M. levator costae, zuweilen deckt es
y di eine Strecke weit von hinten her den
medialen Rand dieses Muskels.
Brustwirbel und Rippe von hinten.
d. Ligg. tuberositatum vertebralum') lv.
2. 1.e, c.
sup.
Diese Bänder sind unbeständige, dünne und schmale Streifen, vertical, d. Lig. tn-
jedoch mit dem unteren Ende so viel median- und rückwärts geneigt, als Peros. vert.
jede Wirbelrauhigkeit gegen die nächst obere in diesem Sinne von der Ver-
ticalen abweicht (Fig. 24). Sie decken von hinten her die Ligg. tub. costae
supp., wo solche vorhanden sind, und kreuzen sich mit denselben unter
spitzem Winkel. In der Regel hängen sie genau mit den Ursprüngen des
M. multifidus zusammen.
In dem ersten Intercostalraum ist das Lig. costo-transversarium ant.
schmal, und hat, da die erste Rippe flach liest und das Band sich an den
hinteren Rand derselben befestigt, eine (von der Brusthöhle her betrachtet)
auffallend tiefe Lage.e Das Lig. costo-transvers. post. ist undeutlich und
wird durch Fasern des M. intercost. ext. ersetzt, die sich zwischen den
Querfortsätzen bis in die Nähe der Wirbelkörper erstrecken. Die Liga-
menta colli der ersten Rippe sind stark, beide aus Bündeln gebildet, welche
vom Querfortsatz Schräg vor- und seitwärts zum Rippenhals verlaufen.
Das Lig. tuberculi inf. ist an der ersten Rippe schwächer, als an den fol-
genden. Zwischen der ersten Rippe und dem Querfortsatz des letzten
Halswirbels giebt es keine Bänder mehr; an die Stelle derselben treten
Muskeln, welche zwischen der hinteren Spitze des Querfortsatzes des letzten
Halswirbels und dem Höcker und Hals der ersten Rippe, sowie weiter hin-
auf zwischen den hinteren Spitzen der Querfortsätze der Halswirbel verlaufen.
An den beiden unteren Rippen fliessen die Ligg. colli costae zusam-
men mit dem Lig. tuberculi inf., welches von der Spitze des kurzen Quer-
fortsatzes fächerförmig gegen die Rippe sich ausbreitet. Ein Lig. costo-
transv. post. geht vom Hals der elften Rippe aufwärts und fügt sich an
das Lig. tuberositatis vertebr.; der zwölften Rippe fehlt e. Die Ligg.
tuberositatum sind an den unteren Brustwirbeln ziemlich beständig; sie lie-
gen, wie sich von selbst versteht, zwischen Pr. mamillares und accessorii.
!) Ligg. intertransversalia aut.
II. An der
1. Rippe.
II. An der
11. und 12.
Rippe.
32 Bänder der unteren Intercostalräume.
Das Lig. costo-transvers. ant. des letzten Intercostalraums hängt nur
durch wenige Fasern mit dem Querfortsatz des elften Brustwirbels zu-
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Bänder der Vurderseite, der unteren Brust- und der oberen Bauchwirbel.
Ps Proc. spin. Pas Proc. artic. sup. Pt Proc. transv.
sammen; dagegen erstreckt es sich stark sehnig bis zur Spitze der Rippen.
Fasern von gleicher Richtung und Stärke verlaufen zwischen der letzten
Rippe und dem Querfortsatz des ersten Bauchwirbels, während dagegen
zwischen den Querfortsätzen der tieferen Bauchwirbel ein Lig. costo-
transv. ant. liegt, welches nur am medialen, concaven Rand einigermaassen
scharf ist, lateralwärts aber alsbald zwischen Muskelfasern sich verliert.
mean den Von den zahlreichen Bändern, welche am Brustkasten Rippen und
Bauchwir- Querfortsätze verbinden, erhalten sich an den entsprechenden Theilen der
Bauchwirbel nur die eben beschriebenen Ligg. costo-transversaria antica.
Dagegen treten hier einige neue Bänderzüge auf, und zwar an der Stelle
theils muskulöser, theils knöcherner Gebilde des Brustkastens. Die Mm.
intercostales intt., deren Fasern, gleich den Sehnenfasern der Ligg. costo-
transversaria antt., schräg medianwärts absteigen, nähern sich in den
unteren Intercostalräumen allmälig den Wirbelkörpern, indem sie zugleich
an dem medialen Rande sehnig werden; das mediale Ende des untersten dieser
Muskeln (Fig. 25) stellt ein Band dar, welches vom unteren Rande der elften
Lig. Jumbo - costale. 33
Rippe entspringt und sich an den oberen Rand der zwölften Rippe und hän-
fig an der Seitenfläche ‘des entsprechenden Wirbelkörpers befestigt. Aechn-
liche Fasern, Lig.’ costo-verlebr. access. n., gehen von der zwölften
"Rippe zum ersten Bauchwirbel und vom Querfortsatz des ersten Bauchwir-
bels zum Körper des zweiten; sie decken das Zwischenwirbelloch von vorn,
haben den Intereostalast des Spinalnerven hinter sich und dienen Muskel-
fasern, insbesondere des Psoas, zum Ursprung. Oft stehen sie durch feinere
Bündel, die das Zwischenwirbelloch wie ein Gitterwerk schliessen, mit den
Ligg. interceruralia in Verbindung.
Lateralwärts hängen die Ligg. costo-transversaria antica des untersten
Intercostalraums und der beiden oberen Bauchwirbel mit einer sehr festen,
glänzenden Sehnenhaut, Lig. Zumbo-costale \), zusammen, welche aus
starken und gekreuzten Bündeln gewebt ist. Die einen verlaufen quer in
der Fortsetzung der Querfortsätze der beiden oberen Bauchwirbel zur Spitze
der zwölften Rippe und selbst über dieselbe hinaus; zwischen diesen, so zu
sagen, fibrösen Rippen und über dieselben hinweg gehen andere Bündel we-
sentlich vertical, die meisten in schräg lateralwärts absteigender, wenige in
lateralwärts aufsteigender Richtung, Fortsetzungen der Ligg. costo-transv.
antica und costo-vertebr. aecessoria.. Indem diese verticalen Fasern sich
zum oberen Rande des Hüftbeins längs der Spitzen der Querfortsätze der
unteren Bauchwirbel hinab erstrecken, erhalten sie von diesen Spitzen aus
Verstärkungen, welche aus strahlenförmig in frontaler Ebene divergirenden
Fasern bestehen, und treten oberhalb des Hüftbeins mit den starken Ligg.
ileolumbalia (s. unten) zusammen.
Das Lig. lumbo-costale wird nach innen vom Musc. quadr. lumborum gedeckt.
Nicht selten aber liest der genannte Muskel mit den aufsteigenden Rückenmuskeln
in einer gemeinsamen Scheide und .das Lig. lumbo-costale geht vor ihm her, so
dass es nach Wegnahme des Peritoneum von der Bauchhöhle her unmittelbar
sichtbar wird. Vermittelnd zwischen diesen beiden Fällen stehen andere, wo der
M. quadratus lumb. zwischen zwei fast gleich starken Blättern einer transversal-
faserigen Scheide eingeschlossen ist, die sich am lateralen Rande des Muskels wie-
der zu einem einfachen Blatt vereinigen. Von diesem Blatt nehmen die Fasern des
M. transv. abdominis ihren Ursprung.
Obgleich man die Gelenke der hinteren Enden der Rippen zu den straffen rech-
net und Kopf, Hals und Höcker der Rippen ausserdem durch eine nicht geringe Zahl
von Bändern an die Wirbel befestigt sind, so ist die Beweglichkeit der Rippen ge-
gen die Wirbelsäule doch ziemlich gross und jedenfalls grösser, als nöthig, da die
Intercostalmuskeln , selbst in der Leiche, die Entfernung der Rippen von einander
hemmen, bevor das Extrem der Dehnung des Bandapparats erreicht ist. Die ergie-
bigste Bewegung ist die Drehung um eine Axe, welche, annähernd transversal, das
Gelenk des Köpfehens und Höckers mit einander verbindet. Durch Aufwärtsdrehung
um diese Axe wird die Rippe erhoben; die beiden oberen gelangen zugleich in eine
mehr der horizontalen sich nähernde Lage. Ob hiermit der vordere Anheftungs-
punkt der Rippen, das Brustbein, aufwärts gezogen wird, hängt von dem Verhält-
niss ab, in welchem der durch die Schwere und Befestigung desselben (durch die
Mm. recti abdom.) geleistete Widerstand zur Elastieität der Rippenknochen und
Knorpel steht. Es wird um so leichter aufwärts gezogen, je näher dem vorderen
Ende der Rippe die hebende Kraft angebracht ist.
Die beiden untersten Rippen haben nicht nur die grösste Freiheit der Bewe-
gung auf- und abwärts, sondern lassen sich auch merklich rück- und vorwärts ver-
1) Retinaculum costae ultimae Arn.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 3
Lig. lumbo-
costale.
Physiologi-
sche Bemer-
kungen.
34 Lig. commune vertebr. post.
schieben. Um Weniges weichen indess auch die nächstfolgenden Rippen, wegen
der schrägen Lage der Querfortsatzpfanne, beim Aufsteigen rückwärts, so dass zu-
gleich mit dem Heben der Rippen die Aushöhlung der Lungenfurchen (Kul. S. 57)
flacher wird. Beim Zurückweichen der Rippen spannt sich das Lig. costo-vertebrale
radiat. Bei Druck auf die Vorderfläche des Thorax wird das Rippenhöckergelenk
Stützpunkt, von wo aus die Rippenköpfehen gegen das Lig. costo-vertebr. radiat.
andrängen. Entfernt man den Querfortsatz eines Wirbels, so lässt sich die mit
demselben articulirende Rippe nicht weiter zurück- und das genannte Ligament
nicht weiter vordrängen, aber es bedarf alsdann nur eines sehr geringen Druckes
auf das Vorderende der Rippe, um den Hals derselben abzubrechen.
d. Bänder der Wirbelnhöhle.
1. Lig. commune vertebr. posticum CVP }).
d.- Bakder Das Band läuft in verticaler Richtung über die Mitte der hinteren
der Wirbel- FJäche der Wirbelkörper herab, indem es, gleich dem Lig. commune ant,,
1. Lie. an die Synchondrosen genau befestigt ist, über die hinteren etwas ausge-
Sert post. Höhlten Flächen der Wirbelkörper aber brückenförmig hinweggeht. Es
Fig. 26. entsteht am unteren Rande des Epistropheus aus
+ der Bandmasse, welche den Zahn von hinten her
deckt, und reicht bis zu dem untersten Bauch-
wirbel. Am Halse nimmt es die ganze Breite der
Wirbelkörper ein, längs den Körpern des Brust-
und Bauchtheils der Wirbelsäule verschmälert es
sich allmälig, dehnt sich aber an jeder Synchon-,
drose in die Breite aus und gewinnt so einen je-
derseits bogenförmig ausgezackten Rand, dessen
T tiefste Ausschnitte in gleicher Höhe mit den Wur-
zeln der Wirbelbogen liegen (Fig. 26).
1 Das Band besteht in der Mitte aus paralle-
& len Bindegewebsbündeln, die sich meistens leicht
Körper einiger Brustwirbel in zwei Blätter zerlegen lassen; von den Seiten-
mit den Synehondrosen neilen der Synchondrosen mischen sich bogenför-
von hinten, f Schnittflä- J me
che der Bogen. mig ab- und auf-medianwärts verlaufende Fasern bei.
Am Seitenrande setzt es sich in eine feinere Bindege-
webslage fort, welche die seitliche und hintere Wand der Wirbelhöhle ausklei-
det und mit dem Bindegewebe der Zwischenwirbellöcher zusammenhängt.
‚Unter dem brückenförmig gespannten Theil des Lig. commune post. liegen
mediane Venengeflechte, welche d’e an beiden Seiten der Wirbelhöhle gelegenen
Venengeflechte mit. einander in Verbindung setzen und die aus den Markräumen
des Wirbelkörpers hervortretenden Venen aufnehmen. Das Lig. commune post.
hat die Wirkung, die Vorderfläche des Rückenmarkes vor dem Druck, welchen
jene medianen Geflechte durch Anschwellung ausüben könnten, zu bewahren. Bläst
man die Venen der Wirbelhöhle auf, so erheben sie sich an jedem Wirbel in Form
von Wülsten jederseits neben dem Lig. commune post., indess sie in der Mitte
durch das Band niedergehalten werden.
cvp
2. Ligamenta intercruralia te 2).
2. Ligg. in- Vom Atlas an bis zum Kreuzbein werden die Zwischenwirbelspalten
tereruralia. auseefüllt d - ] Bä ER
ausg urch Bänder, welche von der Vorderfläche und dem unteren
) Lig. longitudinale posticum s. fascia longit. post. Weitbr. Lig, longiiud. med. Bar -
kow. > Ligg. arcuum. Ligg. flava s. suhflava.
Ligg. intereruraha. 35
Rande jedes höheren Wirbels zum oberen Rande und der hinteren Fläche des
nächst tieferen verlaufen und vor allen Bändern des Skeletts durch ihre Zu-
sammensetzung aus elastischen Fasern und ihre daher rührende gelbe Farbe
sich auszeichnen.
Die Ligg. intereruralia liegen in gleichen Ebenen mit den Wirbelbo-
gen, deren Vorderflächen, soweit sie von
diesen Bändern bedeckt sind, um so viel,
als die Dicke der Bänder beträgt, zurück-
weichen, so dass die hintere Wand der
Wirbelhöhle, obgleich aus alternirenden
Streifen von elastischem Gewebe und Kno-
chen zusammengefügt, dennoch dem Lumen
der Höhle eine völlig plane Oberfläche dar-
bietet. Die Elastieität der Bänder bewirkt,
dass diese plane Form der Oberfläche sich
auch in Stellungen der Wirbelsäule erhält,
in welchen die Ligg. intereruralia erschlaf-
fen. Die Fasern der Ligg. intereruralia
verlaufen im Wesentlichen in verticaler
Richtung von Wirbel zu Wirbel. Sie bil-
den eine compacte Masse und lassen erst
in der Nähe des lateralen Randes eine Schei-
dung in Bündel erkennen, welche sich in
der das Zwischenwirbelloch auskleidenden
Lage verticaler und schiefer Bindegewebs-
bündel verlieren (Fig. 27 u. 23). In der
Mittellinie zeigt jedes Band auf der Vor-
derfläche eine feine Spalte, durch welche
Gefässe ein- und austreten und auf der
Fig. 27. Bogen einiger Halswirbel, Riickenfläche eine mediane, die Wurzeln je
Fig. 28. Bogen einiger Brustwirbel _ oier Dornfortsätze verbindende, mehr
von vorn mit den Ligg. intercruralia. x 2 a & x
+ Schnittflächen, wodurch die Kör- oder minder weit rückwärts vorspringende
per abgetrennt worden. Firste, welche in das Lig. interspinale über-
geht (Fig. 29 a. folg. Seite). Die Höhe
der Bänder nimmt mit der Höhe der Wirbel von dem Hals- zum Bauchtheil
der Wirbelsäule zu; der transversale Durchmesser der Bänder ist entspre-
chend der Weite der Wirbelhöhle, am geringsten in den Brustwirbeln und
wächst gegen die Bauch- und Halswirbel; was die Form betrifft, so ist im
Allgemeinen der obere Rand concav, der untere convex und die Krüm-
mung des oberen Randes flacher als die des unteren, so dass die Höhe ge-
gen den Seitenrand abnimmt. Am wenigsten sind die Bänder der Hals-
gegend gekrümmt und seitlich fast zugespitzt. An den Bändern der Brust-
wirbel haben die oberen und unteren Ränder eine Art Schlangenkrümmung,
die Mitte tief abwärts , die seitlichen Enden leicht abwärts gebogen. Der
Seitentheil dieser Bänder deekt von vornher den medialen Theil des Wir-
belgelenks.
5*
e. Bänder
der Doru-
fortsätze.
Ligg. inter-
“ spinalia.
Lig. supra-
spinale.
Ligg. interspinalia.
Fig. 29
5
PR u} >
ENT, Va 1
4 Ne Si
TER SER
5 ao" „rt
aan
Sr n
ON ua un
Pe RO MIT
te h ”
Horizontaler Durchschnitt durch das Gelenk des
letzten Brust- und ersten Bauchwirbels.
Horizontaler Durchschnitt durch den dritten Bauchwirbel.
VD) Membranae interspinales W eitbr.
2) Lig. longitudinale posterius col. spin. Barkow.
e. Bänder der
Dornfortsätze.
Ligg. interspinalia.
Die Ligg. interspi-
nalia der Bauch- und
Brustwirbel bestehen
aus zwei Abtheilungen :
aus einer medianen Bin-
degewebshaut, Lig. @n-
ter-sp. s. s.1), welche,
als Fortsetzung der er-
wähnten hinteren Firste
der Ligg. intercruralia,
zwischen den einander
zugekehrten Rändern je
zweier Dornen ausge-
spannt ist (Fig. 29), und
auseinem sehnenartigen,
rundlichen, über die Spi-
tzen der Dornen conti-
nuirlich hinziehenden,
durch Fasern von Dorn
zu Dorn verstärkten
Strang, Lig. supra-spi-
nale Cruv. 2), welcher
in dem Zwischenraum je
zweier Dornen als ver-
dickter hinterer Rand des
eigentlichen Lig. inter-
spinale erscheint, von
demselben aber durch
die Ursprungssehnen der
oberflächlichen Rücken-
muskeln geschieden ist
(Fig. 29.30). Die Ligg.
interspinalia sind hoch
und stark an den Bauch-
wirbeln, niedrig und zart
an den Brustwirbeln ;
an denBauchwirbeln las-
sen sie sich in mehrere
Blätter zerlegen, an den
Ligg. apicum aut.
Bänder der falschen Wirbel. 37
Brustwirbeln sind sie einfach, nicht selten unvollständig, mit grösseren und
kleineren von Fett und Gefässen erfüllten Lücken versehen.
Von dem siebenten Halswirbel an aufwärts fliessen die sämmtlichen
Ligg. interspinalia mit dem Lig.
supraspinale zu einer einfachen
dreiseitigen Membran, Lig. nu-
chae (Fig. 31 und Fig. 32), zu-
sammen. Der hintere Rand die-
ser Membran, durch verticale
Bindegewebsbündel verstärkt,
dehnt sich von der Spitze des
siebenten Halswirbels zur Pro-
tub. occip. ext. aus; der obere
Rand sitzt an der medianen Na-
ckenlinie des Hinterhaupts fest;
mit dem vorderen Rande ent-
springt das Band an allen Hals-
Horizontalschnitt des Halses in der Gegend des wirbeln aus der Furche zwischen
sechsten /Elalswirhels, den beiden Spitzen, in welchen
Fig. 32. die Wirbeldornen des Halses ge-
theilt sind, an den unteren Hals-
wirbeln auch von den Spitzen
selbst, am Atlas vom Tub. post.
Die Bündel verlaufen vom Ur-
sprunge an rückwärts und flies-
sen gleich hinter dem Ursprung
zu einer Membran zusammen, in
welcher sehr verschiedene Faser-
züge, zum Tbeil Ursprünge der
Sehnen ab- und aufsteigender
Muskeln, einander begegnen.
ll. Bänder der falschen
Wirbel.
Die Synchondrosen der falschen
Wirbel bestehen, so lange sie sich
unverknöchert erhalten, aus ei-
nem Faserring und einem faser-
knorplichen Kern; der Ring ist
schmal, der Kern körnig und
brüchig, in der Regel aber nicht
so weich und quellbar, wie der
Halswirbel und Hinterhauptsbein mit dem Lig. Sr der Be Wubelsyuchen-
Anchas, Profi; rosen. Am Kreuzbein macht
die Höhe der Synchondrosen, so
lange sie noch unterscheidbar sind, höchstens 1/, der Höhe der Wirbelkör-
_ per aus, am Steissbein !/;. Nicht selten findet man auch am Steissbein die
Synchondrosen verknöchert.
Lig. nuchae.
II. Bänder
der falschen
Wirbel.
Synchon-
drosen.
Lig. sacro-
Lig. sacro-
eoceyg. aut.
Lig. sacro-
Lig. sacro-
post. prof.
38 : Bänder der falschen Wirbel.
Cruveilhier fand zwischen dem ersten und zweiten Steisswirbel eine wahre
von einer Synovialhaut ausgekleidete Kapsel, dehnbar genug, um bei Bewegung
des unteren Wirbels nach hinten eine rechtwinkliche Stellung beider zu einander
zu gestatten. Ich sah einmal die beiden letzten, durch die gewöhnliche Synchon-
drose aneinander gefügten Steisswirbel von einer schlaffen, mit zäher Synovialflüs-
sigkeit erfüllten fibrösen Kapsel umgeben.
Statt des Kapselbandes der Gelenkfortsätze findet sich zur Verbindung
eoceyg- art ger Hörner des Kreuz- und Steissbeins jederseits ein eylindrisches aus
Längsbündeln gebildetes, die Spitzen beider Hörner umfassendes Band, 719.
sacrocoecygeum arliculare Y), welches häufig verknöchert (Fig. 33).
Auf der Vorderfläche der Wirbelsäule gehen vom Kreuz- zum Steiss-
Fig. 33.
Unterer Theil des Kreuzbeins und Steiss-
beins, von hinten.
bein einige verticale, die Beinhaut
verstärkende Bündel, Lig. sderococ-
cygeum ant., das Analogon des Lig.
commune vertebr. ant. der Beugewir-
bel. Ligg. costo - vertebrala radiata
treten an den obersten Kreuzwir-
beln unter dem Lig. commune ant.
hervor, um von den Körpern auf die
Flügel überzugehen. Auf dem dritten
Kreuzwirbel und den folgenden blei-
ben diese strahlenförmigen Fasern al-
lein übrig, einander in der Mittellinie
kreuzend und seitlich in die Ursprünge
des M. pyriformis sich fortsetzend.
Den Ligg. costo-transversaria an-
tica der Beugewirbel entsprechen Zigg.
sacrococcygea lateralia Krause, vom unteren Rande der Seitentheile
eoceyg. lat. des Kreuzbeins zum oberen Rande der Seitentheile des Steissbeins (zuwei-
len auch zwischen den Seitentheilen des ersten und zweiten Steisswirbels).
Das Lig. sacro-coceyg. lat. ist stark, platt, hauptsächlich aus verticalen
Bündeln zusammengesetzt. Es deckt von hinten her den vorderen Ast des
letzten Lendennerven ; zwischen seinem medialen Rande, der sich an die
Kreuz- und Steissbeinhörner anlehnt, und diesen Hörnern bleibt eine rund-
liche Lücke, durch die der Rückenast des genannten Lendennerven nach
hinten geht.
Das Lig. commune vertebr. posticum erscheint an der Synchondrose
eoceygeum des letzten Kreuz- und ersten Steisswirbels in Form eines breiten, platten
Bandes oder einzelner verticaler Bündel, Lig. sacrococcygeum poslicum
profundum Barkow?).
Aecht elastische Ligg. intercruralia finden sich am Kreuzbein vor
Vollendung der Verknöcherung (Barkow); sie finden sich auch beim Er-
wachsenen in ausnahmsweise unverknöchert gebliebenen Zwischenwirbel-
spalten und wenn, was häufig vorkommt, eine grössere oder geringere Zahl
1) Lig. sacrococc. posticum breve Barkow. L. sc. p. breve et externum M. J. Weber.
*) Lig. sacrococcygeum posticum Arnold. Lig. sacrococc. postici longi -stratum profundum
Barkow.
Kapselbänder der Drehwirbel- und des Hinterhauptsbeins. 39
von Bogen der Kreuzwirbel offen bleibt; so wird die Lücke ausgefüllt durch
eine elastische Membran, mit welcher an ihrer hinteren Fläche die Sehnen
des Glut. max. und der aufsteigenden Rückenmuskeln verschmelzen.
Den untersten Theil der Wirbelsäule schliesst von hinten her eine
starke fibröse Haut, Lig. sacrococcygeum poslicum superficiale )), Lig. saro-
welche vom unteren Rande des Bogens des letzten Kreuzwirbels und KO Host Eat,
den vereinigten Kreuz- und Steissbeinhörnern entspringt, oder, wenn die
Bogen unterer Kreuzwirbel fehlen, aus der eben erwähnten elastischen
Membran unmittelbar sich fortsetzt. Am unteren Rande des ersten und
am zweiten Steisswirbel ist sie durch lockeres Bindegewebe und durch
einzelne straffere Stränge mit dem Lig. sacrococeygeum posticum profun-
dum verbunden; am unteren Rande des zweiten Steisswirbels oder am
dritten verschmilzt sie, wie das letztgenannte Band, völlig mit der Bein-
haut der hinteren Fläche der Steisswirbel. Der Seitenrand des Lig. sacro-
coceyg. post. superf. ist gerade und scharf; zwischen ihm und den Steiss-
wirbelkörpern bleibt eine feine, von dem lockeren, im frischen Zustande
serumreichen Bindegewebe des Endtheils der Wirbelhöhle ausgefüllte Spalte,
durch welche die letzten Spinalnerven austreten. Oft endet das Lig. sac.
postie. superf. in zwei Zipfel, welche auseinanderweichend eine mediane
Spalte einschliessen (Fig. 33). Die Zipfel befestigen sich jederseits an
die Bogenrudimente des zweiten oder dritten Steisswirbels,; die Spalte
führt, gleich den beschriebenen seitlichen Spalten, in die Wirbelhöble und
ist, wie jene, von dem lockeren Bindegewebe der Wirbelhöhle verlegt.
IH. Bänder der Drehwirbel und des Hinterhauptsbeins.
a. Kapselkänder.
Die Form der Gelenkflächen des Hinterhauptsbeins und Atlas, sowie ııı. Bänder
des Atlas und Epistropheus ist im Einzelnen bereits im osteologischen Theil Yu nu
beschrieben. An allen diesen Gelenkflächen ist der Knorpelüberzug Dale en
nisch, von mässiger Stärke (1"m). Die Kapselmembranen sind weit und „ xapsel-
schlaff, mit platten, mehr oder minder weit vorspringenden Synovialfalien Bänder:
versehen.
An den Hinterhauptsgelenken, Arit. occipilo-allanticae (Fig: ı. Hinter-
34.37.38), sind die Gelenkflächen einander entsprechend gekrümmt, die Ar- En
tieulationsebenen sind oval, mit den längsten Axen vorwärts convergirend,
in jedem Durchschnitt abwärts convex, stärker jedoch in dem der längsten
Axe entsprechenden Durchschnitt. In diesem Durchschnitt überragt auch
die Gelenkfläche des Hinterhaupts um Weniges die des Atlas, woraus auf
eine Beweglichkeit vorzugsweise in dem der Längsaxe entsprechenden Sinne
zu schliessen ist. Die Kapsel schliesst sich -nicht überall genau an den
Rand der Gelenkfläche an. Am Hinterhauptsbein wird ein Theil der me-
dialen und lateralen Fläche, am Atlas ein Theil der hinteren Fläche des
Vorsprungs, der die eigentliche Gelenkfläche trägt, von der Kapsel
1) Lig. sacrococeyg. posticum Krause. Lig. sac. posticum et internum M..J. Weber.
Lig. sacrococeyg. postici longi stratum superficiale Barkow.
40 Kapselbänder der Drehwirbel und des Hinterhauptsbeins.
bekleidet und in die Gelenkhöhle mit aufgenommen. Die Synovialfalten ge-
hen von der medialen Wand aus. Die Kapsel wird von vornher durch die
starken seitlichen Massen des Lig. obturatorium ant., von innen und unten
durch das Lig. alare und die seitliche Abtheilung des Lig. latum epistrophei
gedeckt, im Uebrigen ist sie von dem lockeren, venenreichen Bindegewebe
umgeben, welches die Wirbelhöhle erfüllt.
?. Drehwir Die (paarigen) Drehwirbelgelenke, Artil. atlanto-epistrophicae,
belgelenke. , % & ER ” se . D e)
zeigen eine sehr eigenthümliche Einrichtung. Im Frontalschnitt (Fig. 37) sind
die Gelenkflächen einander entsprechend sanft lateralwärts geneigt und sanft
die oberen concav, die unteren convex. Im Sagittalschnitt (Fig. 13) ist die
untere Gelenkfläche ebenfalls sanft convex, die obere ist vorn und hinten
_ entsprechend concav, hat aber eine transversal über die Mitte verlaufende
Wölbung. Mit dieser ruht, bei gerade vorwärts gekehrtem Gesicht, der
Atlas wie mittelst einer Walze auf dem Epistropheus; nach vorn und hin-
ten weichen beide Gelenkflächen auseinander; ihre Entfernung von einan-
der kann am vorderen und hinteren Rande der Articulationsflächen bis
5” betragen. Dreht sich der Atlas auf dem Epistropheus, so geht jene
Walze in dem einen Gelenk vor-, in dem anderen entsprechend rückwärts,
bis sie dort vor, hier hinter die Gelenkfläche des Epistropheus zu liegen
kommt; dann erst tritt die concave hintere Hälfte der Atlasfläche mit. der
vorderen Hälfte der Epistropheusfläche, und umgekehrt, in Berührung. Die
Kapsel ist weit genug, um diese ausgiebigen Verrückungen zu gestatten;
sie setzt sich weit vom Rande der Gelenkflächen, am Atlas dicht unterhalb
des Querfortsatzes, am Epistropheus dicht oberhalb desselben an. Die Sy-
novialfalten, hauptsächlich von der vorderen und hinteren Wand entsprin-
gend, füllen, so ansehnlich sie sind, jene Spalten zwischen den Gelenkflächen
bei Weitem nicht aus.
Aeusserlich ist die Kapsel der Drehwirbelgelenke fast durchaus von
weichen Substanzen umgeben; nur am medialen Theil der Rückseite wird
sie durch die seitliche Abtheilung des Lig. latum epistrophei verstärkt, wel-
ches zugleich das Haupthemmungsband der Drehbewegung ist. Median-
wärts grenzt sie dicht an den Schleimbeutel des Lig. eruciatum ; häufig
communiecirt sie mit demselben.
% Zange Die Kapsel desZahngelenkes, Arl. allantico-odontoidea (Fig.
35.86.38) ist sowohl am Zahn, wie am Atlas in einer Rinne befestigt, wel-
che den die Gelenkfläche tragenden Vorsprung umgiebt. Sie grenzt seitlich
oben an die Kapsel des Hinterhauptsgelenks, unten an den Schleimbeutel des
Lig. eruciat.; von jener ist sie durch eine höchstens 3”” breite Brücke locke-
ren Bindegewebes geschieden; mit dem Schleimbeutel stösst sie unmittelbar
zusammen, so dass nur ein feines häutiges Septum die Grenze zwischen der
Höhle der Kapsel und des Schleimbeutels bezeichnet (Fig.36). Von der obe-
ren Spitze der Kapsel geht, durch einen ringförmigen Saum abgesetzt, eine
Aussackung unter das Lig. suspensorium dentis; unten ragt in der Regel
ein Theil der Gelenkfläche des Zahns über die Gelenkfläche des Atlas vor;
hier überzieht die vordere Wand der Kapsel einen Theil des weichen, die
Lücke zwischen dem vorderen Bogen des Atlas und dem Körper des Epi-
stropheus ausfüllenden Gewebes des Lig. obturatorium ant., das auf diese
Weise an der Bildung der Fossa art. post. des Atlas Theil nimmt (Fig. 35).
Bänder an der Vorderfläche der Drehwirbel. 41
Von der unteren Wand der Kapsel ragen kurze zottige, von der Seiten-
wand längere, dünne Synovialfalten in die Gelenkhöhle.
Nach Gruber hätte diese Kapsel nicht selten seitliche Ausbuchtungen und
ständ@®"unter 10 bis 12 Fällen Einmal entweder mit dem Drehwirbelgelenk oder
mit dem Schleimbeutel des Lig. cruciatum in offener Verbindung.
b. Bänder an der Vorderfläche.
Man nennt, als Ausfüllungsmasse der Querspalten, zwischen dem Hin- b. Bänder
terhaupte, dem vorderen Bogen des Atlas und dem Körper des Epistropheus = a
ein medianes Lig. obturatorium atlanto - epistrophiecum ant. !) und atlanto- ant.
occipitale ant. 2). Beide aber hängen mit dem Lig. vertebr. commune und
durch dessen Vermittelung auch unter sich dergestalt zusammen, dass sie
eine einzige Bindegewebsmasse, Lig. oblurat. ant. (Fig.34. 35.37), bilden,
welche nach hinten, so weit sie nicht von der Kapsel des Zahngelenks ein-
genommen ist, in das Bindegewebe der Venenplexus der Wirbelhöhle con-
tinuirlich übergeht, nach vorn an die Mm. recti capitis ant. min. und ma).
grenzt und als medianes Septum 3) zwischen dieselben tritt (Fig. 36 * *).
Von dem oberen Ende des Lig. commune ant. gehen, während es sich
im Umfange des Tub. ant. atlantis befestigt, eine Anzahl oberflächlicher
Bündel über diesen Höcker weg zum Körper des Hinterhauptsbeins. Mit
der Beinhaut des Atlas sind sie durch eine-dünne Lage lockeren und dehn-
baren Bindegewebes, welche die Dienste eines Schleimbeutels thut (Fig.
35 *), verbunden. Neue Fasern treten von der Vorderfläche des Epistro-
pheus hinzu, theils zum Atlas, theils an dessen Höcker vorbei zum Schädel;
darunter endlich folgt eine massive Bindegewebslage, welche von der vor-
deren Fläche und dem oberen Rande des Atlas zum Schädel aufsteigt und
bis an die transversale Leiste reicht, welche die Insertionsstelle ‚des M.
rect. cap. ant. min. bezeichnet. Sie besteht aus vielfach durcheinander ge-
flochtenen, von zahlreichen elastischen Fasern durchsetzten Bündeln. Pa-
rallele und feste, mehr bandartige Züge finden sich, abgesehen von der er-
wähnten Fortsetzung des Lig. coınm. ant., nur an der Seite *), wo sie vor
dem medialen Theil des Hinterhauptsgelenks von der Wurzel des Querfort-
satzes und dem angrenzenden Theil des vorderen Bogens des Atlas schräg
medianwärts aufsteigen. Der Verlauf dieser Abtheilung des Lig. obtura-
torium ant. erinnert an die Ligg. costo-vertebr. radiata der Beugewirbel;
ebenso begrenzt sie mit ihrem scharfen lateralen Rande von vornher die
. Lücke, durch welche der N. hypoglossus austritt.
!) Membrana annuli anterioris atlantis Meckel, Sömmerring. Lig. atlanto-occip. ant.
prof. Barkow.
?) Lig. episthrophico-atlant. ant, prof. Barkow.
2). Lacertus rectus Weitbr. Lig. atlanto- occip. superfic. Barkow. Lig. occipitale
anterius medium H. Meyer.
*) Ligg. accessoria Meckel.
ce. Bänder
der Wirbel-
höhle.
@. An der
Vorder-
fläche.
1. Lig. lat.
epistroph.
42 Lig. latum epistrophei.
ec. Bänder der Wirbelhöbhle.
«. An der Vorderfläche. ®:
Zwischen dem Rande des Schädels und der hinteren Fläche des Kör-
pers des Epistropheus liegt ein complieirter ligamentöser Apparat, der die
Bestimmung hat, den Gang des Atlas um den Zahn zu sichern, der Dreh-
bewegung Grenzen zu setzen und die vordere Wand der Wirbelhöhle plan
Fig. 34.
Ansicht der hinteren Fläche der vorderen Wand der Wirbelhöhle in der Gegend des Hin-
terhauptsbeins und der Drehwirbel. Die Schuppe des Hinterhaupts und die Wirbelbogen
hinter den Gelenken abgesägt Die Kapsel des Hinterhaupts- und Drehwirbelgelenks von
hinten geöffnet, die letztere bis an den Ursprung vom Knochen weggeschnitten. + Durch-
schnittslächen der Wirbelbogen. ff Schnittrand des Lig. lat. epistr., von welchem "ein
r Theil (rechts) erhalten ist.
zu erhalten. Dem letzteren Zweck insbesondere dient das Band, wel-
ches, von der Wirbelhöhle aus gerechnet, die oberste Schichte einnimmt.
1. Lig. latum epistrophei m. le).
Bei dem Uebergang aus der Schädel- in die Wirbelhöhle ordnen sich
die Bindegewebsbündel der harten Hirnhaut vertical und verstärken sich
durch ebenfalls im Wesentlichen verticale, am Rande des Hinterhauptslochs
entspringende Bündel. So entsteht eine Membran von 1 bis 5/,”” Mäch-
tigkeit, welche von hinten her die in dem Raume zwischen dem Schädel und
Atlas quer von der einen zur anderen Körperseite verlaufenden Venenplexus
deckt und, straff zur hinteren Fläche des Zahns gespannt, sich alsbald in
mehrere Blätter scheidet (Fig. 35). Das oberflächlichste (hinterste) Blatt
1) Apparatus ligamentosus Weitbr. Membrana ligamentosa Hyrtl.
=”,
Lie. eruciatum epistrophei. 45
setzt sich als harte Haut des Rückenmarkes fort; die nächst tieferen (vorde-
ren) Schichten gehen über die hintere Fläche und den unteren Rand des Epi-
stropheus hinweg und hängen mit dem Lig. commune post. (evp Fig. 35) zu-
sammen. Die tiefsten (vordersten) Lagen heften sich, je weiter nach vorn
sie liegen, um so näher der Basis des Zahnes an die hintere Fläche des
Körpers des Epistropheus. Diese Lagen bilden das Lig. latum. Man kann an
demselben drei Abtheilungen unterscheiden, eine mittlere und zwei seitliche.
Die mittlere!) besteht aus genau verticalen Fasern und ist breit genug, um
den Zahn nach beiden Seiten etwas zu überragen; in den beiden seitlichen
Abtheilungen ?) verlaufen die Fasern unter einem spitzen Winkel gegen
die Verticale ab- und medianwärts geneigt; sie decken von hinten her den
medialen Theil der Kapseln des Hinterhaupts- und Drehgelenks (Fig. 34)
und setzen sich von den seitlichen Rändern aus in die dünnere Bindegewe-
behaut fort, welche die verticalen Venenplexus der Wirbelhöhle einschliesst.
Eine tiefste Schicht des Lig. latum, 4 bis 5”” breit , setzt sich, nicht
ganz beständig, an den oberen Theil der hinteren Fläche des Lig. trans-
versum dentis fest. Dies ist der Appendix sup. lig. transverei aut..?).
Im Uebrigen findet sich zwischen dem Lig. latum und der hinteren Fläche
des Lig. transversum eine feine Schichte lockeren und schleimigen Binde-
gewebes, zuweilen ein wirklicher Schleimbeutel.
Fig. 35.
2. Lig. cruciatum epistrophei.
Das Lig. ceruciatum wird, wenn
man den Bandapparat der Drehwirbel
von der Wirbelhöhle aus präparirt,
unmittelbar nach Entfernung des Lig.
latum sichtbar. Mit seinem queren
Schenkel, Crus transversum Lig. eru-
ciati oder kürzer Lig. Transversum
dentis, geht es von dem einen Seiten-
theil des Atlas zum anderen so dicht
und gespannt hinter dem Zahn vor-
über, dass es denselben halsförmig
einschnürt und nur mit Mühe etwas
von ihm abgezogen werden kann
(Fig. 34). Unter rechtem Winkel
kreuzt sich mit diesem queren Schen-
kel der verticale, mediane, dessen un-
terer Theil, Urus inferius %), eben-
falls straff gespannt unter spitzem
Winkel an die hintere Fläche des
Epistropheuskörpers befestigt ist, in-
Mediandurchschnitt der vorderen Wand der Meer : r o d. 6
Wirbelhöhle in der Gegend des Körpers 2 SEID TEN ron a (er
des Hinterhaupts und der oberen Halswir- L ) a Ei al ray
in Dora mater. ca Lig. comm, . occipitalia posteriora accessoria H, Meyer.
vertebr ant. cvp Lig. comm, vertebr. post. ) FPRRER SUMLIDORE user.
1 Schleimbeutel des Lig. cruciatum, ) Appendix inf. Den oberen und unteren
Schenkel vereinigt H. Meyer unter dem
Namen Zig. occipitale posterius medium.
2. Lig. eru-
ciatum
epistr.
44 Lig. eruciatum epistroph ei.
dess der obere Schenkel, Crwus superius '), verschiebbar in dem lockeren
Bindegewebe über dem Gipfel des Zahns und im Bogen auf- und vorwärts
verläuft und theils mit der Beinhaut der Spitze des Zalıns, theils mit den
festeren Bindegewebelagen des Lig. obtur. ant. zusammenhängt(Fig. 34. 35).
An der Stelle des unteren Schenkels findet sich zuweilen’ nur eine Schiehte
lockeren Bindegewebes, welche die Kapsel des Zahngelenks von unten schliesst
und das Lig. transversum mit den vordersten Lagen des Lig. latum verbindet.
Nur selten fehlt der obere Schenkel des Lig. ceruciatum, er wird dann durch den
Appendix sup. vertreten.
Alle Theile des Lig. eruciatum sind platt, von vorn nach hinten com-
primirt. Das Lig. transversum ist zugleich etwas schräg, mit dem oberen
Rande rückwärts gestellt, wodurch der Ring, in welchem der Zahn sich
bewegt, eine trichterförmige abwärts sich verengende Gestalt erhält und
dem Ausgleiten des Zahns nach unten vorgebeugt wird. Die Höhe des
Lig. beträgt in der Mitte 10”, seine Mächtigkeit ebendaselbst 2”®; nach
beiden Seiten wird es niedriger und dünner, gegen den oberen Rand
scharf, gegen den unteren abgerundet; es ist von knorplicher Härte, fast
in seiner ganzen Dicke aus dichten, parallelen, queren Bindegewebsbündeln
zusammengesetzt. Nur so weit es auf dem Zahne gleitet, ist es an der
vorderen Fläche mit einer Faserknorpelschichte von 0,07” Mächtigkeit
versehen.
Die veıticalen Schenkel des Lig. cruciatum sind beträchtlich dünner,
als der transversale, und am Ursprunge aus dem transversalen Schenkel
etwa 2 bis 3”" breit, von wo an der obere Schenkel sich nach oben, der
untere nach unten zungenförmig zuspitzt. Sie entstehen aus oberflächlichen
Bündeln des Lig. transversum, welche, indem sie von beiden Seiten her in
der Mittellinie zusammentreffen , sich im Bogen, die einen auf-, die anderen
abwärts wenden (Fig. 34).
Dem überknorpelten Theil des Lig. transversum gegenüber ist der
Hals des Zahnes glatt, von einer 1/5”” mächtigen, weichen Schichte über-
zogen, dieinder Tiefe
aus Bindegewebe, an
der freien Oberfläche
aus einer elastischen
Lamelle besteht. Die
elastischeLamelle ge-
hört gleich einer ähn-
lichen Lamelle auf
der überknorpelten
Vorderfläche desLig.
transversum einem
Schleimbeutel an,
welcher sich aufwärts
unter den oberen
Schenkel desLig. eru-
Horizontalschnitt des Atlas mit dem Zahn. dm Dura mater. eiatum erstreckt (Fig.
1 Schleimbeutel des Lig, erueiatum. 35) und nach rechts
? >) Appendix superior Mauchart. Appendix sup. ant. Gruber. Vergl. Mauchart
in Haller disp. anat. sel. Vol. VII, p. 355. Gruber, Müll. Archiv 1851. S. 311.
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Lig. alare dentis. 45
und links in Taschen übergeht, die sich um die Seitenflächen des Zahns
herum nach vorn begeben und mit ihren vorderen blinden Enden an die
Kapsel des Zahngelenkes reichen (Fig. 36) !). Die Spitze sowohl als die Sei-
tentaschen sind von dem mittleren Theil bald durch Einschnürungen abge-
setzt, bald nicht 2); die Seitentaschen sind glatt oder fächerig und nicht
selten, wie erwähnt, in die Kapsel des Drehgelenks geöffnet. Mit ihrer me-
dialen Wand sind sie an den Zahn angewachsen, mit der lateralen decken
sie die Insertion des Lig. transversum und den seitlichen Venenplexus ober-
und unterhalb desselben.
Var. Aus der vorderen Spitze des Schleimbeutels gehen Taschen ab, welche
auf- die vordere Fläche des Zahns unterhalb der Kapsel des Zahngelenkes fast bis
zur Mittellinie herumgreifen. Gruber.
3. Lig. alare dentis ad >).
Das Lig. alare besteht aus starken, parallelen Bindegewebsbündeln,
welche jederseits längs der vorderen Hälfte des medialen Randes der Ge-
lenkfläche des Hinterhauptsbeins entspringen und theils an die Spitze des
Zahns sich befestigen, theils hinter derselben in einander übergehen (Fig.37)-
f Fig. 37.
BON =:
[Ne N
—irlgntN
Vordere Wand des oberen Theils der Wirbelhöhle von hinten gesehen. Die hintere
Wand vermittelst eines durch das Hinterhaupts- und Drehwirbelgelenk geführten
Frontalscehnitts abgetrennt. Pc Proc condyloideus des Hinterhaupts. 1 Schleim-
beutel des Lig. eruciat. 2 Hintere, vom Schleimbeutel bekleidete Fläche des
Zahns.
Die Bündel, welche ununterbrochen hinter dem Zahn vorbei von
einem Gelenktheil des Hinterhaupts zum anderen gehen, bilden eine ober-
flächliche, hintere, mehr membranartige Schichte #). Diese ist nicht
!) Die Bindegewebslage, welche jederseits den Schleimbeutel vom Zahngelenk trennt
und aufwärts mit dem Lig. alare in Verbindung steht, beschreibt H. Meyer als Zigg.
alaria minora. 4 :
‘) Nach Hyrtl (österr. med: Jahrb. Neue Folge. Bd. X, S. 457) je unter drei Fäl-
len Einmal abgeschnürt.
- °) Ligg. alaria Maucharti aut. Ligg. lateralia Weitbr. L. latt. supp. Arnold. Ligg.
alaria majora H. Meyer.
*) Lig. transversale oceip. Lauth.
3. Lig. alare
dentis.
*
46 Lig. suspensorium dentis.
ganz beständig und nicht in allen Fällen gleich angeordnet. Zuweilen
grenzt sie mit dem unteren
lässt die oberste Spitze des
Zahnes frei; andere Male
nimmt sie nur die Gegend
der Spitze des Zahnes ein
und dann sendet sie nicht sel-
ten ein medianes, kurzes und
dünnes, eylindrisches Fasei-
Horizontalschnitt des Hinterhaupts- und Zahngelenks. kel 1) an die Mitte des vorde-
D Durchschnitt des Zahns. Pe Proc. condyl. ren Randes des Hinterhaupts-
des Hinterhauptsbeins. lochs (Fig. BT, “+*), Je höher
oben sie liegt, um so mehr
geht die Richtung ihrer Flächen aus der frontalen in die horizontale über.
An die hintere Fläche des Zahnes und der tiefen Schichte des Lig. alare ist
diese oberflächliche Schichte mittelst feiner Bindegewebsfäden locker ange-
heftet, so dass sich der Zahn frei unter ihr verschieben kann.
Die tiefe, weit mächtigere ‚Schichte (Fig.38) ist durch die Anheftung an
den Zahn in zwei symmetrische Massen getheilt, deren jede vom Hinterhaupts-
bein zum Zahn median- und dabei in sehr geringem Maasse abwärts ver-
läuft und mit den Flächen in der Nähe des unteren Randes frontal und ge-
gen den oberen Rand allmälig horizontal gestellt ist. In-der Regel bleibt
auf der Rückenfläche der Spitze des Zahns nur eine schmale, mediane Firste
zwischen den Bandmassen beider Seiten frei, indess sie an der Vorderfläche
durch die Gelenkkapsel des Zahns von einander geschieden werden. Ihr
unterer Rand verbirgt sich, von hinten gesehen, unter den oberen Rand des
Lig. transversum; ihr oberer, vorderer Rand fliesst mit den Fasern des Lig,
obturatorium ant. zusammen (Fig. 34).
4. Lig. suspensorium dentis sd?)
4. Lig. sus- So nennt man ein dünnes, 2 bis 5mm breites Fascikel, welches vom
pens. dentis. „neren Rand der vorderen Gelenkfläche des Zahns entsprmgt und sich an
die untere Fläche des Körpers des Hinterhauptsbeins, nahe am Rande des
Hinterhauptslochs befestigt (Fig. 35). Nicht immer setzt es sich scharf ge-
gen das Lig. obturatorium anticum ab.
ß. An der hinteren Fläche.
P- Ana hin- Die Bänder, welche die Spalten zwischen dem hinteren Rande des
ern che. S 3
Hinterhauptslochs und dem hinteren Bogen des Atlas, so wie zwischen
diesem und dem Bogen des Epistropheus ausfüllen, Ligg. obturatoria
Ligg. obtu-
ratoria.
‚ ı) Lig medium dentis posticum Barkow. ÜCruveilhier fasst unter dem Namen
Lig. med. dentis dieses Fascikel und das Lig. suspensorium zusammen.
*) Lig. recium medium Meckel. Lig. med. dentis anticum Barkow. Lig. apieis
denüs H. Meyer.
Rande an den oberen Rand.
des Lig. transversum und
-
w
.
Bänder an der hinteren Fläche der Drehwirbel. 47
postica atlanto - oceipitale 1) und atlanto - epistroplacum, entsprechen den
Ligg. intercruralia der Beugewirbel, mit dem Unterschiede, dass ihr late-
‚raler Rand, statt sich an Gelenkfortsätze anzulehnen, vielmehr die Rolle
der Gelenkfortsätze der Beugewirbel übernimmt und Oeflnungen begrenzt,
die den Zwischenwirbellöchern der Beugewirbel analog sind.
Das Lig. obtur. post. atlantico-epistrophicum nähert sich den Ligg. in-
tereruralia insofern, als es in seinem mittleren Theile in allerdings sehr
wechselnder Ausdehnung, aus reinem elastischen Gewebe besteht. Der ela-
stische Theil dieses Bandes steht zuweilen in Breite und Mächtigkeit nur
wenig hinter dem Lig. intercrurale der nächst unteren Zwischenwirbelspalte
zurück; in anderen Fällen besteht er aus einem medianen oder aus zwei
oder drei schmalen und platten Streifen. Den übrigen Raum nimmt Binde-
gewebe ein, das sich nach hinten zwischen die Muskeln , seitwärts gegen
die Venenplexus, die den austretenden Nerven umgeben, ohne Abgren-
zung fortsetzt.
Noch weniger selbstständig ist die Bindegewebslage, die sich vom
Rand des Hinterhauptsbeins zum Atlas begiebt und als Lig. obt. post.
atlanto-occipitale aufgefasst werden könnte ; sie ist reich an elastischen in-
terstitiellen Fasern, enthält aber keine elastischen Lamellen. Den eigentli-
chen Verschluss der Wirbelhöhle bildet an der hinteren Seite die Dura
mater, die hier sehr mächtig, vom Rande des Hinterhaupts an, durch starke
transversale Bündel verstärkt und mit der Beinhaut der Vorderfläche der
Bogen der beiden Drehwirbel durch eine feine Schichte von lockerem Bin-
degewebe unmittelbar verbunden ist.
Die Hinterhauptsgelenke sind vorzugsweise für die Bewegung des Schädels um
eine horizontale Axe, die Drehwirbelgelenke für die Bewegung des Atlas sammt
dem Schädel um eine verticale Axe organisirt. Die Bewegung des Schädels in den
Hinterhauptsgelenken durchläuft von der äussersten Streckung bis zur äussersten
Beugung einen Bogen von kaum 45 Grad; die Excursion eines Drehwirbelgelenks
beträgt von der Stellung aus, die man als die ruhende bezeichnen kann, bei wel-
cher das Gesicht gerade vorwärts schaut, 25 bis höchstens 30 Grad nach vorn und
ebenso viel nach hinten. Dabei verschieben sich die hintere Gelenkfläche des At-
las und die vordere Gelenkfläche des Zahns, welche fast gleiche Breite haben, der-
gestalt gegen einander, dass je ein Theil der einen die andere seitlich überragt;
der überragende Theil ruht auf dem Bindegewebe, welches (Fig. 36) die Kapsel des
Zahngelenks (Aao) und den Schleimbeutel des Lig. transversum (1) von einander
scheidet. In den Hinterhauptsgelenken ist nebenbei eine äusserst geringe Drehung
des Schädels um seine sagittale Axe und bei vorwärts geneigtem Kopf selbst um
die verticale Axe möglich; in den Drehwirbelgelenken ist durch die besondere
Festigkeit des Bandapparats jede andere, als die erwähnte Rotationsbewegung aus-
geschlossen; ganz exact ist übrigens auch dies Gelenk nicht in allen Fällen. Die
seitliche Gelenkfläche des Epistropheus fällt nämlich von der transversalen Firste
an nicht immer gleich steil nach vorn und hinten ab; die Folge ist, dass der Atlas
sich bei der Drehung des Kopfs schräg, d. h. mit der einen Gelenkfläche niedriger
stellt als mit der anderen und dass die längste Axe der hinteren Gelenkfläche des
Atlas aufhört, genau vertical und der längsten Axe der vorderen Gelenkfläche des
Zahns genau parallel zu stehen.
Die Rückwärtsbeugung des Schädels auf dem Atlas wird sehr entschieden ge-
hemmt durch die Configuration der Knochen; die Vorwärtsbeugung wird begrenzt,
!) Membrana annuli post. atlantis Meckel. Zig. atlanto-occipitale post. Barkow.
Physiologi-
sche Bemer-
kungen.
48 Brustbeinsynchondrosen.
abgesehen von der Spannung der Kapsel, durch das Lig. obturat. post. atlanto-oc-
cipitale oder richtiger durch die Dura mater des obersten Theils der Wirbelhöhle,
ferner durch die Mm recti cap. postt. mion. Zur Hemmung der Drehung des At-
las auf dem Epistropheus unterstützen die Kapselmembran -das Lig. obturatorium
anticum, der Seitentheil das Lig. lat. und das Lig. alare, nebst den Mm. rect.
cap. ant. maj. und obliquus colli (dem obersten Theil des sogen. M. longus colli).
2. Bänder des Brustbeins und der vorderen Enden der
Rippen.
a. Synchondrosen und Kapselbänder.
1. Brustbeinsynchondrosen.
2. Bänder des Die Verbindung der einzelnen Stücke des Brustbeins geschieht in der
Brustbeins u.
der vorderen
Rippen-
enden.
a. Synchon-
arosen und
Kapseln.
1. Brustbein-
synchondr.
Regel durch Knorpel. Derselbe ist zwischen Griff und Körper in der Art
; in Lagen abgetheilt, dass ınan die Ueber-| _
züge der einander zugekehrten Knochenflä- |
chen und eine intermediäre Schichte anter- | in
scheiden kann. Jene sind durchsichtig, bläu-
lich, gallertartig, diese ist weiss, scheinbar
lamellös; die Verschiedenheit beruht theils
in der Grundsubstanz, die dort hyalinisch,
hier undeutlich faserig ist, theils in der An-
ordnung der Knorpelhöhlen, welche in
der intermediären Schicht verhältnissmässig
grösser und dichter gestellt sind, als in den
Ueberzügen der Knochenflächen. Eine scharfe
Trennung der Schichten findet nicht Statt,
und so ist auch die relative Mächtigkeit der-
selben wechselnd: bald machen die Ueber-
züge des Knochens, bald die intermediäre
Substanz den Haupttheil der Synehondrose
aus. Ueber die Aussenfläche der letzteren
zieht sich die Beinhaut des Brustbeins hin.
Beim Neugeborenen besteht, nach Luschka
(Zeitschrift für rat. Med. Bd. IV, S. 303), die
Fasersubstanz zwischen Griff und Körper aus
elastischen Fasern mit wenig Bindegewebe und
ohne Spur von Knorpelzellen, beim achtjährigen
Kinde dagegen vorwiegend aus Bindegewebe mit
zahlreichen Knorpelzellen. Eine ähnliche Faser-
masse findet sich nur noch zwischen dem
Schwertfortsatz und dem Körper, indess die ein-
zelnen Stücke, die den Körper zusammensetzen,
nur durch hyalinischen Knorpel verbunden wer-
den. Von Varietäten der Brustbeinsynehondrose
erwähnt Luschka, ausser der Verknöcherung
und der Entwickelung einer wahren spalttörmi-
gen Gelenkhöhle, noch die Umwandlung der
Frontaldurchschnitt des Brustbeins hyalinischen Ueberzüge des Brustbeingriffs und
und der Rippenknorpel. *Kippen- Körpers in Bindegewebe.
knorpelgelenk.
Kapselbänder der Rippenbrustbeingelenke. 49
2. Kapselbänder der Rippenbrustbeingelenke.
Die Weise, in welcher sich die Rippenknorpel mit dem Brustbein ver- 2
binden, ist mancherlei Varietäten unterworfen und nicht einmal an den bei-
den symmetrischen Rippen Eines Körpers die gleiche. Am beständigsten
ist die Form der Verbindung an der ersten und zweiten Rippe; der Rip-
penknorpel der ersten ist meistens in seiner ganzen Dicke an den Brust-
beinausschnitt angewachsen ; an der zweiten bestehen in der Regel zwei
von ganz planen Wänden begrenzte Gelenkhöhlen über einander, durch
einen Knorpelstreifen von einander getrennt, der sich von der oberen
Brustbeinsynchondrose und also von der tiefsten Stelle des die Rippe auf-
nehmenden Einschnitts zur entsprechend vorspringenden Kante der End-
fläche des Rippenknorpels begiebt. Der Knorpelstreif ?) steht einerseits mit
dem Rippenknorpel, andererseits "mit einem den Brustbeinausschnitt ausklei-
denden Knorpel und durch diesen wieder mit dem Synchondrosenknorpel
des Brustbeins in continuirlichem Zusammenhang. Er ist bald niedriger,
bald höher und in demselben Maasse natürlich sind die Gelenkhöhlen
mehr oder minder geräumig. Er steht nicht immer genau in der Mitte,
sondern bald dem oberen, bald dem unteren Rande der Rippe näher, und
so kann die eine Gelenkhöhle sich zu Gunsten der anderen verkleinern,
ja völlig schwinden. Und indem der Knorpelstreif successiv höher
wird, schliesst sich diese Art von Gelenkverbindung an die einfache,
unartieulirte Insertion an, wie sie in der Regel zwischen der ersten Rippe
und dem Brustbein stattfindet. Aber auch dann lässt sich zwischen
dem spröden, hyalinischen Rippenknorpel und der dünnen hyalinischen
Schichte, die die Pfanne am Brustbein auskleidet, eine Lage weicheren
und lamellösen, mehr faserigen Knorpels unterscheiden, welche eine ge-
ringe Verschiebung der Rippe an dem Brustbein verstattet.
Als Kapselmembran fungirt die Knorpelhaut der Rippe, welche sich
ganz straff’ in die Beinhaut des Brustbeins fortsetzt. Von Synovialüberzug
und Synovialfalten ist nichts zu sehen.
In der Regel nimmt die Geräumigkeit der Gelenkhöhlen von oben
nach unten ab und die beiden untersten wahren Rippen sind meistens,
gleich der ersten, mit ihrer ganzen Fläche angewachsen. Doch kann auch
eine tiefere Rippe freier, als die nächst höheren, an das Brustbein angefügt
sein. Selten ist die Entwiekelung einer Gelenkhöhle zwischen dem Knor-
pel der ersten Rippe und dem Brustbein.
Treten die letzten wahren Rippen am Brustbeinkörper, mit Verdrängung des
Schwertfortsatzes, von beiden Seiten zusammen (Knochenlehre S. 52), so kann
sich zwischen der Endfläche des Rippenknorpels der einen Seite und dem unteren
Rande des Rippenknorpels der anderen eine Gelenkhöhle entwickeln. Arnold
bildet eine Gelenkhöhle ab zwischen den einander zugekehrten Rändern der vor-
deren Enden der beiden unteren wahren Rippen derselben Körperseite.
\) Lig. interarticulare Krause.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 4
. Kapseln
d. Rippen-
brustbeiu
gelenke.
50 Kapselbänder der Rippenknorpelgelenke.
3. Kapselbänder der Rippenknorpelgelenke.
kapselı Auch an den Rippenknorpelgelenken (Fig. 39*) ist die Kapselmem-
lee bran nichts Anderes, als die straffe, über die mit einander artieulirenden
Gelenkfortsätze je zweier Rippen hingespannte Knorpelhaut, an der Aus-
senfläche des Thorax durch Bündel der sogleich zu beschreibenden Ligg.
intercostalia ext. bedeckt. Die Gelenkflächen sind nur sehr wenig an ein-
ander verschiebbar, fast plan, die Knorpel bis zu einer geringen Tiefe un-
terhalb der freien Fläche mit deprimirten, sehr flachen Höhlen versehen ;
die Grundsubstanz ist, so weit diese flachen Höhlen reichen, lamellös, weich,
auf Verticalschnitten wie faserig und nach Art des Bindegewebes wellen-
förmig gekräuselt.
Beim Neugebornen haben diese Gelenke schon dieseibe Bildung, wie beim
Erwachsenen. Die geringe Menge Synovia, die das Gelenk enthält, soll, nach
Barkow, mit den Jahren schwinden und in alten Individuen sogar eine Verschmel-
zung der Gelenkflächen eintreten.
b. Haftbänder.
1. Ligg. sternocostalia !).
rn Die Bein- resp. Knorpelhaut der Rippen besteht aus parallelen oder
noeostalia, unter sehr spitzen Winkeln gekreuzten, der längsten Axe der Rippe pa-
rallel geordneten Bündeln. Sie ist mächtiger auf der äusseren Fläche als
auf der inneren und nimmt gegen das vordere Ende der Rippe an Mächs
tigkeit zu. Von den Rippenknorpeln geht sie, wie erwähnt, auf das Brust-
bein über ; von der ersten Rippe der einen zur ersten Rippe der anderen
Seite verlaufen ikre Bündel quer oder leicht abwärts eonvex; von der In-
sertion der nächst folgenden Rippen an gehen sie theils quer, theils divergi-
rend schräg auf- und abwärts; von der sechsten und siebenten gehen sie in
der Flucht des Knorpels dieser Rippe steil auf- und medianwärts, um ein-
ander von beiden Seiten her etwa in der Gegend der Insertion der dritten
Rippe zu begegnen und zu kreuzen (Fig. 40). Die Membran, welche aus der
Durchkreuzung aller dieser Bündel hervorgeht ?), ist am stärksten auf dem
unteren Theil der äusseren Fläche, wo sie ein grobes Flechtwerk darstellt,
durch dessen Maschen Gefässe in die Tiefe dringen; auf der inneren Fläche
ist sie glatt und die von den Rippen her transversal ausstrahlenden Fasern
treten gegen die der Beinhaut des Brustbeins eigenthümlichen verticalen
Fasern zurück (Fig. 41).
1) Ligg. sternocostalia radiata.
2) Membrana sterni.
Ligg. sternocostalia. 51
Brustbein und Rippen mit den Zigg. sternocosialia, intercostalia ext. und costoxiphoidea (c x).
Pmi M pectoralis minor. &
2. Ligg. intercostalia.
Mit diesem Namen bezeichnen wir glänzende, platte, meist sehr dünne, 2- Ligg. in-
aus neben einander liegenden abwechselnd stärkeren und schwächeren Seh- ep
nenstreifen zusammengesetzte Bänder von unbeständiger Stärke und Aus-
dehnung, welche die Intercostalmuskeln sowohl an ihrer äusseren, als inne-
ren Fläche decken. Ihre Entwickelung steht im umgekehrten Verhältniss
4*
52 Ligg. intercostalia.
zur Entwickelung der Muskeln der Brust- und theilweise auch der Bauch-
wände: sie finden sich in minder fleischigen Körpern an Stellen, die in
fleischigen von Muskeln eingenommen werden, sie erscheinen als Fortsetzun-
Fig. 41.
>
49
N
N
Brustbein und Rippen von hinten, Zigg. intercostalia int. Ts. M. transversus sterni.
gen muskulöser Schichten oder vertreten in einzelnen Zwischenrippenräu-
men Muskelfasern, die sich an entsprechenden Stellen anderer Zwischen-
rippenräume finden. Sie können deshalb auch nicht ohne Beziehung auf
die Muskeln der Brust beschrieben werden.
Lige. intr- Die äusseren Intercostalbänder, Ligg. intercostalia ext. (Fig. 40),
cost. ext.
liegen in den neun oder zehn oberen Zwischenräumen zwischen dem vor-
deren Ende des M. intercostalis ext. und dem Brustbein. Sie steigen theils
Ligg. intercostalra. 53
von Rippe zu Rippe gerade oder schräg lateralwärts auf, theils durchziehen
sie die Intercostalräume in transversaler Richtung. Die verticalen und
schräg aufsteigenden Fasern 1) können ihrem Verlaufe nach als vorderste,
unentwickelte oder fibrös gewordene Bündel der Mm. intercostales externi
betrachtet werden. Sie sind am stärksten und auffallendsten im siebenten
bis dritten Intercostalraum; die unteren liegen lateralwärts neben den Ur-
sprüngen des M. rect. abdominis und zum Theil von denselben bedeckt, die
höheren gerade über dem Ursprung der obersten Rippeninsertion des ge-
nannten Muskels und in ungefähr gleicher Breite mit derselben. In den
oberen Intercostalräumen stehen die Fasern der fraglichen Bänder fast ver-
tical, nur zunächst dem seitlichen Rande etwas mit dem oberen Ende late-
ralwärts geneigt; im sechsten und siebenten Intercostalraum haben sie
sämmtlich diese Neigung; ihre grösste Stärke haben sie hier vor den Rip-
penknorpelgelenken. Selten überspringen sie eine Rippe.
Transversale Fasern finden sich im ersten bis siebenten Intercostal-
raume; im ersten und zweiten sind sie fein, entspringen vom Seitenrande
des Brustbeins und verlieren sich gegen den Rand des M. intere. ext., in-
dem sie theils in die Fascie desselben, theils in die Beinhaut der Rippe
übergehen; in den nächstfolgenden Intercostalräumen hängen sie mit den
sehnigen Ursprüngen des M. pectoralis min. und serrat. ant. zusammen; am
oberen Rande der sechsten und siebenten Rippe haben sie mit den Ursprün-
gen des M. serrat. ant. gleiche Richtung, gehen aber nur vom oberen
Rande des Rippenknorpels zum oberen Rande des Rippenknochens,, über
die grösste Concavität der Rippe gerade hinübergespannt.
Die inneren Intercostalbänder, Ligg. intercost. int. (Fig. 41),
sind sehnige Fascikel des M. transversus (triangularis auf.) sterni; seitlich
neben diesem Muskel und in gleicher Richtung mit den Fasern desselben,
oft etwas minder geneigt, gehen einzelne Bandstreifen von Rippe zu Rippe
über einen oder zwei Intercostalräume hinweg. An der siebenten und aclı-
ten, zuweilen auch an der sechsten und neunten liegen sie, gleich den trans-
versalen Bündeln der äusseren Intercostalbänder, zwischen dem Knorpel
und Knochen derselben Rippe, indem sie sich zu dem steilsten Theil des
Rippenbogens wie die Sehnen dieses Bogens verhalten.
3. Ligg. costoziphoidea CX.
Diese Bänder bestehen aus compaecten oder vereinzelten Bündeln, wel-
che von dem vorderen Ende der Knorpel der sechsten und siebenten Rippe
schräg median- und abwärts an den Seitenrand und die vordere Fläche des
Schwertfortsatzes treten (Fig. 40). Sie stehen zum Schwertfortsatz in demsel-
ben Verhältniss, wie die Sehnenfasern des M. obliquus abdom. ext. zur Linea
alba. Gleich diesen Sehnenfasern verstärken die Ligg. costoxiphoidea das
vordere Blatt der Scheide des Rectus; die untersten derselben grenzen un-
mittelbar an die obersten Fasern der Sehne des M. obliquus abd. ext. an.
) Ligg. intercartilaginea, propria cartilaginum costalium s. corruscantia s. nitentia.
Pi . x
Ligg. inter-
cost. ilıt.
3, Ligg.
costo-
Ziphoidea.
3. Bänder
d. Zungen-
beins.
Lig. stylo-
hyoid.
54 Bänder des Zungenbeins.
3. Bänder des Zungenbeins.
Die Synchondrose zwischen dem Körper und grossen Horn besteht
aus hyalinischem Knorpel. Knorpel derselben Art bekleidet in mächtiger
Lage die Flächen, die im Gelenk des kleinen Horns mit dem Körper auf
einander gleiten. Die Kapselmembran dieses Gelenks ist einfach, mit klei-
nen warzenförmigen Synovialfalten.
Die Annahme eines Lig. stylo-hyoideum ist theoretisch gerechtfertigt
durch die Entwickelungsgeschichte und durch die Verknöcherungen, welche
in manchen Fällen den Verlauf desselben bezeichnen (Knochenl. S. 65).
In Wirklichkeit ist es aber, wo diese Verknöcherungen fehlen, nicht oder
nur künstlich darstellbar. Von der Spitze des kleinen Horns lässt sich eine
Bandmasse aufwärts verfolgen, die sich aber bald zwischen den in die
Zunge und den Schlund ausstrahlenden Muskelfasern verliert. Am Griffel-
fortsatz entspringen sehnige, die Fascie des M. styloglossus verstärkende
Fasern, welche mit diesem Muskel in der Richtung gegen das kleine Zun-
genbeinhorn herabsteigen, aber schon vor dem Eintritt des Muskels in die
Zunge unsichtbar werden. Soll die Continuität zwischen jenen und diesen
fibrösen Fasern hergestellt werden, so kann dies meist nur durch Vermitte-
lung des Bindegewebes geschehen, welches sich in der Zungenwurzel zwi-
schen den Muskelbündeln eingestreut findet.
4. Bänder des Schädels.
a. Synehondrosen.
4. Bänder d. Die Substanz, welche in jungen Schädeln die Körper des Hinter-
Schädels.
a. Syuchon-
drosen.
haupts- und Wespenbeins verbindet, Synchondrosis spheno-oceipitalis , ist in
der ganzen Dicke gleichförmig, ein Knorpel mit reihenweise gestellten
Höhlen und sehr feinen, parallelen, von der einen Knochenfläche zur an-
deren verlaufenden Fasern. Beim Neugebornen sind die Knorpelhöhlen auf-
fallend platt, so dass sie sich von der Kante wie dunkle, stäbchenförmige
Kerne ausnehmen.
Die Synchondrosis petro-oceipitalis (Knochenl. 8. 95) ist bis zur Zeit,
wo das Hinterhauptsbein mit dem Schläfenbein knöchern verwächst, ein
wahres Gelenk, eine Amphiarthrose, in welcher die beiden, von hyalinischen
Knorpelschichten bekleideten Flächen so genau und fest aneinanderschlies-
sen, dass man auf einem Durchschnitte des frischen Gelenks nur mit Mühe
die Spalte auffindet.
Die weiche Masse, welche das Foramen lacerum und die beiden in
demselben zusammenmündenden Spalten, die Fissura petrobasilaris und
sphenopetrosa, ausfüllt, ist Bindegewebe in zwei von einander verschiede-
nen Schichten. Die untere Schichte, weiss und blätterig, erstreckt sich
eben und membranartig vom Hinterhauptsbein zum Temporalflügel über die
Spitze der Pyramide; an ihre untere Fläche ist in der Gegend der Fissura
Bänder des Schädels. 55
sphenopetrosa der Knorpel der Tuba befestigt und bestimmt gegen dieselbe
abgesetzt. Die obere Schichte ist von unregelmässiger, nach der Lücke
der Knochen gemodelter Form; sie besteht aus vielfach und fest verfilzten
Bindegewebsbündeln mit starken Scheidewänden von elastischem Gewebe,
lässt sich deshalb nicht in Blätter oder Fasern spalten und zeichnet sich
durch ihre gelbe Farbe aus.
b. Haftbänder.
Es findet sich am Schädel eine Anzahl strangförmiger oder platter
Bänder, welche zwischen unbeweglich verbundenen Knochen oder zwischen
Hervorragungen eines und desselben Knochens verlaufen und demnach als
eigene Bänder des Schädels zu beschreiben wären. Sie dienen zur Er-
gänzung von Löchern oder Canälen, innerhalb welcher Gefässe und Ner-
ven eingeschlossen liegen. Viele Varietäten der Schädelknochen beruhen
auf der jeweiligen Verknöcherung solcher Bänder, während andererseits in
manchen Schädeln die Zahl der Bänder dadurch vermehrt erscheint, dass
schmale, in der Regel knöcherne Brücken sich fibrös erhalten. Ich nenne
beispielsweise ein Ligament, welches am Supraorbitalrande der Augenhöhle
von einer Ecke der Ineisura supraorbitälis zur anderen zieht und diese In-
eisur in einen Canal verwandelt; ein Ligament, welches, zwischen den Spi-
nae intrajugulares des Schläfen- und des Hinterhauptsbeins ausgespannt,
das F. jugulare abtheilt; ein anderes , zwischen der Spitze der Schläfenpy-
ramide und dem Proc. clinoid. post. des Wespenbeins, unter welchem der
N. abducens aus der hinteren in die mittlere Schädelgrube gelangt. Die
Brücke zwischen dem For. ovale und spinosum des Temporalflügels, der
mediale Rand des For. ovale selbst kann, statt aus Knochen-, aus Band-
masse bestehen.
Ein Bedürfniss, diese Bänder zusammenzustellen und besonders zu be-
nennen, hat sich bis jetzt nicht gezeigt.
Bänder, welche einzelne der zu den Sinnesapparaten gehörigen Organe
mit dem Schädel in Verbindung setzen, sollen in dem betreffenden Ab-
schnitte der Splanchnologie beschrieben werden.
ce Kiefergelenk.
a. Gelenkkapsel.
Zwischen der Pfanne und dem Gelenkkopf des Unterkiefers liegt eine
Bandscheibe 2), deren obere Fläche nach dem Tuberc. articulare des Schlä-
fenbeins, deren untere Fläche nach dem vorderen Theil der Gelenkfläche
des Gelenkfortsatzes des Unterkiefers geformt ist. Sie ist demnach ellip-
tisch, mit ihrem grössten Durchmesser, entsprechend dem grössten Durch-
messer des Gelenkfortsatzes, transversal gestellt, auf der oberen und unte-
ren Fläche concav, tiefer ausgehöhlt in sagittaler Richtung, als in trans-
versaler, am vorderen und hinteren Rande dicker, als an den Seitenrändern,
\) Cartilago interarticularis s. Meniscus. Operculum cartilagineum.
b. Haft-
bänder.
c. Kiefer-
gelenk.
«. Kapsel.
56 Kiefergelenk.
am dünnsten in der Mitte der Fläche (hier in seltenen Fällen von einer un-
regelmässigen Oeffnung durchbrochen).
Indem die Kapselmembran des Unterkiefergelenks sich mit dem
Rande der Bandscheibe ringsum verbindet, entstehen zwei gesonderte
Fig. 42. Gelenkhöhlen, eine obere und untere.
Die Kapsel der oberen geht von der
Bandscheibe zum Schläfenbein und
heftet sich hier vorn an den vorderen
Rand des Tub. artieulare, lateralwärts
an den Höcker, wodurch das Tub. art.
sich gegen den Jochbogen abgrenzt,
medianwärts neben der Spina angula-
ris an die Gegend der Naht zwischen
Schläfen- und Wespenbein, hinten in
einer transversalen Linie an den —
von unten gesehen — tiefsten Theil
der Fossa mandibularis. Die Kapsel
der unteren Gelenkhöhle geht von der
Sagittaldurchschnitt des Kiefergelenks, Un- Bandscheibe zum Rand der Gelenk-
terkiefer und Zwischenknorpel abwärts fläche des Unterkiefers.
BELDEEU: u Tai Dub. zanfic: Pe; M, Als Artieulationsflächen des Un-
ee terkiefergelenks sind demnach zu be-
trachten am Unterkiefer die ganze
obere Wölbung des Gelenkfortsatzes, am Schläfenbein aber nur die vordere
Hälfte der Fossa mandibularis und das Tub. articulare. Die Bekleidung
dieser Flächen ist nicht überall die gleiche. Der hintere Abhang der Ge-
lenkfläche des Unterkiefers, sowie der in die Gelenkhöhle schauende Theil
der Fossa mandibularis haben nur einen dünnen, rein bindegewebigen
Beinhautüberzug. Das Tuberculum articulare dagegen und der vordere
Abhang der Gelenkfläche des Unterkiefers sind mit einer hyalinischen
Knorpel- und zunächst der freien Fläche mit einer Bindegewebslage ver-
sehen, von welchen diese etwa 1/;, jene }Jymm Mächtigkeit hat. Die Band-
scheibe besteht ganz und gar aus horizontal in verschiedenen Richtungen
verlaufenden Bindegewebsbündeln mit einem unvollkommenen Epithelial-
überzug. Ueber das Tub. articulare geht in sagittaler Richtung eine
seichte Vertiefung, welcher auf der oberen Fläche der Bandscheibe ein sa-
gittaler Wulst zwischen zwei seichten Gruben entspricht.
Lateral-, median - und rückwärts grenzt die Kapselmembran an locke-
res Bindegewebe, welches seinerseits wieder durch die sogleich zu beschrei-
benden Haftbänder begrenzt wird. Die vordere Wand der Kapsel ist an
der äusseren Fläche verwachsen mit der Sehne und dem Fleisch des oberen
Kopfes des M. pterygoideus ext., welcher sich theils an die Kapsel und den
vorderen Rand der Bandscheibe, theils an den Hals des Unterkiefers ansetzt
(Fig. 42). Venenreiches Bindegewebe erfüllt den Raum zwischen dem
genannten Muskel, der Kapsel, dem M. temporalis und der äusseren Fläche
der Schädelbasis.
-
Kiefergelenk.
ß. Hattbänder.
1. Lig. accessorium laterale m. al D,
57
Yin kurzes plattes Band, aus schräg ab- und rückwärts verlaufenden
Fig. 43.
eh,
N Nu Ä
Rechtes Kiefergelenk , von der lateralen
Seite M. M. masseter. in Verbindung.
2. Lig. accessorium mediale m. AM.
Faserbündeln gebildet, welche an dem
hintersten Theil der lateralen Fläche
des Jochbogens entspringen, an der la-
teralen bis hinteren Fläche des Unter-
kieferhalses sich inseriren.
eines ziemlich straffen Bindegewebes
steht es lateralwärts mit der oberfläch-
lichen Fascie der Schläfengegend, me-
dianwärts mit der eigentlichen Kapsel
V ermittelst
Am hintersten Rand der Fossa mandibular., aus der Furche, in welcher
Fie.
g. 44.
Mae
il
hai »
‚N IM $
N) Sun S
Su (I N
Us Nai
Frm
Pi Ne RENNEN \
Linkes Kiefergelenk, von der medialen Seite. Mae Knorpel des
äusseren Gehörgangs. (ca (an. carot. durchschnitten, ZI la-
terale Lamelle des Gaumenflügels.. Frm Foramen wmandibulare,
NI N. lingualis, abgeschnitten. Nai N. alveol. inf. Pi M. pteryg.
int. an der Insertion durchschnitten, umgelegt.
Pe M. pteryg. ext.
der Schuppentheil
und Paukentheil
des Schläfenbeins
zusammenstossen
und, noch weiter
medianwärts, vom
Schuppentheil vor
der Fissura petro-
squam. entspringt
inmehreren Lagen
ein plattes Band,
das sich abwärts
in zwei Zipfel
trennt. Der eine,
kürzere dieser Zi-
pfel befestigt sich
an den Hals des
Gelenkfortsatzes
des Unterkiefers,
hinter der Inser-
tion des M. ptery-
goid. extern., der
andere „ längere,
durch schräg la-
teralwärts abstei-
!) Lig. laterale ext.
s. mazillare ext. Mem-
brana mazillae artic.
Meckel.
3. Halt-
bänder.
1. Lig. acc.
lat.
2. Lig. acc.
med
3. Lig. sty-
lo-myloid.
Physiolog.
Bemerkun-
gen.
58 Kiefergelenk.
gende Fasern, die von der Spina angularis des Temporalflügels ihren Ur-
sprung nehmen, verstärkt 1), geht an den Rand des Foramen mandibulare.
Beide Zipfel umfassen eine aufwärts sich verschmälernde und oben abgerun-
dete Spalte, durch die am hinteren Rand des Unterkiefers vorüber die Art.
maxillaris int. nebst den sie begleitenden Venen in die Unterschläfengrube
tritt.
Zwischen dem kürzeren Zipfel des Lig. accessor. mediale und der
eigentlichen Kapselmembran ist ein weiches, dehnbares, oben mit der Bein-
haut der hinteren Hälfte der Fossa mandibularis zusammenhängendes Bin-
degewebe eingeschlossen, welches, je nachdem der Gelenkkopf in der Pfanne
oder auf dem Tubere. articulare steht, bald zusammengepresst, bald ausge-
spannt erscheint (vgl. Fig. 45. 46). Der laterale Rand dieses Zipfels setzt
sich in ein lockeres venenreiches Bindegewebe fort. Der längere Zipfel ist
in dem Fett vergraben, welches die Lücken zwischen den Kaumuskeln aus-
füllt, und hängt an seinen Rändern mit schwächeren, die Lappen des Fettes
durchziehenden Bindegewebesepta zusammen. Unmittelbar vor demselben
liegt der N. alveolaris inf.
3. Lig. siylo- myloideum ?).
Mit diesem Namen bezeichnet man eine dünne, aus aufwärts concaven
sehnigen Fasern gebildete Membran, welche durch Vermittelung desM. sty-
loglossus einerseits mit dem Proc. styloideus in Verbindung steht, anderer-
seits an den unteren Theil des hinteren Randes des Unterkieferastes angehef-
tet ist. Ich verweise wegen derselben auf die Beschreibung der Zungen-
muskeln.
An der Leiche kann man den Unterkiefer in zweierlei Stellungen die Bewe-
gungen ausführen lassen, durch die der Mund abwechselnd geöffnet und geschlos-
sen wird: man hält nämlich entweder die beiden Gelenkköpfe in ihren Pfannen fest
oder man rückt sie auf die Tubera articularia vor. Im ersten Falle geht die Dre-
hungsaxe transversal durch die Gelenkköpfe des Unterkiefers; während die Köpfe
um diese Axe rotiren, erhält sich die Bandscheibe ruhend an der hinteren Fläche
des Tuber artieul. (Fig. 45). Im zweiten Fall (Fig. 46) liegt die Drehungsaxe in
den Tubb. articularia; die Bandscheibe tritt auf die untere Fläche der letzteren
und bewegt sich auf derselben mit dem Unterkiefer vor- und rückwärts. Die
Bandscheibe nimmt im ersten Fall an der Bildung der Pfanne Antheil, im zweiten
Fall bildet sie die Pfanne allein; dort aber ist die Pfanne der ruhende, hier ist
sie der bewegte Theil; dort verhält sich die Bandscheibe, als wäre sie an den
Schädel, hier als wäre sie an den Unterkiefer angewachsen.
Beim lebenden Menschen kann der Mund nicht geöffnet werden, ohne dass
der Unterkiefer auf das Tub. art. vorrückte; beim jedesmaligen Schliessen kehrt er
in seine Pfanne zurück. Der Grund dieser Thatsache kann nur darin gesucht
werden, dass sich die Thätigkeit der Muskeln, die den Unterkiefer herabzichen,
unvermeidlich associirt mit der Thätigkeit des M. pterygoideus ext., welcher die
Bandscheibe des Unterkiefergeienks und den Hals des Unterkiefers gleichzeitig vor-
wärts zieht; der Zweck dieser Anordnung ist offenbar der, dem Unterkiefer eine
grössere Freiheit der Bewegung zu verschaffen, als ihm bei der Tiefe der Fossa
mandibularis und der Steilheit ihrer hinteren Wand gestattet sein würde, wenn
sein Gelenkkopf in dieser Grube verweilte.
!) Lig. laterale Weitbr. L. internum s. lat. internum s. sphenomazillare
*) Lig. stylomazillare. Von Meckel mit dem Zig. stylohyoideum zum Lig. stylo-mylo-
hyoideum zusammengezogen.
Kiefergelenk. 59
Bei der Stellung des Unterkiefers auf den Tubb. artieularia ist zugleich die
Seitwärtsbewegung desselben am ergiebigsten; doch findet diese Bewegung auch in
Fig. 45.
Sagittaldurchschnitt des linken Kiefergelenks von der lateralen Seite,
Fig. 45. geschlossen. Fig. 46. geöffnet. } Durchschnitt des Proc. coronoid.
T M. temporalis. Pe 1, Pe 2 Köpfe des M. pteryg. ext.
der Weise Statt, dass sich der Kiefer um eine Axe dreht, welche in verticaler Rich-
tung durch den Gelenkfortsatz Eines Unterkieferastes gedacht wird. Die Gelenk-
höhle enthält, wie der Durchschnitt, Fig. 45, lehrt, vor und hinter dem Gelenk-
kopf eine hinreichende Menge weicher, zusammendrückbarer Substanz, um die ge-
ringe Rotation eines Unterkieferastes zu gestatten, die zur Ausführung dieser Be-
wegung erforderlich ist.
Die an den hinteren Rand der Bandscheibe sich anheftende Bindegewebsmasse
und die Bänder, welche an der Aussenfläche der hinteren Wand der Kapsel liegen,
schützen die vordere Wand der letzteren vor dem allzu gewaltsamen Andringen
des Gelenkkopfs. Der längere Zipfel des Lig. accessor. med. geräth erst bei dem
gewaltsamsten Herabziehen des Unterkiefers in Spannung, zugleich mit dem vor-
deren sehnigen Rande des Masseter. In Verbindung mit dem Lig. access. laterale
der entgegengesetzten Seite schränkt das Lig. access. med. die Verschiebung des
Unterkiefers in transversaler Richtung ein.
co Bänder der oberen Extremität.
B. Bänder der Extremitäten.
Il. Bänder der oberen Extremität.
A. Bänder des Gürtels der oberen Extremität.
a. Eigene Bänder des Schulterblatts.
1. Lig. transversum (scapulae propr.) superius Es 1).
B. Bänder Ein plattes, strafles, glänzendes Band, ‚welches in der Regel in zwei,
täten. durch eine Querspalte geschiedenen Abtheilungen vom medialen Rande
1 oberen der Ineisura scapulae zur Wurzel des Processus coracoideus ausgespannt
A. des St. Die obere Abtheilung ist höher und stärker; ihre Flächen liegen in
Fe gleicher Flucht mit den Flächen des Schulterblattkörpers; ihr oberer Rand
1.Lie.traus- geht in etwas veränderter Richtung, schräg lateralwärts aufsteigend, aus
vers SUP- dem oberen Rande des Schulterblattkörpers (Fig. 47) hervor und erreicht
Fig. 47. den Processus eoracoideus an
dem Winkel, mit welchem der
mediale Rand des Fortsatzes
in den oberen umbiegt. Sie
nimmt gewöhnlich lateralwärts
an Höhe ab, ist am oberen
Rande dicker, als am unteren,
und um so kürzer, je mehr
sich die Ineisura scapulae
durch Vorsprünge des oberen
Randes zum Ringe schliesst.
Die untere Abtheilung,
dünn und schmal, horizontal
oder schräg, weiter vorwärts
als die obere und oft schon in
der Fossa subscapularis gele-
gen, begrenzt mit der Ineisura
scapulae eine runde oder spalt-
förmige Lücke. Durch die Spalte zwischen beiden Abtheilungen des Bandes
tritt der N. suprascapularis mit einem Zweig der V. transversa scapulae;
die gleichnamige Arterie nimmt nur ausnahmsweise diesen Weg, in der
Regel geht sie über dem Bande weg. Zwischen der unteren Abtheilung
des Bandes und dem Knöchenrand ‘geht ein Venenast zum tiefen Venen-
netz der Fossa subscapularis.
Scapula, hintere Fläche.
\) Lig. proprium poslicum W. L, suprascapulare Sömm. Lig. sc. proprium minus
s. obliguum s. coracoideum s. costo-coracoideum Meck.
Eigene Bänder des Schulterblatts. 61
2. Lig. transversum (scap. propr.) inferius li ').
Ueber die zwischen dem Gelenkknopf und der Basis des Schulterkam-
mes befindliche Rinne, durch welche die Fossa supra- und infraspinata mit
einander communieiren (Knochenl. S. 212), spannen sich platte, dünne,
in dem Fettgewebe zerstreute oder zu einem festeren Band vereinte Binde-
gewebsbündel, an dem unteren. Theil des lateralen freien Randes des
Schulterkammes entspringend, an den wulstigen Rand des Gelenkknopfes
sich inserirend. Die Flächen des Bandes sind, parallel den Flächen des
Schulterkammes, die untere rückwärts, die obere vorwärts geneigt (Fig. 47).
Es begrenzt von hinten her eine spaltähnliche Lücke, durch welche, auf
dem Knochen aufliegend, die Aeste treten, mittelst welcher die Gefässnetze
der Fossa supra- und infraspinata anastomosiren.
3. Lig. acromio-coracoideum @C ?).
Der Ursprung dieses Bandes befindet sich am vorderen Rande des
Acromion, von wo aus er eine kürzere oder längere Strecke weit unter die
Gelenkpfanne reicht, auf
welcher das Schlüsselbein
ecp SER articulirt (Fig. 48). Fä-
cherförmig sich ausbrei-
tend und an dem breite-
ren Ende öfters durchbro-
chen, setzt sich das Band
an den rauhen Wulst,
welcher die hintere und
obere Fläche des Schul-
terhakens scheidet; zuwei-
len tritt es durch Fasern,
welche gegen die obere
Spitze der Gelenkfläche
des Schulterblatts bogen-
formig herablaufen, mit der
Scapula, Clavicula und Armbein in Verbindung, von vorn.
Aac. Articulatio acromio- clavie. ccp Lig. coraco-clavic. Kapsel des Schulterge-
post. cca Lig. coraco-clav. ant. Sc. M. subelavius. Pmi lenksin Verbindung. Seine
M. pect. min. Bb kurzer Kopf des Biceps. Flächen schauen, die eine
auf-, die andere abwärts;
die untere Fläche ist mit der Sehne des M. supraspinatus und der Kapsel
des Schultergelenks locker und verschiebbar verbunden; über den dem
Acromion zunächst gelegenen Theil derselben erstreckt sich zuweilen ein
nicht ganz beständiger Schleimbeutel, welcher mit seiner oberen Wand die
untere Fläche des Acromion, des Acromioclavieulargelenks und -des acro-
Fig. 48.
!) Lig. transversum minimum Arnold.
?2) L. triangulare Weitbr. L. triquetrum Meck. L. proprium anticum s. majus s.
coraco-acromiale aut.
2. Lig:
trausv. inf.
Lig. acro-
mio - cora-
Coideum.
b. Sternocla-
vieular-
gelenk.
62 Sternoclavieulargelenk. ,
mialen Endes des Schlüsselbeins, mit seiner unteren Wand den Kopf des
Armbeins bekleidet und sich zwischen den Sehnen des M. supra- und in-
fraspinatus ausbreite. Die obere Fläche des Lig. acromio- coracoideum
hängt durch straffes Bindegewebe mit der unteren Fläche des M. deltoideus
zusammen. Der vordere Rand tritt zwar bei Bewegungen des Oberarm-
kopfs scharf hervor, doch setzt er sich eontinuirlich in die weiche, die Kapsel
des Oberarms bekleidende und abwärts sich verlierende Bindegewebslage
fort, in welche auch die Fascia infraspinata übergeht. Der hintere Rand
des Lig. acromio-coracoideum geht in ein fetthaltiges Bindegewebe über,
welches den Raum zwischen dem M. supraspinatus, dem Schulterhaken und
Armbeinkopf ausfüllt und weiter hinten mit der Fascia supraspinata zu-
sammenhängt. Demnach dürfte das Band im Ganzen als ein durch Quer-
fasern verstärkter und an die Knochenvorsprünge angehefteter Theil der
Fascie der hinteren Schulterblattmuskeln betrachtet werden.
b. Bänder des sternalen Endes des Schlüsselbeins.
«. Kapsel des Sternoclaviculargelenks.
Das Sternoclaviculargelenk enthält eine platte, die Gelenkhöhle voll-
ständig in zwei Höhlen theilende Bandscheibe, welche mit der einen Flä-
«@. Kapsel. che dem Schlüsselbeinausschnitt des Brustbeins, mit der anderen der sterna-
len Endfläche des Schlüsselbeins zugekehrt ist. Durch diese Bandscheibe
werden Incongruenzen der beiden auf einander beweglichen Knochenflächen
ausgeglichen. In der That entsprechen diese Flächen einander nur ganz
im Allgemeinen: die Gelenkfläche des Brustbeins ist im frontalen Durch-
schnitt ausgehöhlt, der untere Theil der Gelenkfläche des Schlüsselbeins in
eben diesem Durchschnitt gewölbt; aber die Krümmungen beider Flächen
können sehr verschieden sein; sie sind mitunter ungleichmässig und es
kommen in der einen oder anderen sogar Gruben und Furchen vor, die von
Fig. 49. Fortsätzen der Bandscheibe ausgefüllt
werden. Im sagittalen Durchschnitt ist
die Gelenkfläche des Brust- wie des
Schlüsselbeins bald gewölbt, bald ausge-
höhlt, mit aufgeworfenen, scharfen oder
abgerundeten Rändern.
Die sternale Endfläche des Schlüs-
selbeins ragt auf- und rückwärts über
den entsprechenden Ausschnitt - des
Brustbeins hervor; der obere am Ske-
lett freie Theil dieser Fläche ist ge-
wöhnlich leicht concav.
Frontaldurchschn. des Sternoclavieulargelenks. Dass die Bandscheibe des Sterno-
velL. interclaviculare. ce cl L. costoclavieulare. $ f c
claviculargelenks !) je nach den Indi-
viduen verschieden geformt sein müsse, geht schon aus dem Gesagten her-
vor; die Zahl der Varietäten wird noch grösser dadurch, dass in beide
!) Cart. interarticularis s. meniscoidea.
Sternoclaviculargelenk. 63
Gelenkhöhlen Synovialfalten der verschiedensten Art, platte oder eylindri-
sche, dinne oder wulstige, einfache und gelappte mehr oder minder weit
vorspringen, zu deren Aufnahme bald die Gelenkflächen der Knochen, bald
die eine oder andere Fläche der Bandscheibe entsprechend vertieft ist. Die
allerdings auf diese Weise mannigfach alterirte Grundform der Bandscheibe
ist eine medianwärts leicht convexe Platte, die in der Regel die grösste
Mächtigkeit in der Nähe des oberen Randes hat und sich abwärts allmälig
verdünnt. Ihre mittlere Mächtigkeit beträgt 3 bis 4um, Sie besteht aus
einem knorpelzellenhaltigen Bindegewebe, dessen Bündel in Ebenen verlau-
fen, die den freien Flächen parallel liegen, innerhalb dieser Ebenen aber
sich in allen Richtungen kreuzen. Die Knorpelzellen sind klein; sie liegen
in kurzen Reihen in den Zwischenräumen der Bindegewebsbündel, um so
spärlicher, je weiter von der freien Oberfläche entfernt; dieser zunächst
kommen sie sehr zahlreich, aber nicht in Reihen oder Gruppen, sondern
gleichmässig vertheilt vor. Gegen den Rand der Scheibe lockert sich das
Gewebe derselben; die Bindegewebsbündel strahlen aus einander und befe-
stigen sich vorn und hinten an die Kapselmembran des Gelenks, unten an
den oberen Rand des Knorpels der ersten Rippe, oben an den das Brust-
bein überragenden, concaven Theil der Endfläche des Schlüsselbeins und
den anliegenden Theil der Kapsel e Zwischen der unteren Fläche des
Schlüsselbeins und der oberen Fläche des ersten Rippenknorpels zieht sich
eine Ausbuchtung der Gelenkhöhle eine Strecke weit lateralwärts, so dass
der erste Rippenknorpel zur Bildung der Pfanne für das Schlüsselbein mit
beiträgt (Fig. 49).
Die Ueberzüge der Articulationsflächen des Brust- und Schlüsselbeins,
1 bis 2mm mächtig, bestehen aus einem straffen, eng verfilzten Bindege-
webe mit spärlichen interstitiellen Fasern und Knorpelzellen in wechseln-
der Zahl und Grösse.
Die Kapselmembran ist schlaff, stellenweise sehr stark (bis 5mm mäch-
tig), geschichtet. Sie wird verstärkt an der vorderen Fläche durch Fasern,
welche vom Brustbein und der ersten Rippe aufsteigen, an der hinteren
Fläche durch die Ausstrahlung der sogleich zu beschreibenden Haftbänder.
Die schwächste Stelle der Kapsel ist die vordere untere Ecke.
ß. Haftbänder.
1. Lig. interclaviculare icl.
Diesen Namen führt ein Zug transversaler Bindegewebsbündel, welche
die sternalen Enden beider Schlüsselbeine verbinden (Fig. 49.50). Der trans-
versale und verticale Durchmesser des Bandes wechselt je nach dem Abstand
der Schlüsselbeine von einander und je nach ihrer Vorragung über den ent-
sprechenden Brustbeinausschnitt; so ist auch der sagittale Durchmesser des
Bandes (entsprechend der Mächtigkeit desselben) verschieden, der obere
freie Rand wulstig oder scharf, im schlaffen Zustande concav, im gespann-
ten gerade. Mit der hinteren Fläche liegt es in der Flucht der hinteren
Fläche des Brustbeins, mit der vorderen Fläche weicht es gegen die Vor-
derfläche des Brustbeins um so mehr zurück, je dünner es ist. Gegen den
ß- Hatt-
bänder.
. Lig. in-
terclavie.
2. Lie. costo-
elavieulare.
64 Sternociavieulargelenk.
halbmondförmigen Ausschnitt des Brustbeins ist es durch lockeres Binde-
gewebe mehr oder minder
deutlich abgesetzt.
Lateralwärts gehen die
Bündel des Lig. interclavi-
culare theils in die Bein-
haut der hinteren Fläche
der oberen Ecke desSchlüs-
selbeins, theils in die hin-
tere Wand der Gelenkkap-
sel über. Verfolgt man den
Verlauf der Bindegewebs-
fasern von der oberen Ecke
des sternalen Endes des
Schlüsselbeins aus median-
wärts, so sieht man sie nach
drei Richtungen auseinan-
der weichen, die einen ge-
Sternoelavieulargelenk mit den Haftbändern von vorn. Kan an
Das Schlüsselbein enıporgehoben. Scm! Schlüsselbein- g je PIaENS ıo SuZ
ursprung, Scm? Brustbeinursprung des M. Sternocleido- scheibe, andere median- ab-
stoideus. ‚Se M. subelavius. Pm! Schlüsselbeinursprung, wärts (als Theil der Ge-
. Pm” Brustbeinursprung des M pecioralis may.
lenkkapsel) zur oberen Ecke
desSchlüsselbeinausschnitts
des Brustbeins, eine dritte Abtheilung endlich medianwärts, als Lig. inter-
clavieulare, zum Schlüsselbein der anderen Seite (Fig. 49).
2. Lig. costo-claviceulare eel}).
Der Raum zwischen der unteren Fläche des Schlüsselbeins und dem
oberen Rande der ersten Rippe wird von der Kapsel des Sternoclavieular-
gelenks an durch gerade oder schräg absteigende Bindegewebsfasern aus-
gefüllt, die ein Band von rhombischer Form und wechselnder Mächtigkeit
zusammensetzen. Lateralwärts reicht dasselbe bis zu einer wenig ausge-
zeichneten glatten Stelle der ersten Rippe, über welche die V. subelavia
herabgeht, und stösst mit concavem Rand an die Vene. Es hüllt die Sehne
des M. subelavius ein, die an der ersten Rippe entspringt, liegt aber mit
der Hauptmasse seiner Fasern hinter diesem Muskel, indess die an der
Vorderfläche des Muskels gelegenen Fasern sich alsbald in die Fascie des-
selben fortsetzen.
Im Inneren des Lig. costo-claviculare entwickelt sich zuweilen ein
Schleimbeutel von ansehnlichen Dimensionen, der mit seiner vorderen
Wand die hintere Fläche des Subelavius, mit der oberen Wand das Schlüs-
selbein, mit der unteren die erste Rippe bekleidet ?).
1) Lig. rhomboideum aut.
?) Dieser Schleimbeutel hat Cruveilhier Anlass gegeben, eine Articulatio costo - clavi-
cularis aufzustellen, die er zu den Arthrodien zählt.
Kapsel des Acromio-Clavieulargelenks. 65
ec. Bänder des acromialen Endes des Schlüsselbeins.
@. Kapsel des Acromio - Clavicülargelenks ).
Zwischen den einander zugewandten Endflächen des Acromion und
der Clavicula, welche bald plan, bald leicht vertieft oder leicht gewölbt und
Fig. 51. nicht selten ganz uneben sind, liegt eine, am
oberen Rande bis 6mm mächtige, meist nach
unten sich verdünnende, bindegewebige , von
mehr oder minder zahlreichen Knorpelzellen
und feinen elastischen Fasern durchsetzte
Substanz, deren verschiedenartige Zerklüf-
tungen dem Gelenk eine wechselnde Form
geben (Fig. 51). Bildet sich eine einfache
Spalte, so zieht dieselbe in verticaler Rich-
tung abwärts; sie beginnt oben nahe am Acro-
mion und endet unten nahe an der Clavicula.
Die "Folge ist, dass jeder dieser Knochen
1 einen Ueberzug erhält, von welchen der acro-
2 miale nach unten, der claviculare nach oben
Frontaldurchschnitte verschiedener an Mächtigkeit zunimmt. Dieser Fall ist der
Arano Elayienlargelerkr. seltenste. Am häufigsten kommt (Fig. 51 4A)
der ebenbeschriebenen Spalte eine zweite,
vom unteren Rande der Clavicula aufsteigende, meist unebene Spalte entge-
gen: das Acromion erhält einen dünnen, die Clavicula einen aufwärts an
Mächtigkeit zunehmenden Ueberzug, und zwischen beide ragt eine zungen-
förmige Synovialfalte von der unteren Kapselwand empor. Der mächtige
Ueberzug aber, der auf diese Weise der Clavicula verbleibt, wird nicht sel-
ten durch eine, der Endfläche der Clavieula parallele Spalte abermals ge-
theilt (BD); erstreckt sich diese Spalte längs der ganzen Endfläche der Cla-
vieula, so sondert sich von dem dünnen Ueberzug der letzteren eine Band-
scheibe und es entstehen zwei Gelenkhöhlen (C), deren jede durch mannig-
faltige Synovialfortsätze wieder unvollkommen abgetheilt sein kann. Die
Bandscheibe kann von überall gleicher Mächtigkeit, sie kann gegen die
Mitte dünner und in der Mitte durchbrochen erscheinen.
Die Bindegewebsbündel der Ueberzüge und Bandscheiben streichen
im Allgemeinen der Endfläche der Knochen parallel; nur in den. tiefsten
Schichten steigen sie vom. Knochen gegen die freie Oberfläche auf.
Die Kapsel ist, abgesehen von den Synovialfortsätzen, an ihrer oberen
Wand bedeutend stärker, als an der unteren; an der oberen 1 bis Zum star-
ken Wand wird sie durch sehnenartige Faserzüge, die von dem einen Kno-
chen zum anderen ziehen, verstärkt (Fig. 52).
!) Lig. acromio - clavieulare. Lig. capsulare claviculae ext.
Henle, Anatomie. Bd, I, Abthlg. 2. 5
e, Acromio-
Clavieular-
gelenk.
€. Kapsel.
66 Lig. eoraco-claviculare posticum.
‘8. Haftbänder.
1. Lig. coraco- clavieulare posticum m. C CP.
ß. Hasihänz Das Lig. coraco-clavieulare post. geht von der hinteren Hälfte der me-
1. Lie. cor.. dialen Fläche des Schulterhakens zur Tuberositas scapularis des Schlüssel-
elavie-post. peins. Es besteht aus zwei platten, ziemlich starken, unter einem spitzen
Winkel nach hinten convergirenden und zusammenfliessenden Abtheilungen
Fig. 52. (Fig. 52). Die hintere
mediale Abtheilung !) ist
unten schmal und breitet
sich aufwärts gegen die
Insertion am Schlüssel-
bein fächerförmig aus;
ihre Flächen sind, die eine
vor- und lateralwärts, die
andere rück- und median-
wärts: gewandt, etwas
mehr der frontalen Rich-
tung sich nähernd, als die
Gelenkfläche der Scapula,
zugleich aber mit dem
oberen Rande rückwärts
Scapula, Clavicula und Armbein in Verbindung von vorn. geneigt. Die vordere (la-
Aac Articulatio acromio-clavie. ac Lig. acromio-coracoid. terale) Abtheilung?) steht
Sc M. subelavius. Pmi M. pect. min. Bb kurzer Kopf mit den Flächen fast in
des Biceps.
sagittalen Ebenen, die la-
terale etwas ab-, die me-
diale aufwärts geneigt; sie verläuft schräg rückwärts über die obere Flä-
che des Schulterhakens. Die einander zugewandten Flächen des Bandes und
des Knochens sind glatt, mittelst eines feinen, feuchten Bindegewebes, einer
Art Schleimbeutel, verbunden. In die Lücke zwischen beiden Abtheilungen
ragt das Ende des M. subelavius.
2 2. Lig. coraco-claviculare anticum CCq >).
2. Lig. cor.- Mit diesem Namen bezeichne ich einen straffen, glänzenden, aber in
“ie aut ger Regel nur dünnen Bindegewebsstreifen, der von der Spitze des Schul-
terhakens schräg median- und aufwärts zum Schlüsselbein geht, an dessen
untere Fläche er sich unter sehr spitzem Winkel ansetzt. Am Ursprunge
hängt er mit der Fascie des M. pectoralis minor zusammen, am Schlüssel-
bein verwebt er sich mit der Fascie des M.subclavius, von dem er im übri-
gen Verlauf durch ein ansehnliches Fettlager geschieden ist.
') Lig. coraco - claviculare int. s. conoideum.
°) Lig. coraco -claviculare ext. s trapezoideum.
®) Faisceau aponevrotique coraco- elawieulaire anter. Bourgery.
Schultergelenk. 67
Vom physiologischen Standpunkte sind die beiden Gelenke am medialen und
lateralen Ende des Schlüsselbeins, trotz der Beständigkeit der Gelenkhöhlen, Syn-
chondrosen gleich zu stellen. Das verhältnissmässig mächtige, weiche Polster in
beiden Gelenken bequemt sich der Verschiebung der Knochen in jedem Sinne. Die
Art, wie Kapsel und Haftbänder diese Verschiebungen begrenzen, bedarf keiner
Erläuterung.
B. Schultergelenk.
Der Gelenkkopf des Armbeins und die Pfanne des Schulterblatts sind B. Schulter
von hyalinischem Knorpel bekleidet. Der Ueberzug des Gelenkkopfs ist ES
am stärksten in der Mitte der Gelenkfläche (2"®) und nimmt gegen die
Fig. 93%
Ss
Horizontaldurchschnitte des Schultergelenks, durch die Mitte der Höhe der Pfanne: Fig 53
in ruhender Haltung des Arms, Fig. 54 bei möglichster Rotation nach hinten. Pe Proc.
coracoideus durchschnitten. B Sehne des langen Kopfs des Biceps. Ss Sehne des M. su-
praspinatus. Is M. infraspinatu. Ssc M. subscapularis. D M. deltoideus.
Ränder an Mächtigkeit ab; der Knorpelüberzug der Pfanne ist in der Mitte
am schwächsten (1”®) und verdickt sich gegen den Rand (bis auf 3mm),
An den Rand der Pfanne fügt sich ein fibröser Saum, die Lippe des Labrum
E R . glenvideum.
Schultergelenks, Ladbrum: glenoideum scapulae. Dieser Saum hat zwei
freie Flächen, eine, welche die Pfanne vergrössert und zugleich vertieft,
indem sie sich in der Flucht der freien Oberfläche des Gelenkknorpels fort-
setzt, eine andere, welche ringsum in die Seitenfläche des Gelenkknopfs
übergeht. Beide Flächen stossen unter einem spitzen Winkel, dem schar-
fen Rande der Pfanne, zusammen. Der angewachsene Theil der Lippe ruht
auf dem knöchernen Rande der Pfanne und geht einwärts, gegen die Axe
des Gelenks, in den hyalinischen Knorpelüberzug über. Auf der freien
Fläche der Pfanne ist die Stelle, wo der hyalinische Knorpel und die fibröse
Lippe aneinanderstossen, häufig durch eine sehr feine und seichte seltener
durch eine tiefe Furche bezeichnet, noch seltener ist sie ganz eben. Die
Breite der fibrösen Lippe, d. h. ihr Durchmesser in der Richtung des
5*
Kapsel.
68 Schultergelenk.
Durchmessers der Gelenkfläche beträgt bis 3wm, ist aber oft an verschiede-
nen Stellen des Umfangs der Pfanne verschieden. An der oberen Spitze
der Pfanne geht aus der Lippe die Ursprungssehne des langen Kopfs des
Biceps (Fig. 53. 54 B. Fig. 55. 56 BM) hervor, gewöhnlich mit zwei con-
vergirenden Schenkeln, welche an der unteren Fläche eine mehr oder min-
der tiefe Grube zwischen sich fassen.
Die Lippe unterscheidet sich vom Gelenkknorpel durch ihre” Weich-
heit, ihre mehr gelbliche Farbe und ihre auf Durchschnitten eoneentrische
Streifung. Sie besteht aus Bindegewebe, dessen Bündel in der Nähe des
Knochens und Knorpels Knorpelzellen vereinzelt und in Gruppen einschlies-
sen. Die Hauptmasse der Bündel zieht ringförmig, concentrisch mit dem
Rande der Pfanne; nur hier und da und in dünnen Lagen kommen Bün-
del vor, welche parallel einem auf die Pfanne gefällten Loth oder den Ra-
dien der Pfanne und demnach senkrecht gegen jene verlaufen; so auf der
äusseren Fläche der Lippe als Fortsetzungen der Bündel der Beinhaut des
Schulterblatthalses, ferner in eontinuirlicher feiner Schichte auf der inneren
Oberfläche der Lippe.
Der überknorpelte Armbeinkopf ist ein Kugelsegment und zwar etwas
mehr als der dritte Theil einer Kugel von 32mm Radius; im Horizontal-
schnitt des Gelenks ist der Bogen, welchen die Pfanne mit Einschluss der
Lippe beschreibt, etwa !/, so gross als der Bogen des Gelenkkopfs, im
Verticalschnitte des Gelenks ?/, so gross..
Die Kapsel des Schultergelenks geht vom Rande der Pfanne des
Schulterblatts zum Halse des Armbeins. Am bei weitem grössten Theil des
? 778 BZ
N
Frontalsehnitte des Schultergelenks durch das Tub. minus des Armbeins: Fig. 55 bei ru-
hendem, Fig 56 bei horizontal ausgestrecktem Arm. 7 Durchschnitt des Schlüsselbeins.
ac Lig. acromio-coracoid DM delioideus. B Sehne des langen Kopfs des Biceps. B’
Ursprung derselben am Labr. glenoid, Ssc M, subscapularis. Ss’ Insertion desselben am
Tub. min Al Ursprung des M. anconaeus ll Tm,j M. teres maj. * Art. circumfl. humeri
post. und N, azillaris. ** Spur der Synchondrose der Epiphyse des Armbeins.
Schultergelenk. 69
Umfangs der Pfanne entspringt sie von der fibrösen Lippe; nur über dem
Ursprung der Sehne des langen Bicepskopfes entspringt sie unmittelbar am
Kuochen und zwar über der oberen Spitze der Pfanne von der Wurzel des
Schulterhakens. Auf der unteren Hälfte des Randes der Pfanne geht sie
geradezu aus der scharfen Kante der fibrösen Lipp: hervor; weiter hinauf
dagegen entsteht sie an der Aussenfläche der fibrösen Lippe, so dass deren
Kante frei in die Gelenkhöhle ragt. Am Armbein inserirt sich die Kapsel
oberhalb des Tubere. majus und minus gerade an der Grenze des über-
knorpelten Kopfes; über die Vertiefung zwischen beiden Höckern ist sie
brückenförmig hingespannt und hilft so die obere Mündung des Canals be-
grenzen, welcher die Sehne des langen Kopfs des Biceps einschliesst. Un-
terhalb des unteren Randes des Kopfes überzieht die Kapsel einen Theil des
ausgeschweiften Vorsprungs (Knochenlehre S. 217), der den eigentlichen
Kopf trägt. Aus dem unteren Rande des Gelenkknorpels hervorgehend,
liegt sie bis etwa 10%m unterhalb dieses Randes, nach Art einer Beinhaut,
genau dem Knochen an; von da an wird sie selbstständig und mächtiger
und nimmt, je nach der Stellung des Armbeins, eine verschiedene Lage an.
Hängt der Arm ruhend herab (Fig. 55), so geht sie, durch ein lockeres
und dehnbares Bindegewebe mit der Beinhaut des Armbeinkörpers verbun-
den, an demselben bis zur Gegend des oberen Randes des M. teres maj.
herab, um hier umzubiegen und zum Rande der Pfanne aufzusteigen. Es
leuchtet ein, dass ohne eine solche Einrichtung der Arm nicht erhoben
werden könnte. Wird er erhoben, so wird die zwischen dem Rande der
Pfanne und dem Armbeinkörper herabhängende Falte der Kapsel ausge-
glichen (Fig. 56); wie hoch er erhoben werden könne, hängt von der
Länge dieser Falte ab. Bei erhobenem Arm ragt der überknorpelte Kopf
des Armbeins über den unteren Rand der Pfanne hinaus; bei gesenktem
Arm kommt der von Beinhaut bekleidete, den Armbeinkopf tragende Vor-
sprung des sogenannten Halses mit in die Pfanne zu liegen. Wie weit als-
dann der Gelenkkopf den oberen Rand der Pfanne überragt und wie sich
die obere Kapselwand bei hängendem Arm spannt, bei erhobenem Arm in
Querfalten zusammenschiebt, wird eine Vergleichung der beiden Figuren
besser, als eine weitläufige Beschreibung lehren. Ebenso darf ich auf
Fig. 53 und 54 verweisen wegen der Faltungen der Kapsel bei den eigent-
lich sogenannten Rotationsbewegungen des Arms. Die Falte schiebt sich,
wie man sieht, um den Rand der Pfanne bei der Vorwärtsrotation (Fig.53)
unter den M. subscapularis, bei der Rückwärtsrotation (Fig. 54) unter die
Mm. infraspinatus und teres minor.
Die Kapselmembran ist aus Bindegewebe mit spärlichen interstitiellen
elastischen Fasern und einem einfachen Epithelinm zusammengesetzt. Was
die Anordnung der Bindegewebsbündel betrifft, so verlaufen sie in den
äusseren Schichten meistens in gerader Richtung von dem einen Knochen
zum anderen, in den inneren Schichten kreisförmig, parallel dem Anhef-
tungsrande. Die Mächtigkeit der Kapselmembran an sich beträgt nicht
über !/,mm, sie wird aber an verschiedenen Stellen theils durch äussere,
theils durch innere Auflagerung verstärkt. Aeusserlich durch die Sehnen
des M. supraspinatus und infraspinatus und. subscapularis, welche in der
Nähe ihrer Insertion untrennbar mit der Kapselmembran verwachsen, ferner
Lig. coraco-
humerale.
70 Schultergelenk.
durch das Lig. coraco-humerale !), ein breites Band, welches vom late-
ralen Rande des Schulterhakens unter dem Lig. coraco-acromijale entspringt
und in die obere und hintere Wand der Kapsel ausstrahlt (Fig. 57). Die
Schulterblattmuskeln selbst tragen zur Befestigung der Kapsel bei, indem
sie, soweit sie über dieselbe hinlaufen, straff genug angeheftet sind, um bei
Fig. 57.
Schultergelenk, von vorn geöffnet, der Armbeinkopf herabgezogen. ac Lig. acromio-coracoid.
abgeschnitten. B Sehne des langen Kopfs des Biceps, durch die Gelenkhöhle verlaufend.
Ssc Sehne des M. subscapularis. Al Sehne des Ancon. long. * Pfanne der Scapula.
** Armbeinkopf.
Contractionen die Kapsel mit sich zu ziehen. So lange diese Verbindung der
Muskeln mit der Oberfläche der Kapsel intact ist, bleibt zwischen den un-
teren Rändern des M. teres major und des subscapularis nur ein schmaler
Streif der Kapselmembran frei; an diesen sind die durch die Lücken zwi-
schen M. teres maj. und Ancon. longus tretenden Gefässe und Nerven (Fig.
58 ***) und die genannten Muskeln selber genau mittelst eines ungewöhnlich
derben, fast sehnigen Bindegewebes angewachsen, so dass es der Kapsel auch
nach dieser, der schwächsten Seite nicht an Unterstützung fehlt. Ueber die
Querfasern, welche den Anfang des Sulcus intertubercularis brückenförmig
decken, gehen starke Längsfaserbündel herab; eine nähere Beschreibung
derselben kann erst in Verbindung mit der Beschreibung der Oberarmmus-
keln gegeben werden.
Auf der Innenseite der Kapsel machen sich an der oberen Fläche zwei
in gerader Richtung von der Schulterblatt- zur Arminsertion verlaufende
Wiüilste (Fig.58,1.2) bemerklich, eine breite, seichte Furche einschliessend,
welche zur Aufnahme der über den Kopf des Armbeins hingleitenden Biceps-
sehne bestimmt ist. Der Wulst, welcher die Furche nach hinten begrenzt,
entspricht der Sehne des M. suspraspinatus, der Wulst, welcher sie nach
vorn begrenzt, dem Lig. eoraco-humerale. In geringer Entfernung unter-
halb des eben genannten Wulstes bewirkt parallel demselben der obere
Rand der Sehne des M. subscapularis einen Vorsprung der vorderen Kapsel-
1) Lig. suspensorium humeri aut. L. coracoideo-capsulare Barkow. Lig. accessorium
humeri Krause. Lig. superius humeri H. Meyer.
Schultergelenk. 71
wand nach innen (3). Unter einer dünnen Falte !), welche vom Rande jenes
Wulstes schräg lateralwärts absteigt und sich unterhalb des von der Sehne
Fig. 58. des Subscapularis herrüh-
renden Vorsprungs ver-
liert, findet sich der Ein-
gang in die subscapulare
Synovialtasche (**), auf
welche ich sogleich zurück-
komme. Parallel dieser
Falte endlich zieht, dicht
unter derselben, von der
fibrösen Lippe ein starker
Bindegewebsstreifen 2) la-
teral- und abwärts (4) und
löst sich fächerförmig in
die ringförmige Faserung
des inneren Theils der
Kapselwand auf.
alt Mit der Höhle der
Schultergelenkkapsel ste-
Schultergelenk von hinten geöffnet. Armbeinkopf entfernt. bes reselma is
t Schnittlläche desselben. *Pfanne der Scapula. > 5 8 SYS
tfSchnittfläche des Acromion. Is, Tm, M. infraspinat. novialtaschen in offener
u. feres min., durchgeschritten und zurückgeschlagen..- Ss Verbindung die demnach
M. supraspinat. Al M anconaeus longus. Ae M, anconaeus HR
ext. Tmj M. teres ma). ** Eingang der Bursa synov. auch als Ausstülpungen der
subscapul. *** Vasa circumfl. humeri post u. N. azillaris. Kapsel angesehen werden
können. Die Eine, Bursa
synov. subscapularis (Fig. 59), erstreckt sich von der eben beschriebenen
Oeffnung in der vorderen medialen Wand der Kapsel, welche etwa in der
Höhe der Einbiegung des vorderen Pfannenrandes liegt, in Form eines
höckerigen Blindsacks mehr oder minder weit medianwärts unter die vordere
concave Fläche des Schulterhakens; sie hat hinter sich die Beinhaut, vor
sich die obersten Bündel des M. subscapularis, von welchen sie aber noch
durch einen geschlossenen Schleimbeutel getrennt ist.
Var. Einmal fand ich einen zweiten Eingang in die B. synov. subscap. zwischen
Pfanne und Labr. glenoid. gerade über der Ineisur. .
Die zweite Ausstülpung der Kapsel, Bursa öntertubercularis (Fig.59),
kleidet den oberen Theil des Canals aus, in welchem die Sehne des Biceps
eingeschlossen liegt; die Synovialtasche ist also eylindrisch ; ihr blindes abge-
rundetes Ende reicht bis in die Gegend der Anheftungsstelle der Sehnen des
M. pector. maj. und latissimus dorsi hinab. Nur dies abgerundete Ende ist
frei und einigermaassen selbstständig, es stösst auf das lockere Bindege-
webe, welches weiterhin die Sehne des Biceps einschliesst; innerhalb des
Canals ist die Synovialtasche nichts Anderes, als die untrennbare, innerste
Schichte einerseits der Auskleidung der Knochenrinne, andererseits der
über die Rinne hingespannten fibrösen Brücke. Die Auskleidung der Kno-
ai
Imj, x+x
) Lig. glenoideo - brachiale int. Schlemm (Müll. Archiv 1853. S. 45).
?) Lig. glenoideo-brachiale inf. s. latum Schlemm.
Syuovial-
taschen.
72 Schultergelenk.
chenrinne ist Bindegewebe von Imm Mächtigkeit, welches aus dem hyalini-
schen Knorpelüberzug des Gelenkkopfs, wie überall, dergestalt hervorgeht,
dass am Rande des Gelenkkopfs zuerst die oberflächliche und weiter ab-
Fig. 59. wärts immer tie-
fere Schichten
der »Grundsub-
stanz fibrös wer-
den. Die dem
Knorpel und,
weiter abwärts,
dem Knochen zu-
nächst gelegenen
Bindegewebs-
schichten schlies-
sen noch Knor-
pelzellen ein. Im
oberen Theile des
Canals liegen die
Bündel unregel-
mässig verfloch-
ten ;abwärts ord-
nen sie sich quer
und werden seh-
nig, in die Seh-
nenbündel des
Schultergelenk von vorn mit aufgeblasenen Synovialtaschen. M. latiss. dorsi
f Durchschnitt des Schlüsselbeins. B |Sehne des langen Kopfs sich fortsetzend.
des Biceps. Ssc Sehne des M. subscapularis. - » =
Die freie Fläche
deckt eine struc-
turlose, steife Membran, vielleicht ursprünglich ein Epithelium. Die Decke
des Canals, im Anschluss an die oben beschriebene Brücke der Kapsel, be-
steht aus einer äusseren Lage longitudinaler, einer inneren Lage querer,
gefässreicher Bindegewebsbündel; von ihrer Innenfläche geht zur Sehne
des Biceps eine feine (1/,mm dicke), netzartig durchbrochene, aus longitudi-
nalen Bindegewebsbündeln mit rhombischen Maschen gewebte Membran 1),
‚ eine unvollkommene Scheidewand, welche die Synovialtasche der Länge
Synovial-
fortsätze,
nach theilt. Die Bicepssehne selbst ist, so weit sie frei in der Gelenkkapsel
und Synovialtasche liegt, von einem Epithelium oder einer structurlosen
Membran bekleidet.
Die Kapsel des Schultergelenks ist verhältnissmässig arm an Synovial-
fortsätzen. Platte, scharfrandige, öfters gelappte Synovialfalten umgeben
scheidenartig den Ursprung der Sehne des Biceps, besonders den unteren
Theil, oder legen sich über die Seitenränder dieser Sehne. Feine gefäss-
reiche Zotten sitzen haufenweise um den Eingang der Bursa synovial. sub-
scapularis (Fig. 58) und in der Nähe der Humerusinsertion der Kapsel.
1) Retinaculum aut.
Ellenbogengelenk. 73
C. Ellenbogengelenk.
Das Ellenbogengelenk schliesst das untere Ende des Armbeins und die
oberen Enden der beiden Unterarmknochen ein. In demselben werden zwei
Bewegungen völlig unabhängig von einander ausgeführt. Erstens bewegen
sich die beiden Unterarmknochen gemeinschaftlich in einer nahezu sagitta-
len Ebene um die Axe des Processus eubitalis; da diese Axe mit dem me-
dialen Ende etwas tiefer steht, als mit dem lateralen, so ist die längste Axe
des Unterarms weder in der Beugung, noch in der Streckung ganz der Axe
des Oberarms parallel; in der Beugung weicht sie unter einem spitzen
Winkel medianwärts, in der Streckung unter einem sehr stumpfen Winkel
lateralwärts ab. In jeder Stellung der beiden Unterarmknochen zum Arm-
bein dreht sich zweitens die vertiefte Endfläche des Köpfchens des Ra-
dius auf dem Köpfchen des Armbeins, die Circumferentia articularis des
Radius im Sinus lunatus der Ulna um eine fast verticale, streng genommen
vom Mittelpunkt der oberen Endfläche des Radius zur Wurzel des Proces-
sus styloideus der Ulna gelegte Axe.
Alle im Ellenbogengelenk artieulirenden Flächen sind in jeder Stel-
lung fast vollständig mit einander in Berührung und passen demnach ge-
nau auf einander. Nur in der Gegend der Querfurche der Fossa sigmoidea
und der Einbuchtungen, in welche diese Querfurche jederseits ausläuft,
schliesst sich die Oberfläche .der Ulna nicht genau der Oberfläche der
Trochlea an; die Unebenheit der Fossa sigmoidea wird theilweise durch
die später zu erwähnenden Synovialfortsätze ausgeglichen ; so weit sie
unausgeglichen bleibt, ist sie von Synovia erfüllt. Der Furche der Troch-
lea, in welcher der Kugel- und Kegelabschnitt zu-
sammenstossen (Knochenl. S. 220), entspricht die
vom oberen zum vorderen Rande der Fossa sig-
moidea verlaufende stumpfe Firste; die Vertiefung
in der oberen Endfläche des Radius ist zur Auf-
nahme des Capitulum des Armbeines bestimmt, in-
dess der gewölbte Rand jener Fläche ringsum das
Capitulum überragt und medianwärts die Einschnü-
rung ausfüllt, die das Capitulum von der Trochlea
scheidet (Fig. 60). Diese neben einander gelege-
nen und je in einander eingreifenden Vorragun-
gen und Vertiefungen sichern den Gang der Vor-
derarmknochen auf dem Armbein gegen seitliche
Verschiebungen. Um die normale Beuge- und
Frontaldurchschnitt des Ellen- Streckbewegung zu gestatten, muss die Artieula-
bogengelenks. ar Lig. annulare (;onsebene in allen sagittalen Durchschnitten kreis-
radü. Sb M. supinator brevis. h R
förmig sein und der Gelenkkopf (den der Proc.
eubitalis repräsentirt) muss im sagittalen Durchschnitt einen grösseren Theil
eines Kreises beschreiben, als die (von den Unterarmknochen getragene)
Pfanne. Der sagittale Durchschnitt der Fossa sigmoidea in der Gegend
C. Ellenbo-
gengelenk.
74 Ellenbogengelenk.
der mittleren Firste, wo die Concavität am tiefsten ist, stellt einen Halb-
kreis von 10mm Radius dar; dass er nicht mehr als einen Halbkreis be-
trägt, erhellt schon daraus, dass nach Trennung der Bänder sich der Un-
terarm sogleich vom Oberarm löst und herabfällt. Nach beiden Seiten von
jener Firste nimmt der Halbmesser der Krümmung zu, die Bogenlänge ab.
Nach Denuc& (Mem. sur les luxations du coude. Paris 1854. 4.) betrug der
Halbmesser der Krümmungen des Ellenbogengelenks an drei Skeletten, einem
männlichen von starkem, einem von gewöhnlichem Wuchs und einem weiblichen
gemessen:
mm mm mm
am medialen Rande der Trochlea 16,5 13,25 12,5
Furche der Trochleae . . ... 1 9,5 be)
am lateralen Rande derselben . . 13 11,5 9,5
Ehpitalum 2 eis. 45, Eruceul 325.0.112 9,2
Dem sagittalen Durchschnitte der Trochlea dagegen, an der der Firste
der Fossa sigmoidea entsprechenden Stelle fehlt zu einem vollständigen
Kreise nur das kurze Stück des Randes, welches mit der Scheidewand zwi-
schen Fossa olecrani und Fossa ant. maj. in Zusammenhang steht, und in
demselben Durchschnitt verhält sich die Bogenlänge des Armbeinköpfchens
zur Bogenlänge der Depression des Radiusköpfehens wie 2: 1.
Bei gestrecktem Arm erreicht der obere Rand der Fossa sigmoidea
beinahe die hintere Fläche der Scheidewand zwischen Fossa olecerani und
Fossa ant. maj., bei möglichst gebeugtem Arm erreicht der vordere Rand
der Fossa sigmoidea die vordere Fläche derselben Scheidewand; es bleibt
demnach dort ein vorderer, hier ein hinterer Theil der Trochlea frei, wel-
che einem Halbkreis weniger der Dicke jener Scheidewand entspricht (siehe
Fig. 61 und 62).
Fig. 61.
ulm
Sagittaldurchschnitte des Ellenbogengelenks durch die Mitte der Trochlea:
Fig. 61 in Streckung, Fig. 62 in Beugung. A Sehne des Ext. triceps. Bi Sehne des
M. brachialis int, B Sehne des M. biceps. SI M. supinator long.
Ellenbogengelenk. 75
Sinus lunatus der Ulna und Facies articularis des Radius sind Theile
von Uylinderflächen, jene einem Bogen von 180°, diese einem Bogen von
90° entsprechend, mit einem Radius von 12mm,
Der Knorpelüberzug der im Ellenbogengelenk artieulirenden Knochen
ist durchweg hyalinisch, von etwa Zmm Mächtigkeit; doch sind die artieu-
lirenden Flächen nicht in ihrer ganzen Ausdehnung mit Knorpel bedeckt;
namentlich endet die Knorpelbekleidung der Trochlea in fast gleicher Höhe
vorn und hinten mit transversalem etwas eingebogenem Rande; knorpe-
lich ist nur der mittlere Theil der Trochlea, den die Fossa sigmoidea um-
fasst, wenn der Unterarm mit dem Oberarm einen rechten Winkel bildet.
Der Theil der Articulationsfläche, welcher bei dieser Stellung des Arms
vorn und hinten frei bleibt, ist nur mit fest anliegender,, glatter Beinhaut
oder mit einem fetthaltigen Polster überzogen. Andererseits ist merkwürdi-
ger Weise auch die laterale Hälfte des Seitenrandes des Radiusköpfchens,
die niemals weder mit dem Sinus lunatus der Ulna, noch mit einer anderen
Knochenfläche in Berührung kommt, mit einer mächtigen Schichte hyalini-
schen Knorpels versehen.
Die Enden der drei im Ellenbogengelenk verbundenen Knochen um-
giebt eine einfache, sackförmige, nuram Halse des Radius eng anschliessende
Kapselmembran, welche stellenweise sehr dünn, an anderen Stellen durch
feste sehnige Faserzüge verstärkt ist. Die Kapsel ist am Armbein so an-
geheftet, dass die zur Aufnahme der Vorderarmknochen bestimmten Gruben
an der vorderen und hinteren Fläche dieses Knochens, sowie die mediale
Fläche des Processus cubitalis noch mit in die Höhle des Gelenks fallen.
Ihr Ursprung zieht sich in einem aufwärts convexen Bogen über der Fossa
ant. maj., in einem zweiten, steileren aber schmaleren Bogen über der Fossa
ant. min. hin, geht genau am lateralen und hinteren Rande des Capitulum
zum lateralen Rande der hinteren Fläche der Trochlea, an diesem aufwärts,
dann transversal durch den oberen Theil der Fossa olecrani und dicht un-
ter der Wurzel das Epicondylus medialis vorüber zurück zur Vorderseite.
An der Ulna befestigt sie sich allseitig im Umfange der überknorpelten Flä-
che und zwar in der Mitte des oberen Randes der Fossa sigmoidea am
Rande des knorplichen Ueberzugs selbst, im Uebrigen in einer Rinne des
Knochens dicht neben dem Rande des Knorpels. Am Radius setzt sich die
Kapsel rings um den Hals an, ungefähr in der Mitte zwischen dem unteren
Rande des Köpfchens und der Tuberosität, am lateralen Umfang etwas weiter
abwärts, als am medialen (Fig.60). Als feine glatte Bindegewebehaut geht
sie von dieser Insertionsstelle an aufwärts, zuerst locker, allmälig fester an
den Knochen angeheftet und zuletzt in den Knorpel des Randes des Köpf-
chens sich verlierend. In gleicher Weise geht die Kapselmembran von
ihrer Insertionsstelle am Armbein herab über die hintere und die beiden
vorderen Gruben und continuirlich in die Bindegewebslage über, welche
(s. oben) den Processus cubitalis oberhalb des Knorpelüberzugs bekleidet.
An die knöcherne Scheidewand der beiden vorderen Gruben ist sie durch
eine Art Frenulum befestigt; über sämmtlichen Gruben wird sie durch
gerade oder schräg absteigende, platte sehnige Bündel verstärkt, oft auch
durch eine Fettlage von der Oberfläche des Knochens getrennt. Die
Kapsel.
76 Ellenbogengelenk.
Gruben erscheinen deshalb am frischen Präparat beträchtlich flacher, als
an dem macerirten Knochen.
Aeusserlich ist die Kapselmembran an bestimmten Stellen beständig
von umschriebenen, mit der Oberfläche derselben fest verwebten Fettmas-
sen belegt. Eine solche findet sich sowohl an der vorderen, als an der
hinteren Seite des Arms auf dem über die Gruben hingespannten Theil der
Kapsel; sie erstreckt sich, allmälig sich verdünnend, noch etwas über die
Anheftungstelle der Kapsel am Arm hinauf und bildet dort für den M.
brachialis int., hier für den Anconaeus eine ebene, die Vertiefungen aus-
gleichende Unterlage (Fig. 61. 62). Ebenso ist der Raum zwischen Ulna
und Radius unterhalb des Theils der Kapsel, der sich vom unteren Rande
des Sinus lunatus zum Halse des Radius erstreckt, von Fett ausgefüllt.
Die Kapsel ist, wie erwähnt, von sehr ungleicher Mächtigkeit; die ein-
gewebten Züge fibröser Fasern verleihen ihr stellenweise einen sehnigen
Glanz und eine bedeutende Dicke, grenzen sich aber nirgends zu selbst-
ständigen Hülfsbändern ab, und lassen sich nur künstlich von der eigent-
lichen Synovialkapsel trennen. In der hinteren Wand der Kapsel ist der
untere Theil durch transversale, die Mitte des oberen Theils durch verti-
cale, das eben erwähnte Fettlager durchsetzende Fasern I) verstärkt; zu bei-
den Seiten dieser verticalen Fasern ist die hintere Wand zart und zerreiss-
lich, wie ein Schleimbeutel; in der Nähe der Olecranoninsertion wird sie
durch die Sehne des Extensor triceps unterstützt, die, ohne in der Kapsel
zu enden, doch sehr straff mit ihr verbunden ist; am genauesten hängt mit
dem am lateralen Rande der Trochlea entspringenden Theile der hinteren
Kapselwand die Ursprungssehne des M. anconaeus quartus zusammen.
Von ihrer Ursprungsstelle am hinteren und unteren Rande der Wur-
zel des Epicondylus medialis an
enthält die Kapsel starke, radien-
förmig divergirende Faserbündel,
von denen die obersten quer in
die hintere Kapselwand ausstrah-
len, die folgenden?) sich succes-
siv am medialen Rande des Ole-
cranon inseriren (Fig.63. 1). Sie
bilden die glatte vordere Wand des
Canals, in welchem, von hinten
her durch den Ulnarursprung
des M. ulnaris int. (Di 2) be-
deckt, der N. ulnaris herabläuft.
Vom vorderen Rande der Wur-
Bllenbssene le von der medialen Seite. Der am zel des Epicondylus medialis, vor
Condylıs int. entspringende Kopf des M. un. int. demUrsprunge der Beugemuskeln
Ui1 durchschnitten und zurückgeschlagen. Ui2 des Vorderarms gehen ‚starke
Ulnarursprung des M. ulnaris int. A Sehne des Ri .
Ext. triceeps. Bi Sehne des M. brachial. int. Faserbündel aus, zum Theil
B Sehne des Bicep.. Nu N. ulnaris. transversal in die vordere Kap-
selwand, zum Theil schräg vor-
1) Lig. rectum cubiti posticum Barkow. Das Lig. cubiti posticum Meckel's u. A. um-
fasst alle der hinteren Kapselwand eingewebten Fascikel. *) Lig. humero-olecranien Cruv.
Ellenbogengelenk. 77.
und abwärts zur medialen Ecke des Proces. eoronoideus !) (Fig. 63. 64 2).
Mit den Insertionen der beiden letztgenannten Faseikel verflechten sich
Fasern, welche über den concaven medialen
Rand der Fossa sigmoidea vom Oleeranon
zum Processus coronoideus straff hinüberge-
hen 2) (Fig. 63.3).
In der vorderen Wand der Kapsel (Fig. 64)
verlaufen stärkere Fasern theils vom oberen
Ursprunge der Kapsel an gerade abwärts 3),
theils vom Epieondylus medialis aus schräg
lateral- und abwärts; ein stärkerer und ziem-
lich beständiger Streifen (4) geht vom Epie.
med. aus, vor dem oberen Rande des Proc.
coronoideus vorüber an die vordere laterale
Ecke dieses Fortsatzes und theilweise weiter
in das Lig. annulare radii und den M. ra-
dialis ext. brevis. Der M. brachialis int., der
die vordere Wand der Kapsel deckt und
durch straffes Bindegewebe mit derselben
zusammenhängt, schickt zuweilen vom latera-
len, zuweilen vom medialen Rande aus einige
dünne Muskelbündel in die Kapsel (Fig. 62).
Der stärkste Theil der Kapsel ist der- Lig. aunu-
jenige, welcher halb- oder vielmehr dreivier- "
telkreisförmig den Kopf und Hals des Ra-
dius umgiebt und den Sinus lunatus der
Ulna zum Ringe ergänzt, in welchem die
N Drehungen des Radius vollzogen werden.
| Es ist ein Band von 10mm Höhe, Lig. un-
nulare radi *), genau nach dem oberen
\ Ende des Radius geformt und demnach
| trichterförmig nach unten verengt, am mäch-
| tigsten am unteren Rande, von welchem aus
** die Kapsel plötzlich verdünnt sich an den
Hals des Radius ansetzt (Fig. 60). Der Haupt-
masse nach besteht es aus horizontalen Fa-
serbündeln, welche am hinteren und vorde-
| ren Rande des Sinus lunatus befestigt sind.
Ihnen mischen sich schräg auf- und abstei-
ee
z FE
c 2
Ze
SI
SS
‚ıl — ') Lig humero-coronoidien Cruv. Das Lig. cubiti
OV laterale int. s. brachio- cubitale aut. (cubito-ulnare M.
RR Ju J. Weber) begreift sämmtliche vom medialen Epicon-
= 2 dylus entspringende Fasecikel.
Ellenbogengelenk und Vorderarm- 2) Hinterer Schenkel des Zig. laterale int. ©. Fi-
knochen mit dem Zig. inteross. von scher (die Ursachen des so häufigen Verkennens von
vorn. B Sehne des Bicep. Bi Verrenkungen, Köln 1850. 4. $. 12).
Sehne des M. brachial. int. * sack- ‘) Lig. rect. cubiti anticum Barkow. Unter Lig.
förmige Kapsel unter dem Zig. an- «nterius cubiti versteht man diese verticalen nebst den
nulare radü. cht Chorda transversalis. schrägen und transversalen Fasern.
*) L. orbiculare s. coronarium radü.
Synovial
fortsätze.
78 Ellenbogengelenk.
gende Fasern ) bei, welche hinten (Fig.64) vom Olecranon, vorn (Fig. 65) vom
Proe. coronoid. unter- und oberhalb des Sinus lunatus ihren Ursprung neh-
men. Einige der untersten und innersten Faserbündel umgeben, indem sie
dicht am unteren Rande des Sinus lunat. vorüberziehen, vollkommen kreisför-
mig geschlossen den Hals des Radius. Die Sehnen der unterhalb des Epi-
condylus lateralis entspringenden Streckmuskeln, namentlich des Ulnaris ext.
und des Ext. dig. minimi und Ext. dig. comm. sind an das Lig. annulare
angewachsen. Die Sehnenfasern des M. supinator brevis entspringen zum
Theil von demselben. Die verticalen Fasern, die ihm auf diese Weise
äusserlich anhaften und die Festigkeit desselben bedeutend vermehren , las-
sen sich künstlich trennen von verticalen und schräg absteigenden, der
Kapsel inniger eingewebten Fascikeln 2), welche vom Epicond. later. theils
vorwärts in das Lig. annulare ausstrahlen, theils rückwärts über dasselbe
weg zum obersten Theil der Crista interossea der Ulna verlaufen (Fig. 65).
Die dünne vom unteren Rande des Lig-
annulare und vom unteren Rande des Sinus
lunatus zum Halse des Radius sich erstre-
ckende Kapselwand 3) unterstützen die
oberen Faserbündel des M. supin. brevis,
welche unmittelbar auf diesem Theile der
Kapsel aufliegen und durch straffes Bin-
degewebe mit ihr verbunden sind (Fig. 60).
Die Kapsel des Ellenbogengelenks ist
un reich an Synovialfortsätzen. Eine fetthal-
VW tige Falte mit glatten Flächen, hoher Basis
iM N — t und scharfem halbkreisförmigem Rande
| | springt von der Vorderfläche der hinteren
Wand nach innen vor und füllt bei ge-
beugtem Arm die Fossa oleer. aus (Fig.
62). Mit dem Fettlappen, welcher an der
entsprechenden Stelle von aussen die Kap-
sel deckt, bildet sieeine zusammenhängende
Ellenbogengelenk von hinten. Ai Anco- Masse, durch welche sich jedoch auf Ver-
en. ing an. ticalschnitten die fibröse Kapsel hindurch
insertion des Ancon. quartus. Reb, Ede verfolgen lässt. In ähnlichem Verhältniss
aufwärts zurückgeschlagene Ursprünge Zur Kapsel (Fig. 61 **) stehen zwei ähnlich
des M.rad. ext. brevis und Ext. dig. comm. < c -
Sb, 8b‘, 8b" Ursprungssehnen des M, su. geformte, kleinere, fetthaltige Synovialfal-
pinator brevis. *sackförmige Kapsel un- ten (***), welche dem äusseren Fettbeleg
ter dem Lig. annulare radü. der vorderen Kapselwand (*) gegen-
über nach innen vorragen, um bei ge-
- strecktem Arm die Fossa ant. maj. und
minor auszufüllen. Scharfe, dünne, mitunter fetthaltige verticale Falten
drängen sich von vorn und hinten her, eine kurze Strecke weit zwischen
D) Ligg. accessoria Weitbr. Annulus accessorius Weber - Hildebrandt.
*) Lig. laterale cubiti ext. s. brachio-radiale.
3) Die zwischen Sinus lunatus und Hals des Radius gelegene Partie der Kapselwand
nennt Denuce Lig. quadratum Als solches erscheint sie erst, wenn man das Lig. an-
nulare durchschnitten und Ulna und Radius möglichst von einander abgezogen hat.
Ellenbogengelenk. 79
die correspondirenden Flächen des Radius und der Ulna. Der in die Ge-
lenkhöhle schauende Theil der ulnaren Fläche des Processus eubitalis hu-
meri ist gleich der ihr gegenüberliegenden Kapselwand mit kleinen, in der
Regel fetthaltigen Falten und Zotten besetzt. Ansehnliche fetthaltige Pol-
ster legen sich, theils von der Kapsel, theils vom Knochen ausgehend, von
beiden Seiten her in die Erweiterungen der Querfurche des Sinus lunatus.
Einigemal fand ich eine kreisförmige scharfrandige, bis 2UM breite Synovial-
‚falte ringsum zwischen dem Capitulum des Armbeins und dem abhängigen
Rande der oberen Endfläche des Radius. Feine Zotten und Fältchen finden
sich ausserdem in einem Kranze an dem lateralen (nicht artieulirenden)
Theile des Randes des Radiusköpfehens und am hinteren und vorderen
Rande der Trochlea.
Die Art, wie die Kapsel des Ellenbogengelenks sich bei den Bewegungen dessel-
ben in Falten legt, erhelit aus Fig. 61 u. 62. Bei gestrecktem Arm liegt die Falte
über dem Ölecranon, bei gebogenem über dem Processus coronoideus; diese Lage
ertheilt ihr dort der M. extensor triceps, hier der M. brachialis int., von welchen
beiden Muskeln nicht selten einzelne Fasern in der Kapsel selbst enden. Die ge-
tässreichen Fettpolster, welche von aussen und innen die Kapsel bedecken, haben
neben ihrer Bedeutung für die Ernährung des Gelenks und die Secretion der
Synovia noch den Zweck, den Muskeln beim Angriff auf das Oleeranon und den
Processus coronoideus als eine Art von Rollen zu dienen und die dünne Scheide-
wand, die über dem Processus cubitalis des Armbeins die Fossa oleerani und die
Fossa ant. maj. trennt, gegen den Stoss des vorderen Randes des Proc. coronoid.
und des oberen Randes des Olecranon zu verwahren. Dem gleichen Zwecke die-
nen, bei der Streckung des Arms, die in der Vorderwand der Kapsel verlaufenden
geraden und schrägen Fasern, welche die Bewegung hemmen, bevor der obere
Rand des Olecranon den Grund der Fossa olecrani erreicht hat. Die Fossa ant.
maj. ist nicht in gleicher Weise durch Hemmungsbänder in der hinteren Kapsel-
wand geschützt; sie bedurfte aber auch dieses Schutzes nicht, da die extreme
Beugung schon durch die Weichtheile der Vorderfläche der Ellenbogengegend ge-
hindert wird.
Die Freiheit, mit welcher der Radius seine Rotationsbewegungen bei jeder
Stellung der Unterarmknochen zum Oberarm ausführt, beruht darauf, dass von al-
len den Sehnen und Bandfasern, welche in der Kapsel oder mit derselben verbun-
den an der radialen Seite des Ellenbogengelenks herabgehen, keine direct an den
Radius sich ansetzt; sie hängen sämmtlich nur mit dem Lig. annulare radii und
durch Vermittelung dieses Bandes mit dem vorderen und hinteren Rarde des Si-
nus lunatus der Ulna zusammen. Gegen die Ulna aber ist die Bewegung des Ra-
dius beschränkt durch die Torsion des Theils der Kapsel,. welcher sich vom unte-
ren, wulstigen Rande des Lig. annulare zum Knochen erstreckt. Sägt man die un-
teren Enden der Vorderarmknochen ab, so dass die Beschränkung wegfällt, die
die Verbindung der unteren Enden der Unterarmknochen den Rotationsbewegungen
des Radius auferlegt, entfernt man sodann alle zwischen Ulna und Radius unter-
halb des Ellenbogengelenks verlaufenden Muskeln und Bänder, so kann die Pro-
nations- und Supinationsbewegung doch kaum weiter geführt werden, als an dem
unversehrten Arm, und es zeigt sich, dass die Spannung von Fasern, welche in der
hinteren und vorderen Wand des untersten Theils der Kapsel vom Sinus lunatus
aus in einer von der horizontalen nur wenig abweichenden Richtung zum Halse des
Radius herabgehen, der Rotation Schranken setzt. Diese Fasern sind stärker an
der Rückseite, als an der Vorderseite. An der Vorderseite, an welcher sie der
gewaltsamen Supination entgegenwirken, werden sie unterstützt durch die sogleich
zu beschreibende Chorda obliqua.
C. Bergmann (Müll. Archiv 1855 S. 346) beobachtete bei einem Ellen-
bogengelenk ein deutliches Federn in der Art, dass bei der Ueberführung aus der
Physiologi-
sche Bemer-
kungen.
80 Haftbänder der Unterarmknochen. Ber
Beugung in die Streckung eine
rl
gewisse Erschwerung der Bewegung sich geltend
ınachte, wenn dieselbe sich ihrem Ende näherte, bis dann der letzte Act der Stre-
ckung wieder wesentlich durch die Spannung der Bänder unterstützt vor sich ging.
D. Haftbän-
der des Un-
terarms.
l. Chorda
trausversal.
2. Lig. in-
terosseum.
II
x
Ellenbogengelenk und Vorderarmkno-
chen mit dem Lig. interosseum' von
vorn. B Sehne des Biceps. Bi Sehne
des M. brachial int. * sackförmige
Kapsel unter dem Lig. annulare radü.
.D. Haftbänder der Unterarm-
knochen.
1. Chorda transversalis chi )
Ein platt-rundlicher Sehnenstreif, welcher
vom Processus coronoideus ulnae oberhalb
der Insertion des M. brachial. int. entspringt
und sich am Radius unterhalb der Tuberosi-
tät desselben anheftet (Fig. 66).
Das Band kann fehlen oder durch Sehnen-
streifen ersetzt werden, die von der Ursprungs-
stelle desselben aus- und in den M. flexor pollices
longus übergehen. Zuweilen sieht man es in der
Weise verdoppelt, dass ein ähnlicher Streifen, im
unmittelbaren Anschluss an das Lig. annulare ra-
dii, vom Processus coronoid. der Ulna zum Halse
des Radius oberhalb der Tuberosität verläuft.
Die Chorda transversalis widersetzt sich einer
zu weit getriebenen Supination.
2. Lig. interosseum ?).
Das Lig. interosseum, welches die gleich-
namigen Firsten beider Unterarmknochen ver-
bindet (Knochenlehre S. 221), mit seinen
obersten Bündeln aber noch von der Vorder-
fläche des Radius entspringt, besteht aus
grösstentheils ulnarwärts mehr oder minder
steil absteigenden Fasern, die hier und da
künstlich in mehrere Schichten setrennt
werden können. Ziemlich beständig finden
sich in der Nähe des unteren Endes des Unter-
arms, an der Stelle, wo die Vasa interossea
antt. die Membran durchbohren,, eine kurze
Strecke weit zwei, eine Querspalte (Fig. 66**)
einschliessende Blätter; das hintere, von oben
herabsteigend, endet mit abwärts concavem,
das vordere, von unten aufsteigend, mit auf-
wärts concavem Rande. Das vordere Blatt
zeigt eine mehr transversale oder selbst eine
die Richtung der Fasern des oberen Theils
der Membran kreuzende Faserung.
ı) Chorda obligua s. transversa. Lig. teres, Lig. obli-
quum aut. Lig. cubito-radiale teres Krause. Membra-
na obligua Meckel.
*) -Membrana interossea.
Handgelenk. 81
Das Lig. interosseum erreicht weder oben noch unten das Gelenk, in
welchem die Unterarmknochen articeuliren; mit seinem oberen Rande, der
von der Radialinsertion der Chorda transversalis an, dem Laufe der Fase-
rung entsprechend, ulnarwärts absteigt, begrenzt es eine grosse Lücke, die
der M. supinator br. von hinten her deckt; durch die Lücke gehen Vasa
und N. interossea zur Rückseite des Arms. Der untere Rand des Lig. inter-
osseum steht fast vertical und umschliesst mit der Ulna, an welcher das
Band höher oben endet als am Radius, eine Spalte, welche von Fett aus-
gefüllt wird. Diese Spalte, sowie den unteren Theil des Ligaments, deckt
von vornher der M. pronator quadratus.. Am Radius befestigt sich das
Lig. interosseum hinten auf der Firste, die dem Rande des Sinus lunatus
zunächst liegt, und geht mit seinen Fasern in die Scheidewand über, die
von dieser Firste rückwärts zum Rückentheil desL. carpi ecommune verläuft.
E. Handgelenk.
Ich brauche dies Wort in dem populären Sinne, in welchem es die g. Hand-
Summe von Gelenkverbindungen begreift, welche zwischen den unteren ek.
Enden der Unterarmknochen, den Handwurzelknochen und den oberen
Enden der Mittelhandknochen bestehen. Diese Gelenkverbindungen im
Zusammenhange zu betrachten, empfiehlt sich ebensowohl vom physiologi-
schen Standpunkte, weil die meisten Bewegungen durch Summirung von
Verschiebungen in mehreren Gelenken zu Stande kommen, als auch vom
anatomischen, wegen der Gemeinsamkeit eines Theils ihrer Bänder.
Die physiologisch selbstständigste unter den Verbindungen der ge-
nannten Knochen ist die zwischen den unteren Enden des Radius und der
Ulna, durch welche das beim Ellenbogen beschriebene Rotationsgelenk ver-
vollständigt wird. Den Drehungen des Radius folgt passiv die Hand, wel-
che zu dem Ende auch nur mit dem Radius unmittelbar artieulirt. Und
ebenso unabhängig von dieser Rotation, wie im Ellenbogengelenk die Be-
wegungen der Ulna auf dem Armbein, sind im Handgelenk die Bewegun-
gen der Handwurzel auf dem Radius. Auf das Armbein stützt sich die
Ulna, auf die Ulna der Badius, auf den Radius die Hand.
In anatomischer Beziehung übertrifft die Selbstständigkeit des unteren
Rotationsgelenks die des oberen. Am unteren Ende der Unterarmknochen
bewegt sich der Radius um die Ulna in einer Höhle, welche von der dem
Radius und der Handwurzel gemeinsamen Gelenkhöhle vollkommen abge-
sperrt ist. Beide Höhlen trennt eine Bandscheibe, welche eine von den ge- H
wöhnlichen sogenannten Zwischenknorpeln verschiedene Bedeutung hat.
Die gewöhnlichen Zwischenknorpel sind ringsum an die Kapsel befestigt
und legen sich als weiches Polster zwischen die auf einander gleitenden
Gelenkflächen, die Ineongruenzen derselben ausgleichend. Die Bandscheibe
des Handgelenks erfüllt nur nebenbei den Zweck eines Zwischenlagers
zwischen Ulna und Pyramidenbein. Im Wesentlichen ist sie ein Theil des N
Radius und zwar ein Fortsatz des medialen Randes seines unteren Endes,
welcher platt unter die untere Endfläche der Ulna vorspringt, um die Ar- |
ticulationsfläche, die der Radius einerseits der Ulna, andererseits den Hand-
wurzelknochen darbietet, zu vergrössern.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 6
a. Kapseln.
1. Unteres
Radio - Ul-
nargelenk.
82 Handgelenk.
Zerfällt demnach die Articulation zwischen den Unterarmknochen und
der Hand in zwei, so fliessen dagegen fast alle übrigen Artieulationen der
Handwurzel- und Mittelhandknochen, mag man die Bewegungen oder die
Anordnung der Kapsel als maassgebend betrachten, in eine einzige zusam-
men. Nur die Verbindungen des Erbsenbeins mit dem Pyramidenbein und
des ersten Mittelhandknochens ınit dem Trapezbein haben ihre besonderen
Kapseln. Die überknorpelten Flächen, durch welche die übrigen Handwur-
zelknochen mit einander und mit den vier medialen Mittelhandknochen, so-
wie auch die letzteren unter sich in Berührung treten, schauen in eine ge-
meinsame, vielseitig ausgebuchtete Gelenkhöhle oder, dogmatisch ausge-
drückt, sind von Einer Synovialkapsel überkleidet. Der Bequemlichkeit der
Beschreibung wegen trennen wir indess auch diese Kapsel in zwei, eine
für das Gelenk der beiden Reihen der Handwurzelknochen,, die andere für
das Gelenk der zweiten Reihe der Handwurzel- mit den Mittelhandkno-
chen. Die Communication zwischen beiden findet vermittelst eines einzigen
engen Isthmus in den Zwischenräumen zweier Handwurzelknochen der
zweiten Reihe Statt.
a. Kapselbänder.
1. Unteres Radio - Ulnargelenk ').
Im unteren Radio - Ulnargelenk articuliren der Sinus lunatus des Ra-
dius und die obere Fläche der Bandscheibe des Handgelenks auf der Cir-
cumferentia articularis und der unteren
Endfläche der Ulna.
Die Bandscheibe ist fast gleichseitig
dreiseitig mit abgerundeten Winkeln, mit
der einen (lateralen) Seite dergestalt an
den medialen Rand des Knorpelüberzugs
des Radius gefügt, dass ihre untere Flä-
che geradezu in die untere freie Fläche
jenes Knorpels übergeht, indess ihre obere
Fläche unter einem rechten, aber ausge-
rundeten Winkel in die freie Fläche des
Sinus lunatus aufwärts umbiegt. Der
vordere und hintere Rand der Band-
Pe .c scheibe divergiren von der medialen
Trapezoidbein. ils Lig. inteross. lunato- Spitze aus, um in die entsprechenden
scaphoid ilp Lig. inteross. Iunato-pyra- Ränder der Endfläche des Radius über-
midale. ich Lig. inteross. capitato-hamat. zugehen. Nur für das blosse Auge setzt
sich die Bandscheibe scharf von dem
Gelenkknorpel des Radius ab; bei mikroskopischer Betrachtung verwischt
sich die Grenze: die hyalinische Grundsubstanz des Gelenkknorpels wird
an der Stelle, die man als Basis oder Anheftungsrand der Bandscheibe be-
trachten könnte, faserig und geht alsbald in ächte, dicht verfilzte Bindege-
websbündel über.
!) Unteres Rotationsgelenk. Lig. capsulare sacciforme.
Handgelenk. 83
Der Sinus lunatus radii ist, mit Einschluss der Bandscheibe, 9"m hoch;
sein Knorpelüberzug hat am unteren Rande fast 2mm Mächtigkeit und
schärft sich nach oben zu. Die Bandscheibe, mit der lateralen Spitze ab-
wärts geneigt, hat zwei leicht ausgehöhlte Flächen. Ihre Mächtigkeit nimmt
allseitig von der Mitte (1”®) gegen die Ränder zu, am meisten (bis auf
Sum) gegen die mediale Spitze, mit welcher sie an der Ulna befestigt ist.
Die Art dieser Befestigung ist verschieden. Regel scheint zu sein, dass das
Bindegewebe der Bandscheibe gegen die mediale Spitze in zwei Stränge
auseinanderweicht, einen oberen (Fig. 67**), der in ein Grübchen auf der
Endfläche der Ulna dicht an der Wurzel des Processus styloideus sich ein-.
pflanzt, und einen unteren (***), der sich an die lateralwärts schauende,
nicht selten von einer dünnen Knorpelschichte bekleidete Fläche des Pro-
cessus styloideus heftet. Den Raum zwischen beiden Strängen füllen Ge-
fässe aus 1), welche von vorn her zum Gelenk und insbesondere zu den
Synovialfortsätzen desselben treten. Von diesen beiden Strängen ist bald
der obere, bald der untere der stärkere; der obere kann zu einem schma-
len platten Bändchen werden oder auch gänzlich fehlen.
Der Ueberzug der Ulna ist sowohl auf der Circumferentia articul., als
auf der Endfläche in der Tiefe hyalinischer Knorpel, zunächst der freien
Oberfläche, Bindegewebe. Die Bindegewebelage ist verhältnissmässig
mächtiger auf der Endfläche; hier entwickelt sie sich nicht selten zu einer
faltigen und einigermaassen verschiebbaren Membran. Grosse Knorpelzel-
lenreihen ziehen sich hier und da dicht unter der freien Oberfläche hin.
Die Articulationsebene ist im stumpfen Winkel gebrochen, ein Theil
vertical, zwischen Sinus lunatus radii und Circumferentia artieularis ulnae,
der andere schräg medianwärts abfallend zwischen der Endfläche der Ulna
und der oberen Fläche der Bandscheibe. Die beiden letztgenannten Flä-
chen verschieben sich über einander wie Glieder eines Fächers; Angel-
punkt ist die Insertionsstelle der Bandscheibe an der Basis des Processus
styloideus ulnae; an dieser Stelle liegt auch der Mittelpunkt des Kreisbo-
gens, nach welchem der verticale Theil der Articulationsebene gekrümmt
ist. Doch congruiren Sinus lunatus und Circumferentia artieularis nur sel-
ten ganz genau; die letztere gehört einem kleinern Radius und lässt na-
mentlich am hinteren Rande Raum für Synovialfalten. Die Bogenlänge der
Cireumf. art. entspricht am unteren Rande beinahe einem Halbkreise von 7
Radius, die Bogenlänge des Sinus lunatus etwa 45° von 111/5““ Radius.
Im frontalen Durchschnitt ist der verticale Theil der Articulationsebene
bald gerade, bald radialwärts convex; nicht selten, besonders bei Frauen,
ist die Kante, in welcher die Circumferentia art. mit der Endfläche der
Ulna zusammenstösst, abgerundet; das Köpfchen der Ulna kann einen Ku-
gelabschnitt, der Sinus lunatus mit der Bandscheibe eine einfach kugelför-
mige Aushöhlung darstellen.
Die Kapselmembran des unteren Radio-Ulnargelenks ist stark, aber
schlaf. Abwärts setzt sie sich über ihre Anheftung am Rande der Band-
scheibe hinaus ununterbrochen in die Kapsel des Radio-Carpalgelenks fort;
vom oberen Rande des Knorpelüberzugs des Sinus lunatus an bekleidet sie
") Daher der Name Zig. suberwentum.
6*
84 Handgelenk.
eine Strecke weit (6Wm) die der Ulna zugewandte Fläche des Radius und
erstreckt sich demnach blindsackförmig zwischen beide Unter ırmknochen
hinauf. Sie ist an der vorderen Wand geschützt durch den M. pronator
quadratus, dessen tiefste Bündel an die Kapselmembran angewachsen sind,
und dieselbe bei den Contractionen, durch welche sie die Pronation ver-
mitteln, nach sich ziehen. An der hinteren Wand verstärken die Kapsel
schräg absteigende und quere Fasern, welche vom hinteren Rande des $i-
nus lunatus entspringen; bedeckt wird sie vom Lig. carpi commune (Ss. u.),
namentlich von dem Theile desselben, welcher die Sehnen des M. ext. dig.
quinti und M. ulnaris ext. einschliesst.
Synovialfortsätze kommen in diesem Gelenk in sehr wechselnder Menge
und Form vor, als feine Zotten am Knorpelüberzug, als Franzen und Läpp-
chen um die Insertionsstelle der medialen Spitze der Bandscheibe, als
mächtige scharfrandige Falten von der hinteren und medialen Wand der
Kapsel.
Var. Nicht selten ist die Bandscheibe in der Nähe des lateralen Randes von
einer spaltförmigen oder ovalen Oeffnung durchbrochen, was die Communication
des Radio-Ulnar- und Radio-Carpalgelenks zur Folge hat.
Einmal sah ich die Synovialscheide des M. ulnaris ext. radialwärts neben dem
Processus styloideus radii gegen die Kapsel des Radio-Ulnargelenks geöffnet.
So weit die Hemmung der Rotationsbewegungen von dem unteren Radio -Ul-
nargelenk ausgeht, wird sie allein durch die Kapsel vollzogen. Die Bänder, die das
— Handgelenk umgeben, lassen sämmtlich die Ulna ganz frei; ein blätteriges und
synoviareiches Bindegewebe füllt die Lücken zwischen dem Köpfchen der Ulna
und den an dem medialen Rande des Handgelenks herabsteigenden Sehnen und
Bändern.
2. Radio - Carpalgelenk !)
et, Die Flächen, die sich am Radio-Carpalgelenk auf einander bewegen,
gelenk. sind einerseits die Endfläche des Radius und die in der Flucht derselben
liegende untere Fläche der Bandscheibe
und ihres Ligaments, andererseits die
oberen Flächen der Handwurzelknochen
der ersten Reihe (des Kahn-, Mond- und
Pyramidenbeins) und der Bänder, wel-
che ihre aneinanderstossenden oberen
Kanten verbinden. Auf diese Bänder,
die sogenannten Ligg. carpalia interos-
sea, komme ich bei der Beschreibung
des Carpalgelenks zurück. Hier genüge
es, zu bemerken, dass ihre oberen Flä-
chen fast in gleicher Flucht mit den
Frontaldurchschnitt des Handgelenks. oberen Flächen der durch sie aneinan-
Ps Proc. styl. umae. Tr Trapezbein. :
Trd Trapezoidbein. ils Lig. inteross. lu- dergehefteten Knochen liegen.
nato-scaphoid. ilp Lig. inteross. lunato- Was das Gewebe betrifft, so ist die
pyramidale. ich Lig. inteross. capitato-
hamat.
!) Antibrachial-Carpalgelenk. Erstes Carpal-
gelenk. Membdrana capsularis carpi Weber-H.
Handgelenk. 85
obere Wand des Gelenks theils hyalinischer Knorpel, theils Bindegewebe;
die Handwurzelknochen, so weit sie die untere Wand bilden, haben hyali-
nische Knorpelüberzüge (von lmm Mächtigkeit); die Ligg. interossea er-
scheinen dazwischen als schmale Bindegewebsstreifen, deren Fasern an den
Kanten der Knochen sich geradezu aus der Grundsubstanz des hyalini-
schen Knorpels entwickeln.
Das Kahnbein und die laterale Hälfte des Mondbeins liegt der End-
fläche des Radius, die mediale Hälfte des Mondbeins der Bandscheibe ge-
genüber. Der Gelenkfläche des Pyramidenbeins gegenüber liegt eine Binde-
gewebsschichte, die man als mediale Wand der Kapsel bezeichnen müsste,
die aber in der Flucht der Krümmung der oberen Wand liegst und gegen
den ulnaren Rand der Gelenkfläche des Pyramidenbeins niedersteigt. Sie
geht nach aussen in das Lig. ulnare articuli radiocarpalis und weiter in
Fig. 69. eine massive Bindegewebslage über, die den Raum
zwischen den Knochen des Handgelenks und den Seh-
nen der Mm. ulnares ext. und int. ausfüllt.
Den Ligg. interossea gegenüber ist die obere Ge-
lenkfläche mit schwachen sagittalen Firsten versehen,
welche die seitliche Verschiebung nicht hindern. Ab-
gesehen von diesen leichten Ungleichheiten ist die Ar-
ticulationsebene im frontalen, wie im sagittalen Durch-
schnitt aufwärts convex; beide Durchschnitte stehen
Kreisbogen nahe, und zwar der frontale einem Kreis-
bogen von grösserem Halbmesser als der sagittale.
Die Ausdehnung der Articulationsebene im sagittalen
Durchmesser ist am grössten in der Mitte und nimmt
radial- wie ulnarwärts ab; sie ist am vorderen Rande
breiter als am hinteren und hat demnach rückwärts
convergirende Seitenränder. Die Gelenkfläche der Hand-
wurzel ist in jedem Durchmesser grösser als die des
Unterarms; auch ist sie steiler und namentlich fallen
das Kahn- und Pyramidenbein nach hinten und vorn
Sagittaldurchschnitte des Handgelenks in der Gegend des Mittelfingers: Fig. 69 in Stre-
ekung. Fig. 70 in Beugung. Fig. 71 in Ueberstreckung (Dorsalflexion). Pqg M. pronat,
quadr. J. M. inteross. int.
{)
3. Carpal-
gelenk.
86 Handgelenk.
rasch ab, wodurch eine Art Aussackung sowohl am radialen, als am ul-
naren Rande entsteht; die ulnare Aussackung reicht vorn bis an das Erb-
senbeingelenk; nicht selten öffnet sie sich in die Höhle des letzteren. Die
Krümmung der Radiusgelenkfläche im frontalen Durchsehnitte entspricht,
nach Günther, 690% eines Bogens von 181/,“ Halbmesser. Die Krüm-
mung derselben im sagittalen Durchsehnitte entspricht einem Halbmesser
von 8 bis 91)“; die Bogenlänge beträgt in der Mitte etwa 64°.
Die Kapsel ist ringsum ziemlich straff vom Rande der oberen zum
Rande der unteren Gelenkfläche gespannt; am kürzesten und am wenig-
sten dehnbar ist sie zwischen Radius und Mondbein, was auf eine Anlage
des Gelenks zur Rotation deutet. Die äusseren Verstärkungsfasern der
Kapsel lassen sich nur im Zusammenhange mit den Verstärkungsbändern der
übrigen Kapselbänder des Handgelenks betrachten.
Bedeutende, wulstige und blätterige Synovialfalten ragen von der
hinteren Wand und von der ulnaren Eeke in die Gelenkhöhle; sagittale,
frenulumartige Bänder mit concavem Rande I) im Zusammenhange mit
den Ligg. interossea der Handwurzelknochen springen von der vorderen
und hinteren Wand der Kapsel mehr oder minder weit vor.
Der Communication des Radio-Carpalgeleuks mit dem Erbsenbeingelenk wurde
bereits gedacht. Auch mit dem Carpalgelenk kommen Communicationen vor, durch
Mangel des Lig. interosseum lunato -scaphoideum oder lunato-pyramidale. In die-
sem Falle gehen statt des Lig. interosseum scharfe, kammförmige Synovialfortsätze
von der Kante des Kahn- oder Mondbeins aus, um sich über die Kante des Mond-
oder Pyramidenbeins hinzulegen oler ein kammförmiger Fortsatz der Radiusge-
lenkfläche steigt vertical in die Spalte zwischen je zwei Handwurzelknochen hinab.
3. Carpalgelenk.
Ergiebige Verschiebungen finden in dem Carpalgelenke nur Statt in
dem Zwischenraum zwischen den Knochen der ersten und zweiten Reihe,
so dass man bei dem Studium der Bewegungen dieses Gelenks die Kno-
chen der ersten Reihe (ohne das Erbsenbein) und die der zweiten Reihe
(mit Einschluss des Trapezbeins) je als ein.zusammenhängendes Ganze auf-
fassen kann. Kehren auch die Knochen, die in einer Reihe neben einander
liegen, einander überknorpelte Flächen zu, so sind sie doch durch Bänder,
welche an der vorderen und hinteren Fläche und theilweise selbst an den
einander zugewandten Flächen von einem zum anderen gehen, so straff zu-
sammengelügt, dass sie selbst mit bedeutender Gewalt nur wenig gegen
einander verrückt werden können. In vollem Maasse gilt dies von den
Knochen der zweiten Reihe, zu deren Befestigung noch die Bänder der Ba-
sen der Mittelhandknochen beitragen, während die Knochen der ersten Reihe
in ihrer natürlichen Verbindung sich allerdings um Weniges sowohl an ein-
ander verschieben, als auseinander ziehen lassen.
!) Ligg. maucosa.
Handgelenk. 87
Die eigentliche Höhle des Carpalgelenks befindet sich also zwischen bei-
den Reihen der Handwurzelknochen; mit
Fig. 72. ihr aber stehen in offener Verbindung
die engen Spalten zwischen den in einer
Reihe nebeneinander liegenden Knochen,
und Form und Tiefe dieser Spalten ist
durch die Anordnung der Bänder der
Knochen Einer Reihe bedingt. Solcher
im Wesentlichen sagittaler Spalten sind
in der ersten Reihe zwei, in der zweiten
drei; vorn und hinten sind sie sämmt-
lich durch Bänder verschlossen; ebenso
meistens die Spalten der oberen Reihe
am oberen, die der unteren Reihe am
unteren Ende, doch reicht eine der unte-
Frontaldurchschnitt des Handgelenks. ren Spalten regelmässig, die eine oder
Ps Proc. styl. ulnae. Tr Trapezbein. andere der oberen ausnahmsweise bis an
apezeilbein, die Oberfläche, wodurch eine Commu-
nication der eigentlichen Höhle des Car-
palgelenks dort mit dem Carpo-Metacarpal-, hier mit dem Radio-Carpalge-
lenk hergestellt wird. Die Bänder, welche die besagten Spalten vorn und
hinten schliessen, hängen, so weit sie an der Volar - oder Dorsalfläche der
Handwurzelknochen entspringen, mit den Haftbändern des Handgelenks zu
sammen und sollen zugleich mit diesen später beschrieben werden. Dage-
gen ist hier der Ort zur Beschreibung der Bandmassen, welche die einander
zugekehrten Flächen der Handwurzelknochen in Verbindung setzen, und
derjenigen, welche die Höhle des Carpalgelenks von den benachbarten Ge-
lenkhöhlen scheiden, Bänder, welche sämmtlich mit dem Namen Zigg. carpi
interossea bezeichnet werden.
Die Flächen, womit sich Kahn- und Mondbein, Mond- und Pyrami-
denbein an einander lehnen, sind fast plan; die Ligg. inlerossea lunalo-
scaphoideum ) und lunato-pyramidale ?) liegen, wie erwähnt, im Ni-
veau der oberen Flächen der durch sie verbundenen Knochen; ihre Höhe
ist der Höhe des Knorpelüberzuges gleich oder übertrifft sie um Weniges;
sie nimmt gegen den vorderen und hinteren Rand zu.
Die Berührungsflächen der Handwurzelknochen der zweiten Reihe
sind alle mehr oder minder gekrümmt, und zwar die des 'Trapez- und Tra-
pezoidbeins mit dem unteren Rande ulnarwärts, die Berührungsfläche des
Trapezoid- und Kopfbeins mit dem unteren und hinteren Rande ebenfalls,
aber in geringerem Grade ulnarwärts, die Berührungsfläche des Kopf- und
Hakenbeins oben nach der radialen, unten nach der ulnaren Seite schwach
gewölbt. Ein dünnes Lig. interosseum trapezio-trapezoideum verbindet die
unteren Kanten des Trapez- und Trapezoidbeins, jedoch nur bis an den
Rand der Gelenkfläche des Trapezbeins, die dem zweiten Mittelhandkno-
chen bestimmt ist (Knochen. Seite 234). Zwischen Trapezoid- und Kopf-
D) Lig. navieulari - lunatum cartilagineum Günther.
?) Lig. Iumato - triquetrum cartilagineum Günther.
E
Iy
88 F Handgelenk.
bein giebt es kein Lig. inteross. und hier ist es, wo regelmässig die Höh-
len des Carpal- und Carpo -Metacarpalgelenks mit einander in Verbindung
stehen. Die Spalte zwischen Kopf- und Hakenbein schliesst sich durch
eine massive Bindegewebemasse, Lig. inlerosseum capilato-hamatum
(Fig. 72), welche das untere vordere Viertel der beiderseitigen Berührungs-
flächen einnimmt und sich in Form einer dünnen, nicht selten durchbroche-
nen Membran längs dem unteren Rande fortsetzt.
Der Knorpelüberzug aller Flächen der Handwurzelknochen ist hyali-
nisch, 1/; bis höchstens 1mm mächtig. Synovialfortsätze kommen in den
engen Spalten zwischen den Knochen derselben Reihe nirgends vor.
Die Hauptarticulationsebene des Carpalgelenks, in welcher beide Rei-
hen auf einander gleiten, hat eine auf den ersten Blick sehr eomplieirte
Gestalt. Sie besteht aus Fragmenten von Rotationsflächen, welche die
Phantasie erst ergänzen muss, bevor sich die Beschreibung derselben auf
einen einfachen Ausdruck bringen lässt.
Man denke sich an der Stelle der oberen Reihe der Handwurzelkno-
chen einen kugelichen Gelenkkopf, an der Stelle der unteren Reihe eine ent-
sprechende, kugelförmig ausgehöhlte Pfanne, aus dieser Pfanne steige ein
eylindrischer und an der Spitze kugelförmig abgerundeter Zapfen auf, wel-
cher in einer entsprechenden Höhle des kugelförmigen Gelenkkopfs Auf-
nahme findet: so hätte man ein Gelenk construirt, dessen Kopf in der
Pfanne um den eylindrischen Zapfen, also nur um Eine Axe, um diese
aber mit grosser Sicherheit rotirt. Trennt man aus diesem Gelenk in Ge-
danken durch nahezu parallele verticale Schnitte ein plattes Stück, welches
den Zapfen enthält, so hat man die wesentlichen Theile des Carpalgelenks.
Reste der Oberfläche des kugelichen Kopfs sind die laterale untere Fläche
des Kahnbeins und die mediale Spitze des Pyramidenbeins; sie gehören einer
Kreisfläche von 35"m Radius an, deren Mittelpunkt nahe am unteren medialen
Rande des Radius liegt (Fig. 72*); die zugehörigen Theile der Pfanne sind
radialerseits die obere Fläche des Trapez- und Trapezoidbeins, ulnarerseits
Fig. 73. die mediale Spitze des Ha-
kenbeins. Der Zapfen, an
der vorderen Seite entblösst,
an der Spitze und hinteren
Fläche noch durch einen
Rest des kugelichen Gelenk-
kopfs bedeckt, erscheint als
Kopf des Kopfbeins (Fig.
73 CO); aber nur an der
hinteren und lateralen Flä-
che dieses Knochens, die in
Berührung mit dem Kahn-
bein ist, hat sich die Ober-
Horizontalschnitt des Handgelenks durch die Spitze des fläche cylindrisch (einem
Kopfbeins, Vergl. S. 94. Radius von 12mm entspre-
chend) erhalten, indess ul-
narwärts die Endfläche des
Zapfens in einem sanften Abhange in den Rest des kugeliehen Kopfes übergeht
Handgelenk. 89
(Fig. 72). Erhält sich nun bei dieser Reduction und theilweisen Umwandlung
der Form, die wir annehmen, die ursprüngliche Bestimmung des Gelenks
zur Rotation, so werden zugleich, durch die Verkleinerung der Berührungs-
flächen und die Lockerung des Verbandes der Knochen der oberen Reihe,
Verschiebungen möglich, die mit der strengen Durchführung des ersten
Plans unverträglich gewesen sein würden. Das Kopfbein dreht sich in
seiner Pfanne um die transversale Axe (Flexion und Extension); dabei
folgt das Kahnbein den Bewegungen der unteren Reihe und gleitet mit
seiner ulnaren Fläche an der radialen Fläche des Mondbeins vor- und
rückwärts. Das Kopfbein dreht sich um die sagittale Axe, wobei die supi-
nirte Hand in der Frontalebene hin- und herbewegt wird. Dies ist nur
möglich dadurch, dass hier das Kahnbein, dort das Pyramidenbein von
dem Mondbein entfernt und zugleich gegen die Volarfläche vorgedrängt
wird.
Die Kapsel des Carpalgelenks nimmt überall am Rande der überknor-
pelten Flächen ihren Ursprung. Sie legt sich bei der Beugung vorn, bei
der Streckung hinten in eine Querfalte. Ansehnliche Synovialfalten gehen
von der vorderen und hinteren Wand aus und füllen die Ecken, in welchen
die sagittalen Spalten des Carpalgelenks mit der Spalte zwischen der obe-
ren und unteren Reihe zusammenstossen.
4. Erbsenbeingelenk.
Die Knorpelüberzüge sind hyalinisch, auf dem Pyramidenbein nur we-
nig umfangreicher als auf dem Erbsenbein; die Articulationsebene ist eine
sehr flache Kugelfläche, vorwärts gewölbt (Knochenl. S. 231).
Die schlaffe Kapsel setzt sich sowohl am Erbsen- als am Pyramiden-
bein in einiger Entfernung vom Rande der Gelenkfläche an (am Erbsenbein
stellenweise bis 4m von diesem Rande).
5. Gemeinsames Carpo - Metacarpalgelenk }).
4. Erbsen-
beingelenk.
Der Ueberzug der im gemeinsamen Carpo-Metacarpalgelenk artieuliren- 5. Gemein-
den Knochen ist hyalinisch, in der Regel nicht über !/, bis 1/‚mm mächtig.
Da dieser Ueberzug durchgängig genau der Form der Knochenenden folgt,
da die Form der Oberflächen nur sehr geringe Bewegungen gestattet, die
ausserdem noch durch Haftbänder der Handwurzel- und Mittelhandknochen
eingeschränkt werden, so genügt es, auf die Beschreibung und Abbildung
der unteren Gelenkflächen der Handwurzel (Knochenl. S. 234), welchen
die oberen Gelenkflächen der Mittelhandknochen genau entsprechen, zu
verweisen.
Die Bewegungen, auf welche die Gelenke zwischen der unteren Reihe
der Handwurzelknochen und den oberen Endflächen der Mittelhandknochen
noch am ehesten eingerichtet scheinen, sind die um die transversale Axe
der Hand (Beugung und Streckung); aber die theils ulnar-, theils radial-
!) Carpal- Metacarpalgelenk.
sames Car-
po-Metacar-
palgelenk.
90 Handgelenk.
wärts convexe Gestalt der Artieulationsebenen, in welchen die Daumen-
und Kleinfingerflächen der Basen der Mittelhandknochen einander berüh-
ren, hemmt die Bewegungen einzelner Mittelhandknochen in dieser Rich-
tung, oder lässt sie nur in so weit zu, als der einzelne Mittelhandknochen
zugleich um seine Längsaxe gedreht werden oder als sie von mehreren
Mittelhandknochen gemeinsam ausgeführt werden kann.
Die Kapsel ist straff überall unmittelbar am Rande des Knorpelüber-
zugs befestigt, sie schliesst die Flächen, durch welche die Basen der Mit-
telhandknochen an einander articuliren, mit ein, buchtet sich demnach zwi-
schen den Basen je zweier Mittelhand-
knochen abwärts aus; die Ausbuch-
tung zwischen dem dritten und vierten
Mittelhandknochen ist durch ein Lig.
interosseum in zwei Abtheilungen, eine
vordere und hintere, geschieden. An
NEED: der entsprechenden Stelle, zwischen
Tra, RU ; RI i dem Kopf- und Hakenbein, geht von
(BMRSES der vorderen oder hinteren Wand eine
sagittale Synovialfalte aus, die nicht sel-
ten das gemeinsame Uarpo-Metacarpal-
gelenk vollkommen theilt und nach oben
- mit dem Lig. interosseum capitato-ha-
Frontaldurchschnitt des Handgelenks. z
Ps Proc. styl. ulnae. Tr Trapezbein. matum, nach unten mit dem eben er-
Trd Trapezoidbein. öls Lig. inteross. wähnten Lig. interosseum metacarpale
lunato-scaphoid. ilp ‚Lig. inteross. lunato- zusammenhängt.
pyramidale. ich Lig. inteross. capitato- : Bag:
hamat. Von der Communication des ge-
meinsamen Carpo-Metacarpalgelenks mit
dem Carpalgelenk war bei dem letzteren die Rede.
ıls
6. Daumencarpalgelenk.
6. Daumen- Die Articulationsebene dieses Gelenks gleicht, was den Umfang be-
iS trifft, bald einer Ellipse, bald einem abgerundet stumpfwinklichen, den
stumpfen Winkel nach vorn wendenden Dreieck, und zwar ist die elliptische
Form mehr der Gelenkfläche des Trapezbeins, die dreiseitige mehr dem
Fig. 76. Mittelhandknochen eigen. Sie ist,
wie schon bei der Beschreibung der
Knochen hervorgehoben wurde, gegen
die Horizontale unter einem Winkel
von etwa 45° geneigt, am lateralen
Rande höher als am medialen. Ihre
längste Axe, die Fläche als Ellipse
genommen, liegt in der Richtung vom
lateralen zum medialen Rande, aber
mit dem lateralen Ende zugleich et-
was vorwärts, gegen die Volarfläche
Fig. 75. Frontaldurchschnitt, Fig. 76. Sagit- der Hand. abweichend
taldurchschnitt des Daumenmetacarpalgelenks. £ i
Ri Sehne des M. radial, int.
Handgelenk. 91
Ein Durchschnitt des Gelenks in dieser Axe (der den Mittelhandknochen
des Daumens in volare und dorsale Hälfte theilt) zeigt die Gelenkfläche
des Trapezbeins concav, die des Mittelhandknochens convex (Fig. 75); ein
Durchschnitt des Gelenks in der kleinen Axe (der den Mittelhandknochen
des Daumens in zwei Seitenhälften theilt) zeigt umgekehrt die Gelenkfläche
des Trapezbeins convex, die des Mittelhandknochens concav (Fig. 76).
Beide Wölbungen dieser sattelförmigen Fläche sind Theile von Ku-
gelflächen.
Nach Günther entspricht die abwärts convexe Wölbung des Durchschnitts in
der kleinen Axe einem Radius von 7‘; der Bogen des Trapezbeins beträgt 46°,
der Bogen des Mittelhandknochens 39°. Die aufwärts convexe Wölbung des Durch-
schnitts in der grossen Axe entspricht am Mittelhandknochen 117° von 5Y/,“' Ra-
dius, am Trapezbein 54° von 7 Radius.
Die Kapsel ist am Trapezbein dicht an der Gelenkfläche, am Mittel-
handknochen und besonders an dessen Ulnarrande in einiger Entfernung
vom Rande der Gelenkfläche (bis 2“) angewachsen. Eine Synovialfalte
mit scharfem gelappten Rande ragt ringsum etwa 2mm weit in die Gelenk-
höhle; sie ist am schwächsten an der radialen Seite des Gelenks.
Von den Bewegungen, welche im Handgelenk ausgeführt werden, sind nächst Physiolog.
der Rotation (Pronation und Supination) die ergiebigsten die Beugung !) und Stre- Bemerkung.
ckung bis zur Ueberstreckung °); die Hand kann ferner mit dem Rande ulnar-
oder radialwärts gebeugt werden (Ulnar- und Radialflexion nach Günther) °), sie
wird endlich abgeplattet oder gewölbt, hohl gemacht. Fast alle diese Bewegungen
können in mehreren Gelenken vollzogen werden und erreichen das Maximum ihrer
Excursion durch Summirung der gleichartigen Verschiebungen. Und dazu wirken
die einzelnen Gelenke nicht nur in dem Sinne mit, für welchen man sie, der ana-
tomischen Betrachtung zufolge, eingerichtet glauben sollte; sondern es fügt sich
fast jedes Gelenk mehr oder minder leicht der Bewegung nach jeder Richtung, zu-
mal wenn eine äussere Gewalt die Bewegung ausführen hilft. Ja nicht einmal die
nach der mathematischen Construction grundsätzlich ausgeschlossenen Bewegungen
zeigen sich in praxi unausführbar; so ist z. B. die ganze Hand im Radio -Carpal-
gelenk, der Daumen in seinem Carpalgelenk je um die verticale Axe drehbar,
obgleich das erstgenannte Gelenk elliptische, das zweite sattelförmige Flächen be-
sitzt, Formen, welche gerade dazu bestimmt scheinen, sich der Rotation zu wider-
setzen (S. 13).
An der Rotation (Pronation und Supination) ist, nach Günther, das Ra-
dio-Carpalgelenk mit 14°, das Carpalgelenk mit 12° betheilist. Die Rotation der
vier verbundenen Mittelhandknochen je um ihre verticale Axe ist gering, am ge-
ringsten beim zweiten und dritten Finger; der Mittelhandknochen des Daumens
aber lässt sich um “0° um seine Längenaxe drehen.
An der Beugung und Streckung haben vorzugsweise das Radio-Carpalgelenk
und das Carpalgelenk Theil; bei der Streckung findet indess die Drehung der
oberen Handwurzelreihe auf der Radiusgelenkfläche durch die Spannung der vorde-
ren Kapselwand und der dieselbe deckenden Haftbänder bald ihre Grenze, worauf
die Drehung im Carpalgelenk weiter fortgesetzt wird. Nach der Seite der Beu-
gung ist die Excursion im Radio-Carpalgelenk minder beschränkt, und hier ist da-
gegen die Hülfe, die das Carpalgelenk leistet, von geringerer Bedeutung (Fig. 69.70
D) Volarflexion Günther. ®) Dorsalflexion Günther.
°) Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch Adduction und Abduction. Diese Bezeich-
nung ist deswegen unzweckmässig , weil dieselbe Bewegung, die bei supinirter Hand addu-
eirt, bei pronirter Hand zur Abduction führt und umgekehrt.
92 Handgelenk.
und Fig. 71 '). In dem Carpo-Metacarpalgelenk nimmt die Möglichkeit der Beugung
und Streckung vom Mittelfinger gegen die Ränder der Hand zu; die ganze Exeursion
in der sagittalen Ebene bestimmte Günther am Mittelhandknochen des Mittelfin-
gers zu 6°, des zweiten und vierten je zu 13°, des fünften Fingers zu 18° und des
Daumens zu 46°. Der Daumen schreitet bei der Beugung zugleich mit der Vorder-
fläche ulnarwärts vor.
Die Ulnarflexion wird zum grössten Theil im Radio-Carpalgelenk, die Radial-
flexion zum grössten Theil im Carpalgelenk ausgeführt; die vereinigten vier Fin-
germittelhandknochen sind in beiden Richtungen nur äusserst wenig beweglich.
Der Mittelhandknochen des Daumens tritt, wenn er sich dem zweiten Finger
nähert, zugleich mit dem Radialrande vorwärts, in die Handfläche vor.
Für die Wölbung der Hand haben die Carpo-Metacarpalgelenke und besonders
das Carpalgelenk des Daumens Bedeutung. Den in diesem Sinne unbeweglichsten
Theil des Handgelenks bildet die untere Reihe der Handwurzelknochen, deren
Starrheit auf die für sich allein leichter verschiebbaren Knochen der oberen Reihe
und der Mittelhand hemmend einwirken muss.
b. Haftbänder.
a. Lig. carpi commune.
b. Haftbän- Die Verbindungen, welche die Haftbänder des Handgelenks mit den
en Muskelfaseien eingehen, machen es nöthig, den Theil der letzteren, der das
a Handgelenk umschliesst, mit in Betracht zu ziehen.
Die grösstentheils transversalen Faserzüge, aus welchen lie Unter-
armfascie besteht, verstärken und verdichten sich gegen das Handgelenk
und gewinnen über den unteren Enden
der Unterarmknochen ein sehniges An-
sehen, so dass sie, einem platten Ring
oder Armband ähnlich, den Knöchel der
Hand umgeben. Dieser Ring ist es,
den man als ein besonderes Ligament
unter den Namen Lig. carpi commune
von der Fascie scheidet, obgleich er
sich weder aufwärts, nach abwärts
scharf gegen dieselbe absetzt.
Die obersten Bündel, die man nach ih-
\ rer Lage und ihrem sehnigen Glanze zum
" Apı Lig. carpi comm. rechnen darf (Fig. 77 cc),
beginnen etwa 1 Zoll über dem Radio-
Carpalgelenk mitten auf der hinteren
Fascie des Handgelenks von der Rückseite. Fläche des Unterarms und verlaufen
Ue Sehne des M ulnar. ext: Egp des ’
M. ext. dig. quinli propr Ede des M.ezt. schräg median- und abwärts über das
dig. comm. Reb, Rel des M rad. ext. Köpfchen derUlna weg um denUlnarrand
ne, a er: an E des Arms. Von diesen setzen sich die
oberen (Fig. 78— 80*) hinter dem M. ul-
epl
cc
1 2“
Ep 2 Reı FP! Epb
!) Nach Günther entsteht bei der Ueberstreckung im Radio-Carpalgelenk ein Winkel
von 5°, im Carpalgelenk von 74°; die Beugung erfolge (in einem Bogen von 50°) allein
im Radio-Carpalgelenk; das Carpalgelenk sei an dieser Bewegung ganz unbetheiligt. Eine
so scharfe Sonderung kann ich nur für Ausnahme halten.
Handgelenk. 93
naris int. (Ui)in die Vorderarmfaseie fort (nur eine dünne Bindegewebelage,
die den Namen Fascie kaum verdient, geht vor dem Muskel vorüber), die
Fig. 78. unteren (**) befestigen sich dicht über dem
Erbsenbein an der Sehne dieses Muskels. Die
abwärts zunächst gelegenen Faserbündel des
Lig. carpi commune (cc!) entspringen an der
epl perpendieulären Leiste des unteren Endes des
Radius (epl), welche die Rinne des M. ext. poll.
long. (vgl. Knochenl. Fig. 213) lateralwärts be-
grenzt, und ziehen zur Spitze des Erbsenbeins.
Weiter abwärts folgen Fasern (cc?), welche am
Processus styloid. radii ihren Ursprung nehmen
acund in gleicher Richtung wie die vorhergehen-
den (mit der Rückenfläche des Pyramidenbeines
nur verschiebbar durch lockeres Bindegewebe
verbunden) theils ebenfalls zum Erbsenbein,
theils zum Ulnarrand des fünften Mittelhand-
Fascie des Handgelenks vom
Ulnarrand. Pi Erbsenbein. knochen sich begeben. An diese zunächst gren-
Ui M. uln. int. 2 Muskeln
des Kleinfingerballens.
zen Fasern, die schon dem Handrücken ange-
hören. Wir wollen den eben beschriebenen
Fig. 80.
ec*
/
Fig. 79. Fascie des Handgelenks von vorn. vp Lig. carpi vol. propr. Nu N. ulnaris, Thei-
lungsstelle in den N. superfic. und prof. Ri M. rad. int. Ui M. uln. int. Pl Sehne des
M. palm. longus, in die Volaraponeurose ausstrahlend.. 7b M. palmaris brev., Ursprung
und Insertion. 1 Muskeln des Daumenballens. 2 Muskeln des Kleinfingerballens.
Fig. 80. Dieselbe, das oberflächliche Fascikel des ulnaren Theils des Zig. c. c. und die
Sehne des M uln. int., an der Insertion abgeschnitten. 7 Lücke, durch welche der tiefe
Zweig des N. ulnaris eindringt.
Theil des Lig. carp. comm. den ulnaren nennen und die an die Sehne desM.
ulnaris int. und das Erbsenbein sich ansetzenden Faserzüge als oberfläch-
liches Fascikel des ulnaren Tbheils unterscheiden 1). Dadurch,
1) Die gewöhnliche Unterscheidung in Lig. e. c. volare und dorsale (richtiger Pars vo-
laris und dorsalis ligamenti c. c.) ist brauchbar, um die Regionen des Bandes zu be-
94 Handgelenk.
dass dies Faseikel am Erbsenbein sein Ende findet, während die Fasern
oberhalb (und unterhalb) des Erbsenbeins ihren Weg radialwärts fortsetzen,
muss radialwärts neben dem Erbsenbein ein Schlitz in der Fascie entstehen
(Fig. 80), und diesen benutzt das Bündel der Vasa und N. ulnaria, um unter
der Fascie, von der sie am Unterarme bedeckt sind, hervor und an die Ober-
fläche zu treten. Gerade hinter dem oberen Rande dieses Schlitzes und ge-
rade gegenüber der Insertionsstelle des oberflächlichen Fascikels an die
ulnare Fläche der Spitze des Erbsenbeins entsteht von der radialen Fläche
derselben, gleichsam als Unterlage für das aus dem Schlitze hervorgetre-
tene Gefäss- und Nervenbündel, ein starkes Band (v9p) mit Faserbündeln
von transversalem und schrägem Verlauf. Es ist ein Theil des Lig. ce. vo-
lare proprium, auf das ich zurückkomme. Radialwärts fliesst es jenseits des
ulnaren Gefäss- und Ner-
venbündels wieder mit den
ober- und unterhalb des
Erbsenbeins vorüberziehen-
den Fasern des ulnaren
und zugleich mit den Fa-
sern des radialen Theils des
Lig. e. comm. zusammen.
Was diesen radialen Theil
betrifft, so gehen die Faser-
bündel desselben (Fig. 77.79.
81cc?) von dererwähnten, die
Rinne des M. ext. poll. long.
begrenzenden Firste des Ra-
Horizontalschnitt des Handgelenks durch die Spitze des dius die oberen quer, die
Kopfbeins. Die Fächer, in welchen die Sehnen der unteren schräg gegen den
Hand- und Fingermuskeln verlaufen, sind mit Ziffern be- Badislrnd die ah
zeichnet: 1 M.ulnaris ext: 2 M. extensor pr. dig quinti. 5
3 M. extensor dig. comm. und indieis propr. 4 M. rad. und um diesen herum über
ext. long. u. br. 5 M. BE poll. long. 6 M. abductor poll. die Sehnen des M. ext. poll.
long. und ext. poll. br. 7 M. radialis int 8 Mm. flexo- £
res digit. comm. subl. und prof. und flex. poll. longus. br. und Abd. poll. 1. hinweg
zur Vorderfläche. Immer
noch schrägen Verlaufs und nach oben mit der Unterarmfaseie, nach unten
mit der Fascie des Daumenballens zusammenhängend, setzt das Ligament
an der Vorderfläche des Arms seinen Weg fort über das Bündel der Ra-
dialgefässe und die Sehne des M. radialis int. Zwischen den Radialgefäs-
sen und der ebengenannten Sehne gesellt sich zu ihm und verschmilzt mit
ihm ein sehniges Blatt (Fig. 81 vp!), der radiale Ursprung des Lig. ce. vo-
lare proprium, welches vom radialen Rande des Handgelenks entsteht und
vor- und medianwärts geht.
Das aus der Verschmelzung dieses Sehnenblattes und des radialen
Theils des Lig. c. comm. hervorgegangene und, wie erwähnt, vor der
Sehne des M. radial. int. vorüberziehende Band theilt sich ulnarwärts als-
bald wieder in zwei Blätter, ein oberflächliches und ein tiefes. Das ober-
zeichnen, und in diesem Sinne von selbst klar; sie entspricht aber keiner natürlichen Ab-
grenzung und leistet deshalb nichts für das Verständniss des Verlaufs der Fasern.
Handgelenk. 95
flächliche (oberflächliche Fascie des radialen Theils des Lig. e.
comm.) steigt zur Spitze des Erbsenbeins herauf und deckt von vornher
das ulnare Gefäss- und Nervenbündel (cc*); das tiefe Blatt vereinigt sich
hinter dem ulnaren Gefäss- und Nervenbündel oberhalb des Erbsenbeins
mit dem ulnaren Theil des Lig. ec. comm., unterhalb des Erbsenbeins mit
den oben erwähnten, von der Basis des Erbsenbeins entspringenden Fasern
des Lig. c. volare proprium (vp).
Ulnarwärts neben der Sehne des M. radialis int. ist nach dieser Be-
schreibung das Lig. carpi volare eine einfache Verdickung der Fascie,
von dieser Stelle aber weicht es sowohl gegen den Radial- als gegen den
Ulnarrand der Gegend des Handgelenks in zwei Blätter auseinander, jene
die tiefen Radialgefässe und die Sehnen einiger Daumenmuskeln, diese
das ulnare Gefäss- und Nervenbündel zwischen sich fassend. Die ober-
flächlichen Blätter, im Zusammenhange betrachtet, bilden das Lig. c. comm.
(vol.), die tiefen das Lig. c. volare proprium, zwei Ligamente, die demnach
an den Seitenrändern des Arms von einander geschieden, in der Mitte aber
verwachsen sind. An der Verwachsungsstelle verbindet sich mit ihnen,
ebenfalls nur durch das Messer trennbar, der Anfang der Ausstrahlung der
Sehne des M. palmaris longus (Fig. 81 PD), deren Bündel in vertiealer und
gegen die Wurzeln der Finger strahlenförmig divergirender Richtung über
die Ligg. carpi herablaufen. Die Verstärkungen, die das Lig. carpi vol.
propr. an der Fläche erhält, die es den Handwurzelknochen zuwendet,
werde ich bei den volaren Haftbändern des Handgelenks beschreiben.
ß. Haftbänder der Rückenfläche,
Auf dem Rücken der Hand liegt zwischen dem Lig. c. comm. und dem
Gelenk eine Schichte weichen, zum Theil fettreichen Bindegewebes 1), ohne
bestimmte Faserung, welches die Zweige des Blutgefässnetzes dieser Ge-
gend eingebettet enthält. Es polstert die Rinnen aus, in welchen die Seh-
nen der Streckmuskeln gleiten, Rinnen, welche der freien Oberfläche zu-
nächst von starken, sehnigen, transversalen Bindegewebslagen ausgekleidet
sind. In besonders reichlichen, blätterigen Massen häuft es sich auf der
hinteren Fläche des Köpfehens der Ulna an. Fibröse Scheidewände thei-
len den Raum, den das Lig. c. comm. von hinten her bedeckt, in Fächer
ab, in welchen die Strecksehnen einzeln oder in bestimmte Gruppen geord-
net liegen; diese Scheidewände gehen von der vorderen, dem Knochen zu-
gekehrten Fläche des Lig. c. comm. entweder zu leistenartigen Vorsprün-
gen des Knochens oder sie verlieren sich in jenem Bindegewebe. Das letz-
tere gilt namentlich für die Scheidewände, welche, dem unteren Radio-
Ulnargelenk gegenüber, das Fach für den M. extensor dig. min. (Fig.81.2)
von den Fächern einerseits des M. ext. dig. comm., andererseits des M. uln.
ext. trennen. Vermöge dieser Einrichtung kann das untere Ende der Ulna
frei rotiren, ohne die über dasselbe verlaufenden Strecksehnen zu spannen.
) Membrana carpi comm. dorsalis Weber-H. Lig. dorsale carpi comm. superficiale Arn.
Membrana radio -naviculari - metacarpea dorsalis Günther.
f:2 Bänder
der Rü-
ckenfläche,
96 Handgelenk.
® Die Scheidewände bestehen aus theils sagittalen, vom Lig. ec. comm.
vorwärts verlaufenden, theils verticalen Bündeln. Jene ergänzen die trans-
versalen Fasern des Lig. c. comm. und des Bodens der Rinne zum ge-
schlossenen Ring, diese erstrecken sich weiter abwärts in die Verstärkungs-
bänder der Kapsel.
Nach innen (vorn) folgen auf die eben beschriebene Bindegewebslage
wieder deutlich sehnige, den Kapseln eingewebte Faserzüge.
1. Lig. carpi dorsale profundum.
1. Lig. earpi Dies Band erstreckt sich zusammenhängend in hauptsächlich transver-
ders. prof saler Richtung von den Unterarm- zu den Handwurzelknochen der unteren
Reihe. Hauptvereinigungspunkte der verschiedenen, mehr oder minder
deutlich gesonderten Abtheilungen desselben sind die rauhe Rückenfläche
des Pyramiden- und die laterale Spitze des Kahnbeins. Zum Pyramiden-
bein begeben sie sich vom Proe. styloid. der Ulna gerade und fast radial-
Fig. 82. wärts absteigend, vom unteren Rande des
Radius und vom Proc. styloideus dieses
Knochens in zwei breiten ab- und ulnar-
wärts sich zuspitzenden und convergi-
renden Bündeln D), von der niedrigen,
hinteren Fläche des Kahnbeins in einem
abwärts leicht convexen Bogen. Die
Spitze des Kalınbeins erhält Fasern,
welche, fest in der Radio-Carpalkapsel ein-
gewebt, vom Proc. styloid radii herab-
steigen ; sie sendet Fasern abwärts zum
Trapez- und Trapezoidbein; doch kom-
men die letzteren theilweise nicht direct
vom Kahnbein, sondern aus dem eben
erwähnten, vom Kahnbein zum Pyrami-
Haftbänder des Handgelenks, Rückseite. denbein gespannten bogenförmigen Bande
Rel, Reb abgeschnittene Sehnen des M. und aus diesem gehen auch regelmässig
radial. ext. EN Vgl. Knochevl. einige Zipfel hervor, die sich an die hin-
| tere Fläche des Kopf- und Hakenbeins
befestigen ?).
Zum Lig. carpi d. prof. gehört noch ein selbstständigeres, breites Fa-
serbündel (Fig. 82*), welches vom Pyramidenbein schräg radialwärts zum
Hakenbein herabgeht. Es ist das einzige Fascikel, dessen Fasern sich bis
zur Mittelhand und zwar an den Ulnarrand der Basis des fünften Mittel-
handknochen erstrecken.
1) Planities ligamentosa lata rhomboidalis Weitbr. Lig. rhomboideum aut. Lig. fibro-
sum dorsale arti cubito-carp. Meckel. Lig. antibrachio-Iunato-hamatum dorsale Günther.
*) Die queren und verticalen Fasern dieser Abtheilung entsprechen dem Planum fibro-
sum dorsale transversum cum appendieibus longitudinal. Barkow. Fibrae accessoriae W e-
ber-Hildebrandt. Lig. arcuatum superficiale ei carpo-carpo-metacarpale dorsale (theil-
weise) und Zig. arcuatum prof. s. naviculari-triqueirum Günther. Lig. radiale art. cubito-
carpalis Meckel. Lig. laterale carpi radiale Krause. Lig. carpi commune prof. und
Lig. carpi radiale Arn.
Handgelenk. 97
E10
+
2. Ligg. carpi dorsalia brevia.
Kurze Bänder nenne ich alle, welche von einem Knochen zum nächst- 2.Ligg. car-
gelegenen, sei es derselben oder einer tieferen Reihe, verlaufen. Nach den an
Knochen, welche sie verbinden, theilen sie sich auf natürliche Weise ein in
Ligg. intercarpea 1), carpo-metacarpea und intermetacarpea ?). Einzeln
würde man sie benennen je nach den beiden Knochen, denen sie durch
Ursprung und Insertion angehören.
Ligg. intercarpea dorsalia giebt es nur in der unteren Reihe der Lige. inter-
Handwurzelknochen 3); sie sind platt, so hoch, als die hinteren Flächen a
der Handwurzelknochen, transversal oder schräg gestellt, zuweilen durch
eine Spalte in zwei parallele Bänder getheilt.
Die Ligg. carpo-metacarpea dorsalia gehen in schräger Richtung Liege. carpo-
von Handwurzelknochen der unteren Reihe zu den Basen der Mittelhandkno- "*t2carpea.
chen; das Lig. carpo-metacarpeum zwischen Trapezbein und Daumen ist
ein nur schmales, von der lateralen Spitze des Trapezbeins zur hinteren
Spitze der Basis des Mittelhandknochens gerade absteigendes Band. Radial-
wärts neben demselben wird die Kapsel durch die Sehne des M. abductor
pollieis, ulnarwärts durch die sehnigen Ursprünge des M. interosseus dorsa-
lis primus verstärkt, welche beiderseits straff an dieselbe angewachsen sind.
Im Uebrigen ist in der Regel jeder Mittelhandknochen an zwei Handwur-
zelknochen durch schmale Bandstreifen befestigt, der Zeigefinger an das
Trapez- und Trapezoidbein, der dritte Finger an das Trapezoid- und mit
zwei abwärts divergirenden Bändern an das Kopfbein, der vierte Finger
mit abwärts convergirenden Bändern an das Kopf- und Hakenbein; der
fünfte Finger an das Hakenbein und ausnahmsweise, zum Ersatz für ein
zweites Lig. carpo -metacarpeum, mittelst des Lig. carpi dors. prof. (*) an
das Pyramidenbein. Alle Bänder inseriren sich an den Mittelhandknochen
an die rauhe Fläche der Basis und reichen bis zu der Querfirste, welche
Basis und Körper scheidet. Am zweiten, dritten und fünften Mittelhand-
knochen verweben sie sich mit den Sehnen der Mm. radiales und ulna-
ris extt.
Die Ligg. intermetacarpea dorsalia bestehen aus meist transversa- ee
len Bündeln, welche die einander zugekehrten Kanten der Körper der Mit- metacarpea.
telhandknochen vom oberen Ende an eine Strecke weit aneinanderheften.
Man zählt solcher Bänder so viel, als Zwischenknochenräume; das erste,
zwischen Daumen und Zeigefinger, ist von wechselnder Stärke, zuweilen
quergetheilt. Der R. volaris der Art. radialis geht unterhalb desselben vom
Rücken zur Vola der Hand. Das zweite geht von der Spitze des Proces-
sus styloid. des dritten Mittelhandknochens schräg abwärts zum zweiten.
Das dritte ist am breitesten und reicht am weitesten hinab.
1) Ligg. transversalia carpi dorsalia.
2) Ligg. basium oss. metacarpi dorsalia aut. Ligg. propria dorsalia metacarpi Weber-
Hildebr. ZLigg. intermecarpalia Günther.
5) Was man zwischen Kahn- und Mondbein,, zwischen Mond- und Pyramidenbein als
Lig. intercarpale darstellt, ist nur der hintere Rand des Zig. interosseum oder eine nicht
umschriebene, die hintere Fläche je beider Knochen und die Kapsel zwischen denselben
deckende Bindegewebslage.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 7
98 Handgelenk.
Das Lig. carpo-metacarpeum des Daumens beschränkt die Bewegung des Mit-
telhandknochens des Daumens mit dem radialen Rande ulnar- und vorwärts.
y. An der Volarfläche.
1. Lig. carpi volare proprium up.
. An der Das Lig. carpi volare proprium ist ein straff und brückenförmig über
Asne. die volare Aushöhlung der Handwurzel gespanntes Band, in welchem meh-
1. Lig. carpi Fio. 83, ; rere Fasersysteme sich
vol. propr. >
durchkreuzen und theil-
weise verweben. Die Grund-
lage bilden transversale Fa-
sern; dieselben kommen ul-
narerseitsvomradialenRan-
de des Erbsenbeins vor des-
sen Kapsel (Fig. 835), vom
Haken desHakenbeins (Fig.
84) und von dem diese bei-
den Knochen verbindenden
Lig. pisohamatum (s. u.),
zuweilen auch von den
Horizontalschnitt des Handgelenks durch die Mitte des Basen des fünften und vier-
Erbsenbeins. (Vgl. Fig. 81.) ten Mittelhandknochens ;
radialerseits conti-
nuirlich vom Proces-
sus styloid. radii, der
Radiocarpalgelenk-
kapsel, den Tuberosi-
täten des Kahn- und
Trapezbeins und von
der Basis des ersten
Mittelhandknochens,
Fig. 85. Dasmittlere
Drittel des Lig. carpi
volare proprium ist
mit dem volaren Theil
des Lig. c. comm. und
Reb C gipEde : mit der Sehne desM.
Horizontalschnitt des Handgelenks durch das Hakenbein. De palmaris long. ver-
Sehne des M. uln. ext. Edg desM. ext. dig. quinti, Ede, Eip .
Sehnen des M. Extensor die. comm. und Ext. indieis pr. Reb, schmolzen. Mit dem
Rel des M. radialis ext. br. und longus. Epl, Epb des M. oberen Rande geht es
ext. poll. long. u. br. Ri desM. radialis int. Fp/! des M. flexor in die Unterarmfaseie
poll. long. 1 Muskeln des Daumenballens. 2 Muskeln des Klein- u
fingerballens. Pb M. palmaris br. r Vasa radialia. z N. und über; nachunten setzt
Vasa ulnaria. Nm N. medianus, A Aponeurosis palmaris. essichin ein querfase-
riges Blatt fort, welches als tiefe Lage der Palmarfascie an der hinteren Fläche
der fächerförmigen Ausbreitung der Sehne des M. palmaris longus genau
angewachsen ist. Ausser durch die Ausbreitung der eben genannten Sehne
ist die vordere Fläche des Lig. carpi volare proprium von den schrägen
Ursprungssehnen der Muskeln des Daumen- und Kleinfingerballens durch-
Handgelenk. 99
zogen, von welchen jene mit einzelnen Fascikeln bis an das Erbsenbein,
diese bis an die Tuberosität des Trapezbeins reichen.
Aber nicht alle transversalen Fasern des Lig. carpi volare proprium
entspringen an den Rändern der Hand; eine mächtige Schichte, an der
hinteren, der volaren Aushöhlung zugekehrten Fläche stammt von tieferen
Theilen der Handwurzelknochen und wird dem Lig. carpi volare propr.
durch Vermittelung der im Folgenden zu beschreibenden Bänder zugeführt.
2. Lig. carpi volare profundum m. VPT.
Die Fascie, die den M. pronator quadratus bedeckt, setzt sich vom un-
teren Rande dieses Muskels über das Handgelenk fort bis auf die von der
Volarfläche der Mittelhandknochen entspringenden Muskeln. Hat man
diese Faseie, welcher mehr oder minder deutliche, vorzugsweise transversale
Sehnenbündel !) eingewebt sind, entfernt, so kommt eine glänzende und
mächtige Bandmasse zum Vorschein, welche von vornher das Radiocarpal-
und Carpalgelenk vollständig deckt. Man kann an dieser Bandmasse drei
Abtheilungen unterscheiden, eine obere, Lig. carpi v. profundum ar-
cuatum, mittlere, Lig. carpi v. p. radialum, untere, Lig. carpi v. p.
iransversum, welche mit den entsprechenden Rändern unmittelbar an
einander grenzen, ja zum Theil einander decken. Die obere Abtheilung
geht vom Radial- und Ulnarrande abwärts gegen die Mittellinie der Hand
in mehr oder minder gesonderten platten Bündeln, welche einander errei-
chen oder kreuzen und theilweise schleifenförmig in einander umbiegen;
die mittlere Abtheilung läuft mit ihren Bündeln strahlig von Einem Punkte,
der Vorderfläche des Kopfbeins, aus; die untere Abtheilung liegt quer vor
den Basen der Mittelhandknochen.
Schon auf der vorderen Fläche des unteren Endes des Radius zeich-
Fig. 85. net sich die Beinhaut durch den
transversalen Verlauf ihrer Fasern
aus; in der Kapsel ziehen sodann
die Fasern schräg vom Radius an
die Bandscheibe des Handgelenkes
und vor derselben vorüber; die
nächst unteren Faserbündel sind
schräg absteigend oder in abwärts
leicht convexen Bogen vom Proc.
styloideus radii zum Pyramidenbein
gespannt. Sie verflechten sich mit
schwächeren und steiler absteigen-
den Fasern, welche von der Basis
des Processus styloideus ulnae fä-
cherförmig ausstrahlen. Weiter ab-
wärts folgen Fasern, welche in fast
Handgelenk von vorn, das Lig. carpi volare symmetrischem Verlaufe von der
propr. vertical durchschnitten u. nach beiden __
Seiten zurückgeschlagen. Ri Sehne des M. ra- 1) Lacerti adseititü Weitbr. Ligg. superfi-
dialis int. Apl des M. abd. poll. long. Vi An cialia M. J. Weber. Lig. volare artieuli carpi
der Insertion abgeschnittene Sehne des M.ul- Arn. Lig ulno-vaginale (?) Güntber.
naris int, U Uncus des Hakenbeins.
FS
2. Lig. carpi
vol. prof.
Lig. carpi
vol. prof.
arcuat.
100 Handgelenk.
Spitze des Processus styloid. radii und vom Pyramidenbein gegen die vor-
dere Fläche des Kopfbeins convergiren, auf welcher sie sich befestigen 1).
Wir schliessen an diese Abtheilung, obwohl man sie mit demselben
Rechte zur folgenden rechnen könnte, schmale Bündel, welche einerseits
am Erbsenbein, andererseits an der oberen Ecke des Trapezbeins entsprin-
gen und den nächst oberen parallel einander ebenfalls auf der Vorderfläche
des Kopfbeins begegnen.
EN Die mittlere Abtheilung des Lig. profundum ?) schickt ihre Fasern
strahlenförmig von eben dem rauhen Theile der vorderen Fläche des Kopf-
beins aus, an welchen die untersten Bündel der oberen Abtheilung sich an-
setzen, und zwar nach allen noch übrigen Richtungen, d. h. ulnar-, radial-
und abwärts. Die gerade abwärts gerichteten begeben sich, von Ur-
sprüngen der Daumenmuskeln bedeckt, zur Vorderfläche des dritten Mittel-
handknochens; die nächsten, mehr und mehr der transversalen Richtung
sich nähernd, treten an die Mittelhandknochen einerseits des zweiten, an-
dererseits des vierten und fünften Fingers. Die ulnarwärts gerichteten
Fasern wenden sich am Haken des Hakenbeins, den sie glatt überziehen
und am Erbsenbeingelenk vorwärts, um dann wieder radialwärts in die
oben erwähnte tiefe Querfaserschichte des Lig. carpi volare proprium um-
zubiegen; ihnen begegnen, den Ring schliessend, die oberflächlichen der
radialwärts vom Kopfbein ausgehenden Fasern, indem sie am Ulnar-
rande der Sehne des M. radial. int., vor dem Trapezoidbein und der un-
teren Spitze des Kahnbeins, vorwärts und dann ulnarwärts umbiegen, in-
dess die tiefen Fasern hinter der Sehne des genannten Muskels zum
Bande des Trapezbeins sich erstrecken.
Lig. c. v. Die dritte Abtheilung des Lig. carpi volare profundum 3) besteht
ET eynıs Bündeln, welche die Handwurzelknochen der unteren Reihe und die
Basen der Mittelhandknochen je unter sich und die ersteren mit den letzte-
ren verbinden. Diese Bündel sind zu einem stumpfwinklich dreiseitigen
Bande vereinigt, dessen stumpfe Spitze abwärts gerichtet und an die Basis
des dritten Mittelhandknochens angewachsen ist. Die Basis des Dreiecks
bilden eine Anzahl transversaler Bündel, welche, gedeckt von den am Kopf-
bein entspringenden Fasern, zwischen dem Trapez- und Hakenbeine, zwi-
schen dem zweiten und fünften Mittellandknochen verlaufen. Die vom
dritten Mittelhandknochen entspringenden und radialwärts aufsteigenden
Fasern theilen sich, gleich dem Lig. radiatum, in zwei Schichten, eine ober-
flächliche, welche vor der Sehne des M. radialis int. in das Lig. carpi vo-
lare proprium umbiegt, und eine tiefe, welche hinter dieser Sehne an den
zweiten Mittelhandknochen und den Rand des Trapezbeins treten. Die
vom dritten Mittelhandknochen ulnarwärts aufsteigenden Fasern gehen, die
‘) Dieser Theil des Lig. profundum entspricht den Ligg. accessoria (obliguum und
rectum) Weitbr. Zigg. profunda M. J. Weber. Ligg. ulmo -radio- lunatum volare, radio-
carpeum transversum volare, radio - capitatum, radio - capitato - trigueirum und radio-hunatum su-
perficiale et profundum Günther. Meckel's Zig. accessor. cubito-carpale palmare umfasst
nebst dem oberen Theil des Lig. profundum die Lacerti adscititü Weitbr.
.) Zigg. radiata Günther. Ligg. obligua und jugalia Arn. Lig. volare ossis navieu-
laris, multanguli et capitati und Lig. volare ossis triquetri, hamati et capitati Barkow.
*) Ligg. carpi volaria aut. nebst den Zig. baseos metacarpi volaria aut. Lig. bifurca-
tum sublime et profundum Arnold.
Handgelenk. 101
tieferen zur Basis des vierten und fünften Mittelhandknochens, die ober-
flächlicheren zum kleineren Theil in das Hakenbein; die meisten setzen
sich in das Lig. pisometacarpeum ($. unten) fort, hinter dem Rande des
Hohlhandursprungs des Lig. carpi volare proprium.
Hinter dem freien unteren Rande der vom Kopfbein und von der Ba-
sis des dritten Handwurzelknochens radial- und vorwärts zum Lig. carpi
volare proprium ziehenden Bandmasse, zwischen ihr und dem Daumenur-
sprunge des Lig. carpi volare proprium kommt das Ende der Sehne des M.
radialis int. zum Vorschein. Jene Bandmasse nimmt mit beiden Flächen
an der Begrenzung von Ringen oder Scheiden Antheil, durch welche Seh-
nen in die Hohlhand übergehen; mit der ulnaren Fläche an der Scheide
für die Sehnen der Fingerbeuger, mit der radialen Fläche an der Scheide
für die Sehne des M. radial. int. (Fig. 84). Die letztgenannte Scheide wird noch
von besonderen transversal ringförmigen Faserzügen ausgekleidet, und an
ihre innere Oberfläche ist, wie an die innere Oberfläche der Scheide der
Fingerbeuger, stellenweise locker, stellenweise fest das äussere Blatt der
Schleimscheiden angewachsen, welche die Sehnen umschliessen.
Die Höhe des Lig. carpi volare propr. beträgt etwa 28"m, So hoch ist
also auch das Rohr, welches die Sehnen der Fingerbeuger (nebst dem N.
medianus) auf dem Wege zur Hohlhand umschliesst. Im Uebrigen gleicht
dies Rohr einem im sagittalen Durchmesser abgeplatteten und gegen die
untere Oeffnung sich erweiternden Cylinder (21”® jın transversalen, 11mm
im sagittalen Durchmesser). Von der unteren Oeffnung desselben entsprin-
gen, nach beiden Seiten divergirend, an der ulnaren Hälfte die Muskeln
des Kleinfingerballens, an der radialen Hälfte die Muskeln des Daumen-
ballens.
Ein selbstständiges Carpometacarpalband geht ausserhalb des Ringes
den die im Vorigen beschriebenen volaren Bänder der Handwurzel bilden,
von der radialen Fläche der Tuberosität des Trapezbeins und dem vorde-
ren Rande dieses Knochens zur vorderen Spitze der Basis des ersten Mit-
telhandknochens, wo es sich dicht unter dem Daumenursprunge des Lig.
carpi volare proprium und ulnarwärts neben der Insertion des M. abductor
poll. 1. anheftet (cm Fig. 85).
Dieses Band spannt sich bei den Bewegungen des Daumens, bei welchen der
radiale Rand desselben rückwärts geht.
d. Am Ulnarrande.
Unter dem Lig. c. commune und der Selıne des M. ulnaris ext., zwi- $, Am ul-
schen dem Processus styloideus ulnae einerseits und dem Pyramiden- und
Erbsenbein andererseits ist die Kapsel des unteren Radio - Ulnarge-
lenks von einer blättrigen, massiven Bindegewebslage bedeckt, in welcher
sich nicht selten grosse, von Flüssigkeit erfüllte, schleimbeutelartige Räume
finden. Diese Masse widersetzt sich der äussersten Supination und der Ra-
dialflexion. Den Namen eines Bandes verdient sie nicht D).
') Es ist der Fumiculus ligamentosus aut. Lig. radiatum Mayer. Lig. carpi ul-
nare Arnold,
narrande
102 Handgelenk.
Durch zwei ansehnliche plattrundliche Bänder, Lig. pisohamatum 1)
und pisometacarpeum Krause ?), ist dagegen das Erbsenbein an die un-
Fig. 86. terhalb desselben gelegenen "Theile
vpa angeheftet. Des Lig. pesohamalum
wurde schon bei Gelegenheit des
Lig. earpi volare proprium gedacht.
Von der radialen Fläche der Spitze
des Erbsenbeins strahlt es gegen
den Haken aus und geht nicht nur
mit seinem oberen Rande in das Lig.
carpi volare proprium über, sondern
lässt auch zwischen seinen absteigen-
den Bündeln quere Faserbündel her-
vortreten, die sich dem Lig. carpi vo-
lare propr. anschliessen.
Das Lig. pisomelacarpeum ist
zum grossen Theil nur Fortsetzung
der an die Spitze des Erbsenbeins
Handgelenk, von vorn. locker befestigten Sehne des M. ul-
naris internus. Längs der ulnaren
Fläche des Hakens, wie in einer Rinne herabgleitend, breitet es sich fä-
cherförmig gegen die vordere Fläche der Basis des fünften bis dritten Mit-
telhandknochens aus. Die zum dritten Mittelhandknochen verlaufenden Fa-
sern 3) fliessen, wie erwähnt, mit der ulnaren Portion des Lig. carpi vol.
profund. transversum zusammen.
Lig. hamo- Ueber die schräg radialwärts verlaufenden Bündel des Lig. pisometa-
metacap- garpeum ziehen schräg ulnarwärts die Bündel des Lig. hamometucar-
peum #) herab, eines platten Bandes, welches zwischen der ulnaren Fläche
des Hakens und der Basis des fünften Mittelhandknochens verläuft.
Lig. pisoha-
matum.
Lig. pisome-
tacarpeum.
\
vpV Sr
2
& In den Zwischenräumen der Mittelhandknochen.
g. Ligg. in- Als Ligamenta intermetacarpea interossea werden Fasern
(erossea. peschrieben , welche die gemeinsame Metacarpalkapsel an der unteren Flä-
che, in dem Raume zwischen den Körpern je zweier Mittelhandknochen
verstärken. Sie verlaufen im Allgemeinen von dem hinteren Rande des
den Zwischenraum radialwärts begrenzenden Mittelhandknochens zum vor-
deren Rande des ulnarwärts gelegenen. ä
V) Lig. volare ossis pisiformis et hamati Barkow.
®) Lig. volare rectum ossis pisiformis Weber -H.
®) Lacertus reflerus Weitbr. Lig. eircumfleeum Arnold.
*) Lig. volare ossis hamati et metacarpi quinti Weber-H.
Fingercarpalgelenke. 103
F. Fingercarpalgelenke.
a. Kapselbänder.
Die Gelenkflächen der Köpfchen der Mittelhandknochen und der Grund- F. Finger-
phalangen besitzen hyalinische Knorpelüberzüge, deren Mächtigkeit an der ur
Vorderfläche der Köpfchen bis 11/;"=, an den übrigen Theilen des Gelenkes N
aber in der Regel nur etwa halb so vielbeträgt. Mit dieser Knorpelbekleidung
gleichen die Köpfchen Halbkugeln (von 9m Radius), von welchen man an
jeder Seite durch parallele, vom Rücken der Hand volar- und etwas schräg
daumenwärts geführte Schnitte ein Segment abgetrennt hätte. Die planen
Seitenflächen sind, so weit sie in die-Gelenkhöhle schauen, ebenfalls von
Knorpel überzogen, dessen Grundlage in der Tiefe hyalinisch, in der Nähe
der freien Oberfläche bindegewebig ist.
Fig. 88.
Sagittaldurehschnitte des dritten Mittelhandknochen und Fingers. Fig. 87 gestreckt,
Fig. 88 gebeugt. Ede Sehne des Ext. dig. comm. Fds, Fdp Sehnen des Flex. dig.
subl. u. prof. Sie sind in Fig. 88 aus ihren Scheiden herausgenommen. ® Ligg. va-
ginalia der Beugesehnen. *Retinaculum derselben. ** Tiefe Fascie des Handrückens.
BA SF REL: e
b. Haft-
bänder.
Ligg. acces
soria.
10& Fingercarpalgelenke.
Die Concavität der Gelenkfläche der Grundphalangen geh rt einem
grösseren Radius an und ist flacher als die Convexität der Köpfchen; die
Incongruenz gleicht sich aus durch eine Synovialfalte, welche sich ringsum
über den Rand der Pfanne legt und nur den mittleren Theil derselben frei
lässt. Im frontalen Durchschnitt haben Köpfchen und Pfanne ziemlich
gleiche Ausdehnung; im sagittalen Durchschnitt hat der Bogen der Pfanne
nicht die halbe Länge des Bogens des Köpfchens.
Die Kapsel ist an sich sehr zart und dehnbar, aber nach allen Seiten
theils durch Bänder, theils durch Sehnen, welche mehr oder minder genau
mit derselben verwachsen sind, verstärkt; sie setzt sich an der Phalange
und am hinteren Rande des Metacarpusköpfehen dicht an die überknorpelte
Fläche; vorn heftet sie sich an den Metacarpus gerade da, wo die vordere
Firste des Körpers sich zur Vorderfläche des Köpfchens ausbreitet; sie geht
dann an der Vorderfläche des Köpfchens herab bis zum Rande des Gelenk-
knorpels, mit dem sie verschmilzt.
Am Daumen, ausnahmsweise am zweiten und fünften Finger, finden
sich in der vorderen Wand der Kapsel die Sesambeine, deren Form und
Lage schon im osteologischen Theil (8. 238) beschrieben wurde. Regel-
mässig ist nur der centrale Theil ihrer gegen die Gelenkhöhle schauenden
Fläche frei; über den Rand legt sich eine ringförmige, platte Synovialfalte-
So weit die Fläche frei liegt, hat sie einen feinen (?/,wm mächtigen) hyali-
nischen Knorpelüberzug; der bedeckte Theil der Fläche ist von Beinhaut
bekleidet. Eine frenulumartige Falte der Kapsel springt zwischen beiden
Sesambeinen in die Gelenkhöhle vor.
b. Haftbänder.
Nur an wenigen Stellen des Fingermetacarpalgelenks ist die Kapsel
als eine, wiewohl dünne, doch ziemlich feste, nicht deutlich faserige, selbst-
ständige Schichte darstellbar. So namentlich an der hinteren Wand des
Gelenks; hier wird sie zunächst bedeckt von einer Fortsetzung der tiefen
Fascie des Handrückens, Fig. 87**, die sich bis an den Rand der Basis der
Grundphalange verfolgen lässt und in der Nähe ihrer Insertion deutlich
längsfaserig wird. Hinter dieser Fascie laufen die Sehnen der Fingerstre-
cker über das Gelenk, zum Theil mit der Fascie verwachsen und vermöge
dieser Verwachsung bei der Contraction der Streckmuskeln auf die erste
Phalanx wirkend, zum Theil, und zwar gerade hinter dem Gelenk, mittelst
eines Schleimbeutels von der tieferen Schichte geschieden.
Ueber die Seitenwand der Gelenkkapsel zieht jederseits zu äusserst eine
Ausbreitung schräg dorsalwärts absteigender Fasern, die Sehnen der Mm.
inteross. (Fig.90 J), die sich zum kleinen Theil in der Kapsel verlieren, zum
grösseren an die Seitenfläche der Basis der Grundphalange befestigen. In
einer mit dieser Faserung gekreuzten, volarwärts absteigenden Richtung
folgt dann nach innen das Lig. accessorium (radiale und ulnare) 1), das
einzige, scharf abgegrenzte, dazu verhältnissmässig sehr starke Hülfsband
) Ligg. lateralia aut.
Fingercarpalgelenke. -105
des Fingercarpalgelenkes. Es nimmt seinen Ursprung aus der Grube an
jeder Seite des Mittelhandköpfehens und von dem diese Grube von hinten
her begrenzenden Höcker und endet an der Seitenfläche und dem unteren
Fig. 89. Rande der vorderen
Fläche der Basis der
Grundphalange, so dass
die vorderen Ränder der
Bänder von beiden Sei-
ten in einem stumpfen
Winkel zusammenstos-
sen, wohl auch im Bo-
gen in einander fliessen.
Wirklich gehen, un-
mittelbar an die vorde-
ren (oberen) Ränder der
Ligg. accessoria sich
anschliessend, Lagen
schräger, fächerförmig
ausgebreiteter, und je
weiter vorwärts ent-
springend, um so mehr
transversaler Faserbün-
or del aus den Gruben des
Fig. 89. Sagittaler Durchschnitt des Fingercarpalge- Köpfchens des Metatar-
lenks, von innen, das Capitulum der Mittelhandknochen eNerderfäche.d
weggeschnitten. 7 Schnittfläche JM. interosseus. n Nerve. sus zur Vorderlläche der
v Lig. vaginale; die Sehnen der Fingerbeuger sind aus ih- Kapsel, um hier von den
rer Scheide herausgenommen. beiden Rändern des Fin-
Fig. 90. Fingercarpalgelenk, im Profil. Edc Sehne des gers her sich zu vereini-
M. ext. comm. J Sehne des M. interosseus. Z Sehne a er:
des M. lumbricalis. gen. Die mächtigste Ver-
stärkung aber erhält die
vordere Kapselwand durch transversale Bündel, welche innerhalb der Ligg.
accessoria und der eben beschriebenen fächerförmigen Fasern über die
seichte Concavität des vorderen Randes der Basis der Grundphalange von
einer Seite zur anderen herüberziehen, eine wahre Lippe der Gelenkpfanne,
mit ihrer hinteren Fläche die Aushöhlung der letzteren vergrössernd und auf
dieser Fläche die in die Gelenkhöhle vorspringende Synovialfalte tragend,
mit ihrem freien Rande zugeschärft in die vordere Kapselwand übergehend
(Fig. 90 *).
Mit den genannten schrägen und queren Fasern der vorderen Kapsel-
wand mischen sich Faserzüge von meist transversaler Richtung, welche
von verschiedenen Seiten äusserlich an das Gelenk treten. Das Bindege-
webe, welches die tiefen Hohlhandmuskeln (Interossei) deckt, die sogenannte
tiefe Volarfascie (Fig. 90**), erhält in der Gegend der unteren Enden der
Mittelhandknochen starke und straffe transversale Fasern, welche eine
Strecke weit über die Gelenkkapsel herabgehen und, zwischen den Kapseln
ausgespannt, als Ligg. capitulorum volaria !) die Metacarpusköpfchen der
2) Ligg. capitulorum aut.
Ligg. capit.
volaria.
106 - Fingercarpalgelenke.
dreigliederigen Finger aneinanderheften (Fig. 90.91). Von der volaren Fläche
dieser transversalen Fasern gehen sagittale Scheidewände vorwärts zur
Fig. 91.
L = Fde cv L % per ev
Fde ey Fde DIE
Fa
Horizontaldurchschnitt der Hand durch die Fingercarpalgelenke. J Mm. interossei. Z Min.
lumbricales. 7’de Sehnen der Fingerbeuger. 2 Kleinfingerballen.
transversalen Faserschichte der Volaraponeurose (Fig. 90.91 ***), in diese
Je radial- und ulnarwärts umbiegend, bilden sie glatt ausgekleidete Röhren,
innerhalb welcher auf den Gelenken die Beugesehnen, auf den Ligg. capi-
tulorum ant. die Mm. lumbricales (Z) nebst den Nerven und Gefässen der
Finger eingeschlossen sind.
Die vorderen Wände der Röhren für die F ingersehnen setzen sich auf
‚die Phalangen als sogenannte Zigg. vagenalia fort, Querbänder, deren Haupt-
fasermasse am radialen und ulnaren Rande der Phalangen befestigt ist, de-
ren innerste Fasern aber, ringförmig geschlossen, an den Phalangen die
Beinhaut der Vorderfläche, an den Gelenken die vordere Kapselwand ver-
stärken (Fig. 87. 89. 90).
TieBrdoranl. Mit der vorderen und Seitenwand der Kapsel hängen auch noch die
Ligg. dorsalia Dursy !) zusammen. Es sind ringförmige Fasern, welche
vorn in dieFaserung der Kapselwand untrennbar eingeflochten sind, an den
Seitenflächen des Gelenkes aber sich isoliren, auf- und abwärts ausstrahlen
und über die äussere Fläche der Ligg. accessoria, diese und die einzelnen
Sehnenbündel der Mm. interossei durchkreuzend, zur Strecksehne verlaufen;
indem sie auf der Vorder- und Hinterfläche der letzteren von beiden Seiten
her einander begegnen, schliessen sie den Kreis. Die Höhe des Lig. dor-
sale wird vermehrt und dasselbe zugleich an die artieulirenden Knochen
befestigt dadurch, dass vom Köpfchen des Mittelhandknochens, sowie von
der seitlichen Spitze der Basis der Grundphalange Fasern nach hinten
abgehen ?), welche sich, jene oben, diese unten, an das Lig. dorsale und
mit ihm an die Strecksehne anschliessen (Fig. 92). Das Lig. dorsale ist es,
welches die Strecksehne zum Schutze der Rückenfläche des Gelenkes fest an
dasselbe herandrückt; mit dem oberen Rande grenzt es unmittelbar an die
sehnige Ausbreitung der Mm. Jumbricales und interossei, mit dem unte-
ren Rande ist es nur lose an die Umgebung angeheftet, so dass es den
Bewegungen der Strecksehne folgen und sich wie eine Kappe über das
') Zeitschr. für rationelle Mediein. Neue Folge. Bd. IH, S. 77.
?) Vincula extensorum Weitbr.
FE
Fingergelenke. 107
Capitulum hin- und herziehen kann. Niedere Querbänder, Ligg. capitu-
lorum dorsalia, sind in der Nähe des oberen Randes zwischen den Ligg.
Fig. 92. dorsalia von Finger zu Finger gespannt.
Zuweilen sind die Seitenflächen der Gelenkkap-
seln von einem Schleimbeutel überkleidet, welcher,
comprimirt, zwischen den unteren Enden der Mit-
telhandknochen je zweier Finger liegt.
Durch die innige Verbindung der aufgezähl-
ten Faserlagen erhält die vordere Kapselwand eine
bedeutende Mächtigkeit, und zugleich einen Grad
von Steifheit, der sie den Faserknorpeln oder Band-
scheiben ähnlich macht. Sie bedarf desselben in
ihrer doppelten Function, das Gelenk zu schützen
und den Beugesehnen als Rolle zu dienen. Die
Sesambeine sind, wo sie vorkommen, ganz in der
Dicke der vorderen Kapselwand eingeschlossen.
Die accessorischen Seitenbänder werden durch
Beugung der Finger gespannt und widersetzen
sich alsdann der Rotation der Grundphalange um
ihre Längenaxe.
Fingercarpalgelenk im
Profil. (Vgl. Fig. 90.)
G. Fingergelenke.
a. Kapselbänder.
Die Gelenke der Finger sind reine Winkelgelenke; die mit einem mitt-
leren, sagittalen, rechtwinklich gegen die Axe des Cylinders gestellten Vor-
sprunge versehene Pfanne jeder unteren Phalange gleitet auf dem in gleicher
Richtung gefurchten Kopfe der nächst oberen. Auf der unteren Phalange
Fig. 93. ist die Kapsel am äusseren Rande des die Pfanne umgebenden
Wulstes befestigt; auf der oberen Phalange setzt sich die Kap-
sel sowohl an der vorderen als hinteren Fläche in einiger Ent-
fernung von dem Rande des eigentlichen Köpfchens an, vorn
noch etwas höher als hinten (Fig. 87). Der Theil des Körpers der
Phalange, der auf diese Weise in die Gelenkhöhle mit aufgenom-
men wird, ist nur von Beinhaut bekleidet. Der hyalinische
Ueberzug der Articulationsflächen ist 1% mächtig, um so dün-
ner, je geringer die Ausdehnung der Gelenkflächen, und regelmäs-
sig dünner auf den Pfannen, als auf den Köpfchen. Im transver-
salen Durchmesser sind Kopf und Pfanne einander fast gleich; im
sagittalen Durchmesser ist die Pfanne kleiner als das Köpfchen.
Bei gestreckter Haltung des Fingers lässt die Pfanne hinten
einen kleinen, vorn einen grossen Theil der überknorpelten
Frontaldurch- FJäche des Köpfchens frei. In starker Beugung ist die grös-
schnitt der
Fingergelenke. $Te hintere Hälfte des Köpfchens nur von der gespannten
Kapsel bekleidet und bildet den sogenannten Knöchel; die
Ligg. capit.
dorsalia.
G. Finger-
gelenke
a. Kapseln.
b. Haftbän-
der.
II. Bänder
der unteren
Extremität.
A. des Gür-
tels.
a. Eigenes
an
Lig. obtur.
108 Bänder der unteren Extremität.
Pfanne ruht auf der vorderen Hälfte des Köpfchens und ihr abgeschräg-
ter Rand lehnt sich an den in die Gelenkhöhle schauenden Theil der Vor-
derfläche des Körpers der Phalange (Fig. 88).
b. Haftkänder.
Bezüglich der Haftbänder haben die Fingergelenke ganz dieselbe Ein-
richtung wie die Fingercarpalgelenke. Den Rücken der Kapsel deckt zu-
nächst eine Fortsetzung der Bindegewebsschichte, welche die Streckseh-
nen mit der Beinhaut der Rückenflächen der Phalangen verbindet, dann die
Strecksehne selbst, welche mit jener Bindegewebsschichte so genau ver-
wächst, dass die Sehne selbst die hintere Kapselwand zu bilden scheint. An
den Seitenflächen findet sich je einLig. accessor. radiale und ulnare,
von derselben Form und Richtung, wie an den Fingercarpalgelenken. —
Ebenso wie an diesen Gelenken wird ferner die vordere Kapselwand der
Fingergelenke zu einer ansehnlichen fibrösen Rolle !) (in welcher sich aus-
nahmsweise ein Sesambein eingeschaltet findet), verdickt durch Querfaser-
züge, die zum Theil in der Beinhaut der Vorderfläche der Phalange schon
in einiger Entfernung vom Gelenke sich zu entwickeln beginnen, zum Theil
einer fibrösen Lippe des vorderen Randes der Pfanne angehören und wieder
Fasern den Ursprung geben, die sich ringförmig nach vorn zu den Ligg.
vaginalia, nach hinten zu Ligg. dorsalia schliessen. Von der inneren
Fläche dieser Querwülste springt die Synovialfalte in die Gelenkhöhle vor;
von ihrer äusseren Fläche gehen sagittale Bindegewebsstreifen ab (Fig.
87*), welche den Beugesehnen Gefässe zuführen (Retinacula tendinum).
Den Ligg. capitulorum analoge, frontalgestellte fibröse Septa gehen von den
Seitenflächen der Kapseln ab zur Cutis der Finger 2).
II. Bänder der unteren Deere
A. Bänder des Gürtels der unteren Extremität.
a. Eigenes Band des Hüftbeins.
Lig. obturatorium 0°).
Das Band, welches den grössten Theil des Hüftbeinlochs verschliesst
und dessen äussere Fläche nach Wegnahme des M. obturat. ext., dessen
innere Fläche nach Wegnahme des M. obturat. int. zum Vorschein kommt,
besteht aus Faserzügen von verschiedener, im Wesentlichen horizontaler
\) Ligg. transversa volaria Krause, Ligg. transv. anter. Arn.
®) Ligg. cutanea lateralia Weitbr. Theile dieser Septa sind die Zigg. unguium latera-
ia subtensa Weitbr. Ligg. unguium aut. Ligg. lateralia longa Dursy.
®) Membrana obturatoria s. obturatric. Membrana obturat. int. R, Fischer (Beitrag zur
Lehre über die Hernia obturatoria, Luzern 1856. 4.).
Lig. obturatorium. 109
Richtung, die hier und da kleine Lücken lassen, an anderen Stellen sich in
Blätter sondern. Das Band ist ringsum an den Rand des Hüftbeinlochs
Fig. 94.
Vordere Beckenwand mit dem oberen Ende des Schenkelbeins. Co Can, obturatorius.
Ip M. iliopsoas. Pe M. pectineus. Oe M. obturator ext. Al, Am M. abductor longus
und magnus @f M. quadr. ftem. Gmi M. glut. minimus. Die übrigen Zeichen beziehen
- sich auf Bänder des Hüftgelenks. (S. unten Seite 128,)
angewachsen mit Ausnahme der oberen Ausbuchtung dieses Lochs, un-
ter welcher es mit geradem Rande vom Tub. obturat. sup. zum Tub. ob-
turat. inf. herübergeht. Der angewachsene Theil befestigt sich oben und
vorn am äusseren Rande des For. obturatorium und so liegt das Band hier
im Niveau der äusseren Fläche des Schambeins; nach unten und hinten
weicht seine Anheftung auf den inneren Rand des For. obturator. zurück,
und hier liegt es also im Niveau der inneren Oberfläche des Beckens. An
der inneren Fläche ist es demnach oben, an der äusseren Fläche unten von
einer Rinne, deren Tiefe der Dieke der Beckenknochen entspricht, umsäumt.
Aus der inneren Rinne entspringen Fasern des M. obturat. int., aus dem
unteren Theil der äusseren Rinne Fasern des M. obturat. ext.; den oberen
Theil der äusseren Rinne erfüllt Fett, welches mit dem Fette der Hüftge-
lenkkapsel zusammenhängt und von einzelnen platten Bandstreifen (Fig. 94.
107 *) bedeckt ist, die aus dem Lig. obturatorium theils zum äusseren Rande
des For. obturatorium, theils zur Hüftgelenkkapsel gehen.
Der gerade, gegen den Knochen freie Rand des Bandes fügt sich an
die Fascie, welche die der Beckenhöhle zugekehrte Oberfläche des M. ob-
turat. int. bekleidet oder vielmehr an einen starken, aufwärts concaven Seh-
nenstreifen, welcher auf der Innenfläche des Beckens zwischen beiden Tubb.
obturatoria verläuft, einem Theil der Fascie des M. obturat. int. zum Ur-
sprunge dient und sich deshalb abwärts in diese Fascie verliert.
Der M. obturat. int. ist zwischen seiner inneren Fascie und dem Lig.
obturat. eingeschlossen, so dass das letztere die Stelle einer äusseren Fascie
dieses Muskels vertritt. Innere und äussere Fascie vereinigen sich am
oberen Rande, zwischen dem Tub. obturator. sup. und inf. mit einander
b. Bänder
zw. Stamm
u. Hüftbein.
@. Kapsel
des Ilio-Sa-
cralgelenks.
110 Lig. obturatorium.
dergestalt, dass während die innere Fascie streng nur die innere Fläche des
Muskels bedeckt, die äussere sich von der vorderen Fläche des Muskels
über dessen mehr oder minder dieken oberen Rand zur inneren Fascie be-
giebt und mit dem eben beschriebenen Sehnenstreifen, der den oberen Rand
der letzteren darstellt, verbindet. Die innere Fascie steigt deswegen ganz
gerade, d. h. in der Flucht der inneren Oberfläche der vorderen Becken-
wand auf; die äussere Fascie, oder das Lig. obturat., im Ganzen der inneren
Fascie parallel, neigt sich in der Nähe der oberen Anheftung an den freien
Rand der inneren Fascie, unter einem spitzen Winkel gegen die letztere.
Dieser geneigte, den oberen Rand des M. obturatorius bekleidende
Theil des Lig. obturatorium ergänzt den Suleus obturatorius (Knochenl. $.
246) zum Canal; er bildet den Boden des Canals, Can. obturatorius
(Fig. 94 Co), dessen knöcherne Decke der Suleus obturat. darstellt. Der
Canal geht bei normaler Stellung des Beckens fast genau vorwärts und ab-
wärts und enthält, in Fett eingehüllt, den N. und die Vasa obturatoria.
Den dem medialen Rande zunächst gelegenen Theil des Lig. obtura-
torium verstärken Sehnenbündel des M. obturat. ext., die an die Aussen-
fläche des Bandes dergestalt angewachsen sind, dass die Bündel dieses Mus-
kels von dem Bande zu entspringen scheinen. Eine geringe Anzahl von
Muskelfasern nimmt übrigens ihren Ursprung wirklich vom Lig. obtura-
torium N).
b. Bänder zwischen den Knochen des Stammes
und dem Hüftbein.
«. Kapsel des Ilio - Sacralgelenks.
In dem Ilio-Sacralgelenk (Art. sacro-ihaca) articuliren die Facies
auriculares des Kreuz- und Hüftbeins. Beide sind in ihrer ganzen Ausdeh-
nung überknorpelt; der Knorpel des Kreuzbeins ist stärker als der des
Hüftbeins (jener 2 bis 3, dieser nicht über I”m mächtig). Die Grundsub-
stanz der Knorpelüberzüge ist hyalinisch, mit grösseren oder kleineren
Knorpelhöhlen, die in der Tiefe länglich und mit dem längsten Durchmes-
ser senkrecht gegen die Oberfläche gestellt, in der Nähe der freien Ober-
fläche rundlich sind. Der oberflächlichste Theil der Gelenküberzüge (von
etwa 0,1jmm Mächtigkeit) bildet meistens auf feinen Durchschnitten einen
undurchsichtigen, bei auffallendem Lichte weissen Saum, der zuweilen nur.
von einer Anhäufung dunkler Körnchen um die Knorpelhöhlen, zuweilen
von einer Umwandlung der hyalinischen Grundsubstanz in Fasergewebe
herrührt. In seltneren Fällen besitzen die Articulationsflächen einen fei-
nen, deutlich faserigen Ueberzug von Bindegewebe; auch sieht man sie,
zumal in der Nähe des hinteren oberen Randes, durch feine, dehnbare Bin-
degewebsfäden mit einander verbunden.
Beide Oberflächen decken einander vollkommen und schliessen, der
ı) Zum Lig. obturatorinm rechnen Viele eine Bandmasse, welche mit der Vorderfläche
desselben zusammenhängt und über diese hinweg zur Kapsel des Hüftgelenks zieht (Fig.
94 pf). Ich werde sie in Verbindung mit dem letzteren beschreiben.
Tlio - Sacralgelenk. 111
Regel nach, genau an einander; im Alter werden sie zuweilen etwas rauh
und höckerig, und dann muss die Menge der Synovia zwischen denselben
zunehmen.
Die Artieulationsebenen der beiden Ilio-Saeralgelenke neigen sich im
Ganzen mit ihren hinteren und unteren Rändern einander entgegen; bei
einem in der Richtung der Längsaxe des Can. sacral. von oben her wir-
kenden Drucke würde demnach das Kreuzbein, einem Keil ähnlich, zwi-
schen die Hüftbeine eingetrieben; bei einem Druck auf die aufwärts ge-
wandte Rückenfläche des Kreuzbeins dagegen müsste das Kreuzbein um so
leichter zwischen den Hüftbeinen herabgedrängt werden, da es, wie ein
umgekehrter Keil, von der hinteren gegen die vordere Fläche an Breite zu-
nimmt. Diese für die Festigkeit der Verbindung, besonders bei aufrechter
Haltung des Rumpfes, unzweekmässige Gestalt wird indess einigermaassen
corrigirt durch Krümmungen der Articulationsebene , die freilich nieht in
Fig. 9. allen Fällen und. nicht an allen Stellen
des Gelenkes gleich ausgeprägt sind. All-
gemein ist die Articulationsebene im
schmalen Durchmesser oder in einem
der Ebene des Beckeneingangs paralle-
len Durchschnitte medianwärts convex,
so dass bei aufrechter Haltung im hin-
teren (oberen) Theile des Gelenkes das
Kreuzbein auf dem Hüftbeine, im vorde-
ren unteren Theile das Hüftbein auf dem
Kreuzbeine ruht. Hierzu kommt häufig
noch am hinteren (oberen) Theile des Ge-
lenkes (Fig. 95) eine zweite, steilere, me-
dianwärts concave Krümmung, in Folge
welcher das Darmbein mit dem hinter-
sten (obersten) Theile seiner Gelenkfläche
wieder über das Kreuzbein greift. Aus-
serdem ist der von den unteren Hälften
der Facies auriculares gebildete Theil
der Articulationsebene auch der Länge
nach medianwärts convex.
Die Kapsel des Ilio - Sacralgelenkes
ist die über die Gelenkspalte straff her-
übergespannte, aussen durch horizontale
Bi Biene de Bekngn, Fasern verstärkte, gogen die Gelenk
Fig. 95 durch den ersten, Fig. 96 durch Höhle mit einer weichen, gefässreichen
den zweiten Kreuzwirbel. Cv Can. ver- Bindegewebslage bekleidete Beinhaut.
a a DR: Sie geht nur an dem der Beckenhöhle
zugewandten Theile des Gelenkes nicht
unmittelbar vom Rande der Knorpelüberzüge, sondern in geringer Entfer-
nung neben denselben von der Vorderfläche des Kreuz- und Hüftbeins aus,
so dass hier ein schmaler Raum bleibt, in welchen Synovia ausweichen
kann. Niedrige Synovialzotten finden sich vorzugsweise in diesem Raume,
jedoch auch an den übrigen Rändern der Knorpelflächen.
112 Ilio -Sacralgelenk.
In den ersten Lebensjahren ist das Ilio-Sacralgelenk eine Syndesmose; die
Articulationsflächen hängen durch Fasergewebe zusammen.
ß. Haftbänder.
1. Ligamentum ileo-lumbale.
. Hatt- An einer früheren Stelle ($S. 32) wurde ein Band oder vielmehr eine
N; a Sehnenhaut, das Lig. lumbo-costale, beschrieben, welche zwischen der letz-
iumbale. ten Rippe, den Querfortsätzen der Bauchwirbel und dem oberen Rande der
Hüftbeine ausgebreitet ist und aus der Verschmelzung von Ligg. costo-
transversaria, intercostalia und rippenartigen Faserzügen hervorgeht (Fig. 25).
Sie bildet das hintere Blatt einer Scheide, in die der M. quadrat. lumborum
eingeschlossen ist. Das vordere Blatt dieser Scheide ist in der Regel nur
eine dünne Fascie; doch kann, wie dort ebenfalls bereits angegeben wurde,
das vordere Blatt die Faserbündel eingewebt enthalten, die das Lig. lumbo-
costale charakterisiren. Immer ist dies gegen das untere Ende der Fall;
das vordere Blatt der Scheide des M. quadrat. lumborum wird also, mag
es in seinem oberen Theile fein oder fest und sehnig sein, jedenfalls in der
Nähe der Beckenanheftung durch mächtige bandartige Streifen verstärkt.
Diese bilden das Lig. ileo-Jumbale (Fig. 97).
Fig. 97.
**
Hintere Beckenwand von vorn. Lig. ileo-Jumbale. Va 4, Va 5 Querfortsatz
des vierten und fünften Bauchwirbels.
Ilio-Sacralgelenk. 113
Das Lig. ilio-Jumbale stellt demnach, wie das Lig. lumbo-costale, einen
Bandapparat dar, in welchem sich mehr oder minder selbstständige Züge
von verschiedenem Verlauf unterscheiden lassen. Man muss dazu schon
die Fasern rechnen, welche vom Querfortsatz des vierten Bauchwirbels
transversal in die erwähnte Fascie und schräg lateralwärts absteigend zum
Querfortsatz des fünften Bauchwirbels gehen. Sie wiederholen sich in
gleicher Weise am Querfortsatz des fünften Bauchwirbels mit der Aende-
rung, dass die transversalen Fasern (Fig. 97*)!) als ein starkes, sichelförmig
gekrümmtes Bündel, welches an seinem Ursprung den ganzen Querfortsatz
einhüllt, in den-oberen Rand des Hüftbeins verlaufen, die schräg lateral-
wärts absteigenden (**) ?) in den Theil der Beinhaut des Beckens sich ver-
lieren, die vorn und hinten den obersten Theil des Ilio-Sacralgelenks deckt.
Die absteigenden Züge gleichen Ligg. costo-transversalia anteriora, indem
sie von der Seite her die Oeffnungen begrenzen, durch welche der vordere
Ast des vierten und fünften Lumbarnerven hervortreten, um ins Becken
hinabzugehen. Vor- und medianwärts von denselben verlaufen platte
Bündel in verticaler Richtung von der Wurzel des Querfortsatzes und der
Synchondrose je eines Wirbels zu der entsprechenden Stelle des nächsten
(***). Sie dienen Köpfen des Psoas zum Ursprung und bilden Brücken
über Gefässäste, die auf den Wirbelkörpern liegen.
2. Ligamenta ilio-sacralia.
Die Kapsel des Ilio-Sacralgelenks wird ringsum durch Bandstreifen ge- 2. Lige.
deckt, die quer oder schräg vom Kreuz- zum Hüftbein verlaufen. An der en,
Vorderfläche ist der Beinhaut, wie erwähnt, eine Reihe transversaler Bün-
del, Lig. ilio-sacrale anticum ?), eingewebt, deren Mächtigkeit von oben
Fig. 98. nach unten abnimmt. Hinter dem Ge-
lenk sind die einander. zugekehrten Tu-
berositäten beider Knochen durch eine
grosse Zahl unregelmässiger, theils plat-
ter, theils eylindrischer Bänder, deren
Zwischenräume Fett ausfüllt, straff mit
einander verbunden. Die Bandmasse,
im Ganzen, Lig. ilio - sacrale inter-
osseum Bichat®), nimmt nach hinten
und oben, wie sich der Raum zwischen
Hüft- und Kreuzbein erweitert an Breite
zu. Die hintersten Bänder bilden, in-
Durchschnitt des Ilio-Sacralgelenks, pa- dem sie von den Gelenkfortsätzen des
raliel der Ebene des Beckeneingangs K Dame da en
durch den ersten Kreuzwirbel. reuzbein gegen S
strahlen, eine zusammenhängende und
') Lig. pelvis anticum sup. s. ilio-lumbale sup.
>) Lig. pelvis anticum inf. s. ilio-lumbale inf
®) Ligg. sacro-iliaca vaga ant. Krause. Lig sacro-iiacum ant. aut. :
>) Ligg. sacro-iliaca accessoria vaga aut. Ligg. s. i. vaga posteriora Krause, Ligg.
lateralia postica Weber- Hildebrandt. Ligg. sacro-iliaca posteriora und vaga s. inter--
ossea Arn.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 8
114 Ilio -Sacralgelenk.
ziemlich ebene Lage, /ig. ilio-sacrale posticum !), die den Grund der
Furche auskleidet, aus welcher die Streckmuskeln der Wirbelsäule entsprin-
gen (Fig. 100). Sie hängen mit den sehnigen Ursprüngen dieser Muskeln,
insbesondere des M. multifidus Spinae, zusammen.
3. Lig. sacro -tuberosum ?).
Br DE Das Lig. sacro - tuberosum entsteht als eine breite, sehnige Haut
sum. mit mehreren Platten, welche Fett und Gefässe einschliessen, vom hintersten
Fig. 99.
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Hintere Beckenwand, von hinten Mm gluteus max. (Gm) und
med. an den Ursprüngen abgeschnitten. Gmi Ursprung des M.
gluteus minimus an der Ineisura ischiad. maj. Oi M. obturator
int. von seiner Fascie bedeckt. Oi’ derselbe, beim Austritt aus der
Ineisura ischiad. min, durchschnitten. P M. pyrif., beim Austritt aus
der Ineisura ischiad. maj. durehschnitten. C M, coceygeus. Bf! M.
biceps fem. cap long. St, Sm M. semitendinosus u. semimembra-
nosus, *Fascie der langen Rückenmuskeln. **Eingewebtes Bündel
von der Spina post. sup. oss. ilium zum Proc. artic. spur, des drit-
ten Kreuzwirbels.
') Zig. sacro-ilacum Bichat. Lig. sacro-iliacum profundum Me
post prof. et breve aut ?) Lig. sacro-ischiad maj. Weitbr.
Meckel. Lig. tuberoso-sacrum aut. ®) Lig. post. long. Weitbr,
s superficiale Meckel Z, sacro-spinosum Bichat.
Lig. sacro-iliacum verticale posticum Cruv.
Theil des oberen
Hüftbeinrandes
unter denUrsprün-
gen des M. glu-
teus maximus,
vom Seitenrande
des freien Theils
des Kreuzbeins u.
der zwei oberen
Steisswirbel. Von
den am Hüftbeine,
in der Gegend
der Spina post.
sup., entspringen-
den Fasern geht
eine Anzahl, einen
diekenStrang(Fig.
99 st) zusammen-
setzend, fast ge-
rade ab- und nur
wenig median-
wärts zu den fal-
schen Querfortsä-
tzen des dritten
bis fünften Kreuz-
wirbels 3). Alle
übrigen, zu wel-
chen sich noch
Fasern gesellen,
welchen der er-
wähnte Strang
zum Ursprunge
dient, begeben sich
convergirend und
schräg lateral-
ckel. Zig. ilio-sacrale
Lig. pelvis post. magn.
Lig. post. s. longum
Lig. ilio-sacrum longum Weber-H.
115
wärts absteigend zur Mitte des medialen Randes des Sitzhöckers. Das
Band hat somit im Ganzen eine spitzwinklich dreiseitige Form, einen me-
dialen, einen oberen und unteren Rand, jener mit dem unteren Ende me-
dianwärts, die beiden letzteren mit dem lateralen Ende stark abwärts ge-
Der mediale Rand steht im Zusammenhänge mit der Fascie, welche,
Ilio-Sacralgelenk.
neigt.
andererseits an die Proc. spin. spurii des Kreuzbeins befestigt, die in der
Kreuzbeinaushöhlung entspringenden langen Rickenmuskeln von hintenher
bedeckt. (Dieser Fascie gehören auch die Fascikel an, die von der Spina post.
sup. des Hüftbeins ab- und medianwärts an Gelenksfortsätze (Fig. 99**) und
Fig. 100.
selbst an Dornfortsätze
des Kreuzbeins treten.)
Der obere Rand des Lig.
sacro - tuberosum
sich, rasch verdünnt, in
die Fascie der durch die
Ineisura ischiadica ma).
und min. austretenden
Rollmuskeln des Ober-
schenkels fort. Der un-
tere Rand, welcher zwi-
P schen dem Steissbein und
dem Sitzhöcker zur Be-
grenzung des Becken-
ausgangs beiträgt, ist
leicht concav und wul-
stig; dicht über diesem
Rande heftet sich an die
innere Fläche des Bän-
des die Fascie des M.
obturator. int.
Die Spitze des Lig.
sacro - tuberosum ,„ die
sich am Sitzhöcker be-
festigt, breitet sich ge-
gen die Insertion wieder
setzt
Isp
len
Hintere Beckenwand, von hinten. Die Fascie der langen Rü-
ekenmuskeln ist nebst den Ursprüngen dieser Muskeln weg-
genommen. Lig. sacro-tuberosum durchschnitten. sZ Reste
desselben. isp Lig. ilio-sacrale post. i/ Lig. ilio-Jumbale. ?
M. pyriformis. € M. coceygeus. 0i' Durchschnittsfläche
des M. obturator int. Oi tiefer Kopf desselben
(Mm. gemelli aut).
etwas aus; insbesondere
lässt sich nach vorn und
unten, längs dem unte-
ren Rande des unteren
Sitzbeinastes, ein schma-
ler Sehnenstreif (s{“) )
eine Strecke weit verfol-
gen, welcher aufwärts
in die Fascie des M. obturat. int. übergeht und mit der inneren Fläche des
Sitzbeins eine nach oben offene Rinne bildet, in welcher der Rand des ge-
I) Appendix inf. Weitbr.
tosa aut.
Processus falciformis s. Lig. faleiforme s. Falx ligamen-
SE
116 Ilio-Sacralgelenk.
nannten Muskels ruht. Ein Theil der Fasern des Lig. sacro-tuberosum
geht über den Sitzhöcker fort gerade in die Sehnen des M. biceps und semi-
tendinosus über. Auf der hinteren Fläche des Bandes wurzeln Bündel des
M. gluteus max.
4. Lig. sacro-spinosum SSP 1).
et Unter diesem Namen versteht man eine Lage glänzender,, fibröser
ero spino- Streifen, welche auf der hinteren Fläche der Spina ischiadica entspringen
und vor dem oberen Rand des Lig. sacro-tuberosum vorüber an dessen
vordere Fläche und an den Seitenrand des Kreuzbeins gehen.
Diese Fasern verdienen kaum den Namen eines Bandes; sie decken
die hintere Fläche eines Muskels, dessen Fasern an derselben Stelle, nur
in etwas weiterem Umfange, ihren Ursprung nehmen; sie verhalten sich
also zu diesem Muskel wie Fasern einer Fascie und nicht selten sogar: wie
Fig. 101.
Seitenwand des Beckens von aussen, ?, C, Oi wie in den beiden vorhergehenden
Figuren.
>) Lig. sacro-ischiadicum minus s. internum Weitbr. Lig. pelvis post. parvum Meckel.
Lig. spinoso-sacrum aut.
Schambeinsynchondrose, 117
Selinenfascikel, indem sie gegen die Kreuzbein-Insertion sich zwischen
Muskelfasern verlieren. Zuweilen werden die Bandfasern fast ganz von
Muskelfasern verdrängt. Eine reichlichere Entwickelung der Bandfasern
scheint demnach auf Kosten des Muskels, durch eine theilweis fibröse Ent-
artung, Statt zu finden.
Der Muskel, der zu dem Lig. sacro-spinosum in diesem Verhältnisse
steht, ist der Coceygeus. Er ist platt, vierseitig; seine Fasern verlaufen
fast genau transversal, indess die Bandfasern an seiner hinteren Fläche
um Weniges medianwärts aufsteigen. Band- und Muskelfasern kreuzen sich
daher unter spitzem Winkel; der Muskel überragt den oberen und den un-
teren Rand des Bandes, den oberen um so weiter, je näher der Spina ischiad.,
den unteren um so weiter, je näher der Wirbelsäule; seine untersten Fa-
sern, die sich an die oberen Steisswirbel ansetzen, kommen, das Becken
von hinten betrachtet, unterhalb des unteren Randes des Lig. sacro-tubero-
sum zum Vorschein (Fig. 99. 100).
Die Bandfasern, die das Lig. sacro-tuberosum erreichen, legen sich dicht
neben dem oberen Rande dieses Bandes an die Vorderfläche desselben an
und biegen zum Theil sogleich wieder gegen den Rand um, eine lateral-
wärts offene Rinne auskleidend, in welche eine Strecke weit der untere
Rand des M. pyriformis eingeschlossen ist (Fig. 100 P) und aus welcher
auch noch Fasern dieses Muskels entspringen.
ec. Bänder zwischen beiden Hiüftknochen.
Schambeinsynchondrose, Synchondrosis !) pubis.
Diese Synchondrose zeigt sowohl in ihren Dimensionen, als in ihrer
Textur zahlreiche Verschiedenheiten. Die Form, die man als normale an-
sehen muss, weil sie in Körpern mittleren Alters am häufigsten vorkommt
und weil sie eine Vermittelung zwischen den Extremen bildet, ist die
folgende:
Die elliptischen Flächen, welche beide Hüftbeine einander zuwen-
den, haben hyalinische Knorpelbekleidung von ansehnlicher und über die
ganze Oberfläche ziemlich gleich bleibender Mächtigkeit (2 bis 3mm). Den
Raum, der zwischen beiden Knorpelflächen übrig bleibt, erfüllt eine zum
Theil faserknorpeliche, zum Theil rein fibröse Substanz, deren Fäsern aus
der Grundsubstanz des hyalinischen Knorpels unmittelbar hervorgehen. Die
Mächtigkeit dieser Zwischenlage ist, wie sich von selbst versteht, durch den
Abstand der Knorpelflächen von einander bedingt, und da die Synchondro-
senflächen der Schambeine gegen den vorderen Rand und die untere Spitze
divergiren (Knochenl. S. 247), so nimmt der transversale Durchmesser der
Zwischensubstanz von hinten nach vorn und, in geringerem Maasse, von
oben nach unten zu. Die Divergenz der Knorpelflächen beginnt aber erst
von ihrer Mitte an oder selbst noch etwas weiter nach vorn; in der hinte-
ren Hälfte oder den hinteren zwei Dritteln der Synehondrose liegen sie ein-
ander parallel und so nahe, dass die Zwischensubstanz auf Horizontal-
D) Symphysis.
c. Scham-
beinsyn-
chondrose.
118 Schambeinsynchondrose.
schnitten (Fig. 102) nur wie ein feiner weisser Strich erscheint und sich oft
Fig. 102. nur durch die Verschiebbarkeit der
Knorpel an dieser Stelle kund giebt.
In dieser schmalen Zwischensubstanz
findet sich eine mediane Spalte mit
vollkommen glatten und einander
genau berührenden Wänden, von
etwa der halben Höhe der Synchon-
drose, dem oberen Rande der letz-
teren viel näher gerückt, als dem
unteren, nach hinten nur durch
die Beinhaut verschlossen, welche
Durchschnitt der Schambeinsynchondrose , pa-
rallel der Ebene des Beckeneingangs.
von dem einen Schambein zum anderen herübergeht.
Ein Theil der Varietäten der Schambeinsynchondrose lässt sich darauf
zurückführen, dass der hyalinische Knorpelüberzug durch Wucherung der
benachbarten Gewebe eingeschränkt und verdrängt wird und zwar von zwei
Seiten her. Erstens nämlich schreitet die Verknöcherung der Hüftbeine ge-
gen die Medianebene vor, und der Knorpel wird theilweise in spongiöse, und
selbst in compacte Knochenmasse umgewandelt; immer ist dabei die Grenze
des Knochens gegen den Knorpel sehr unregelmässig, ausgebuchtet oder zackig.
Zweitens breitet sich von der Mittellinie aus die faserige Knorpelsubstanz
lateralwärts auf Kosten der hyalinischen aus und der Horizontalschnitt der
Synchondrose zeigt einen breiten gelblichen faserigen Streifen zwischen
zwei mitunter sehr schmalen hyalinischen Säumen.
Eine andere Gruppe von Varietäten bezieht sich auf die mediane
Spalte. Sie kann ungewöhnlich klein sein oder fehlen, und dieser Mangel
ist als ein Stehenbleiben auf früherer Entwickelungsstufe zu betrachten; denn
beim Kinde sind die Synchondrosenflächen in ihrer ganzen Ausdehnung
durch fibröse Substanz aneinandergeheftet, und nur das Mikroskop zeigt in
dieser Substanz spaltförmige Lücken, die später sich vergrössern oder zu-
sammenfliessen müssen, um die Höhlung der reifen Synchondrose zu bilden.
Einmal sah ich, in der Nähe des unteren Randes der Synehondrose, die
hyalinischen Ueberzüge beider Knochen unmittelbar zusammenhängen ver-
mittelst einer Brücke hyalinischer Knorpelsubstanz, welche den Faserknor-
pel durchsetzte. Andererseits findet sich die Spalte sowohl nach vorn und
unten vergrössert, als auch im transversalen Durchmesser erweitert und im
letzten Falle mit synoviaähnlicher Flüssigkeit gefüllt; so soll sie sich na-
mentlich bei Schwangern und Wöchnerinnen verhalten). Barkow fand
') Es sind Untersuchungen in grösserem Maassstabe, als die bis jetzt veröffentlichten,
nothwendig, um über diesen Punkt Gewissheit zu erlangen. Hunter (Lond, med. observ.
and inquiries. Vol. II, 1762, p. 339) hat die Synchondrose zweier Neuentbundenen unter-
sucht ; bei der einen fand sich eine Höhle, bei der anderen nicht. Tenon (Mem. de I’Insti-
tut des sciences. T. VI, 1806, p. 180) sagt ausdrücklich, dass er Synchondrosen mit
einfachem Zwischenknorpel auch bei Wöchmerinnen und Synchondrosen mit medianer Spalte
auch bei Männern und bei Frauen, die nicht geboren hatten, gesehen habe. Er citirt aber
(p. 137) eine Reihe älterer Schriftsteller, welche alle der Meinung sind, dass die Scham-
beinsynchondrose sich während der Schwangerschaft lockere und beweglich werde. Bar-
kow (Syndesmol. $. 72) scheint eine Höhle in der Synchondrose allerdings nur bei kürz-
lieh Entbundenen (in 2 Fällen) gesehen zu haben; Cruveilhier (Vol. I, p. 518) fand
Schambeinsynchondrose. 119
sie durch eine Faserknorpelbrücke in eine obere und untere Abtheilung
gesondert; Luschka beobachtete, statt einer medianen Spalte, zwei pa-
rallele, welche den medianen Faserknorpel jederseits von dem hyalinischen
Ueberzug der Knochenenden schieden.
Die Wände der Spalte begrenzt in der Regel derselbe (elastische)
Faserknorpel, welcher die hyalinischen verbindet, mit oft sehr grossen Knor-
pelzellenhaufen. Bei einer Neuentbundenen fand ich eine besondere, die
Höhle auskleidende, helle Schichte von 0,01”, nicht deutlich faserig, aber
in Essigsäure aufquellend. Zuweilen sind die Wände der Spalte leicht un-
eben und insbesondere vom hinteren Rande ragen warzenförmige, steckna-
delkopfgrosse Fortsätze, eine Art dicker, niederer Synovialzotten, in die-
selbe hinein.
Die Substanz der Synchondrose geht ohne deutliche Grenze über in
das Bindegewebe der die Schambeine verbindenden Beinhaut und der
Muskelsehnen, die von diesem Theil des Beckens ihren Ursprung nehmen.
Sowohl Horizontal- als Medianschnitte zeigen den Uebergang. Den oberen
Rand und die hintere Fläche der Synchondrose deckt nur die Beinhaut.
Sie ist !/;mm mächtig und besteht aus hauptsächlich transversalen Bündeln,
welche continuirlich von einer Seite zur anderen
über den medianen Vorsprung hinweggehen, der
an der Innenfläche der vorderen Beckenwand von
den rückwärts aufgeworfenen hinteren Rändern der
Syncehondrosenflächen der Schambeine erzeugt
wird (Fig.102). Bedeutend mächtiger, bis zu 10mm,
ist das Bindegewebelager, welches an die Vorder-
fläche der Synchondrose grenzt und die über die
A Mitte der äusseren Fläche der vorderen Becken-
wand herablaufende Furche ausfüllt. Es verweben
edge sich hier mit der Beinhaut des Beckens die Inser-
mediale Sehne des M. reet. tionen der Bauchmuskeln und die Ursprünge der
abd. *der zwischen V dor- oberflächlichen Adductoren des Oberschenkels.
en Auf dem Mediandurchschnitte (Fig. 103) bietet
wio-prostatienm. die Bindegewebsmasse!) ein Bild, welches an
den Faserring der Wirbelsynchondrosen erinnert,
und sie besteht, gleich diesem, aus Schichten von alternirendem Verlauf,
jede im Allgemeinen schräg absteigend, aber die Richtung der vorherge-
henden unter spitzem Winkel kreuzend. Je näher aber dem unteren Rande
der Synchondrose, um so mehr nähert sich der Zug der Fasern der Trans-
versalen, bis sie endlich am unteren Rande der Synchondrose, am knöcher-
nen Schambogen, mit den transversalen Fasern der hinteren Fläche zusam-
menstossen. Im Verein mit diesen bilden sie ein querfaseriges Band, Lig.
Fis 103.
1 /
9% ap */
einmal bei einer 79jährigen Frau, welche 19 Kinder geboren hatte, die Symphysenknorpel
vollkommen frei, beweglich, von einer fibrösen Kapsel umschlossen, Die beiden Durch-
schnitte, welche Luschka (Virchow’s Archiv, Bd VII, S. 316) nebeneinanderstellt, um
die Veränderungen der Synchondrose durch die Schwangerschaft zu erläutern, zeigen eine
hinreichend auffallende Verschiedenheit; aber ich habe in der Leiche einer 30jährigen, acht
Tage nach der Entbindung gestorbenen Frau gerade die Form angetroffen, welche Luschka
als Typus der Synchondrose jungfräulicher Körper abbildet.
') Annulus ligamentosus Weitbr. Lig. annulare aut. Lig. pubis anterius Cruv.
1
120 Schambeinsynchondrose.
Lig. arenat, rcualum pubis!) (Fig. 104), welches in der Flucht der vorderen Becken-
pubis.
wand zwischen den den Schambogen begrenzenden Rändern der Scham-
Fig. 104.
Mittlerer Theil der vorderen Beckenwand, um die transversale Axe auf- und rückwärts ge-
dreht. Oae, Oae‘ medialer und lateraler Theil der Insertionssehne des M. obl. abd. ext.
Ra Mediale Sehne des M. rect, abd., sich fortsetzend in das äussere Blatt der Fascie des
C. cavernosum penis (**) und in die Fascie der Adductoren des Schenkels (***), * Lig,
pelvio-prostaticum, 1 V. dors. penis, 2 N. u. A. dorsalis penis, 3 C. cavernosum penis,
4 Harnröhre, Ic M. ischiocavernosus, sämmtlich quer durchschnitten.
beine ausgespannt ist und I" unter (hinter) dem Scheitel des knöcher-
nen Schambogens, mit leicht concavem, zugeschärftem Rande endet. Nur
der mittlere Theil dieses Randes ist frei und begrenzt von vorn und oben
her die Lücke, durch die die V. dorsalis penis (elitoridis) ins Becken ein-
tritt; seitlich hängt das Lig. arcuatum pubis mit dem Lig. pelvio-prostati-
cum und der Fascie des M. obturator int. zusammen.
Mit dem Gewebe der Schambeinsynchondrose variirt auch der Ge-
fässreichthum derselben. Von den Bindegewebsschichten der vorderen
Wand aus erstrecken sich Blutgefässe oft ziemlich tief nach hinten in die
elastischen Schichten, die den Raum zwischen den Knochen ausfüllen.
\) Lig. arcuatum inf. aut. Lig. annulare inf. M. J. Weber. Lig. pubis inf. Cruv.
Lig. pelvis ant, triangulare Bourgery.
Zur Aufstellung eines Lig. arcuatum sup. (L. annulare sup. M. J. Weber) hat ein
plattes, transversales und aufwärts convexes Faserbündel Anlass gegeben, welches über
die Synchondrose hinweg vom oberen Rande des einen Schambeins zum anderen verläuft.
Dies Bündel gehört der inneren Fascie der Bauchwand an; es ist der untere Theil eines
dreiseitigen Bandes, des sogenannten Zig. triangulare s. adminiculum lineae albae, welches
sich, aufwärts zugespitzt, in die Linea alba fortsetzt und bei den Bauchmuskeln zur Sprache
kommen wird.
Die Ligg. pubis enteriora cruciata Bourg. sind die auf die entgegengesetzte Körper-
seite übertretenden Sehnenbündel des M, rectus abdom.
Schambeinsynchondrose. 121
Die bewegliche Verbindung der Beckenknochen kann kaum einen anderen Er- Physiolog.
folg haben, als die Kraft der Erschütterungen, welchen das Becken ausgesetzt ist,
zu brechen. Auf die Dimensionen der Beckenhöhle hat sie keinen Einfluss. Denn
eine Erweiterung des Beckens könnte nur so zu Stande kommen, dass eine von
innen aus nach allen Seiten gleichmässig wirkende Gewalt die Knochen in den
3 Verbindungsstellen auseinander triebe, oder, was dasselbe ist, die Zwischenräume
zwischen ihnen vergrösserte. Dem steht aber, abgesehen von der geringen Dehn-
barkeit der Bandsubstanzen, der Mangel einer Einrichtung entgegen, wodurch der
leere Raum, der durch Entfernung der Beckenknochen von einander entstehen
müsste, ausgefüllt werden könnte. Die geringe Menge Fett hinter dem Tliosacral-
gelenk reicht dazu nicht hin und in der Umgebung der Schambeinsynchondrose
fehlt es ganz an leicht verschiebbaren Substanzen. So äussert sich auch die Be-
weglichkeit in den Beckengelenken und Synchondrosen an Leichen, und zwar
nicht bloss bei Schwangern und Wöchnerinnen, lediglich in einer Verschiebbarkeit
der Flächen aneinander, nach oben und unten oder nach vorn und hinten.
Das Lig. sacro -tuberosum trennt jederseits die Bucht der Seitenwand Beckenaus-
des Beckens (Ineisura sacro-ischiadica, Knochenl. $. 251) von dem Becken-
ausgang. Mit seinem unteren Rande, der indess gegen das Steissbein, wie
. erwähnt, vom M. coceygeus überragt wird, hilft das Lig. sacro-tuberosum
den Beckenausgang begrenzen, dessen Ränder demnach von den Sitzhöckern
vorwärts knöchern, von den Sitzhöckern rückwärts durch Weichtheile ge-
bildet sind, zwischen welchen das Steissbein in der hinteren Mittellinie einen
spitzen Vorsprung bildet (Fig. 99. 100).
Die Ineisura sacro-ischiadica wird in Verbindung mit dem oberen Forr. ischia-
Rande des Lig. sacro-tuberosum zu einem Loche, welches das Lig. sacro- Ser
spinosum in eine obere, grössere und untere, kleinere Abtheilung, Foramen
ischiadie. maj. und minus, scheidet (Fig. 99). An dem Becken, wie man es
gewöhnlich mit den Bändern zu trocknen pflegt, scheinen beide Abtheilungen
in die Beckenhöhle zu führen; in der That aber dient nur das Foramen
ischiadieum majus zur Verbindung der Beckenhöhle und insbesondere der
innerhalb derselben gelegenen Gefässe und Nerven mit den an der Aussen-
fläche der hinteren Beckenwand gelegenen Theilen. Das Foramen ischiadi-
cum minus ist gegen die Beckenhöhle durch die Fascie des M. obturator
int. abgeschlossen und die Gefässe und Nerven, welche zwischen dem Lig-
sacro-spinosum und sacro-tuberosum durchtreten, rückkehrende Zweige der
durch das For. ischiad. majus aus dem Becken hervorgetretenen Gefässe
und Nerven, finden ihre Verbreitung in der Seiten- und unteren Wand
des Beckens.
B. Hüftgelenk.
Das Hüftgelenk gehört zu den Arthrodien. Die Articulationsebene B. Hütt-
ist Theil einer Kugelfläche von 22”m Radius. Der Kopf des Schenkelbeins
(Fig. 105 auf folg. Seite) ist mehr als halbkugelich (Knochl. S. 255); die
Pfanne, wie sie am knöchernen Becken erscheint, misst in keinem Durch-
schnitt, der durch den Mittelpunkt der Kugel gelıt, mehr als 180°, in den
meisten weniger. Der Rand der knöchernen Pfanne aber wird von einem
Labr. gle-
noideum.
Lig. transv.
acetabuli.
122 Hüftgelenk.
weichen Saum umgeben, welcher, wie die fibröse Lippe des Schultergelenks,
mit Einer Fläche in der Flucht der inneren Oberfläche der Pfanne liegt und
so die Pfanne vertieit. Mit
diesem Saum stellt die Höh-
lung der Pfanne in einzel-
nen Durchschnitten einen
Bogen von mehr als 180° dar.
Die Lippe der Pfanne,
Labrum glenoideum '),
besteht aus Bindegewebs-
bündeln, welche grössten-
theils ringförmig um den
Rand der Pfanne verlaufen.
Sie erhält Verstärkung durch
Fasern, die von dem abge-
rundeten Vorsprung oder
Horn, in welches der über-
knorpelte Theil der Pfanne
nach hinten ausläuft, ent-
springen und in Form eines
platten Bandes über die In-
Frontalschnitt des Hüftgelenks, parallel den Fasern eisura acetabuli Mas, % ir
des Lig. teres (£f). o Lig. obturatorium. R,f la- Gegend des vorderen, spitzen
terale Ursprungssehne des M. rectus femoris. 20 Endes des überknorpelten
Zona orbieularis der Kapsel (s unten). 3 Fettpol- . 2 ER
ar der Hansa facetahele Theils der Pfanne sich erstre-
cken (Fig. 106). Man kann an
diesen Faserzügen eine ober-
flächliche, von der Pfanne aus sichtbare, und eine tiefe Lage unterscheiden.
Von der oberflächlichen Lage?) enden nur einige wenige der innersten
Fasern an der genannten Spitze; die meisten setzen, indem sie gegen den
Pfannenrand convergiren, ihren Weg nach aussen von demselben in die
Lippe fort. Die Fasern der tiefen Lage ?) befestigen sich unterhalb der
vorderen Spitze der knorplichen Pfanne an den Rand des For. obturatorium
und an den Anfang der Crista obturatoria (Fig. 107). Indem sie gegen den
vorderen Insertionspunkt sich zugleich etwas einwärts, nach der Beckenaxe
wenden, kreuzen sie unter sehr spitzem Winkel die Fasern der oberflächli-
chen Lage.
Der eben beschriebene, brückenförmig über die Incisura acetabuli
sich hinziehende Theil des fibrösen Pfannensaumes ist das sogenannte Lig.
fransversum acelabuli. Es wendet eine Fläche aufwärts, die zur Ver-
vollständigung der Pfanne dient, die andere Fläche abwärts; der eine Rand
sieht nach innen und begrenzt mit der Incisura acetabuli eine Lücke oder
Spalte, durch welche, in Fettgewebe eingehüllt, Blutgefässe in die Pfanne
eintreten; der andere Rand geht ohne Unterbrechung in die Lippe. über.
Y\ Lig. cotyloideo-fibrocartilagineum acetabui Meckel.
?) Lig. transversale int. Weitbr. Lig. labri cartilaginei int, Meckel.
®) Lig. transversale ext. Lig. labri cart. ext. M.
Hüftgelenk. 123
Die Breite des Lig. transversum, vom Rande der Pfanne gegen den
Grund derselben gemessen, beträgt 10". Die Breite der Lippe an den
übrigen Theilen des Randes variirt
zwischen 4 und 9mm, Sie ist am
grössten längs dem hinteren Rande
der Pfanne und am geringsten an der
Stelle, wo auch der knöcherne Rand
der Pfanne eingebogen ist, unterhalb
der Spina ant. inf. oss. ilium. Der
Rand erhält dadurch im Ganzen eine
wellenförmige Gestalt und die Pfanne
selbst eine ungleichmässige Tiefe.
Der Knorpelüberzug der Pfanne
hat 2mm Mächtigkeit; er verdickt
sich etwas gegen die Lippe und schärft
sich gegen die Fossa acetabuli mit
unregelmässig ausgebuchtetem Rande
zu. In die Lippe geht er an einzel-
nen Stellen glatt über, an anderen Stel-
len, und ganz ohne Regel, ist er von
ihr durch eine tiefe Furche, die bis
auf den Knochen gehen kann, ge-
k x schieden; die Furche wird zuweilen
Horizontalschnitt der Pfanne, untere Hälfte. -
Das Lig. teres (tf) an der Insertion in die gedeckt von einem platten, scharf-
Fossa capitis (Fe) getrennt, der Schenkel- randigen Saum, der sich von der
Kr ehe 1er? Lippe, eine Strecke. weit über den
Pfanne. 2 vorderes Ende. 3 Fettpolster Knorpel hinlegt. An der in die Pfanne
der Fossa acetabuli. schauenden Oberfläche sind die ring-
förmigen Faserzüge der Lippe be-
ständig von einer feinen Schichte radiär, d. h. vom freien Rande zur
Basis der Lippe verlaufender Bindegewebsbündel bedeckt. Diese Bündel
_ kleiden die Furche zwischen der Lippe und dem Rande des Knorpelüber-
zugs, wo eine solche besteht, aus, setzen sich dann auf die Oberfläche des
Knorpels fort und lassen sich zuweilen ziemlich weit in die Pfanne, bis
über das äussere Drittel, verfolgen. An der Fossa acetabuli dagegen ist
die Grenze zwischen Knorpel und Bindegewebe ganz scharf.
Die Fossa acetabuli enthält ein Fettpolster (Fig. 105. 106. 3), welches
locker und etwas verschiebbar vermittelst feiner Gefässe und Bindegewebs-
stränge mit seiner Unterlage zusammenhängt, am Rande aber meistens ganz
frei auf derselben liegt.
Nicht selten zieht eine Furche über den überknorpelten Theil der Pfanne
in der Nähe des vorderen Endes quer von der Fossa acetabuli zum Pfannenrande
und grenzt ein ungefähr kreisrundes Stück von der hufeisenförmigen Knorpel-
fläche ab. Sie erinnert an die Querfurche der Fossa sigmoidea der Ulna (s. oben
Seite 73). ;
Der Schenkelkopf hat hyalinischen Knorpel, welcher, wie auf allen
Gelenkköpfen, am mächtigsten in der Mitte ist (bis 4m) und gegen den
Rand sich zuschärft. Im Umkreise der Fossa capitis aber, bis auf etwa
3"m Entfernung von derselben, besitzt der Knorpel einen Ueberzug von
Fig. 106.
Lig. teres.
124 Hüftgelenk.
Bindegewebe, welches mit dem die Fossa capitis ausfüllenden Bindegewebe
und dadurch mit den Bindegewebsbündeln des Lig. teres in Zusammen-
hang steht.
Das Lig. teres ({f)!) trägt beide Namen mit Unrecht. Es ist weder
eylindrisch, noch ein Band im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern
eher den an beiden Enden angewachsenen Synovialfortsätzen vergleichbar.
Ob die Gefässe, die es führt, mit den Gefässen des Schenkelkopfes com-
municiren, oder nicht ?), immer ist es wesentlich Träger von Gefässen und
wie die Synovialzotten an der Absonderung der Gelenkflüssigkeit betheiligt.
Was seine Gestalt betrifft, so ist es platt oder dreiseitig prismatisch mit
einer sehr stumpfen Kante und liegt mit seinen Flächen der Articulations-
ebene parallel, zwischen dem Fett der Fossa acetabuli und dem Schenkel-
kopf (Fig. 105). In seiner einfachsten Form hat es spitzwinklich dreiseitige
Flächen; es tritt breit an der Lücke zwischen der Ineisura acetabuli und
dem Lig. transv. ins Gelenk und inserirt sich mit dem abgestutzten spitzen
Winkel an die Fossa capitis. Es füllt demnach die Fossa acetabuli nicht aus,
sondern lässt, je näher seiner Insertion am Schenkelkopf, um so mehr Raum
zu beiden Seiten frei (Fig. 106), in welchem es bei den Rotationen des Schen-
kels sich vor- und rückwärts bewegt. Die Lücke, welche zu den Seiten
des Lig. teres zwischen dem Schenkelkopf und dem Fett der Fossa aceta-
buli übrig bleibt, wird ohne Zweifel von Synovia erfüll. Die ebenbe-
schriebene einfachste Gestalt des Lig. teres wird indess vielfältig durch
Synovialfortsätze alterirt, welche bald scheidenartig die Basis oder Spitze
umgeben, bald in Form von Wülsten, Kämmen oder Zotten von den Flächen
oder Rändern ausgehen. Eine dünne, dehnbare Falte heftet die untere
Fläche des Bandes eine kürzere oder längere Strecke weit an das Fettpol-
ster der Fossa acetabuli.
Das Gewebe.des Lig. teres ist aussen fest, im Inneren locker, so dass
das Band im Querschnitt den Eindruck eines Hohleylinders machen oder,
wenn die lockere Partie sich dem einen oder anderen Rande nähert, sich
wie eine gefaltete Membran ausnehmen kann. Die äusserste Schichte ist,
wie bei den Synovialzotten, ein epitheliumartiges Lager von Kernen in
heller Substanz, die oberflächlichen plattrund, die tieferen stäbchenförmig
und zwar in der Richtung des Querschnittes des Bandes verlängert, die
oberflächlichsten gewöhnlich in rhombischen Plättehen eingeschlossen.
Unter den Kernen folgt Bindegewebe, aussen in verhältnissmässig dün-
ner Lage quer oder ringförmig und weiter nach innen in mächtigerer
Lage longitudinal angeordnet. Die Axe nehmen feine, netzförmig verbun-
dene Bindegewebsbündel ein mit weiten, hier und da Fett enthaltenden
Maschen. Die Blutgefässe liegen in dem festen Bindegewebe, die Stämmehen
in der Tiefe zwischen den longitudinalen Bündeln, die Aestchen meist quer
näher der Oberfläche. Die queren Bündel des Lig. teres grenzen nach
aussen an die Fasern desLig. transversum; von den longitudinalen Bündeln
entspringt die Hauptmasse am hinteren Rande der Ineisura acetabuli theils
Br Lig. rotundum Meckel. L. interarticulare Cruv.
) Nach Hyrtl (Top. Anat. Bd. II, S. 331) wenden die Arterien des Lig. teres an
der Einpflanzungsstelle desselben am Schenkelkopf schlingenförmig in Venen um.
Hüftgelenk. 125
von der Aussenfläche der Pfanne, theils aus der Kapsel und gelangt unter
dem Lig. transversum in die Gelenkhöhle; andere treten vom Lig. trans-
versum und von der vorderen Ecke der Incisura acetabuli hinzu.
Die Stärke des Lig. teres ist variabel; es kann durch eine Synovialfälte ver-
treten sein, die beim leichtesten Zug zerreisst (Cruveilhier). Fälle von ange-
borenem Mangel desselben hat Palletta gesammelt (Meckel’s Archiv, Bd. VI,
S. 341).
Die Kapsel des Hüftgelenks ist am Hüftbein dergestalt befestigt, dass
die Lippe fast ganz in die Gelenkhöhle mit aufgenommen wird. Nur der
unterste Theil des Pfannenrandes, der vom Lig. transversum gebildet wird,
setzt sich zuweilen eben. in die innere Oberfläche der Kapselmembran fort.
Am vorderen Rande der Pfanne entspringt die Kapsel von der äusseren
Fläche der Lippe in der Nähe ihrer Basis, am hinteren und oberen Rande
entspringt sie vom Knochen noch jenseits der Basis der Lippe. Ihre innere
Fläche aber liegt, so weit sie über die Lippe herabgeht, der äusseren Fläche
der letzteren genau an. Am Schenkelbein ist die Insertion der Kapsel
vorn eine Strecke weit durch die Linea obliqua bezeichnet; an der Wurzel
des grossen und kleinen Trochanters verlässt sie diese Linie und wendet
sich auf die Rückseite des Halses; auf dieser zieht sie etwas oberhalb der
Linea intertrochanterica und parallel derselben hin. Der Schenkelhals
liest demnach mit der vorderen Fläche ganz, mit der hinteren Fläche zum
grössten Theil innerhalb der Kapsel; die innerste Schichte der letzteren
schlägt sich glatt oder in Längsfalten !) an ihm hinauf (Fig. 106), um am
Rande des Kopfes mit dem Knorpelüberzug des letzteren zu verschmelzen.
Die innerste Schichte der Kapsel, abgesehen vom Epithelium, ist eine
dünne, aber sehr feste, für das blosse Auge gleichförmige Membran, in
welcher das Mikroskop parallel und zwar transversal oder ringförmig ver-
laufende, dicht neben einander geordnete Bindegewebsbündel nachweist.
Der grösste Theil dieser Membran ist äusserlich mit mächtigen, deut-
lich faserigen Bindegewebszügen belegt, die man, wenngleich sie sich
gegen die innerste Schichte nicht scharf abgrenzen, doch als besondere
Hülfs- oder Haftbänder auffassen kann. Es lassen sich kreisförmige, dem
Pfannenrande parallel verlaufende und longitudinale, vom Pfannenrande
zum Schenkel absteigende Bandmassen unterscheiden.
Die kreisförmigen Fasern, Zona orbicularis 2), sind am deutlichsten
in der unteren Wand der Kapsel, weil sie einestheils hier weniger von lon-
gitudinalen Fasern verdeckt werden und anderentheils, entsprechend der
tiefen Aushöhlung der unteren Fläche des Schenkelhalses, zu einem verhält-
nissmässig dickeren und schärfer begrenzten Wulst angehäuft sind, der den
Hals eng umschliesst. Dieser Wulst (Fig. 105) nimmt etwa das mittlere Drittel
der Höhe der unteren Kapselwand ein; zwischen seinem oberen Rande und
der Pfanneninsertion, sowie zwischen seinem unteren Rande und der Schen-
kelbeininsertion der Kapsel (Fig. 107) kommen nur platte und zerstreute
\) Retinacula s. plicae s. frenula capsulae,
*) Ich behalte diesen von E. Weber eingeführten Namen bei, obgleich die Zona or-
bieularis nach meiner Beschreibung nicht ganz mit der von Weber übereinstimmt. Weber's
Zona orbieularis (Lig. zonale Arn. Lig. annulare femoris H. Meyer) geht nämlich von
der Spina ant. sup. oss. ilum aus und kehrt wieder zu derselben zurück.
Kapsel.
Zona orbie.
126 Hüftgelenk.
transversale Bindegewebsbündel vor. Von der unteren über die vordere
Fig. 107.
a
/,
N,
| N
Hüftbein um die verticale Axe etwas rückwärts, um die transversale aufwärts gedreht.
Schenkelbein mit der vorderen Fläche lateralwärts gedreht und abdueirt. o Lig. obturato-
rium. ta Lig. transv. acetab. *** Hintere Wand des Schleimbeutels des M. iliopsoas.
Ip‘ Tiefer Kopf dieses Muskels. Rf Lateraler Kopf des M. recetus femoris # M. ext. qua-
driceps. **, *Dünne Stellen der unteren Kapselwand. Trmj, Trm Troch. maj. u. minor.
und obere Wand der Kapsel heraufsteigend, breiten sich die ringförmigen
Fasern gleichmässiger aus, und werden auch innerhalb der Dieke des Ban-
des durch die longitudinalen Fasern, die sich zwischen sie eindrängen,
mehr vertheilt; doch bilden sie auch nochin der oberen und hinteren Wand
der Kapsel in der Nähe ihrer Schenkelbeininsertion eine nach innen vor-
ragende Verdickung.
Longitudi - Die longitudinalen accessorischen Fasern entspringen mit der Kapsel
»ale Bänder im ganzen Umfang der knöchernen Pfanne; sie fehlen nur dem vom Lig.
transversum ausgehenden Theil der Kapsel; sie verhalten sich aber ver-
schieden in Bezug auf ihre Endigung und ihre Stärke. Die meisten gehen
zwischen den ringförmigen Fasern hindurch an das Schenkelbein; eine
kleine Zahl endet in dem ringförmigen Faserwulst. Es giebt also Partien
der Kapsel, welche garz gleichförmig von Längsfasern bedeckt sind, an-
dere, in welchen die Längsfasern unterhalb der Zona orbieularis, andere
endlich, in welchen die Längsfasern ober- und unterhalb der Zona orbi-
eularis fehlen.
Lig. ischio- In der Zona orbicularis enden die longitudinalen Fasern, Lig. ischro-
eapsulare. Camsulare Barkow, welche an dem Theil des Pfannenrandes, den das
Hüftgelenk. 127
Sitzbein trägt, insbesondere aus der Rinne unterhalb der Pfanne (Knochen-
lehre, Fig. 238 *)
ihren Ursprung neh-
men. Sie sind von
mässiger Stärke(3"m)
und von horizontalem
Verlauf, gleich den
Fasern des M. obtu-
rator int., von wel-
chen sie bedeckt wer-
den (Fig. 107.108).
Unmittelbar an das
Lig. ischio-capsulare
schliessen sich die
° hintersten Fasern
des Bandes an, wel-
ches vom Darm-
beintheil des Pfan-
nenrandes ausgeht,
des Lig. deo- fe-
Hüftbein im Profil, äussere Fläche. Schenkelbein etwas ge- morale Bark. Die
beugt und einwärts rotirt. 7Trm Troch. min. Rf Sehnen Mächtigkeit dieses
des M. rect. femoris, Oi, Oe des M. obt. int. u. ext., Gmd, Binde
@mi des Glut. med. und minimus. \ 5
nimmt bis
unter die Spina ant.
sup. oss. il. langsam
zu, dann rasch ab; unter der genannten Spina erreicht es die bedeutende
=
|
Hüftgelenk von vorn. Rf, Ip, Gmi, E wie in Fig. 107 und 108.
Lig. ileo-
femorale.
128 Hüftgelenk.
Stärke von 14”m 1), der zwischen der Spina und der Eminentia ilio-pectinea
gelegene Theil der Kapsel, der die hintere Wand des Schleimbeutels des M.
Tliopsoas (Fig. 107. 109***) trägt, ist kaum stärker, als die untere Kapselwand
dies- und jenseits der Zona orbicularis. An der Vorderfläche der Kapsel ist
das Lig. ilio-femorale von einer feinen Lage ringförmiger Fasern bedeckt.
(Fig. 109 20); zwischen den hintersten Faserbündeln desselben treten in der
Nähe der Pfanneninsertion die Bündel der lateralen Sehne des M. rectus fe-
moris hervor, welche sich nach Ursprung und Verlauf als freigewordene
ringförmige Fasern der Kapsel betrachten lassen (Fig. 108). Abwärts gegen
die Schenkelbeininsertion divergiren die oberflächlichen Bündel des Lig. ileo-
femorale; die einen ziehen lateralwärts gegen das obere Ende der Linea
oblig., femoris, die anderen medianwärts, zur Wurzel des kleinen Trochanter ;
zwischen beiden Faserzügen entsteht eine dreiseitige, aufwärts zugespitzte
Lücke, die von den tieferen Faserbündeln ausgefüllt wird. Von den lateralen
Faserzügen setzen sich einzelne in die Streckmuskeln des Unterschenkels
fort, andere (Fig. 109if') lösen sich ab, um in die Sehne des M. gluteus minor
überzugehen, die dafür wieder an tieferer Stelle Bündel an die Kapsel abgiebt.
Lig. pubo- . Unter dem Namen Lig. paubo-femorale fasse ich eine Anzahl longi-
en tudinaler, gegen die Kapsel convergirender Fascikel zusammen, welche
vom Schambein abstammen. Das erste ist eine Fortsetzung der Fascia
iliaca und geht von der Eminentia ileo-pectinea, an welcher diese Fascie
Fig. 110.
ml
&
Ise
Vordere Beckenwand mit dem oberen Ende des Schenkelbeins. Co Can. obturator.
Pe M. pectineus. /p M. iliopsoas. Oe M. obturat. ext. AZ M. adduetor longus.
Am M. adductor magnus. Qf M. quadrat. femoris. G mi M. gluteus min,
\) Die an der Spina ant. inf. entspringenden Faserzüge des Lig. ileo- femorale sind
E Webers Zig. superius.
Hüftgelenk. 129
angewachsen ist, zwischen M. iliopsoas und pectineus in die Tiefe zur Kapsel
(Fig. 110pf). Ein zweites Fascikel!) entspringt unterhalb des M. pectineus
von der ganzen Crista obturat.; es besteht aus mehreren Blättern, welche
Fett zwischen sich schliessen, und vereinigt sich jenseits des M. pectineus,
d. h. neben dessen lateralem Rande mit dem ersten Fascikel (pf“). Das
dritte 2) ist ein vom oberen Schambeinast entspringender und vor der oberen
Spitze des For. obturatorium vorüberziehender platter Sehnenstreifen, dessen
medialer Theil einem Kopf des M. obturat. ext. zum Ursprunge dient (pf”).
Die unteren Ränder der Lig. ilio-femorale und pubo-femorale spannen
sich bei der Abduction des Schenkels wie zwei Pfeiler an der unteren Fläche
der Kapsel, um von vorn und hinten den dünnwandigen Theil derselben
zu begrenzen. Einzelne longitudinale Fasern werden indess auch diesem
Theile zugeführt durch unregelmässige und variable Bandstreifen 3), die aus
der Membrana obturat. sich ablösen (Fig. 110 *). Sie bedecken und durch-
ziehen die Fettmassen, welche unterhalb der Incisura acetabuli angehäuft
sind und die Blutgefässe durch diese Incisur in die Pfanne begleiten.
In einzelnen Fällen steht die Hüftgelenkkapsel zu dem Schleimbeutel
des M. iliopsoas (Fig. 111***) in einem ähnlichen Verhältniss, wie die Kapsel
Best des Schultergelenks zu der
* Bursa synov. subscapula-
ris. In der Wand, welche
Kapsel und Schleimbeu-
tel von einander trennt,
findet sich eine Lücke,
durch welche die beiden
Höhlen communiciren.
Der Schleimbeutel wird
dadurch zu einem Behäl-
ter für die Synovia, der
sich von der Gelenkhöhle
aus füllen und entleeren
kann. Immerhin ist eine
solche Einrichtung eine,
nach meinen Erfahrungen
wenigstens, seltene Aus-
nahme. Einigermaassen
wird indess der Zweck,
der Synovia einen Aus-
weg zu verschaffen, schon
Durchschnitt des Schenkelhalses und der Kapsel mit dadurch erreicht, dass die
den dieselbe umgebenden Muskeln, parallel dem Pfan- 4 h f
nenrande und dicht unterhalb desselben. Gmd, Gmi Gelenkhöhle nur mittelst
M. gluteus medius und min. O0; M. obturat. int O0e einer dünnen und nach-
M. obt. ext. Qf/ M. quadr fem. 7p M. iliopsoas. *** 1 -
Schleimbeutel desselben. Rf M. rect,. fem. St M. se- gina Wand gegen den
mitendinosus. Bf M. biceps und semimembranosus. Schleimbeutel abgegrenzt
» Lig. pubo-femorale Barkow.
2) Membrana obturatoria ext. R. Fischer. Petit ligament anter. Vinson (De la hernie
sous-pubienne. Paris 1844).
5) Fasciculi accessorü Barkow.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 9
Synovial-
tasche.
Synovial-
fortsätze.
Physiologi-
sche Bemer-
kungen.
130 Hültgelenk.
ist. Als Reservoir für Synovia können auch die dünnwandigen, leicht
dehnbaren und äusserlich nur von Fett bedeckten Gegenden der unteren
Wand der Kapsel dienen. Gegen Zerreissung und äussere Gewalt sind
die dünneren Stellen der Kapsel durch Muskeln geschützt, die über sie hin-
gehen und gemäss der Richtung ihrer Fasern die longitudinalen Bandfasern
ersetzen. So verhält sich an der oberen dünnen Stelle der Kapsel der M.
iliopsoas und insbesondere sein tiefer, am Pfannenrande entspringender
Kopf, an den unteren dünnen Stellen der M. obturator ext., der ganz dazu
bestimmt scheint, beim aufrechten Stehen den Hals des Schenkelbeins zu
unterstützen (Fig. 111).
An Synovialfortsätzen besitzt das Hüftgelenk, ausser dem Fettpolster
der Fossa acetabuli und den bereits erwähnten Anhängen am Lig. teres,
noch eine Anzahl in der Umgebung des Schenkelhalses. Sie hängen theils
in Form von breiten Lappen von den Längsfalten der Kapselbekleidung des
Halses herab, theils spannen sie sich, parallel diesen Falten, als platte,
strangförmige Brücken über die Einbiegung des Halses (Fig. 106). Feinere
Synovialzotten besetzen einzeln oder dichtgedrängt die innere Oberfläche
der Kapsel und verleihen ihr stellenweise ein sammetartiges Ansehen.
Die Hüftgelenkpfanne, in Verbindung mit ihrer Lippe, und der Schenkelbein-
kopf bilden eine Varietät des Kugelgelenks — die einzige in ihrer Art am mensch-
lichen Körper —, die man in der Mechanik mit dem Namen Nussgelenk bezeich-
net. Die Pfannenmündung ist kleiner als ein grösster Kreis der Kugel!) und
würde, wenn die Pfanne ganz aus starrem Material gebildet wäre, den Kopf ohne
jede andere Beihülfe zurückhalten. Es ändert nichts, wenn der Rand hier und da
eingeschnitten ist, so dass einzelne, durch den Mittelpunkt geführte Durchschnitte
weniger als einen Halbkreis umfassen. Die Pfanne des Hüftgelenks besteht aber
nieht ganz aus starrem Material und gerade der Rand, der sich um den Gelenk-
kopf zusammenschliessen soll, ist aus einem verhältnissmässig weichen Faserge-
webe gebildet; dass die Elasticität dieses Gewebes nicht zureicht, um das frei her-
abhängende Bein in der Pfanne zurückzuhalten, haben die Brüder Weber bereits
gezeigt (Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge, Göttingen 1836, S. 130 u. ff.).
Aber schon das Gewicht des von allen Muskeln entblössten und unter dem oberen
Drittel durchsägten Schenkelbeins genügt, um die Lippe so zu erweitern, dass der
Kopf, wenn er nicht anderweitig unterstützt ist, aus der Pfanne herausfällt, und
ebenso bedarf es auch nur eines leisen Drucks, um ihn durch die relativ enge
Oeffnung in die Pfanne znrückzuführen.
So hat also das Hüftgelenk zwar die Form einer Nuss, aber doch nicht deren
mechanische Bedeutung. Die Lippe ist nur als ein Ventil zu betrachten, welches,
indem es den Schenkelhals fest umgiebt, das Eindringen von Flüssigkeiten oder,
wenn die Kapsel geöffnet worden, von Luft zwischen die Flächen des Kopfs und
der Pfanne verhindert. Was Kopf und Pfanne in dauernder Berührung und den
Schenkel in der Pfanne schwebend erhält, ist, wie ebenfalls die Versuche der
Brüder Weber gelehrt haben, der Druck der atmosphärischen Luft. Doch bedarf
dies noch einer näheren Erläuterung. Wird die Wirkung des äusseren Luftdrucks
(durch Anbohrung der Pfanne von innen) aufgehoben, so sinkt der Kopf in der
Kapsel herab. Bringt man aber alsdann den Schenkel in die gestreckte Lage, in
der er sich z. B. beim aufrechten Stehen befindet, so wird durch die Spannung
des Lig. ilio-femorale der Kopf wieder in die Pfanne hineingezögen und kömmt
!) Ich finde den Radius eines durch die vorragendsten Punkte des Pfannenrandes ge-
legten Kreises um fast 2mm kleiner als den Radius des Schenkelbeinkopfs.
Hüftgelenk. 131
mit ihr wieder in innige Berührung. Die Hülfe, die der Luftdruck leistet, um den
gegenseitigen Contact der Gelenkflächen zu erhalten, macht sich also nur bei ge-
bogener Haltung des Schenkels kenntlich. Uebrigens ist auch die Verlängerung,
welche die Kapsel des gebeugten Gliedes, wenn der Schenrkelkopf in der Pfanne
herabgleitet, theils durch Ausgleichung ihrer Falten, theils durch wirkliche Deh-
nung erfährt, nur eine sehr geringe. Sie beträgt nicht leicht mehr als 5mm und
da sie nicht einmal gerade nach unten, sondern ab- und seitwärts erfolgt, so ist
kaum anzunehmen, dass sie am lebenden Menschen eine merkliche und messbare
Verlängerung der Extremität zur Folge habe. Verlängerung des gestreckten
Schenkels durch Erguss zwischen Pfanne und Kopf ist bei unversehrten Bändern
und unvermindertem Volumen des Kopfes eine Unmöglichkeit. Vielmehr liefert
die Fähigkeit, den Schenkel zu strecken, im besonderen Falle den Beweis, dass
Kopf und Pfanne in Contact gebracht werden können. In keiner Stellung gestattet
die Kapsel dem Schenkelkopfe, sich so weit nach unten zu entfernen, dass dadurch
das Lig. teres gespannt oder auch nur ganz aus seiner Grube hervorgezogen
würde.
Die abwärts geneigte Lage der Pfannenmündung, wie sie aus dem Frontal-
schnitt (Fig. 105) erhellt, bewirkt, dass in aufrechter Stellung der grössere Theil
der Pfannenoberfläche auf dem Schenkelbein ruht und von demselben getragen wird.
Die Excursion der Bewegungen im Hüftgelenk haben die Brüder Weber
durch Messungen bestimmt. Der Umfang der Beugung und Streckung betrug
an der Leiche 139°, am Lebenden im Mittel nur 86°; der Umfang der Adduction
oder Abduction betrug 90°, der Rotation 51°. Die beiden letzteren Arten der
Bewegung wurden in halbgebogener Lage des Schenkels gemessen; ihr Umfang
wird um so geringer, je mehr das Glied im Hüftgelenk gestreckt wird, und in
völliger Streckung, wenn das auf den Schenkeln ruhende Becken durch die an
der Hinterseite desselben gelegenen Muskeln rückwärts gezogen wird, schliesst
die Spannung des Lig. ilio-femorale jede andere Bewegung aus.
Dass das Lig. teres in die Bewegungen des Hüftgelenks irgendwie hemmend
eingreife, muss ich bestreiten. Es wäre wunderbar, wenn die Natur ein so ge-
fässreiches Gebilde zu einem Dienst bestimmt haben sollte, in welchem es noth-
wendig Dehnung und Zerrung erfahren muss, während doch sonst überall Vorsorge
getroffen ist, dass die Blutgefässe von der Compression wie von der Spannung
einzelner Körpertheile unberührt bleiben. Nun ist zwar das Lig. teres in der
Regel stark genug, um, wenn alle übrigen Bänder getrennt sind, den Schenkel-
kopf und die Pfanne in Verbindung zu erhalten und um sich, bei gestreckter
Lage des Schenkels im Hüftgelenk, der Adduction des Schenkels zu widersetzen.
Aber so lange die Kapsel unverletzt ist, wird es nicht in dieser Weise benutzt,
und es gehört gerade zu den Aufgaben des Lig. ilio-femorale, die Annäherung
des gestreckten Schenkels an das Becken oder des Beckens an den gestreckten
Schenkel zu hemmen, bevor das Lig. teres in Anspruch genommen wird. Wenn
man Becken und Schenkelbein in ihrer natürlichen Verbindung durch einen fron-
talen Schnitt in eine vordere und hintere Hälfte theilt, so ‘dass die hintere Hälfte
das ganze Lig. teres enthält, so lässt sich in dem vorderen Segment das Schenkel-
bein nicht weiter oder kaum so weit adduciren, als im hinteren. Legt man den
Kopf des Schenkelbeins und die Schenkelbeininsertion des Lig. teres an einem
sonst unversehrten Hüftgelenk von der Beckenhöhle aus bloss, so kann man sich
überzeugen, dass keine einzige Bewegung des Schenkels zu einer eigentlichen
Anspannung des Lig. teres führt, und die Bewegung, bei der es am meisten ge-
streckt wird, wenn man nämlich durch Adduction des Schenkels die Fossa capitis
nach oben führt, kann nach Durchschneidung des Lig. teres nicht weiter geführt
werden als vorher. Es ist darnach kaum noch nöthig, auf die Fälle hinzuweisen,
wo bei angeborenem Mangel des Lig. teres die normale Beweglichkeit des Hüft-
gelenks bestand oder wo sich dieselbe in normaler Weise wiederherstellte nach
Einrichtung von Luxationen, die nicht ohne Zerreissung des Lig. teres geschehen
konnten.
©. Knie-
gelenk.
Gelenk-
flächen.
132 Kniegelenk.
Der genaue Schiuss des Randes der Kapsel um den Schenkelkopf und die
Mächtigkeit der Kapsel machen bei dem Hüftgelenk die Vorrichtungen überflüssig,
die an anderen Gelenken getroffen sind, um die Kapsel vor Einklemmuug zu
schützen. Bei den Bewegungen des Hüftgelenks wird die Kapsel an der Seite,
an welcher sie erschlafft, nur wellenförmig gefaltet oder leicht gekräuselt. Doch
ist mit der hinteren Kapselwand der M. gluteus minimus straff genug verbunden,
um sie bei seinen Bewegungen nach sich zu ziehen. Und wenn das Lig. teres
einen mechanischen Effect hat, so ist es der, dass es bei den Bewegungen, bei
welchen es gestreckt wird, vermittelst der Fasern, die es aus der Kapsel bezieht,
die letztere enger an den Schenkelhals heranzieht.
C. Kniegelenk.
Im Kniegelenk artieuliren das Schenkelbein, die Tibia und Patella,
alle drei durehaus mit hyalinischem Knorpel bekleidet, welcher die bedeu-
tende Mächtigkeit von 4”® (auf der Tibia ausnahmsweise sogar 5mm) er-
reicht, auf dem Schenkelbein häufig etwas schwächer ist als auf den beiden
anderen Knochen, und auf allen gegen den Rand sich verdünnt.
Die Flächen, mit welchen das Schenkelbein an dem Gelenk Antheil
nimmt, sind bereits im osteologischen Theile (S. 257) beschrieben. Dort
wurde auch schon der Firste gedacht, welche den zur Aufnahme der Pa-
tella bestimmten vorderen Theil der Gelenkfläche des Schenkelbeins von
den Gelenkfiächen der Condylen trennt, die auf der Tibia ruhen. An dem
frischen Knorpel tritt diese Firste dadurch deutlicher hervor, dass sich hin-
ter derselben jederseits
ein mitunter ziemlich tie-
fer Eindruck befindet von
dreiseitiger Form, breit
am Seitenrande der Gelenk-
fläche beginnend, mit der
Spitze ein- und etwas rück-
wärts gegen die Fossa in-
ter - condyloidea gerichtet.
Es sind Abdrücke der so-
gleich zu beschreibenden
Bandscheiben, und zwar
bezeichnen sie die Regio-
nen der Gelenkflächen,
Sagittaldurchschnitt des gestreckten Knies durch den die sich beim aufrechten
medialen Condylus. Mm Mediale Bandscheibe. Sm Stehen mit dem vorderen
Sehne des M. semimembranosus. Bsm Bursa synov. E ‚
seınimembranosa, ?p Plieca synov. patellaris. Ende der Bandscheiben in
Berührung befinden (Fig.
1129).
\) Die Unebenheit, welche der mediale Condylus in Folge des Abdrucks der Band-
scheibe zeigt, hat H. Meyer (Müll. Arch. 1853, S. 500) veranlasst, dem Kniegelenk
einen complieirteren Bau, dem medialen Condylus eine besondere Rotations - Gelenkfläche,
dieser Fläche eine besondere Axe zuzuschreiben, die von M. sogenannte schiefe Axe des
Kniegelenks, um welche der Unterschenkel im letzten Moment der Streckung lateralwärts
rotiren soll. Es ist übersehen, obschon die Zeichnung (Taf. XVI, Fig. 1. b) es angiebt,
Kniegelenk. 133
Die Congruenz der vorderen Gelenkfläche des Schenkelbeins und der
Gelenkfläche der Patella ist insofern unvollkommen, als gewisse Regionen
Fie. 113. der letzteren von der Berüh-
IN rung mit der ersteren bestän-
dig ausgeschlossen sind und
als bei gewissen Stellungen
des Gelenks beide Flächen
sich so verschieben, dass von
jeder ein Theil frei liegt.
So weit aber die Flächen
auf einander zu gleiten be-
stimmt sind, schliessen sie
sich vollkommen genau an
einander. — Nicht zur Ar-
ticulation mit dem Schenkel-
bein bestimmt ist ein Feld
Sagittaldurchschnitt des gebeugten Kvies durch I
den lateralen Condylus, MI Laterale Bandscheibe. der Patella, welches das Be
Bp Bursa synoy. poplitea. 4tf Articulatio tibio- tere Viertel der hinteren
fibularis, Pp s. Fig. 112. Fläche einnimmt, durch eine
stumpfe quere Firste nach
oben abgesetzt und leicht abwärts geneigt ist.
Es wird von unten her durch eine fettreiche Sy-
novialfalte (Fig. 112. 113. Pp) gedeckt, die
aber jene stumpfe Firste in der Regel nicht er-
reicht.
Der über der Firste gelegene, grössere Theil
der hinteren Fläche der Patella ist von oben nach
unten leicht concav, von einer Seite zur anderen
stark convex. Jener Concavität entspricht die
Wölbung des Schenkelbeinkopfs, jener Convexi-
tät die mittlere Rinne des letzteren. Die Arti-
culation gehört demnach zu den Sattelgelenken;
man erhält davon das deutlichste Bild, wenn man
ein im rechten Winkel gebogenes Knie frontal
und etwa durch die Mitte des verticalen Durch-
Frontalschnitt eines im rechten messers der Patella durchschneidet (Fig. 114).
Winkel gebeugten Kniegelenks Diese Stellung nämlich ist es, in welcher die
vordem vorderen Randeder Fossa „ssedehnteste Berührung beider Gelenkflächen
intercondyloidea des Schenkel
ann. stattfindet. In gestreckter Haltung geht die
Patella nicht nur mit ihrem oberen Rande
über den oberen Rand der Gelenkfläche des Schenkelbeins hinauf, sondern
Ani.
D
dass auf dem lateralen Condylus der gleiche, wenn auch kleinere Eindruck sich findet.
Dass die hinteren Enden der Bandscheiben nicht in gleicher Weise sich abdrücken, hat
seinen Grund nicht, wie man etwa vermuthen könnte, in grösserer Belastung des vorderen
Theils der Condyleu, sondern in der bedeutenderen Mächtigkeit und Spannung der hinteren
Kapselwand, die sich vom Rande der Bandscheibe an straff über die Gelenkfläche des
Schenkelbeins heraufzieht, während das weiche Fett vor dem vorderen Rande der Band-
scheibe leicht ausweicht.
Band-
scheiben.
134 Kniegelenk.
überragt auch den medialen Rand der letzteren mit einem schmalen Streifen,
der sich nicht selten durch eine schwache
verticale Kante lateralwärts abgrenzt (Fig.
115). Wird dagegen die Beugung des Knies
über einen rechten Winkel hinaus fortgesetzt,
so kommt der grösste Theil der Patella der
Fossa intercondyloidea des Schenkelbeins ge-
genüber zu liegen. Dabei rückt die Patella,
je mehr das Knie gebogen wird, um so
mehr gegen den lateralen Rand des Schen-
kelbeins und im Extrem der Beugung stützt
sich die unterhalb der transversalen Firste
Horizontaldurchschnitt des gestreck- befindliche, abwärts geneigte Partie der
ten Kniegelenks durch die Mitte „interen Fläche der Patella, sammt dem
der Höhe der Patella, 2 ? 5 R
Lig. patellae inf., auf die obere Fläche der
Tibia, von der sie jedoch durch das in die
Fio. 116, Gelenkhöhle hinein-
gezogene Fett der
vorderen Region des
Gelenks geschieden
bleibt (Fig. 116).
Die Krümmung
der Condylen im sa-
gittalen Durch-
schnitt entspricht
in dem convexeren,
beim aufrechten Ste-
hen frei nach hinten
schauenden Theile
einem Radius von
l7mm; der Krüm-
mungshalbmesser
wächst nach vorn
Mittlerer Sagittaldurchschnitt des Kniegelenks in extremer ES, =
Beugung. ca,cp Lig. eruciat. ant. u. post. Pp Plica synov. allmälig bis auf 55"m
patell. Zp Ligament derselben. pi Lig. patellare inf. Bsp (E. Weber).
Im
Bursa subpatellaris.
frontalen Durch-
schnitt (Fig. 117)
zeigt sich der laterale Condylus bedeutend stärker gewölbt als der mediale;
an jenem ist die Krümmung fast gleich der Krümmung des sagittalen Durch-
schnitts des Condylus, so dass der Theil der Gelenkfläche des Schenkel-
beins, der in gebeugter Haltung des Gliedes auf der lateralen Endfläche
der Tibia steht, einem Kugelabschnitt nahe kommt. Die Krümmung des
medialen Condylus entspricht im Frontalschnitt einem Radius von 60 bis
70mm; gegen den medialen Rand wird sie etwas stärker.
Die oberen Gelenkflächen der Tibia sind in jeder Richtung flacher als
die Gelenkflächen der Condylen des Schenkelbeins, und in der Nähe des
Randes sogar meistens etwas nach aussen abhängig. Zur Ausgleichung
der Incongruenz dienen zwei platte Bandscheiben, Meniscus medialis
Kniegelenk. 155
und M. /ateralis!), von halbmond- oder sichelförmiger Gestalt, welche die
äussere Zone einer jeden der beiden überknorpelten Flächen decken und nur
je ein rundes oder elliptisches, mit dem grössten Durchmesser transversal
gestelltes Feld zunächst der Eminentia intercondyloidea frei lassen (Fig.
118. 119 a. f. S). Der äussere Rand dieser Bandscheiben ist convex, dem
Fig. 117. der
entsprechenden Gelenkfläche der Tibia
parallel und dick (6 bis 7mm hoch);
ihr innerer Rand ist concav, oft etwas
N -
a
Umfange des äusseren Randes
Oo
Er Ms
unregelmässig, feinzackig oder gekerbt
und so zugeschärft, dass die obere
Fläche der Bandscheibe ohne merk-
lichen Absatz in die obere Fläche
der Tibia ausläuft und beide Flächen,
so weit sie frei liegen, eine ununter-
brochene, der Wölbung des Schen-
kelbein-Condylus entsprechende Aus-
höhlung darstellen; die untere Fläche
der Bandscheiben ist flach oder leicht
convex oder auch ausgehöhlt, je
nach der Form des Theils der End-
fläche der Tibia, von der sie getragen
wird.
Die Bandscheiben bestehen bis dicht unter die Oberfläche aus Binde-
gewebe, dessen Bündel hauptsächlich horizontal und bogenförmig, den
Rändern parallel, verlaufen. Ein verticaler, concentrisch mit dem Rande
geführter Schnitt zeigt nur longitudinale Bindegewebsfasern; ein verticaler
Durchschnitt in der Richtung der Radien zeigt Querschnitte von Bindege-
websbündeln, in gröbere Bündel geschieden durch longitudinale Faserzüge,
welche theils radiär, theils durch die Dicke der Scheibe verlaufen. In der
Nähe des äusseren Randes weicht die dichte Fasermasse in zwei Lamellen
auseinander, zwischen welchen, in lockerem Gewebe, die Gefässe eintreten.
Die Oberfläche überzieht eine 0,1"” mächtige Membran, die den Charakter
des Bindegewebsknorpels zeigt, eine feine, wellenförmig gefaserte, in Essig-
säure quellende Substanz mit meist vereinzelten, kuglichen Knorpelzellen.
Die bogenförmigen Fasern der Bandscheiben entspringen und enden
am Knochen, so zwar, dass die Insertionen der medialen Bandscheibe die
der lateralen umfassen oder. mit anderen Worten, das vordere Ende der
medialen Bandscheibe vor dem vorderen Ende der lateralen, das hintere
Ende der medialen hinter dem hinteren Ende der lateralen an der Tibia
befestigt ist (Fig. 118 u. 119 auf folg. Seite). Die vorderen Insertionen
beider Bandscheiben ?) werden durch den Ursprung des Lig. ceruciat. ant.
von einander getrennt; die hinteren Insertionen der Bandscheiben 3) gren-
zen unmittelbar an einander, indem der Ursprung des Lig. eruciat. post.
hinter der hinteren Insertion der medialen Bandscheibe liegt.
Frontaldurchsehnitt des gestreckten Knies
vor der Fossa intercondyloidea des Schen-
kelbeins. Zp Lig. plicae synov. pat. quer
durchschnitten.
\) Cartilagines falcatae s. faleiformes s. semilunares s. lunatae. Fibrocartilagines falcatae
(Krause).
2?) Ligg. cartilag. semilun. anteriora. ®) Ligg. cartil. semilun, posteriora.
136 -Rniegelenk.
Die laterale Bandscheibe ist mit dem vorderen Ende in einer Grube
dicht vor der Eminentia intercondyloidea befestigt; ihre hintere Anheftung
Fig. 118. Fig. 119.
Oberes Ende der Tibia mit den Bandscheiben. Fig. 118 von vorn, Fig. 119 von hinten,
ca, cp Lig cruciat. ant. u. post.
ist in zwei Zipfel getheilt, von welchen der schwächere an der medialen,
der stärkere an der lateralen Zacke der Eminentia intercondyloidea fest-
sitzt. Die Fasern dieser Bandscheibe beschreiben demnach fast eine Cir-
keltour, die nur durch die Em. intercondyl. unterbrochen ist.
Die mediale Bandscheibe greift mit ihrer vorderen Insertion über den
Rand der Gelenkfläche und selbst über den vorderen Rand der Endfläche
der Tibia hinaus auf die Vorderfläche dieses Knochens, an deren oberem
Rande die Fasern fächerförmig ausgebreitet sich inseriren. Die hintere
Insertion entfaltet sich zu einer deutlich querfaserigen, die abhängige vor-
dere Wand der Fossa intercondyloidea post. bekleidenden Membran. Auf
die mediale Bandscheibe passt am ehesten die Bezeichnung halbmondförmig,
doch ist sie in der Regel in der Nähe der abgerundeten hinteren Spitze
am breitesten (17”®) und verschmälert sich nach vorn. Die laterale Band-
scheibe gleicht mehr einem platten, nicht völlig geschlossenen Ring und
. hat überall ziemlich gleiche Breite (13mm),
ee In den rauhen Gruben, welche die beiden Gelenkflächen der Tibia
von einander trennen, vor und hinter der Eminentia intercondyloidea, haften
ausser den Bandscheiben zwei starke, für den Mechanismus des Kniege-
lenks wichtige Bänder, die bereits genannten Ligg. erueiata 1). Indem die-
selben vom Boden der Gelenkhöhle zur Fossa intereondyloidea des Schen-
kelbeins schräg aufsteigen, indem sie durch lockere Bindegewebslagen,
welche Fett und zuweilen auch geschlossene kleine Schleimbeutel enthalten,
unter sich und mit der hinteren Kapselwand verbunden sind, vervollstän-
digen sie die schon in der Eminentia intercondyloidea der Tibia angedeu-
tete sagittale Scheidewand, welche die hintere Hälfte der Höhle des Knie-
gelenks in eine rechte und linke Kammer theilt.
') LI. interossea Cruv. LI. obligua Sharpey.
N
Kuiegelenk. 137
Das Lig. erueialum ant. bildet den grössten Theil des wulstigen
vorderen Randes dieser Scheidewand. Gedeckt von der vorderen Insertion
Fig. 121.
Profil des Kniegelenks, der mediale Condylus durch einen sagittalen Schnitt entfernt.
Lig. erueiat. ant. Fig. 120 bei gestrecktem, Fig. 121 bei gebogenem Knie.
der lateralen Bandscheibe (Fig. 118), entspringt es breit und platt, eine freie
Fläche aufwärts gekehrt, aus der Fossa intercondyloidea ant., mächtiger am
lateralen Rande als am medialen, und inserirt sich, ebenfalls platt, aber mit
sagittal gestellten Flächen, an der der Fossa intercondyl. zugekehrten Wand
des äusseren Condylus des Schenkelbeins, längs dem (bei aufrechtem Ste-
hen) hinteren oder verticalen Theile der Gelenkfläche. Es breitet sich gegen
die Insertion fächerförmig aus, so dass die am meisten lateralwärts entsprin-
genden Fasern am weitesten nach hinten zur Insertion gelangen.
% 122. Das Lig. eruciat. post. \), etwas stärker
Ba als das Lig. cruc. ant., nimmt seinen Ursprung
SNUR n Al aus der ganzen Fossa intercondyloidea post. der
RN Tibia und befestigt sich an die untere Partie
= der vorderen und medialen Wand der Fossa
intercondyloidea des Schenkelbeins. Die an
der Ursprungsstelle vordersten Fasern gehen
gerade vorwärts; sie kreuzen sich mit dem obe-
ren Ende des Lig. ceruciat. ant. und treten me-
dianwärts neben demselben als oberster Theil
des vorderen Randes der sagittalen Scheide-
wand des Kniegelenks vor. Die weiter hinten
entspringenden Fasern des Lig. cruciat. post.
gehen vor- und zugleich um so mehr median-
wärts, je weiter nach hinten ihr Ursprung liegt.
Gestrecktes Kniegelenk, der la- V) Lig. eruciat. medium Robert (Untersuchungen
terale Condylus des Schenkel- über die Anatomie und Mechanik des Kniegelenks. —
beins weggeschnitten. Mittel- Giessen 1855).
stellung zwischen Profil- und
hinterer Ansicht.
Kapsel.
138 Kniegelenk.
So gewinnt auch dieses Band vom Ursprunge gegen die Insertion an
Breite und erfährt zugleich eine Drehung, wodurch die hintere Fläche
allmälig zur lateralen wird.
An diese beständigen und wesentlichen Faserzüge der Ligg. eruciata
schliessen sich andere, accessorische, an, welche nicht leicht sämmtlich fehlen,
aber in Stärke und Stellung veränderlich sind. Oft verlaufen platte Bündel
in sagittaler Richtung über die Eminentia intercondyloidea von der Wurzel
des einen zu der des anderen Bandes. Aus den Bandscheiben steigen Fa-
serzüge in die Ligg. erueiata auf, selten aus dem vorderen Ende der media-
len Bandscheibe in das Lig. cruciat. ant., häufig aus dem hinteren Rande
der lateralen Bandscheibe in das Lig. cruciat. post. Die Faserzüge der
letzteren Art 1) liegen entweder an der hinteren Fläche des Lig. eruciat. 2)
oder an dessen vorderer Fläche, oder sie fassen es zwischen sich.
Die Kapsel des Kniegelenks ist an der vorderen und den Seitenflächen
des Schenkelbeins in einiger Entfernung über dem Rande der eigentlichen
Gelenkfläche angewachsen. Der höchste Punkt ihrer vorderen Anheftung
befindet sich in wechselnder Höhe, 1/, bis 3°” und mehr, über dem oberen
Rande der für die Patella bestimmten Rinne; von da an geht sie nach bei-
den Seiten schräg abwärts zum Epicondylus, etwas steiler zum lateralen
als zum medialen, und dicht unterhalb derselben vorüber; nach hinten folgt
die Kapsel mit ihrer Anheftung genau dem äusseren, dann dem hinteren
oberen Rande des Knorpels der Condylen, und verwächst durch platte
Bändchen hier und da selbst mit der Oberfläche desselben. Hinten zwi-
schen den Condylen bezeichnet die Linea intercondyloidea die Grenze des
Gelenks; die Insertion der Kapsel lässt sich aber in dieser Gegend nicht
ganz genau bestimmen, weil sie nach aussen mit dem fetthaltigen Faser-
gewebe der Kniekehle, nach innen mit dem Fett der erwähnten sagittalen
Scheidewand des Gelenkes zusammenhängt. Der Ueberzug, den die in die
Gelenkhöhle schauenden, nicht überknorpelten Knochenflächen von der
Kapselmembran erhalten, ist dünn, verschiebbar, faltig; an der Vorderfläche
des Schenkelbeins ist er bis zum Rande des Gelenkknorpels oder bis in des-
sen Nähe mit reichlichem Fett unterlegt (Fig. 123 **). An der Patella
sitzt die Kapsel genau am Rande der inneren Fläche, an der Tibia sitzt sie
dicht unter dem Rande des Gelenkknorpels fest; vorn geht ihre Anheftung
über die vordere Insertion der medialen Bandscheibe und des Lig. ceruciat.
ant. weg; an der Fossa intercondyloidea post. hängt sie mit dem Ursprunge
des Lig. eruciat. post. zusammen.
Die vordere Wand der Kapsel ist in der Mitte über der Patella mit
der gemeinschaftlichen Sehne der Streckmuskeln des Unterschenkels ver-
wachsen. Neben dieser Sehne und der Patella tritt sie, wenn die Muskeln
und Bänder, die sie nach aussen decken, weggenommen sind, in Form von
weiten Wülsten oder Bäuschen jederseits vor, die durch die Beugung des
Unterschenkels gespannt und geebnet, bei der Streckung durch einen eige-
nen Muskel in eine Falte aufwärts gezogen werden (Fig. 123.128). An den
') Cornu postici adhaesio prima Weitbr. Ligg. accessoria cart. semilun. ext. ad. lig.
cruciat. posticum Baıkow.
?) Lig. eruciat. tertium s. posticum Robert.
Kniegelenk. 139
Seiten und hinten geht die Kapsel gerade vom Schenkelbein zur Tibia
herab; sie verwächst im Vorübergehen mit dem äusseren Rande der media-
Fig. 123.
Mittlerer Sagittaldurchschnitt des gestreckten Kniegelenks. ** Fettpolster der
Vorderfläche des Schenkelbeins. * Subeutaner Schleimbeutel der Patella.
Bsc Falte, die den Eingang der Bursa suberuralis andeutet. Pp Plica synov.
patellaris, Zp Ligament derselben. tg Lig. transv. genu. pi Lig. poplit inf.
Cr M. crurali.. Sm M. semimembranosus. St M. semitendinosus. Gam M.
gastroenemius, medialer Kopf. Po M. popliteus.
len Bandscheibe in deren ganzem Umfange und mit dem grössten Theile des
äusseren Randes der lateralen Bandscheibe. Dabei zerlegt sie sich gleich-
sam in zwei Blätter. Während ihre äusseren verticalen Bindegewebszüge
sich mit dem Bindegewebe der Bandscheiben verflechten, schlägt sich eine
innere, glatte und gefässreiche Schichte auf die Oberfläche der Bandschei-
ben hinüber und setzt sich in deren Knorpelüberzug fort. Ebenso liefert
die Kapsel von ihrer vorderen Wand aus, wo sie sich auf das Lig. erueiat.
ant. herabsenkt, einen glatten und gefässreichen Ueberzug für den in die
Gelenkhöhle vorragenden Theil dieses Bandes, der sich auf demselben ge-
gen die Fossa intercondyloidea des Schenkelbeins hinzieht; da nun die in-
nere Schichte der Seitenwand der Kapsel sich auch vom Hintergrunde des
Gelenks aus auf die mediale Scheidewand begiebt, so lässt sich allerdings
mit einigem Fug sagen, die Bestandtheile der medianen Scheidewand lägen
sammt den Bandscheiben ausserhalb des Sacks der Kapsel; nur dass dieser
140 Kniegelenk.
Sack hier, wie überall, durch Einfügung der Gelenkflächen unterbro-
chen ist.
Durch die Bandscheiben wird die Gelenkhöhle in eine obere und un-
tere Kammer, durch die sagittale Scheidewand wird jede Kammer wieder
in zwei Seitenhälften getheilt. In die eine und andere dieser Höhlen öffnen
sich Schleimbeutel der das Knie umlagernden Muskeln, Schleimbeutel, die
auf diese Weise zu. Ausstülpungen oder Synovialtaschen des Gelenkes
werden.
Synovial- Unter diesen Communicationen ist Eine constant, die mit dem Schleim-
weh Deutel des M. popliteus, doch ist die Art der Communication nicht überall
die gleiche.
en Die Verbindung des äusseren Randes der lateralen Bandscheibe mit
der Kapsel ist in ziemlich gerader Linie oberhalb der Superficies articularis
fibularis (Knochenl. S. 261) in einer Strecke von 10mm unterbrochen; es
entsteht ein Schlitz, der nach innen, gegen die Axe des Gelenks, durch den
glatten, ebenen oder nach Art einer Hohlkehle vertieften Rand der Band-
scheibe, nach aussen durch die Kapselwand, an deren Innenfläche die platt-
rundliche Sehne des M. popliteus angewachsen ist, begrenzt wird. Der
Schlitz führt abwärts in die Dursa synovialis poplitea, eine Tasche, die
sich zwischen dem genannten Muskel und der hinteren Wand der unteren
Kammer des Kniegelenks, dann dem Margo infraglenoidalis der Tibia mehr
oder minder weit abwärts erstreckt, zuweilen auch !) in das obere Tibio-
Fig. 124 Fibulargelenk öffnet. Der Margo infra-
glenoidalis ist, so weit er von vornher
die Tasche begrenzt, überknorpelt und
leicht rinnenförmig vertieft 2). Steht die
Tasche mit dem Fibulargelenk in offener
Verbindung, so hängt dieser Knorpel
ohne Unterbrechung mit dem Knorpel
der Superficies art. fibularis zusammen.
Die eben beschriebene einfachste
Weise der Communication der B. synov.
poplitea mit der Höhle des Kniegelenkes
| ist nicht die gewöhnlichste. In der Re-
Laterale Wand des Kniegelenks von in- gel findet sich in dem Theile der Kapsel,
nen. 20 Querschnitt der Schne des M der die genannte Synovialtasche von der
popliteus. 70‘ dieselbe Sehne, an der £
Insertion in den Epicond. lateralis abge- unteren Kammer des Gelenkes scheidet,
schnitten. ***Lateraler Rand der Oefi- noch eine zweite Communicationsöffnung
Nun, durch mich de B R0r BOE (ig, 124), rundlich oder in Komm
gelenks artieulirt. AZf Tibiofibulargelenk. einer engen, schräg von unten und vorn
nach oben und hinten ziehenden Spalte,
deren scharfe Ränder 3) unten von dem Köpfchen der Fibula oder von der
\) Unter 80 Fällen 11 Mal. Gruber, Prager Vierteljahrschrift für prakt. Heilkunde
1845. Bd. I, S. 96,
”) Suleus popliteus H. Meyer.
“) Der vordere Rand der Spalte, wie er sich nach Eröffnung des Schleimbeutels von
hinten her darstellt, ist Bourgery’'s Lig. posticum profundum. H. Meyer beschreibt ihn
in dieser Lage als Habena cartil. semilun, externae, von innen gesehen als Retinaculum carül.
semilun. ext.
Kniegelenk. 141
Tibia, oder auch von der Wand des Schleimbeutels ausgehen. Von den
Fasern des vorderen Pfeilers dieser Spalte setzt sich zuweilen ein Theil
über die Bandscheibe hinaus in das Lig. cruciat. post. fort.
Nicht ganz so beständig, wiewohl sie doch nur ausnahmsweise fehlt,
ist eine zweite Synovialtasche, Bursa synovialis suberuralis, welche durch
Communication des Gelenks mit einem Schleimbeutel der gemeinsamen
Sehne der Streckmuskeln des Unterschenkels zu Stande kommt. Es finden
sich Varietäten, die als Stufen einer Entwickelungsreihe betrachtet werden
können, Der seltenste Fall ist der, dass das Gelenk dicht über der Patella
schliesst und die Kapsel mit ihrer oberen Spitze nicht bis zu dem Schleim-
beutel der Strecksehne emporreicht. Hieran reihen sich Fälle, wo die
Kapsel sich zwar hinter dem Schleimbeutel in die Höhe erstreckt, aber jedes
für sich abgeschlossen besteht !), sodann andere, wo beide unterscheidbar,
aber durch eine engere oder weitere Oeffnung in Verbindung stehen, end-
lich, die zahlreichsten, wo die Gelenkkapsel sich zwischen der Sehne der
Streekmuskeln und dem Fettpolster, welches die Vorderfläche des Schenkel-
beins deckt, weit hinaufzieht und nur eine nach innen vorspringende, ring-
formige Falte an ihrer vorderen Wand die Grenze zwischen Gelenk und
Schleimbeutel andeutet (Fig. 123.125 Bsc). Die Falte ist in ihrem obersten
| Fig. 125. Theile meistens ganz verstri-
chen, auch unten ziemlich
schmal und nur die Seiten-
theile derselben treten merk-
lich über die Fläche vor. So
weit nun die Kapsel oder
die in dieselbe aufgegan-
gene Bursa synov. suberu-
ralis die Strecksehne beklei-
Pr i NN det, ist sie mit dieser un-
N er trennbar verwachsen und nur
als glatter Ueberzug dersel-
ben kenntlich; mit dem Fett-
polster der vorderen Schen-
kelbeinfläche hängt ihre obere
Spitze nur locker zusammen;
oft wird sie von diesem Fett-
polster durch Bündel des M.
subceruralis, die sich an ihre
2 hintere Wand inseriren, ge-
Vordere a des Ren yonahintpn h ‚Die 2 schieden.
bia vor der Eminertia intercondyloidea frontal durch- 5 - s
schnitten, das Schenkelbein entfernt. E Sehne des M. Eine dritte Synovial-
ext. cruris, von der B. synov. suberuralis überzogen. tasche kommt an der hinte-
F Fascie,. Pp Pliea synov, patellaris. Lp Ligament „on medialen Ecke der Knie-
derselben, frontal durchschnitten.
a
Ne
‘
gelenkkapsel vor,einigermaas-
sen symmetrisch der Bursa sy-
nov. poplitea, aber in der Regel viel umfangreicher. Sie kann Bursa syn. se-
!) Unter 80 Fällen 14 Mal. Gruber.
2. Bursa
sylov. sub-
eruralis.
3. Bursa
Synov. se-
mimembr.
142 Kniegelenk.
mimembranosa genannt werden, da der Schleimbeutel, durch dessen Ver-
bindung mit der Gelenkhöhle sie entsteht, der Sehne des M. semimembra-
nosus angehört. Er liegt
zwischen der lateralen Flä-
che dieser Sehne und dem
medialen Kopf des M. gastro-
enemius, den er mehr oder
minder weit auf- und abwärts
in einerHöhe von 2” und mehr,
bekleidet (vgl. Fig. 129). Er
ist bald einfach, bald unvoll-
kommen durch Scheidewände
getheilt. Mit dem Kniegelenk
NIE MR A Y communieirt er in etwa der
NN az TRY 7 Hälfte der Fälle, häufiger
N \ INN N | ! / rechts als links, häufiger in ro-
2 busten, als in schwächlichen
Sagittaldurchschnitt des gestreckten Knies durch den eu ae
medialen Condylus, Sm Sehne des M. semimembran, municationsöffnung ist weit
Pp Plica synov. poplitea. bei gestrecktem Knie, dage-
gen eng, eine schmale Quer-
spalte, bei gebogenem. Sie entsteht nämlich (Fige.126) durch einen eigent-
lichen Defect der hinteren Wand der oberen Kammer, welche Wand
in der der Synovialtasche entsprechenden Breite über der Bandscheibe mit
zugeschärftem Rande endet, so dass von da an aufwärts die Synovialtasche
die hintere Wand der Kapsel ersetzen muss. Das Rudiment der Kapsel-
wand umfasst straff den Condylus des Schenkelbeins und nähert sich mit
seinem oberen Rande, je mehr das Gelenk gebogen wird, um so mehr dem
oberen Rande der Gelenkfläche des Condylus, an welchen auch die Syno-
vialtasche angewachsen ist.
Fig. 126.
Gruber gedenkt einer Verbindung des Schleimbeutels des Lig. patellae mit
der Gelenkhöhle, welche ihm unter 160 Fällen einmal begegnete. Die Verbindung
bewerkstelligte ein Canal, der das zwischen der Gelenkkapsel und jenem Schleim-
beutel gelegene Fett durchsetzte.
In Kinderleichen hat Gruber die Communication der Kniegelenkhöhle mit
dem Schleimbeutel des M. semimembranosus niemals, die mit dem Schleimbeutel
der Strecksehne nur selten gesehen.
Accessor. Um die Kapsel von aussen her zu verstärken und zu unterstützen, fin-
Bänder det sich ausser den bereits erwähnten, die innerste Schichte derselben ziem-
lich gleichmässig bedeckenden verticalen Faserzügen, eine Anzahl abge-
grenzter, schärfer vorspringender und zum Theil selbst durch Fett oder
Schleimbeutel von der Kapsel gesonderter Bänder, die sich nach den Re-
gionen ordnen in vordere, hintere, laterale und mediale.
ander vo An der Vorderfläche liegen die die Kapsel deckenden fibrösen Gebilde
in drei Schichten; die oberflächlichste ist eine Ausbreitung der Schenkel-
fascie vor der Patella, die mittlere besteht aus Sehnen und Bändern, die
sich rings an die Ränder der Patella befestigen, die innerste ist ein nicht
ganz beständiger Strang transversaler Fasern in der vorderen Kapselwand.
Kniegelenk. 143
Von der Fascie des Schenkels werden die horizontalen (kreisförmigen) a. Ober-
Faserzüge in der Gegend des oberen Randes der Patella unscheinbar; die rhliehe
verticalen Fasern dagegen strahlen, von den Seitentheilen des Schenkels
gegen die vordere verticale Mittellinie convergirend, vor dem Kniegelenk
aus, der Richtung nach symmetrisch, der Stärke nach aber, wie die ganze
Schenkelfascie, an der lateralen Fläche des Gliedes bedeutend überwiegend.
Ein ansehnlicher Theil dieser Fasern heftet sich an die Tibia und zwar an
die Seitenränder des Dreiecks, dessen untere Spitze man als Tuberositas
patellaris bezeichnet (Knochenl. Fig. 250). Die der verticalen Mittellinie
des Schenkels näheren und bei der Umbeugung in die horizontale Richtung
nächst höheren Fasern 2) kreuzen sodann einander von beiden Seiten vor
dem Lig. patellae und vor der Patella selbst und scheinen theilweise schlei-
fenförmig in einander überzugehen (Fig. 125 F‘). Vor und über denselben
liegt der subeutane Schleimbeutel der Kniescheibe.
Zu dem fibrösen Apparat der zweiten Schichte, dessen Centrum die ». Mittlere
Patella bildet, gehören die gemeinsame Sehne der Streekmuskeln, deren ?"ichte
Insertion die obere Hälfte der Peripherie der Patella einnimmt, und drei
Haftbänder, ein unteres, ein laterales und ein mediales.
Das Lig. patellare inf.) ist ein plattes, im sagittalen Durchmesser Lig. pateıı.
comprimirtes und 4mm mächtiges Band von der Breite der Basis des Apex ""
patellae, die es umfasst und von welcher aus es sich mit parallelen Bündeln
ab- und etwas rückwärts zur Tuberositas patellaris begiebt, um sich kaum
verschmälert an dieselbe anzusetzen. Den Raum hinter diesem Bande bis
zur Kapsel erfüllt Fett, bis zur Vorderfläche des oberen Endes der Tibia
ein Schleimbeutel, Bursa subpatellaris (Fig. 123). An die Seitenränder
des Bandes schliessen sich plattere Züge aufwärts convergirender Fasern 3)
an, welche in den Seitenrändern der gemeinsamen Strecksehne des Unter-
schenkels enden.
Die seitlichen Bänder der Patella, Lig. patellare laterale und Lig. Lie. pateı.
patellare mediale *), sind dünn, membranös, dreiseitig; sie entspringen !* " med.
spitz je am lateralen und medialen Epieondylus des Schenkelbeins und ge-
hen mit divergirenden Fasern vorwärts an den Seitenrand der Patella und
an die hintere Fläche der Strecksehne des Unterschenkels und des Lig. pa-
tell. inf. So schützen sie die Seitenwand der Kapsel. Das laterale Band
ist schwächer, auf- und abwärts minder scharf begrenzt, an der Aussen-
fläche bis nahe an die vordere Insertion mit der Fascie verwachsen; das
mediale (Fig. 129pm) endet mit scharfem, concavem oberen Rande genau
unter dem unteren Rande des medialen Kopfes des M. extensor quadriceps.
Beide sind von der Kapsel zuweilen durch ein- oder mehrfache, fächerige
Schleimbeutel geschieden.
Das tiefste Band der vorderen Kniegegend, Lig. fransversum genu?), c. Tietste
Schichte.
Lig. transv.
) Ligg. fabelliformia H. Meyer. genu.
2) Lig patellae aut. Lig patellae propr. Hyrtl. Lig. patellae anticum Cruv. Lig.
patellae med. Nuhn (Chirurg. anat. Tafeln. Tab. XXVUI.).
3) Ligg. patellae externum und internum Nuhn.
1) Ligg. patellae lateralia externum und internum Theile. Ligg. propria patellae Cruv.
Retinacula patellae externum und internum H. Meyer.
°) Lig. transversum cartil, semilun. Weitbr. Lig. transv, commune Weber-H. Lig.
Jugale Arn.
144 Kniegelenk.
liegt auf der vorderen Kapselwand in der Nähe ihrer unteren Anheftung,
mehr oder minder in Fett versteckt, mehr oder minder straff zwischen den
beiden Bandscheiben ausgespannt, die es verbindet (Fig. 123).. Es ist ein
Bündel transversaler Fasern, welches sich von der oberen Fläche der me-
dialen Bandscheibe in der Nähe ihrer vorderen Insertion ablöst und sich an
den vorderen Rand der lateralen Bandscheibe anfügt. Es ist sowohl in
Länge, als in Dicke variabel, nicht leicht über 5""® im Durchmesser, eylin-
drisch oder platt, mit frontalen Flächen; zuweilen verliert es sich von der
einen oder anderen Bandscheibe aus in den fetthaltigen Synovialfalten der
vorderen Kapselwand. Nicht selten fehlt es.
IT. der hin- Die hintere Kapselwand !) hat eine verwickelte Textur. Die Ur-
teren Wand. E x te E x 3 e
sache liegt theils in ihrer Verbindung mit zahlreichen Muskelsehnen, theils
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Hintere Wand des Kniegelenks, von aussen. al Lig. access. laterale. amb Lig accessor.
med. breve. Bfb M. biceps fem. cap. breve. Bf Insertionssehne des M. biceps. Fi Faseia
intermuseularis lateral. Vm M. vastus medial. Am, Am‘ M. abduct. magnus. Am‘’ Insertion
desselben am Epicond. med, ** Gefässlüicke Gam, Gal M. gastrocnem. caput lat. und
med. Pla Ursprung des M. plantaris. S M. soleus. ?o M. popliteus.
!) Lig. postic. median. Cruv.
Kniegelenk. 145
in dem Zusammenhange des Fettes, welches die Kniekehle erfüllt, und seiner
Gefässe mit dem Fett: und den Gefässen der sagittalen Scheidewand des
Kniegelenks. Es bedurfte dazu einer Anzahl von Oeffnungen, zu deren
Begrenzung die Bindegewebsstränge sich vielfältig durchkreuzen, indess das
zwischengelagerte Fett besonders den mittleren, die Fossa intercondyloidea
von hinten her deckenden Theil der Kapsel unregelmässig in Blätter zer-
legt. Ueber den Condylen ist die Kapsel compacter, 2" mächtig, es treten
die verticalen Faserzüge in starken Strängen hervor, die aber zum grossen
Theil in die Ursprünge der Wadenmuskeln übergehen. In dem weiter ab-
wärts gelegenen Theile der Kapsel zeichnen sich fast immer zwei, im We-
sentlichen transversale Stränge aus, das Lig. popliteum obliquum 1) und
Lig. popliteum arcuatum ?).
Das Lig. popliteum obliguum ist ein Theil der Ausbreitung der
Sehne des M. semimembranosus. Indem diese starke Sehne in der Gegend
der Gelenkspalte hinter dem medialen Condylus auf die hintere Kapselwand
trifft, theilt sie sich in drei Zipfel: der vorderste, die eigentliche Fort-
setzung der Sehne, wendet sich im Bogen nach vorn (Fig. 127. 129 Sm‘); der
zweite setzt sich geradezu in der Richtung des gemeinsamen Stammes, aber
abgeplattet, zur Tibia fort (Fig. 129 Sm“); auf diese beiden komme ich
bei der Beschreibung des medialen Seitenbandes zurück; der dritte Zipfel
endlich, das Lig. popliteum obligquum, biegt unter einem stumpfen Winkel
in die hintere Kapselwand um und verläuft, fest in derselben eingewebt,
lateral- und wenig schräg aufwärts gegen den lateralen Theil der hinteren
Kapselwand, in dem er sich verliert. Wird die Sehne des M. semitendino-
sus angespannt, so zieht das Lig. popliteum obliquum die Kapselwand in
einer Falte nach hinten; es selbst bildet die Kante dieser Falte.
Das Lig. popliteum arcuatum ist eine aufwärts concave Schleife,
welche am lateralen Epieondylus entspringt und sich in der Gegend der
Fossa intercondyloidea unter dem Lig. popliteum obliquum wieder in die
Kapsel verliert. Der tiefste Theil der Schleife entspricht der Region der
Kapsel, welche die Oeffnung begrenzt, durch die die obere Kammer des
Gelenkes mit der Bursa synov. poplitea communieirt; der Faserzug ver-
stärkt also von aussen her gerade die Stelle der Kapsel, welche allein an
dem Rande der Bandscheibe vorübergeht, ohne mit demselben verwachsen
zu sein. In den unteren Rand der Schleife inserirt sich ein Band und ein
Muskel. Das Band, Retinaculum Lig. arcuati 3), entspringt am Köpf-
chen der Fibula zwischen der Insertion des M. biceps und dem Ursprunge
des M. soleus und vertheilt seine Fasern im Lig. arcuatum nach beiden
Seiten; der Muskel ist ein Theil des M. popliteus, etwa die mediale Hälfte
desselben, indess die laterale Hälfte in eine rundliche Sehne über - und an
den lateralen Epicondylus geht. Bei gestrecktem Knie ist das Retinaculum
gespannt und befestigt die Schleife in ihrer abwärts convexen Lage; in ge-
U) Lig. posticum Winslowü Weitbr. Lig. popliteum aut. Lig. popliteum int, Krause.
Lig. posticum superfie. Bourgery.
?) Arcus popliteus H. Meyer.
3) Lig, laterale externum breve Weitbr. Lig. laterale externum post, Meckel. Lig.
popliteum externum Krause. r
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 10
Lig. poplit.
obliquum.
Lig. poplit.
arcuatum.
III. der la-
teral- Wand,
Lig. acces-
sor, laterale
IV. der me-
dial. Wand.
146 Kniegelenk.
bogener Lage des Kniees übernehmen die Fasern des M. popliteus diese
Function. So halten sie den Canal offen, durch welchen die Bursa synov.
poplitea mit der Gelenkhöhle communieirt; mittelbar können sie durch die
Kapsel auf die laterale Bandscheibe wirken und diese bei der Beugung
rückwärts ziehen.
An der lateralen Fläche des Kniegelenks liegt das Lig. accessorium
"laterale }), ein platter Strang mit ziemlich scharfem vorderen und hinte-
‚ren Rande, durch eine ansehnliche Fettlage von der Kapsel gesondert. Es
Fig. 128. \
III II IN\N
Laterale Wand des Knıegelenkes von aussen. Die Fas-
cie und der M. extensor cruris (E) .durchgeschnitten
und nach vorn umgelegt. F Insertion der Fascie an
der Tibia. 7’ Bündel derselben, die sich vor der Pa-
tella kreuzen, Fi Fascia intermuse. lat. K Kapsel.
Bp Bursa synov. poplitea.. Scr M.subecruralis. B/M.
biceps femoris. Gal Gastroenem, cap. laterale. S M.
soleus. Pel M. peroneus Jong. Np N. peroneus,
** Rettpolster.
ist beigestrecktem Knie ganz
straff zwischen dem Schen-
kelbein und dem Köpfchen
der Fibula gespannt; seine
Schenkelbeininsertion haftet
am lateralen Epicondylus,
gerade unter der Insertion
des lateralen Lig. intermus-
culare des Schenkels, von
welchem einzelne Bündel sich
in das Lig. accessorium lat.
fortsetzen; seine Fibularin-
sertion wird von der Sehne
des M. biceps femoris um-
fasst und durch ein schlei-
miges Bindegewebe locker
mit den Bündeln dieser Sehne
verbunden. Die vordersten
Fasern des Lig. laterale (Fig.
128al‘) biegen fast recht-
winklich nach vorn um und
verlieren sich auf dem Rande
der Bandscheibe.. Da die
Entfernung der Schenkelbein-
insertion des Bandes vom
Rande der Artieulationsfläche
in verticaler Richtung be-
trächtlich grösser ist, als in
sagittaler (30 und 25mm), so
muss das in der Streekung
gespannte Band bei der Beu-
gung des Unterschenkels er-
schlaffen.
An der medialen Fläche des Kniegelenkes (Fig. 129) findet sich ein Lig.
accessorium mediale longum ?) und Lig. access. mediale breve °),
beide platt und breiter, als das Lig. accessorium laterale, beide am media-
\) Lig. lat. ext. long. Weitbr. Lig. lat. ext. anterius Meckel.
?) Lig. lat. internum Weitbr. Lig. lat. int. anterius H. Meyer.
®) Lig. lat, int. posterius H. Meyer.
Kniegelenk. 147
len Epicondylus unterhalb des Lig. patellare mediale entspringend, beide in
unmittelbarer Berührung mit einander, das Lig. longum oberflächlicher, das
Lig. breve tiefer, jenes zur Tibia, dies zur Bandscheibe hinabreichend, jenes
mit dem grössten Theile seiner Masse weiter nach vorn gelegen als dieses.
Das Lig. access. med. longum besteht aus starken, verticalen Faserbündeln,
die sich abwärts etwas ausbreiten und an der Tibia am hinteren Rande der
medialen Fläche 2 bis 3‘ unterhalb des Margo infraglenoidalis anheften.
Sie bedecken, indem sie über diesen Rand hinweggehen, die Vasa articula-
ria genu medial. infer., dann
die vordere Sehne desM. se-
mimembranosus (Sm), mit
welcher sie durch ein schlüpf-
riges,Bindegewebe verschieb-
bar verbunden sind. Nach
aussen deckt sie in der Re-
gel ein grosser Schleimbeu-
te], über welchen die Sehnen
des M. gracilis und semiten-
dinosus gleiten. Nach hinten
ist das Band nicht scharf ab-
gegrenzt, sondern setzt sich
in eine allmälig dünnere
und mehr unterbrochene Fa-
serlage fort, die die Sehne
des M. semimembranosus
deutlicher durchschimnern
lässt. Da der Ursprung
des Lig. access. med. lon-
gum am Schenkelbeine fast
mit dem Mittelpunkte des
Kreisbogens zusammenfällt,
den der Sagittaldurchschnitt
des hinteren 'Theils der Ge-
lenkfläche des Condylus be-
schreibt, so behält das Band
Rt in Streckung und Beugung
z fast den gleichen Grad der
Mediale Wand des Kniegelenkes von aussen, Die Fas- Ss
cie F mit der Sehne des M. sartorius durchschnitten ia 8
und nach vorn zurückgeschlagen, ebenso die Sehnen Das Lig. access. med.
des M. gracilis (Gr) und semitendinosus (S2). pm Lig. breve reicht , wie erwähnt,
patellare mediale. Bsm Bursa synov. semimembranosa, Br NBandecheib
an der medialen Wand geöffnet, Gam M. gastrocne- MUT ee au
mius medial. Am‘' Insertion des M. abduct, magn. am Für den unterhalb der Band-
medialen Epicondylus. E, Scr, ** wie in Fig. 128. scheibe ' befindlichen Theil
der Kapsel vertritt die Sehne
des M. semimembranosus mit ihren abwärts ausstrahlenden Faserzügen die
Stelle eines schützenden Bandes. Fasern, denen des Lig. access. med.
br. ähnlich und mit der Bandscheibe zusammenhängend, fehlen übrigens
10 *
Ligg. acces-
sor mediale
leng-
Lig. access.
med. breve.
Syuovial-
falten.
Plieca synov.
patellaris,
Synovial-
zotten.
Physiolog.
Bemerkun
gen.
148 Kniegelenk.
auch nicht auf dem Theile der Kapsel, den das lange Band bedeckt; nur
sind sie von dem letzteren nicht trennbar.
Das Kniegelenk enthält einige grosse, fetthaltige Synovialfalten von
mehr oder minder constanter Form und eine Masse feiner Synovialzotten.
Von den Synovialfalten ist die ansehnlichste und regelmässigste die Plica
synov. patellaris (Fig. 112.113. 116. 123.125) 1), die sich im Zusammen-
hange mit dem die vordere Kapselwand bedeckenden Fett vom Boden des
Gelenks erhebt und hinter der Gelenkfläche der Patella bis nahe an deren
horizontale Firste aufsteigt. In der Regel ist sie durch einen, der verticalen
Firste der Kniescheibe entsprechenden Einschnitt vom oberen Rande aus mehr
oder minder tief in zwei Lappen getheilt. Ihr oberer Rand ist concav, indem
sie sich am Seitenrande der Patella, allmälig verschmächtigt, hinaufzieht.
Selten umfängt sie die Kniescheibe auch an ihrem oberen Rande. Bei der
Beugung des Unterschenkels tritt sie als Polster zwischen Patella und Tibia
(Fig. 116). Der Uebergang in diese Stellung wird gesichert durch ein strang-
förmiges Band, Lig. plicae synov. patellaris (Fig. 116.117.123.125)), wel-
ches aus dem Bindegewebe der Synovialfalte sich am Boden des Gelenkes
entwickelt, frei in sagittaler Richtung durch das Gelenk verläuft und sich
am vorderen Rande der Fossa intercondyloidea des Schenkelbeins, selten
zugleich an der Eminentia intercond. der Tibia oder am Lig. eruciat. ant.
festsetzt. Umfang, Stärke und Zusammensetzung dieses Bandes sind ver-
änderlich; ich sah es von Zwirnfadendicke, nur aus einem Arterien- und
Venenstämmchen und ein paar longitudinalen Bindegewebsbündeln beste-
hend; meist ist es gegen die Insertionen platt und breit, in der Mitte cylin-
drisch, durch Einschliessung einzelner Fettlappen knotig.
Minder regelmässige Fettlappen ragen vom Vorderrande und den Sei-
tenflächen der sagittalen Scheidewand in die Gelenkhöhle.
Eine vollständige Ausgleichung der Incongruenz des Kniegelenks wird
aber auch durch diese Synovialfalten nicht erzielt und es bleiben leere
Räume, die die Synovia erfüllt. Ohne Zweifel steht die Zahl und Grösse
der Synovialtaschen, die in das Gelenk münden, zu den individuellen Gra-
den der Incongruenz in einem gewissen Verhältniss.
Die Synovialzotten sind am reichlichsten und zierlichsten in der vor-
deren Wand des Gelenkes zwischen dem oberen Rande der Patella und der
Falte, die den Eingang in die Bursa synov. suberuralis andeutet, dann auf
dieser Falte selbst. Sie kommen auf allen, die Gelenkhöhle begrenzenden
Weichtheilen, auf den Ueberzügen der nicht artieulirenden Knochen, aber
auch ganz beständig, in einer Länge von !/, bis 1/‚mm, auf den scharfen
Rändern der Bandscheiben vor. Feine Falten und Stränge, zwischen wel-
chen die Kapsel sich in Form kleiner Follikel ausbuchtet, liegen zahlreich
in der Gegend der Anheftung der Kapsel an die Seitenränder der Tibia.
So complieirt das Kniegelenk in anatomischer Beziehung, so einfach ist der
Mechanismus desselben. Den Aufschlüssen , welche die Gebrüder Weber darüber
gegeben haben, lässt sich kaum etwas hinzufügen. Mit dem Ellenbogengelenke ver-
glichen, beruht die Eigenthümlichkeit des Kniegelenkes vorzugsweise darin, dass die
) Process. aliformes Weitbr. Ligg. alaria externum s. minus u. internum Ss. majus aut.
Marsupium patellare Bark,
2) Lig. mucosum aut. Lig. adiposum Oruv. Lig. suspensorium marsupü Barkow.
Bänder der Unterschenkelknochen. 149
Aufgabe, die Bewegung in bestimmte Grenzen einzuschliessen, dort durch die Con-
figuration der Knochen, hier durch eigenthümliche Bänder erfüllt wird. Der ganze
Bandapparat des Knies ist darauf eingerichtet, aus der gestreckten Lage desselben
keine andere Bewegung als die Beugung zu gestatten. Insbesondere "widersetzen
sich die Ligg. eruciata nebst der hinteren Kapselwand jeder Fortsetzung der Streck-
bewegung, durch welche die Tibia mit dem Schenkelbein einen nach vorn offenen
Winkel bilden würde. Mit der Beugung dagegen, welche ein gleichzeitiges Schlei-
fen und Rollen der Condylen auf der Gelenkfläche der Tibia ist, beginnt eine Er-
schlaffung der Bänder, die, während die Ligg. cruciata immer noch die beiden Ge-
lenkflächen in Berührung erhalten, eine Rotation der Tibia um ihre Längsaxe
(Pronation und Supination nach Weber) erlaubt, eine Rotation, bei welcher der
mediale Theil des Gelenkes der relativ ruhende und der laterale der bewegliche ist,
weil am Lig. accessor. laterale die Spannung sich eher und beträchtlicher mindert,
als an den Ligg. aceessoria medialia. Die Exceursion dieser Rotation beträgt nach
den Messungen der Gebrüder Weber im Mittel 39°. In Uebereinstimmung mit
der grösseren Nachgiebigkeit der Bänder findet sich am lateralen Condylus auch
die zur Rotation geeignetere Form der Gelenkfläche und eine freiere Beweglichkeit
der Bandscheibe, die der Condylus vor sich herschiebt. Die äusserste Grenze der
Beugung wird durch die Spannung des Lig. cruciat. ant. bestimmt.
Nur für die Beugung und Streckung ist die Faltung der Kapsel durch Mus-
keln geregelt. Die vordere Kapselwand erhebt bei der Streckung der M. suberu-
ralis. Die hintere Kapselwand hat zwei Muskeln, die sie bei der Beugung vom
Knochen abziehen. Der eine, M. semimembranosus, wirkt (durch Vermittelung
des Lig. popliteum obliguum) in Gemeinschaft mit den am Becken und Schenkel-
bein entspringenden Beugern, also wenn der Unterschenkel gegen den Oberschen-
kel heraufgezogen werden soll; der andere, M. popliteus, wirkt (durch Vermittelung
des Lig. popliteum arcuatum) in Gemeinschaft mit den am Calcaneus entspringen-
den Beugern, wenn, wie beim Niedersetzen, der Oberschenkel gegen den Unter-
schenkel herabgezogen wird.
D. Bänder der Unterschenkelknochen.
Die beiden Unterschenkelknochen sind am oberen und unteren Ende
durch wahre Gelenke, wenn auch nur in sehr geringem Grade beweglich,
mit einander verbunden. Das obere Gelenk öffnet sich zuweilen, wie er-
wähnt, durch Vermittelung der Bursa synovialis poplitea in das Kniege-
lenk; viel häufiger ist es selbstständig. Das untere Gelenk dagegen steht
regelmässig mit dem Knöchelgelenk in Verbindung und erscheint nur als
eine aufwärts gerichtete Ausstülpung desselben. Aus diesem Grunde werde
ich es auch im Zusammenhange mit dem Knöchelgelenk besehreiben und an
dieser Stelle nur das obere Tibioßbulargelenk und die Haftbänder der
Unterschenkelknochen abhandeln.
a. Oberes Tibiofibulargelenk.
«. Kapselband.
Die correspondirenden Gelenkflächen der Tibia und Fibula sind oval
oder dreiseitig, von fast gleichem Umfange, mit einem 1 bis Zum mächtigen
hyalinischen Knorpel überzogen. Die Articulationsebene ist vor- und me-
dianwärts abhängig und schwach nach oben ausgehöhlt.
D. Bändet
der Unter-
schenkel-
knochen.
a. Oberes
Tibiofibu-
largeleık.
«. Kapsel.
150 Bänder der Unterschenkelknochen.
Die Kapsel entspringt an der lateralen Fläche der Tibia etwas (bis
Sum) oberhalb der Gelenkfläche, sonst überall am Rande der letzteren; doch
Fig. 130.
P- Haftbän-
der.
schliesst sie häufig noch
ein, an den medialen
und unteren Rand der Ge-
lenkflächen zunächst an-
grenzendes, aber stärker
abwärts geneigtes und nur
von Beinhaut bekleidetes
Feld, in welchem Tibia
und Fibula einander be-
rühren, mit ein (Fig. 124).
ß. Haftbänder.
Es finden sichin der Re-
gel zwei, ein vorderes, Lig.
Sagittaldurchschnitt des gebeugten Knies durch den capituli fibulae ant., und
lateralen Condylus.. Atf Oberes Tibiofibulargenk. Bp nicht ganz so constant, ein
Bursa synov. poplitea,
hinteres, Lig. eapituli fbu-
lae post. Sie bestehen aus transversalen oder schräg lateralwärts abstei-
genden Fascikeln, welche an der vorderen und hinteren Fläche der Gelenk-
spalte von der Tibia zum Köpfchen der Fibula verlaufen. Das hintere wird
durch den Ursprung eines Kopfes des M. soleus verdeckt; von dem vorde-
b. Lig. in- Oberes Ende des Unterschenkels , laterale
teross. Fläche. al Lig. accesor. laterale des Knie-
gelenks. Bf Sehne des M. biceps femoris.
Ta M.tib.ant. kurz unter seinem Ursprunge
abgeschnitten. Edc M. ext. dig. comm.
Pel M. peroneus longus. * Muskeln der Beu-
geseite, durch die Lücke des Lig. interos-
seum hindurchscheinend.
ren (Fig. 131) entspringen Fasern des _
M. peroneus long. und ext. dig. pedis
longus. Die obere Wand, welche
die Gelenkhöhle von der Höhle der
Bursa synov. poplit. abgrenzt, ist dünn
(Fig. 150); unterhalb des Gelenkes ist
der Raum zwischen der Kapsel und
den obersten Fasern des Lig. interos-
seum von Fett erfüllt.
Die Gelenkflächen verschieben sich
an einander in transversaler und sagittaler
Richtung; in der ersteren mit etwas grös-
serer Excursion. Die Ligg. capituli fibulae
wirken hemmend in beiden Richtungen.
Rotation ist ausgeschlossen. Die Beweg-
lichkeit hat nur den Zweck, eine Verschie-
bung der unteren Enden beider Knochen
im Knöchelgelenk zu ermöglichen.
b. Ligamentum interosseum ').
Eine Membran, ganz ähnlich dem
Lig. interosseum des Unterarmes,
") Membrana interossea.
Bänder der Unterschenkelknochen. 151
spannt sich zwischen den Cristae inteross. der Unterschenkelknochen; die
Anheftung ihrer Seitenränder und die Lage ihrer Flächen ist schon mit der
Beschreibung der Knochen (Knochenl. S. 259) gegeben. Oben bleibt zwi-
schen dem Lig. interosseum und dem Gelenk eine ansehnliche Lücke, durch
welche Gefässe und Nerven von der Beuge- auf die Streckseite gehen-
Der untere Rand dieser Lücke ist aber minder scharf als am Unterarm,
weil längs desselben mit dem Ausschnitte des Ligaments die starke Fascie
der tiefen Beugemuskeln zusammentritt. Auch darin gleicht die Verbin-
dung der Knochen am Unterschenkel der am Unterarme, dass in der Lücke
zwischen dem Gelenk und dem Lig. interosseum, dicht unterhalb des erste-
ren, einige gesonderte Faserbündel (Fig. 131 **) zwischen Tibia und Fi-
bula, analog der Chorda transversalis, in einer Richtung verlaufen , wel-
che der Richtung der Hauptfaserung des Lig. interosseum entgegengesetzt
ist ). Während aber am Arme die Chorda transversalis gegen den Radius,
die Hauptfaserung des Lig. inteross. gegen die Ulna schräg absteigt, haben
am Beine die vereinzelten, oberen Faserbündel einen gegen die Fibula auf-
steigenden, die Fasern des Lig. interosseum einen gegen die Fibula abstei-
genden Verlauf. Der Zug der Fasern am Arme und Beine wird parallel,
wenn man das Lig. inteross. des pronirten Armes mit dem des Beines
vergleicht.
Gegen das untere Ende der Unterschenkelknochen, an der Ineisura
fibularis der Tibia (Knochenl. S. 261) und der entsprechenden Fläche der
Fibula (ebendas. S. 264) wird das Lig. interosseum, indem es in einzelne,
verschiedentlich durchflochtene Bündel auseinanderweicht, zu einem massi-
ven Zwischenlager, einer Art Polster zwischen den beiden Knochen, dessen
Sagittaler Durchmesser gegen das Knöchelgelenk zunimmt 2). Das Fett,
welches reichlich zwischen den Bindegewebsbündeln angehäuft ist und sich
bis auf die obere Kapselwand herab erstreckt, ist für die Freiheit der Be-
wegungen des Knöchelgelenks nicht ohne Bedeutung.
E. Fussgelenke.
Obgleich in der Reihe von Gelenken zwischen Unterschenkel und
Mittelfuss eine strengere anatomische Sonderung besteht, als in den ent-
sprechenden Gelenken der oberen Extremität, und auch die verschiedenen
Bewegungsrichtungen genauer an die einzelnen Gelenke des Fusses ver-
theilt sind, als an die der Hand: so kommen doch auch am Fusse Haftbän-
der vor, die-über eine geringere oder grössere Zahl von Gelenken hinweg-
gehen, und um deren willen es zweckmässig ist, den Bandapparat der Knö-
chel- und Fusswurzelgegend als ein Ganzes aufzufassen.
Bei der Darstellung der Gelenkverbindungen der Hand habe ich zu-
erst die Kapselmembranen, dann die eigentlichen Haftbänder beschrieben.
Eine solche Sonderung lässt sich an dem Fussgelenke nicht durchführen.
1) Lig. capituli fibulae inf. Barkow.
®) Lig. übio-fibulare sup. Meckel. Lig. malleol ext. intermed. Barkow. Lig. mall.
ext. sup. Arnold, Lig. interosseum Cruv.
E. Fuss-
gelenke.
152 Fussgelenke.
Es giebt an der Fusswurzel Bänder, welche, streckenweise einer Kapsel
fest eingewebt, an anderen Strecken ihres Verlaufs sich als Haftbänder ver-
halten, und von je zwei Bändern, welche einander an gegenüberliegenden
Seiten des Gelenkes das Gleichgewicht halten und welche also, wenn ihr
Einfluss auf die Bewegungen richtig verstanden werden soll, in der Be-
schreibung eoerdinirt werden müssen, kann das eine ein frei über die Kno-
chen verlaufendes Haftband, das andere ein Verstärkungsfaseikel der Kap-
selmembran sein. Wir treffen ferner an der Fusswurzel den ausserordent-
lichen Fall, dass ein breites Band, welches zwei Knochen verbindet, zwi-
schen den überknorpelten Flächen dieser Knochen an der Bildung einer
Gelenkpfanne Antheil nimmt, sowie auch die Haftbänder des unteren En-
des der Unterschenkelknochen zugleich als Labra glenoidea zur Vergrösse-
rung der Pfanne des Knöchelgelenks dienen. So wird es unerlässlich, ein-
zelne Haftbänder schon bei den Kapseln in Betracht zu ziehen.
Unter den Fussgelenken sind drei zu ergiebigeren Bewegungen be-
stimmt, das Knöchelgelenk und das hintere und vordere Sprungbeingelenk.
Die iibrigen Gelenke der Fusswurzelknochen unter sich und mit den Mittel-
fussknochen sind Amphiarthrosen; sie geben einen merklichen Ausschlag
nur, wenn sich ihre Verschiebungen nach gleicher Richtung summiren.
Die freier beweglichen Gelenke des Fusses sind zwar im Wesent-
lichen congruent, aber doch in einer Beziehung von anderen congruen-
ten Gelenken verschieden und dem Kniegelenke verwandt. Vollstän-
dig passen nämlich die Gelenkflächen auf einander in der Lage, die
sie bei aufrechter Körperstellung einnehmen. Die Last, die die Kno-
chen in dieser Stellung zu tragen haben, wirkt mit, dass sich die Flä-
chen genau aneinanderschliessen; sie bewirkt aber auch, wie bereits bei
dem Kniegelenke gezeigt wurde, dass Unebenheiten der einen Fläche sich
auf der anderen abdrücken, dass die eine Gelenkfläche den minder wider-
standsfähigen Stellen der anderen gegenüber sich hervorwölbt u. s. f. So
entstehen Unregelmässigkeiten der Gelenkflächen, welche das gegenseitige
Ineinandergreifen derselben begünstigen und dadurch die Sicherheit der
aufrechten Haltung vermehren, zugleich aber für jede andere Haltung die
Congruenz stören. Zur Ausgleichung sind neben den Synovialfalten und
dem Fett, welches in besonders reichlichen Massen die Fussgelenke umla-
gert, grössere Mengen Synovia erforderlich, und die Kapseln der Fussge-
lenke sind, gleich der Kniegelenkkapsel, darauf eingerichtet, sie zu liefern,
Diese Betrachtungen erklären zugleich, warum Vergleichungen der
Articulationsebenen des Fusses mit Rotationsflächen nur annäherungsweise
richtig sein können.
a Unteres Tibiofibulargelenk.
a. Kapselband.
a. Unteres Etwa 10mm iiber der unteren Fläche der Tibia endet der oben be-
Tibiofibu- : ; nad
largeleuk. SChriebene compacte Theil des Lig. interosseum, und eben so weit hinauf
«. Kapsel. reicht eine enge Lücke, die sich von der Höhle des Knöchelgelenkes aus
zwischen beide Unterschenkelknochen erstreckt. Kaum verdient diese Lücke
Fussgelenke. 153
den Namen einer Gelenkhöhle; sie gleicht eher einer von knöchernen Wän-
den begrenzten Synovialtasche; denn die einander zugekehrten Knochen-
Fig. 132. flächen schliessen nicht auf einan-
der, sondern sind in der Regel beide
leicht ausgehöhlt (Fig. 132); sie sind
nicht mit Knorpel, sondern die tibiale
Fläche mit Beinhaut, die fibulare mit
einem flachen Fettpolster bekleidet,
welches den Raum zwischen beiden
Knochen nicht immer vollständig
ausfüllt.
Der hintere, obere und vordere
Rand der Höhle gehen in einer
halbkreisförmigen Linie in einander
ARER über; der untere, nur leicht auf-
SEEN S % ee
III SD wärts gekrümmte Rand, an wel-
< chem das Tibiofibulargelenk sich
: in das Knöchelgelenk öffnet, ist
Yeraschu, des Ktete wul, wrieed cine feine und durch eine Art von
des ersteren. Hinteres Segment. 7 Sprung- Klappe verwahrte Spalte. Es lest
bein. C'a Fersenbein. * Hinteres Sprungbeinge- sieh nämlich von dem oberen Rande
Ink, von vr gefhet 106 Li. Mocsnenn ger üherknorgelien Fläche, mit wel
des M. flex. hall long. Fdl des Flex. dig, cher die Fibula an der Bildung der
long. Peb, Pel des M. peron. long. und br. Pfanne des Knöchelgelenks
Fig. 133. Theil nimmt (vgl. Knochenl.
Fig. 258 **), eine Synovial-
falte über den lateralen Rand
der Endfläche der Tibia her,
an der vorderen Hälfte der
Spalte schmal und fein, an
der hinteren breiter und wul-
stiger, gefäss- und zottenreich,
mit sehr fein zugeschärftem
bogenförmigen Rande (Fig.
Knöchelgelenkpfanne, die Kapsel durch einen horizon- 153% Die Falte zieht sich,
talen Schnitt geöffnet. cf, ct Ligg. caleaneo-fib. und wenn man Tibia und Fibula
ealcaneo tibiale. ia, ttp Ligg. talo-tib. ant. u post. -
ifa, tfp Ligg. talo-fibularia ant. und post. PP Sehnen gewaltsam von einander ent-
der Mm. peronei (long u. br.). Zhl, Sehne des M fernt, zwischen beide in die
flex. hall. long Zdl, des M flex. dig. long. Tp des fröne, Eine Andeutune von
M.-tib. post. u Ze
R Klappenbildung findet sich
übrigens schon an der hyali-
nischen Knorpelbekleidung der Knöchelgelenkpfanne in der Weise, dass der
Knorpelüberzug der Fibula mit feinem scharfen Rande über den Knorpel
der Endfläche der Tibia greift (Fig. 132).
#4, Haftbän-
2 der.
Lig. mall.
lat. ant.
154
Fussgelenke.
ß. Haftbänder.
Während die Höhle des unteren Tibiofibulargelenkes aufwärts an das
Lig. interosseum grenzt und abwärts in der eben beschriebenen Weise in
das Knöchelgelenk einmündet, wird sie an der vorderen und hinteren Flä-
che durch starke Haftbänder, ein Lig. malleoli lateralis ant. und post., ge-
deckt, die mit schräg lateralwärts absteigenden Bündeln Tibia und Fibula
an einander befestigen, oben in die Faserung des Lig. interosseum sich fort-
setzen und unten mit wulstigem Rande an die Kapselmembran des Knöchel-
gelenks stossen.
Das Lig. malleoli lat. ant. (Fig.133.134) 1) ist dreiseitig, seine Fasern
nehmen nach unten an Länge allmälig zu; die untersten verlaufen zwischen
dem vorderen Rand der Knöchelgelenkfläche der Fibula und dem der Fibula
zunächst gelegenen Theile des unteren Randes der Tibia und füllen den von
diesen beiden Rändern begrenzten Winkel aus.
Die vordere Fläche des
Bandes ist von lockerem Bindegewebe und Fett bedeckt; der über die
Knochen abwärts vorragende Theil schaut mit der hinteren Fläche frei in
die Höhle des Knöchelgelenks; der untere Rand schleift auf der. abgerunde-
ten Kante des Talus, welche die obere Gelenkfläche dieses Knochens von
der lateralen trennt.
Knöchelgelenk von vorn geöfinet, der Fuss
im vorderen Sprungbein- u. Würfelbeingelenk
exartieulirt. Zen, {cn Ursprung und Inser-
tion des abgeschnittenen Lig. tibio-caleaneo-
nav. tel Lig. talocaleaneum laterale,
Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 133,
Tp Scheide
des M. tibial. pst: Fdl Rinne des M.
flex. dig long. Fhl Rinne des M.flex. hall.
long. PP Sehnen der Mm. peronei long.
und br. in ihrer Scheide. F tiefe Fascie
der hinteren Fläche des Unterschenkels.
tcp Lig. talocalecan. post. Die übrigen Be-
zeichnungen wie in Fig. 133.
Dasselbe von hinten geöffnet
') Lig. mall. ext. ant. sup. und inf. Weitbr. Lig. malleoli externi ant. aut. Lig. tibio-
Jibulare ant. H. Meyer.
Fussgelenke. 155
Das Lig. malleoli laleralis post. (Fig. 133.135) 1) ist dem Lig. ant. Lie. malı.
in der Form ähnlich, aber bedeutend stärker (bis 7®m); es nimmt seinen Ur- es
sprung nicht nur von den hinteren Flächen beider Unterschenkelknochen,
sondern auch von ihren einander zugewandten Flächen, an der Tibia hinter
der Incisura fibularis, an der Fibula mit den Haftbändern der Talusgelenke
aus einer tiefen Grube hinter der Knöchelgelenkfläche. Die aus dieser Grube
entspringenden Fasern ?) verlaufen minder steil gegen die Tibia aufwärts, als
lie oberen 3); die untersten derselben setzen sich oft erst in der Nähe des
medialen Knöchels an den Rand der Tibia an oder verlieren sich in der
hinteren Kapselwand. Die vordere Fläche des Bandes sieht demnach eben-
falls mit einem dreieckigen Feld in die Höhle des Knöchelgelenkes; diesem
Felde entspricht eine Facette, welche am hinteren Theile des Talus zwi-
schen der oberen und lateralen Fläche eingeschaltet ist.
Beide Haftbänder spannen sich, wenn die Fussspitze gehoben wird und
die Rolle des Talus mit ihrem vorderen breiteren Theil zwischen die Un-
terschenkelknochen tritt; sie erschlaffen dagegen, wenn die Fussspitze
sich senkt.
b. Gelenkverbindungen des Sprungbeins.
«. Kapselbänder.
1. Knöchelgelenk (Art. talo-cruralis) *).
Die hyalinische Knorpelbekleidung der Unterschenkelknochen und des 5, sprung-
Talus im Knöchelgelenk hat 1 bis 2mm Mächtigkeit. Wie die Haftbänder heinse-
des unteren Tibiofibulargelenks die Pfanne des Knöchelgelenks vervollstän- «. Kapseln.
digen und einen Theil des Randes dieser Pfanne bilden, wurde so eben ! a
erörtert. Wegen der Form des Gelenkkopfes, der überknorpelten Rolle des
Sprungbeins, verweise ich auf den osteologischen Theil Seite 271.
Die Wölbung der oberen Gelenkfläche des Sprungbeins entspricht in
einem der Längsaxe des Fusses parallelen Durchschnitt (Fig.136. 137 a.f. S.)
einem Radius von 17 bis21=m und einer Bogenlänge von 120°. Die Bogen-
länge der Pfanne verhält sich zu der des Kopfes wie 2 : 3. Beide, Kopf und
Pfanne, verjüngen sich im transversalen Durchmesser nach hinten (die Pfanne
von 32 auf 28”), Im aufrechten Stehen auf horizontaler Grundlage entspre-
chen sie einander genau; der Gelenkkopf überragt alsdann die Pfanne am
vorderen Rande mit seinem breitesten, am hinteren Rande mit seinem schmal-
sten Theile. Soll die Fussspitze gehoben werden und der breitere Theil
des Kopfes tiefer in die Pfanne eindringen, so müssen die unteren Enden
der Unterschenkelknochen etwas auseinanderweichen. Wird die Fussspitze
gesenkt und rückt der Gelenkkopf in seiner Pfanne, vor, so gewinnt er
Spielraum, und dadurch wird, bei gebeugter Fussspitze, eine geringe Dre-
D) Lig. mall. ext, post. aut.
®”) Lig. mall. ext. post. inf. Weitbr. Lig. mall. ext. post. profundum Barkow.
®) Lig. mall. ext. post. superius Weitbr. Lig. mall. ext. post. superficiale Barkow.
*) Oberes Talus-Gelenk H. Meyer.
156 Fussgelenke.
Fig. 136. <
Verticaldurchschnitte des Fusses, ‘parallel der Längenaxe desselben. Fig. 136 in Beugung.
Fig. 137 in Streckung. Das Schiffbein (N) ist dicht am lateralen Rande, das Würfelbein
(Cb) dieht am medialen Rande getroffen. ccp Lig. caleaneo-euboid. plant. Zhl M.ext. hall.
long. Edb M est. dig. br. J M. inteross.. 7A Sehne der Wadenmuskeln. Abdg M. abd.
dig. quinti. Fdl M. fex. dig. long. Fdpl dessen caput plantare (caro quadrata). Fdb M.
flex. dig. br. Pel Sehne des M. peroneus long, Z M. lumbricalis. AdhM. adduct. hall.
Fussgelenke. 157
hung des Fusses um die verticale Axe möglich. Die horizontale Drehungs-
axe des Fusses liegt in der Gegend des Can. tarsi.
Die nach den Seiten abfallenden Articulationsflächen des Knöchel-
gelenkes haben das Eigenthümliche, dass auch bei der äussersten Streckung
(Hebung der Fussspitze) ein vorderer Streifen der Sprungbeinflächen bei-
derseits frei bleibt. Die laterale Articulationsebene steht rechtwinklich, die
mediale in der Regel in einem stumpfen Winkel zur oberen; die laterale
reicht weiter hinab und ist an der unteren Spitze dergestalt lateralwärts
umgebogen, dass beim aufrechten Stehen das untere Ende der Fibula vom
Sprungbeine getragen wird (Fig. 132).
Die Kapsel des Knöchelgelenks ist an den Seiten straff, vorn und hin-
ten schlaff; die vordere Wand derselben legt sich bei Hebung , die hintere
bei Senkung der Fussspitze in eine Querfalte.e. An den Unterschenkelkno-
chen, wie am Sprungbeine, folgt ihre Anheftung ziemlich genau dem Rande
des Knorpelüberzuges; nur vom Sprungbein schliesst sie vor dem vorderen
Rande der oberen Artieulationsfläche einen Theil der rauhen oberen Fläche
mit ein, welche theils von Fett, theils von einer äusserst zarten Beinhaut
bedeckt ist. Verticale Septa scheiden diese vordere Ausbuchtung der Ge-
lenkhöhle in Fächer, die mitunter nur durch enge Mündungen mit der
eigentlichen Gelenkhöhle zusammenhängen. So finden sich auch an der
hinteren Kapselwand hernienartige Anhänge mit engem Halse, deren Ein-
gang sich in Gruben zwischen den stärkeren Faserzügen findet, welche die
Kapsel durchsetzen.
Von den Faserzügen der Kapsel sind einzelne durch ihre Mächtigkeit
und Beständigkeit ausgezeichnet, die ich später mit den entschieden selbst-
ständigen Haftbändern der Sprungbeingelenke beschreiben werde. Andere
breiten sich mehr membranförmig in der hinteren und vorderen Kapselwand
aus, und sie werden von Fettmassen mehr oder weniger auseinanderge-
drängt. Sie haben im Allgemeinen in der hinteren Kapselwand eine me-
dialwärts, in der vorderen eine lateralwärts absteigende Richtung; in der
hinteren Kapselwand gehen sie demnach vom lateralen Knöchel in An-
schluss an das Lig. mall. lateral. post. aus, die untersten zum medialen Hö-
eker des Sulcus flex. hall. long. des Sprungbeins !); zu ihnen gesellen sich
schwächere, vom medialen Knöchel steiler abwärts verlaufende Bündel.
In der vorderen Wand der Kapsel ziehen sie meist schmal und strangför-
mig vom medialen Knöchel zum vorderen Rande der Gelenkfläche des
Sprungbeins.
Sehr mächtige Fettmassen liegen auf der vorderen und hinteren Kap-
selwand und springen als fetthaltige Synovialfalten in die Gelenkhöhle vor.
In dem vorderen Fettpolster sind, unterhalb der Sehnen der langen Streck-
muskeln der Zehen, die Gefässstämme des Fussrückens eingeschlossen; das
hintere Fettpolster reicht bis zur Sehne der Wadenmuskeln; es wird von
einer Fascie umschlossen, in welche die Sehne des M. plantaris sich aus-
breitet, und sammt der Kapsel durch die Contraction dieses Muskels nach
hinten gezogen.
') Lig. obligquum Waltheri Weitbr.
158 Fussgelenke.
2. Hinteres Sprungbeingelenk ').
= en In dem hinteren Sprungbeingelenk artieuliren die lateralen Gelenkflä-
gelenk. chen (Fac. artt. laterales, Knochen]. S. 270) des Sprung- und Fersenbeins,
von einem Knorpel überzogen, der in Charakter und Mächtigkeit dem des
Knöchelgelenkes gleicht.
Die Gelenkfläche des Fersenbeins ist in den meisten Fällen unregel-
mässig begrenzt und gekrümmt; doch giebt es Füsse, in welchen sie der
Gelenkfläche des Sprungbeins in Umfang und Krümmung genau entspricht.
Legen wir diese, wie wohl selteneren,
Fig. 138. doch eigentlich gesetzmässigeren
Exemplare unserer Beschreibung zu
Fal Grunde, so erkennen wir in der Ar-
Edb . 5 2
Fapl tieulationsebene deshinteren Sprung-
beingelenks ein Stück Cylinderfläche
Peb und zwar eines Cylinders von etwa
28mm Radius, dessen Axe durch das
Abh Fersenbein von dem hinteren Rande
der lateralen zum vorderen Rande
a der medialen Fläche in der Nähe
2 Pe]
NSS = “
ISIS > SI, der unteren verläuft. Sie schneidet
>I7a die Längsaxe des Fusses unter ei-
1 nem Winkel von etwa 30° und läuft
Mar ee ra ehe daher der Medianebene fast paral-
eg ee Iel, wenn der Fuss sich mit der
schnitten. Vorderes Segment. A Aponeurose. Spitze so, wie es beim aufrechten
Pel, Peb Sehnen der Mm. peron. long. und Stehen Regel ist, lateralwärts wen-
br. Fdl Sehne des M. flex dig. long. Fadpl - - - B
Planterer Kopf dieses Muskels. Edb M. ext. det. Die Articulationsebene ist el-
dig. br. Abh M. abduct. hall. Adg M. abd. liptisch, und bei der eben erwähn-
Beau. ten Stellung des Fusses liegt die
grosse Axe derEllipse genau trans-
versal, die kleine sagittal. Das Fersenbein trägt den Kopf, das Sprung-
bein die Pfanne dieses Gelenkes (Fig. 138) und die Drehung, die der Kopf
in der Pfanne macht, entspricht einer Rotation des Fersenbeins und mit ihm
des Fusses um seine Längsaxe, wodurch der Rand desselben gehoben und
gesenkt wird.
Die Abweichungen von dieser regelmässigen Form beruhen nun darin,
dass 1) die Drehungsaxe des Gelenkes die Längsaxe des Fusses unter.
einem minder spitzen Winkel schneidet und dass sie demnach auch bei la-
teralwärts gestellter Fussspitze der Medianebene nicht parallel läuft, son-
dern sich mit dem vorderen Ende gegen dieselbe neigt; dass 2) der Um-
fang der Gelenkfläche, insbesondere des Fersenbeins, sich stellenweise ein-
zieht, an anderen Stellen ausbuchtet; sie wird dadurch dreieckig oder pal-
men- oder kleeblattförmig; sie nähert sich der Kreisform und kann sogar
im sagittalen Durchmesser grösser werden als im transversalen. Endlich
1) Articulatio astragalo-calcanea propria Meckel.
Fussgelenke. 159
3) kommen auch Unregelmässigkeiten der Krümmung vor. Die Fersen-
beinfläche wird sattelförmig, indem sie sich im sagittalen Durchmesser leicht
vertieft, oder sie höhlt sich in der Nähe der Ränder aus, oder fällt nach der
einen Seite, am häufigsten nach der lateralen, steiler ab. Die Incongruen-
zen, welche auf diese Art entstehen, werden durch starke Fettpolster ausge-
glichen und die Bewegung des Fersenbeines auf dem Sprungbein ist in die-
sem Falle mehr ein Wiegen von einer Seite zur anderen, als ein Drehen
um die Axe. Zuweilen ist ein kleiner, hinterer Abschnitt der Articulations-
ebene in einer stumpfen Kante abgesetzt, wodurch jede Möglichkeit des
Vorrückens des Sprungbeins auf dem Fersenbein abgeschnitten wird.
Die Kapselmembran sitzt an der dem Can. tarsi zugewandten Seite
des Gelenkes dicht am Rande der überknorpelten Flächen; hinter dem Sinus
tarsi befestigt sie sich am Sprungbeine, zuweilen auch am Fersenbeine in
geringer Entfernung vom Rande der Gelenkfläche an der Vorderfläche der
Knochen. Hinter dem lateralen Knöchel wird ein grosser Theil der Ober-
fläche des Fersenbeines in die Gelenkhöhle mit aufgenommen, während hin-
ter dem medialen Knöchel, wo die Sehne des M. Flex. hall. longus an dem
Gelenke herabläuft, die Anheftung der Kapsel wieder genau mit dem Rande
der Gelenkflächen zusammenfällt. Der hinteren Kapselwand sind an ihrem
Sprungbein - Ursprunge einige feste, dem Knochenrande parallele Faserbün-
del eingewebt, welche eine Art Gelenklippe bilden. Im Uebrigen ist diese
Wand der Kapsel fein und lehnt sich an das Fettlager, an welches auch
die hintere Wand des Knöchelgelenks grenzt (Fig. 136). Eine nicht minder
reichliche Fettmasse deckt in der Gegend des Sinus tarsi die vordere Wand
der Kapsel und selbst der Can. tarsi ist vor und hinter dem Lig. interarti-
eulare (s. unten) mit Fett erfüllt.
Barkow beobachtete eine Communication der Kapseln des Knöchel- und des
hinteren Talusgelenkes vor dem lateralen Knöchel.
3. Vorderes Sprungbeingelenk !),
Das vordere Sprungbeingelenk gehört zu den Kugelgelenken; der 3. vorderes
Kopf nimmt die vordere Fläche und den vorderen Theil der unteren Be Nas.
che des Sprungbeins ein; die Pfanne wird zusammengesetzt von der late-
ralen Gelenkfläche des Fersenbeins, der hinteren Gelenkfläche des Schiff-
beins, dem Lig. tibio-calcaneo-naviculare und der Bandscheibe desselben.
Sieht man ab von den Facetten, welche den unteren Theil des Kopfes un-
regelmässig machen und auf welche ich zurückkomme, so findet man den
Radius dieses Kugelgelenkes ganz gleich dem Radius der Cylinderfläche
des hinteren Talusgelenkes. Nicht nur ergeben alle senkrecht auf die
) Art. communis s. astragalo-calcaneo-scaphoidea Meck. Den hinteren Theil dieses
Gelenkes, die Articulation zwischen Talus und Calcaneus, zieht H,Meyer mit unserem hin-
teren Sprungbeingelenke zusammen zu einem „unteren Astragalusgelenk“; den vor-
deren Theil unseres vorderen Sprungbeingelenkes, die Articulation zwischen Sprung- und
Schiffbein, nennt Meyer, in Verbindung mit dem hinteren Würfelbeingelenk, mittleres
Fussgelenk. Diese Zusammenstellung ist offenbar aus Ansichten des skelettirten Fusses,
ohne Beachtung der Kapselmembranen, hervorgegangen
160 Fussgelenke.
vordere Fläche des Talus und durch den Mittelpunkt derselben geführten
Schnitte Kreisbogen von gleicher Krümmung, sondern es passt auch jeder
Lig. tibio-
ealecaneo-
navic.
Fig. 139. Das vordere Sprungbeingelenk, bei lateralwärts gerichteter Fussspitze fronta
durchschnitten. * Knöchelgelenk, von vorn geöffnet. 7p Sehne des M. tib. post. Fhl
Sehne des M. flex. hall. l. dl des Fl. dig. long. Fdbl planterer Kopf des letzteren.
Fdb M. flex. dig. br. Abh, Abg M. abduct. hall. nnd dig. quint Ehl, EdIM. ext.
hall. long. u. dig. long. Edb M. ext. dig. br. Peb, Pel Sehne des M. peron long. u. br.
Fig. 140. Verticaler Durchschnitt des vorderen Sprungbeingelenkes parallel der Längsaxe
des Fusses durch den Mittel-Fussknochen der grossen Zehe, * Hinteres Sprungbeingelenk.
tei Lig. talo-calean. inteross.
dieser Schnitte genau in die dem hinteren Sprungbeingelenk angehörige
concave Gelenkfläche des gleichen Knochens. Der transversale Durchschnitt
des Gelenkkopfes entspricht einem Bogen von etwa 120°; der Bogen des
verticalen Durchschnittes ist in der Regel kleiner.
Das Lig. libio-caleaneo-naviculare, dessen Beschreibung aus dem
oben angeführten Grunde hier eingeschaltet werden muss, füllt den Raum
Fig. 141.
Bänder der Fussgelenke, von der medialer Seite. tcp, tem Lig. talo-calcaneum post, und
mediale. t£p Lig. talo-tibiale post. ct Lig. caleaneo-tib, tbn Lig. tibio-naviculare Ta, Tp
M. tibialis ant. u. post. dicht an der Insertion abgeschnitten, die Sehne des Tib a. abwärts
zurückgeschlagen. 7 A Sehne der Wadenmuskeln:
Fussgelenke. 161
aus, der in der Fusssohle und am medialen Fussrande zwischen dem
Schiff- und Fersenbein übrig bleibt. In der Fusssohle ‚entspringt es mit
parallelen, starken Faserbündeln, vom medialen Rande der vorderen Gelenk-
fläche des Fersenbeins und vom Vorderrande des Sustentaculum tali oberhalb
des Suleus flex. hall. long. Die vordersten dieser Bündel (Fig. 141 cn) gehen
vor- und medianwärts zur Tuberosität des Schiffbeins !); die weiter rück-
wärts gelegenen Bündel treten am Seitenrande des Fusses, hinter dem
Schiffbein mit Bandmassen zusammen, welche von der Spitze des medialen
Knöchels abwärts (ten’), vom hinteren oberen Rande des Schiffbeins rück-
wärts (fen“), von dem die Rinne des M. flexor. hall. |. am Sprungbeine
medialerseits begrenzenden Vorsprung vorwärts (ten“) verlaufen. Aus
der Verflechtung aller dieser Fasern geht eine knorpelharte und nicht selten
theilweise verknöcherte, elliptische, bis 6mm mächtige Bandscheibe hervor
(ten*), welche mit der einen Fläche in die Höhle des vorderen Sprung-
beingelenks sieht und
dem Sprungbeinkopfe
genau anliegt, mit
der anderen, eben-
falls ausgehöhlten
Fläche ein Stück der
Rinne bildet, in wel-
cher die Sehne des
M. tibialis posticus
anı medialen Fuss-
rande gleitet.
An der Pfanne
des vorderen Sprung-
beingelenkes, wenn
man sie für sich be-
trachtet, machen sich
in der Regel drei Ab-
theilungen od. Zonen
bemerklich. Die erste
(Fig.142.1)entspricht
der Facies art. med.
post. des Fersenbeins;
sie ist von hinten nach
vorn abhängig. Die
zweite, tiefste Zone
der Pfanne besteht
aus drei neben einan-
Pfanne des vorderen Sprungbeingelenks. ci Bündel des Lig, der gelegenen Ab-
talo-calcan. inteross. Zc/ Lig. talo-calcan. later. end, ced Lig. . 2
caleaneo-naviculare u. calcaneo-cuboid, dorsale, Fhl, Fdl, Tp theilungen: der Face.
Sehnen der Mm. flex. hallucis 1., Fl. dig. comm. u Tibialis post. art. med. ant. des
Fersenbeins (2°), dem
Fig. 142.
') Lig. planum cum trochlea cartilaginea Weitbr. Lig. calcaneo-scaphoideum inf. Meck.
Lig, eartilagineum calcaneo-navie. Weber-H. Lig. cale.-scaph. int. Barkow. Lig. calcaneo-
naviculare plantare Krause.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 11
162 Fussgelenke.
Lig. tibio-caleaneo-naviculare (Fig. 143 2“) und der Bandscheibe dieses
Ligaments (2°). . Die dritte Zone (3), die vordere Wand der Pfanne, ge-
Fig. 143.
Pfanne des vorderen Sprungbeingelenks. tci Bündel des Lig. talo-calcan. nteross.
tel Lig. talo-calcan. laterale. end, ced Lig. caleaneo-naviculare u. calcaneo-cuboid.
dorsale. Fhl, Fdl, Tp Sehnen der Mm. flex. hallucis 1, Flex. dig. comm. und
Tibialis post.
hört dem Schiffbein an. Alle diese Knochenflächen sind von mehr oder
minder tiefen Furchen und von fetthaltigen Synovialfalten umgeben; die
Zwischenräume, namentlich auch die Furche zwischen den beiden medialen
Gelenkflächen des Fersenbeins, sind von Fett ausgefüllt.
Der Gelenkkopf zeigt drei Facetten, die aber nicht vollkommen diesen
Zonen entsprechen. Die Grenze zwischen der vorderen Zone (3) und dem
lateralen Theil der mittleren (2°) zeichnet sich nämlich minder deutlich ab,
als die zwischen dem Feld 2“ und 2” der mittleren Zone oder zwischen
dem Lig. tibio-calecaneo-naviceulare und der Bandscheibe desselben. Ganz
gewöhnlich erstreckt sich die Knorpelbekleidung des Sprungbeinkopfs, wel-
che hier, wie auf allen anderen Gelenkflächen der Fusswurzel und des Mit-
“ telfusses, hyalinisch ist, von der vorderen Fläche einige Mm. weit über den
Rand der oberen Fläche nach hinten. Der auf diese Weise überknorpelte
Fussgelenke. 163
und abgerundete Rand des Sprungbeins ragt in jeder Stellung des Fusses
merklich über den Rand des Schiffbeins hervor und bildet einen queren
Vorsprung hinter dem sogenannten Spann des Fusses, der sich in der Regel
durch die Haut durchfühlen lässt.
Die Varietäten des Gelenkes ergeben sich schon aus den in der Knochenlehre
beschriebenen Varietäten der medialen Gelenkflächen des Sprung- und Fersenbeins.
Nicht selten fliessen diese beiden Gelenkflächen (1 und 2°) in Eine zusammen; häu-
figer noch fehlt die vordere Gelenkfläche (2‘) und damit ist also die Articulations-
ebene um so viel verkleinert, und Fett, von der Kapsel umschlossen oder ausser-
halb derselben, nimmt die Stelle ein.
Auffallende Varietäten der Krümmung zeigen die auf einander gleitenden Fa-
cies artt. med. postt. des Sprung- und Fersenbeins. Immer ist dieser Theil der
Articulationsebene flacher als die übrigen Regionen des Gelenks, aber zuweilen ist
er ganz plan und es kann die Gelenkfläche des Sprungbeins sogar in Einer Rich-
tung concav, sattelförmig oder ganz ausgehöhlt sein, so dass sie der Sprungbeinflä-
che des hinteren Talusgelenks gleicht und eine Fortsetzung derselben zu sein scheint.
Doch liegt sie höher als diese und ist flacher gebogen; auch wird die ihr entspre-
chende Fläche des Fersenbeins nicht in gleicher Weise convex.
Die Kapsel des vorderen Sprungbeingelenkes entspringt am Boden des
Gelenkes nahe am Rande der Gelenkflächen, oben von der oberen Fläche
sowohl des Sprung- als Schiffbeins in einiger Entfernung von der Gelenk-
fläche ; medialerseits erstreckt sie sich unterhalb des Knöchelursprunges des
Lig. tibio-caleaneo - naviculare weit hinauf, bis in die Nähe des Knöchel-
gelenkes (Fig. 139).
ß. Haftbänder.
Die Haftbänder der Sprungbeingelenke gehen theils längs der Kapsel-
membranen und in dieselben eingewebt von einem Knochen zum anderen,
theils überspringen sie ein Gelenk und verbinden die Unterschenkelknochen
direct mit den entlegeneren Knochen der Fusswurzel. ‚Die Bänder der er-
steren Art ordnen wir der leichteren Uebersicht wegen in drei Gruppen,
je nachdem sie vom Sprungbein zum Unterschenkel, zum Fersenbein oder
Schiffbein verlaufen. Die Bänder zwischen dem Fersenbein und Schiffbein
gehören nicht hierher, sondern sind, da wir bei den Bewegungen im vorde-
ren Sprunggelenke die Fusswurzel dem Talus gegenüber als ein Ganzes be-
trachten, in Verbindung mit den Haftbändern der Amphiarthrosen des Fus-
ses zu beschreiben.
Die Bänder dieser Abtheilung haben eine symmetrische Anordnung,
die aber durch Ungleichheiten in Form und Grösse verhüllt ist. Im Allge-
meinen sind die Bänder der lateralen Seite länger und stärker als die der
medialen.
I. Haftbänder zwischen Unterschenkelknochen und Sprungbein,
Ligg. talo -cruralia.
Sie gehen vom lateralen und medialen Knöchel schräg herab zum
Sprungbein, von jedem Knöchel zwei, das eine rückwärts, das andere vor-
wärts, die hinteren Bänder wie die vorderen gegen einander convergirend,
1105
Haftbän-
P. der.
I. Ligg. ta
lo-cruralia.
164 Fussgelenke.
die hinteren aber mit ihren unteren Enden einander näher gestellt als die
vorderen, eine Folge der Verschmälerung der oberen Sprungbeingelenk-
fläche nach hinten.
Mittelst dieser Bänder ist das Sprungbein an den Knöcheln so aufge-
hängt, dass jede Drehung des Talus um die sagittale Axe unmöglich ge-
macht wird. Bei Erhebung der Fussspitze spannen sich die beiden hinteren,
bei Senkung derselben die beiden vorderen Bänder.
1. Lig. talo-fibulare posticum Krause /fp D.
1. Lig. talo- Platt, mit schräg auf- und abwärts gerichteten Flächen, am hinteren
"ware post Rande höher als am vorderen, oft unvollständig vom hinteren Rande aus
in Schichten getheilt. Ursprung
aus der Grube der Fibula hinter der
Knöchelgelenkfläche derselben; In-
sertion: an der hinteren Fläche des
Sprungbeins zwischen dem lateralen
Höcker des Suleus flex. hall. 1. und
dem unteren Rande der Facette des
Gelenkkopfs, auf welcher das Lig.
malleoli lat. post. ruht und von da
eine Strecke vorwärts längs dem
unteren Rande der lateralen Ge-
lenkfläche (Fig. 144).
Oft fliesst dies Band mit den oben
beschriebenen schrägen Verstärkungs-
fasern der hinteren Kapselwand des
Knöchelgelenks zusammen und diese
Verstärkungsfasern zweigen sich als-
dann von dem Lig. talo-fibulare post.
Knöchelgelenk von hinten. ab. Oder es giebt längs seinem unte-
(Vergl. Fig. 135.) ren Rande Verstärkungsfasern zur hin-
teren Wand der Kapsel des hinteren
Sprungbeingelenks (Barkow). Zuweilen geht es theilweise in die Scheide des
M. flex. hail. long. über.
A I
\\\
ll (UK
NV.
2. Lig. talo-tibiale post. m. {lp ?).
2. Lig. talo- Ein sehr mächtiges platt-eylindrisches Band, dessen Breite (12”m) nach
Hbiale post: nten etwas zunimmt, mit vor- und rückwärts schauenden Flächen. Ur-
sprung: aus einer Grube hinter der Spitze des medialen Knöchels. Inser-
tion: eine glatte Stelle des Sprungbeins unter der hinteren Hälfte der me-
dialen Gelenkfläche desselben (Fig. 144).
\) Lig. fibulae posticum Weitbr. Lig. fibulare tali post. superficiale et prof. Meckel.
?) Lig. talo-tibiale H. Meyer.
Fussgelenke. 165
3. Lig. talo-fibulare ant. Krause fa D.
Dies Band entspringt zwischen dem gleichnamigen hinteren Bande
und dem Lig. mall. lat. ant. vom late-
ralen Knöchel dicht vor dessen unterer
Spitze und befestigt sich neben der un-
teren Spitze und vor der unteren Hälfte
des vorderen Randes der lateralen Ge-
lenkfläche des®Sprungbeins. Es ist dün-
ner als die hinteren Bänder, 10mm preit
am Ursprunge und gegen die Insertion
etwas breiter, meistens in zwei Abthei-
lungen geschieden (Fig. 145).
4. Lig. talo-tibiale ant. m. Fla.
Ein kurzes, nur 3m breites Bänd-
chen, tief versteckt unter dem Lig. cal-
caneo-tibiale und dem tibialen Ursprung
des Lig. tibio-calcaneo-naviculare. Ur-
sprung: unmittelbar vor dem gleichna-
Knöchelgelenk, von vorn, der Fuss im migen hinteren Band an der Spitze des
vorderen Sprungbein- und Würfelbeinge-- medialen Knöchels(Fig. 133.145). Inser-
lenk exarticulirt. (Vergl. Fig. 134.) tion: hinter der abgerundeten Spitze der
medialen Gelenkfläche des Sprungbeins.
1. Haftbänder zwischen Sprung- und Fersenbein.
Ligg. talo - calcanea.
1. Lig. talo-calcaneum posticum Krause /Cp 2).
Entspringt spitz am lateralen Höcker des Sulcus flex. hall. long. des
Sprungbeins und inserirt sich breit, zuweilen mit zwei Zipfeln, an die obere
und mediale Fläche des Fersenbeins (Fig. 144).
2, Lig. talo- calcaneum laterale cl).
Entspringt von der oberen und lateralen Fläche des Fersenbeins (Fig. 145.
147), bedeckt vomM. ext. dig.br., dessen tiefste mediale Bündel auf dem Bande
wurzeln, und geht am Eingange des Sinus tarsi, im Fett versteckt und
») Lig fibulae ant. Weitbr. Lig. fibulare tali ant. ext. Meck. Lig. fibulare tali ant.
Barkow.
2) Lig. astragalo-calecaneum int. post. Meckel.
®) Lig. planum sinus tarsi Weitbr. Apparatus ligamentosus sinus tari Weber-H.
Lig. astragalo-calcaneum interosseum ant. Barkow. Lig. lalo -calcaneum externum Krause,
Weitbrecht’s Lig. perpendiculare sinus tarsi scheint ein isolirtes Bündel eben dieses Ban-
des zu sein.
3.Lig. talo-
fibul. ant.
4. Lie. talo-
tib. ant.
U. Ligg. ta-
lo-calcanea.
1. Lig. talo-
cale. post.
2. Lig. talo-
cale. lat.
166 Fussgelenke.
öfters auch durch das Fett in mehreren Portionen geschieden , schräg me-
dian-, auf- und rückwärts, die Fasern der vorderen Lagen steiler als die der
hinteren, an die bogenförmige Kante des Sprungbeins, die den Zugang zum
Can. tarsi überwölbt. In dem Fett des Sinus tarsi liegt neben dem Bande
zuweilen ein Schleimbeutel.
3 Lig. talo-calcaneum mediale tem 2).
ENTAS Halr Ein schmaler Bandstreif, welcher in fast horizontaler, nur wenig ab-
cale. medial.
Bänder der Fussgelenke, von der medialen Seite. (Vergl. Fig. 141.)
steigender Richtung vom medialen Höcker des Suleus flexor. hall. 1. zum
hinteren Rande des Sustentaculum tali geht (Fig. 146).
4. Lig. talo-calcaneum interosseum Krause fC2 2).
4. Lig. talo- Die Bandmasse, die den Canalis tarsi ausfüllt, besteht aus mehreren
ealc-inteross Iatten und meist kurzen Faserzügen. Im engsten Theile des Canals liegen
zwei, in gekreuzter Richtung schräg aufsteigende Schichten hinter einander;
an der gegen den Sinus tarsi gerichteten Mündung steigt ein Band mit
steileren Fasern medianwärts auf; vom medialen Ausgange des Canals
reicht eine Lage fast perpendiculärer kurzer Fasern eine Strecke weit nach
vorn herum, die medialen Ränder der hinteren medialen Gelenkflächen des
Sprung- und Fersenbeins an einander heftend (Fig. 132.140.143).
!) Lig. talo-calcaneum int. Krause.
*) Massa ligamentosa und Lig. teres sinuositatis tarsi Weitbr. Lig. astragalo-calcaneum
inteross post. Bark. Meckel’s Lig. astragalo-calcaneum ext. s. interosseum und Hyrtl's
Lig. intertarseum entsprechen unserem Lig. talo-calcan. lat. u. interosseum. Das Lig. astra-
galo-calcaneum int. ant. Meck. (talo- calcan. int. Arnold) ist der mediale Ausläufer des
Lig interosseum.
Fussgelenke. 167
1. Haftbänder zwischen Sprung- und Schiftbein.
Ausser den Fasern des Lig. tibio- calcaneo-naviculare, welche, vom
Sprungbein entspringend, durch Vermittelung der Bandscheibe mit dem
Schiffbein zusammenhängen 1), gehört hierher ein plattes Band,
Lig. talo - naviculare {nn ?),
welches auf der oberen rauhen Fläche des Sprungbeins, zwischen den Kap-
seln des Knöchel- und vorderen Sprungbeingelenkes seinen Ursprung nimmt,
und sich ansehnlich verschmälert in einer queren Linie auf der Mitte der
Rückenfläche des Sprungbeins befestigt. Es besteht aus zwei Abtheilungen,
welche am Sprungbein neben einander liegen, sich aber gegen das Schiff-
bein so über einander schieben, dass die laterale, medianwärts absteigende
Hälfte des Bandes ®) sich über die mediale, lateralwärts absteigende #) her-
legt. Einige der oberflächlichen, dem lateralen Rande zunächst gelegenen
Bündel setzen sich über das Schiffbein hinaus auf das zweite Keilbein fort
(Fig. 147. 150).
IV. Lange Haftbänder zwischen Unterschenkel- und
Fusswurzelknochen.
Es giebt deren drei, ein vorderes und zwei seitliche, das vordere zum
Schiffbein, die beiden seitlichen zum Fersenbein. Das vordere wird noch
unterstützt durch die Bündel des Lig. tibio-calcaneo-naviculare, welche durch
Vermittelung der Bandscheibe einerseits mit der Tibia, andererseits mit
dem Schiffbein in Verbindung stehen.
1. Lig. tibio-naviculare H. Meyer /bn >).
Entspringt platt, 7” breit, am vorderen Rande des medialen Knöchels,
steigt lateralwärts herab und endet auf der Mitte der Rückenfläche des
Schiffbeins, zwischen dem Schiffbeinursprunge des Lig. tibio-calcaneo-navi-
ceulare, den es theilweise bedeckt, und der Insertion des Lig. talo-naviculare,
von dem es theilweise bedeckt wird (Fig. 146. 150).
2. Lig. calcaneo-fibulare cf $).
Ein dicker, platt cylindrischer Strang von 8”" Breite; entspringt an der
Spitze des lateralen Knöchels nach aussen von den Ligg. talo-fibular. (Fig. 133)
1) Lig. astragalo-scaphoideum int. Weber-H.; Lig. int. s. oblique adscendens Bar kow.
*) Zig. latum supernum Weitbr. Lig. dorsale talo-naviculare latum s. supremum We-
ber-H. Lig. talo-navieulare dorsale Krause. Das von Meckel sogenannte Lig. astra-
galo-scaphoideum (Lig. talo-naviculare s. gubernaculum tali Arn.) begreift nebst unserem Lig.
talo-naviculare die Fasern vom Schiffbein zur Bandscheibe des Lig. tibio-calcaneo-navieulare.
?) Lig. astragalo-scaphoid. ext. s. obligue adscendens Barkow.
®) Lig. astragalo-scaphoid. med. s. rectum Barkow.
®) Lig. anterius internum Meck.
°) Lig. fibulae medium perpendiculare Weitbr. . Zig. trigueirum Meck. Lig. lat. ext,
articuli pedis s. fibulare calcanei s. lat. ext. fibulae rectum Barkow. Arnold fasst dieses
Band nebst den Zigg. talo-fibularia post. und ant. unter dem Namen Zig. art. ped. laterale
ext. zusammen.
III. Lig. ta-
lo-navicul.
IV. Lange
Haftbänder.
1. Lig.
tib.-nav.
2. Lig.
cale.-fibul.
168 Fussgelenke.
und verläuft schräg rückwärts, um sich an einem Knötchen der lateralen
Fläche des Fersenbeins etwa in der Mitte seiner Höhe und unter der Mitte
IS
F
DES
Pe
Peb Ch
Pel
Bänder der Fussgelenke, laterale Seite. mla, mlp Lig. mall. later. ant. u. post.
end Lig. calcaneo-navic. dorsale. TA Achillessehne. Pe/, Peb Sehnen des M,
peron. long. und br,
des hinteren Talusgelenks zu befestigen (Fig. 147). Das Band ist an der
äusseren Fläche mit glatter Membran bekleidet und so um die Axe gedreht,
dass es eine nach oben und vorn offene Rinne bildet, welche einen Theil der
Scheide ausmacht, in der die Sehnen der M. peronei gleiten.
Es ist zuweilen verstärkt durch einen Strang '), der sich mit ihm am Fersen-
bein ansetzt, aber weiter nach innen und unten, und etwas nach vorn am Sprung-
bein entsteht (Fig. 147 *). Arnold sah das Band verdoppelt; das zweite ?) ging
von der hinteren Seite des lateralen Knöchels zum Rücken des Fersenbeins.
3. Lig. calcaneo-tibiale H. Meyer ct 3).
3. Lig. eale. ‚ Entspringt, S"m breit, über den Ligg. talo-tibialia, steigt vor dem Lig.
Üble talo-tibiale post., nach vorn bedeckt vom Lie. tibio-navieulare, fast vertical
herab und befestigt sich am hinteren Rande des Sustentaculum tali (Fig. 146).
c. Amphiarthrosen der Fusswurzel.
c. Amphiar- Nach der ausführlichen Beschreibung der articulirenden Flächen, wel-
{hrosen. che ich in der Knochenlehre ($. 274 ff.) gegeben habe, bleibt hier nur noch
die Anordnung des Bandapparats zu schildern. Er besteht aus Kapsel- und
Haftbändern, von welchen die letzteren theils den Rücken, theils die Sohlen-
fläche des Fusses einnehmen.
\) Lig. talo-calcaneum ext. Barkow.
*) Lig. fibulare calcanei posticum Arn.
°) Ganz allgemein wurde das Band zusammengezogen mit dem Lig. talo-tbiale post,
dem tibialen Ursprunge des L. tibio-caleaneo-navieulare und dem L. tibio-navieulare unter dem
Namen eines Lig. deltoides Weitbr. Lig. trapezium s. lat. int, artic. pedis Meckel.
Fussgelenke. 169
«. Kapselbänder.
Die Zahl der Kapseln zwischen den minder beweglichen Knochen der
Fusswurzel und den Mittelfussknochen ist veränderlich; sie vereinfacht sich
durch Schwinden der oft nur dünnen Scheidewände, welche benachbarte
Gelenkhöhlen von einander trennen; sie vervielfältigt sich durch Abschnü-
rung einzelner Ausstülpungen. Kämen die anomalen Communicationen, die
man beobachtet hat, zusammen in einem Fusse vor, so würden sämmtliche
Gelenkflächen in eine einzige, vielfach ausgebuchtete Höhle schauen ; fänden
sich alle bisher beobachteten Scheidewände an Einem Exemplar, so stiege
die Zahl der Gelenkhöhlen auf neun (Barkow). Die Gelenkknorpel ha-
ben 1/; bis 2mm Mächtigkeit; sie sind beträchtlich dünner auf den Flächen,
welche die Knochen Einer Reihe einander zuwenden, als auf den vor- und
rückwärts gerichteten Gelenkflächen. Die mächtigsten Knorpelüberzüge be-
sitzt das Tarso-Metatarsalgelenk der grossen Zehe.
j Die Kapselmembranen sind, wie bei allen Amphiarthrosen, straff und
meistens dicht am Rande der Gelenkflächen angewachsen; die Synovial-
falten sind mächtig, fettreich, aber schmal, und bedecken nur die Ränder
der Gelenkflächen.
1. Würfelbeingelenk )).
In demselben artieulirt die vordere Fläche des Fersen - mit der hinte-
ren Fläche des Würfelbeins. Die Articulationsebene ist dreiseitig, sattel-
förmig, im verticalen Durchschnitt nach vorn concav (Fig. 148), im hori-
zontalen Durchschnitt nach vorn convex; die Anheftung der Kapsel weicht
nur am oberen und lateralen Rande der Gelenkspalte um Weniges von dem
Rande der überknorpelten Flächen zurück.
Fig. 148.
Durchschnitt der Fusswurzel, vom medialen Rande aus in einer lateral- und
abwärts (unter 50° gegen den Horizont) geneigten Ebene. Laterales Segment,
von unten. Zei Lig. talo -calcaneum interosseum. Fhl, Pel Sehnen des
M. Flex. hall. long. und des M. peron. long.
D) Articulatio calcameo-cuboidea Meck.
c. Kapsel-
bänder,
1. Würfel-
beingelenk.
170 Fussgelenke.
Barkow fand einmal die Höhle des Würfelbeingelenks mit der Höhle des
vorderen Sprungbeingelenks durch eine 2“ lange Spalte der gemeinsamen Scheide-
wand vereinigt.
2. Schiffbeingelenk \).
2. Schiffbein- Die Kapsel des Schiffbeingelenks schliesst die Fläche ein, durch die
geleuk.
3. Tarso-
Metatarsal-
gelenke.
das Schiffbein mit den drei Keilbeinen, die Keilbeine unter sich und das
Würfelbein mit dem Schiffbein und dritten Keilbein articuliren. Die Ge-
lenkhöhle ist also im Wesentlichen von fron-
tal gestellten Flächen begrenzt, hat aber drei
sagittale Ausbuchtungen, von welchen zwei
nach vorn zwischen die Keilbeine, die dritte
nach vorn und zugleich um den lateralen
Rand des Schiffbeins nach hinten längs der
medialen Gelenkfläche des Würfelbeins sich
erstrecken.
Die Artieulation zwischen Schiff- und
Würfelbein ist nicht constant, und mit ihr fehlt,
wie sich von selbst versteht, der entsprechende
Theil der Kapsel. In diesem Falle wird häu-
fig das Gelenk zwischen dem dritten Keil-
und Würfelbein selbstständig; in seltenen
Fällen schnürt sich auch das Schiff-Würfel-
beingelenk von dem gemeinsamen Schiffbein-
gelenk ab.
Horizontaldurchschnitt des Ganz gewöhnlich steht das Schiffbeinge-
Schiffbeins mit den Keilbeinen Jenk zwischen dem ersten und zweiten Keil-
N bein mit dem zweiten Tarso-Metatarsalgelenk
in Zusammenhang.
Fig. 149,
3. Tarso - Metatarsalgelenke.
Die Artieulationsebenen dieser Gelenke sind schwach gekrümmt, in
verschiedenem Sinne, zwischen dem ersten und zweiten Keilbein und den
beiden ersten Mittelfussknochen vorwärts convex, zwischen dem dritten
Mittelfussknochen und Keilbein fast plan, am vierten Mittelfussknochen sat-
telförmig, im verticalen Durchschnitt vorwärts concav, im horizontalen vor-
wärts convex, am fünften Mittelfussknochen vorwärts concav. Der erste
und fünfte Mittelfussknochen sind beweglicher als die übrigen, und der erste
insbesondere zeichnet sich durch die Fähigkeit einer allerdings geringen
Rotationsbewegung aus. Kapseln finden sich zwischen den Knochen der
Fusswurzel und des Mittelfusses in der Regel drei. Die erste gehört dem
Gelenke des ersten Keilbeins mit dem Mittelfussknochen der grossen Zehe
an, die zweite umfasst die Gelenkflächen des zweiten und dritten Keilbeins
und den entsprechenden Mittelfussknochen ; sie schickt Ausstülpungen vor-
wärts zwischen die Gelenkflächen, durch welche der zweite Mittelfusskno-
U) Art. cuneo-navicularis Arnold.
Fussgelenke. 171
chen mit dem ersten und dritten Keilbein und dem dritten Mittelfussknochen
und der dritte Mittelfussknochen mit dem vierten artieulirt. Wo die Spalte
zwischen dem zweiten Keilbein und dem zweiten Mittelfussknochen die la-
terale Wand des ersten Keilbeins erreicht, öffnet sie sich in der Regel,
wie erwähnt, in die zwischen dem ersten und zweiten Keilbein vordringende
Ausstülpung des Schiffbeingelenks. Die dritte Tarso-Metatarsalkapsel geht
vom Würfelbein zum vierten und fünften Mittelfussknochen und schliesst die
einander zugewandten Articulationsflächen beider Knochen mit ein.
Die Kapsel des ersten und dritten Metatarsalgelenks ist um Weniges
schlaffer als die des mittleren; die erste erstreckt sich über einen schmalen
Saum der Seitenflächen der Basis des ersten Mittelfussknochens, die dritte
über einen ähnlichen Saum der Rücken- und Sohlenfläche des Würfelbeins.
Unter 23 Füssen, welche Barkow untersuchte, fand derselbe nur ein einziges
Mal die Kapsel zwischen dem ersten und zweiten Keilbein nach vorn geschlossen
und von der Kapsel des zweiten Tarso-Metatarsalgelenkes abgegrenzt.
Ausnahmsweise kommt ein Gelenk mit einer eigenen, ringsum geschlossenen
Kapsel zwischen den einander zugekehrten Flächen der Basen der beiden ersten
. Mittelfussknochen vor. Nicht selten schliesst sich die Kapsel des Gelenkes der ein-
ander berührenden Seitenflächen des dritten und vierten Mittelfussknochen von der
Kapsel des zweiten Tarso-Metatarsalgelenkes ab. Auch kann dies Gelenk durch eine
Scheidewand in zwei, deren jedes die Articulation eines Keilbeins mit einem Mit-
telfussknochen umfasst, zerfallen. Das dritte Tarso-Metatarsalgelenk zeigt die we-
nigsten Varietäten. Sehr selten fliesst es mit dem zweiten zusammen. Ausnahms-
weise tritt die Kapsel des Gelenkes zwischen den Basen des dritten und vierten
Mittelfussknochen statt mit dem zweiten, mit dem dritten Tarso-Metatarsalgelenk
in Verbindung.
ß. Haftbänder.
]J. Haftbänder der Rückenfläche.
Zwischen den minder beweglich verbundenen Knochen der Fusswurzel
und des Mittelfusses giebt es auf der Rückenfläche nur kurze, platte, mei-
stens fest in die Kapseln eingewebte Haftbänder.
Man kann dieselben, je nachdem sie die Knochen einer Querreihe un-
ter sich oder die Knochen einer Reihe mit denen der nächstfolgenden ver-
binden, eintheilen in transversale und sagittale Bänder; man darf aber diese
Ausdrücke hier nicht in ihrer strengen Bedeutung nehmen, da sowohl die
transversalen als die sagittalen Bänder einen schrägen Verlauf nehmen,
transversale Bänder vorwärts, sagittale Bänder zur Seite abweichen und so
die Richtung der einen und anderen eine parallele werden kann. Eine
andere Schwierigkeit entsteht dadurch, dass das Würfelbein einer zweifa-
chen Knochenreihe der medialen Hälfte des Fusses entspricht. Sie ist da-
durch zu beseitigen, dass wir die Spalte zwischen dem Schiffbein und den
Keilbeinen in Gedanken durch das Würfelbein fortsetzen und die Bänder
zwischen Würfel- und Schiffbein den transversalen Bändern der zweiten,
die zwischen Würfel- und Keilbein den transversalen Bändern der dritten
Reihe zuzählen.
„ Haftbän-
der.
I. der Rü-
ckenfläche.
172 Fussgelenke.
Nachdem nunmehr die Bänder zwischen den beiden Knochen der er-
sten Reihe und zwischen dem Sprungbeine und den Knochen der zweiten
Reihe im Vorigen abgehandelt sind, ordnen sich die übrigen folgender-
maassen:
Transversale. ]. Transversale:
a) der zweiten Reihe, zwischen Schiff- und Würfelbein, Ligg. na-
vieulari-cuboidea, ein oberflächliches, breit, lateralwärts gerichtet
(Fig. 150)1), und ein tiefes, schmaleres, genau transversal am hin-
teren Rande beider Knochen (Fig. 151) 2).
Fig. 150.
Dieselben, tiefere Schichte. +} Schnitt-
fläche des oberflächlichen Lig. naviculari-
euboid.
Bänder der Rückenfläche des Fusses. mla Lig.
mall. lat. ant. Ta, Peb abgeschnittene Inser-
tionssehnen der Mm. tibial. ant. und peron. br.
b) der dritten Reihe:
1) zwischen dem Würfelbein und dem dritten Keilbein, ein hinte-
res, lateralrückwärts und ein vorderes, lateralvorwärts 3)
(Fig. 151);
2) zwischen dem dritten und zweiten Keilbein, in mehreren queren
Abtheilungen ®);
3) zwischen dem zweiten und ersten ebenso >).
!) Lig. scaphoideo-cuboideum dorsale Meck.
®) Lig. dorsale navieulari-culoid. Weber-H. Lig. scapho-cuboid. dorsale Lauth. Lig.
eubo-navieulare dorsale Krause,
®) Lig. eubo-cuneiforme dorsale Lauth. Lig. sphenoideo-cuboideum dorsale transversum
Barkow. Zig. cuneo - cuboid. Krause. Lig. dorsale oss. cuneif. et cuboidei tertü W e-
ber-H,. In diesem Handbuche ist ausserdem ein gleichnamiges Lig. primum und secun-
dum beschrieben, welche vom Würfelbein zum ersten und zweiten Keilbein verlaufen sollen.
*) Lig. sphenoideum transversum ext. B.
°) Lig. sphenoid. tramsv. int. B. Ligg. eumei-cumeiformia d. Lauth. Ligg. ossium cu-
neiformium d. Krause. fi
Fussgelenke. 173
e) Der Mittelfussknochen, Ligg. intermetatarsea dorsalia 1). Sie
fehlen zwischen dem ersten und zweiten, liegen zwischen dem drit-
ten und vierten transversal, zwischen dem zweiten und dritten ein
hinteres lateralvorwärts, ein vorderes lateralrückwärts, zwischen
dem vierten und fünften ein hinteres transversal, ein vorderes
lateralrückwärts.
II. Sagittale:
a) der ersten und zweiten Reihe (Fig. 150).
1) Zwischen Fersen- und Schiffbein, Lig. calcaneo - navieulare
dorsale Weber -H. 2), stark, platt eylindrisch, vom vorderen
Rande des Fersenbeins zur hinteren lateralen Ecke des Schiff-
beins;
2) zwischen Fersen- und Würfelbein, Ligg. caleaneo-cuboidea
dorsalia ®), zwei bis drei gerade vorwärts gerichtete Stränge,
schmaler oder breiter, der stärkste am lateralen Fussrande.
b) der zweiten und dritten Reihe, zwischen dem Schiffbein und
den Keilbeinen %).
1) Vom Schiffbein zum dritten Keilbein, breit, lateralwärts >).
2) Vom Schiffbein zum zweiten Keilbein, ein laterales, gerade vor-
wärts 6), und ein mediales, lateralvorwärts.
3) Vom Schiffbein zum ersten Keilbein zwei starke Bänder, gerade
vorwärts; ein laterales, unter dem medialen des zweiten Keil-
beins entspringend ?), und ein mediales, am Fussrande, an die
Sehne des M. tib. post. grenzend S).
e) Der dritten Reihe und der Mittelfussknochen, Ligg. tarso-
metatarsea dorsalia Krause. Sie sind am einfachsten und bestän-
digsten am ersten und fünften Mittelfussknochen, am ersten vom er-
sten Keilbein, breit, gerade vorwärts gerichtet, medianwärts an den
Schleimbeutel der Sehne des M. tibialis ant. grenzend °); am fünf-
ten ebenfalls breit, vom Würfelbein lateralwärts 1%). Der zweite
Mittelfussknochen erhält drei vorwärts convergirende Bänder, eins
von jedem Keilbein 11), der vierte bald Ein vorwärts gerichtetes
Band, bald zwei vom Würfelbein. Sehr veränderlich sind die
\) Ligg. propria dorsalia tarsi Weber-H. Ligg. basium oss. metat. dorsalia B. Ligg.
basium transversalia s. interbasica dorsalia Hyrtl.
2) Lig. calcaneo-naviculare profundum s. prismaticum Weitbr. Lig. calcaneo-scaphoideum
sup. Meck. Lig. calcaneo-scaphoid. dorsale s. ext. Barkow.
?) Ligg. caleaneo-cuboidea superficiaria ext. und int. und profund. Weitbr. Ligg. cal-
caneo-cuboidea superiora s. dorsalia und ext, s. fibulare Meck.
4) Ligg. scapho-cuneiformia dorsalia Lauth. Ligg. cuneo-nawieularia d. Krause.
?) Lig. dorsale oss. nawieularis et cumeif. tertü Weber-H. Von Barkow mit dem
Schiff-Würfelbeinband, an welches es angrenzt, zusammengezogen als Zig. scaphoideo - sphe-
noideum dorsale ext.
6) Lig. dorsale ossis navicularis et cumeif. secundi Weber-H. Lig. scaphoideo-sphenoi-
deum dorsale med. Bark.
?) Lig. dorsale ossis navic. et cumeif. primi supernum Weber-H. Lig. scaphoideo-
sphenoid. dorsale int. Bark.
©) Lig. dors. oss. nav. et cumeif. primi intern. Weber-H.
°) Lig. tarseum dorsale oss. metatarsi hallueis Weber-H. h
10) Lig. tarseum dorsale oss. metatarsi quinti Weber-H. Lig. dorsale juncturae tarsi
c. osse melatarsi quinti Bark. Ä
ID) Lig. int. med. und ext. Weber-H. Ligg. trigemina Arn.
Sagittale.
174 Fussgelenke.
Rückenbänder des dritten Mittelfussknochens: die Kapsel ist bald
gleichförmig dünn, bald gleichförmig stark, bald durch vereinzelte
Bandstreifen verstärkt, welche vom zweiten und dritten Keilbein
kommen 1).
Fig. 152.
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, HM
Sohlenfläche des Fusses nach Entfernung
der oberflächlichen Muskelschichten. Pel,
Tp Sehnen des M. peron. long. u. tibial.
post. Fhl Abgeschnittene Sehne des M.
flexor hall. longus.. Abh desgleichen des
M. abduct. hallueis. 7’hb M. flexor. hall.
br. Adh M. adductor hallueis.
Sohlenfläche des Fusses nach Entfernung
der oberflächlichen Schichte des Lig. cal-
. eaneo-cub, plant. u. der mit demselben zu-
sammenhängenden Muskeln. Die Sehne
des M. peron. long. (Pel) ist aus ihrer
Scheide herausgenommen und dicht an der
Insertion abgeschnitten, T’c Tuber oss. ceu-
boid. Tp, Abg Sehnen des M.tibial. post
und Abduetor dig. quinti. Fhl, Fadl Rin-
nen der Sehnen des Flexor hall. long. und
Flexor digit. long. fen Lig. tibio-caleaneo-
naviculare.
ı) Weber-H. führt ein Zig. int., med. und exit. auf, vom zweiten und dritten Keil-
bein und vom Würfelbein. Arnold’s Zigg. bigemina int. haben den Ursprung am dritten
Keilbein gemein ; sie gehen das eine zum dritten, das andere zum vierten Mittelfusskno -
chen; die Ligg. bigemina ext. Arn. gehen vom Würfelbein zum vierten und fünften Mittel-
fussknochen.
Fussgelenke. 175
II. Haftbänder der Plantarfläche.
In der Fusssohle finden sich lange Bänder, welche sich über mehrere
Knochen erstrecken, und kurze Bänder, die die neben einander gelegenen
Knochen an einander heften.
Die langen Bänder sind, wie sich von selbst versteht, auch die ober-
flächlicheren ; die kurzen liegen, von der Plantarfläche aus betrachtet, in
der Tiefe, und reichen zum 'T'heil zwischen den einander zugekehrten rau-
hen Seitenflächen der Fusswurzel- und Mittelfussknochen hoch, ja bis ge-
gen die Bänder des Fussrückens, hinauf 1).
a. Lange Bänder.
Sie sind platt, breit und verlaufen,
drei an der Zahl, das eine in sagittaler
Richtung vom Fersenbein zum Ballen,
die beiden anderen transversal längs den
Basen der Mittelfussknochen.
Das Lig. calcaneo - cuboideum
planlare nimmt seinen Ursprung von
der ganzen rauhen unteren Fläche des
Tp Fersenbeins zwischen den beiden Zacken
des hinteren Randes und dem stumpfen
| ZFM Höcker (Knochenlehre Fig. 206 *) in der
eep"{i MZFTA Nähe des vorderen. Es lässt sich in
Schichten zerlegen, deren Fasern um so
kürzer werden, je tiefer sie liegen und
cep N f
“
Ta
je weiter vorn sie entspringen. Das ganze,
mächtige Band füllt die Concavität der
unteren Fläche des Fersenbeins voll-
kommen aus (vgl. Fig. 156).
Die oberflächlichste Schichte (Fig.
152 u. 153 ccp) ?) geht über die Tube-
rosität des Würfelbeins hinweg und setzt
3 ee sich zum Theil in die Sehne des sagit-
ee ee talen Kopfs des M. adductor hallueis, so-
cub. plantare. Die Sehne des M. tibialis wie in die Sehnen der Mm. interossei
nule) or ee ne en fort, zum Theil erstreckt sie sich an
Sehne des M. tibial. ae Tr cal- der Rückseite dieser Muskeln zu den
caneo-cuboid. dorsale. Basen der Mittelfussknochen. Die Fa-
sern der letzteren Art werden verstärkt
durch einzelne, am vorderen Rande der Tuberositas ossis cuboidei ent-
springende Faserbündel3). Mit den in die Sehne des M. abductor hallueis
übergehenden Fasern verbinden sich quere Züge, die von der Sehne desM.
N (
N
2
!) Die in den Zwischenräumen der Knochen befindlichen Bänder werden gewöhnlich
unter dem Namen Ligg. interosses von den eigentlichen Ligg. plantaria unterschieden.
®) Lig. calcaneo-cuboid. long. Weitbr. Lig. calc. cub. infimum Weber-H. Lig. cal-
caneo-cuboid. rectum s. superficiale Barkow.
3) Lig. cuboideo-metatarseum long. Bark. Lig. laciniatum Arnold.
U. der Plan-
tarfläche.
a. Lange
Bänder.
176 Fussgelenke.
tibialis posticus abstammen und zugleich mit der Aponeurosis plantaris
(Fig. 152 *) in Verbindung stehen.
Die genannte Schichte bildet von der Tuberositas oss. cuboidei an bis
zu den Mittelfussknochen die plantare Wand der Scheide, in welcher die
Sehne des M. peron. longus gleitet.
Die nächst tiefere Schichte des Lig. caleaneo-cuboid. plantare (Fig.
155 u. 156 ccp‘) !) reicht nur bis zur Tuberosität des Würfelbeins (Te)
und entfaltet sich fächerartig längs derselben.
Die tiefste Schichte (Fig. 156 cep“) 2) wendet sich mit ihren Fasern
schräg vor- und medianwärts, kommt am medialen Rande der oberfläch-
licheren Schichten zum Vorschein und inserirt sich auf der unteren Flä-
che des Würfelbeins hinter der Tuberosität.
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Sohlenfläche des Fusses nach Entfernung der Sohlenfläche des Fusses nach Entfernung
oberflächlichen Schichte des Lig.. calcaneo-cub,. der mittleren Schichte des Lig. calcaneo-
plant. und der mit demselben zusammenhän- cub. plantare. (Vgl. Fig. 154.)
genden Muskeln. (Vergl. Fig. 153.)
Das Lig. tarseum transversum laterale?) geht von der Schneide
des dritten Keilbeins, plantarwärts gedeckt durch die Sehne des M. peron.
longus, zur Tuberosität des fünften Mittelfussknochens; seinem hinteren
. Rande schliessen sich Fasern an, welche aus dem lateralen Rande der Sehne
') Lig. calcaneo-euboid. obliguum Weitbr. Lig. calcaneo-cuboid. medium Weber H.
*) Lig. calcaneo-cuboid, rhomboideum Weitbr. Lig. caleaneo- cuboid. summum We-
ber-H. Lig calcaneo-cuboid. transversum s. profundum Bark.
°) Lig. transversale ossis metat. quinti Weitbr. Lig. tarseum plantare transversum und:
Lig. transversale ossis metat. quinti Weber-H. Lig. sphenoideo-metatarseum transv. Bark.
Fussgelenke. 177
des M. tibialis post. sich abzweigen, ferner, nicht ganz beständig, kurze,
vom vorderen Rande des Würfelbeins stammende Fasern.
Das Lig. tarseum transversum mediale ») verläuft von der me-
dialen Fläche des ersten Keilbeins schräg lateral- und vorwärts zur Basis
des dritten, nicht selten auch des vierten Mittelfussknochens. Zwischen
dem dritten und vierten Mittelfussknochen kreuzt es sich mit den Fasern
des entsprechenden Lig. intermetatarseum.
Weitbrecht gedenkt eines Lig. plantare comm. (Lig. basium comm. longum
Barkow, Lig. transversarium long. s. Jugale Arnold), welches über die Basen der
mittleren Zehen hinweg von dem zweiten Mittelfussknochen zum fünften verlaufe.
b. Kurze Bänder.
Sie lassen sich zweckmässig, gleich den Bändern der Rückenfläche, in
transversale und sagittale ordnen; doch sind sie im Allgemeinen minder be-
ständig und minder genau umschrieben als die Bänder der Rückenfläche,
und insbesondere werden sie an der medialen Hälfte des Fusses häufig durch
Sehnenbündel des M. tibialis ant. ersetzt oder verschmelzen mit diesen.
I. Transversale: Transversale.
a) der zweiten Reihe, ein
Lig. cuboideo -naviculare
plantare (Fig.156) zwischen
den einander zugewendeten
Aushöhlungen des Schiff- und
Würfelbeins 2);
b. Kurze
Bänder.
Fig. 157.
N Na MI b) der dritten Reihe,
2 EDDIE NT, zwischen dem Würfelbein und
2 ra, ) : Ze :
BIRD? ng dem dritten Keilbein, sowie °
F En 7 are zwischen den Keilbeinen, je
if H . . - . .
2 A Fab-Fdpı eine eontinuirliche oder eine
Frontaldurchschnitt des Fusses. A Aponeur. in mehreren Abtheilungen
zerfallene Bandmasse (Fig.
155. 157) 3).
plantar. Abdbh, Abg Querdurchschnitte des
M. abduct. hallueis und dig. quint. Fdb M.
flex. dig. br. Fdpl/ plantarer Kopf des M., flex.
dig. long. Edb M. ext. dig. br. Zdl Seh-
nen des M. ext. dig. long. Ta Sehne des M.
tib. ant. Pel des M. peron. long. Fhl, Fal
des M. flex. hall. long. und dig. long. Fhb
des Flex. hall. brevis,
Der Mittelfussknochen,
Ligg. intermetatarsea planta-
ria. Sie kommen, gleich den
entsprechenden Bändern des
Fussrückens, nur zwischen
den vier lateralen Mittelfuss-
knochen vor, indem die Stelle eines Lig. intermetatarseum zwi-
schen der ersten und zweiten Zehe durch ein vom ersten Keilbein
») Lig. ossis metatarsi secundi plantare und oss. metat, tertü obliguum et rhomboides
Weitbr.
sublime Arnold.
Lig. tarseum plantare ossis metatarsi secundi et tertü Weber-H. Lig. bifurcatum
2) Weitbrecht führt ein Lig. naviculari-cuboid. transversale und interosseum auf;
Weber-H. eine Massa ligamentosa navieulari-cuboidea.
3) Zwischen dem dritten Keilbein und Würfelbein unterscheidet Weitbr. vier Bänder,
Weber-H. ein Lig. plantare und interosseum, Baxkow drei (Zigg. cuboideo-sphenoidea) in-
Henle, Anatomie. Bd. I, Abthig. 2.
12
178 Fussgelenke.
zum zweiten Mittelfussknochen verlaufendes Band vertreten wird.
An den dritten Mittelfussknochen setzen sich von beiden Seiten her
die Ligg. intermetatarsea symmetrisch an, dergestalt, dass sie vom
zweiten und vierten gegen den dritten schräg vorwärts laufen;
ebenso schräg vorwärts verläuft das Lig. intermetatarseum von
der fünften Zehe zur vierten (Fig. 155. 156). Von dem Verhält-
niss der Ligg. intermetatarses zum Lig. tarseum transv. mediale
war oben die Rede.
Sagittale. II. Sagittale.
a) Der ersten und zweiten Reihe.
Zwischen Fersen- und Schiffbein, Lig. calcaneo -naviculare
plantare (Fig. 155) !), ein kurzes, platteylindrisches Band mit
schräg von der medialen vorderen Ecke des Fersenbeins median-
und vorwärts verlaufenden Fasern, an den medialen Rand des Lig.
calcaneo-cuboid. plantare sich anschliessend, von dem plantaren
Theile des Lig. tibio-calcaneo-euboid. zum Theil gedeckt.
b) Der zweiten und dritten Reihe, vom Schiffbeine zu den
Keilbeinen 2). Plantarwärts gedeckt von der Sehne des M. tibial.
post. und oft untrennbar mit derselben verwachsen, geht ein brei-
tes Band vom vorderen Rande des Schiffbeins schräg lateralwärts
zum ersten und zweiten Keilbein, ein sehmaleres und mehr selbst-
ständiges zum dritten Keilbein.
e) Der drittenReihe und der Mittelfussknochen, Ligg. tarso-
metatarsea plantaria 3). Die grosse Zehe erhält ein breites und sehr
starkes Band (Fig.156) ) vom ersten Keilbein, welches sich an den
hinteren Rand des Mittelfussknochens zwischen den Insertionen des
M. tibialis ant. und des M. peron. long. befestigt. Die Kapsel des
Tarso - Metatarsalgelenks der fünften Zehe ist an der Plantarfläche
durch Faserbündel verstärkt, deren ich schon bei Beschreibung des
Lig. tars. transv. lat. gedachte. Der zweite Mittelfussknochen er-
hält schwache Bündelchen vom zweiten und dritten Keilbein 5),
der vierte erhält stärkere oder schwächere bald vom dritten Keil-
bein, bald vom Würfelbein, bald von beiden €). Der dritte Mittel-
fussknochen steht durch schmale und kurze Bandstreifen mit dem
zweiten und dritten Keilbein und dem Würfelbein in Verbindung 7).
feriora, ein post. med. und ant und ein profundum. Zwischen den Keilbeinen erwähnt
Krause Zigg. plantaria und interosseaa Barkow zählt auf (zwischen dem ersten und
zweiten Keilbein) ein Lig. sphenoideum internum interosseum inf. s. post. und ant. s. sup. und
(zwischen dem zweiten und dritten Keilbein) ein Zig. sphenoid. ext. plantare et interosseum.
1) Lig. ealcameo-navieulare teres Weitbr. Lig. calcaneo-scaphoid. med. Bark.
*) Ligg. cuneo-navicularia plantaria Krause. Ligg. scapho-cuneiformia Lauth. Lig.
scaphoideo-cumeiforme int. med, und ext. Barkow.
“) Zigg. sphenoideo-metatarsea, Lig, cuboideo-metatarseum breve und Ligg. tarseo-metatar-
sea lateralia Bark.
*) Lig. tarseum plantare ossis metat. hallueis Weber-H. Lig. sphenoideo-metatarseum
‚plantare int., tarseum ossis metatarsi primi laterale int. und ext. Barkow.
°) Lig. rectum longitudinale Weitbr. Lig. tarseum laterale ossis metat. secundi W e-
ber-H. Lig. tarseum laterale metatarsi sec. ext. rectum und obliguum Barkow.
°) Arnold’s Zig. bifurcatum profundum geht vom dritten Keilbein zum dritten und
vierten Mittelfussknochen.
7) Weitbrecht unterscheidet ein Lig. int. profundum vom zweiten Keilbein (Zig. int.
Fussgelenke. 179
Arnold fand zuweilen ein oder zwei gekreuzte Bänder, Ligg. cruciata mela-
tarsi tertü, das eine vom Rücken des dritten Keilbeins ab- und vorwärts, das an-
dere von der Plantarfläche des Würfelbeins auf- und vorwärts zur lateralen Gelenk-
fläche des Mittelfussknochens.
WM. In den Zwischenräumen der Mittelfussknochen.
Ligg. intermetatarsea interossea Y) liegen in den Zwischenräumen der
Mittelfussknochen in oder unmittelbar vor der vorderen Wand der
Kapseln, in welchen die Seitenflächen der Basen der Mittelfussknochen un-
ter einander articuliren.
Im Knöchelgelenke dreht sich das Sprungbein und mit ihm der Fuss um eine,
bei gerade vorwärts gerichteter Fussspitze genau transversale Axe aufwärts (Stre-
ekung, Dorsalflexion) und abwärts (Beugung, Plantarflexion). Die Excursion dieser
Bewegung beträgt, nach Gebrüder Weber, 78 Grad; sie beträgt aus der ge-
raden, gegen den Unterschenkel rechtwinklichen Haltung, die der Fuss beim auf-
rechten Stehen annimmt, nach der einen und anderen Richtung hin ungefähr gleich
viel. Der genaue Gang dieser Bewegung ist durch die Gestalt der Gelenkflächen
mehr als bei irgend einem anderen Winkelgelenk gesichert ; dennoch weicht auch
das Knöchelgelenk in einer wesentlichen Beziehung von der regelmässigen Form
ab, darin nämlich, dass der transversale Durchmesser des Kopfes wie der Pfanne
von hinten nach vorn zunimmt. Schliessen beim aufrechten Stehen die Gelenkflä-
chen genau an einander, eo ist Streckung des Fusses (Heben der Fussspitze) nicht
anders möglich, als indem die Tibia und Fibula im unteren Tibiofibulargelenk aus-
einandergedrängt werden, und beim Beugen des Fusses (Senken der Fussspitze)
muss im Gelenk ein leerer Raum entstehen, den die zuströmende Synovia ausfüllt-
Der Spielraum, den hierbei der Kopf in der Pfanne gewinnt, wird zu Bewegungen
um die verticale Axe (mit der Fussspitze lateral- und medianwärts) benutzt, die
aber immerhin nur sehr geringfügig sind, ein blosses Wackeln, bei welchem auch
die artieulirenden Seitenflächen des Sprungbeins sich von den entsprechenden Knö-
chelgelenkflichen abheben. ä
Für die richtige Faltung der hinteren Kapselwand bei der Beugung des Fus-
ses ist durch die Ausbreitung der Sehne des M. plantaris in dem die Kapsel von
hinten her deckenden Fettgewebe gesorgt. Die vordere Kapselwand folgt, bei der
Streckung des Fusses, den Sehnen der langen Streckmuskeln, welche straff mit
derselben verbunden sind.
Eigenthümlich, wie die Form der Gelenkflächen,, ist auch die Anordnung der
Haftbänder am Knöchelgelenk. Es ist ein Winkelgelenk ohne Seitenbänder. Die
Ligg. calcaneo-fibulare und calcaneo-tibiale, welche man dafür genommen hat, sind
_ für die Bewegungen des Sprungbeins in seiner Pfanne ganz indifferent und werden
weder durch die Streckung noch durch die Beugung des Fusses gespannt. Auf
ihre eigentliche Function werde ich sogleich zurückkommen. Hemmungsbänder des
Knöchelgelenks sind lediglich die vier, zwischen den Unterschenkelknochen und
dem Sprungbein ausgespannten Ligamenta talo-fibularia und talo-tibialia antt. und
postt., und zwar, wie sich von selbst versteht, beschränken die vorderen die Beu-
gung, die hinteren die Streckung.
Ausser der Bewegung des Fusses um die transversale und um die verticale
Axe giebt es noch eine Drehung um die sagittale Axe, Rotation des Fusses ?),
longitudinale prof. Weber-H. Lig. internum incurvum M. J. Weber) und ein Zig. int.
laterale vom dritten Keilbein (Lig. internum rectum Weber-H.), ein Zig. ext. rectum vom
dritten Keilbein und ein Zig. ext. incurvum (s. obliguum B ark.) vom Würfelbein.
!) Ligg. metatarsi lateralia Weitbr., media Meckel, propria lateraia Weber-H.
2) Adduction und Abduction nach Weber, Torsion nach Cruveilhier, Bei We-
ber heisst Rotation die Drehung in der Horizontalebene um die verticale Axe, die gewöhn-
lich als Adduction und Abduction bezeichnet wird und, nach Analogie der entsprechenden
Bewegungen der Hand, auch Tibial- und Fibularflexion genannt werden kann.
127
II. Ligg.
intermeta-
tarsea inter-
ossea.
Physiolog.
Bemerkun-
gen.
180 Fussgelenke. .
wodurch der mediale oder laterale Fussrand erhoben wird; an dieser Bewegung hat
das Knöchelgelenk keinen Antheil. Für sie scheint insbesondere das hintere Sprung-
beingelenk eingerichtet zu sein, doch dürfen wir, da Ein Knochen an den Bewe-
gungen der beiden Sprungbeingelenke Antheil nimmt, das Eine nur’im Zusammen-
hange mit dem anderen betrachten.
Allerdings begünstigt die Configuration des hinteren Sprungbeingelenkes (vgl.
Fig. 138) nicht nur die Drehung um die sagittale Axe, sondern sie schliesst ver-
möge der Cylinderform der Articulationsebene auch jede andere Bewegung, nament-
lich die Bewegung um die verticale und transversale Axe aus; der Verschiebung
der Gelenkflächen über einander in einer der Drehungsaxe parallelen Richtung,
wodurch das Sprungbein auf dem Fersenbeine vorwärts gleiten würde, ist, ausser
durch die Bänder, vorgebeugt 1) durch den Widerstand, den die vordere Gelenk-
fläche des Sprungbeins an der hinteren des Schiffbeins findet, und 2) durch die ab-
hängige, in manchen Fällen fast frontale Lage des hinteren Theils der Articula-
tionsebene des hinteren Sprungbeingelenkes selbst.
Das vordere Sprungbeingelenk ist, von den Facetten des Gelenkkopfes abge-
sehen, eine Arthrodie; es würde also, für sich allein, Drehungen um alle drei
Axen gestatten: um den Sprungbeinkopf würde der ganze Fuss rotiren, sich mit
der Spitze lateral- und medianwärts, sowie auf- und abwärts drehen können.
Alle diese Bewegungsmöglichkeiten werden dadurch, dass die Pfanne des Einen
Gelenkes und der Kopf des anderen unverschiebbar gegen einander auf dem Sprung-
bein fixirt sind, geradezu aufgehoben, und wenn die Pfanne des vorderen Sprung-
beingelenkes aus hartem Material, wie andere Gelenkpfannen, bestände, so gäbe es,
trotz der cylinderförmigen und kugelförmigen Gelenkflächen, kaum eine starrere
Knochenverbindung, als die des Sprungbeins mit dem übrigen Fusse. Der Mittel-
punkt des Kugelgelenkes liegt nämlich über der Axe des Cylindergelenkes und wenn
also auch durch das Kugelgelenk ein Durchmesser gedacht werden kann, welcher
der Axe des Cylindergelenkes parallel verläuft, so fielen doch beide Axen nicht zu-
sammen. Stellt in Fig. 158 der um y beschriebene Bogen einen (frontalen) Durch-
Fig. 158. schnitt der Articulationsebene des hinteren Sprungbeingelenkes, der
um x beschriebene Kreis einen Durchschnitt des Sprungbeinkopfes
vor, so ist klar, dass, so lange x und y nicht zusammenfallen, die
= Pfanne, die den Sprungbeinkopf umfasst, jede Rotation der Cylin-
dergelenkflächen um y verhindern, sowie die Cylinderfläche, in de-
ren Axe y liegt, jede Drehung des Kopfes in seiner Pfanne unmög-
lich machen muss.
3A Auch beweist schon die wie bei Amphiarthrosen fast genaue
Uebereinstimmung des Umfanges der je einander entsprechenden Ar-
tieulationsflächen der Sprungbeingelenke, dass ihre Bewegungen nur geringe Excur-
sion haben. Die Excursion aber, die sie haben, verdanken sie dem Umstande,
dass in die Pfanne des vorderen Sprungbeingelenkes ein breiter- Streifen weicher
Substanz, das Lig. tibio-calcaneo-naviculare, eingefügt ist, wodurch die Pfanne ihre
Form ändern, über dem Kopfe gedehnt und zusammengeschoben werden kann. Auf
diese Weise wird es möglich, dass der ganze Fuss einer Axendrehung des Fersen-
beins im hinteren Sprunggelenke folge, ferner auch, dass das Schiffbein sich um
den vorderen Theil des Sprungbeinkopfes drehe, indess der untere Theil dieses
Kopfes auf dem Sustentaculum tali ruhend verharrt. Eine gleichzeitige Drehung
auch des Fersenbeins am Sprungbeine im vorderen Talusgelenke wird dann zu
Stande kommen können, wenn die Gelenkfläche des Sustentaculum tali und die
demselben entsprechende Facette des Sprungbeinkopfes übereinstimmend mit der
vorderen Partie der Articulationsebene gekrümmt sind. Dazu gehört dann noch
eine nicht zu genaue Congruenz der Gelenkflächen des hinteren Sprungbeinge-
lenkes, ein Lager mächtiger und comprimirbarer Synovialfalten zwischen denselben.
In gelenkigen Füssen werden sich diese Einrichtungen finden und sicherlich beruht
die Mannigfaltigkeit, die die Gelenkflächen der Fusswurzelknochen zeigen, auf den
grossen Verschiedenheiten im Gebrauche und in der Ausbildung der Füsse. —
Pr: Fussgelenke. 181
Uebrigens müssen auch Verschiedenheiten der Anlage zur Ausbildung der Fuss-
gelenke existiren; die Articulationsebene der eben erwähnten medialen Gelenk-
fläche des Fersenbeins und der entsprechenden Facette des Sprungbeins zeigt sich
schon bei Neugeborenen in verschiedenem Sinne gekrümmt.
Dreht das Schiffbein sich für sich allein, so kann es zur Beugung und Stre-
ckung des Fusses, sowie zur Adduction und Abduction, wenn auch beides nur in
geringem Maasse, beitragen. Es ist bemerkenswerth, dass fast allgemein beim auf-
rechten Stehen der obere Rand der vorderen Gelenkfläche des Sprungbeinkopfes
frei über den Rand des Schiffbeins hervorragt, eine Hervorragung, die, wie erwähnt,
schon durch die Haut gefühlt werden kann (die hervorragendste Stelle des Fuss-
rückens, der sogenante Spann des Fusses, entspricht dem Gelenke zwischen dem
zweiten Keilbein und dem zweiten Mittelfussknochen). Jenes Ueberragen der Ge-
lenkfläche des Sprungbeins scheint darauf zu deuten, dass eine Aufwärtsbewegung
des Schiffbeins am Sprungbeine, als ein Beitrag zur Streckung, vorgesehen sei.
Haft- und Hemmungsbänder der Sprungbeingelenke sind ausser den eigentli-
chen Ligg. talo-calcanea die langen Haftbänder zwischen Unterschenkel und Fuss-
wurzel. Das Lig. calcaneo-tibiale spannt sich, wenn der Fuss lateralwärts rotirt
(mit dem lateralen Rande gehoben) wird, das Lig. calcaneo-fibulare, wenn er me-
dianwärts rotirt wird; das Lig. tibio-naviculare hilft die Beugung des Fusses be-
schränken. Das Lig. calcaneo-tibiale wird von den Ligg. talo- calcaneum posticum
und mediale unterstützt, das Lig calcaneo-ibulare vom Lig. talo-calcaneum laterale.
Das Lig. talo-calcaneum interosseum hindert, gleich den Ligg. cruciata des Knie-
gelenkes, die Entfernung der Knochen von einander; möglich, dass es auch. als fe-
ster Punkt, als eine Art verticaler Axe zur Drehung des Fersenbeins in horizonta-
ler Richtung benützt wird.
Wichtig für den Mechanismus des vorderen Sprungbeingelenkes ist der M. ti-
bialis post., dessen Sehne unter dem membranösen Theile der Pfanne vorüberzieht
und den Sprungbeinkopf tragen hilft. Erschlaffung dieses Muskels wäre für sich
allein schon ein hinreichender Grund, dass das Sprungbein zwischen dem Fersen-
und Schiffbein allmälig sich herabsenkte und die Wölbung des medialen Fussran-
des verloren ginge.
Die geringen Verschiebungen der Fusswurzelknochen in den Amphiarthrosen
summiren sich mit den Bewegungen in den Hauptgelenken. Insbesondere dient die
Drehung des Würfelbeins auf der vorderen Fersenbeingelenkfläche dazu, den Aus-
schlag der Rotationsbewegungen des Schiffbeins zu vergrössern. Ausserdem bie-
ten die Gelenke der vordersten Reihe der Fusswurzel- und der Mittelfussknochen
Gelegenheit zu Aenderungen der Wölbung des Fusses im transversalen Durchmes-
ser. Die Art, wie die Haftbänder der Fusssohle sich der Abplattung widersetzen,
erklärt sich von selbst.
Von den Bewegungen um die sagittale und verticale Axe sind diejenigen am
ergiebigsten, durch welche der Fuss am medialen Rande erhoben und mit der
Spitze medianwärts geführt wird; die Erhebung des lateralen Fussrandes ist in der
Regel nur in geringerem Maasse möglich, Abduction der Fussspitze fast gar nicht.
Die grössere Beweglichkeit der medialen Fusshälfte liegt darin, dass hier zwei
transversale Gelenke sind, während in der lateralen Fusshälfte nur eins, und dass
die freiesten Gelenke, das vordere Sprungbeingelenk und das Tarso-Metatarsalge-
lenk der grossen Zehe, dem medialen Fussrande angehören. Dem entsprechend
sind die die Rotation beschränkenden Haftbänder länger am lateralen als am me-
dialen Rande des Fusses und reicht der laterale Knöchel tiefer herab,
182 Zehentarsalgelenke. *
F. Zehentarsalgelenke.
ee, Im Wesentlichen stimmen diese Gelenke, was den Typus sowohl der
“artieulirenden Flächen, als auch der Kapsel- und Haftbänder betrifft, mit
den entsprechenden Gelenken der oberen Extremität überein; doch finden
sich, ausser den abweichenden Grössenverhältnissen, noch einige bemer-
kenswerthe Eigenthümlichkeiten der Form und Anordnung.
Die Pfannen der Grundphalangen der Zehen sind an sich und in ihrem
Verhältnisse zu den Köpfehen der Mittelfussknochen den Pfannen der Fin-
gerphalangen ähnlich; die Köpfchen aber haben eine ungleichmässigere
Krümmung als an der Hand. Ihre Gelenkfläche zieht sich an der Rücken-
fläche verhältnissmässig weiter hinauf; auf diesem Rückentheile steht die
Grundphalange des ruhenden Fusses, mit dem vorderen Ende schräg auf-
Fig. 160.
Senkrechter Durchschnitt, der Längsaxe
des Fusses parallel, durch ein Zehentar-
salgelenk, bei gestreckter Zehe. * Vor-
dere Kapselwand. Durchschnitt in derselben Richtung an
einem anderen Exemplar, bei gebeug-
ter Zehe,
wärts gerichtet; in dieser Stellung sind die Gelenkflächen der Phalange
und des Mittelfussknochens vollkommen congruent und bleiben es bei fort-
gesetzter Streckung (Fig. 159). Der vordere und untere Theil des Köpfchens
aber, auf welchen die Zehe bei der Beugung tritt, hat eine von dem Rücken-
theil verschiedene Krümmung, und ist nicht selten gegen den letzteren durch
eine seichte Furche oder selbst durch eine scharfe Kante abgesetzt. Bei
der Beugung hört also die Congruenz der Gelenkflächen auf; die Ungleich-
förmigkeit wird in manchen Gelenken durch mächtige Synovialfalten
(Fig. 160), in anderen vielleicht nur durch Synovia ausgeglichen. Den
unteren Rand der Gelenkfläche erreicht übrigens die Phalange auch bei
foreirter Beugung nicht.
Auf dem Mittelfussknochen der grossen Zehe hat die Grundphalange
nur eine beschränkte Bewegung. Den unteren Theil der Gelenkfläche des
Köpfchens nehmen die beiden Sesambeine ein, welchen entsprechend jene
-Zehentarsalgelenke. Zehengelenke. 183
Gelenkfläche mit drei sagittalen Firsten und zwei dazwischenliegenden tie-
fen Furchen versehen ist. Jedes Sesambein ist stark sat-
telförmig gekrümmt, concav im sagittalen, convex im
transversalen Durchmesser; eine Rotation des Mittelfuss-
knochens um seine Längsaxe, wenn der Fuss auf den Ze-
hen, d. h. auf den Sesambeinen steht, ist demnach un-
möglich 1).
Frontaldurch- Die Kapseln der Zehentarsalgelenke sind auf dieselbe
um Weise, wie die der Fingercarpalgelenke, durch Ligg. ca-
knochens mit den Pitulorum pluntaria 2) und dorsalia an einander befestigt,
Sesambeinen (0s) doch beträgt die Zahl dieser Bänder am Fusse vier, da
auch die grosse Zehe mit der zweiten so, wie die übrigen
unter einander, verbunden ist. Beide Bänder des ersten Spatium interos-
seum entspringen dicht über einander an der Kapsel des zweiten Mittel-
fussknochens und divergiren gegen die Kapsel des ersten, indem das dorsale
Band gegen den Fussrücken auf-, das volare gegen die Planta absteigt.
In dem dreiseitig prismatischen Raume, den sie mit dem Mittelfussknochen
der grossen Zehe umschliessen, liegt die Insertionssehne des M. adductor
hallucis. Das Lig. capitulorum plantare des dritten zum vierten Mittelfuss-
knochen, welches über dem Ursprunge des queren Kopfs des M. adductor
hallueis liegt, ist meistens schmaler und dünner als die übrigen. Die Ligg.
capitulorum dorsalia sind an allen Zehen, ausser der grossen, sehr schwach.
G. Zehengelenke.
Ich darf bezüglich derselben auf die Beschreibung der Fingergelenke
verweisen.
!) Die Querfasern der Kapsel zwischen den Sesambeinen werden als Zig. oss. sesa-
moideorum (Lig. jugale Arn.) unterschieden. Barkow nennt Zig,. tarseo-sesamoideum (Lig.
laterale oss. sesam.) die Fasern der Kapsel zwischen der Seitenfläche des Köpfchens der
grossen Zehe und dem Sesambeine.
®) Ligg. melatarsi anteriora plantaria Meck. Ligg. transversaria antt. Arn.
G. Zehen-
geleuke.
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“
Die Herausgabe einer Uebersetzung in englischer, französischer und anderen
modernen Sprachen wird vorbehalten.
2)
HANDBUCH
SYSTEMATISCHEN
ANATODOMTER
MENSCHEN.
Da. J. HENLE,
Professor der Anatomie in Göttingen.
IN DREI BÄNDEN.
ERSTER BAND. DRITTE ABTHEILUNG.
MUSKELLEHRE.
ck MUSS,
RN, =
x
TED 8
5 BT
MIT UnGEICHEN-MERFARBIGEN IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN.
I
=
+
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
1.8°5. 8,
HANDBUCH
DER
MUSKELLEHRE
DES
| MENSCHEN.
VON
Dr. J. HENLE,
)
Professor der Anatomie in Göttingen.
MIT 159 MEHRFARBIGEN IN DEN TEXT-EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN.
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
2e295.%
Holzschnitte
aus dem xylographischen Atelier
von Friedrich Vieweg und Sohn
in Braunschweig.
Prarp’ırer
aus der mechanischen Papier-Fabrik
der Gebrüder Vieweg zu Wendhausen
bei Braunschweig.
Fu hr-a.Lt.
EI. Muskellehre .....-....
A. Muskeln des Stammes
I. Rückenmuskeln EI a ER REELEERE N EN e ie
a. Oberflächlice, von den Fortsätzen lateralwärts verlaufende
SeRichternen A at as. et an Seen
«@.‘ Erste Schichte
M. trapezius
ß. Zweite Schichte B
. 1. M. rhomboideus minor
2. M. rhomboideus major
3. M. teres major
4. M. latissimus dorsi I:
Dritte Schichte. Mm. serrat. post. .
1. M. serrat. post. sup.
2. M.serrat. post. inf.
d. Vierte Schichte. Mm. splenü
1. M. splenius capitis
2. M. splenius cervicis
b. Tiefe longitudinale Muskeln
a. Lange Muskeln
1. M. sacrospinalis MATT TORE N,
2%. Mm.’'spinales:; ; 2.02 U RE ERS Su
t M. spinalis dorsi . .
tr M. spinalis cervicis .
3.2 MYtmansverso-spinahs: 2. Se res
* Mm. semispinalks .
t M. semispinalis dorsi
tt M. semispinalis cervicis .
fir M. semispinalis capitis
** M. multifidus s
rl Mm. Totatores - 0. leiten.
1 Mm. rotatores longi .
11 Mm. rotatores breves .
$. Kurze Muskeln
>
Inhalt.
]. Kurze Muskeln der Beugewirbel. . . ... .*
1. Mm. interspinales I
2. Mm. intertransversarü posteriores
3. Mm. levatores costarum
II. Kurze Muskeln der Drehwirbel uni Be Fiaieikanpiebline -
1. M. reet. cap. post. may.
2. M. oblig. cap. inf.
3. M. rect. cap. post. minor.
4. M. oblig. cap. sup.
5. - M. rect. cap. lateralis .
Bauchmuskeln
Verticale Burfehranskeln.
1. M. rect. abdominis
2. M. pyramidalıs
Transversale Bauchmuskeln
1. M. obliquus ext. .
2. M. obliquus int. °
3. M. transv. abd.
Fascien der Bauchwand .
Zwerchfell, Diaphragma .
Brustmuskeln
Oberflächliche RE
Erste Schichte Es
IM pectoralisumajor. „22 u, 2 022 00 00m = RE
ß. Zweite Schichte .
1. M. subelavius
2. M pectoralis minor .
y. Dritte Schichte
M. serrat ant. .
M. sternalis . . .
M. supraclavieularis .
b. Tiefe Brustmuskeln
Erste Schichte :
Mm, intercostales externi .
ß. Zweite Schichte . Fr
Mm. intercostales interni. . . a UT TE
y. Dritte Schichte. Mm. transversi a REN
1. M. transversus thoracis post. .
2. M. transversus thoracis ant.
IV. Halsmuskeln
Vordere Beh
Lange vordere Halsmuskeln
1. M. subeutaneus colli
2. M. sternocleidomastoideus
3. M. biventer mandibulae
ß. Zungenbeinmuskeln
]. Zwischen Schädelbasis und en ;
M, stylohyoideus BE:
1I. Zwischen Brustkorb ud. Zunesnbent B .
aa. Erste Schichten. - is rigen de 1
1. M. sternohyoideus
2. M. omohyoideus
bb. Zweite Schichte -
1. M. sternothyreoidus . » en.
2. M. thyreohyoideus
Inhalt. VII
II]. Zwischen Unterkiefer und Zungenbein . .. ».22..2....19
aaı „Erste, SChIChte uam: p Sch sl ur. —
M. mylohyoideus
bb. Zweite Schichte
M. geniohyoideus . Sal ae ee Me A BERERN.
be rEimterevEinlemuskein. \ la. a. ar ncten ze Ba ae 199
«. Laterale ee 5. 17 < S Kae
TOR MEPScHlenUs: anı: ı tn Le. Are ee, 199
2. M. scalenus medius TE er
DOEMNSCA[ENUS?-DOSTICUSE 1 nern A en _
AS MA levator scapulaer „Idee ern cn, SE een 195
BupMedialee wa rare nn br Eyes Lern se 196
]J. Lange 5
1. M. longus er & ec te Ro A RE
22, MM lOngUsallamtası 2 0 20 EEE en wat, 197
B00 MESTongusZcaptese nen 2. Volles No
H: Kürze... a RE. °
1. Mm. intertransversarü anteriores : » - 22 2 2 2 2. _
25 Misrechs Copi anten 0 ee rn. 12g
V. Kopfmuskeln . .. . DE RENTE Te ee ee 192
a. Muskeln der Schüdeldecke re re A 27.1
IVEREHICHUN USE Den ne ar De RE TER Se, —_
ba 2 Muskeln der "Augerlieden #2... 0.02.. bis een Ne ea a 139
IM orbieulariscculipe. ve 22 A. ea sh. = —
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ß. Zweite Schichte . . . . ET En Allee er sn.
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B: ; Muskeln\.der;Extremitäfen. 3. | 22.7: gs ee nr 2.168
L..- Obere Pxtrematat ser u. u. „Meere Re ke EB ae —
a. Muskeln der Schulter . .. . NEE Aha 1 ERRLILEENR _
«. Verticale Sehhlterblattmunkein a N ee 206
M. deltoideus . . . . ae A ee en —
ß. Hintere SeHulierhläkknaskelun 2 le lie ee 16
1... :M! süpraspinatus= =. . Nelkeiueiitegeuneaiee, Brno —
2% 'M. infraspinatusu..ı rw aueh nn... 7170
3a. Mi. teres :minon.:i.0 BB ee aa —
Inhalt.
1. MM. abduetor digiti quinti .
2. M. flexor brev. dig. quinti
3. MM. opponens ER quinti ...%
y. Mm. interossei ee:
Fascie der oberen Extremität
II. Untere Extremität
a. Muskeln der Hüfte
«@. Innere Hüftmuskeln -
1. _M. quadrat. lumborum .
2. M. ihopsoas .
SEIN PS0GS} MINDOT RE EN EN
ß. Aeussere Hüftmuskeln
I, Erste Schichte .
M. gluteus maximus
II. Zweite Schichte
M. gluteus medius
371. Drittey Schichten ne 1. 2m. 2 u Kr ER SE
1. M. gluteus minimus . TREE. nr
9.0. M. JDYmiJPrImIS" anne oe ee SERNE R
3. M. obturator int. .
4. M. quadrat.femoris .
IV. Vierte Schichte .
M. obturator ext. De
b;» ‚Muskeln.des (Oberschenkels. x. Eh
&.. . Vordere Oberschenkelmuskeln . . . . el. nnmmöh,
Ts BirsteySchichte.o-. 0,2 40 un zo
1. 2 Mi tensor fasctae. . -wuns
2. M. sartorius .
II. Zweite Schichte .
IM. Exlensor . CHESN. 2 ehe en urn ee
III, Dritte Schichte .
M. suberuralis .
ß. Hintere Ober eherikeimiskcli =:
1:5..M. birepssfemoris, „... „re
2. _M. semitendinosus
3. M. semimembranosus . .
y. Mediale Oberschenkelmuskeln
I. Erste Schichte .
1. M. pectineus
2. M. adductor fem. N FEN
SS. M Gnacis Pi: a eine = We a
II. Zweite Schichte
M. adductor ‚fem. brevis
III. Dritte Schichte . . » Ye
1. M. adductor fem. minimus . . .-
2. M. adductor ‚fem. magnus
ec. Muskeln des Unterschenkels . .
«. Muskeln der Vorderseite
1..-=M. hbialis.ant .x.2b.. 2.2.8 tat- ah ee
2. M. extens. hall. lng. » »....-.- Eee Lie
3. M. extens. digit.long. . =: - ur. eee re.
4. M. peroneus tertius = em ner ee
ß.- Fibulare Muskeln .... u nmceun ee.
1... M. peroneus long. - - =» n.c.e ee. > Em meets) a
2. M. peroneus brwis .. =... *-
Inhalt.
y. Vordere Schulterblattmuskeln
M, subscapularis .
Muskeln des Oberarms .
«@. Muskeln der Vorderseite
1]. Erste Schichte :
M. biceps brachü
II. Zweite Sehichte
1.
2.
M. coracobrachialis .
M. brachialis int.
ß. Muskeln der Rückseite
M. extensor triceps
Muskeln des Unterarms
«@. Muskeln der Vorderseite
I. Oberflächliche Muskeln
Io
2
3.
4
a
M. pronator teres
M. radialıs. int.
M. palmaris long.
M. ulnaris int. .
M. flexor digü. Be :
II, Tiefe Muskeln . .
aa.
lo
2.
Erste Schichte . . .. -
M. Aexor digit. profund.
M. flexor poll. long.
bb. Zweite Schichte . .
M. pronator quadratus . .
ß. Muskeln des radialen Randes
1.
2.
3.
M. brachioradialis .
M. radialis ext. long. . . -
M. radialis ext. brevis
y. Muskeln der Rückseite
/. Oberflächliche Schichte . .
ılE
2.
3.
4.
M. extensor digit. comm.
M. extensor digit. quinti propr. -
M. ulnaris ext.
M. anconeus quartus
II. Tiefe Schichte . . -
1.
2.
3.
4.
5.
M. supnator ... = -
M. abductor poll. on
M. extensor poll. long.
M. extensor indieis propr.
M. extensor poll. brevis
Muskeln der Hand ns
«@. Auf der Rückenfläcke ...
ß. Muskeln der Volarfläche
I]. Oberflächliche Muskeln .
M. palmaris brevis .
1I, Tiefe Muskeln .
aa.
Mm. lumbricales .
bb.
1
2
3.
4
cc.
in der Mitte . .
Muskeln des Dee
M. abductor poll. br. .
M. flexor pollieis br.
M. adductor pollicis br.
M. opponens pollicis br.
Muskeln des Kleinfingerballens
-X Inhalt.
y. Hintere. Unterschenkelmuskeln rc 2 nr. . 2,282
I.. Oberflächliche near... Mh 9 6 rn
1. Mitriceps suraewem. 0. ; =: SIRMRRAACH I IRRE. —
2... M.. plantanıss.. nn 3 tMemıcirh), Su: laden 058:
Br MS DOPÜeUS vn ln. EEE MEER a ee RD,
TI: "Rietes nee ee he
1. M. flexor digit. ped. or eo es ah a
2. = My trbialıs. roSt.r «> BUNDES 1 ea
3. M. flexor hallueis long. Ale Töne er en
d..=Muskeiny dessHussesi. =. 2.0. 1.0. Amann rl HR oe
@. Muskeln des Fussrückens RE
1.22 MU extensor. «dig: jp-ibrevis: Wimsnnaksık Kuh. 18 Be
2.3 M.„extensor, hallucisibnensiuiabsa? 00 IOHEUEE „u 7294
ß.2 Muskeln-derEusssohle ;..... Med WERNE
1.2In der) Mitte „> 20.02 0. Des se I, BE NE 2ID
1. M. flexor digit. Bi rede 3 ET ER Eee
2.- Caput ‚plantare flezorisucg. vlonyu.n oo. 2 0. 296
3.7 Mm. ılumbnioles: ı.» &0. m. 2.bee SENSE A 1 eg
II. Muskeln des Grosszehenrandes . . . ..2.. 2... ee" ur 298
1. M. abduetor hallucis .-...% —_—
2. M. flexor brevis hallueis . IR IR. a
3.- Mn adductor hallves A, WR Aka re 290
ZII. Muskeln des Kleinzehenrandes :. ©.» » 2.2. 2.2. ....800
1. M.labductor:.dig.:,p:. Quinta SEEN —
2. M. jlexor brevis dig. p. quinti
3. MM. opponens a: DINGER HR,
y. Mm. interossei ... . br si War Dh re er Te O3
Hascrerdersunteren#Bixhreroraft „7. % ER BENREDET RR 2
II. Muskellehre.
Gegenstand der Muskellehre sind die contractilen animalischen Fasern
des sogenannten Fleisches, welche in den Wänden des Stammes und in den
Extremitäten liegen und Theile des Skelettes unter sich und mit der Cutis
verbinden, mit Ausschluss jedoch der den Mündungen der Eingeweide und
den Sinnesapparaten angehörigen Fasern, deren Beschreibung, ohne eine
Kenntniss dieser Eingeweide und Apparate vorauszusetzen, nicht gegeben
werden kann.
Die Muskulatur des Stammes bedeckt in mehr oder minder mächtiger
Schichte das Skelett und füllt die Lücken zwischen den einzelnen Theilen
desselben aus; an den Extremitäten hüllt sie die Knochen als eine im Ganzen
cylindrische Masse ein. Am Stamme, wie an den Gliedern zerfälltsie je nach
den Regionen in Gruppen oder Lagen; die Gruppen zerlegt man in die
einzelnen Muskeln, welche am Stamme in der Regel platt, an den Gliedern
eylindrisch oder prismatisch gestaltet sind. Der Muskel zerfällt in eine
Anzahl gröberer paralleler oder convergirender Bündel; die gröberen
Bündel zerfallen in feinere und feinere bis zu den Primitivbündeln, deren
jedes in einer einfach häutigen Scheide eine bestimmte Menge der mikrosko-
pischen Primitivfasern einschliesst.
Wo die Zerlegung der Muskelgruppe in einzelne Muskeln ihre Grenze
finden, was demnach als Muskel-Individuum betrachtet werden solle, ist
nicht immer leicht zu bestimmen. Im Allgemeinen richtet sich die Ent-
scheidung nach dem Verhältniss der Muskel- zu den Sehnenfasern. Die
Muskeln setzen sich nämlich an die Hartgebilde, zu deren Bewegung sie-
dienen, nicht geradezu fest, sondern durch Vermittelung längerer oder kür-
zerer Bindegewebsstränge, der sogenannten Sehnen (Tendines) 1), welche
zwar auch aus parallelen Bündeln bestehen und der Länge nach beliebig
zerfasert werden können, aber doch einerseits fester gewebt, andererseits
durch deutlichere Zwischenräume von einander gesondert und daher im
Ganzen selbständiger sind. Von den Sehnen aus beginnt man deshalb die
D) Flechsen. Die breiten und platten Sehnen oder Sehnenausbreitungen werden
auch Aponeurosen genannt. a
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 3. 1
Inhalt.
Zahl der
Muskeln.
2 Muskellehre.
Präparation und Trennung der Muskeln, und als besonderen Muskel betrach-
tet man die Summe der Bündel, welche gemeinschaftlich an Einer Sehne
entspringen und ebenso an Einer Sehne enden.
Das Verhältniss der Muskeln zu den Sehnen wird aber in mannigfa-
cher Weise complieirt. Die von Einer Sehne ausgehende Muskelsubstanz
kann sich nach der anderen Seite hin an mehrere Sehnen vertheilen; oder
es fliessen die von einer Anzahl Sehnen entspringenden Muskelmassen in
Einen Bauch zusammen und durchflechten sich, um neu abgetheilt wieder
in eine Anzahl Sehnen überzugehen; oder Eine Sehne giebt nach zwei
entgegengesetzten Richtungen Muskelfasern ab, die beiderseits in Sehnen
enden. In solchen Fällen entsteht die Frage, ob die einzelnen Bäuche als
eben so viele, nur theilweise verschmolzene Muskeln, oder ob sie in ihrem
Zusammenhange ala Theile von gespaltenen oder durch sehnige Zwischen-
substanz unterbrochenen Muskeln aufzufassen seien.
Die gangbare Nomenclatur ist hierin keineswegs consequent und durch
nichts als das Herkommen gerechtfertigt. Denn wenn manz. B. den M. biceps
brachii oder femoris zweiköpfig nennt, so ist nicht abzusehen, warum von den
in ähnlicher Weise in eine Sehne zusammenfliessenden Muskelbäuchen des
Psoas und Iliacus, oder des Biventer cervicis und Complexus, oder des Flexor
dig. pedis longus und der Caro quadrata Sylvii jeder als besonderer Muskel
aufgeführt werden soll. Es ist ebenso wenig zu verstehen, warum die ge-
meinsamen Ursprünge der Muskelbäuche nicht dieselbe Berücksichtigung
gefunden haben, wie deren gemeinsame Insertionen. Verfolgt man den
kurzen Kopf des Biceps brachii und den Coracobrachialis aufwärts zum
Schulterhaken, oder den langen Kopf des Biceps femoris und den M. semi-
tendinosus gegen den Sitzhöcker, so wird man sie ganz nach Art zweiköpfiger
Muskeln paarweise mittelst einer einfachen Sehne an den Knochen befestigt
finden. Zwar sagt man von Muskeln mit mehrfachen Ursprüngen oder In-
sertionen, dass sie mit dem muskulösen Theile ihrer Köpfe zu je Einem
Bauche verschmelzen, und dass sie aus einem einfachen Bauche ihre Sehnen
entsenden. Doch ist dies nicht wörtlich zunehmen. Nur in seltenen Fällen,
in einzelnen Muskeln des Rückens und des Gesichtes, verflechten und durch-
kreuzen sich die Muskelbündel dergestalt, dass es unmöglich wird, einzelne
auf grössere Strecken zu verfolgen; die meisten zusammengesetzten Muskeln,
namentlich die der Extremitäten, können von Einem Ende zum Anderen in
so viele Portionen zerlegt werden, als sie Sehnen aufnehmen oder abgeben;
die Bäuche legen sich nur genau an einander und wenn es den Anschein
hat, als ob sie sich vermischten, so führt eine genauere Untersuchung jedes-
mal zu der Ueberzeugung, dass sich in den scheinbar einfachen Bauch mehr
oder minder weit hinauf Ausläufer der Endsehnen erstrecken, an welche die
Muskelbündel von verschiedenen Seiten herantreten. So besteht nur ein
gradweiser Unterschied zwischen einfachen Muskeln mit convergirenden
Fasern, zwei- oder mehrköpfigen Muskeln und Muskeln, welche, wie der
Extensor digitorum pedis longus und brevis, erst mit den peripherischen
Enden ihrer Sehnen in der Nähe der Insertion in einander übergehen.
Physiologisch haben sie sämmtlich die gleiche Bedeutung; sie zeigen eine
Kraft, deren Richtung durch den Lauf der gemeinsamen Sehne angezeigt
wird, in mehrere Kräfte von der Richtung der Faserung der einzelnen
Muskellehre. 3
Köpfe oder Muskeln zerlegt, wodurch die Möglichkeit gegeben ist, 1) über-
haupt mehr Muskelbündel an Einer Sehne anzubringen und auf Einen Punkt
des Knochens wirken zu lassen, und 2) je nach der Innervation der einzel-
nen Köpfe die Richtung des Angriffes der Sehne zu verändern. Wegen
dieser Gemeinschaft der Wirkung ist es zweckmässig, was sich zugleich
wegen Vereinfachung der Beschreibung und Nomenclatur empfiehlt, die an
Eine Sehne sich ansetzenden Muskelbäuche als Theile je eines Muskels im
System aufzuführen. Eine Ausnahme statuiren wir nur für die Fälle,
wo die einzelnen Bäuche verschiedene Regionen einnehmen, so wie für die
Muskeln, deren Sehnen sich nach längerem Verlauf erst in der Nähe der
Insertion verbinden.
Eine Differenz in der Aufzählung der Muskeln entsteht ferner durch
die in der Mittellinie gelegenen oder die Mittellinie transversal durch-
setzenden Muskeln des Körpers (M. mylohyoideus, transv. menti, azygos
uvulae u. A.), die man ganz nach Belieben für unpaare oder für in einan-
der fliessende paarige erklären kann.
Was die Anordnung des Stoffes, die Classification und Reihenfolge,
nach welcher die Muskeln abgehandelt werden sollen, betrifft, so machen
sich zwei Principien geltend, die man schlechthin als das anatomische und
physiologische einander gegenüberstellen kann. Das erste theilt die Mus-
keln ein nach Regionen und Schichten, das zweite nach ihren Wirkungen.
So weit sich die systematische Anatomie die Orientirung und das Ver-
ständniss der Formen zur Aufgabe macht, kann sie wegen der Wahl zwi-
schen jenen beiden Eintheilungsprincipien nicht zweifelhaft sein. Für den
Arzt hat die Form und Lagerung der Muskeln, ohne alle Beziehung zur
Function, schon deshalb Werth, weil hauptsächlich sie es sind, die die Ge-
staltung der Oberfläche bestimmen und die Räume begrenzen, in welchen
Gefässe und Nerven hinziehen. Aber selbst als Grundlage für die Mechanik
der Bewegungen hat die Eintheilung der Muskeln nach den Functionen
ihr Missliches. Nicht zu gedenken, dass die Function Sache der Beurthei-
lung ist und dass sie, wie die Geschichte bis in die neuesten Zeiten lehrt,
falsch beurtheilt werden kann, so liegt darin ein Uebelstand, dass sich die
mechanische Bedeutung der Muskeln bei den wenigsten auf einen einfachen
Ausdruck bringen lässt. Sie ist verschieden je nach den Combinationen,
in welchen sich die Muskeln verbinden; ferner je nachdem ein Muskel in
allen oder einzelnen Theilen thätig ist, und bei gewissen, über mehrere Ge-
lenke weggehenden Muskeln sogar nach dem Grade der Contraction.
An dem einzelnen Muskel unterscheidet man den Körper oder
Bauch, Venter, den Kopf oder Ursprung, Origo!) und den Schwanz,
Ansatz oder die Insertion?). Welches Ende den Ursprung, welches den
Ansatz darstelle, bestimmt sich nach der Wirkung, die man dem Muskel zu-
schreibt: der Ursprung soll dem ruhenden, der Ansatz dem zu bewegenden
Punkte entsprechen. Hier ist einige Willkür unvermeidlich. Nicht immer
ist mit der Contraction und Verkürzung der Fasern des Muskels eine Ver-
rückung seiner Anheftungspunkte bedingt. Die Muskeln eines Gliedes
1!) Punctum adhaesionis, Insertion fixe.
2) Punctum insertionis, Insertion mobile.
ı1*
Anordnung
Theile des
Muskels.
Formen.
4 Muskellehre.
können sich spannen, ohne dass die Lage des letzteren sich irgendwie ver-
ändert; dann findet die Verkürzung der Muskelfasern auf Kosten einer Deh-
nung der Sehnenfasern Statt. Bei allen Muskeln, welche ruhend im Bogen
verlaufen, bewirkt die Contraction vor Allem eine Abflachung des Bogens;
Muskeln dieser Art können zwischen je zwei unbeweglichen Punkten aus-
gespannt sein, zunächst zu dem Zwecke, Theile, über welche sie hinziehen,
zu comprimiren (Zwerchfell, Bauchmuskeln), oder Theile, welche auf ihnen
ruhen, zu heben (Mylohyoideus). Gehen sie transversal von Einer Seite
zur anderen über die Mittellinie hinweg, so sind sie in dieser meistens seh-
nig unterbrochen, und dann gilt die Knochenanheftung jederseits als Ur-
sprung, der mediane Sehnenstreif, Linea alba, als Insertion. Wie zwischen
gleich unbeweglichen, so giebt es auch Muskelfasern zwischen gleich be-
weglichen Punkten, deren jeder also in Folge der Contraction dem anderen
gleich weit entgegenrückt; derartige Fasern finden sich im Zwerchfell zwi-
schen den Rändern des Aorten- und des Hohlvenenschlitzes. Meistens
aber ist die Beweglichkeit beider Anheftungen wirklich ungleich und zwar
entweder so, dass die Verkürzung absolut nur in der Einen Richtung mög-
lich ist, wie z. B. bei Muskeln, die vom Knochen in Weichtheile gehen
(Muskeln der Lippen, Azygos uvulae, Cremaster) oder so, dass der sich
verkürzende Muskel wenigstens bei dem gewöhnlichsten und natürlichsten
Gebrauch den Einen Punkt zu dem anderen, ruhenden heranzieht. So be-
wegen in der Regel die Muskeln zwischen Rumpf und Gliedern die Glieder
gegen den Rumpf, die zwischen höheren und tieferen Abtheilungen der
Glieder verlaufenden Muskeln bewegen die tiefere Abtheilung gegen die
höhere, die Nackenmuskeln den Kopf gegen die Wirbelsäule, die Kiefer-
muskeln den Kiefer gegen den Schädel. Doch kommen Ausnahmen von
dieser Regel vor, wie denn z. B. die Beckenmuskeln vielleicht eben so
häufig zur Bewegung des Beckens auf dem Beine, als umgekehrt benutzt
werden. Und fast bei jedem an zwei gegeneinander beweglichen Knochen
befestigten Muskel kann die Zugrichtung sich umkehren, wenn der im Ge-
wöhnlichen freiere Knochen durch Muskelkräfte oder in anderer Weise
fixirt wird; so bewegen die Brustmuskeln von den fixirten Armen aus die
Rippen, die Kiefermuskeln vom aufgeskemmten Unterkiefer aus den Kopf
1 BEE 6
Rinsförmig in sich selbst zurücklaufende Muskelbündel, wie‘ man sie
allgemein in den Sphinkteren zu sehen glaubte, kommen im Gebiete der
Muskeln des Stammes nicht vor. Der Sphincter ani, welcher wirklich
kreisförmige Muskeln besitzt, übrigens erst mit den Dammmuskeln in der
Eingeweidelehre zur Sprache kommen wird, entspricht nicht dem Sphincter
oris, sondern den Ringfasern der Speiseröhre.
Was die Formen der Muskeln betrifft, so giebt es sehr zahlreiche Ver-
schiedenheiten, von welchen indess nur diejenigen eine allgemeinere Be-
trachtung erfordern, die sich auf das Verhältniss der Muskel- zu den Seh-
nenfasern beziehen. Es giebt sowohl lange als breite, sowohl platte als
cylindrische Muskeln, deren Bündel sämmtlich einander parallel liegen und
sich in gleicher Richtung in die Sehnenbündel fortsetzen; die Sehnen dieser
Muskeln sind in der Regel dünner, aber nur wenig schmaler, als die Mus-
kelbäuche. Andere Muskeln zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Bündel
Muskellehre. 5
sämmtlich oder theilweise unter Winkeln an die Sehne anstossen. Ist der
Muskel am Ursprunge breiter als an der Insertion, so convergiren natürlich
die Muskelbündel gegen die Sehne und setzen sich dann entweder hinter-
einander oder übereinander an dieselbe an. Ist die Insertion breiter, so
divergiren sie von der Ursprungssehne aus (Mm. recti cap. post.). Schräge
Ansätze der Muskel- an die Sehnenfasern finden sich aber auch in Muskeln
mit paralleler Faserung und namentlich an vielen Muskeln der Extremitä-
ten. Von einem Röhrenknochen oder von zwei einander benachbarten ent-
springen reihenweise Fleischfasern, welche einander parallel schräg abwärts
verlaufen und sich von der Einen oder von zwei Seiten her an eine der
Längsaxe dieser Knochen parallel verlaufende Sehne befestigen; im letzteren
Falle giebt der Muskel das Bild eines gefiederten, M.pennatus (Mm. inter-
ossei), im ersten Falle eines halbgefiederten, semipennatus (die meisten
Muskeln des Unterschenkels). Die Rolle, die hier der Knochen spielt, kann
aber auch von einer Sehne übernommen oder vielmehr fortgeführt werden.
Die Ursprungssehne läuft dann an dem Einen Rande oder der Einen Fläche
des Muskels eine Strecke weit herab, die Insertionssehne ebenso eine Strecke
weit hinauf, die Muskelbündel gehen mehr oder minder steil von einer
Sehne zur anderen und heben die Eine der anderen entgegen. Der
Muskel macht den Eindruck eines halbgefiederten, wenn die Sehnen an den
Rändern einander gegenüber liegen, und eines gefiederten, wenn die Sehnen
sich über die Flächen ausbreiten und die Muskelbündel sich jederseits um
den Rand des Muskels herum von der Einen Fläche auf die andere begeben.
Einer eigenthümlichen Verbindung von Convergenz und Fiederung
der Fasern begegnen wir an einigen platten Muskeln (Deltoideus, Sub-
scapularis). Vom Ursprunge, wie von der Insertion aus, erstrecken sich
verticale Sehnenblätter in den Muskel, dergestalt alternirend, dass jedes
Ursprungsblatt nach zwei Seiten hin Muskelbündel absendet und jedes In-
sertionsblatt die Bündel von je zwei Ursprungsblättern aufnimmt, zwischen
welchen es liegt. Indem die Bündel, die am Ursprunge in einer Fläche
nebeneinander liegen, sich gegen die Insertion übereinander (in eine gegen
jene Fläche rechtwinklig gestellte Ebene) ordnen, wird der Muskel zu-
gleich schmaler und dicker.
Wie sich bei diesen verschiedenen Verbindungsweisen von Muskel und
Sehne die histologischen Elemente beider zu einander verhalten, dies ist,
wie der Zusammenhang der Muskel- und Sehnenfasern überhaupt, schwer
zu ermitteln und zur Zeit noch nicht genügend festgestellt. Es bestehen
drei Meinungen, die erste, dass die Primitivbündel des Muskels überall
abgerundet oder zugespitzt zwischen den Bündeln des Sehnengewebes
enden und von ihnen umfasst werden (Gerber, Valentin), die zweite,
dass sich überall gleichmässig jedes Muskelbündel in ein Sehnenbündel fort-
setzt (A. Fick), die dritte, dass beides vorkomme, bei geradlinigem
Uebergange der Muskel- in die Sehnenfaserung eine direete Fortsetzung,
bei geneigter Richtung der Muskel- zur Sehnenfaserung eine abgeschlossene En-
digung der Muskelbündel zwischen den Elementen der Sehne (Kölliker!).
)) Kölliker, mikroskop. Anat. Bd. I, $S. 217 f.; A. Fick, Müll, Arch. 1856.
S. 425.
6 Muskellehre.
Fragt man nach dem Zweck oder Erfolg dieser Einrichtungen, so muss
ein Muskelbauch, dessen Fasern schräg in die Sehne eingepflanzt sind,
zahlreiche, aber kürzere Fasern enthalten, als ein Muskelbauch von gleichem
Volumen mit gerader Faserung; er muss also an Resistenz und Stärke ge-
winnen, an Hubhöhe verlieren. Dieser letzgenannte Verlust wird noch
vergrössert dadurch, dass die Verkürzung der Fasern gefiederter oder halb-
gefiederter Muskeln nicht ganz der Zugrichtung der Sehne zu Gute kommt.
Man kann demnach annehmen, dass diese Art Muskeln da angebracht sind,
wo es mehr auf die Kraft als auf die Exeursion der Bewegung ankommt;
vielleicht sind sie auch, wo sie, wie der Rectus femoris und Soleus, neben
gerade in die Sehne übergehenden Muskeln sich finden, hauptsächlich auf
die Ausdauer in der Contraction berechnet.
Halbgefiederte Muskeln müssen die Sehne, die sie anziehen, zugleich
zur Seite bewegen; dieser Uebelstand wird durch die Art der Gelenkver-
bindung, wenn sie nämlich Bewegungen nur in Einer Ebene gestattet oder
durch andere mechanische Einrichtungen, Rollen oder Scheiden, in welchen
die Sehnen gleiten, unschädlich gemacht.
Die Natur scheint, wie E. H. Weber sagt, die Muskelfasern nicht
länger gemacht zu haben, als nöthig ist, damit sie fähig sind, sich um ein
so grosses Stück zusammenzuziehen, als die Bewegung erfordert, die sie
ausführen sollen; nach dem von E. Weber ermittelten Gesetze wird die
dazu erforderliche Länge der Muskelfasern näher dadurch bestimmt, dass
die stärkste, am Lebenden in Anwendung gebrachte Verkürzung des Mus-
kels sich zu seiner grössten Ausdehnung nahezu wie 1: 2 verhält. Ist der
Raum zwischen den entlegensten Anheftungspunkten eines Muskels grösser
als nothwendig, d. h. also, grösser als die doppelte Differenz zwischen dem
grösstmöglichen Abstande und der grössten Näherung jener beiden Punkte,
so wird der überschüssige Raum entweder in angegebener Weise zur Ver-
stärkung des Muskels durch Befiederung der Sehne benutzt, oder er wird
durch eine relativ lange Sehne ausgefüllt. Durch auffallende Länge der
Sehnen zeichnen sich daher die nicht eigentlich bewegenden, sondern nur
spannenden Muskeln, wie der M. palmaris long. und plantaris aus. Für
die eigentliche Function des Muskels hat die Länge der Sehne keine Be-
deutung; ebenso bedeutungslos ist es, ob der fleischige Theil eines Muskels
mehr dem beweglichen Punkte genähert ist, wie beim langen Kopfe des
M. biceps humeri und beim M. semimembranosus, oder mehr dem fixen Punkte,
wie beim M. semitendinosus und den meisten Muskeln der Hand und des
Fusses; dies wird bewiesen durch die so häufige Varietät des M. palmaris
longus, die in einer Versetzung der Sehne an das obere, des Muskelbauches
an das untere Ende besteht, so wie auch durch das Vermögen, die Zugs-
richtung jedes Muskels umzukehren. Wenn dennoch an den Gliedern, wo
nicht etwa besondere Verhältnisse eine Ausnahme verlangen, die Insertions-
sehne regelmässig die längere ist, so ist dies aus der Nothwendigkeit zu
erklären, dass die Extremität gegen das freie Ende eine schlanke Form ge-
winnen sollte.
Den einfachen Muskeln gegenüber, deren Fasern gerade, convergi-
rend oder schräg von dem Einen Anheftungspunkte zum anderen gehen,
unterscheidet man zusammengesetzte Muskeln in verschiedenem Sinne.
Muskellehre. 7
Den einfachen zunächst stehen die gezähnten oder sägeförmigen,
Mm. serrati oder dentati breite Muskeln mit parallelen Fasern, welche an
einer Anzahl gleichnamiger Knochen oder Knochenfortsätze des Stammes
sich befestigen und, diesen Befestigungen entsprechend, in Zacken oder Den-
tationen zerlegt werden können. Durchflechten sich die Fasern eines Mus-
kels, der mit mehreren Zacken entspringt und endet, so dass sich die von
Einer Zacke stammenden Fasern an mehrere Insertionszacken vertheilen,
so nennt man den Muskel vielspaltig, multifidus. Die vielspaltigen Mus-
keln kommen ebenfalls nur am Stamme, namentlich an der Wirbelsäule vor.
Zwischen den gezähnten’und vielspaltigen steht eine Form, die sich nur im
Inneren der Brustwand findet, Muskeln, deren Ursprungszacken sich je an
zwei Insertionszacken vertheilen, ohne sich zu verflechten.
Terrassenförmig, stratiformes, möchte ich eine Art zusammenge-
setzter Muskel nennen, die man auch den mehrköpfigen zurechnen könnte,
von welchen sie sich indess dadurch unterscheiden, dass die Köpfe einen
parallelen Faserverlauf haben. Es sind breite Muskeln, deren Fasern in zwei,
seltener in drei parallelen oder concentrischen Linien oder Zackenreihen
entspringen, die zweite Reihe der Insertion näher, von der ersten Reihe ge-
deckt und an deren dem Skelette zugekehrten Fläche sich verlierend. Häufig
ist die zweite Reihe auf einige wenige schmale Zacken redueirt und daher
leicht zu übersehen. In dem lockeren Bindegewebe zwischen beiden Rei-
hen pflegen Gefässstämme sich zu verbreiten. Der M. pectoralis major und
minor, obliquus abd. ext., gluteus maximus, obturator ext., iliopsoas bieten
Beispiele dieser Anordnung.
Von den mehrköpfigen Muskeln (Mm. bieipites, trieipites etc.) und
ihrer Beziehung zu den gefiederten war schon oben die Rede. Sie treten,
je nach der Zahl, dem relativen Volumen und der Form der Köpfe in sehr
mannigfaltigen Gestalten auf. Die häufigste Art der Verbindnng ist die,
dass an eine, aus einem cylindrischen oder prismatischen Bauch gerade her-
vorgehende Sehne sich Muskelfasern fiederförmig anlegen oder, umgekehrt,
ein eylindrischer Bauch an die Sehne eines gefiederten Muskels herantritt.
Von den ächt mehrköpfigen Muskeln, deren Bäuche eine Insertionssehne
gemein haben, sind zu sondern die Muskeln, deren einfacher Bauch an einer
zweischenkeligen Ursprungssehne haftet (M. anconeus longus, rectus femoris).
Dieselbe Sonderung ist auch hinsichtlich der mehrschwänzigen
Muskeln (Mm. bicaudati etc.) zu machen. An die gegen die Insertion sich
membranförmig ausbreitenden Sehnen schliessen sich mit unmerklichen
Uebergängen die mehrzipfligen (Flexor digit. pedis longus) an, deren Thei-
lung sich in dem Muskelbauche nicht vorgebildet findet. Auch die Mus-
keln verdienen den Namen der mehrschwänzigen nicht, deren Bäuche, bis
zum Ursprunge trennbar, gemeinschaftlich an Einer Sehne entspringen.
Und so wären, wie bereits erwähnt, auch die Streck- und Beugemuskeln
der einzelnen Finger grösstentheils als selbständige Bäuche zu betrachten,
wenngleich man sie der Bequemlichkeit wegen unter Einem Namen (Flexor
und Ext. comm.) zusammenfasst. Einige wenige Muskeln bleiben übrig,
deren Sehne sich noch innerhalb des Bauches theilt oder von deren mehr-
fachen Sehnen aus sich die Muskelfasern nicht reinlich bis zu ihrem Ur-
sprunge von einander trennen lassen: dies sind die eigentlich mehrschwän-
Anheftung.
8 Muskellehre.
zigen (Abductor pollicis longus, Ext. dig. pedis longus).. Mit den mehr-
zipfligen haben sie das gemein, dass ihre Insertionssehnen nicht unabhängig
von einander wirken können, und ihre Sehnen sind deshalb auch durch
festeres Bindegewebe untereinander verbunden, als dies bei den scheinbar
mehrschwänzigen, den Flexoren und Extensoren der Finger, der Fall ist.
Ist das Fleisch eines Muskels durch Sehnenfasern mehr oder minder
vollständig unterbrochen, so nennt man ihn zwei- oder mehrbäuchig
(digastrieus), polygastricus). Es versteht sich, dass man die Sehne, welche
zwischen die beiden Muskelbäuche eingeschoben ist, auch als Insertions-
sehne der beiden Bäuche betrachten kann, zumal wenn sie an Theile ange-
heftet ist, zu deren Bewegung sie bestimmt ist, wie die Zwischensehre des
M. biventer mandibulae an das Zungenbein, des M. omohyoideus an die
Bindegewebsscheide der Halsgefässe. Die Längsaxen der beiden Bäuche
bilden mit einander einen Winkel, der in Folge der Contraetion stumpfer
wird. In einigen geraden und platten mehrbäuchigen Muskeln entsprechen
die Zwischensehnen, die man hier Inscriptiones tendineae nennt, ebenfalls
je zwei zusammengeflossenen Endsehnen, wenn man nämlich annehmen
darf, dass sie, wie am M. rectus abdominis, sternohyoideus u. A., die Stelle
von Knochen (Rippen) einnehmen, die nicht zur Entwickelung gelangt
wären. Andere Zwischensehnen, wie die der tiefen Portion des M. flexor
dig. sublimis, des M. semispinalis capitis u. A., fügen sich einer solchen
Deutung nicht. Hier bleibt nur die Erklärung aus dem Zweck übrig, wel-
cher zunächst kein anderer sein kann, als den Muskel zu befähigen, sich in
aliquoten Theilen seiner Länge zu contrahiren. Nebenbei kommen die
Vortheile in Betracht, welche das unveränderliche Volumen der Zwischen-
sehne bei mehrfacher Uebereinanderlagerung der Muskeln gewährt. So liegt
z. B. die Zwischensehne des M. omohyoideus gerade an der Stelle, wo die-
ser Muskel den M. sternocleidomastoideus kreuzt, und sich bei der Contrae-
tion nicht verdicken könnte, ohne zugleich entweder den Sternoeleidomas-
toideus zu erheben oder auf die tiefer liegenden Theile einen Druck auszuüben.
Wie das Skelett die eigentlichen Angriffspunkte für die Zugkräfte der
grossen Mehrzahl der Muskeln liefert, so bietet es ihnen oder vielmehr ihren
Sehnen auch im Wesentlichen die Gelegenheiten zur Befestigung dar und
ist zudem Ende mit Vorsprüngen, Fortsätzen, Rauhigkeiten versehen, welche
die Knochenlehre beschreibt. Häufig aber ist die Anheftung der Sehne an
die Knochen noch durch andere fibröse Gebilde vermittelt, oder es dehnt
sich, namentlich wo die Muskelansätze sich drängen, die Insertion einzelner
auf die benachbarten Weichtheile aus. Die tiefen, die Gelenke zunächst
deckenden Muskeln sind nicht nur, so weit sie fleischig sind, durch straffes
Bindegewebe mit den Gelenkkapseln verbunden, um diese straff und glatt
zu erhalten, sondern auch durch ihre Sehnen mit den Kapseln verschmol-
zen, so dass sie ganz oder theilweise aus den Kapselmembranen zu ent-
springen oder in denselben zu enden scheinen. Es wird dadurch, so oft
der Muskel in Thätigkeit tritt, die Kapsel von den Gelenkflächen abgezo-
gen. Wie wichtig diese Einrichtung für das freie Spiel der Gelenke ist,
wurde schon in der Bänderlehre angedeutet und wird im Folgenden bei
D) M. biventer.
Muskellehre. 9
den betreffenden Muskeln erörtert werden. ° Möglicherweise beruhen die
Gefahren der Verstauchung, des sogenannten Vertretens u. s. f., zum Theil
darin, dass bei einer passiven, nicht intendirten Bewegung auch die Muskel-
thätigkeiten ausbleiben, die die Gelenkkapsel gegen Einklemmung zu sichern
bestimmt sind.
Wo an einem Knochenfortsatze oder einer Kante eine Anzahl von Mus-
keln haftet, werden, je kräftiger die Muskulatur entwickelt ist, in um so
grösserem Bereiche die Sehnen und selbst die Fascien des Einen zur An-
heftung der Sehnen- und Fleischfasern des anderen in Anspruch genom-
men. So entspringen beispielsweise Fasern des M. teres major auf der
Fascia infraspinata, des M. flexor dig. prof. auf der Sehne des M. brachia-
lis int., des M. ext. dig. pedis longus und peroneus tertius auf der Fascie
des M. peroneus longus. Die Sehne des M. pectoralis maj. endet zum Theil
an der Sehne des M. deltoideus. Ganz gewöhnlich versetzt sich Ursprung
oder Insertion der Rückenmuskeln von den Fortsätzen der Wirbel auf die
an denselben haftenden Sehnen, und die kurzen Muskeln der Wirbelsäule
sieht man zuweilen an den Sehnen der längeren entspringen.und enden.
Bei dieser Gelegenheit ist auch des eigenthümlichen Verlaufs der Mm. lum-
bricales der Hand und des Fusses zu gedenken, welche an den Sehnen der
langen Beugemuskeln entspringen und, nebst den Mm. interossei, in den
Strecksehnen der Finger enden.
Viele Muskelbäuche erhalten Zuwachs durch Fasern, welche an der
inneren Oberfläche der sie bedeckenden Fascie und an den von derselben in
die Tiefe dringenden Blättern entspringen, so wie auch von den Endsehnen
der Muskeln häufig Fasern sich abzweigen, um in die Fascie auszustrahlen,
sie zu spannen und mittelst derselben die Glieder zu bewegen.
Einige oberflächlich unter der Cutis gelegene platte und dünne Muskeln
nehmen ihren Ursprung von der äusseren Fläche von Fascien. Sie enden
an Knochen (M. subcutaneus colli) oder in der Cutis (M. risorius) oder
wieder in einer Fascie (M. palmaris brevis).
Vielfach ist im animalischen Muskelsysteme von einer Einrichtung Ge-
brauch gemacht, wodurch, ohne die Continuität der Faserursprünge oder
Insertionen zu unterbrechen,’ der Durchtritt von Weichtheilen zwischen dem
Knochen und dem Muskelansatze ermöglicht wird. Diese Einrichtung be-
steht darin, dass die längs dem Knochen hinziehenden Weichtheile, Gefässe,
Nerven, Muskeln oder Sehnen, von fibrösen Bogen (Arcus tendinei) über-
brückt werden, auf welche der Muskelfaserursprung von dem Knochen sich
ohne’ Unterbrechung fortsetzt. Der Sehnenbogen ist entweder mit beiden
Enden an den Knochen befestigt oder er steht an dem Einen Ende mit
einer Fascie, einer Gelenkkapsel in Zusammenhang. Er ist, wenn er über
einen Muskel oder vielmehr über dessen Fascie sich hinüberschlägt, fest
in diese eingewebt, wie z. B. der Sehnenbogen, von welchem die lateralen
Zacken des Vertebraltheiles des Zwerchfells entspringen, in die Fascie des
M. psoas und quadrat. lumborum. Hilft der Sehnenbogen aber eine Lücke
zum Durchtritt von Gefässen, Nerven oder Sehnen begrenzen, so schliesst
sich an seinen freien Rand eine Lage lockeren Bindegewebes oder selbst
ein Schleimbeutel an, und es wird dadurch noch der Nebenzweck erreicht,
dass jede Muskelcontraction den Sehnenbogen von dem Knochen abzieht,
Fascien.
“
10 Muskellehre.
die Lücke vergrössert und die in derselben enthaltenen Gebilde freier und
beweglicher macht.
Die Sehnenbogen kommen in sehr verschiedenen Grössen vor, klein,
unbeachtet und in der That keiner besonderen Erwähnung werth, wo sie
über untergeordnete Gefässzweige hinweggespannt sind, dagegen in dop-
pelter Hinsicht interessant, wenn sie zum Schutze bedeutenderer Organe
dienen und zugleich auf die Richtung des Zuges der Muskelfasern von Einfluss
sind. Ich verweise insbesondere auf die Beschreibungen des Zwerchfells, des
M. serrot. ant., coracobrachialis, anconeus brevis, radialis ext. brevis, abductor
pollieis long., psoas, gluteus medius, adductor fem. magnus, dessen Ver-
hältniss zu den Vasa cruralia bekannt ist, soleus und flexor dig. pedis longus.
Bei der Beschreibung der Muskeln die Fascien!) zu berücksichtigen, ist
schon wegen ihres eben erwähnten Zusammenhanges mit den Muskelbäuchen
und Sehnen unerlässlich. An den Knochenkanten haften in der Regel die
Fascien zugleich mit den Sehnen der oberflächlichen Muskeln so, dass sie,
am Ursprunge unzertrennlich verwachsen, erst eine Strecke jenseits dessel-
ben in zwei Blätter auseinanderweichen. Noch eine andere enge Beziehung
besteht zwischen Fascien und Muskelsehnen: der Fascie eingewebt oder doch
fest mit derselben verbunden sind nämlich die meisten der Bänder, Retina-
cula, welehe die in Knochenrinnen gleitenden Sehnen in ihrer Lage fest-
halten und jene Rinnen zu Röhren vervollständigen. Die Röhren wirken
nach dem Prineip von Rollen bestimmend auf den Zug der Muskeln ein;
die vermittelst der Rolle ausihrer ursprünglichen Richtung abgelenkte Sehne
verhält sich gegen den Angriffspunkt so, als ob sie an der Rolle entspränge.
Diese Function der Rolle fällt aber in den fibrös-knöchernen Röhren, in-
nerhalb welcher die Sehnen eingeschlossen sind, bald der Knochenrinne,
bald dem Retinaculum zu. So gleiten z. B. die Sehnen der Fingerbeuger
bei gebeugter Hand über’ das Lig. carpi volare propr., bei überstreckter
Hand über die volaren Flächen der Handwurzelknochen. Oft werden in
solchen Rinnen die einzelnen Sehnen durch Fortsätze der Fascie gegen den
Knochen von einander geschieden.
Wenn es aber einerseits nöthig ist, die Fascien zur Beschreibung der
Muskeln heranzuziehen, so knüpft sich andererseits wieder die Darstellung
der Faseien am natürlichsten an die der Muskeln an, da ja Form und Verlauf
der Fascien hauptsächlich durch die Muskeln bestimmt wird, zu deren Um-
hüllung sie dienen. Was von dem atmosphärischen Bindegewebe überhaupt,
das gilt auch von den Fascien; nähme man die wesentlichen Theile, hier
also die Muskeln, hinweg, so bliebe ein Fachwerk übrig, dessen Hohlräume
nur die Abgüsse der wesentlichen Theile sind, und es wäre überflüssig, nach
den Muskeln auch noch die Blätter dieses Fachwerkes zu schildern, wenn
sie nicht in Bezug auf ihre Stärke und Dehnbarkeit Verschiedenheiten dar-
böten, die für die ärztliche Praxis von Werth sind. Dieser Werth beruht
darauf, dass 1) die Neigung der Körpertheile, durch Exsudate zu schwellen,
so wie der Druck, den die Exsudate ausüben, durch den Widerstand der
Fascien bestimmt wird, und 2) F lüssigkeiten und bewegliche fremde Körper,
welche in die Zwischenräume der Muskeln durch Absonderung, Riss oder
!) Sehnen- oder Muskelbinden.
Muskellehre. 11
direct von aussen eindringen, von den festen Fascien abgewiesen und so zu
Wanderungen veranlasst werden, die sich also nach den normalen Structur-
verhältnissen des Körpers voraus bestimmen lassen.
Nach dem praktischen Bedürfniss ist nun aber auch die Grenze zu
ziehen zwischen Fascien, die einer ausdrücklichen Benennung und Beschrei-
bung werth sind, und den atmosphärischen Bindegewebslagen, die sich von
selbst verstehen und deren Aufzählung nur für denjenigen von Nutzen wäre,
der ihnen und damit sich selbst einen Namen machte. Die neueren Autoren,
besonders in Frankreich, sind darin häufig zu weit gegangen. Wir be-
schränken den Namen Fascien auf die eigentlich sehnigen, durch parallele
Faserung ausgezeichneten Umhüllungen der Muskeln !). Die Schichte locke-
ren Bindegewebes, welche die Cutis an die darunter gelegenen Theile mehr
oder minder verschiebbar heftet, die sogenannte Fascia superficialis, gehört
nach dieser Definition nicht zu den Fascien; ihre Besonderheiten werden in
der Eingeweidelehre, im Zusammenhange mit der Cutis beschrieben und
wenn kein anderes, als dies subeutane Bindegewebe die Oberfläche eines
Muskels deckt, so ermangelt er der Fascie.
Die Fascie, welche Gruppen von Muskeln oder die Muskulatur eines
sanzen Gliedes einhüllt, ist von der die einzelnen Muskelbäuche bedecken-
den Bindegewebslage, dem Perimysium, durch eine Schichte lockeren Bin-
degewebes geschieden. Fascie und Muskel lassen sich mit dem Finger oder
mit stumpfen Werkzeugen von einander trennen. Bei einigen oberfläch-
lichen Muskeln (Pectoralis maj., Deltoideus, Gluteus max.) fällt die Fascie
mit dem Perimysium zusammen; sie schickt Fortsätze zwischen die einzel-
nen Muskelbündel und es bedarf des Skalpells, um sie von der Oberfläche
des Muskels abzulösen. Von den allgemeinen Fascien der Glieder begeben
sich zwischen den Muskelgruppen und selbst zwischen einzelnen Muskeln
Blätter in die Tiefe, die sich mit der Beinhaut verbinden. Dies sind die
sogenannten Ligg. intermuscularia. Meistens dienen sie, gleich den Fascien,
Muskelfasern zum Ursprung.
Der Faserverlauf in den Fascien kreuzt in der Regel unter rechtem
Winkel den Faserverlauf der Muskeln; er ist daher an den Gliedern mei-
stens transversal und wo ein am Ursprunge einfaches Sehnenblatt sich im
weiteren Verlauf in Muskelsehne und Fascie trennt, da sind beide Gebilde
durch zwei einander rechtwinkelig kreuzende Faserlagen vorgebildet. An
vielen Stellen erhalten indess die Faseien durch die in dieselben ausstrah-
lenden Muskelfasern eine Beimischung longitudinaler und schräger Fasern.
Die stärksten Fascien, die Volar- und Plantarfascie, bestehen in ihrer ganzen
Ausdehnung aus zwei Faserschichten, einer oberflächlichen, longitudinalen
und strahlenförmig gegen die Phalangen divergirenden und einer tiefen,
transversalen.
Wo Muskeln oder Sehnen über scharfe Kanten und Vorsprünge der
Knochen verlaufen, sind zur Verminderung der Reibung dünnwandige, mit
geringen Mengen einer der Synovia ähnlichen Flüssigkeit gefüllte Säcke,
die Schleimbeutel, Dursae mucosae, unterlegt. Sie sind kuglig oder
eiförmig; an der Handwurzel und Mittelhand, wo sie die Sehnen eine
») Die in specie sogenannten Aponeurosen.
.
Schleim-
beutel.
Schleim-
scheiden.
Nerven.
12 Muskellehre.
Strecke weit begleiten, haben sie im gefüllten oder aufgeblasenen Zustande
eine eylindrische Form. Ihre Aussenfläche ist, so weit sie den Knochen
und die dem Knochen zugekehrte Fläche der Sehne bedecken, untrennbar
mit dem Bindegewebe der Beinhaut und der Sehne verwachsen, und nur im
Uebergange vom Knochen zur Sehne sind sie frei ausgespannt. Die an
Gelenkkapseln angelehnten Schleimbeutel, welche sich, die Einen beständig,
die anderen ausnahmsweise, in die Kapsel öffnen, wurden unter der Benen-
nung Synovialbeutel, Dursae synoviales, als Ausstülpungen der Gelenk-
kapseln bereits in der Bänderlehre beschrieben. Die geschlossenen Schleim-
beutel haben ganz denselben Bau.
Von den Schleimbeuteln unterscheiden sich die Schleimscheiden,
Vaginae mucosae!), welche die durch Röhren verlaufenden Sehnen an ihrer
Aussenfläche und die Röhren an ihrer Innenfläche überziehen; sie stellen
zwei ineinander steckende Hohleylinder dar, von welchen der innere mit seiner
Innenfläche an die Sehne, der äussere mit seiner Aussenfläche an die Kno-
chenrinne und das zugehörige Retinaculum angewachsen ist, indess sie ein-
ander die freien Flächen zuwenden und an den, den Endflächen der Cylin-
der entsprechenden Rändern mit einander zusammenhängen oder, wie man
sagt, sich von der Rinne und dem Retinaculum auf die Sehne hinüberschla-
gen. Diese Scheiden enthalten in der Regel nur so viel Flüssigkeit, als
nöthig ist, um die Oberflächen schlüpfrig zu erhalten. Beständiger, als die
Schleimbeutel, sind sie mit einem Ueberzuge von einfachem Pflasterepithe-
lium versehen und die Synovialzotten, die sie tragen, gehören zu den
feinsten.
Bei einem längeren Verlauf durch Röhren, z. B. an der Beugeseite der
Finger und Zehen, wo es nöthig wird, den Sehnen Blutgefässe zuzuführen,
geschieht dies durch Vermittelung platter oder cylindrischer Bindegewebs-
stränge, der sogenannten Vincula tendinum, welche sich von der Innenfläche
der Röhre, und zwar von der Knochenrinne, zur Sehne erstrecken.
Die Ausbreitung der Gefässe und Nerven in den Muskeln zu schildern,
ist Sache der Gewebelehre und den Verlauf der Gefäss- und Nervenstämme
bis zum Eintritt in den Muskel zu verfolgen, sollte eigentlich der Gefäss- und
Nervenlehre vorbehalten bleiben. Da indess die Frage, von welchem Ner-
ven und an welcher Stelle der besondere Muskel seine Zweige erhalte, in
praktischen Fällen nicht minder häufig Beantwortung verlangt, als die Frage,
wohin der besondere Nervenstamm seine Zweige sende: so habe ich, so
weit es interessant schien, bei jedem Muskel die Bezugsquelle seiner Ner-
ven und deren Eintrittsstelle angegeben. Interessant schien dies besonders
bei den Muskeln der Extremitäten, weil die platten Muskeln des Stammes
in ziemlich gleicher Weise von dem Nervenstamme der Wirbelgegend oder
des Intercostalraumes versorgt werden, dem sie angehören, und daher auch
so viele Nervenzweige erhalten, als sie Intercostalräume durchmessen. Den
Muskelbäuchen der Glieder führt in der Regel nur Ein Zweig Nervenfa-
sern zu, den man hier, wo die Vergleichung leicht ist, im Verhältniss zu
der Muskelmasse, die er beherrscht, auffallend fein finden wird. Er tritt,
jedoch nicht ohne Ausnahme, in der oberen, d. h. dem Stamme näheren
!) Sehnenscheiden, Vaginae tendinum,
Muskellehre. 13
Hälfte des Muskels und auf der dem Knochen zugekehrten Fläche ein.
Oefters geht, wie dies vom N. accessorius, eutaneus humeri ext. u. A. be-
kannt ist, zwischen den Bündeln Eines Muskels der einem zweiten bestimmte
Nervenzweig hindurch.
Herkömmlicher Weise fügen die anatomischen Handbücher jedesmal
der Beschreibung des einzelnen Muskels eine Angabe über seine Wirkung
bei. In der That scheinen die Schlussfolgerungen aus der Betrachtung
der Anheftungspunkte und der Richtung der Muskelfasern auf die Leistun-
gen der letzteren so nahe zu liegen, dass man gleichsam Anstand genom-
men hat, die physiologische Forschung deshalb erst noch besonders zu be-
mühen. Auch ist die Methode der Untersuchung zum Theil eine anato-
mische, so dass das Resultat sich bei der Präparation des Muskels von
selbst darbietet. Dennoch halte ich jene kurzen Notizen über die Function,
wie sie gewöhnlich gegeben werden, nicht für zweckmässig. Für die ein-
fachen, klaren Fälle, für welche sie hinreichen würden, sind sie entbehrlich.
Denn dass ein Muskel, der vom Stamm zum Oberarm geht, den Arm an
den Stamm oder, bei befestigtem Arm, den Stamm an den Arm heranzieht,
braucht, wenn die Muskelwirkung im Allgemeinen erörtert ist, nicht speciell
hervorgehoben zu werden. Bei anderen und zwar bei vielen Muskeln
liest, wie schon die darüber bestehenden Controversen bezeugen, die Func-
tion nicht so auf flacher Hand, und dann ist es auch unthunlich, sie mit ein
paar Worten zu erledigen. Es genügt nicht, den Ursprung und die Inser-
tion des Muskels zu berücksichtigen oder mittelst des frei präparirten Mus-
kels eine Zerrung auszuüben; denn die Art, wie ein Muskel innerhalb seiner
Fascie eingeschlossen ist, hat wesentlichen Einfluss auf die Richtung seines
Zuges. Sicherere Anhaltspunkte lassen sich gewinnen, wenn man die Stel-
lungen der Glieder ermittelt, bei welchen der fragliche Muskel abwechselnd
sich spannt und erschlafft; dieselbe Stellung, bei welcher er im Tode er-
schlafft, wird im Leben die Folge seiner Contraction sein. Manche Auf-
schlüsse über die Wirkung einzelner Muskeln giebt an Leichen die Unter-
suchung während der Todtenstarre und die Durchschneidung der starren
Muskeln, wonach Bewegungen der Glieder ausführbar werden, welche der
contrahirte Muskel verhindert hatte, sodann am Lebenden die Beobachtung
der Lähmungen und Contracturen, der Schwellungen und Spannungen der
Muskeln bei angestrengten willkürlichen Bewegungen, die Prüfung mittelst
localer Anwendung des Galvanismus nach Duchenne’s Vorgang. Aber
schliesslich lehrt uns Alles dies nur die möglichen Functionen der Mus-
keln kennen, und giebt keine Gewähr, dass der Organismus von diesen
Möglichkeiten Gebrauch mache, so lange nicht auch die Combinationen, in
welchen die Muskeln wirken, in Betracht gezogen werden. Es giebt Mus-
keln, von welchen wir einzelne Fasern bewegen lernen, und andere, die
vielleicht nie anders als in Gruppen thätig sind. Diese angeborne Coor-
dination der Muskeln erklärt, warum mitunter für denselben Zweck zwei
verschiedene Muskeln bestellt sind, wie-z. B. je zwei Spanner der Beuge-
seite der Knie- und Ellenbogengelenkkapsel, von denen der Eine (M. bra-
chialis, semimembranosus) mit den Muskeln des Oberarms und Oberschen-
Wirkung.
Bedeutung.
14 Muskellehre.
kels, der andere (M. radialis.ext. br., popliteus) mit den Muskeln des Un-
terarmes und Unterschenkels in Contraetion geräth. Ueberhaupt wird man
bei der Theorie der Muskelbewegungen am besten den Weg einschlagen,
der sich auch in anderen physiologischen Fragen bewährt; von den that-
sächlichen Bewegungen aus wird man zur Untersuchung der Mittel, durch
welche sie zu Stande kommen, fortschreiten. In dieser Weise fangen
auch die neueren Handbücher der Plıysiologie an, sich des Stoffes zu be-
mächtigen, und so werden die anatomischen Handbücher, wenn sie weder
Selbstverständliches breit wiederholen, noch Zweifelhaftes kurz abmachen
wollen, die Rubrik „Wirkung“ in der Muskellehre am besten ganz auf-
geben.
Ich wollte die Trennung der physiologischen Seite der Muskellehre
von der anatomischen prineipiell rechtfertigen, damit sich danach die An-
sprüche bemessen, die an ein anatomisches Werk zu machen sind; diese
Trennung streng durchzuführen, liegt aber nicht in meiner Absicht. Eine
sorgfältigere Zergliederung der Muskeln liefert ungesucht Winke über deren
Thätigkeit, die dem Physiologen zu Statten kommen; was sich an derartigem
Material ergab, habe ich in Anmerkungen beigefügt. Auf der anderen
Seite darf man auch die Vortheile nicht verschmähen, welche bei dem Stu-
dium der Muskeln die Rücksicht auf den Zweck, dem sie dienen, gewährt.
Die Einrichtung der Gelenke sagt uns voraus, wie die Muskeln, um die
möglichen Bewegungen auszuführen, angeordnet sein können und müssen ;
das Vertrauen auf die Zweckmässigkeit unserer mechanischen Apparate
spornt zu weiteren Forschungen an, so lange die Resultate der vorhandenen
keinen vernünftigen Sinn geben.
Indessen ist der teleologische Gesichtspunkt oder der Nutzen nicht das
Einzige, was den Formen der Muskeln Bedeutung giebt; sie werden auch
durch die genetische Betrachtung erklärt, welche den verwickelten Apparat
des menschlichen Muskelsystems von den einfacheren Entwickelungsstufen
ableitet, die sich im Embryo oder bei niederen Thieren finden. Eine solche
vergleichende Myologie steht, wie von selbst einleuchtet, mit der verglei-
chenden Osteologie im engsten Verbande und setzt die letztere voraus. Im
Allgemeinen sind zwei Beziehungen hervorzuheben, in welchen sich die Ab-
hängigkeit der Entwickelung der Muskeln von der des Skelettes zeigt.
1) Die Eine wurde’ schon in der Bänderlehre erwähnt; sie betrifft
das Verhältniss der muskulösen Stränge zu den fibrösen und lässt sich so
aussprechen: Stränge, welche der ursprünglichen Anlage nach muskulös
sind, werden fibrös, wenn die Knochen, zwischen welchen sie verlaufen,
ihre Beweglichkeit verlieren, und so treten analoge Faserzüge hier als Haft-
bänder, dort als Muskeln auf, je nachdem die Skeletttheile, die sie verbin-
den, fest oder beweglich zusammenhängen. Als Beispiele führe ich die
kurzen Muskeln der Hals- und Bauchwirbel und die ihnen entsprechenden
Bänder der Brustwirbel an. Auch die Faserausbreitung zwischen der Spina
ischiadica und dem unteren Ende der Wirbelsäule erscheint, je nach der
Beweglichkeit der Beckenstücke, bald als Band (Lig. sacrospinosum), bald
als Muskel (M. coceygeus). Bänderl. S. 116.
2) Muskeln, welche sich von entgegengesetzten Richtungen an einem
Knochen ansetzen, fliessen ineinander, wenn dieser Knochen schwindet; um-
Muskellehre. 15
gekehrt zerfallen einfache Muskeln in zwei und mehr, wenn sie auf ihrem
Wege Gelegenheit zur Anheftung an Knochen finden; sie werden durch denein-
geschobenen Skeletttheil unterbrochen und sie machen gleichsam an demselben
Station, bevor sie sich weiter fortsetzen. Der gerade Muskel der vorderen
Rumpfwand, der sich beiden niederen Reptilien vom Becken zum Unterkiefer
erstreckt, zerfällt, wie Thorax und Zungenbein hinzutreten, in Reetus abdo-
minis, Sternohyoideus und vorderen Bauch des Biventer mandibulae. Aus den
schiefen Bauchmuskeln werden an dem Theile des Rumpfes, welcher ent-
wickelte Rippen trägt, die Intercostalmuskeln; die Muskeln, welche kreis-
förmig den obersten Theil des Schlundes umgeben, scheiden sich durch Da-
zwischenkunft des Kiefers in Bucceinator und Constrictor pharyngis; ein dem
Latissimus analoger Muskel zerlegt sich an der unteren Spitze des Schulter-
blattes in Rhomboideus und Teres maj. Die Richtigkeit dieser Auffassung
erweist sich dadurch, dass von manchen dieser Muskeln constant einzelne
Bündel an dem Knochen, der die Unterbrechung bewirkt, ununterbrochen
vorübergehen. So entspringen mit dem M. sternothyreoideus Fasern, welche
an dessen lateralem Rande bis zum Zungenbeine verlaufen, wo sie sich mit
dem M. thyreohyoideus inseriren; so giebt der M. subcutaneus colli an
seinen beiden Rändern Fasern zum Mundwinkel und zur Unterlippe, wäh-
rend sein breiter mittlerer Theil am Unterkiefer endet, um sogleich neu
von demselben zu entspringen und als M. quadratus menti zur Unterlippe
zu verlaufen.
Mit dieser Vervielfältigung der Muskeln durch Zerlegung ist öfters
noch eine Vervielfältigung durch Schichtung verbunden. Während eine
Faserlage an den Knochen, über welche sie hinzieht, sich unterbricht; setzt
eine andere über die intermediären Anheftungsstellen hinweg. Natürlich ist
diese letztere Lage, welche entlegenere Punkte verbindet, die oberfläch-
lichere; doch kommen Ausnahmen vor, wo die Sehnen eines tieferen Mus-
kels durch Lücken der Sehnen eines oberflächlicheren setzen, um jenseits
der Insertionen der oberflächlichen sich anzuheften (Finger- und Zehen-
beuger), oder wo die oberflächlichen Muskeln nach zwei Seiten auseinander-
weichen, um die tieferen durchzulassen.
Auf jenes Prineip kann man namentlich die Muskulatur der Extremi-
täten zurückführen, deren dem Rumpfe nächstes Glied an der Beuge-, wie
an der Streckseite zwei Schichten enthält, eine oberflächliche, über zwei
Gelenke (Schulter- und Ellenbogengelenk, Hüft- und Kniegelenk) sich
fortsetzende, und eine tiefere, welche in zwei Absätzen, vom Gürtel zum
Arm- oder Schenkelbeine und wieder von diesem über das Ellenbogen- oder
Kniegelenk zum Unterarm und Unterschenkel geht. Auch bezüglich der
Function sehen wir in dem zweigelenkigen Muskel der oberflächlichen
Schicht ein Aequivalent der beiden Muskeln oder Muskelgruppen der. tie-
feren Schichte. -Der zweigelenkige Muskel wird im Anfang seiner Contrac-
tion von dem oberen der entsprechenden eingelenkigen Muskeln un-
terstützt.
A. Muskeln
des
Stammes.
16 Muskeln des Stammes.
A. Muskeln des Stammes.
Die eigentlichen Muskeln des Stammes, in den Wänden des Doppel-
rohres gelegen, welches die Centralorgane des Nervensystems und die Ein-
geweide umschliesst, können zunächst keinen anderen Zweck haben, als
Form und Caliber des Rohres zu ändern. Bedingung ihrer Wirksamkeit
ist, dass das Volumen des Inhaltes des Rohres veränderlich, oder dass der
Inhalt weich und verschiebbar sei. Ist er von veränderlichem Volumen,
so kann durch eine gleichzeitige Verkürzung aller Muskelfasern der Raum-
inhalt des Rohres vermindert werden. Ist der Inhalt nur verschiebbar, so
sind nur partielle Contractionen möglich, die active Verengung an Einer
Stelle ist zugleich Ursache einer passiven Erweiterung an einer anderen.
Das Volumen des Inhaltes kann in doppelter Weise sich verringern,
indem es entweder vermöge seiner Elasticität zusammengedrückt oder durch
Oeffnungen der Röhre theilweise ausgetrieben wird. Im vegetativen Rohre
der höheren Wirbelthiere bestehen beide Möglichkeiten nebeneinander:
jede Verengung der Brust- und Bauchhöhle dient, insofern nicht die natür-
lichen Oeffnungen Widerstand leisten, zugleich zur Entleerung der Höhlen
und zur Compression der in denselben beständig enthaltenen elastisch-füs-
sigen Stoffe. Von der zur Austreibung des Inhaltes der Höhlen verwend-
baren Muskelkraft geht regelmässig ein Theil durch die Compression der
in der Lunge und im Darm enthaltenen Luft verloren. Ausserdem findet
noch, bei ungleichmässiger Zusammenziehung der Wände, ein Verlust an
Kraft dadurch Statt, dass die schlafferen Theile der Wand dem Andrange
des Inhalts nachgeben.
Die einfachste Anordnung der Muskulatur zur Verengung eines Schlau-
ches, wie sie sich in der Leibeshülle niederer Gliederthiere und in den con-
tractilen Canälen der höheren Thiere findet, ist die in zwei einander recht-
winklig kreuzenden Schichten, einer longitudinalen und einer transversalen
oder ringförmigen. Fast allgemein liegt, wo diese beiden Schichten in
ihrer Einfachheit bestehen, die longitudinale an der äusseren Seite der
transversalen. Dass die longitudinalen Fasern zur Verkürzung, die kreis-
föormigen zur Verengung des Rohres dienen, braucht nicht gesagt zu wer-
den; partielle, auf einzelne Bündel der Schichten beschränkte Zusammen-
ziehungen bewirken von Seiten der kreisförmigen Fasern Einschnürungen
des Rohres, von Seiten der longitudinalen Fasern Einknickungen oder Beu-
gungen nach der zusammengezogenen Seite.
Mit dem Auftreten des Skelettes modifieirt sich die Wirkung und com-
plieirt sich der Bau der Muskeln des Stammes. Jede der beiden ursprüng-
lichen Hauptschichten zerfällt in eine Anzahl von untergeordneten Schichten,
welche zum Theil die äussere, zum Theil die innere Fläche des knöchernen
Gerüstes einnehmen. Von den untergeordneten Schichten zerlegt sich die
eine und andere wieder je nach der Zahl beweglicher Ringe, in die das
Rohr zerfällt, in mehr oder minder selbständige und, gleich den Wirbeln
und Rippen, über einander gereihte Muskeln. Die Unterabtheilungen einer
Hauptschichte nehmen schräge, je einander kreuzende Richtungen an; so
Muskeln des Stammes. 17
werden einzelne Muskeln der Einen und anderen Hauptgruppe in Bezug
auf den Faserverlauf einander ähnlich und unterstützen einander in ihren
Bewegungen.
Wenn an der Berührungsstelle des vegetativen und animalischen Rohres
eine starre Axe, die Säule der Wirbelkörper, sich entwickelt, so verlieren
die longitudinalen Faserzüge die Fähigkeit, den Stamm zu verkürzen, und
es bleibt ihnen nur die Function, denselben nach verschiedenen Richtungen
zu beugen. Sie lassen alsdann die seitlichen Wände des Rumpfes frei und
redueiren sich auf eine vordere und hintere, bandartige oder prismatische
Masse, deren jede aus zwei symmetrischen Hälften besteht. Die symme-
trischen Hälften der vorderen longitudinalen Masse scheidet an Bauch und
Hals (im Bereiche des Brustkorbs fehlen sie) ein schmaler Sehnenstreif,
eine Linea alba; die symmetrischen Hälften der hinteren longitudinalen Masse
liegen zum grössten Theile in den Furchen zu beiden Seiten der Wirbel-
dornen und reichen bei den höheren Wirbelthieren lateralwärts nicht
weiter, als bis zu den Winkeln der Rippen. Nur eine verhältnissmässig
geringe Zahl von Muskeln nimmt, in gleichfalls symmetrischer Anordnung,
die vordere Fläche der Wirbelkörper und Querfortsätze ein. Bezüglich
ihrer Wirkung gleichen diese den in der vorderen Rumpfwand gelegenen
longitudinalen Muskeln; sie beugen den Stamm vorwärts, während die an der
Rückseite der Wirbelsäule gelegenen Muskeln ihn rückwärts beugen (strecken).
Was die kreisförmigen Fasern betrifit, so bietet ihnen das animalische
Rohr, dessen Inhalt unveränderlich ist, dessen Wände entweder vollkommen
knöchern oder aus alternirenden knöchernen und häutigen Ringen gebildet
sind, keine Gelegenheit zur Thätigkeit; daher wird ihr Zusammenhang in
der hinteren Mittellinie vollständig unterbrochen: sie zerfallen in zwei sym-
metrische Platten, welche jederseits neben der Wirbelsäule oder an der-
selben beginnen und, wo sie am vollkommensten ausgebildet sind, in der
vorderen Mittellinie mittelst ihrer Sehnen zusammenstossen. Diesen voll-
kommensten Grad der Ausbildung erreichen sie am Bauche; jede Platte
besteht aus drei Schichten, einer äusseren, medianwärts absteigenden, einer
mittleren, medianwärts aufsteigenden und einer innersten, eigentlich trans-
versalen. Am Brustkorbe sind die beiden Platten auch in der vorderen
Mittellinie durch das Brustbein getrennt; die innerste Schichte erstreckt
sich vom Brustbeine seitwärts in der Regel nicht über die Rippenknorpel
hinaus, sie fehlt an der Seitenwand und erscheint erst wieder an der hinte-
ren Wand neben der Wirbelsäule; die äussere und mittlere Schichte theilt
sich jederseits in so viele Muskeln, als es Intereostalräume giebt. Am
Halse kommen Muskeln vor, die Scaleni, welche durch ihren Zusammen-
hang mit den Rippen und den rippenartigen Querfortsätzen der Halswirbel,
so wie durch ihre Schichtung, in dreifacher Lage hintereinander, an die
kreisförmige Muskulatur der Brust- und Bauchwand erinnern; die Richtung
ihrer Fasern, welche eine ziemlich gleichmässig lateralwärts absteigende ist,
weicht allerdings von derFaserrichtung der Muskulatur der Bauchwand bedeu-
tend ab; von den longitudinalen Muskeln der vorderen Region des Halses
sind sie durch ansehnliche Zwischenräume geschieden.
Ich habe erwähnt, dass in Wänden, welche von longitudinalen und
ringförmigen Muskelzügen gebildet werden, die ersteren in der Regel die
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 3. 2
18 Muskeln des Stammes.
äussere, die letzteren die innere Schichte einnehmen. So ist auch das Ver-
hältniss beider Muskelzügen, so weit sie einander decken, am Stamme der
Wirbelthiere. Doch kann dies dadurch verhüllt werden, dass von der
transversalen Muskelplatte ein Sehnen- oder Fascienblatt entspringt und
sich über die Aussenfläche der longitudinalen Muskeln hinüberlegt. Der
vordere longitudinale Bauchmuskel (M. rectus abdom.) wird so von einer
fibrösen Scheide umschlossen, deren äusseres Blatt die Sehne der äussersten
Schichte der transversalen Muskelmasse (des M. oblig. abd. ext.) zu sein
scheint. Die longitudinalen Muskeln an der hinteren Fläche der Wirbel-
säule bedeckt eine Fascie, welche theilweise der mittleren Schichte der
transversalen Muskeln (dem M. obl. abd. int.) zum Ursprunge dient. Mus-
keln, welche, wie die Serrati post., über die longitudinalen Muskeln hin-
weg, in wesentlich transversaler Richtung, von Dornfortsätzen zu Rippen
verlaufen, sind als höher entwickelte, d.h. contractil gewordene Theile dieser
Fascie zu betrachten.
Um zu der eigentlichen Muskulatur des Stammes zu gelangen, muss
man eine Anzahl oberflächlicher Muskeln ablösen, welche von der Wirbel-
säule, dem Brustbeine und den Rippen an die Extremitäten und deren Gür-
tel gehen. Sie verstärken, besonders am Brusttheile des Rumpfes, die Lage
der transversalen Muskeln und sollen sich denselben, wenn die Extremitäten
festgestellt werden, zur Bewegung der Rippen associiren. So gehören sie
vielleicht nicht einmal functionell ausschliesslich den Extremitäten an. Nach
den in der Einleitung ausgesprochenen Grundsätzen handle ich sie mit den
Muskeln des Stammes ab. Für den vorliegenden Fall rechtfertigt sich dies
um so mehr, da, wie sich zeigen wird, auch eigentliche Muskeln des Stam-
mes sich mit ihren Ursprüngen auf den Extremitätengürtel versetzen (die
vorderen Halsmuskeln auf das Sternalende des Schlüsselbeines, der M.
sacrospinalis auf das Darmbein).
Da die Bogen des animalischen Rohres, entsprechend der Gleichmäs-
sigkeit seines Inhaltes, sich gleichförmiger verhalten, als die Bogen des ve-
getativen Rohres mit seinen mannigfaltigen Eingeweiden, so sind auch die
Muskeln längs des Rückens gleichförmiger als an der vorderen und seit-
lichen Rumpfwand und es erweist sich zweckmässig, die Muskeln der
Rückengegend im Zusammenhange zu beschreiben, dagegen die Muskeln
der vorderen und Seitenwand des Stammes je nach den Regionen zu tren-
nen in Bauch-, Brust- und Halsmuskeln. Unter Rückenmuskeln ver-
stehen wir aber, dem allgemeinen Brauche gemäss, nur die an der Rück-
seite der Wirbelsäule befindlichen; die Vorderfläche der Hals- und oberen
Brustwirbel bedecken Muskeln, die sich bequemer an die Halsmuskeln an-
reihen; von der Vorderfläche der oberen Bauchwirbel entspringt das
Zwerchfell, ein die Rumpfhöhle horizontal durchsetzender Muskel, der
die Brust- und Bauchhöhle von einander scheidet und bei den Bauchmus-
keln seine Stelle finde. Die Muskeln, welche von der Vorderfläche der
Bauch-, Kreuz- und Steisswirbel theils ab-, theils lateralwärts zum Gürtel
und oberen Ende der unteren Extremität verlaufen, lassen sich von den am
Becken entspringenden Muskeln der unteren Extremität nicht trennen.
Am Kopfe und an der unteren Beckenwand macht der Durchbruch
der vegetativen Organe eigenthümliche Muskeleinrichtungen nothwendig;
Riickenmuskeln. 19
man stellt die Muskeln am oberen Ausgange des vegetativen Rohres mit
den oberflächlich gelegenen Muskeln der Sinnesorgane und denen der Haut
des Schädels unter dem Namen Kopfmuskeln zusammen. Die Muskeln
der Dammgegend können, da die Beschreibung der äusseren Genitalien
vorausgehen muss, erst in der Eingeweidelehre dargestellt werden.
I. Rückenmuskeln.
Die Rückenmuskeln verbinden Knochen der Wirbelsäule unter sich,
mit dem Schädel, mit Rippen und mit Knochen der oberen Extremität. Am
Schädel ist es die Nackenfläche des Hinterhauptbeines (Knochenl. $. 74)
und die Gegend des Warzenfortsatzes, welche von den Insertionen der
Muskeln eingenommen wird, und zwar ist bezüglich der Muskelansätze die
Hinterhauptsschuppe geradezu einem Dornfortsatz, der Warzenfortsatz und
die Umgegend einem Querfortsatze gleich zu achten.
Im Verhältniss zum Stamme sind die Extremitäten, im Verhältniss
zur Wirbelsäule sind die Rippen der beweglichere Theil. Darnach setzen
wir also den Ursprung der Muskeln, die zwischen Stamm und Extremitäten
verlaufen, auf den Stamm, den Ursprung der zwischen Wirbelsäule und
Rippen verlaufenden Muskeln auf die Wirbelsäule. Für die Muskeln, wel-
che einzelne Abtheilungen der Wirbelsäule (den Schädel eingeschlossen)
gegen einander bewegen, darf man, da die Wirbelsäule im Allgemeinen
und besonders in aufrechter Stellung von unten nach oben an Beweglich-
keit zunimmt, je die abwärts gelegenen Anheftungen als Ursprünge, die
aufwärts gelegenen als Insertionen betrachten und demnach alle longitudi-
nalen Rückenmuskeln aufsteigende nennen. Dies gilt auch für diejenigen
Muskeln der Wirbelsäule, welche, so weit sie sich am Brustkorbe hinauf er-
strecken, mit Rippen in Verbindung treten.
Die Masse der Rückenmuskeln reicht unten bis an den vierten Kreuz-
wirbel, oben bis zur oberen Nackenlinie des Hinterhauptbeines; median-
wärts grenzt sie an die entsprechende Muskelmasse der anderen Körper-
hälfte und ist von ihr längs den Kreuz-, Bauch- und Rückenwirbeln durch
die Wirbeldornen und die Ligg. interspinalia, längs den Halswirbeln bis
zum Schädel, durch das Lig. nuchae getrennt. Bis zum siebenten Hals-
wirbel hinauf begrenzen die symmetrischen Muskelmassen eine mediane
Furche, in deren Grund die Spitzen der Wirbeldornen leicht sichtbar und
oft selbst für das Auge unterscheidbar sind; im Nacken verflacht sich diese
Grube und gegen die Protuberantia oceip. ext. verbreitert sie sich; die
Dornen sind nur bei tiefem Drucke zu fühlen, und die Muskeln lassen sich
über die Mittellinie hinaus von Einer Seite zur anderen verschieben. La-
teralwärts ist die Grenze der Musculatur des Rückens am wenigsten scharf.
Eine Anzahl oberflächlicher Lagen, deren Fasern sämmtlich von Wirbel-
dornen oder den Dornen analogen Theilen an Hals und Schädel entsprin-
gen und im Ganzen lateralwärts gerichtet sind, endet staffelförmig, die
äusserste Lage (M. cucullaris) an dem knöchernen Gürtel der oberen Ex-
tremität, die nächst tiefere (Mm. rhomboidei, teres maj., latissimus) an der
Basis des Schulterblattes und am Armbein, die dritte (Mm. serrati postiei) an
9*
I. Rücken-
muskeln.
20 Rickenmuskeln.
den Rippen. Es folgt eine vierte Schichte (Mm. splenii), welche den Ueber-
Fascia lum-
bodorsalis.
gang zu den eigentlich longitudinalen Muskeln bildet, auf die Nackenge-
gend beschränkt, ebenfalls von Dornen entspringend und zu Querfortsätzen
der oberen Halswirbel und des Schädels steil aufsteigend.
Die tiefen, eigentlich longitudinalen Muskeln des Rückens füllen am
Beckentheile der Wirbelsäule den Raum zwischen den Dornen des Kreuz-
beines und der Tuberosität des Darmbeines; an den Bauch- und Halswirbeln
decken sie die Querfortsätze bis zu deren Spitzen, am Brustkorbe reichen
sie seitlich bis zu den Winkeln der Rippen, am Schädel bis zum Warzen-
fortsatze. Wir theilen sie zunächst ein in lange oder zusammengesetzte
und kurze oder einfache Muskeln. Kurze Muskeln verlaufen von Wirbel zu
Wirbel meist zwischen gleichnamigen Fortsätzen und von Querfortsätzen ab-
wärts zur nächsten oder zweitnächsten Rippe; sie liegen zum Theil neben
dem Rande der langen Muskeln, zum Theil bedeckt von denselben. Die
langen Muskeln sind gleichsam aus vielen kurzen zusammengeflossen: der
fleischige Theil derselben nimmt zahlreiche Ursprungssehnen auf und giebt
nach der anderen Seite ebenso zahlreiche Insertionen ab; nur in grösseren
Zwischenräumen deuten tiefere Einschnitte zwischen den Fascikeln eine
Trennung des Muskels in Abtheilungen an, die den Regionen der Wirbel-
säule entsprechen. E
Solcher zusammengesetzter Muskeln giebt es drei, die in der Lenden-
gegend einander theilweise decken, nach oben aber sich fächerförmig ent-
falten und mehr nebeneinander zu liegen kommen. Der mittelste und
stärkste (M. transverso-spinalis) füllt den Raum zwischen den Wirbeltubero-
sitäten (Knochenl. S. 30) und den Dornen; er besteht aus mehreren Schich-
ten, deren Fasern, je oberflächlicher sie liegen, um so steiler und über eine
um so grössere Zahl von Wirbeln hinweg medianwärts aufsteigen. An
seinem medialen Rande verläuft, von Dornen zu Dornen, der M. spinalis;
lateralwärts neben dem M. transversö -spinalis findet sich der M. sacro-
spinalis, welcher, einfach am Kreuzbein und Darmbeinrande entspringend,
sich in der Gegend der untersten Rippe in zwei nebeneinander gelegene
Portionen (M. iliocostalis und longissimus) theilt.
Kein Muskel der oberflächlichen lateralwärts gerichteten Schichten
hat eine eigentliche Fascie; sie sind gegen die Cutis und unter einander
nur durch lockeres Bindegewebe abgesetzt, welches am reichlichsten, von
Aesten der Vasa dorsalia scapulae durchzogen, zwischen der zweiten und
dritten Schichte angehäuft ist. Die longitudinale Muskelmasse dagegen ist
von einer ansehnlichen, straffen Fascie, F'ascia lumbodorsalis, bedeckt,
welche die Knochenrinne, in der die Muskeln eingebettet liegen, förmlich
zum Rohre schliesst und erst in der Gegend des oberen Randes des Brust-
korbes sich verliert. Dem oben erwähnten Gesetze zufolge ist der Verlauf
der Fasern in dieser Fascie im Allgemeinen transversal, die Richtung der
von ihr umhüllten Muskelfasern kreuzend. Sie gehen von den Spitzen
der Dornen und von den hinteren Rändern der Ligg. interspinalia aus,
unter dem Lig. supraspinale hervor (Bänderl. S. 36); von den Dornen des
Kreuzbeines treten sie zum hinteren Rande des Hüftbeines und verlieren
sich zum Theil in die verticalen Bündel des Lig. saerotuberosum (Fig. 1,
st); von den Bauchwirbeldornen aus inseriren sie sich in das Lig. lumbo-
Rückenmuskeln. 21
eostale, jenseits der Spitzen der Querfortsätze (Fig. 2); von den Brustwir-
beln verlaufen sie zu den Winkeln und unteren Rändern der Rippen. Am
Fig. 1.
+
Hintere Beckenwand, von hinten. Mm. gluteus Horizontalschnitt der Bauchwind durch
max. (Gm) und med. an den Ursprüngen abge- den Körper des dritten Bauchwirbels.
schnitten. G@mi Ursprung des M. gluteus mini- 7e Lig. lumbocostale. /p M. iliopsoas.
mus an der Ineisura ischiad. maj. Oi M. obtu- IM. quadr. lumb. ZqaM. latissi-
rator int. von seiner Fascie bedeckt. Oi’ derselbe, mus dorsi. Oae, Oai Mm. oblig. abd.
beim Austritt aus der Ineisura ischiad. min. durch- ext. u. int. Ta M. transv. abd. Ra
schnitten. ? M. pyrif., beim Austritt aus der M. rectus abdominis.
Ineisura ischiad, maj. durchschnitten. (€ M/
eoceygeus. Bf! M. biceps fem. cap. long. St,
Sm M. semitendinosus u. semimembranosus.
* Fascia lumbodorsalis. ** Eingewebtes Bündel
von der Spina post. sup. oss. ilium zum Proc. artic.
spur. des dritten Kreuzwirbels,
untersten Ende ist die Fascie mit den Ursprungssehnen der langen Muskeln
verwachsen; von ihrer äusseren Fläche entspringt, etwa in der Mitte zwi-
schen ihrer Kreuzbein- und Beckenanheftung, der M. gluteus max., weiter
hinauf dient sie Fasern der transversalen Rückenmuskeln und Bauchmus-
keln (M. obliq. int.) zum Ursprunge. Indem die Ursprungsfasern dieser
Muskeln sich mit ihr vermischen, gewinnt sie in den unteren Regionen eine
bedeutende Mächtigkeit, die nach oben allmälig abnimmt. Dem unteren
Theile, der nach aussen nur von der Cutis gedeckt wird, sind äusserlich
.
a. Oberfl.
Muskeln.
e&. Erste
Schichte,
Trapezius.
22 Trapezius.
schräg auf und absteigende Fasern und fast verticale, zwischen den Fort-
sätzen des Kreuzbeines ausgespannte Fascikel eingewebt (Fig. 1**a. v. 8.);
am Brustkorbe dagegen, wo die transversalen Rückenmuskeln die Fascie
decken, finden sich nur zarte transversale Fascikel, in nicht einmal ganz
continuirlicher Reihe.
Den oberen Theil der Fascia lumbodorsalis sah Krause zuweilen mit einem
langen dünnen Spannmuskel versehen, den er M. subcutaneus nuchae nennt; er
entspringt vom äusseren Ende der oberen Nackenlinie, steigt anfangs oberfläch-
lich zwischen Trapezius und Sternocleidomastoideus, dann hinter dem M. splenius
cervicis beinahe senkrecht herab und verliert sich unter dem M. rhomboideus sup.
in die den M. serrat. post. sup. bedeckende Region der Fascie.
a. ÖOberflächliche, von Dornfortsätzen lateralwärts
verlaufende Schichten.
a«@. Erste Schichte.
M. trapezius !) AT:
Der einzige Muskel dieser Schichte, M. trapezius, nimmt die Nacken-
und Rückengegend ein in Form eines stumpfwinkligen Dreiecks, dessen
längste Seite der Wirbelsäule entspricht, mit oberem abgerundeten, unterem
spitzen Winkel. Er entspringt continuirlich am medialen Drittel der Li-
nea nuchae sup. (oss. occip.), am hinteren Rande des Lig. nuchae und an
den Dornen und den Ligg. interspinalia vom siebenten Halswirbelan bis zum
letzten Brustwirbel; vom Schädel und dem oberen Theile des Nackenbandes
dünn mittelst kurzer, straff mit der Haut verwachsener Sehnenfasern, von
den untersten Hals- und oberen Brustwirbeln mächtiger mittelst längerer,
glänzender, von beiden Seiten in der Medianlinie zusammenfliessender Seh-
nenfasern, vom vierten Brustwirbel an wieder kurzsehnig und von den letzten
Brustwirbeln mittelst eines sehnigen Blattes, das die eben erwähnte, scharfe
Spitze des Dreiecks bildet. Die Muskelfasern convergiren gegen den
Schultergürtel; von den oberen Brustwirbeln aus verlaufen sie gerade late-
ralwärts; die höher entspringenden sind um so steiler abwärts, die tiefer
entspringenden um so steiler aufwärts gerichtet, je mehr sie sich den End-
punkten des Muskelursprunges näheren.
Die absteigenden Fasern befestigen sich an dem oberen oder inneren
Rande des Schultergürtels, von der Mitte des Schlüsselbeines oder vom la-
teralen Ende des mittleren Drittels dieses Knochens an bis an das drei-
eckige Feld, mit welchem der Schulterkamm am medialen Rande des Schul-
terblattes beginnt. Die am meisten lateralwärts am Schädel entspringenden
Fasern greifen am weitesten nach vorn herum, und die folgenden setzen
sich der Reihe nach um so weiter nach hinten an, je weiter abwärts sie
entspringen (Fig. 4). Die transversalen und aufsteigenden Fasern sam-
meln sich am Rande des Schulterblattes in eine membranartige Sehne, die
über das ebengenannte dreieckige Feld des Schulterkammes locker angehef-
£ =) M. eucullaris aut. Kappenmuskel, Mönchskappenmuskel. Die Namen beziehen
sich auf die Form, welche die vereinigten Muskeln beider Körperhälften darbieten.
“Fig: 3..
Trapezius.
M
\
IN N V Nr
SAW
WE e N Va5
Sy
LION,
”
AN
LdM. latissi-
deltoideus D ist abgeschnitten.
Theil des M.
Tmj, Tm M. teres maj. u. min,
Gmd, Gm M. gluteus medius u. maximus,
Der hintere
Ab, Al M. anconeus long. u. br.
Spep M. splenius cap,
Oae, Oai M. obl. abd. ext. u. int.
Muskulatur der hinteren Fläche des Stammes, nach Entfernung der Cutis.
mus dorsi.
Scm M. sternocleidomast.
23
Physiologi-
24 Trapezius.
tet hinweggleitet und an einem Knötchen oder einer Rauhigkeit des Schul-
terkammes jenseits dieses Feldes angewachsen ist.
Die obere Hälfte des M. trapezius stellt den Mantel eines halben
Kegels dar, dessen abgestutzte Spitze der oberen Nackenlinie des Hinter-
hauptbeines, dessen halbkreisförmige Basis dem Schultergürtel entspricht.
Zwischen seinem vorderen Rande und dem oberen Rande des M. sterno-
cleidomastoideus bleibt eine schmale Spalte (Fig. 3), die sich aufwärts zu-
spitzt und oft noch unterhalb der Insertion der beiden Muskeln am Schä-
del dadurch geschlossen wird, dass Schnen- oder Muskelfasern beider Muskeln
sich gegen einander neigen und unter spitzen Winkeln durchflechten (vergl.
Halsmuskeln).
Der Hauptnerv (N. accessorius) kommt in der Gegend des Unterkie-
ferwinkels hinter dem Rande des M. sternocleidomastoideus hervor und
tritt, schräg ab- und rückwärts verlaufend, in der Gegend des siebenten
Halswirbels unter den M. trapezius; gerade über dem oberen medialen
Winkel des Schulterblattes giebt er eine Anzahl Aeste in den Muskel; die
Fortsetzung des Stammes lässt sich medianwärts neben dem Schulterblatte
auf der Vorderfläche des Muskels fast bis zu seiner unteren Spitze verfol-
gen. Zum vorderen Rande des Trapezius oberhalb des Schlüsselbeines
gelangen einige Aeste von den Nn. supraclaviculares aus dem Plexus cer-
vicalis.
Var. Der Ursprung des Muskels z&cht abwärts auf Einer Seite oder auf
beiden nur bis zum achten Brust einem auf hiesiger Anatomie beobach-
teten Falle nur bis zum vierten Brustwirbel, aufwärts nur bis zum Dorn des Epi-
stropheus (Fleischmann, Abhandlung der Erlanger phys. med. Societät. Bd. I,
S. 25. Zagorsky, Mem. de lPacad. de Petersb.. T, I, p. 359). Er fand sich
auf die vier unteren Hals- und drei oberen Brustwirbel reducirt, oder es fehlte
ein Stück aus der Mitte (Sömmerring). Seine Insertion reicht nicht auf das
Schlüsselbein oder erstreckt sich ungewöhnlich weit auf dasselbe, bis zum M. ster-
nocleidomastoideus und selbst noch hinter diesem Muskel bis zum medialen Drit-
tel des Schlüsselbeines (Quain). Erstreckt sich der Muskel weiter vorwärts als
gewöhnlich, so befestigen sich seine Fasern nicht unmittelbar ans Schlüsselbein,
sondern zum Theil an einen über diesen Knochen gespannten Sehnenbogen, unter
welchem die V. jugularis ext. einwärts zur V.subelavia tritt und die Nn.-supracla-
vieulares heraustreten (Gruber, vier Abh. a. d. Geb. d. medic.-chirurg. Anat.
Berl. 1847, S. 17, Thl. ID). Einmal sah Gruber (ebendas. S. 22) vom vorderen
Rande des Trapezius einen cylindrischen Sehnenstreifen hinter dem Omshyoideus
herabgehen und sich am Brustbein ausbreiten. Gedoppelt, in zwei Schichten auf
einander gelegt fand ihn Tiedemann (Meck. Archiv, Bd. IV, S. 413) in der
Leiche eines athletischen Mannes. #Ein acessorisches, vom Warzenfortsatze ent-
springendes und bis Acromion”getrenntes Bündel sah R. Wagner (Heusin-
ger’s Zeitschrift fü an. Phy d. IH, S. 337).
Die oberen Fasern des M. trapezius sind nicht einfache Heber der Schulter,
sche Bemer-noch weniger dienen die zum Schulterkamme aufsteigenden Fasern dazu, das
kungen.
Schulterblatt herabzuziehen, sondern in ihrer Gesammtheit theilen sie dem Schul-
tergürtel die Bewegung mit, wodurch derselbe gehoben, zugleich aber das Schul-
terblatt mit dem unteren Winkel lateralwärts gestellt, also um eine sagittale Axe
rotirt wird. Diese Bewegung findet Statt, so oft man den Oberarm über die Ho-
rizontale hinaus erhebt. Antagonisten des M. trapezius, d. h. zur Zurückführung
des unteren Winkels des Schulterblattes gegen die Medianebene bestimmt, sind
ausser den Muskeln, die das Armbein herabziehen, die sogleich zu beschreibenden
Mm. rhomboidei. In Verbindung mit den Mm. rhomboidei und dem Levator sca-
FE
&
Rhomboidei, Teres ma). 25
pulae kann der obere Theil des M. trapezius die Schulter gerade aufziehen ; der
untere Theil des Trapezius zieht, wenn er in Verbindung mit den Rhomboidei
thätig ist, da die hebende und herabziehende Wirkung beider Muskeln sich gegen-
seitig das Gleichgewicht hält, die Basis des Schulterblattes, wie auf das Commando:
„Brust heraus!‘ gegen die Wirbelsäule heran.
Mit dem Inductionsapparate gereizt, zieht nachDuchenne (de lelectrisation
localisee. Paris 1855, p. 278) die Schlüsselbeinportion des Trapezius den Kopf
seit- und rückwärts und dreht ihn zugleich mit dem Kinne nach der entgegenge-
setzten Seite; es bedarf einer kräftigen Fixation des Kopfes, wenn dieser Theil
des Muskels die Schulter gegen den Kopf heraufziehen soll. In Folge fettiger
Atrophie des Trapezius, welche sich meistens auf dessen untere Hälfte beschränkt,
rückt das Schulterblatt (bis auf 10 Cm. und mehr) von der Reihe der Wirbeldornen ab.
ß. Zweite Schichte.
Die Fasern dieser Schichte, deren Ursprung von den unteren Hals-
wirbeln bis zur Beckengegend sich erstreckt, sind bestimmt, das obere Ende
des Oberarms an den Rumpf und rückwärts zu bewegen. Aber nicht alle
erreichen das Armbein direct. Die oberen, von Hals- und oberen Brust-
wirbeln entspringenden Fasern verschmelzen in ihrem Verlaufe mit dem
Schulterblatte: sie heften sich an den unteren Theil seines hinteren Randes
und entspringen neu vom unteren Theile des vorderen; sie steigen von der
Wirbelsäule zum Schulterblatte herab, vom Schulterblatte zum Arme wieder
‚hinauf, legen also ihren Weg in einer gebrochenen und an dem Scheitel des
Winkels unterbrochenen Linie zurück. Die Fasermasse zwischen Wirbel-
säule und Schulterblatt stellt die Mm. rhomboidei dar; sie ist nämlich fast
beständig durch eine, den freien Rändern parallele Spalte in.zwei Muskeln
getheilt, von welchen der untere drei bis vier Mal so hoch ist als der
obere. Die zwischen Schulterblatt und Armbein verlaufenden Fasern bil-
den den M. teres major. Die direet zum Armbein ziehenden Fasern der
zweiten Schichte, M. latissimus dorsi, schliessen sich nur ausnahmsweise
gleich an den unteren Rand des M. rhomboideus maj. an; meistens sind
sie durch eine vier bis fünf Wirbel hohe Lücke von demselben getrennt.
Der Ursprung der ganzen Reihe von Muskelfasern am Rücken ist seh-
nig. Der Uebergang der Sehnen- in die Muskelsubstanz erfolgt oben in
der Gegend der Basen der Querfortsätze und rückt allmälig je weiter nach
unten, um so mehr seitwärts. Die Ursprungssehnen der Mm. rhomboidei
und des oberen Theiles des M. latissimus lassen sich von der nächst tiefe-
ren Muskelschichte und von der Fascia lumbodorsalis trennen und in Form
dünner Blätter bis an das Lig. nuchae und die Brustwirbeldornen verfol-
gen; in der Lendengegend verschmilzt die Sehne des M. latissimus untrenn-
bar mit der genannten Fascie, so dass die Muskelfasern unmittelbar von
ihr ihren Ursprung nehmen.
Der M. rhomboideus minor ist ganz und der M. major zum grössten
Theil unter dem M. cucullaris verborgen; ein kleines, dreieckiges Feld des
M. rhomb. maj. kommt zwischen dem Schulterblatte, dem lateralen Rande
des M. cucullaris und dem oberen Rande des M. latiss. dorsi zum Vorschein
(Fig. 3, a. f. S.). Der letzgenannte Muskel geht mit dem oberen Rande
über die untere Spitze des Schulterblattes und den untersten Theil der An-
heftung des M. rhomb. maj. an diesen Knochen hinweg, und ist seinerseits
ß. Zweite
Schichte.
1. Rhomb.
min.
26 Rhomboidei, Teres ma).
an der medialen oberen Ecke durch die untere Spitze des M. cucullaris
verdeckt. Der M. teres maj. zeigt sich als schmaler Saum am lateralen
Fig. 4.
Zweite Schichte der Rückenmuskeln. Der M. trapezius (Tr) ist bis auf die Insertion
amSchultergürtel abgeschnitten, vom M. deltoideus ein hinteres Stück ausgeschnitten, wie
in Fig. 3. Der Latissimus dorsi hinter der Spitze des Schulterblattes eine kleine Strecke
vertical gespalten und die Ränder der Spalte nach unten umgeschlagen. Der Arm ge-
hoben und stark medianwärts rotirt. Vom M. ancon. longus ist ein Stück, welches den
Teres maj. von hinten her deckt, entfernt. Zs M., levator scapulae. Ssp M. supraspi-
natus. Tm M. teres minor. Ab M. ancon. br AI M. ancon. longus. A dicht unter
dem Ursprunge abgeschnittene Sehne desselben. 4Aö Ancon,. int. Cb M. coracobrach.
Ss M. subscapularis. /sp M. infraspinatus.
Rande des Schulterblattes oberhalb des M. latiss.; seine laterale Hälfte ver-
steckt sich unter dem M. deltoideus.
1. M. rhomboideus minor‘) Rm.
Ursprung: am Lig. nuchae in der Gegend der unteren Halswirbel
und vom Dorn des letzten Halswirbels. Insertion: am medialen Rande
des Schulterblattes, neben dem dreieckigen Felde, mit welchem der Schul-
2) M. rh. superior. Kleiner Rautenmuskel.
Pe y HE
Rhomboidei, Teres maj. 97
terkamm beginnt. An den oberen Rand dieser Insertion, welche sehnig
und etwas niedriger ist, als der Körper des Muskels, grenzt die Schulter-
blattinsertion des M. levator scapulae (s. Halsmuskeln).
[9]
M. rhomboideus major Rmj)).
Von den vier oberen Brustwirbeldornen zum medialen Rande des
Schulterblattes unterhalb der Insertion des M. rhomb. minor.
Var. Die Ursprünge der Mm. rhomboidei erstrecken sich weiter hinauf (bis
zum vierten Halswirbel), oder weiter hinab (bis zum fünften Brustwirbel). Dabei
findet entweder eine blosse Verschiebung oder eine Vermehrung der Ursprünge
des Einen oder anderen Muskels Statt. Auch die Insertion am Schulterblatte steigt
hinauf, viel häufiger herab, so dass die Fasern gegen die untere Spitze des Schul-
terblattes convergiren. Oft setzen sie sich dann nicht unmittelbar an den Kno-
chenrand, sondern an einen Sehnenstreifen an, welcher längs dem Schulterblatt-
rande brückenförmig über Blutgefässe verläuft. — Die Insertionen beider Rhomboi-
dei kreuzen sich. — Der Rh. maj. zerfällt in Fascikel. Albin sah den Rh. maj.
mit dem oberen Rande des M. latissimus d. zusammenhängen; ich sah die unter-
sten Bündel jenes Muskels geradezu in den M. teres maj. umbiegen.
3. M. teres major T'mj?).
Platt-eylindrisch mit vor- und rückwärts schauenden Flächen und ab-
gerundetem oberen und unteren Rande; entspringt fleischig von der hinte-
ren Fläche des Schulterblattes in der Nähe der unteren Spitze (Knochen],
Fig. 196 {mj) und von der Faseia infraspinata. An der hinteren Fläche
des Muskels gehen die Fasern in einer, den Rändern parallelen Richtung,
lateral-aufwärts, an der vorderen Fläche, mehr horizontal, vom oberen gegen
den unteren Rand. Die Insertionssehne, wenig schmaler als der Muskel,
wird zuerst am unteren Rande und an der vorderen Fläche desselben sicht-
bar; sie setzt sich, indem sie sich besonders nach unten verbreitert, an die
Rauhigkeit an, in welche die Spina tuberculi minoris des Armbeins endet;
die vordersten Faserzüge derselben kleiden, immer fest an den Knochen
angeheftet, den Sulcus intertubercularis aus. Der Nerv, Zweig eines N.
subscapularis aus dem Plexus brachialis, tritt auf der Vorderfläche des
Muskels ein, ziemlich gleichweit vom Ursprunge und der Insertion entfernt.
4. M. latissimus dorsi Ld?).
Aehnelt im Ganzen einem rechtwinkligen Dreieck, dessen rechter
Winkel von dem an der Wirbelsäule angewachsenen und dem oberen freien
Rande des Muskels eingeschlossen wird. Er entspringt sehnig von den
vier bis fünf unteren Brustwirbeln, fleischig von der Lumbodorsalfaseie
und zwar, je weiter nach unten, um so mächtiger und um so näher dem
lateralen Rande derselben, dann, in einer kurzen Strecke, mittelst eines
niederen starken Sehnenblattes neben der genannten Fascie vom oberen
1) M. rh inferior. Grosser Rautenmuskel. Viele ziehen den M. rh. minor und major
zu einem einzigen Muskel (M. rhomb.) zusammen.
2) Grosser runder Armmuskel. Grand rond.
®) M. anitersor s. amiscalptor. Breiter Rückenmuskel. Grand dorsal.
[2
2. Rhıomb.
maj.
3. Teres
maj.
4. Latiss.
dorsi,
28 Latissimus dorsi.
Rande des Darmbeines. ®Bie obersten Fasern verlaufen transversal, die
weiter ab- und seitwärts entspringenden immer steiler aufwärts; an die
vom Becken schräg aufsteigenden fügen sich successiv schmale, von der
Aussenfläche der vier oder drei untersten oder der drei (selten vier)
nächst unteren Rippen, auch wohl vom Lig. lumbocostale in der Nähe
der untersten Rippe stammende Muskelbündel (Ld‘, Ld“, Ld”, Fig. 6).
Der hinteren Wand und dem unteren Theile der seitlichen Wand des
Rumpfes liegt der Muskel genau an; er geht dabei, wie erwähnt, über
die Spitze des Schulterblattes, über den unteren Theil der Anheftung des
M. rhomboid. maj. und des Ursprungs des M. teres maj. hinweg und wird
in dieser Lage durch den Zusammenhang seines Bindegewebsüberzuges mit
der Fascie der hinteren Schulterblattmuskeln erhalten ). Jenseits des
Schulterblattes windet er sich um den M. teres maj. herum, um zum Arme
aufzusteigen. Die Fasern haben sich indess zusammengedrängt, um an
der platten, verhältnissmässig schmalen (1 bis 11/, Zoll hohen) Sehne Platz
zu finden. Gewöhnlich ordnen sie sich zu dem Ende in zwei Abtlıeilun-
gen: die Fasern der oberen Hälfte des Muskels setzen sich direct in die
Insertionssehne fort und umfassen sie von allen Seiten, indem sich die dem
oberen und unteren Rande nächsten über diese Ränder hinweg auf die
Vorderfläche der Sehne begeben; die Fasern der unteren Hälfte des Muskels
convergiren, die oberen in Einer Ebene, die untersten um den lateralen
oder vorderen Rand des Muskels herumgreifend, in ein Sehnenblatt, das
sich unter spitzem Winkel an die Vorderfläche der eigentlichen Sehne anlegt.
Der Uebergang der Muskel- in die Sehnenfasern ist unterhalb der
Mitte der Länge des M. teres maj. vollendet. Die Sehne selbst zieht so-
dann flach auf der Vorderfläche dieses Muskels, genau derselben anliegend,
weiter, indem sie die Richtung seiner Fasern unter einem sehr spitzen Win-
kel kreuzt. Mit dem oberen Rande erreicht sie das Tuberc. minus des
Armbeines, wo sie an die Insertionssehne des M. subscapularis grenzt;
weiter nach unten erstreckt sie sich über den Sulcus intertuberec. hinweg
an die Spina tuberculi majoris, wo sie mit der Sehne desM. pectoralis ma).
zusammenfliesst. Die Höhe der Insertion ist wechselnd: zuweilen liegt der
untere Rand der Sehne des Latiss. in gleicher Höhe mit dem oberen Rande
der Sehne des Teres maj.; häufiger reicht die erstgenannte Sehne vor der
letzteren mehr oder minder weit herab und oft verschmelzen sie mit den
unteren Rändern.
An die den Sulceus intertub. auskleidenden Sehnenfasern des M. teres
ist die Sehne des Latiss. durch lockeres Bindegewebe befestigt, und wird
in dieser Lage ausserdem durch Faserbündel festgehalten, welche über ihr
der Längsaxe des Armbeins parallel, vom Tub. minus herablaufen (siehe
Schultermuskeln).. Medianwärts vom Suleus intertubercularis trennt ein
ansehnlicher Schleinibeutel beide Sehnen.
Den hinteren wulstigen Rand der Achselgrube bildet, dem Rumpfe zu-
nächst, der M. latiss. dorsi, weiter seitwärts bis zum Arme der M. teres maj.
Var. Dass der Latissimus zuweilen mit seinem Ursprunge höher und bis an
') Einen Schleimbeutel, dessen Cloquet gedenkt, habe ich an dieser Stelle nie
gesehen.
Latissimus dorsi.
Fig. 444, 215 [EVA
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3
Gmd, Gm M. gluteus medius u. maximus.
ext. u. int.
29
30 Serrati postici.
die Rhomboidei hinaufreicht, wurde bereits erwähnt. Sehr häufig erhält er ein
accessorisches Fascikel von der Spitze des Schulterblattes, welches von den ober-
sten Fasern des Muskels bedeckt und denselben parallel lateralwärts verläuft. Die
Insertion des Latissimus varüirt nicht selten in der Weise, dass die untersten, von
den Rippen stammenden Bündel, statt sich an die Hauptsehne anzulegen, in der
Fascie der Achselhöhle enden. Diese Fascie nämlich, welche zunächst unter der
Cutis die Achselhöhle auskleidet und vom M. pect. maj. zum Latissimus sich her-
überschlägt, enthält, wo sie an die Scheide der zum Arme herabsteigenden Ge-
fässe und Nerven grenzt, einen Sehnenbogen, Langer’s Achselbogen, mit late-
ral-aufwärts, d. h. gegen den Arm und zunächst gegen die Armgefässe und Ner-
ven gerichteter Concavität. Dieser Sehnenbogen ist es, an welchen sich die abir-
renden Fascikel des Latissimus heften, die demnach bei der Action des Muskels
die Faseie herabziehen und von den Armgefüssen entfernen. Wird der Sehnen-
bogen bei der Präparation durchschnitten, so scheinen sich die abirrenden Fascikel,
vor den Gefässen der Achselhöhle vorübergehend, an den lateralen Rand des M.
pectoralis maj. oder minor anzulegen und durch Vermittelung der Fascie mit die-
sen Muskeln zu inseriren. Es treten aber auch wirklich die untersten Bündel die-
ser anomalen Portion zuweilen an die Sehne des M. pectoralis major oder an den
Schulterhaken. Nach Meckel findet sich diese Varietät unter dreissig Fällen
Einmal. Genau beschrieben wurde sie zuerst von Langer (Oesterr. med. Wochen-
schr. 1846, Nro. 15 u. 16). Eine Abbildung giebt Gruber, Neue Anomalien als
Beitr. zur physiolog.-chirurg. u. pathol. Anat. Berl. 1849, S. 31, Taf. VI, Fig. 1.
Phystoldgl- Wegen der Verbindung des Latissimus mit dem Anconeus long. verweise ich
sche Bemer-auf die Beschreibung des letztgenannten Muskels.
Kuzser Ausser der Wirkung, den Arm an den Rumpf und, bei befestigtem Arm, den
Rumpf gegen den Arm zu ziehen, hat der Latissimus einen wesentlichen Antheil
an den Rotationsbewegungen des Oberarmes. Bei der gezwungenen Haltung des
Armes, bei welcher die Handflächen gerade vorwärts schauen, ist die Sehne des
Latissimus, die bis an die Spina tuberculi majoris reicht, um das Arımbein aufge-
rollt; die Zusammenziehung des Muskels muss demnach zuerst ein Abrollen der
Sehne, eine Rotation des Armbeines mit der Vorderfläche medianwärts zur Folge
haben.
Mit Hülfe des Armbeines trägt der Latissimus dazu bei, das Schulterblatt der
Wirbelsäule zu nähern. Durch ihn ist diese Bewegung noch ausführbar, wenn
Trapezius und Rhomboidei gelähmt sind (Duchenne).
y. Dritte Schichte.
Mm. serrati postti.').
Y. Dritte Sie besteht aus zwei Muskeln, von welchen der Eine am oberen Ende
Schiehte. des Thorax von unteren Hals- und oberen Brustwirbeln abwärts an die
nächst oberen Rippen, der andere am unteren Ende des Thorax von unte-
ren Brust- und oberen Bauchwirbeln aufwärts an die unteren Rippen geht.
Der obere ist am Ursprunge mit den Rhomboidei, wie der untere mit
dem Latissimus verwachsen; der obere aber ragt mit dem oberen Rande
über den Rh. minor hervor, während der untere vom Latissimus völlig be-
deckt is. In dem Raume zwischen beiden Mm. serrati wird die Fascia
lumbodorsalis sichtbar; ihre Fasern verlaufen der Faserung des unteren
Muskels parallel und kreuzen sich demnach mit der Faserung des oberen,
unter welchem sie sich hinaufziehen, um ihn von der nächst tieferen Schichte
zu scheiden.
‘) Hintere Sägemuskeln. Petits denteles posterieurs.
Serrati postici.
31
1. M. serratus post. sup Sps.
Entspringt von den zwei (selten drei) oberen Brustwirbeln, vom sie-
benten Halswirbel und dem Nackenbande
Trapezius und
Rückenmuskeln.
Rhomboidei am Ursprunge abgeschnitten und zurück-
Dritte Schichte der
geschlagen. Die Rücken- und Rippenursprünge des
Lat. dorsi ebenfalls am Ursprunge, u, M.teres maj. u.
min. (7 mj, Tm) an der Insertion abgeschnitten Spep,
Spev M. splenius capitis u, cervieis. Sem M. ster-
nocleidomast. Scp M. scalenus post. Sa M. serra-
tus ant. Oae, Oai M. oblig. abd. ext. u, int.
über dem sechsten (zuweilen
auch fünften und vierten).
Die Ursprünge fliessen zu
einer platten Sehne zusam-
men, die erst jenseits der
(uerfortsätze muskulös wird,
später an der hinteren als an
der vorderen Fläche. Der
Muskelbauch theilt sich in
vier Zacken, die sich an den
oberen Rand und die hintere
Fläche der zweiten bis fünf-
ten Rippe, wenig seitwärts
vom Winkel derselben, an-
setzen.
Var. Die Zahl der Zacken
vermindert sich auf drei, oder
vermehrt sich bis zu sechs, wel-
che von der ersten bis sechsten
Rippe reichen.
2. M. serratus post. inf. Spi.
Entspringt von der Fascia
lumbodorsalis in der Gegend
der untersten Brust- und obe-
ren Bauchwirbel, seitwärts
neben den Ursprüngen des
M. latissimus und spaltet sich
in vier Bäuche, die sich bald
tleischig, bald sehnig an den
unteren Rand der vier un-
teren Rippen ansetzen. Die
beiden mittleren Zacken sind
die breitesten und mächtig-
sten; die oberste und unter-
ste sind in der Regel nur
schmal und fehlen nicht sel-
Der obere Rand jeder
wird vom unteren
Rande der nächst höheren
bedeckt. An jeder Rippe
reicht die Insertion seitwärts
bis zum Ursprung des Fas-
ten.
Zacke
1. Serrat.
p- 8
2. Serrat.
pas:
32
Splenii.
cikels des M. latissimus; sie reicht demnach an jeder höheren Rippe etwas
weiter seitwärts.
d. Vierte Schichte.
Mm. splenii !).
d. Vierte
Diese Schichte beschränkt sich auf die Nackengegend und besteht aus
Schichte. Fasern, welche schräg lateralwärts zum Schädel und den oberen Halswir-
beln aufsteigen. Die Schädel- und Halswirbelportion sind nicht immer vom
Ursprunge an deutlich getrennt;
Fig. 7.
DICH E
La
Vierte Schichte der Rückenmuskeln,
Mm. Trapezius, Latissimus dorsi und
Rhomboidei wie in Fig. 3. M. serrat.
post. sup. durchschnitten und nach
beiden Seiten zurückgeschlagen. Scm
Insertion des M. sternocleidomastoideus
aufwärts geschlagen, Sscp M. semispi-
nalis Capitis. Sces*, Sces** M. sacro-
spinalis medialer und lateraler Theil.
Scp M. scalenus post. Zs M. levator
scapulae, unter dem Ursprung abge-
trennt und nach aussen gezogen.
2) Bausch- oder Riemenmuskeln.
die letztere hat einen steileren Verlauf,
Fie. 8.
Sscp
Spep
Spev
ee:
WW \
Y
G
u
2 er
Dieselben Muskeln, Profilansicht. Scm, Sscp,
Scs*, Scs**, Scp, Ls, wie in Fig. 4. Scm,
M. scalenus medius.
tritt neben dem lateralen Rand der erste-
ren in die Tiefe und wird schliesslich
von ihr bedeckt. Nach Wegnahme der
Haut wird ein Streifen der Splenii zwi-
schen den einander zugekehrten Rändern
des M. Trapezius und Sternocleidomastoi-
deus sichtbar (Fig. 5); sind diese Mus-
keln entfernt, so ragt die untere Spitze
des Ursprungs der Spleni am unteren
Rand des M. Rhomboideus maj. hervor
und ihr Muskelbauch liegt oberhalb des
Serrat. post. sup. zu Tage (Fig. 6). Die
Sacrospinalıs. 33
medialen Ränder der beiden Schädelportionen schliessen mit der oberen Nacken-
linie des Hinterhauptbeins ein Dreieck ein, in welchem die oberen Enden des M.
transverso-spinalis (M. semispinalis capitis) zum Vorschein kommen (Fig .7).
1. M. splenius capitis, Spep.
Vom Lig. nuchae über dem dritten (selten zweiten) bis sechsten Hals- ı. spien.
wirbel und von den Dornen des siebenten Halswirbels und des ersten bis
dritten Brustwirbels; verschmälert sich nach oben und nimmt gegen den la-
teralen Rand an Dicke zu. Insertion: kurzsehnig an die Seitenfläche und
den hinteren Rand des Warzenfortsatzes und an den nächst angrenzenden
Theil der Lin. nuchae sup. bis in die Nähe der Insertion des M. trapezius.
Var. In zwei Insertionen zerfallen für den Warzenfortsatz und die Nacken-
linie (Theile).
2. M. splenius cervicis, Spev I):
Ursprung: in der Fortsetzung des vorigen von drei bis fünf Wir- 2. spien.
beldornen, jedoch nicht tiefer als vom sechsten Brustwirbel; die oberen
Bündel kurzsehnig, die folgenden mit um so längeren Sehnenfasern, je wei-
ter unten sie entspringen. Insertion:.an die Spitze des Querfortsatzes
des ersten und zweiten, zuweilen auch des dritten Halswirbels.
Var. Die Zacke, die sich an den ersten Halswirbel befestigt, hängt genauer
mit dem M. splenius capitis als mit den tieferen Bündeln des M. splenius cervicis
zusammen. Als Varietät des Splenius cervieis glaube ich einen Muskel anreihen
zu müssen, der sich mit jenem an den Querfortsatz des ersten Halswirbels an-
setzte, aber über (hinter) dem Serrat. post. sup. schmal und sehnig von den Dor-
nen des sechsten und siebenten Halswirbels entsprang.
b. Tiefe, longitudinale Muskeln.
«a. Lange Muskeln.
1. M. sacrospinalis, $cs?).
Dieser Muskel entspringt am Becken und am unteren Theil der Wir- „, miere,
belsäule theils sehnig, theils unmittelbar fleischig. long. Musk.
Die Sehne entwickelt sich einerseits vom hinteren Theil des oberen we
Randes des Darmbeins und zwar von der Gegend der Spina post. sup. an a
bis zum oberen Ende der Linea glutea post. (Knl. S. 245), so dass ihre
laterale Grenze am Becken mit dem lateralen Rande des M. gluteus max.
zusammenfällt; andererseits entspringt sie an den Dornen der zwei bis
drei untersten Bauch- und der oberen Kreuzwirbel; zwischen dem Darm-
bein und den Kreuzbeindornen nimmt sie ihren Ursprung von der Innen-
fläche der Fascia lumbodorsalis, mit der sie also an der unteren Spitze der
») M, splenius coli, Von Vielen mit dem M. splenius capitis zu einem M. splenius zu-
sammengezogen.
2) Ich gebrauche diesen Namen (Syn.: M. opistothenar Sömm. M. extensor dorsi com-
munis. Langer Rückgratsstrecker) in einem weiteren Sinne als Krause, indem ich den
Kopftheil des M. longissimus (M. trachelo- mastoideus aut.) hinzurechne. Arnold be-
schränkt ihn auf den Rückentheil und schliesst den M. spinalis mit ein.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. - 3 ?
34 Sacrospinalis.
SÜNREINNY7—
TER
N N
TE ei GG
=
Tiefe Rückenmuskeln; die oberflächlichen Schich-
ten nebst dem grössten Theil der Fascia lumbo-
dorsalis (ld) sind entfernt; der unterste Theil
dieser Fascie vertical gespalten und nach beiden
Seiten zurückgeschlagen. Oae M. oblig. abd.
ext. Sd M. spinalis dors. Sscp M. semi-
spinalis capitis.
Rinne, die die langen Rücken-
muskeln einnehmen, untrennbar
verwachsen ist, während weiter
aufwärts eine feine Bindege-
webslage sich zwischen Faseie und
Sehne einschiebt. Unter dieser
Bindegewebslage liegt die Sehne
mit ihrer hinteren Fläche an-
fangs vollkommen frei; ihre Fa-
sern sind auf- und nur wenig
lateralwärts gerichtet; ihr unte-
rer Theil ist ein continuirliches
Blatt, und nur die von den Bauch-
wirbeln ausgehenden Fasern sind,
den Dornen entsprechend, in
Fascikel gesondert. Muskelfasern
treten an der hinteren Fläche
zuerst über dem Darmbeinur-
sprung der Sehne in geringer
Entfernung oberhalb des Beckens
auf, in Form eines platten, etwas
stärker lateralwärts geneigten
Bauchs, der fortan selbständig,
wenn auch nur durch eine dünne
Bindegewebsschichte von der
übrigen Masse getrennt, an den
Rippen aufsteigt. Dieser Bauch
ist der Anfang-des M. iliocosta-
lis 1). Der Rest bildet den M.
longissimus. Ihm gehören die
Muskelfasern an, die direct am
Knochen entspringen. Sie kom-
men zugleich mit der Sehne, aber
an der Vorderfläche derselben,
vom oberen Rande des Darm-
beins, sowie von der Tuberosität
dieses Knochens: sie füllen den
lateralen Theil der hinter und
über dem Iliosacralgelenk be-
findlichen Grube und grenzen
medianwärts an die Ursprünge
des M. transverso-spinalis. An
der Sehne entstehen Muskelfa-
2) Nach Theile; M saerolumbaris
s. lumbocostalis aut. Doch beziehen
sich alle diese Namen nur auf den
Rückentheil des Muskels mit Ausschluss
des Jliocostalis cervicis
Sacrospinalıs.
Tiefe Rückenmuskeln, M. iliocostalis medianwärts um-
gelegt, um die Rippen- und Halswirbel-Insertionen zu
zeigen. Fld der zurückgeschlagene laterale Theil der ver-
tical gespaltenen Faseia lumbodorsalis, Zd M. latissimus
dorsi, Beckenursprung, Spi Insertionszacken des M.
serrat. post. infer. S$cp M, scalenus post.
35
sern des Longissimus auf
beiden Flächen, auf der
hinteren oberhalb des Ab-
gangs des M. iliocostalis,
auf der vorderen Fläche
schon früher (weiter unten)
und den Dornen näher, je-
doch immer erst seitwärts
von den Tuberositäten
(Proc. accessorii) und also
erst jenseits des M. trans-
verso-spinalis.
Der M. iliocostalis er-
streckt sich längs den Rip-
pen und drei bis vier unte-
ren Halswirbeln; auf den
Rippen liegt er an der me-
dialen Seite der Winkel
und giebt von seinem late-
ralen Rande aus dem unte-
ren Rande jedes Rippen-
winkels eine Insertion (Fig.
9, 10); die letzten gehen
an die hinteren Spitzen
der Querfortsätze der
Halswirbel (Fig. 10). Die
Insertionen nehmen von
unten nach oben an Breite
und Mächtigkeit ab; an den
zwei unteren Rippen sind
sie fleischig, weiter hinauf
ni, platt und um so
länger, je näher dem obe-
ren Ende des Muskels.
Während er aber so an je-
der Rippe einen Theil sei-
ner Fasern abgiebt und
sich im Aufsteigen vom la-
teralen Rande und von der
hinteren Fläche aus ver-
schmälert und verschmäch-
tigt, führen ihm accesso-
rische, von den Rippen auf-
steigende Ursprünge am
medialen Rande und an der
vorderen Fläche neue Mus-
kelsubstanz zu. Sie ent-
stehen sehnig vom oberen
3*
Tliocostalis.
36 Sacrospinalis.
Rande der Rippen, die unteren platt, breit und kurz, die oberen immer
schmaler und länger. In der Regel ist die Muskelsubstanz, die der Tlioco-
Me Fig. 12.
\\ N
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d UN
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\ \NN \\\
WIN AN \ N \
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M. iliocostalis cervieis, lateralwärts
umgelegt. Sscp M. semispinalis cap.
stalis vom Becken mitbringt, mit
M, iliocostalis lumborum quer durchschnitten, der siebenten Insertion beinahe er-
das obere Ende lateralwärts umgelegt. Fld schöpft (Fig. 11), die sechs bis sie-
die a. En ri ben untersten accessorischen Ur-
VE are sprünge haben sich indess zu einem
Muskelbauch vereinigt, der ein
schmales Bündel von der unteren
Portion aufnimmt und sich in die Insertionen für die fünf oberen Rippen
und den untersten Halswirbel spaltet. Ebenso vereinigen sich die fünf bis
sechs oberen accessorischen Ursprünge zu einem Bauch, dessen Fasern inni-
ger unter sich, als mit den nächst unteren zusammenhängen und den Seh-
nen für die Halswirbel den Ursprung geben (Fig. 12). Man kann diese
drei Theile, deren jeder eine von dem anderen unabhängige Bewegung
Sacrospinalıs. 37
auszuführen vermag, als Ilocostalis lumborum, Hliocostalis dorsi‘)
und Jliocostalis cervicis ?) unterscheiden.
Var. Die untersten und obersten accessorischen Ursprünge des M. iliocosta-
lis fehlen nicht selten. Die Ursprünge des M. iliocostalis cervicis reichen weiter
hinab (bis zur zehnten Rippe), seine Insertionen weiter hinauf (bis zum dritten
Halswirbel).
Der M. longissimus steigt bis zum Schädel auf, platt, am lateralen
Rande vom lliocostalis gedeckt, mit dem medialen Rande den M. transverso-
spinalis deckend.. An der Bauch- und Brustwirbelsäule giebt er jedem
Abschnitt doppelte Insertionen, je eine mediale an die Tuberositäten (an
die Pr. accessorii der Bauch- und unteren Brustwirbel, an die Pr. transversi
der oberen Brustwirbel), und eine
laterale an den unteren Rand der
Rippen und der rippenartigen Fort-
1vtı2 sätze (Pr. transversi) der Bauchwir-
bel (Fig. 13); denHalswirbeln sendet
er einfache Insertionen, welche me-
rıa dianwärts von den Insertionen des
Iliocostalis an den hinteren Spitzen
der Querfortsätze haften; am Schä-
Mf del befestigt er sich mit einem schma-
len, platten Bauch, gedeckt vom
des Warzenfortsatzes (Fig. 12, 14).
Abgesehen von dieser Schädelinser-
tion nehmen die Insertionen des Lon-
gissimus, wie des Iliocostalis von un-
ten nach oben an Breite und Mäch-
tigkeit ab, während zugleich ihr seh-
niger Theil immer länger wird. An
den Bauchwirbeln setzen sie sich flei-
Doppelte Insertionsfaseikel des M. longissimus R r e
an den Bauchwirbeln, durch Entfernung des schig an und an den Querfortsätzen
M. iliocostalis lumb. und der oberflächlicheren derselben in solcher Breite, dass sie
Muskelmasse des M. longissimus frei gelegt. 1; 5 ] “ 2
Fld Fascia lumbodorsalis, nach beiden Seiten häufig noch een Thei des Lig. lum
zurückgeschlagen. Oae M. obl. abd. ext, bocostale jenseits der Spitzen der
Querfortsätze zur Anheftung mit
benutzen (vgl. Fig. 16); die Insertio-
nen liegen an der vorderen Fläche des Muskelbauchs und werden vollkom-
men von ihm verdeckt. Am Brustkorbe gehen die lateralen Insertionen von
der hinteren Fläche, die medialen von der vorderen Fläche des Muskels
aus; die ersteren heften sich an den unteren Rippen ziemlich genau unter
den accessorischen Ursprüngen des Iliocostalis an und weichen, je weiter
aufwärts, um so mehr medianwärts von denselben zurück; der ersten Rippe
fehlen sie fast immer, den nächst oberen sehr häufig, aber auch an der zwölf-
ten Rippe werden sie öfters vermisst.
ı) M. costalis dorsi Luschka Müller’s Arch. 1854, S. 155.
?) M. cervicalis descendens s. adscendens aut,
Splenius, längs dem hinteren Rande
Longissi-
mus.
38 Sacrospinalis.
Dem Tliocostalis gleicht der Longissimus darin, dass er die Muskelsub-
stanz, die er abgiebt, durch accessorische Ursprünge allmälig wieder ersetzt.
Fig. 14.
M. longissimus lateralwärts umgelest. Sd M.
spinalis dorsi dicht am Ursprung auf der Sehne.des
Longissimus abgeschnitten. Mf M. multifidus.
Ssd M. semispin. d. Sscp M. semispinalis cap.
Oae M. oblig. abd. ext.
Eine Anzahl solcher accessori-
scher Ursprünge entspringt von
den Bauch- und Brustwirbeldor-
nen zunächst oberhalb des Ur-
sprungs der eigentlichen Sehnen
des Longissimus. Es sind lange,
sehnige, lateral-aufwärts ziehende
Fascikel, die man mit eben so
gutem Rechte zum Longissimus
als zum Spinalis dorsi (s. unten)
rechnen kann, da sie sich zwar
auf der hinteren Fläche des Lon-
gissimus verlieren, aber zugleich
von ihrer hinteren Fläche Mus-
kelbündel zum Spinalis abgeben.
Andere accessorische Ursprünge
(Fig. 14 Lg*) kommen, median-
wärts neben den Insertionen, von
Wirbeltuberositäten. Sie sind an
den Bauch- und unteren Brust-
wirbeln spärlich und unregel-
mässig, fleischig oder sehnig; in
mehr continuirlicher Reihe kom-
men sie von den oberen Brust-
wirbeln; indem diese Fascikel
sich vorzugsweise in die Hals-
wirbel-Insertionen des Longissi-
mus fortsetzen, haben sie Anlass
gegeben, den Halstheil dieses
Muskels, Longissimus cervi-
eis !), vom Rückentheil, Lon-
gissimus dorsi?), zu trennen.
Zur Schädelinsertion des Longis-
simus vereinigen sich die acces-
sorischen Ursprünge, die von
den Querfortsätzen der obersten
Brust- und des untersten Hals-
wirbels, und den hinteren Spitzen
der Querfortsätze und den Rau-
higkeiten der Gelenkfortsätze des
sechsten bis dritten, selten noch
des zweiten Halswirbels entste-
hen. Sie bilden den M. lon-
D) M. transversalis cervicis aut.
2) M. transversalis dorsi Arn.
Spinales. 39
gissimus capilis‘). Nicht selten gehen von den oberen Brustwirbeln
doppelte accessorische Ursprünge ab, die einen zum Longiss. cervicis, die
anderen zum Longiss. capitis.
Var. Der M. longiss. dorsi erhält aufsteigende Bündel von den Rippen, aus den
Levat. costarum (Theile, S. 174). Der M. longiss. capitis ist sehnig durchfloch-
ten, durch eine Sehne in zwei Köpfe getheilt. Die Zahl seiner Ursprünge kann
sich auf zwei reduciren.
2 Musculi spinales’°).
Den Namen Spinalis führen Muskeln, deren Bauch aus mehreren, von>, spinales.
Dornen stammenden Ursprungssehnen zusammengesetzt wird und Inser-
tionen an mehrere Dornen abgiebt. Es giebt einen Spinalis dorsi, welcher
vom dritten oder zweiten Bauchwirbel bis zum zweiten oder ersten Brust-
wirbel reicht, und einen Spinalis cervieis, der sich über die Halswirbel er-
streckt. Der letztere ist sehr veränderlich und reducirt sich zuweilen auf
ein oder einige Fascikel, die sich von kurzen Dornmuskeln (Interspinales)
nur dadurch unterscheiden, dass sie Wirbel überspringen. Diesem Cri-
terium zufolge liesse sich als M. spinalis capitis ein Muskel hier anreihen,
(M. rect. cap. post. maj.), der vom zweiten Halswirbeldorn zur unteren
Nackenlinie des Schädels aufsteigt. Doch stelle ich der bequemeren Ueber-
sicht wegen diesen Muskel mit den tiefen, kurzen Schädelmuskeln zu-
sammen.
tM. spinalis dorsi, Sd.
Ein schmaler, platter Muskel, zur Seite der Dornen über (hinter) dem + Spinalis
M. transverso-spinalis, an seinem lateralen Rande mit dem Longissimus dorsi dorsi.
verwachsen. Die Reihe seiner Ursprünge endet am elften oder zehnten
Brustwirbel, die Reihe seiner Insertionen beginnt am zehnten oder neunten,
so dass zwischen dem letzten Ursprungs- und dem ersten Insertionsfascikel
der zehnte oder neunte Brustwirbeldorn frei bleibt (Fig. 15, a. f. S.).
Die Ursprungsfascikel sind sehnig, lang und platt und, wie erwähnt,
grösstentheils dem Spinalis mit dem Longissimus gemein. Die untersten
steigen gerades Wegs in lateraler Richtung in der hinteren Fläche des Lon-
gissimus auf; von ihnen gehen, unter stumpfem Winkel, in medialer Rich-
tung aufwärts, platte Muskelbündel ab, die sich in die obersten Zacken des
Spinalis fortsetzen; wie kleinere concentrische Bogen sind innerhalb jener
Ursprünge und dieser Insertionen die höheren Ursprünge und tieferen In-
sertionen des Spinalis eingeschlossen.
Var. Die Zahl der Insertionssehnen kann bis auf drei sinken; es fehlen dann
sowohl obere als untere Insertionen. Oder sie vermehrt sich dergestalt, dass
Ein Dorn mehrere Sehnen erhält. Oft setzen sich die Insertionen, statt an Dor-
nen, an die Insertionssehnen des M. semispinalis dorsi.
D) M. trachelomastoideus. M. complexus minor s. parvus aut. M. transwersalis capt-
üs Arn.
2) Dornmuskeln.
40 Spinales.
++ M. spinalis cervieis, Nev)).
Von sehr unbeständigem Verlauf, oft auf der rechten und linken Seite
Fig. 15. . derselben Leiche ver-
l.ll.3 schieden. Am häufig-
sten entspringt er vom
Dorn des sechsten und
fünften Halswirbels, fer-
ner vom Dorn des drit-
ten, auch des siebenten
Halswirbels und der bei-
den oberen Brustwirbel
mit zwei bis vier flei-
schigen oder sehnigen
Köpfen, die entweder
einzeln oder zu einem
Muskelbauch theilweise
oder sämmtlich verbun-
den, über einen oder
mehrere Wirbel wegge-
hen und sich meistens mit
mehreren Sehnen an den
Dorn des zweiten, dritten
und vierten Halswirbels
inseriren (Fig. 16). Die
Insertionen hängen oft
mit dem M. semispina-
lis cervicis, die Ur-
sprünge mit diesem und
dem Nackenbande zu-
sammen. Zuweilen er-
halten sich nur einzelne
Bündel zwischen den In-
sertionen des M. semi-
spinalis; selten fehlen
die Mm. spinales cervi-
cis völlig. Sie liegen
neben den Dornen oder
auf (hinter) denselben
zu beiden Seiten des
Nackenbandes, oder es
findet sich statt derselben
1t Spinalis
cerv.
ı) Superspinalis colli Co w-
per. Interspinales supernu-
merarü Albin. Mm. super-
spinales Meckel.
Tiefe Rückenmuskeln, die oberflächlichen am Ursprung ab-
_ geschnitten. Fascia lumbodorsalis F/d, dureh einen Vertical-
schnitt geöffnet und zurückgeschlagen. Ssd, Sscv, M.
semispin. dorsi und cervieis. Oae M. oblig. abd. ext.
Transverso-spinalis. 41
ein einziger unpaarer Muskel in der Rinne zwischen den zwei Spitzen der
Dornen.
Einmal sah ich ein Bündel des Spin. cervicis von 3 Linien Breite zur oberen
Nackenlinie des Hinterhauptbeins aufsteigen, wo es sich dicht unter dem medialen
Theile der Insertion des Semisp. capitis befestigte. Einen M. spinalis cervieis, der
sich mit dem R. cap. post. maj. an’s Hinterhaupt befestigte, beobachtete Theile
(S. 167).
3. Musculus transverso-spinalis').
Unter diesem Namen vereinige ich die Muskeln, die in mehreren 3. Transver-
Schichten und in den einzelnen Schichten wieder in mehreren Abtheilungen “ "Pvalis.
von Tuberositäten der Wirbel zu Dornen median- und aufwärts verlaufen.
In der oberflächlichsten Schichte liegen Muskeln, deren Ursprünge am
letzten Brustwirbel anfangen, und am vierten, selten am dritten Halswirbel
enden, deren Insertionen vom sechsten Brustwirbel bis an den Schädel sich
erstrecken, deren Fasern also im Allgemeinen über fünf bis sechs Wirbel
hinwegziehen. Es sind die Mm. semispinales, geschieden je nach den Ab-
theilungen des Stammes in M. semispinalis dorsi, cervieis und capitis. Die
nächst tiefere Schichte nimmt ein continuirlich längs der ganzen Wirbel-
säule verlaufender Muskel ein, der M. multijidus, welcher mit seinen Ur-
sprüngen vom dritten Kreuzwirbel bis zum dritten Halswirbel reicht und
Insertionen an alle Beugewirbel und den untersten Drehwirbel abgiebt. Die
steilsten seiner Bündel gehen über vier, die meisten nur über drei oder zwei
Wirbel fort. Hat man vorsichtig die Masse der unter einander verflochte-
nen Muskelfasern des Multifidus entfernt, so bleiben auf den Brustwirbeln
vereinzelte, mehr oder minder genau abgegrenzte Muskeln liegen, wieder
in zwei Schichten, die oberflächlicheren, Frotatores longi, von der Wurzel
jedes Querfortsatzes, Einen Wirbel überspringend, zum Seitenrande des
zweithöheren Wirbeldorns, die tieferen, Zotatores breves, von der Wurzel
des Querfortsatzes zur Wurzel des nächst höheren Dorns. Diese letzteren
wären, strenggenommen, den kurzen Rückenmuskeln beizuzählen; doch sind
sie den langen Rotatoren und den übrigen Lagen des Transverso-spinalis in
ihrer Wirkung zu sehr verwandt, um sie von denselben zu trennen.
* Mm. semispinales ?).
+ M. semispinalis dorsi, N sd.
Fünf oder sechs Sehnen von den Tuberositäten der fünf oder sechs *semispi-
untersten oder der drei nächst untersten Brustwirbel entspringend, fliessen Kaamien. a.
in einen Muskelbauch zusammen, aus welchem ebenso viele Sehnen, zu den
Dornen der oberen Brustwirbel und des unteren oder der beiden unteren
Halswirbel hervorgehen (Fig. 16).
Var. Die Zahl der Ursprünge schwankt zwischen zwei und sieben, die der
Insertionen zwischen zwei und acht (Albin).
!) Bei Cruveilhier heisst Transversaire epineux der M. multifidus in Verbindung
mit dem Semispinalis dorsi und cerweis.
2) Halbdornmuskeln.
tr Semisp
cerv.
ttt Semisp.
cap.
42
Tiefe -. Rückenmuskeln
M. sacrospinalis; M.
nach Wegnahme des
semispinalis capitis in
der Nähe der Insertion quer durchschnitten
und lateralwärts umgelegt. ld Fascia lum-
bodorsalis. Zgd Bauchwirbelinsertion des M.
longiss. dorsi. Mf M. multif. Tipm, Itpl Mm.
intertransvers. lumb. medial. u. lateral. Zcb,
Lecl Mm. levatores costarum longi u. br. Oae
5.M. oblig. abd. ext.
Transverso-spinalis.
Tr M. semispinalis cervieis, !scv)).
Die Ursprünge dieses Muskels, so-
wie seine Insertionen, schliessen sich
entweder unmittelbar an die Ur-
sprünge und Insertionen des M. se-
mispinalis dorsi an, oder lassen einen
Wirbel frei. Die Ursprünge haften
an den Querfortsätzen der fünf oder
sechs oberen Brustwirbel, die Inser-
tionen an den Spitzen der Dornen
des sechsten oder fünften bis zwei-
ten Halswirbels; die Insertion an
den zweiten Halswirbel ist beson-
ders stark und fleischig (Fig. 16).
Var. Die Zahl der Ursprünge steigt
auf sieben und sinkt auf vier, sie reicht
abwärts bis zum achten Brustwirbel,
aufwärts bis zum siebenten Halswirbel
(Albin). Oft sind die Muskelbäuche
des Semispinalis dorsi und cervicis mit
einander verwachsen ?).
t1rM. semispinalis capitis Arn.
Sscp?).
Der M. semispin. cap. besteht aus
zwei platten Köpfen, die sich erst
in der Nähe der Schädelinsertion
vereinigen.
Der mediale Kopf *) entspringt
seitwärts neben den Ursprungsseh-
nen des M. semispinalis cervicis von
drei bis vier Brustwirbeln zwischen
dem zweiten und sechsten. Seine
Ursprünge verhalten sich demnach
zu den Ursprüngen des Semispina-
lis cervicis, wie die accessorischen
Köpfe des Longiss. capitis zu denen
des Longiss. cervieis; in beiden Fäl-
len tritt am oberen Theil der Brust-
ı) M. spinalis cervieis Albin.
2) Krause vereinigt beide unter dem
Namen M. semispinalis colli et dorsi.
3) M. complexus Cowper. M. comple-
zus maj. Krause, Grand complexus Cruv.
») M, biventer cervieis aut.
Transverso-spinalıs. 43
wirbelsäule eine Verdoppelung oder Spaltung der Ursprünge eines conti-
nuirlichen Muskels ein, um dem Kopftheil der Reihe eine grössere Zahl von
Faseikeln zuzuführen.
Der aus den genannten Ursprüngen zusammengesetzte Muskelbauch
legt sich über den M. semispinalis colli her mit etwas steiler ansteigenden
Fasern, die gegen die Protuberantia occip. ext. mit den Fasern des gleichnami-
gen Muskels der anderen Körperhälfte convergiren (Fig. 9, 14). Er liegt am
Ursprunge dem Semispinalis cervieis genau auf, hebt sich aber allmälig von
demselben ab. In der Mitte seiner Höhe wird er an der hinteren Fläche
durch sehnige Substanz unterbrochen, und zugleich eingeschnürt; oft findet
sich eine zweite sehnige Inscription, vom lateralen Rande mehr oder minder
weit-gegen den medialen vorragend, in der Nähe des oberen Endes. Ganz
gewöhnlich erhält der Muskel vom medialen Rande her noch einen Zuwachs
an Fasern, die von Dornen der obersten Brust- und untersten Halswirbel,
seltener vom Nackenbande, sehnig oder fleischig entspringen, eine Art Spina-
lis capitis (Fig. 9, Sscp‘). Seine Befestigung am Schädel findet mittelst
der oberflächlichen (hinteren) Fasern am medialen Ende der Linea nuchae
superior Statt, dieht unterhalb der Insertion des M. trapezius; seine tiefen
Fasern gehen mit denen des lateralen Kopfes die sogleich zu beschreibende
Verbindung ein.
Der laterale Kopf!) nimmt seinen Ursprung von den oberen Brust-
und drei bis vier unteren Halswirbeln, an den Brustwirbeln und dem sie-
benten Halswirbel vom Querfortsatze, an jedem der übrigen Halswirbel mit
je zwei kurzen Zacken von der hinteren Spitze des Querfortsatzes und der
Rauhigkeit des unteren Gelenkfortsatzes. Er hängt hier sehr genau mit
den Ursprüngen des M. longiss. capitis zusammen, von welchem er am la-
teralen Rande und von der hinteren Seite gedeckt wird, während er sich
mit der Vorderfläche an den M. multifidus lehnt. Die unteren Ursprünge
sind sehnig, die oberen von Anfang an fleischig; die Richtung der Fasern,
schon am unteren Rande minder steil als die am medialen Kopf, wird um
so geneigter, je näher dem oberen Rande sie entspringen. So gewinnt der
dünne, von einzelnen Sehnenstreifen durchzogene Muskelbauch eine unre-
gelmässig vierseitige, gegen den medialen Rand verschmälerte Form. Mit
diesem medialen Rande tritt er unter den lateralen Rand des medialen Ko-
pfes und vereinigt sich mit den tiefen Fasern des letzteren dergestalt, dass
beide unter spitzem Winkel zum Theil einander kreuzen, zum Theil von
beiden Seiten her an verticalen Sehnenstreifen zusammenstossen. Mit sei-
nen oberen Fasern setzt sich der laterale Kopf des M. semispinalis cap. un-
mittelbar an den Schädel an und zwar lateralwärts vom medialen Kopf und
um Weniges unterhalb desselben. Seine Anheftung reicht seitwärts bis
zum Rande des M. splenius capitis (Fig. 17, a. f. S.).
Die Gesammtinsertion des M. semispinalis capitis nimmt die ganze
Fläche zwischen der oberen und unteren Nackenlinie des Hinterhauptbeins
ein. Am Ansatz grenzt dieser Muskel also mit den Ansätzen der kurzen
Kopfmuskeln zusammen; weiter abwärts aber ist er von denselben, wie vom
oberen Theile des M. semispinalis cervieis, durch reichliches Bindegewebe
D) M. complexus aut.
** Multifi-
dus.
44
geschieden.
Transverso-spinalis.
Zwischen der hinteren Fläche des M. semispinalis capitis und
der vorderen des M. splenius cap. und trapezius findet sich nur eine feine,
straffe Bindegewebslage.
Var. Abgesehen von Varietäten in der Zahl der Ursprünge, welche beim
medialen Kopf zwischen zwei und sieben schwanken, kommen Verbindungen bei-
der Köpfe mit dem Longissimus, des lateralen Kopfes mit dem Long. dorsi, des
Fig. 17.
IN | Repmj
IA
001 Pop
AN NE,
4)
Tiefe Rückenmuskeln, nach Entfernung des
M. sacrospinalis und des M. semispinalis.
Sscp Insertion des M. semispinalis cap.
Spcp des M. splenius cap. Lgcp desM.
longiss. cap. Is Mm. interspinales. Itp
Mm. intertransv. post. Zcb Mm. levato-
res cost. br. Wegen der übrigen Bezeich-
nung vgl. S.,49.
medialen mit dem Long. capitis vor. Ein
Fascikel von der Zwischensehne des me-
dialen Kopfes inserirt sich am Nackenbande
(Theile). Vom Querfortsatze des zweiten
Brustwirbels steigt ein dünner Muskel zum
Schädel auf, der sich, bedeckt vom Semi-
spinalis cap., unterhalb des letzteren inserirt.
* M. multifidus, Mf)).
Die untersten Bündel dieses Mus-
kels entstehen dicht neben dem Becken-
ursprunge des M. sacrospinalis und
bedeckt von der Fascia lumbodorsalis,
auf der hinteren Fläche des Kreuzbeins,
von den Procc. artieulares spurii die-
ses Knochens und dem Lig. ilio-sacrale
posticum (Bänderl. Fig. 100); an den
Bauch- und untersten Brustwirbeln
kommen seine Ursprünge von Proce.
mamillares, an den übrigen Brustwir-
beln und den siebenten Halswirbel von
Proce. transversi, an dem sechsten bis
vierten Halswirbel von der Tuberosi-
tät der Procc. articulares. Die Inser-
tionen treten an die unteren Ränder
und die Spitzen der Dornen vom un-
ten Bauch- bis zum zweiten Halswirbel.
Die Ursprünge sind an jedem Wir-
bel zugleich sehnig und fleischig, seh-
nig an der Oberfläche, fleischig in der
Tiefe; die sehnigen Fasern strahlen von
den Kreuz- und Bauchwirbeln ab- und
aufwärts aus, von den höheren Wirbeln
gehen sie in dünnen Streifen schräg
aufwärts. Die oberflächlichsten und
namentlich die aus den Sehnenstreifen
sich entwickelnden Muskelfasern stei-
gen je über drei Wirbel weg zum Dorn
des vierten auf; die übrigen Fasern
gehen um so geneigter, je weiter in
') M. multifidus spinee aut. Vieltheiliger Rückgratsmuskel.
Transverso-spinalıs. 45
der "Tiefe sie entspringen, an die Dornen jedes dritten, zweiten, am Halse
auch des nächst höheren Wirbels, wobei sie sich jedesmal mit den steileren,
von weiter abwärts gelegenen Wirbeln stammenden Fasern kreuzen und ver-
flechten (Fig. 17). So füllt der Muskel, von dreiseitig prismatischer Gestalt,
die Rinne zu den Seiten der Dornen ganz (an den Halswirbeln) oder zum gröss-
ten Theil (an den Brust- und Bauchwirbeln) aus; mit seiner freien Fläche
geht er von unten nach oben in dem Maasse, als die Vorragung der Wir-
beldornen abnimmt, aus einer fast sagittalen Stellung in die mehr frontale
über, und mit Fasern von gleicher Excursion, d. h. mit den über eine gleiche
Zahl von Wirbeln gespannten, nimmt er von unten nach oben, wie die Höhe
der Wirbelkörper geringer wird, eine mehr und mehr geneigte Lage an.
Fig. 18. Var. Das Ursprungs-
bündelvom siebenten Hals-
wirbel fehlt (Albin). Das
oberste Bündel heftet sich
ausser an den Dorn auch
noch an den Bogen des
Epistropheus (Theile).
"** Y/m. rotatores.
+ Mm. rotatores longi, Rl.
Selbständige platte
Bündel, fleischig oder
theilweise sehnig, welche
vereinzelt vom oberen
Rande eines Querfort-
satzes, Einen seltner zwei
Wirbel überspringend,
zum Seitenrande der
Wurzeleines Dornfortsa-
tzes verlaufen (Fig. 18).
Sie finden sich nur an
den dachziegelförmig
abwärts geneigten Dor-
nen der Rückengegend.
++Mm. rotatores breves Ab D,
Kurze und platte vier-
Tiefste Schichte au M. transverso-spinalis. Zes, tei Lig. alle Muskeln, mit fast
tuberculi costae sup. und inf. 4A1/” Abgeschnittener Ur- horizontalem Faserver-
sprung des M. multifidus. Ssd, Sscp Ursprungssehne des lauf, vom oberen Rande
M. semispinalis dorsi und capitis. Ssd‘ Insertionssehne
des M. semispinalis dorsi. ZLceb Levator costae br. der Querfortsätze der
Brustwirbel zum unteren
\) Rotatores dorsi Theile. M. arcuum transversales Günther (chirurg. Muskel-
lehre). Mm. spinotransversales brevissimi E. Weber.
rk Rota
tores.
tRotat. ].
ttRotat. br.
P. Kurze
Muskeln.
I. Kurze
Muskeln der
1
Beugewir-
bel.
Interspi-
nales.
46 Interspinales.
Rande der nächst höheren Wirbelbogen (Fig. 18). In der Regel finden
sich ihrer so viele jederseits als Brustwirbelzwischenräume, doch fehlen
zuweilen die oberen oder unteren. „Zwischen den Bauchwirbeln sind sie zu-
weilen durch Sehnenbündel von entsprechendem Verlauf ersetzt.
$f. Kurze Muskeln.
Zu den kurzen longitudinalen Muskeln der Wirbelsäule rechnen wir
alle diejenigen, welche sich von einem Gliede der Wirbelsäule nicht weiter
als zum nächsten erstrecken; wir nehmen, aus bereits angeführten Gründen,
davon aus die Mm. rotatores, und stellen dagegen zu den kurzen Muskeln
den M. rectus cap. post. maj., obgleich er den Atlas überspringt, sowie die
Mi. levatores cost. longi, obgleich sie über eine Rippe hinweg zur nächst
unteren gehen.
Die kurzen Muskeln liegen entweder vertical zwischen gleichnamigen
Theilen (Mm. interspinales, intertransversarii) oder schräg, zwischen Dorn-
und (Juerfortsätzen (Mm. obliqui capitis); die Mm. levatores gehören streng
genommen weder zu der Einen, noch zu der anderen Art, da die Quer-
fortsätze, von welchen sie entspringen, und die Rippen, zu welchen sie
schräg herablaufen, im Grunde nur Theile desselben vorderen Bogens sind,
und die Muskeln selbst sich unmittelbar in die äusseren Intercostalmuskeln
fortsetzen.
Die kurzen Rückenmuskeln wiederholen sich längs dem Stamme in
ähnlicher Weise, wie die Knochen und Bänder der Wirbelsäule und mit
ähnlichen Modifieationen, indem sie in Einer Region eine besondere Stärke
erreichen, in der anderen fibrös werden oder schwinden. Ihre Ausbildung
steht mit der Beweglichkeit der Wirbel in geradem Verhältniss; sie erreicht
daher den höchsten Grad an den Halswirbeln und steht am niedrigsten an
den Brustwirbeln; am Kreuzbein fehlen sie völlig.
I. Kurze Muskeln der Beugewirbel.
1. Mm, interspinales, Is).
Am unteren Ende der Wirbelsäule liegen sie platt, oft in einzelne Bün-
del geschieden und vom Multifidus bedeckt, zur Seite der Ligg. interspina-
lia, der unterste, welcher nicht selten fehlt, zwischen dem obersten Kreuz-
und letzten Bauchwirbel. Sie enden am zwölften oder elften Brustwirbel,
um am ersten, selten schon am zweiten wieder aufzutreten. Am Halse zie-
hen sie, neben dem Nackenband, fleischig, eylindrisch über die Spitzen der
Dornen und erstrecken sich nicht selten auf die Insertionssehnen des M. se-
mispinalis cervieis (Fig. 17). An den Bauchwirbeln entspringen sie von
der Seitenfläche des unteren Dorns und enden am unteren Rande des obe-
ren; an den Halswirbeln beginnt jeder höhere Muskel dicht über der Inser-
tion des unteren.
") Zwischendornmuskeln.
Intertransversarii. 47
Fig. 19. Var. Sie breiten sich am Halse auf
ige, die Bogen der Wirbel aus (Theile).
ei Kurze Muskeln von verticalem Verlauf
kommen, einer Mittheilung von Clau-
dius zufolge, auch zwischen den Bo-
gen der Bauchwirbel vor, jedoch ge-
trennt von den Mm. interspinales und
deshalb vielleicht eher an die Rotato-
res anzuschliessen.
2. Mm. intertransversarii poste-
riores!').
Als hintere Intertransversarli 2. Inter-
müssen diese Muskeln deshalb be- "Pos
zeichnet werden, weil an den Hals-
wirbeln längs den vorderen Spi-
tzen der Querfortsätze eine Reihe
ähnlicher Muskeln verläuft, die in
Verbindung mit den Muskeln der
Vorderfläche des Halses beschrie-
ben werden. Sie sind an den Bauch-
{ wirbeln in je zwei Portionen ge-
Lei schieden: eine mediale, M. inter-
IN fransv. posl. medial.?), schlanke
und eylindrische, entspringt zugleich
mit den Fascikeln des M. multifidus
vom Proc. mamillaris und befe-
stigt sich an den Proc. accessorius
oder mamillaris des nächst höheren
Wirbels; eine laterale, M. intertr.
p- later. ), platte und breite, ver-
läuft zwischen den Querfortsätzen
je zweier Bauchwirbel. Die me-
diale Portion verbindet nicht nur
die Bauchwirbel, sondern findet sich
oft auch zwischen dem letzten Bauch-
und ersten Kreuzwirbel, sowie in
der Regel zwischen dem obersten
Bauch- und letzten Brustwirbel und
zwischen den untersten Brustwirbeln.
Die laterale Portion kommt noch
I ein =
IN
I Min) uintertramsuers z 3
Tiefe Rückenmuskeln nach Wegnahme des M. ), Mm. intertransyersales aut. Zwischen
querfortsatzmuskeln.
sacrospinalis; M. semispinalis capitis in der ®) Mm. interobligui s. interarticulares
Nähe der Insertion quer durchschnitten und : Be R R
= 2 ., lumborum M. J. Weber. Mm. intertrans-
lateralwärts umgelegt. FldFascia lumbodorsalis. en :
ren : F . versarü lumborum posteriores aut.
Lgd Bauchwirbelinsertion des M. longiss. dorsi, 2) Mit. _ interiramsvarsera Umlorum an-
Mf M. multifidus. Zeb, Lei Levatores cost. x j
longi und br. Oae M. obliq. abd. ext. en
3. Levat.
cost.
II. Kurze
Muskeln der
Drehwirbel.
48 Levatores costarum.
in dem Zwischenraume des letzten Brust- und ersten Bauchwirbels vor,
gleicht aber hier mehr einem M. levator costae, indem sie schräg lateral-
abwärts vom Proc. accessor. des Brustwirbels sich gegen den Rand des
Querfortsatzes des Bauchwirbels ausbreitet (Fig. 13).
Am Rücken wird die mediale Portion des Intertransversarius durch die
Ligg. tuberositatum vertebralium, die laterale durch die Mm. levat. cost.
und Intercost. ext. vertreten. Schon an den obersten Brustwirbeln wer-
den die genannten Ligamente wieder fleischig; sie setzen sich in solcher
Gestalt, als die eylindrischen, verhältnissmässig dicken Mm. interlransv.
post., auf die Halswirbel fort, an welchen sie zwischen den hinteren Spi-
tzen der Querfortsätze bis zum zweiten, und vom zweiten zum unteren Rande
der breiten Spitze des Querfortsatzes des ersten Halswirbels emporsteigen
(Fig. 20). Die Mm. intertransvers. postt. liegen an den Beugewirbeln des
Halses hinter den Stämmen der Cervicalnerven, die Intertransvers. antt.
vor den letzteren. Der zweite Halsnerv aber, zwischen Atlas und Epi-
stropheus, tritt hinter dem betreffenden Intertransv. post. hervor.
Var. Einzelne Bündel der Intertransversarii der Bauch- und Halsgegend
überspringen einen Wirbel (Albin).
3. Mm. levatores costarum').
Platte, dreiseitige, sehnig entspringende Muskeln, welche, ganz bedeckt
vom M. sacrospinalis, von den Tuberositäten des untersten Hals- und der
elf oberen Brustwirbel zum oberen Rande und zur hinteren Fläche der
nächst- oder zweitnächst unteren Rippe schräg lateralwärts absteigen. Je
nachdem sie zur nächsten Rippe gehen oder eine Rippe überspringen, werden
sie in Lev. cost. breves und Lev. cost. longi unterschieden (Fig. 19).
Der ersteren giebt es zwölf, die von oben nach unten, wie der Winkel der
Rippe lateralwärts rückt, an Breite allmälig zunehmen. Der oberste entspringt
an der hinteren Zacke des Querfortsatzes des siebenten Halswirbels, hängt
medianwärts mit dem M. intertransversarius, lateralwärts mit dem M. sca-
lenus med. genau zusammen und heftet sich an den Höcker der Rippe.
Levatores cost. longi gehen zu den drei bis vier untersten Rippen, aus-
nahmsweise zu höheren, namentlich zur vierten, fünften und sechsten. Sie
liegen am Ursprunge über (hinter) den Lev. cost. breves und an der Insertion
lateralwärts von denselben. Die Levatores cost. br. und longi schliessen sich
mit dem lateralen Rande an den M. intercost. ext. an.
I. Kurze Muskeln der Drehwirbel und des Hinterhauptbeins.
Es sind jederseits fünf, von welchen zwei am zweiten, drei am ersten
Halswirbel entspringen. Die am zweiten Halswirbel entspringenden gehen
beide vom Dorn aus, der Eine, einem Kopf des Splenius analog, schräg la-
teral-aufwärts zum Querfortsatz des Atlas, der andere, ebenfalls schräg aber
minder geneigt aufsteigend, eine Art Spinalis capitis, zur Nackenlinie des
\) Mm. supracostales, Rippenheber. M. surcostauz Cruv.
Rect. cap. p. maj. Obl. cap. inf. Rect. cap. post. min. 49
Hinterhauptbeins. Die Muskeln, welche am Atlas ihren Ursprung nehmen,
verlaufen sämmtlich ziemlich gerade hinauf zum Schädel, der Eine, die
Fig. 20. Interspinales wiederholend, die beiden
anderen zusammen einem Intertrans-
Tr versarius posterior entsprechend. Das
Mi \\ "ll straffe Bindegewebe, welches diese
Des A oJ -Sse? Muskeln von der hinteren Seite her
Au DIES bekleidet und die Lücke zwischen
Rel NA ihnen und dem M. semispinalis und
splenius capitis ausfüllt, setzt sich
auch in die Zwischenräume zwischen
die vom zweiten und ersten Halswir-
bel stammenden Muskeln fort. Zwi-
schen den Muskeln und den Knochen
ist dies Bindegewebe von dichten
Venengeflechten durchzogen.
1. M2 zect. cap. post. may. Repmj).
Entspringt schmal und schräg an
der Spitze und oberen Kante des
Dorns des Epistropheus, breitet sich
nach oben mit mehr sagittal, als fron-
tal gestellten Flächen fächerförmig
aus und befestigt sich etwa an das
mittlere Drittel der unteren Nacken-
linie.
2. M. obliquus capitis inf. Oci?).
Ein.starker, ganz fleischiger, spin-
delförmiger, gegen Ursprung und In-
sertion zugespitzter Muskel, unterhalb
des vorigen am oberen und am hin-
Tiefe Rückenmuskeln nach Entfernung des teren Theile des Bogens des Epistro-
M. sacrospinalis und der Mm. semispinales. pheus entspringend und an der hin-
Tr Sehne des M, trapezius. Spep Inser- z
tionssehne des M. splenius cap. ZLgcp des teren Leiste des Querfortsatzes des
M. longiss. cap. Sscp des M. semispinalis Atlas sich befestigend.
cap. Js Mm. interspinales. Jtp Mm. inter-
transvers. post. ZcDd Mm. levatores cost. 3_ M, rect. cap. post. min. Rep m).
brev. Mf M. multifidus. -
Platt, dreiseitig, vom Tuberculum
post. des Atlas zum medialen Drittel
der unteren Nackenlinie schräg rückwärts aufsteigend, am lateralen Rande
vom R. cap. post. maj. gedeckt.
) M. r. c. p. superficialis s. inferior. ?) M. obl. ec. ma). °®) M. r. c. p. profundus.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 4
1. Rect. ce.
p. maj.
2. Obl. cap.
inf.
3. Rect. ce.
p- min,
4. Obl. cap.
sup.
5. Rect. cap.
lat.
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
50 Obl. cap. sup. Rect. cap. lat.
4. M. obliquus cap. sup. Ocs)).
Ebenfalls dreiseitig, gegen den Scheitel sich ausbreitend, bedeckt mit
seinem Ursprunge am Querfortsatze des Atlas die Insertion des M. obl. cap.
inferior, und mit seiner Insertion zwischen der oberen und unteren Nacken-
linie die Insertion des R. capitis post. maj.
5. M. reetus capitis lateralis Rel.
Von der vorderen Fläche der Spitze des Querfortsatzes des Atlas fast
gerade aufwärts zum Proc. jugularis des Hinterhauptbeins, an den er sich
in dessen ganzer Breite ansetzt.
.Var. Von den kurzen Muskeln der Drehwirbel und des Hinterhauptbeins
kommen nicht selten verdoppelt oder in zwei neben einander gelegenen Portionen
zerfallen vor der M. rect. cap. post. maj. und rect. cap. lateralis. Verdoppelung
des M. rect. cap. post. min. beobachtete Gruber (Abhandl. aus d. menschl. und
vergl. Anat. Petersburg 1852. S. 125).
Ein zuerst von Günther (Chir. Muskellehre, Taf. 34. Fig. II. 19. Taf. 35.
Fig. III. 19) beschriebener Muskel, M. sacro-coccygeus posticus (M. exiensor coc-
cygis Theile) soll aus dünnen Fasern bestehen, welche vom Kreuzbeine oder auch
von der Spina iliaca post. inf. zum Steissbein herabgehen; nach Theile nimmt
er von der hinteren Fläche des fünften Kreuz- oder ersten Steisswirbels seinen
Ursprung. Wäre dieser Muskel typisch und der häufige Mangel desselben die
Folge einer Verkümmerung, so müsste er in der Reihe der kurzen aufsteigenden
Rückenmuskeln eine dritte Abtheilung bilden. Er ist aber bei Kindern keinenfalls
beständiger als bei Erwachsenen und macht in Günther’s Abbildungen eher den
Eindruck einer abnormen Portion des M. coceygeus.
Alle an der Rückenfläche der Wirbelsäule gelegenen Muskeln, mögen sie ihre
Angriffspunkte an Dornen, Querfortsätzen oder Rippen haben, mögen sie vertical
zwischen gleichnamigen Theilen oder schräg und mehr oder minder geneigt zwi-
schen ungleichnamigen verlaufen, wirken, wenn sie auf beiden Seiten gleichzeitig
und gleichmässig in Thätigkeit versetzt werden, zur Streckung der Wirbelsäule.
Sie unterscheiden sich von einander nur insofern, als sie die ganze Wirbelsäule
oder einzelne kleinere oder grössere Gebiete derselben bewegen; besonders be-
günstigt ist aus begreiflichen Gründen der Schädel nebst den obersten Halswirbeln
durch die Entwickelung des M. semispinalis und durch Hinzufügung einer beson-
deren Schichte, der Mm. splenii.
Ziehen sich die Muskeln einer Körperhälfte einseitig zusammen, so sind zwei
Drehungen möglich, um die sagittale Axe, Seitwärtsbewegung nach der contrahir-
ten Seite, und um die verticale Axe, Rotation im engeren Sinne mit Vor- oder
Zurücktreten der contrahirten Seite. Wie die Lage der Gelenkflächen die ver-
schiedenen Abschnitte der Wirbelsäule zu der einen oder anderen dieser Drehun-
gen geschickter macht, wurde bereits in der Bänderlehre (S. 21) dargestellt. Was
die Muskeln betrifft, so sind zuerst die verticalen und schrägen zu unterscheiden.
Je mehr die Richtung der Muskelfasern sich der verticalen nähert, um so mehr ist
ihre Wirkung auf Seitwärtsbeugung beschränkt. Demnach sind die Muskeln zwi-
schen gleichnamigen Fortsätzen, Spinales, Interspinales, Intertransversarii, haupt-
sächlich Seitwärtsbeuger; doch werden auch sie zu Rotatoren, wenn sie vorgängig
durch Rotation der Wirbel gedehnt und schräg gestellt sind. Als Rotatoren wir-
ken dagegen die Muskeln, welche zwischen Quer- und Dornfortsätzen verlaufen,
D) M. obl. c. min.
Bauchmuskeln. 51
mit um so grösserer Kraft, je mehr ihre Endpunkte in verticaler Richtung einander
genähert sind und in der Richtung von hinten nach vorn von einander abstehen.
Die von Dornen zu Querfortsätzen aufsteigenden Muskeln ziehen den Querfortsatz
ihrer Seite, die von Querfortsätzen zu Dornen aufsteigenden ziehen den Querfort-
satz der entgegengesetzten Seite rückwärts. Es kann daher am Halse und Kopfe,
bei gleichzeitiger Wirkung der Mm. splenii und transverso-spinales, die rotirende
Wirkung beider sich aufheben und eine Seitwärtsbeugung erfolgen. Der eigent-
liche Drehmuskel des Kopfes ist, da diese Drehung nur mittelst des Atlas auf dem
Epistropheus ausgeführt werden kann, der Obliquus capitis inf, Die eigenthüm-
liche Einrichtung der Drehwirbelgelenke, die die Reibung in denselben auf ein
Minimum zurückführt, bewirkt, dass ein Muskel von so geringen Dimensionen
dieser Aufgabe genügt. Die kurzen Muskeln, die sich an’s Hinterhauptbein in-
seriren, können, vermöge der Einrichtung der Hinterhauptgelenke, den Schädel nur
entweder um die sagittale oder transversale Axe drehen: beiderseitig wirkend führen
sie die letztere, einseitig wirkend die erstgenannte Bewegung aus; doch fragt es
sich, ob eine einseitige Thätigkeit der Mm. recti capitis post. jemals vorkommt.
Der M. sacrospinalis, dessen Sehnen zum Theil nur durch Vermittelung der
Rippen die Wirbelsäule strecken, muss einen Nebeneinfluss auf die Stellung der
Rippen zu den Wirbeln haben, auf welchen ich, wie auf die Function der Mm.
serrati postici und levatores costarum, bei der Beschreibung der Brustmuskeln
zurückkomme.
I. Bauchmuskeln.
Die Bauchmuskeln füllen die Lücke, welche am Skelette in der vorderen
und seitlichen Rumpfwand zwischen dem Brustkorbe, den Bauchwirbeln und
dem Becken besteht. In ihrer Gesammtheit bilden sie demnach eine Platte,
II. Bauch-
muskeln
von deren symmetrischen Hälften jede einem nach der Fläche gekrümmten E
Trapez mit zwei parallelen, verticalen Seiten gleicht. Mit den längeren
verticalen Seiten sind sie in der vorderen Medianlinie aneinander gefügt.
Die kürzere verticale Seite geht an den Spitzen der (Jueriortsätze der Bauch-
wirbel herab; von diesen aus divergiren die obere und untere Seite, jene
vor- und aufwärts längs dem unteren Rande des Brustkorbs, diese vor- und
abwärts längs dem oberen Beckenrande verlaufend.
Der langen verticalen Seite des Trapez entlang zieht von der äusseren
Fläche des Brustkorbs zur äusseren Fläche des Beckens der platte, longitu-
dinale Muskel der vorderen Rumpfwand, M. reetus abdominis. So weit er
über die Bauchhöhle herabgeht, liegt er in einer fibrösen Scheide, deren
beide Blätter am medialen und lateralen Rande des Muskels in scharfen
Kanten zusammenstossen. Die medialen Kanten der beiden Reetus-Scheiden
sind durch einen schmalen und derben Streif fibröser Substanz in der Mittel-
linie des Bauchs verbunden. Dieser Streif ist die Linea alba. Sie erscheint
an der äusseren Fläche der Bauchwand als eine seichte Furche zwischen
den Wülsten der Reeti, in der Mitte oder etwas unterhalb der Mitte ihrer
Höhe durch den Nabel unterbrochen, linear in der unteren Hälfte, 4 bis 7mm
breit in der oberen, beträchtlich breiter in Folge von Schwangerschaft und
krankhaften Zuständen, welche eine bedeutende und anhaltende Dehnung
der Bauchwand bewirken }).
!) Cruveilhier fand bei einer Neu-Entbundenen die Linea alba in der Nabelgegend
3“, und an der schmalsten Stelle 15‘ breit.
4*
52 Bauchmuskeln.
Die Faserung der Linea alba ist hauptsächlich transversal, eine Fort-
setzung der in den Scheiden der Recti enthaltenen, transversalen Fasern,
welche von der Einen Körperhälfte zur anderen und dabei theilweise von
dem vorderen Blatte zum hinteren und umgekehrt übergehen. Verticale
Fasern treten hinzu am oberen Ende vom Schwertfortsatze, am unteren Ende
vom Becken aus. Die letzteren erheben sich vom oberen Rande der Scham-
Vordere Bauchwand, hintere Fläche nach Entfernung des Bauchfells,
der Samenstrang (1) beim Eintritt in die Bauchwand abgeschnitten, die Harnblase (3)
über dem unteren Ende abgeschnitten und zurückgeschlagen. pp Ligg. puboprostatica.
iim, iil Ligg. inguinale mediale und laterale. Ra M. rectus abd. Ps Plica semilunaris
fasciae transversalis, s. unten,
beine, zwischen den beiderseitigen Höckern hinter den Sehnen der Mm. recti
und durch Fett von denselben geschieden in Form einer gleichseitig drei-
eckigen Platte, Adminiculum lineae albae!), welche über die Schambein-
synchondrose mit freiem concaven Rande ausgespannt ist und aufwärts in eine
zwischen die Mm. recti eindringende Spitze ausläuf. Die Nabelöffnung
umgiebt ein Wulst von kreisförmigen Fasern, die mit der Haut und mit den
durch die Oeffnung zur Haut tretenden fibrösen Strängen, den obliterirten
Nabelgefässen, eng verwachsen sind.
Ein kleiner, nicht ganz beständiger Muskel, M. pyramidalis, steigt schräg
!) Lig. triangulare I, a. Ligament sus-pubien Breschet (These de concours. Paris 1819.
p. 125). Ein Theil desselben ist als Zig. arcuatum pelvis sup. beschrieben, vergl. Bdl. S. 120.
Recetus abdominis. 53,
vor der unteren medialen Sehne des M. rectus vorüber, vom Schambeine
zur Linea alba auf, er ist als Spannmuskel der Linea alba zu betrachten
und den verticalen Bauchmuskeln beizuzählen.
Den hinteren und Seitentheil der trapezförmigen Platte nehmen die
drei Muskelschichten ein, die man unter dem Namen der transversalen
vereinigen darf, wenn auch stellenweise ihre Fasern weit von der trans-
versalen Richtung abweichen und vielmehr die obere knöcherne Begrenzung
der vorderen Bauchwand mit der unteren zu verbinden scheinen. Am rein-
sten transversal ist die innere Schichte, M. transversus abdominis, welche an
der oberen, hinteren und unteren Seite des Trapez, d. h. von Rippen, von
Bauchwirbeln (durch Vermittlung des Lig. lumbocostale) und vom Becken
entspringt und mit allen Fasern in die Scheide des M. rectus, also mittel-
bar in die Linea alba übergeht. Aber auch die mittlere und äussere Schichte
enden grösstentheils in den Sehnenblättern, die den Rectus zwischen sich
fassen, und gehen nur gleichsam nebenbei mit ihren Insertionen auf die
obere oder untere Seite des Trapez über, die äusserste, M. obliquus ext.,
von Rippen entspringend, mit den untersten ihrer medianabwärts verlaufen-
den Fasern auf das Becken, die mittlere, M. obliquus int., vom Becken und
der Faseia lumbodorsalis entspringend, mit den obersten ihrer medianauf-
wärts verlaufenden Fasern auf die unteren Rippen.
a. Verticale Bauchmuskeln.
1. M. rectus abdominis Ra).
Er entspringt fleischig, platt und breit an der fünften, sechsten und
siebenten Rippe, an der fünften von der vorderen Spitze des Rippenknochens
und der lateralen Hälfte des Knorpels, an der sechsten und siebenten Rippe
weiter median- und also auch weiter abwärts mit schmaleren Zacken vom
unteren Rande des Knorpels; die am siebenten Rippenknorpel wurzelnde
Zacke nimmt oft noch Fasern von der Basis des Schwertfortsatzes auf 2).
Der Muskelbauch wird vom Ursprunge bis zum Rande des Brustkorbs um
Weniges schmäler, steigt dann in unveränderter Breite bis zur Gegend des
Nabels herab und nimmt von da an gegen die Insertion am Becken wieder
an Breite ab und zugleich an Dicke zu, um in die verhältnissmässig schmale
Sehne sich fortzusetzen. Diese Sehne, welche etwa einen Zoll oberhalb
des oberen Beckenrandes platt aus dem Muskel hervorgeht, spaltet sich in
einen breiteren lateralen und einen schmaleren medialen Streifen. Der laterale
(Fig.22 Ra 1) setzt sich an die vom Tubere. pubis zur Schambeinsynehondrose
ziehende rauhe Linie (Knl. S. 249) und, wenn der M. pyramidalis fehlt, an
D) Gerader Bauchmuskel. Grand droit Cruv.
2) Albin, welchem Langenbeck, Weber-Hildebrandt, M. J. Weber und
Theile folgen, nennt das obere Ende des Muskels Insertion, das untere Ursprung, und
dies ist insofern consequent, als bei aufrecht stehendem Rumpfe die Rippen beweglicher
sind als das Becken. Indess rechtfertigt sich die von der Mehrzahl beliebte und von
mir festgehaltene Auflassungsweise dadurch, dass die Beckenanheftung des Muskels zum
Theil in weiche Gebilde, Fascien, übergeht, deren Spannung sie vom Brustkorbe aus
vermittelt.
a. Verticale
1.Rect. abd.
54 Rectus abdominis.
die unter dieser Linie befindliche rauhe Fläche fest; einige der lateralsten
Bündel endigen schon oberhalb des Beckens in der Scheide des Reetus. Die
Fig. 2. medialen Sehnen der bei-
den Recti (Ra 2) gehen
vor der Synchondrose, in-
dem sie einander unter
spitzem Winkel kreuzen,
auf die entgegengesetzte
Körperhälfte über; unter-
halb der medialen Sehne
des M. obliquus ext. der
entgegengesetzten Körper-
hälfte hervortretend, sen-
det jede dieser Rectus-
Sehnen ihre Fasern theils
ab- und lateralwärts in
die Faseie der Adductoren
des Schenkels, theils ab-
und medianwärts in die
Fascie des Penis (der
Klitoris).
Der M. rectus enthält
wenig oder keine Fasern
von der Länge des ganzen
Muskels. Durch drei oder
vier transversal-ziekzack-
förmige Sehnenstreifen,
Inseriptionen !), ist er in
vier bis fünf Abtheilungen
geschieden, deren jede
einer besonderen Zusam-
menziehung fähig sein
muss, wenn auch einzelne
Bündel über eine oder
ınehrere Inscriptionen un-
unterbrochen sich fort-
Bauchwand von vorn, das vordere Blatt der Scheide des setzen. Die oberste findet
Reetus (Vra) durch einen Verticalschnitt geöffnet und nach sich längs dem Rande des
beiden Seiten zurückgeschlagen. Pmj” Fascikel des M. Byustkorbs, die dritte et-
KOM. Inlios doret. Sa M, serrat. ant. Oue M. ob. was oberhalb des Nabels,
liq. abd. ext. Ci Unterer Schenkel des Leistenrings, die zweite ungefähr in der
t Sehnittrand, an welchem der obere Schenkel desselben Mitte zwischen diesen bei-
abgetrennt ist. £ a
den und die vierte, wenn
sie vorhanden ist, mitten zwischen Nabel und Becken. Die oberste erstreckt
sich häufig nur iiber die mediale Hälfte des Muskels, die untere reicht fast
niemals über die laterale Hälfte hinaus; auch nehmen die Inscriptionen
\) Inscriptiones tendineae.
Pyramidalis. Obliquus ext. 55
nicht immer die ganze Dicke des Muskels ein und dann lassen sie die der
hinteren Fläche zunächst liegenden Fasern unberührt. Mit der vorderen
Wand der Scheide des Rectus ist die Sehnenwand der Inscriptionen un-
trennbar verwachsen, so dass die äussere Faserlage des Rectus sich eben-
sowohl an die Scheide, wie an die Inscription inserirt; im Uebrigen wird
der Zusammenhang zwischen dem Rectus und seiner Scheide nur durch
lockeres, hier und da, besonders am oberen Theil der hinteren Wand, fett-
haltiges Bindegewebe, sowie durch die in den Muskel eintretenden Gefässe
und Nerven vermittelt. So weit der Rectus auf dem Brustkorbe herabgeht,
heftet ihn ein straffes Bindegewebe an die Rippenknorpel und die Inter-
costalmuskeln.
Var. Kelch (Beitr. zur pathol. Anat. Berlin 1813. S. 41) beschreibt einen
M. rect. lateralis abdom., 1‘ breit, zwischen dem M. obliq. ext. und int. mit einer
sehr kurzen Sehne entspringend, von der Mitte des unteren Randes der zehnten
Rippe und gerade abwärts über die elfte Rippe zur Mitte des Randes des Hütt-
beinkammes verlaufend.
Der Ursprung des Muskels kann sich seitlich auf den Knochen der vierten
und selbst der dritten Rippe ausdehnen (Meckel).
2. M. pyramidalis. Py)).
Entspringt schräg an der Vorderfläche des Beckens, unterhalb der
Insertion der lateralen Sehne des M. rectus, läuft alsdann fleischig von
dieser Sehne mit den medialen Fasern gerade, mit den lateralen Fasern
schräg medianwärts empor und befestigt sich an die Linea alba.
Der ganze Muskel gleicht einem rechtwinklig ungleichseitigen Dreieck,
die kürzere Kathete entspricht dem Ursprunge, die obere Hälfte der längeren
Kathete entspricht der Insertion. Er ist in der Scheide des Rectus mit
eingeschlossen, von deın letzteren aber durch ein besonderes Fascienblatt
getrennt.
Bei Kindern ist er verhältnissmässig gross.
Var. Die Höhe des Muskels ist sehr veränderlich und oft auf beiden Seiten
ungleich, oft fehlt der Eine derselben und noch öfter fehlen beide. Dagegen soll
er auch verdoppelt vorkommen auf Einer Seite (Winslow), oder auf beiden
(Sabatier).
b.» Transversale Muskeln.
1. M. obliquus externus. OVae?).
Diesen Muskel setzen in der Regel sieben platte Zacken (Dentationen)
zusammen, welche an den sieben unteren Rippen entspringen, die breiteste
von der achten Rippe, von da an sowohl auf- als abwärts allmälig schmalere,
zu welchen sich nicht selten noch eine schmalste Zacke oben von der fünften
Rippe, unten von dem Lig. lumbodorsale in der Verlängerung des Quer-
fortsatzes des ersten Bauchwirbels gesellt (Fig. 23 V«ae*).
!) M. pyram. abdominis. :;
2) M. oblig. abdominis ext. s. descendens s. obligue descendens. Aeusserer schiefer
Bauchmuskel. Grand oblique.
2. Pyramid.
b. Trans-
versale
1. Obl. ext,
56 Obliquus ext.
Die ganze Reihe der Ursprünge liegt in einer schrägen, nur schwach
Fig. 23. aufwärts convexen,
Sa von der Gegend des
vorderen Endes des
fünften oder sechsten
Rippenknochens ge-
gen die Spitze der
zwölften Rippe gezo-
genen Linie. Dem-
nach entfernen sie
sich zwischen der
fünften und achten
Rippe immer weiter
vom vorderen Ende
des Rippenknochens
und nähern sich die-
sem Ende wieder von
der achten bis zur
zwölften Rippe. An -
der achten Rippe
sitzt die Zacke un-
gelähr in der Mitte
zwischen dem vorde-
ren Ende und dem
Winkel. An jeder
Rippe ist der Ur-
sprung kurzsehnig ;
er nimmt eine Linie
ein, welche auf der
äusseren Fläche des
Knochens fast hori-
zontal vom oberen
Rande zum unteren
und eine Strecke dem
Bauchwand im Profil. Zd M. longissimus dorsi. FldFasecia unteren Rande ent-
lumbodorsalis. Sa a SS ant. Pmj* Zacke des lang zieht; jede Den-
KaRU tation deekt mit ih-
rem unteren Rande den oberen Rand der nächstfolgenden; die Sehnen der an
den oberen Rippen bis zur neunten (inclus.) entspringenden Dentationen ver-
bergen sich unter den horizontal rückwärts verlaufenden, je von den näm-
lichen Rippen stammenden Dentationen des M. serratus ant. (Sa Fig. 23); von
der zehnten Rippe an werden die Dentationen des M. obl. ext. am Ursprunge
Jede von dem nächst unteren Rippenursprunge des M. latissimus (Zd) bedeckt.
Sämmtliche Ursprünge schliessen sich alsbald aneinander zu einem
continuirlichen Muskelblatt, dessen Bündel schräg median-abwärts verlaufen,
dem oberen Rande zunächst in einer zwischen der horizontalen und verti-
calen mittleren Richtung und dann allmälig um so steiler abwärts, an je
tieferen Rippen sie entspringen. Mit dem oberen Rande fügt sich der
Obliquus ext.
57
Muskel an das Lig. costoxiphoideum (Bänderl. $S.51), doch wird dieser Rand
und theilweise die oberste Dentation verdeckt durch ein Fascikel, welches vom
unteren Rande des M. pectoralis maj. sich ablöst und in steiler absteigen-
dem Verlaufe, als die oberen Zacken des M. obliquus ext., in die von den
Fig. 24.
ER
ZIRFITITER
EEE
l& Lsp
Vordere Bauchwand von vorn. Samenstrang- (1) anı Austritt
aus der Bauchwand, Penis an der Wurzel abgeschnitten.
Lsp Lig. suspensorium penis. (Cs, Ci Öberer und unterer
Schenkel des äusseren Leistenrings. F'fi Fibrae intercolumnares,
Ld, Sa, Pmj.* wie in Fig. 23.
letzteren gebildete
Sehne übergeht
(Fig. 23,24 Pmj*).
Die unterste Zacke
des Obliquus geht
fast vertical zum
Becken herab; ihr
freier Rand grenzt
nach hinten ent-
weder genau an
den vorderen Rand
des Beckenur-
sprungs des La-
tissimus oder wird
von demselben in
geringer Ausdeh-
nung bedeckt oder
es bleibt zwischen
beiden eine
schmale, aufwärts
sich zuspitzende
Spaltel), in wel-
cher der M. ob-
liquus int. sicht-
bar wird (Fig. 23).
Mit der inneren
Fläche ist der M.
oblig. ext. durch
straffes Bindege-
webe oben an die
Rippen und die In-
tercostalmuskeln,
weiter abwärts an
den M. oblig. int.
angeheftet. An
dieser Fläche em-
pfängt er noch
eine zweite, nicht
ganz beständige
Reihe tieferer
schmaler Zacken,
welche von den vorderen Enden der oberen falschen Rippen entspringen
(Fig. 28 Vae).
) Triangulus Petiti aut.
58 Obliquus ext.
Der Uebergang der Muskel- in die Sehnensubstanz geschieht in einer
rechtwinklig oder selbst spitzwinklig gebrochenen Linie mit abgerundetem
Scheitel (Fig. 23.24). Der Eine Schenkel dieser Linie läuft gerade oder sanft
wellenförmig gebogen, fast vertical neben dem lateralen Rande der Rectus
herab, den er am oberen Ende medianwärts um Weniges überragt, während
er gegen das untere Ende, wo der Rectus schmaler wird, lateralwärts von
demselben zurückweicht; der andere Schenkel zieht horizontal längs dem
oberen Rande des Hüftbeins von hinten nach vorn, anfangs dicht über dem
Beckenrande, nach vorn sich von demselben erhebend. Der abgerundete
Scheitel, in welchem jene verticale und diese horizontale Linie sich ver-
einigen, liegt demnach medianwärts neben und über der Spina iliaca ant.
sup. Die Fasern der Sehne haben zum Theil die gleiche Richtung mit den
Muskelfasern, als deren Fortsetzungen sie erscheinen. Die hintersten oder
untersten, den beiden untersten Muskelzacken entsprechend, heften sich
nach kurzem Verlaufe an den oberen Rand des Darmbeins oder an die
äussere Fläche dieses Knochens in der Nähe des oberen Randes bis zur
Spina ant. sup., indem sie theilweise in die Fascie des M. gluteus med. über-
gehen. Die Sehnen, welche aus den vier bis fünf oberen Muskelzacken sich
entwickeln, reihen sich zu einem breiten und festen fibrösen Blatt anein-
ander, welches vor dem M. obl. int. und rect. vorüber zur Mittellinie ver-
läuft, mit dem medialen Rande in der Linea alba und mit der vorderen ab-
gestumpften Spitze auf dem oberen Rande des Schambeins endet.
Zwischen den an das Darmbein und den geradezu an das Schambein sich
ansetzenden Fasern liegt noch eine Anzahl, deren Verlauf dadurch ver-
wickelt wird, dass sie auf Gebilde treffen, welche über die Ineisura iliaca
minor und major aus der Leibeshöhle heraus und an die Vorderfläche des
Schenkels herabgehen, und dass sie mit diesen Gebilden theils Verbindun-
gen eingehen, theils sich über dieselben hinwegschlagen. £
Lig. inguin. Zwischen der Spina iliaca ant. sup. und der Eminentia iliopectinea deckt
°S _ derM.iliopsoas (Fig.25.Jp) den Rand des Beckens; von dem medialen Theile
der Linea iliopectinea aus läuft der M. pectineus (Fe) lateralwärts herab, beide
von Fascien bekleidet, welche an der Eminentia iliopectinea mit der Beinhaut
des Beckens verwachsen sind. In der Aushöhlung zwischen der median-
wärts abfallenden Fläche des M, iliopsoas und dem M. pectineus liegen die
Schenkelgefässe, die Arterien lateral, die Vene in der Mitte, die Lymph-
gefässe mit den Drüsen am nächsten der Medianebene. Der F. iliaca,
welche im Becken den M. iliopsoas deckt, mischen sich, an der Austritts-
stelle dieses Muskels aus dem Becken, vom oberen und vorderen Rande des
Darmbeins her Faserbündel bei von hauptsächlich transversaler Richtung;
unter diesen zeichnet sich ein mächtigerer Strang aus, den man wegen
seiner besonderen Stärke, und weil er nach kurzem Verlaufe die Fascia iliaca
wieder verlässt, als ein eigenthümliches, dieser Faseia eingewebtes Band
betrachten darf. Ich nenne es Lig. inguinale ext.‘). Es entspringt von
der Spina il. ant. sup. mit zwei platten Wurzeln, einer vorderen und hin-
teren, die, mit den Flächen frontal gestellt und bald nach dem Ursprunge
!) Ein nicht in Aufnahme gekommener Name, womit Hesselbach den gewöhnlich
sogenannten Schenkelbogen bezeichnet. Der Schenkelbogen, Arcus eruralis (Lig. Fallopiae
Obliquus ext. 59
zusammentretend, einen kurzen und engen Canal umschliessen, in welchem der
Fig. 25.
N. cutaneus lat. (Nel
Fig.25) nach aussen tritt.
Sodann verläuft es quer
in der Fascia iliaca, bis
zu der Stelle, wo die
Art. cerur. auf diese
Fascie zu liegen kommt,
und hier trennt es sich
von der letzteren, um
vor der Arterie vorüber-
zuziehen. In den der
Fascia iliaca eingeweb-
ten Theil des Lig. in-
guinale ext. und, soweit
es aus zwei Schenkeln
besteht, in seinen vor-
deren Schenkel treten
von oben her Sehnen-
fasern des M. obl. ext.;
aus demselben entsprin-
gen, worauf ich zurück-
komme, die untersten
Bündel des M. obl. int.
und transversus: nach
abwärts sendet es Fasern
aus, welche eine ober-
Unterer Theil der vorderen Bauchwand mit dem oberen schlich
Theile des sanft gebeugten und auswärts gerollten Schen- flächliche Lamelle der
kels. Die oberflächliche Schenkelfaseie über dem M. sar- Schenkelfascie, über dem
torius (Sar) der Länge nach eingeschnitten und nach bei- Sun
den Seiten zurückgeschlagen. Die Fascie des M. iliopsoas = der Spina il. ant. sup.
(Jp) schräg eingeschnitten, um die Faserung dieses Mu- entspringenden M. sar-
skels und den N. cruralis (Nc) sichtbar zu machen. Die torius (Fig.25 Sar) bil-
tiefe Schenkelfascie vom Ursprung des M, pectineus (Pe) da I ittal
an abgeschnitten, Afl, Afm Mm. adduct. fem. long und n: = BASBANEN
magn. Ne? N. cutaneus lateralis. Ac Arcus crurali. Durchschnitt gewähren
Cs, @i oberer und unterer Schenkel des äusseren Leisten- diein dem Lig. inguinale
rings. @ Lig. Gimbernati. 1 Samenstrang.
ext. zusammentreffenden
Fascien das Bild eines Andreaskreuzes. Der obere und untere Arm der
Einen Seite gehört der Faseia iliaca (Fig. 26 Fil), von der anderen Seite
gehört der obere Arm der Sehne des Obl. ext. (Oae), der untere dem
oberflächlichen Blatte der Schenkelfascie (#'fs) an. Kurz vor ihrer Ver-
schmelzung mit der Sehne des Obl. ext., und also gewissermaassen noch
innerhalb des Beckens ist die Fascia iliaca mit einer anderen Fascie bereits
“ zusammengetreten, der Fascia transversalis (7'i), welche die hintere Fläche
8 ’
der vorderen Bauchwand oder den M. transv. abd. an seiner freien Fläche
s. Poupartü s. Vesali aut. Lig. iliopubicum Velpeau) ist ein willkürlich abgegrenzter,
von der Spina iliaca amt. sup. zum Tuberc. pubis gespannter Streifen Sehnensubstanz,
welcher unser Lig. inguinale ext. nebst einem Stück des unteren Randes der Sehne
des M. obl. ext enthält.
Arcus
cruralis
60 Obliquus ext.
überzieht, demnach einen der Sehne des Obl. ext. parallelen Verlauf hat, und
unter dem gleichen Winkel, wie diese Sehne, sich an die Fascia iliaca anlegt.
An der beschriebenen Kreuzform des sagittalen Durchschnitts erscheint da-
Fir. 2%. durch der Eine obere Arm (hier
der linke) verdoppelt. Der Raum
zwischen den parallelen Linien
bezeichnet die Mächtigkeit der
Museulatur der Bauchwand und
wird von den Durchschnitten
des M. obl. int. (Oai) und Trans-
versus (7'a) erfüllt; den Raum
zwischen der inneren Parallel-
linie und dem anderen oberen
Arme nehmen Baucheingeweide
ein; der nach oben offene Winkel
selbst ist Boden der Bauchhöhle ;
er ist durch ein Fascienblatt, wel-
ches die in diesem Winkel late-
ralwärts verlaufenden Vasa cir-
cumflexa il. deckt, und durch
den Uebergang des Peritoneum
von der vorderen auf die hin-
tere Wand ausgerundet.
Mit dem Lig. inguinale ext. (ie)
hängt endlich noch die Fascia
superficialis (/"s), welche übri-
genscontinuirlich von der Bauch-
Sagittaldurchschnitt der Bauchwände und des Zur Schenkelgegend übergeht,
Oberschenkels durch das Hüftgelenk, lateraleSchnitt- durch straffe Fasern zusammen.
fläche. C’p Schenkelkopf. /p M. iliopsoas, zum iese F: “ -
Theil schräg durchschnitten. Ip‘ Sehne dessel- De EN) befestigen
ben. Sar M. sartorius. Rf M. rectus femoris. die Fascia superficialis und mit
ihr die Haut an die tieferen
Theile längs der Linie, welche in der Haut als Leistenfurche, Suleus
inguinalis, erscheint und die Grenze zwischen Unterleibswand und Schen-
kel bezeichnet. Vermöge der Kreuzung der genannten Bindegewebsblätter am
Lig. ing. ext. findet ein Theil der Sehnenfasern des M. obl. ext. Gelegen-
heit, in das oberflächliche Blatt der Schenkelfascie und in die Faseia iliaca
überzugehen und durch Vermittelung der letzteren den Trochanter minor
zu erreichen. Wo aber das Lig. inguinale ext. sich aus der Verbindung
mit der Fascia iliaca löst, um quer vor den Schenkelgefässen vorüber zu
gehen, da biegen auch die Fasern der Sehne des M. oblig. ext., die nächsten
fast rechtwinklig, die median- und aufwärts folgenden in immer sanfteren Bo-
gen um und streichen vor den Gefässen weg zur Gegend des Tub. pubis.
Auch hier über den Schenkelgefässen ist der Rand der Sehne nicht frei;
nach hinten biegt er, wie noch näher beschrieben werden soll, in die Fas-
cia transversalis um; abwärts setzt er sich, worauf ich bei den Muskeln der
unteren Extremität zurückkomme, in das oberflächliche Blatt der Schenkel-
faseie fort und steht ausserdem nach vorn mit der Faseia superficialis, nach
Obliquus ext. 61
hinten und unten mit dem mehr oder minder straffen Bindegewebe der Ge-
fässcheide in Zusammenhang. Doch ist die Sehne durch die Stärke, den
parallelen Verlauf und den Glanz ihrer Faserung hinreichend charakterisirt,
um reinlich, wenn auch zum Theil nur mittelst des Messers, von den angren-
zenden Theilen geschieden werden zu können (Fig. 25). So im isolirten
Zustande bildet ihr Rand den sogenannten Schenkelbogen, Arcus eru-
ralis \), der sich brückenförmig von der Fascia iliaca zum medialen Ende
der Linea iliopectinea spannt und von vorn und oben her die Lücke über-
wölbt, durch welche die Schenkelgefässe aus dem Becken hervorkommen.
Das Verhältniss des Lig. inguinale ext. zum Arcus cruralis ist ver-
schieden. Bald verlieren sich die Fasern des Bandes unmerklich zwischen
denen der Sehne, bald gehen sie um den unteren Rand ‘der Bauchwand
herum auf die hintere Fläche derselben und in das Lig. inguinale int.
(s. unten) über, bald strahlen sie vom unteren Rande her über die vordere
Fläche der Sehne des M. obl. ext. aus, wo wir ihnen als Fibrae intercolum-
nares sogleich bei der Beschreibung des Leistenrings wieder begegnen werden. Acusserer
Die Sehne des M. ob]. ext., im oberen Theile der vorderen Bauchwand "“tenrine-
gleichförmig fest und nur von kleinen rundlichen Oeffnungen zum Durch-
tritt der Hautgefässe und -Nerven durchbrochen, erhält gegen den unteren
Rand ein mehr streifiges Ansehen, indem die Fasern sich auf breitere und
schmalere glänzende Bänder zusammendrängen, welche mit dünneren, durch-
sichtigen Stellen alterniren oder selbst Lücken, durch welche die tiefere
Muskelschichte hervorsieht, zwischen sich lassen. Eine solche Lücke findet
sich beständig in der Nähe der vorderen Beckeninsertion, zwischen den
Fasern, die an das obere Ende der Schambeinsynchondrose, und den Fa-
sern, die an die Gegend des Tuberculum pubis treten. Die Divergenz der
Fasern beginnt schon auf halbem Wege zwischen dem Ursprunge der Seh-
nen am Muskel einerseits und ihrer Endigung am Knochen andererseits;
jedoch schliessen transversale oder schräg aufsteigende, aus dem Lig. ing. ext.
ausstrahlende Fasern, die bereits erwähnten Fibrae intercolumnares 2) (Fig.
27 F’fi), den oberen Theil der Lücke und lassen zuweilen eine nur kreis-
förmige, in der Regel jedoch in einer dem Faserzug der Sehne parallelen
Richtung verlängerte, elliptische bis spaltförmige Oefinung übrig. Dies ist
der äussere Leistenring, Annulus inguinalis ext. 3), durch welchen
beim Manne der Samenstrang, beim Weibe das runde Mutterband aus der
Bauchhöhle hervortritt.
Die Sehnenfasern des M. obl. ext., so weit sie zur Begrenzung des äusse-
ren Leistenrings beitragen, werden Pfeiler oder Schenkel desselben ge-
nannt: man unterscheidet einen oberen Pfeiler, welcher zugleich der me-
diale ist, und einen unteren, zugleich lateralen®).
Der obere Pfeiler, Ürus superius, des äusseren Leistenrings setzt sich
aufwärts ununterbrochen in das Sehnenblatt des M. obl. ext. fort; er ist, wie aus
"OB BE WER
D) Ich nehme das Wort hier in einem engeren, als dem gewöhnlichen Sinne, van
nach es, wie bereits erwähnt, auf einen Sehnenstreifen bezogen wird, der lateralwärts bis ‘
an die Spina iliaca ant. sup. reicht.
2) Fibrae collaterales, Winslow.
3) Anmulus abdominalis s. abd. ext. Apertura ext. canalis inguinalis, vorderer, unterer,
äusserer Leisten- oder Bauchring.
*) Crus internum und externum aut,
62 Obliquus ext.
der eben gegebenen Darstellung hervorgeht, nichts Anderes, als der freie Rand
des bis zur Mittellinie fortschreitenden Theils dieses Sehnenblattes selbst.
Indem der rechte dem linken unter einem rechten oder spitzen Winkel be-
gegnet, stellen sie in ihrer einfachsten Form eine Art Spitze oder Schneppe
dar, mittelst welcher die Fasersubstanz der Linea alba an die Vorderfläche
Vordere Bauchwand von vorn. Samenstrang (1) am Austritt aus
der Bauchwand und Penis an der Wurzel abgeschnitten. Zsp Lig.
suspensorium penis. 7fi Fibrae intercolumnares. ZdM. latiss. d.
Sa M. serrat. ant. Pmj* Zacke des M. pect. maj. * S. p. 64
derSchambeinsyn-
chondrose mehr
oder minder straff
angeheftet ist. Oft
gehen über diese
Spitzen hinaus die
untersten Fasern
beider Sehnen in
die Fascie der Ad-
ductoren ihrer
Seiteoder gekreuzt
vondereinen Seite
in die Fascie der
Adductoren der
anderen über; ein
paar Fasern bie-
gen zuweilen ge-
gen den Rücken
des Penis in des-
sen Lig. suspenso-
rium (Lsp) um.
Der untere Pfei-
ler des äusseren
Leistenrings, Ür.
inferius, macht
eher den Eindruck
eines selbstständi-
gen Sehnenstran-
ges. Er ist schmal
und platt, mächti-
ger, als der obere
Pfeiler und durch
den medianwärts
absteigenden Ver-
lauf seiner glän-
zenden Fasern
scharf gegen die
Fascie des Obew
schenkels, die sich
von unten her an
ihn anlegt, abge-
setzt. Die Insertion am Becken nimmt, wie erwähnt, die Gegend des Tubere.
pubis ein; sie reicht sowohl median- und abwärts, als auch lateral- und auf-
Obliquus ext. 63
wärts eine Strecke weit über dasselbe hinaus, so zwar, dass die den Bauchring
zunächst begrenzenden, obersten Fasern des Stranges über das Tuberculum
hinweg auf die vordere Wand des Beckens und, verschmolzen mit der la-
teralen Sehne des Rectus, in die Fascie der Adductoren ihrer Seite aus-
strahlen, die übrigen Fasern aber in der Reihe, wie sie nach abwärts fol-
gen, sich vom Tubereulum an weiter lateral- und rückwärts an das vordere
Ende der Crista ilio-pectinea und theilweise an die Fascia pectinea selbst
ansetzen. Durch diese Art der Ausbreitung geht der unterste Theil der
Sehne des Obliquus ext. in dem Maasse, als er sich dem Tuberc. pubis nä-
hert, aus der anfänglich frontalen Lage seiner Flächen in die horizontale
über; die oberen an der Vorderfläche des Schambeins haftenden Fasern bil-
den, die Bauchwand von vorn betrachtet, die Fortsetzung des Schenkelbo-
gens und den unteren scheinbar scharfen Rand der Sehne des M. obligq. ext.;
ich werde sie, wo es auf genaue Bestimmung ankommt, eigentlichen un-
tern Pfeiler des Leistenrings, Urus infer. annuli inguin. s. s., nennen. Die
tieferen Fasern weichen hinter diesen Rand zurück und füllen den Winkel
aus, den er mit dem vorderen Ende der Crista iliopectinea einschliesst. Sie
stellen demnach ein dreieckiges Bändchen, Lig. Gimbernati (Fig. 25 @ }), dar,
mit angeheftetem vorderen und hinteren, lateralwärts schauendem freien Rande;
im isolirten Zustand plan, wird das Bändchen durch die Schenkelfascie, die
sich längs einer vom freien Rande zum medialen Winkel verlaufenden Linie
an seine untere Fläche ansetzt, abwärts gewölbt und in eine aufwärts offene
Rinne verwandelt, in welcher der Samenstrang (das Lig. uteri teres) ruht,
bevor er (es) aus dem Bauchringe hervortritt.
Wird der Samenstrang und das lockere Bindegewebe, welches neben
demselben das Lumen des Bauchrings erfüllt, weggenommen, so erscheint
im Grunde des letzteren, als dessen hintere Wand ?) das querfaserige von
den Sehnen der tieferen Bauchmuskeln gebildete vordere Blatt der Scheide
des Rectus. Dasselbe lässt in der Regel den M. pyramidalis oder, wenn
dieser fehlt, das verticalfaserige untere Ende des M. rectus hindurch-
schimmern, dessen Sehne hinter dem oberen und vor dem unteren Pfeiler
des Leistenrings über den Beckenrand herabsteigt. Je nachdem sodann der
Bauchring lateralwärts mehr oder minder weit geöffnet ist, wird neben der
Rectusscheide ein grösserer oder geringerer Theil der Sehnen und wohl
auch der Muskulatur der tieferen transversalen Schichten sichtbar. Häufig
trägt indess der M. obliq. ext. selbst zur Verstärkung der Hinterwand des
Leistenrings bei. Das Gimbernat’sche Band endet nämlich nicht immer
an der Crista iliopectinea; es überschreitet sie, verschiebbar mit seiner un-
U) Doblez o pliegue del arco crural, Gimbernat (nuevo metodo de operar en la hernia
erural. Madrid 1793). Ich brauche den Namen hier in dem Sinne wie Hey (practical
observations on surgery, 3. Edit. Lond. 1815, p. 146) und Cloquet (recherches anatomiques
sur les hernies de labdomen. Paris 1817, p. 60). Auf die Bedeutung, welche er bei ande-
ren Autoren hat, komme ich bei Beschreibung des Schenkelcanals zurück, Cruveil-
hier unterscheidet den eigentlichen unteren Pfeiler des äusseren Leistenrings und das
Gimbernat’sche Band als portion directe und portion reflechie. Cooper (the anatomy
and surgical treatment of abdominal hernia 2. Edit. Lond. 1827, p. 4) nennt das Gimber-
nat’sche Band ‚‚dritte Insertion des M. obl, ext.“
®) Schenkelfläche (Facies int:reruralis) des vorderen Leistenrings Hesselbach (neueste
Untersuchungen über den Ursprung und das Fortschreiten der Leisten- und Schenkel-
brüche. Würzb. 1815, S. 4).
64 Obliquus internus.
teren Fläche an dieselbe angeheftet und setzt sich in dem vorderen Blatte
der Scheide des Rectus, als vorderste Schichte desselben, bis zur Linea alba
und demnach bis zur Vereinigung mit dem medialen Ende des oberen Pfei-
lers des Leistenrings fort (Fig. 27 *). Der obere Rand dieser den Hinter-
grund des Bauchrings auskleidenden Portion des Gimbernat’schen Bandes,
man könnte es Lig. Gimbernati reflexum nennen !), ist dann entweder
scharf, schräg medianwärts aufsteigend abgesetzt, oder er verliert sich in die
Sehnenfasern des M. obliq. internus.
Ich habe erwähnt, dass der spitzwinklig dreiseitige, mit der Spitze la-
teralaufwärts gerichtete Schlitz, den die auseinander weichenden Sehnen-
fasern des M. oblig. abd. ext. begrenzen, von der oberen Spitze her mehr
oder minder weit hinab durch die Fibrae intercolumnares geschlossen wird.
So erhält die obere Spitze des äusseren Leistenrings eine abgestumpfte,
häufig eine abgerundete Form und da auch gegen das untere Ende dessel-
ben die Pfeiler sich gegen einander neigen, so ist seine gewöhnliche Form
die eines Ovals oder selbst einer Ellipse; die längste Axe hat beim Manne
etwa 25 bis 30, die kürzere etwa 12 bis 15 Millim. Durchmesser. Jedoch
sind Grösse und Form vielen Schwankungen unterworfen, die Form inson-
derheit auch dadurch, dass die Fibrae intereolumnares von sehr wechselnder
Stärke sind und an dem Verschlusse der Oeffnung einen wechselnden An-
theil nehmen. Nicht selten, besonders bei Frauen, sind sie ganz unschein-
bar; in anderen Fällen setzen sie sich in ansehnlicher Stärke trichterförmig
auf die aus dem Leistenringe hervortretenden Gebilde, namentlich auf das
Bindegewebe des Samenstrangs fort und dann kann man die Ränder der
äusseren Leistenöffnung nur künstlich und mit einiger Willkür darstellen.
Durchgängig sind im weiblichen Körper die Dimensionen des Leisten-
rings geringer, als im männlichen.
Var. Eine merkwürdige Anomalie des M. obliq. abd. ext. beobachtete Po-
land (Guy’s hospital rep. 1841. Apr. p. 191) bei einem Subjeet, bei welchem
mehrere Muskeln des Stammes unvollkommen entwickelt waren. Der genannte
Muskel entsprang von den Körpern der sechs untersten Rippen, mitten zwischen
Winkel und vorderem Ende des Rippenknochens und erhielt noch ein Fascikel
vom vorderen Ende des achten Rippenknochens.. Er wurde sehnig in der Höhe
des Nabels, heftete sich an das Becken in gewöhnlicher Weise, blieb aber ohne
alle Verbindung mit der Scheide des Rectus, so dass neben dem lateralen Rande
dieser Scheide der M. oblig. int. eine Strecke weit unbedeckt lag.
2. M. obliquus internus, Oai?).
2. Obl. int. Der Ursprung dieses Muskels nimmt die nach aussen abhängige Fläche
des oberen Randes des Darmbeins vom Ende der Linea glutea posterior
bis zur Spina iliaca ant. sup. ein, geht nach hinten mehr oder minder weit
an der Fascia lumbodorsalis oder am Lig. lumbocostale hinauf und setzt
sich von der Spina iliaca ant. sup. nach vorn auf das Lig. inguinale ext.
I) Cloquet’s faisceau ü fibres rayonnees appartenant a la gouttiere du grand oblique.
Pl. I, fig. 1. 8; Pl. II, J. Lig. inguinale in. Bourgery. Lig. triangulare Colles.
Malgaigne undCruveilhier betrachten diese Faserausbreitung, die sie unter dem Na-
men „Ligament de Coles‘‘ anführen, als Fortsetzung des oberen Pfeilers des Leistenrings
der entgegengesetzten Seite.
2) M. oblig. abd. internus s. ascendens s. obligue ascendens. Innerer schiefer Bauch-
muskel. Petit oblique.
Obliguus int.
65
und zuweilen noch weiter auf die innere Fläche des Schenkelbogens fort.
Er ist in dieser ganzen Ausdehnung sehnig; doch gehen alsbald die Sehnen
in Muskelbündel über, welche fächerförmig, die hintern oder obern schräg
und allmälig geneigter auf- und vorwärts, die an der Spina iliaca entsprin-
senden horizontal, die vordersten dem Schenkelbogen parallel schräg ab-
wärts sich ausbreiten.
KES
SE
DE
SEE
II
SS
SS
ET
IS
SEES
——G
I
Bauchwand im Profil. Der M. obl. abd. ext. dicht unter
den Rippenursprüngen, über dem Beckenursprunge und am
Schenkelbogen abgeschnitten; der Beckenursprung nach un-
ten umgeschlagen. Oae7 Schnittrand desM. obl. abd. ext.
längs der Verbindung mit dem Obl. abd. int. Je, Ji M.
intercost. ext. und int. **Lateraler Rand der Scheide des
Rectus. ***Knorpelstreif und Inscriptio tendinea in der
Flucht der elften Rippe s. Var.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3.
Das auf diese Weise
zusammengesetzte Mus-
kelblatt ist gegen die
Insertionssehne, gleich
dem Muskelblatt des
M. oblig.ext., durch eine
recht- oder spitzwinklig
gebrochene Linie abge-
grenzt, ebenfalls mit ei-
nem verticalen undeinem
horizontalen Schenkel,
deren horizontaler
Schenkel aber dem unie-
ren Rande des Brust-
korbs parallel und dicht
unterhalb desselben hin-
läuft, und deren Scheitel
sich unterhalb der vorde-
ren Spitze des zehnten
Rippenknorpels findet.
DieInsertion der Sehne
am Brustkorb erfolgtmit-
telst drei Dentationen,
die sich treppenförmig
an den unteren Rand der
Spitze der zwölften Rip-
pe, an den je die nächst
untere Rippe überra-
genden Theil der elften
und zehnten Rippe an-
setzen und in den Inter-
costalräumen überall
continuirlich mit den
vorderen Rändern der
Mm. intercostales intt.
zusammenhängen. Die
Muskelfasern, welche
sich zunächst an die
vorderste Rippeninser-
tion anschliessen, ver-
laufen der neunten Rip-
pe parallel, durch straffes
9)
66 Obliquus int.
Bindegewebe an den M. transversus und durch Vermittelung dieses Muskels
an den unteren Rand der Rippe befestigt. Sie setzen sich, wie die abwärts
folgenden, in Sehnenfasern fort, die an der Bildung beider Blätter der
Scheide des M. reetus Antheil nehmen, indem sie, die Einen vor dem M.
rectus, die anderen hinter demselben her zur Linea alba ziehen. Die Lamelle
der Sehne des Obl. int., welche vor dem Rectus verläuft, wird von der Sehne
des M. oblig. ext. bedeckt und ver-
Fig. 29. schmilzt unzertrennlichmitihr (Fig.29).
Die Verschmelzung erfolgt im oberen
Theile der Bauchwand am lateralen
Rande des Rectus; in der Gegend der
zweiten Inscription dieses Muskelsrückt
die Verschmelzungsgrenze median-
wärts vor und entfernt sich um etwa
den dritten Theil der Breite des Rec-
tus vom lateralen Rande desselben,
von der vierten Inscription an rückt
sie allmälig noch weiter medianwärts,
so dass über dem unteren Ende des
Rectus die Sehne des Obl. externus
sich bis zur Linea alba von der Sehne
des Obl. internus ablösen lässt (Fig.30).
Die hinter dem Rectus verlaufende La-
melle der Sehne des M. obl. int. fliesst
mit der Sehne des M. transversus zu-
sammen, reicht aber nur bis zur vier-
ten Inscription des Rectus oder etwa
bis zur Mitte zwischen Nabel und Be-
Horizontalschnitt der Bauchwand durch den ekenrand, von welcher Stelle an die
Körper des dritten Bauchwirbels. #ld Fas- Sehne des Transversus das vordere
Yan. lambocsstale. Ip M. ütonsons. Gin Blatt der Scheide des Rectus bilden
quadr. lumb. Zd@M. latissimus dorsi. Oae, hilit.
Oai Mm. oblig. abd. ext. u. int. Ta M. In demselben Maasse, wie die Ver-
transv. abd. Ra M. rectus abdominis. u
schmelzungsgrenze der Sehnen des
M. obl. ext. und int., nähertsich in dem
letztgenannten Muskel auch die Grenze
der Muskel- gegen die Sehnensubstanz von oben nach unten allmälig der
Medianebene. Längs des grössten Theils des Muskels reichen die Fleisch-
fasern bis nahe an die laterale Kante der Scheide des Rectus oder bis an
die Kante selbst, und die Sehne geht sogleich in zwei Blätter gespalten aus
dem Muskel hervor. Gegen das untere Ende aber, von der Stelle an, wo
die Sehnenfusern des Transversus sich auf die vordere Fläche des Rectus
wenden, erhalten sich die Fasern des M. obliq. int. über den lateralen Rand
des Rectus hinaus fleischig.. Die untersten gerathen zugleich in eine Art
von Unordnung, indem die tieferen Fasern zum Theil unter spitzem Win-
kel über die höher entspringenden hinweggehen und einzelne schmale und
platte Bündel mit selbständigen Sehnen fast bis zur Mittellinie vordringen,
um sich in der Fascia des M. pyramidalis zu verlieren oder hinter dem
Transversus abd. 67
unteren Pfeiler des Leistenrings an das Tuberculum pubis und die Crista
iliopectinea zu befestigen.
Einzelne der untersten oder nächst untersten Bündel sind es, welche
als Cremaster !) mit dem Samenstrange aus dem äusseren Leistenringe her-
vortreten in Form einer Anzahl abwärts convexer Schleifen, von denen die
Fio. 30. längsten schleuderartig unter dem
Testikel herumgehen, so ala ob
derselbe sie beim Durchtritt durch
den Bauchmuskel gedehnt und
vor sich her getrieben hätte, in-
dess die kürzeren und flacher
gebogenen in der vorderen, sel-
tener in der hinteren Wand des
Samenstrangs angeheftet liegen.
Im weiblichen Körper geht das
Lig. uteri teres häufig am unte-
ren Rande des Obliq. int. und
Transversus vorüber; durchsetzt
es aber den Obliquus, so schiebt
es ebenfalls Bündel dieses Mus-
kels, die dem Cremaster analog
sind, vor sich her.
Var. Der M. obl. int. giebt zu-
weilen den vier untersten Rippen
Insertionen. Die Insertion, welche
zur zehnten Rippe aufsteigi, ist von
der Spitze der elften an durch eine
sehnige Inscription unterbrochen, so
dass vom M. obl. abd. int. eine Art
Intercostalmuskel abgegrenzt wird,
der von der genannten Inscription
zur Rippe aufwärts steigt. Einige
Male fand ich im vorderen Theile
der Inseription einen schmaler und
kurzen Knorpelstreifen (Fig. 28,
30 ***), Alles Zeugnisse für die Iden-
tität der Inscriptionen mit Rippen
und des M. oblig. int. mit inneren
Bauchwand von vorn; M. obl. ext. durchschnitten Intercostalmuskeln.
und weggenommen wie in Fig. 28. nur noch
dichter an den Rippenursprüngen, so dass die 3.
tiefen Zacken (Oae‘) sichtbar werden. ie Lig.
inguin. ext. 1 Samenstrang. Die übrige Be-
zeichnung wie in Fig. 28.
M. transv.abdominis, Ta.
Entspringt mit sechs platten Za-
cken von den sechs die untere
Oeffnung des Brustkorbs begrenzenden Rippen, mit einem continuirlichen Blatt
vom Lig. lumbocostale und durch dessen Vermittelung von den Querfortsätzen
sämmtlicher Bauchwirbel, sodann vom inneren Abhange des oberen Darm-
beinrandes und vom Lig. inguinale ext. gedeckt durch den Ursprung des
M. oblig. int., von dem der Transversus indess gewöhnlich nach vorn und
t) Hodenmuskel.
5*
3.
Trausv.
abd.
68 Transversus abd.
hinten etwas überragt wird.
Die Rippenursprünge haften an der inneren
Fläche der Knorpel, dicht vor deren Verbindung mit dem Knochen, treten
also unter dem Rande des Brustkorbs um so weiter nach hinten hervor,
von je tieferen Rippen sie abgehen; sie werden durch die Rippenursprünge
des Zwerchfells, die sich zwischen sie einschieben, anfänglich auseinander
gehalten, vereinigen sich aber alsbald unter dem Rande des Brustkorbs.
Fig. 31.
— \
N 3 hl h \
/ {RUREITEATRLDBIERLENUNN THAI
IN —N
Vordere Bauchwand.. M. obliq. abd. ext. und
int. bis auf die herabgeschlagenen Beckenur-
sprünge entfernt. Die Scheide des Rectus durch
einen Verticalschnitt geöffnet. Der mediale Theil
des vordern Blattes, Vra, mit den Spuren der
Verwachsungsstellen des M. rect. abd. an den
Inseriptiones tendineae zurückgeschlagen. M. rect.
bis auf Ursprung und Insertion ausgeschnitten.
Tta M. transv. thorant. 1, Samenstrang,
2, Vasa epigastrica.
Die ganze Reihe der Ursprünge
liegt in einer stark gekrümmten,
medianwärts concaven Linie.
Längs einer Linie von gleicher,
nur minder steiler Krümmung !)
gehen die Muskelfasern des Trans-
versus in die Insertionssehne über.
Die oberste Zacke, an deren obe-
renRandsich unmittelbar der spä-
ter zu beschreibende M. transver-
sus thoraeis ant. (Fig. 31 T'ta)an-
schliesst, inserirt sich kurzsehnig
an den Schwertfortsatz; von da
an weicht die Grenzlinie zwi-
schen Muskel- und Sehnensub-
stanz bis zur vorletzten Rippen-
zacke dem Rande des Brustkorbs
ziemlich parallel lateralwärts zu-
rück, und dringt erst gegen das
untere Ende des Muskels wieder
medianwärts vor. Die drei obe-
ren Rippenzacken liegen ganz
und die vierte zum grössten Theil
hinter dem Rectus; sie sind zu-
nächst bedeckt von einer am
Rande des Brustkorbs entsprin-
genden Fascie, mit welcher sich
die Fasern der hinteren Lamelle
der Sehne des M. obl. int. mischen
und von dieser Lamelle selbst,
welche sich von den Muskelfasern
abziehen lässt, aber mit der Sehne
des Transversus bald untrennbar
verwächst.e. Von der zehnten
Rippe an erreichen die Muskel-
fasern nicht mehr den lateralen
Rand der Scheide des Reectus,
und gerade an diesem Rande
findet die Verschmelzung der
Sehne des Transversus mit dem hinteren Sehnenblatt des Oblig. int. Statt.
\) Linea semihimaris Spigelü aut.
Fascien der Bauchwand. 69
Einige Zoll unterhalb des Nabels, in gleicher Höhe mit der vierten
Inscription des Rectus, wenn eine solche vorhanden ist, erhalten die Sehnen,
die zur. Bildung der Scheide des Rectus beitragen, plötzlich eine andere
Anordnung. In dieser Gegend verdünnt sich nämlich das hintere Blatt
dieser Scheide ; das glänzend fibröse, querstreifige Gewebe desselben endet
mit scharfem, conecavem Rande D), und nur eine dünne gleichförmige Binde-
gewebsschichte deekt von hier an die hintere Fläche des Muskels. Die
Sehnenfasern des Transversus, welche bis dahin in jene fibrösen Streifen
des hinteren Blattes der Scheide des Rectus sich fortsetzen, schlagen sich
unterhalb des erwähnten Randes auf die Vorderfläche des Rectus hinüber
und bilden nunmehr das vordere Blatt seiner Scheide, mit welchem erst die
Sehne des Oblig. int. und weiter medianwärts die Sehne des Obliq. ext.
sich vereinigt. Unten, dicht über dem Becken, verwachsen die Sehnenfasern
des 'Transversus mit dem lateralen Rande der Sehne des Rectus. Der
scharfe Rand aber, mit welchem im hinteren Blatte der Scheide des Rectus
die Sehne des Transversus zu enden scheint, ist nur das obere Ende eines
tiefen, halbmondförmigen, mit der Concavität medianwärts gerichteten Aus-
schnitts, der offenbar zu Gunsten der Vasa epigastrica existirt und den
Eintritt dieser Gefässe in die Scheide des Rectus gestattet. Genügte dazu
auch eine kleinere Oeffnung, so kann es doch für die Bewegung des Blutes
im Stamme der Art. und Vena epigastrica nur förderlich sein, dass ihnen
nicht die straffe Fascie, sondern der lufthaltige und daher elastische Darm
zur Unterlage dient.
Ein Zweig der Art. und Vena circumfl. ilium geht zwischen dem M. oblig.
abd. int. und transv. vom Schenkelbogen aus in die Höhe und trennt die beiden
Muskeln. Dennoch, da sie beide gegen den unteren Rand in Bündel zerfallen, die
nicht immer parallele Richtung einhalten, ist es zuweilen schwer, genau zu bestim-
men, was dem Einen und anderen Muskel angehört, und es kann scheinen, als ob
auch der Transversus mit einzelnen Fasern unterhalb des Samenstrangs verlaufe
und sogar Fasern in den Cremaster abgebe. Keinenfalls aber ist dies die Regel,
und meine Beobachtungen stimmen darin mit denen Scarpa’s (Sull’ ernie. Pavia
1819. p. 5) überein, dass der Samenstrang normal unterhalb des unteren Randes
des M. transversus die Bauchwand durchbricht. Im Uebrigen variirt die Ausdeh-
nung des Ursprungs beider Muskeln vom Schenkelbogen, sowie auch die unter-
sten Bündel mit ihren Insertionen an der Scheide des Rectus und am Tub. pubis
vielfach übereinandergreifen. Vergl. Knox, Lond. med. gaz. Vol. XXXIIL p. 536.
Oetters sah ich Bündel des Cremaster von der Fascia transversalis entspringen.
Fascien der Bauchwand.
Die Faseia superficialis ist mit den fibrösen Gebilden der Bauchwand yaseien
straffer verbunden längs der Linea alba, am Nabelringe und, wie bereits er- F- superfic.
wähnt, längs der von der Spina il. ant. sup. zum unteren Pfeiler des Bauch-
rings schräg absteigenden Linie, in welcher die Sehne des M. obl. ext. mit dem
oberflächlichen Blatte der Schenkelfascie zusammenstösst. Das Bindegewebs-
blatt (Fig. 26. F's‘), welches sich horizontal oder richtiger rückwärts absteigend
zwischen der inneren Fläche der Faseia superficialis und dem Schenkelbogen
erstreckt ?), dient zugleich, die Saugadern der unteren Fläche der Bauch-
2) Linea s. Plica semilumaris Douglassü aut.
2) Fascia Scarpae Struthers (Monthly Journal 3. ser. Vol. IX. p. 405).
F.
trausv.
70 Fascien der Bauchwand.
wand zu den Inguinaldrüsen und die Vasa epigastr. extt. von den Schenkel-
gefässen aus zur vorderen Bauchwand zu leiten. Der an den unteren
Pfeiler des Bauchrings angeheftete Theil der Faseia superf.1) wird zur
äusseren Hülle des aus dem Bauchringe hervortretenden Samenstrangs (und
ebenso der aus dem Bauchringe hervortretenden Hernien, denen er die
Richtung nach dem Serotum giebt). Je mehr Fett die Faseia superf. ent-
hält, desto grösser ist — in sagittaler Richtung — die Ausdebnung des ge-
dachten Blattes; in mageren Körpern dagegen liegt es dicht auf der Sehne
des M. obliq. ext. mit Faserbündeln, welche mit den Fibrae intereolumnares
gleiche Richtung haben und sich auf- und medianwärts verlieren.
Zwischen den Bauchmuskeln finden sich dünne Bindegewebsschichten,
welche zuweilen den Charakter fibröser Faseien annehmen.
Fig. 32.
Vordere Bauchwand, hintere Fläche nach Entfernung des Bauchfells,
der Samenstrang (1) beim Eintritt in die Bauchwand abgeschnitten, die Harnblase (3)
über dem unteren Ende abgeschnitten und zurückgeschlagen. pp Ligg. puboprostatica.
Ra M. rectus abd. ‘A. Adminiculum lineae albae.
Auf der inneren Fläche des M. transversus bleibt, wenn man das locker
angeheftete Peritoneum von derselben abgelöst hat, eine Lage Bindegewebe
zurück, die besonders in der Nähe des unteren Randes glänzend sehnenartig
und in parallele Faserzüge geordnet ist. Dies ist die Fuscia transversalis ;
1) Septum inguinale ext. Petr&quin.
Fascien der Bauchwand. zei
die stärkeren Faserzüge des unteren Randes!) gelien von der Gegend des
medialen Endes der Linea iliopectinea nach zwei Richtungen ab, die Einen,
Lig. inguinale int. lalerale?), parallel dem Schenkelbogen, also mit ge-
ringer Steigung lateralwärts, die anderen, Lig. ing. int. mediale >), steil
medianwärts aufsteigend.
Das Lig. ing. int. laterale ist ein platter, an seinem Ursprunge zien-
lich mächtiger Sehnenstreifen, der sich gegen die Spina il. ant. sup. hin
fächeriörmig zertheilt und verliert. Den Fasern, welche hinter der Inser-
tion des Gimbernat’schen Bandes und lateralwärts von derselben an der
Linea iliopectinea und an der Fascia pectinea entspringen, gesellen sich in
der Regel noch einige Bündel bei, welche vom oberen Rande des Adminiculum
lineae albae (Fig. 32 A) geradezu in den oberen Rand des Lig. ing. int. laterale
umbiegen. Die Ausstrahlung dieses Bandes geschieht gegen die Stelle, wo
sich der Schenkelbogen von der Fascia iliaca trennt, in der Weise, dass
der obere Theil der Fasern sich bogenförmig an der vorderen Bauchwand
hinaufzieht, der untere Theil in die Fascia iliaca übergeht. Nur wenige
setzen sich in das Lig. ing. ext. fort; die untersten neigen sich im Bogen
abwärts, um den spitzen Winkel zwischen der Fascia iliaca und dem Schenkel-
bogen auszurunden (Fig. 25). Während das Lig. ing. int. lat. aufwärts sich in
die unentschiedene Faserung der Fascia transversalisallmälig verliert, tritt es
am unteren Rande mit der Sehne des M. obliquus ext., die den Schenkel-
bogen bildet, zusammen und schliesst so die Rinne, in welcher die untersten
Bündel des M. obl. int. und transvers. abd. und der Samenstrang (das Lig.
uteri teres) ruhen.
DasLig. ing. int. mediale ist in Ausdehnung und Stärke verschieden.
Es ist mitunter auf einige Faserbündel redueirt, welehe durchkreuzt mit
den Ursprüngen des gleichnamigen äusseren Bandes, lateralwärts neben
der Sehne des Reetus von der Linea iliopectinea entstehen und sich in me-
dianwärts aufsteigender Richtung an den Rand des Reetus sämmtlich so
anlegen, dass sie nur wie eine Ausbreitung der lateralen Sehne des Rectus
erscheinen. In der Regel ist das Ligament breiter; dann erstreckt sich die
Basis desselben auf den freien Theil des Lig. ing. int. laterale; seine seit-
lichsten Fasern entspringen an dem Schenkelbogen und verlieren sich neben
dem Rectus in der Fascia transversalis.
Der laterale Rand des Lig. ing. int. mediale bildet mit dem oberen
Rande des Lig. ing. int. laterale einen stumpfen Winkel, welcher durch bo-
genförmig von dem Einen Rande auf den anderen übergehende Fasern aus-
gerundet wird. Diese bogenförmigen Fasern begrenzen von der medialen und
unteren Seite den inneren Leistenring, Ann. ing. int. %), wie die Lücke der
Fascia transversalis genannt wird, an welcher die Elemente des Samenstrangs,
das Vas deferens und die Vasa spermatica intt., sich begegnen, um vereint den
») Lig. inguinale int. Hesselbach.
2) Aeussere Portion der Fascia transversalis Cooper (a... 0. Part II. Taf. 3. Fig. 5 f).
Aeusserer Schenkel des inneren Leistenrings Hesselbach. Bandelette ilio - pubienne
Thomson.
3) Innere Portion der Fascia transversalis Cooper (a. a. O. 9). Innerer Schenkel
des inneren Leistenrings, Hesselbach.
1) Annulus abdominalis int. Apertura int. can. inguinalis. Innerer, oberer oder hinterer
Leistenring.
Lig. ing.
lat.
Lig. ing.
med.
Ann. ing.
int.
72 Fascien der Bauchwand.
Weg durch die Bauchwand fortzusetzen. Auf diesem Wege werden sie von
einer Lage Bindegewebe begleitet, welches mit der Fascia transversalis zu-
sammenhängt und sich demnach als eine aus der letzteren hervorgestülpte
blindsackige Scheide — Proc. vaginalis fasciae transv. Nuhn!) — betrachten
lässt. Der innere Leistenring wäre alsdann der Eingang dieses Proc. vagi-
nalis, seine scharfe untere Begrenzung wäre eine Falte — Plica semihmaris
Faseide transversalis, Krause — in deren Rande die eigentliche Fascia
transversalis und die untere Wand des Proc. vaginalis unter einem sehr
spitzen Winkel aneinanderstossen, während in die obere Wand der Aus-
stülpung die Fascia transversalis fast eben und ohne scharfe Grenze über-
geht 2).
Ich bemerke wiederholt, dass diese Beschreibung der Fascia transversalis nicht
auf alle Fälle passt. Zuweilen fehlt jede Spur der stärkeren Faserzüge, hiermit
auch die Pliea semilunaris, und die Bindegewebsbekleidung der hinteren Bauch-
wand erstreckt sich ganz Bene bis zu der Stelle, wo die Elemente des
Samenstrangs in die Bauchwand eintreten. Offenbar bedingen die Verschieden-
heiten der Stärke der Plica semilunaris die Grade der Disposition zu den soge-
nannten äusseren Leistenbrüchen, die ich als Hernien des Proc. vaginalis zu =
zeichnen vorziehen würde, und zwar die angeborenen als Bene] des Proc. va-
ginalis peritonei, die erworbenen als Hernien des Proc. vaginalis fasciae trans-
versalie. Je schärfer und gespannter die Plica semilunaris, desto ungleicher wird
die Widerstandsfähigkeit der vorderen Bauchwand, und desto Tsichier wird durch
Ausdehnung der oberhalb der Piica gelegenen Region (der Schenkelfläche des
inneren Leistenrings) der Eingang des Proc. vaginalis erweitert, während zugleich
die Festigkeit des Lig. ing. int. mediale, die a äusseren Leistenringe gegenüber
die Bauchwand verstärkt, einen Schutz gegen sogenannte innere (eigentliche oder
directe) Leistenbrüche verleiht.
Der innere Leistenring liegt oberhalb des lateralen Theiles des Schen-
kelbogens; der tiefste Punkt der Plica semilunaris ist vom Schenkelbogen
in verticaler Richtung um $8mm entfernt. Die Entfernung des inneren Leisten-
rings vom äusseren beträgt 4—5 Centimeter (11/; Zoll). Dies ist also die Länge
des Weges, welchen Gefässe und Ausführungsgang des Testikels innerhalb
der Bauchwand zurücklegen. Vom Processus vaginalis fasciae transversalis
allmälig enger umschlossen, gehen sie zuerst eine kurze Strecke schräg
hinter dem Transversus herab, stossen am unteren Rande desselben auf den
Obliquus int. und bilden sich aus den Fasern desselben eine zweite, äussere,
aber unvollständige, in vereinzelte Schleifen auseinanderweichende Scheide,
mit welcher sie aus dem äusseren Leistenringe hervortreten, um als äusserste
Scheide einen Fortsatz der Fascia superficialis vor sich her zu treiben.
Dieser Fortsatz verhält sich zur Faseia superfieialis wie der Cremaster zum
M. oblig. int. und wie der Proc. vagin. der Fascia transversalis zur Ausbrei-
tung dieser Fascie an der hinteren Fläche der Bauchwand. Nur darf man
den Ausdruck, dass der Testikel die verschiedenen Hüllen, die er von der
Bauchwand erhält, beim Herabsteigen aus der Bauchhöhle „vor sich her-
5) Untersuchungen und Beobachtungen aus dem ir der Anatomie, Physiologie
und practischen Mediein. Heft I. Heidelberg 1849. S.
*) Die, von der Bauchhöhle aus betrachtet, etwas Enaht, zunächst oberhalb der
Plica inguinalis int. gelegene Fläche ist Hesse nakuk „Schenkelfläche des hinteren
Leistenrings“.
Bauchmuskeln. 73
treibe“, nicht für eine Darstellung des Thatsächlichen halten, da schon der
Processus vaginalis des Bauchfells, welcher zu einer Zeit, wo der Testikel
noch in der Bauclhhöhle liegt, das Scrotum auskleidet, alle jene Hüllen
besitzt).
Der erste Erfolg einer Zusammenziehung der Bauchmuskeln ist offenbar Ver-
engung der Bauchhöhle; sie wird dadurch erzielt, dass die Curven, welche die
Muskelfasern zwischen ihren Anheftungs- und Insertionspunkten in der gewölbten
Bauchwand, beschreiben, sich bei der Zusammenziehung der Fasern abzuflachen
und einer geraden Linie zu nähern streben. Die Fasern der transversalen Bauch-
muskeln beider Körperhälften, welche einander in der Lineaalba begegnen, müssen,
weil diese Insertionspunkte selbst beweglich sind, als einfache, in der vorderen
Mittellinie sehnig unterbrochene Bogen angesehen werden. Sie ziehen den Bauch
ein; die Recti werden dabei passiv gegen die Wirbelsäule herangezogen. Man
kann an die Möglichkeit denken, dass der M. oblig. ext. die Function habe, mit-
telst des unteren Theils der Bauchwand die Eingeweide aufwärts zu heben, der
M. oblig. int. dagegen mittelst des oberen Theils der Bauchwand die Eingeweide
herab- und den Inhalt derselben gegen die Oeffnungen zu drängen bestimmt sei.
Dazu gehörte aber vor Allem der Beweis, dass die Schichten der Bauchwand ein-
zeln und unabhängig von einander zu wirken vermöchten. Weder die directe
Beobachtung, noch die Vertheilung der Nerven sprechen dafür. Es scheint viel-
mehr die Thätigkeit der Bauchmuskeln bei der Bauchpresse eine gemeinschaftliche
und gleichmässige zu sein und das Resultat, aus welcher Oeflnung und ob nach
oben oder unten Entleerung erfolge, von der Spannung und Mitwirkung der
Wände der Canäle und von dem relativen Widerstande der Schliessmuskeln ab-
zuhängen.
Erst dann, wenn die Muskelfasern der Bauchwand sich dem gestreckten Ver-
laufe so weit genähert haben, als die Zusammendrückbarkeit des Inhaltes der Bauch-
höhle es gestattet, beginnt ihr Angriff auf die Skeletttheile, mit welchen sie in
Verbindung stehen. Die Folge dieses Angriffs ist, wenn die Muskeln beider Kör-
perhälften zusammenwirken, Vorwärtsbeugung der Wirbelsäule, und dazu tragen
die einzelnen Muskeln um so mehr bei, je näher der vorderen Mittellinie sie liegen,
und je näher der Verticalen die Richtung ihrer Fasern ist. Die kräftigsten An-
tagonisten der Rückgratsstrecker sind also allerdings die Mm. recti, doch muss
auch den transversalen Muskeln ein Antheil an der Beugung des Rumpfes zuge-
standen werden: sie vollziehen sie theils direct, durch ihre zwischen Becken und
Rippen ausgespannten Fasern, theils indirect. Indem nämlich die Fasern des M.
oblig. int. und transversus die Linea alba fixiren, gewähren sie dem in der Linea
alba endigenden Theile des M. obligq. ext. einen Stützpunkt, um von da aus die
Rippen herabzuziehen, und so kann man, wenn es auf Beugung des Rumpfes an-
kommt, den Oblig. ext. der Einen Seite als Fortsetzung des M. obliq. int. der
anderen betrachten. 3
Je resistenter der Inhalt der Bauchhöhle, um so mehr kommt Jie Zusammen-
!) Ein Leistencanal, Can. inguinalis, wie er in den Handbüchern beschrieben wird,
der die Bauchwand in schräg medianwärts absteigender Richtung durchbohren soll, mit
dem inneren Leistenringe als innerer, dem äusseren Leistenringe als äusserer Mündung,
existirt nicht. Der innere Leistenring führt in den vom Proc. vaginalis fasciae transver-
salis und vom Cremaster umschlossenen Trichter; der äussere Leistenring führt über dem
Samenstrang in einen unregelmässig begrenzten Raum, von welchem aus man durch Lö
sung der lockeren Bindegewebslagen, welche die einzelnen Schichten der Bauchwand u)
einanderheften, in die Zwischenräume dieser Schichten, also auch in den Raum zwische
den M. transversalis und der Fascia desselben gelangen, endlich mittelst Durchbrechung
des Oblig. int. und dieser Fascie den Ausweg aus dem inneren Leistenring gewinnen kann.
Den Namen eines Canals trägt diese Bahn mit nicht besserem Rechte, als ihn eine der
Lücken tragen würde, wen zum Behuf des Durchtritts der Nervenzweige sich in der
Bauchwand finden.
Physiol.
Bemerk.
74 Zwerchfell.
ziehung der Bauchmuskeln den Bewegungen des Stammes zu Gute. Deshalb
drängt man instinktmässig vor jeder Anstrengung durch tiefe Inspiration das
Zwerchfell herab. Umgekehrt muss die Wirbelsäule mittelst ihrer Streckmuskeln
fixirt werden, wenn die Bauchmuskeln ihr Aeusserstes in Compression der Bauch-
höhle leisten sollen und namentlich, wenn sie durch stossweise, heftige Zusammen-
ziebungen, wie beim Husten, die Luft aus der Brusthöhle treiben sollen. Auf den
Antheil der Bauchmuskeln an den Bewegungen der Rippen komme ich bei den
Brustmuskeln zurück.
Aus der oben ($. 60) beschriebenen und abgebildeten Verbindung der Sehne
des M. oblig. ext. mit der Fascia iliaca und mittelbar mit dem T’rrochanter minor
des Schenkelbeins erklärt es sich, warum bei gestrecktem Rumpf und Schenkel
die Bauchwand gespannt ist, und warum der Schenkel gegen den Rumpie gebeugt
werden muss, wenn die Bauchwand und namentlich der Schenkeibogen (zum Behuf
» der Reduetion von Brichen) erschlafft werden sollen. Der Ursprung einiger
Bündel des M. obligq. int. und transy. vom Schenkelbogen hat die Nebenwirkung,
dass bei allgemeiner Contraction der Bauchwände der Schenkelbogen von den
Schenkelgefässen abgehoben und die Lücke besonders vor der Durchtrittsstelle
der Arterie vergrössert wird.
Was die dem M. rectus eigenthümlichen Inscriptionen betrifft, so hat man sich
über ihre Bedeutung allgemein verständigt: man hält sie für Analoga von
Rippen (Bauchrippen, wie sie beim Krokodil existiren) und sieht in der Linea
alba ein fibröses Analogon des Brustbeins, an welchem die fibrösen Rippen von
beiden Seiten her zusammenstossen. Die Frage nach dem Zweck der Inscrip-
tionen dagegen ist nur von Wenigen erörtert worden. Cruveilhier widerlegt,
was nicht schwer ist, die ältere Meinung, als ob die Vervielfältigung der Fasern,
die eine Folge ihrer Zerlegung in einzelne Abschnitte ist, die Kraft des ganzen
Muskels vermehre. Bertin legt Werth auf die Verschmelzung der Inscriptionen
mit der Scheide des Rectus und dadurch mit den Sehnen der transversalen Bauchmus-
keln und glaubt, dass auf diesem Wege die Wirkung der Zusammenziehung des Rectus
sich bis zum Darmbein fortpflanze. Hyrtl ist der Meinung, die Verwachsung der
Inscriptionen mit der Scheide des M. rectus sei nothwendig, damit, wenn die
{ransversalen Bauchmuskeln die Scheide zur Seite ziehen, der Rectus in seiner
ganzen Breite gleichmässig, ohne Zusammenschiebung, gespannt werde. Sicher ist
nur, dass, wie schon in der Einleitung angegeben wurde, die Abtheilung des
Muskels durch Inscriptionen die einzelnen Abschnitte beiähigt, sich unabhängig
von einander zusammenzuziehen.
Zwerchfell, Diaphragma!).
Zwerchfell. Das Zwerchfell ist ein Muskel, dessen Fasern ringsum von der Innen-
fläche der Wand des vegetativen 'Rohrs entspringen, um auf- und einwärts
in ein Sehnenblatt, Centrum tendineum?), zusammenzulaufen, welches hori-
zontal oder vielmehr kuppelförmig mit aufwärts gerichteter Convexität in
dem Rohre ausgespannt ist. Die Muskelfasern in Verbindung mit diesem
Sehnenblatte stellen eine Scheidewand dar, die in der Gegend der unteren
Oeffnung des Brustkorbs die vegetative Rumpfhöhle quer theilt und zugleich
als Decke der Bauchhöhle und als Boden der Brusthöhle fungirt. Die Con-
traction des muskulösen Theils dieser Scheidewand hat den Zweck, auf
') Septum transversum, M. phrenieus, Zwerchmuskel.
2 = ” . - .n . a ..
2) Centrum phrenicum. Tendo intermedius s. cordiformis. Speculum Helmonti aut.
Trefle aponeurotique.
Zwerchtell. 75
Kosten ihrer Wölbung die Durchmesser derselben zu verkürzen und ins-
besondere durch Herabführen des sehnigen Theils die Brusthöhle zu er-
weitern; die Baucheingeweide werden gleichzeitig abwärts und wegen der
Nachgiebigkeit der vorderen Bauchwand hauptsächlich vorwärts gedrängt.
Sich selbst überlassen, nach Erschlaffung der Muskelfasern, wird das Zwerch-
fell wieder gedehnt und gehoben durch den Andrang der Baucheingeweide,
welchen schon die Elastieität oder der Tonus der Bauchwände, in höherem
Maasse noch die active Zusammenziehung der letzteren veranlasst.
Das Herabsteigen des Zwerchfells, indem es einen leeren Raum erzeugt,
wirkt saugend auf die die Brusthöhle umlagernden Körper jedes Aggregat-
zustandes: es befördert dadurch den Eintritt der Luft in die Respirations-
wege, des Blutes in die grossen Gefässstämme und zieht die Weichgebilde
des Halses und der Brustwand nach innen; Alles dies in relativ verschie-
denem Maasse, je nachdem in Folge örtlicher Verhältnisse das Eine oder
andere der genannten Medien den Vorsprung gewinnt. Ich werde bei der
Beschreibung der Brust- und Halsmuskeln hierauf zurückkommen und er-
wähne hier nur, dass die Lungen, welche mit der unteren Fläche frei auf
.dem Zwerchfell ruhen, und das Herz mit dem Herzbeutel, welcher an die
Sehne des Zwerchfells angewachsen ist, seinen Bewegungen genau folgen.
Wird das Zwerchfell hinaufgetrieben, so verengt es den Raum der Brust-
höhle und treibt Luft, Blut und die weichen Theile der oberen und Seiten-
wand des Brustkorbs nach aussen. Könnte sich die Contraction des Zwerch-
fells mit der Contraction der Bauchmuskeln verbinden, so müsste zugleich
die Brusthöhle erweitert und die Bauchhöhle verengt werden. Doch scheint
diese Association unausführbar zu sein. Bauchmuskeln und Zwerchfell
ziehen sich nur alternirend zusammen und an der activen Verengung der
Bauchhöhle, der sogenannten Bauchpresse, nimmt das Zwerchfell nur in
der Art Theil, dass nach der Erweiterung der Brusthöhle die Stimmritze
sich schliesst, der Luft den Austritt aus den Lungen verwehrt und das Auf-
steigen des, wiewohl erschlafiten, Zwerchfells hindert.
Gefässe, Nerven und Eingeweide durchsetzen das Zwerchfell, um aus
der Einen der beiden Höhlen, die es scheidet, in die andere überzugehen.
Es finden sich zu dem Ende Lücken sowohl im sehnigen, als im fleischigen
Theile des Zwerchfells, die letzteren zwischen den einzelnen Ursprüngen
oder Zacken. Die Lücken sind, so weit sie nicht von den durchtretenden
Gebilden ausgefüllt werden, durch Bindegewebe hermetisch verschlossen.
Bindegewebsschichten, gegen die freie Oberfläche von Epithelium bekleidet,
fester mit dem sehnigen, als mit dem muskulösen Theile verwachsen, decken
die der Brust- und Bauchhöhle zugewandten Flächen des Zwerchfells; sie
sind Fortsetzungen der serösen Membranen der Brust- und Bauchhöhle und
sollen in Verbindung mit diesen später beschrieben werden.
Der muskulöse Theil des Zwerchfells entspringt von den die untere
Oeffnung des Brustkastens begrenzenden knöchernen und knorpligen Theilen
des Skeletts. Er zerfällt zunächst in eine rechte und linke Hälfte, deren
Symmetrie längs dem von den Rippen gebildeten Rande des Thorax in der
Regel vollkommen, am Wirbel- und Brustbeinursprung aber etwas gestört
ist. Die medialen Ränder der Wirbelursprünge beider Seiten begrenzen
nämlich eine Oeffnung, durch welche die Aorta aus der Brust- in die Bauch-
Muskulöser
Theil.
Vertebral-
Portion.
76 Zwerchfell.
höhle übergeht, und da dies Gefäss von der Medianlinie nach links abweicht,
so dehnt sich der rechte Wirbelursprung auf Kosten des linken aus und
reicht auch weiter abwärts. Der Brustbeinursprung ist sehr veränderlich,
fehlt oft auf Einer Seite
oder auf beiden oder ver-
schmilzt von beiden Seiten
her zu einer unpaaren,
medianen Zacke.
In jeder Zwerchfells-
hälfte lassen sich, je nach
dem Ursprunge, drei Ab-
theilungen unterscheiden,
eine Pars oder Portio ver-
tebralis 1), costalis?) und
sternalis?), welche zuwei-
len durch anseknliche Zwi-
schenräume von einander
gesondert sind, in anderen
Fällen aber, besonders
Zwerchfell von unten, 1. Hiatus carot. 2. Hiat. oeso- bei stark entwickelter Mu-
phageus. 3. For. venae cayae. Jp/M. psoas. Q M. skulatur, ohne Abgrenzung
quadrat. lumb. aneinanderstossen. Der
Vertebral- und Costaltheil,
seltener auch der Sternaltheil, bestehen jeder aus einer Anzahl ebenfalls
mehr oder minder deutlich geschiedener Zacken.
Die Vertebralportion entspringt mit zwei Zacken ®), einer medialen
und einer lateralen, deren jede wieder in mehrere Fascikel zerfallen kann. Die
mediale Zacke (Fig. 34 «a, b), in ihrer einfachsten Form, nimmt ihren Ur-
sprung von einer platten Sehne, welche sich am vierten oder dritten Bauchwir-
belkörper, rechts gewöhnlich um einen Wirbel tiefer, als links, breit aus der
Masse des Lig. vertebr. comm. ant. ablöst und neben der Aorta auf- und etwas
vorwärts läuft. Muskelfasern gehen von unten an vom lateralen Rande dieser
Sehne ab und greifen, je weiter hinauf, um so weiter sowohl auf der vor-
deren als hinteren Fläche gegen den medialen Rand hinüber. In der Höhe
der Synchondrose zwischen dem letzten Brust- und ersten Bauchwirbel ist
am medialen Rande der einander entsprechenden (rechten und linken)
Zacken nur ein schmaler, sehniger Saum übrig, der vor der Aorta im steilen
Bogen von der Einen Seite auf die andere umbiegt und vom convexen Rande
noch Muskelfasern aufwärts sendet. Die Aorta wird auf diese Weise von einem
hohen schmalen, sehnigen Thor, Hiatus aorticus (Fig. 53. 34. 1) ?), überwölbt,
welches sich nicht selten auch nach unten bogenförmig schliesst und zu
D) P. lumbalis aut.
?) Alae Langenhb.
°) P. xziphoidea. Sie wird von manchen Autoren übergangen, von Anderen (Weber-H.
Krause, Hyrtl) mit der P. costalis unter dem Namen /. sternocostalis zusammenge-
zogen.
") Capita Albin, Appendices Haller, Processus Santorini, Crura aut. Schenkel,
Pfeiler.
°) Foramen. aorticum. F. sinistr. inf.
Zwerchtell. 77
einer elliptischen Oeffnung gestaltet dadurch, dass medianwärts neben dem
unteren Anfange beider Sehnen Faserzüge entstehen, die auf der Vorder-
fläche der Wirbelkörper einander kreuzen und zur entgegengesetzten Sehne
schräg aufsteigen. a
Der einfache, aufwärts sich©fächerförmig entfaltende Muskelbauch,
welcher aus der beschriebenen Sehne hervorgeht, zeigt einen longitudinalen
Schlitz, welcher dem N. splanchnieus und der Vena azygos rechterseits, der
V. hemiazygos linkerseits zum Durchtritt dient, und weiter seitwärts ge-
Fig. 34.
Vertebraltheil des Zwerchfells, a, 5b linke und rechte mediale Zacke, c, d rechte laterale
Zacke, e, f Costaltheil, Zacken von der zwölften Rippe, durch welche die Pleura (*)
"sichtbar wird. 1. Hiat. aort. 2. Hiat. oesophag. 3. Foramen venae cavaee Psm M.
psoas min. Ip, Ip‘ Ursprungszacken des medialen Kopfes des M. iliopsoas. @! M. quadr.
] lumb. Ta M. transv. abd.
78 Zwerchfell.
langt entweder zwischen der medialen und lateralen Zacke, oder durch
eine schmalere Spalte zwischen den Muskelfasern der medialen, der Grenz-
strang des N. sympathicus in die Bauchhöhle. Setzt sich die Eine oder
andere dieser Spalten abwärts bis auf den sehnigen Ursprung fort, so ist
die mediale Zacke des Vertebraltheils in zwei oder drei Unterabtheilungen
zerfallen, welche um so schmaler sind und in der Regel um so höher an
der Wirbelsäule entspringen, je weiter seitwärts sie liegen. Die Sehne, von
welcher diese lateralen Unterabtheilungen sich entwickeln, ist häufig ein
vertical oder schräg über die Aushöhlung des Wirbelkörpers und über die
Vasa lumbalia gespannter Bogen. Andere accessorische Fascikel entsprin-
gen sehnig oder fleischig in einer Reihe, vertical über dem medialen’ Rande
der Hauptsehne, von Wirbelkörpern oder Synchondrosen bis hinauf zum
ersten Bauchwirbel und bilden, indem sie sich successiv an die hintere
Fläche der medialen Zacke anlegen, eine Art Rohr für die Aorta.
Das an der oberen Spitze des Hiatus aortieus entspringende Muskel-
faseikel theilt sich alsbald in eine rechte und linke Hälfte, welche, zu beiden
Seiten des Oesophagus, in der Flucht der iibrigen, weiter seitwärts gelegenen
Fasern auf- und vorwärts gehen. Vor dem Oesophagus neigen sich beide
Hälften wieder gegen einander und setzen sich, Eine die andere von vorn
und unten her deckend, an den hinteren Rand des Centrum tendineum fest;
sie umschliessen eine longitudinale (sagittale) Spalte, den Hiatus oesopha-
geus \) (Fig. 33. 34. 2), welche also nur durch eine schmale Brücke vom Hiatus
aorticus getrennt ist. Diese Brücke gewinnt an Höhe und Mächtigkeit da-
durch, dass in der unteren Ecke des Hiat. oesophag. Muskelfasern der rechten
und linken medialen Zacke, einander kreuzend, von der Einen auf die andere
Seite iibertreten, und zwar geht beständig ein breites, plattes Fascikel an
der oberen Fläche des Zwerchfells von der rechten Seite zur linken, wo-
gegen das entsprechende, von der linken Seite stammende Kreuzungsfascikel
schmal ist, unregelmässig bald an der oberen, bald der unteren Fläche ver-
läuft, zuweilen auch ganz fehlt.
Während also der Aortenspalt von fibrösen Theilen umgrenzt ist, die
bei den Zusammenziehungen des Zwerchfells nur von der Aorta abgehoben
werden können, liegt der Oesophagus zwischen Muskelfasern, deren Con-
traction zunächst den Erfolg haben muss, durch Uebergang des bogenför-
migen Verlaufs der Fasern in den geradlinigen die Spalten zu verengen,
dann sie zu verkürzen.
Die laterale Zacke der Vertebralportion des Zwerchfells ist im Ver-
hältniss zur medialen dünn und platt. Sie entspringt continuirlich oder in
Abtlheilungen von der Seitenfläche des zweiten oder ersten Bauchwirbel-
körpers ınd vom convexen Rande eines Sehnenbogens, welcher sich vom
Wirbelkörperursprunge dieser Zacke zur Spitze des Querfortsatzes des zweiten
Bauchwirbels oder zur Spitze der zwölften Rippe erstreckt (Fig. 34 ed). Im letz-
teren Falle ist er mittelst eines straffen Bandstreifens an den Querfortsatz
!) Foramen oesophageum. F. sinistr. sup. Sphincter oesophageus Langenb.
7 ] 7
Zwerchfell. 79
des zweiten Bauchwirbels befestigt und eingebogen, wie aus zwei Bogen
mit einem gemeinsamen mittleren Pfeiler zusammengesetzt. Der er:te, dem
Wirbelkörper nächste und beständige Bogen überbrückt den M. psoas, der
zweite den M. quadrat. lumborum; wo ein M. psoas minor vorhanden ist
(Fig. 34), geht er entweder ebenfalls unter dem ersten Sehnenbogen oder
zwischen der lateralen und medialen Zacke herab }).
Erstreckt sich der Sehnenbogen, von welchem die Fasern der lateralen
Zacke ihren Ursprung nehmen, seitwärts nur bis zum Querfortsatz, so bleibt
zwischen dem Vertebral- und Costaltheil des Zwerchfells eine dreieckige
Lücke, deren Basis der Breite des M. quadrat. lumb. entspricht. Reicht
der Sehnenbogen bis zur Spitze der Rippe, so kann der Rand des Verte-
braltheils mit dem des Costaltheils zusammenstossen, obgleich auch dann mei-
stens eine Lücke bleibt, innerhalb welcher vereinzelte Faserbündel (Fig. 34 e)
vom Sehnenbogen oder der Rippe zum Centrum tendineum aufsteigen. Noch
ein dritter Fall kommt nicht selten vor: die Stelle des Sehnenbogens in der
Fascie des M. quadrat. lumborum nimmt nämlich eine Lage Muskelfasern
ein, welche quer vom (Qerfortsatz des zweiten Bauchwirbels zur Spitze der
zwölften Rippe ziehen, die untersten nur wenig, aufwärts convex, die nach
oben folgenden allmälig steiler und die obersten in gebrochener Linie, im
Ganzen also ein Dreieck, welches die Lücke zwischen der medialen und
lateralen Zacke genau ausfüllt 2).
Der Costaltheil des Zwerchfells entsteht vom Rande des Brustkorbs
in einer ziemlich geraden oder leicht abwärts convexen, von der Spitze der
zwölften Rippe gegen die Mitte der Länge des siebenten Rippenknorpels
schräg aufsteigenden Linie mit einer Anzahl Zacken, welche übrigens der
Zahl der Rippen nur selten genau entsprechen. Manche Zacken setzen sich
ohne Unterbrechung von einer Rippe zur anderen fort, indem sie im Inter-
!) Der in der Fascie des M. gquadrat. lumb. verlaufende Sehnenbogen erhält von
einigen Autoren (Krause, Arnold, H. Meyer) den Namen Lig. lumbocostale, was auf
einer Verwechselung mit dem hinter dem M. guadrat. gelegenen Haftbande zwischen
Querfortsätzen der Bauchwirbel und der unteren Rippe beruht (Bänderl. S. 32). Bei
Cruveilhier wird jener Sehnenbogen ‚Zigament cintre du diaphragme“ genannt. Röderer
(de arcubus tendineis musculorum originibus. Gotting. 1760) beschreibt beide Sehnenbogen
als arcus int. und are. ext.; Quain-Sharpey als Zig. arcuat. int. und Lig. arcuat. ext.
°) Abgebildet bei Albin, Taf XIV. Fig. 5 bis 7 rechterseits, Portio lumbo-costalis
M. J. Weber. — Uehrigens herrscht in der Bezeichnung der Zacken des Vertebraltheils
grosse Verwirrung. Albin zerlegt unsere mediale Zacke in drei Schenke! und fügt als
vierten den Ursprung aus dem Sehnenbogen hinzu, der den M. psoas überwölbt Die
Späteren reduciren die Zahl der Schenkel auf drei, einen inneren, mittleren und äusseren.
Weber-Hildebrandt, Krause und Arnold lassen den äusseren Schenkel vom Körper
und Querfortsatz des ersten oder zweiten Bauchwirbels entspringen und zählen die zwi-
schen der Wirbelsäule und der zwölften Rippe aus dem Sehnenbogen des M. quadrat.
lumb. stammenden Fasern zum Costaltheil.e. Bei Theile, Günther, d’Aalton und
Luschka führen diese Fasern den Namen des äusseren Schenkels des Lendentheils, bei
Meckel und Hyrtl geschieht ihrer keine Erwähnung, M. J. Weber betrachtet sie,
neben den drei mit den Wirbeln in Verbindung stehenden Zacken, als eine besondere
Portion des Lendentheils, und H. Meyer, welcher in der Beschreibung Theile folgt,
fasst die von den Sehnenbogen entspringenden Fasern, unsere laterale Zacke, unter dem
Namen einer Portio lumbocostalis zusammen. Cruveilhier leitet die Muskelfasern des
Vertebraltheils von fünf aponeurotischen Arcaden ab, einer medianen (den vereinigten
medialen Zacken) und zwei paarigen (den beiden Abtheilungen der lateralen Zacke).
Costal-
portion.
= Zwerchfell.
costalraume von einem, die Rippen verbindenden Sehnenbogen entspringen ;
andere wurzeln neben und selbst hinter (über) einander mit spitzwinklig
gekreuzten Fasern, auf derselben Rippe. In die oberen Ripponursfiißnse,
von der sechsten bis zur achten oder neunten Rippe, greifen die Zacken des
M. transversus abd. kammförmig ein; selten geht hier ein Bündel des letz-
teren unter einem Sehnenbogen durch, welcher Muskelfasern des Zwerchfells
zum Ursprunge dient, noch seltener setzen sich Fasern des Einen Muskels,
mit oder ohne sehnige Unterbrechung, in die des anderen fort. In den
letzten Intercostalräumen dagegen entspringen in der Regel die Zacken ‚des
Zwerchfells, wie des M. transversus, ausser von den Rippen, von Sehnen-
Fig. 35.
Pr
IR RN \
Ben Ra
Yen
11/7
Vordere Brustwand, von der hinteren Fläche, das Zwerchfell transversal durchschnitten
und aufwärts geschlagen. 7’a M. trans. abd.. Tta M. transv. thor ant.
Zwerchfell. s1
streifen, welche, schräg und auf- oder rückwärts convex, zwischen den hin-
teren Enden der Rippenknorpel ausgespannt sind). Die unterste Zacke
des Costaltheils des Zwerchfells geht häufig vom Lig. Iumbocostale über
der Spitze der zwölften Rippe aus.
Zwischen dem Costal- und Sternaltheil besteht, wie zwischen dem pars ster-
Costal- und Vertebraltheil, eine dreieckige, aufwärts spitze Lücke von ver- "ls.
änderlicher Breite. Der Costaltheil überschreitet nicht leicht das Gelenk
zwischen dem sechsten und siebenten Rippenknorpel; der Sternaltheil aber
dehnt sich oft über den Schwertfortsatz seitwärts aus. Er erhält eine breite
oder schmale Zacke oder mehrere schmale vom unteren Rande des Schwert-
fortsatzes und schmale, schräg medianwärts aufsteigende Zacken neben dem
Schwertfortsatz von der hinteren Fläche der Sehne des M.transv. abdominis
oder, was dasselbe ist, des hinteren Blattes der Scheide des Rectus.
Das Centrum tendineum hat im Wesentlichen die Umrisse des Quer- Centrum
schnittes der Brusthöhle, also eine Bohnen- oder Nierenform mit eonvexem ferdineum.
vorderen, concavem hinteren Rande. Durch ein ungleichmässiges Vordrin-
gen des muskulösen Theils gegen den sehnigen wird diese Form vielfach
alterirt, im sagittalen Durchmesser breiter oder schmaler, an den Rändern
glatt oder ausgerandet. Am häufigsten tritt wegen der Kürze oder des
Mangels der Pars sternalis, der mittlere Theil des vorderen Randes spitz
oder abgerundet vor; eine Kleeblatt- oder Trefle-Form ergiebt sich, wenn
zugleich, wie dies Regel ist, die nächst vorderen Rippenzacken über die
benachbarten hinausragen. ,
Nicht minder variabel, wie die Form, ist die F aserung des Öentrum tendi-
neum. Die Grundlage bildet ein Strickwerk von sagittalen, unter sehr spitzen
Winkeln einander durchflechtenden Sehnenbündeln, die in der Mitte des
Zwerchfells fast gerade, näher den Seitenrändern schräg medianwärts und
demnach gekreuzt vom vorderen Rande zum hinteren und umgekehrt ver-
laufen. Dicht vor dem vorderen Rande des medialen Schenkels der rechten
Vertebralportion weichen die sagittalen Sehnenfasern von einander, um eine
Oeffnung, das Foramen venae cavae?), einzuschliessen, mit deren Rande
die Wand der Hohlvene äusserlich verbunden ist. An der Brust- und
Bauchhöhlenfläche der sagittalen Fasern finden sich transversale, theils
Fortsetzungen der an den Seiten eintretenden Zacken des Costaltheils, theils
selbständiger Natur. Erleidet die Muskulatur des Zwerchfells zwischen der
Vertebral- und Costalportion eine Unterbrechung, so unterscheidet man die
Sehne des Costaltheils, welche sich an die untere Fläche der Sehne des
Vertebraltheils anlegt, bevor sie untrennbar mit ihr verschmilzt; ist der
Sternaltheil schwach oder fehlt er, so verbinden sich die vordersten Bündel
der Costaltheile mit einander hinter dem Brustbein durch starke Sehnen-
fasern mit vorwärts concavem Rande. Die selbställlken transversalen
Fasern liegen am BR, © zuweilen aufgelegten platten Wülsten ähn-
lich, über der hinteren, auch wohl über der vorderen Grenze des muskulösen
!) Pars intercostalis diaphragmatis Luschka (die Brustorgane, Tüb, 1857. 8. 6).
*) F. quadratum s. quadrilaterum aut. FE. dextrum.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 6
82 Zwerchfell.
und sehnigen Theils; eine Partie zweigt sich ab, um bald den hinteren,
bald den vorderen Rand des For. venae cavae zu umfassen und zu ver-
stärken.
Die Muskelfasern des Vertebraltheils des Zwerchfells nehmen mit ihrer
Fig. 36.
0,
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So) »
72
4
Frontaldurchschnitt des-Rumpfes an der Spitze der zwölften Rippe. 1 Luftröhre, an der
Theilungsstelle geöffnet. 2, 3 Rechte und linke Lunge. 4 Hintere Wand des Pericardium
mit den einmündenden Lungenvenen. 5 V. cava inf. 6 Oesophagus. 7 Magen, geöffnet.
8 Leber, 9 Milz im Durchschnitt. 10 Duodenum. 11, 11 Durchschnitte des Colon
transv. 12. 12 Durchschnitte einer Windung des Colon sinistr.
Insertion die ganze Breite des concaven Randes des Centrum tendineum
ein; die an Länge von hinten nach vorn erst zu- und dann
wieder abnehmend, befestigen sich mit parallelen, aber untereinander anasto-
mosirenden Bündeln an die seitliche Spitze und den vorderen convexen
Rand. Die Wölbung dieser Muskelpartien ist keine gleichmässige; hinten
und zü den Seiten steigen die Fasern fast gerade auf und liegen fast in
ihrer ganzen Länge der Rumpfwand an; vorn dagegen weichen sie vom
Ursprunge an sogleich rückwärts von der Brustwand ab. Wenn man daher
nach Entfernung der Brusteingeweide das Zwerchfell gerade von oben be-
Zwerchfell. 83
trachtet, so erscheint in jeder Brusthälfte die vordere Hälfte desselben muskulös,
die hintere sehnig, und im Sagittalschnitt einer Brusthälfte fällt der Gipfel der
Wölbung des Zwerchfells mit dem vorderen Rande des Centrum tendineum zu-
sammen (Fig. 37). Der Grund dieser Verschiedenheit liegt ohne Zweifel in
der Stellung des Herzens, wel-
ches die vorderen Theile des
Zwerchfells ab- und nieder-
drängt und wohl auch bewirkt,
dass die linke Hälfte des
Zwerchfells tiefer steht als die
rechte (Fig. 36). Der höchste
Punkt des Zwerchfells liegt, bei
völliger Exspiration, der Ver-
bindung der fünften Rippe mit
dem Brustbein ungefähr ge-
genüber. Bei der Contraction
muss die Leber, wegen ihrer
unveränderlichen Form, wie
eine Rolle wirken, über welche
die Fasern hingespannt sind;
ob dabei das Centrum tendi-
neum nur herab- oder auch
Fig. 37.
GG vor- oder rückwärts bewegt
DD, wird, hängt von der relativen
SUCHE Länge der vorderen und hin-
SIG teren Muskelfasern ab. In
der linken Körperhälfte könnte
Sagittaldurchschnitt des Rumpfes durch den die Contraetion eher eine Ent-
Rand der zweiten Rippe rechterseits. 1 Lunge. fernung der hinteren und seit-
2 Leber. 3 Niere. lichen Muskelfasern von der
Rumpfwand zur Folge haben.
Var. In seltenen Fällen bemerkt man quere Muskelbündel vor und selbst
hinter der Aorta oder mitten auf dem Centrum tendineum (Sömmerring). Ein
Muskelbündel begiebt sich vom Rande des Foramen oesophageum zur Speiseröhre
(Cruveilhier). Knox (Lond. med. gaz. Vol. 32. p. 531) beschreibt einen M.
hepatico-diaphragmaticus, welcher an der unteren Fläche der linken Hälfte des
Centrum tendineum. entsprang und vor dem Oesophagus vorüber nach rechts ver-
lief. Hier theilte er sich in zwei Zipfel, der Eine, absteigende, verlor sich vor
dem rechten Vertebraltheil im Peritoneum, der andere erreichte die untere Fläche
der Leber und verband sich sehnig mit dem obliterirten Ductus venosus und einem
Theil der gleichfalls obliterirten V. umbilicalis. Unter den vorderen Ursprüngen
des Diaphragma, in der Furche zwischen diesem und dem M. transversus abd. sah
ich auf Einer Seite ein schmales Bündel schräg aufwärts von dem Knorpel der
neunten Rippe theils zum Knorpel der siebenten, theils über die Mittellinie hinaus
zum entgegengesetzten Rande des Sternaltheils verlaufen; ein Muskelchen von
ähnlicher Lage bildet Bourgery ab (Taf. 75. 2) als ein Bündel des M. transversus
thoraeis ant., von dem es sich aber durch seine Lage und die Richtung seiner Fa-
sern unterscheidet.
6*
III. Brust-
muskeln.
a. Oberfl.
Brustm.
&. Erste
Schichte.
Pector. maj.
84 . Brustmuskeln.
\
II. Brustmuskeln.
Es finden sich an der Brust, wie am Rücken, oberflächliche Muskeln,
welche an die Ober-Extremität und deren Gürtel gehen, und tiefe, auf die
Knochen des Stammes beschränkte.
Die Bündel der oberflächlichen Muskeln verlaufen im Allgemeinen
lateralwärts, theils horizontal, theils mehr oder minder schräg auf- oder ab-
steigend, in jedem Muskel gegen die Insertion convergirend. Die tiefen
Muskeln liegen, wie die transversalen der Bauchwand, in drei Schichten
übereinander, einer äusseren medianwärts absteigenden, einer mittleren, me-
dianwärts aufsteigenden, und einer innersten, deren Bündel in der Nähe
des unteren Randes eine transversale, weiter hinauf aber eine mehr und
mehr median -abwärts geneigte Lage haben.
a. Oberflächliche Brustmuskeln.
Sie bilden drei Lagen; die äusserste reicht vom Brustbein zum Arm-
bein, deckt die Vorderfläiche der Brust und bildet die vordere Wand der
Achselhöhle; die zweite, aus zwei Muskeln bestehend, entspringt weiter
lateralwärts von der Vorderfläche oberer Rippen und endet am Schlüssel-
bein und Schulterhaken; die dritte geht von der Seitenfläche der Rippen
um den Brustkorb herum zur Basis des Schulterblattes.
«@. Erste Schichte.
M. pectoralis major, PmJ ').
Die Oberfläche des M. pectoralis maj. hat bei ruhig herabhängendem
Arm die Form eines Kreisausschnitts, welcher einem Quadranten nahe
kömmt; die dem Kreisbogen ähnliche Linie, welche dem Ursprunge des
Muskels entspricht, steht so, dass eine die Endpunkte derselben verbindende
Sehne nur wenig von der verticalen abweicht; die beiden Halbmesser, ent-
sprechend dem oberen und unteren freien Rande des Muskels, stossen an
der Spina tub. maj. des Armbeins zusammen.
Die bogenförmige Linie des Ursprungs beginnt auf der Mitte oder et-
was lateralwärts von der Mitte des Schlüsselbeins, geht vom sternalen
Ende dieses Knochens und der Kapsel des Sternoclaviculargelenks längs
dem Rande des Handgriffes auf den Körper des Brustbeins über, von wel-
chem sie sich auf den Knorpel der sechsten, seltener der siebenten Rippe
und endlich auf das vordere Blatt der Scheide des Rectus wendet. Am
Schlüsselbein entspringt der Muskel kurzsehnig, auf dem Körper des Brust-
beins fast unmittelbar fleischig, und, je stärker er ist, um so näher der Mittel-
linie, so dass einzelne Bündel der gleichnamigen Muskeln beider Seiten
durch transversale Sehnenfasern und in seltenen Fällen sogar direct zu-
sammenhängen. Die Zacke, die aus der Scheide des Rectus abd. sich ent-
') M. pectoralis Albin. Grosser Brustmuskel.
Pectoralis ma]. 85
wickelt, wurde beirden Bauchmuskeln als eine aus dem M. pectoralis ma).
hervorgehende Zacke des Obl. ext. bereits erwähnt; die Sehnenfasern, mit
welchen sie am unteren
Ende entspringt oder aus-
strahlt, kreuzen sich, wie
dort ebenfalls schon ange-
geben wurde, spitzwinklig
mit den Sehnenfasern der
obersten Rippenzacke des
genannten Bauchmuskels.
Beim Uebergange vom
Schlüsselbein auf den
Handgriff des Brustbeins
ist die übrigens continuir-
liche Reihe der Muskel-
ursprünge unterbrochen;
die Spalte, welche dadurch
entsteht, erstreckt sich
durch die ganze Dicke des
Muskels und bis zur In-
sertionssehne und theilt
denselben in zwei Portio-
nen (Köpfe), dieSchlüs-
selbeinportion, Portio
clavicularis, und die Ster-
nocostalportion, Portio
sterno-costalis 2). Die er-
stere ist verhältnissmässig
schmal, und aus lateral-
wärts absteigenden, fast
M. peet. maj. von vorn. * Zacke desselben, welche sich mit ganz parallelen, gegen die
dem M. obl. abd. ext. (Oae) verbindet. Tr M.trapezius. Insertion nur wenig über
LdM. latiss. dorsi. Sa M. serrat. ant. Scm M. sterno-
cleidomast. D M. deltoideus.
Fig. 38.
einander geschobenen
Bündeln zusammenge-
setzt. Die Sternocostalportion besteht aus einer oberflächlichen und einer tie-
fen Schichte. Die oberflächliche Schichte (Fig. 38) enthält die bereits beschrie-
benen Ursprünge am Brustbein, der sechsten oder siebenten Rippe und der
Scheide des Rectus; die tiefe Schichte (Fig. 39 Pmj?), völlig von der oberfläch-
lichen gedeckt, entsteht mit einer Reihe platter Zacken von den Knorpeln der er-
sten oder zweiten bis zur fünften oder sechsten Rippe, von den obersten Rippen
dicht am Brustbein, von den folgenden allmälig näher dem Rippenknochen
und theilweise am Knochen selbst. Die obersten Rippenzacken fehlen nicht
selten oder verwachsen mit der oberflächlichen Schichte; die unteren ver-
doppeln sich zuweilen; alle legen sich nach kürzerem oder längerem Ver-
lauf an die hintere Fläche der oberflächlichen Schichte an. In dem Raum
{
») Portio thoracica. Von Manchen in eine P, sternalis und costalis unterschieden.
86 Pectoralis ma).
zwischen den Ursprüngen beider \ Schichten vertheilen sich die vorderen
Aeste (Rr. perforantes antt.) der Intercostalgefässe und Nerven )).
Die Fasern beider Lagen des Sternocostaltheils convergiren, die obe-
ren absteigend, die mittleren transversal, die unteren aufsteigend, gegen die
Insertion am Armbein. Dabei schlagen sich die unteren Fasern der ober-
flächlichen Portion, als die am steilsten aufsteigenden, um den unteren Rand
des Muskels herum auf dessen Rückseite. Alle begeben sich in einiger Ent-
fernung vom Armbein an eine im sagittalen Durchschnitt hufeisenförmig ge-
bogene Sehne (Fig. 39); die beiden Blätter dieser Sehne, von welchen das hin-
tere etwa die doppelte Höhe des vorderen hat, sind am unteren Rande ver-
einigt und verschmelzen lateralwärts mit einander; sie begrenzen eine nach
der medialen Seite und nach oben offene, von lockerem Bindegewebe und Fett
erfüllte, taschenförmige Höhle. An das hintere Blatt der Tasche befestigen
sich, wie erwähnt, die unteren, aufsteigenden Fasern des M. pectoralis ma-
Jor und zwar um so näher dem oberen Rande, je weiter unten am Brustkorb
sie entspringen; an das vordere Blatt und an die Vorderfläche der aus der
Verschmelzung beider Blätter hervorgehenden einfachen Sehne befestigen
sich die oberen und mittleren Bündel des Muskels in der Ordnung, wie sie
entspringen. Weiter medianwärts vereinigt sich mit der einfachen Sehne der
Sternocostalportion die Sehne der Schlüsselbeinportion und überragt sie
nach unten, wodurch der untere Rand des Muskels gegen die Insertion die
concave Form erhält, die sich bei Erhebung des Arms ausgleicht. Die Ge-
sammtsehne, deren Mächtigkeit von oben nach unten zunimmt, setzt sich,
leicht fächerförmig ausgebreitet, an die Spina tuberculi majoris an, von
welcher sie das obere Viertel frei lässt, während sie unten bis zur oberen
Spitze der Deltoideus - Rauhigkeit (Knl. Fig. 201 — 203 d) reicht. Die
untersten Fasern gehen zum Theil in die Sehne des Deltoideus und in die
Oberarmfascie, die obersten in die verticalen Sehnenbündel über, die den
Sulcus intertubereularis auskleiden; die hintere Faserlage biegt in die den
Suleus bieipitalis auskleidende Sehne des Latissimus um. Auf der Vorder-
fläche inseriren sich dicht an der Insertion und in einer dem Insertions-
rande parallelen Linie Bündel des Deltoideus, auf die ich bei Beschgeians
dieses Muskels zurückkomme.
Die Nerven des M. pectoralis maj. kommen aus dem Plexus brachialis
unterhalb des Schlüsselbeins; in die Portio clavieularis tritt der Nerve dicht
am unteren Rande ihres Ursprungs; die Aeste, welche der Portio sterno-
costalis bestimmt sind, laufen an deren hinterer Fläche, in der Mitte zwi-
schen dem Brustbeinursprung und der Insertion, fast vertical herab.
Var. Die Lücke zwischen der Clavicular- und Sternocostalportion des M.
pectoralis maj. kann eine beträchtliche Breite erreichen. Es fehlt die Clavieular-
portion (Nuhn, Unters. u. Beob. Hft. I, S. 19), häufiger noch ganz oder theil-
weise die Sternocostalportion (Poland, Guy’s Hosp. rep. 1841, Apr. p. 192.
Quain-Sharpey, p. 317. Nuhn, a.a.O. Betz, Froriep’s Tagesber. Nro. 211).
\) Die tiefe Schichte des Sternocostaltheils des M. pectoralis ma). hat Tiedemann
gesehen und als Varietät (Verdoppelung des Muskels) beschrieben (Meckel’s Archiv.
Bd. IV, S. 412). Sie ist nicht immer so ausgebildet, wie in dem von Tiedemann er-
wähnten Fall und in unserer Abbildung; doch gehört der gänzliche Mangel derselben zu
den seltenen Ausnahmen,
Subelavius. 87
Aus der Fascie, welche den M. serratus ant. bedeckt, entspringt über der sechsten
Zacke des letzteren ein 4mm breites, plattes Bündel, welches am unteren Rande des
M. pect. maj. zum Arme verläuft (Eigene Beob.). Vom unteren Rande des Muskels
lösen sich Bündel ab, welche in die Tiefe gehen und sich den Fasern des M. pect.
minor beigesellen, um entweder dessen Insertion am Schulterhaken zu erreichen
oder in die Beugemuskeln des Arms umzubiegen. Von der unteren Spitze der
Armbeininsertion lässt sich ein sehniges, zuweilen eine Strecke weit muskulöses
Bündel in das Lig. intermusculare mediale des Oberarms verfolgen. In einem von
Cruveilhier (p. 149) beschriebenen Falle erhält dies Sehnenbündel einen kleinen
Muskelbauch aus dem Lig. intermusculare; Gruber (Neue Anomal. S. 31.) sah es
in drei Zipfel gespalten, von welchen einer über die Armgefässe und Nerven weg
an den medialen Epicondylus verlief.
Ausser der augenfälligen Wirkung, den Arm gegen den Rumpf heranzuziehen, Physiol.
hat, nach Duchenne’s Mittheilungen, der M. pectoralis major einen bedeutenden Bemerk.
Antheil an den Bewegungen der Schulter. Die Clavicularportion hebt die Schul-
ter und erweist sich thätig beim Tragen von Lasten auf derselben; sie führt zu-
gleich den Arm nach vorn, rundet den Rücken ab und vertieft die Aushöhlung
zwischen Schulter und Brust. Die Sternocostalportion zieht die Schulter herab.
Den vertical erhobenen Arm mit Kraft zu senken, wie beim Einhauen, verbündet
sich der M. pectoralis major mit dem Latissimus dorsi; den horizontal seit- oder
rückwärts ausgestreckten Arm führt er nach vorn. Welches sonst die Lage des
Arms sei, so rollt ihn der Pectoralis maj., in Verbindung mit dem M. latissimus, vor-
wärts um. Den Oberarm vor der Brust medianwärts zu bewegen, zum Kreuzen
und Verschränken der Arme, scheint nicht Aufgabe des Pectoralis .maj., sondern
des Deltoideus zu sein. =
ß. Zweite Schichte.
1. M. subelavius Sc D.
Liegt in der schmalen Spalte zwischen dem Schlüsselbein und der er- ß. Zweite
sten Rippe; er gleicht, von vorn betrachtet, einem niedrig stumpfwinklig ee
ungleichseitigen Dreieck, dessen kürzeste Seite dem medialen Rande, dessen
längste Seite von der Rippe zum Schlüsselbein heraufziehend, dem unteren
freien Rande entspricht, indess der grössere der beiden spitzen Winkel an
der Rippe als Ursprung, und die diesem Winkel gegenüberliegende Seite am
Schlüsselbein, als Insertion, befestigt ist (Fig. 39) 2). Den Ursprung vermit-
telt eine starke, platt cylindrische (im sagittalen Durchmesser comprimirte)
Sehne, die zwischen den Fasern des Lig. costoclaviculare (vgl. Bdl. Fig. 50)
an der oberen Fläche der ersten Rippe, vom lateralen Ende des Knorpels
und dem angrenzenden Theil des Knochens entspringt. An der hinteren
Oberfläche und dem unteren Rande des Muskels bleibt die Sehne eine
Strecke weit sichtbar; im Uebrigen wird sie von Muskelfasern umschlossen,
welche fächerförmig, die medialen steil, die lateral- und abwärts folgenden
allmälig geneigter und schliesslich beinahe der Längsaxe des Schlüssel-
beins parallel aufsteigen. Nach einem um so längeren Verlauf und unter
einem um so spitzeren Winkel, je weiter ab- und lateralwärts sie entsprin-
gen, setzen sie sich in einer lateralwärts an Mächtigkeit zunehmenden
1) Unterschlüsselbein- oder Schlüsselbeinmuskel. Sousclavier.
®) Theile, Krause u. A. nennen das Costalende Insertion, die Befestigung am
Schlüsselbein Ursprung.
88 Subelavius.
Schichte in einer Furche auf der unteren Fläche des Schlüsselbeinkörpers
(Knl. Fig. 200) fest 1). $
Fig. 39.
ac Aac Pc
Oae
Vordere Brustwand, nach Entfernung der vorderen Hälfte des M. deltoid. (D) und des
M. pector. maj. Pmj!, Portio elavieularis, Pmj?, Pmj°, Portio sterno-costalis, oberfläch-
liche und tiefe Schichte, Pc Proc. coracoideus, Aac Artieulatio acromio-clavieularis. ac
Lig. acromio-clavieulare. Tr M. trapezius. LdM. latiss. d. Sem M. sternocleidomast. Sa
M. serrat. ant. BI Sehne des langen Kopfes des M. biceps brachii. ** Gemeinsamer Ur-
sprung des kurzen Kopfes desselben Muskels und des M. coracobrachialis, Bündel der
Armgefässe und Nerven.
Wegen des Schleimbeutels, der die hintere Fläche des Subelavius be-
kleidet, vel. Bal. S. 64.
Var. Der Subclavius giebt eine accessorische Sehne an den Schulterhaken
(Haller, de corp. hum. fabr. T. VI, p. 77). Er verdoppelt sich theilweise, indem
er von der ersten Rippe mit zwei Sehnen entspringt und sich in zwei Insertionen
spaltet, eine am Acromion, die andere am Schlüsselbein und der Wurzel des
Schulterhakens befestigt (Böhmer, observ. anat. rar. Hal. 1752, p. IX.). Er ver-
doppelt sich vollständig, die Sehne des vorderen Muskels befestigt sich an den
Schulterhaken, die des hinteren an die laterale Ecke des Schulterblattes neben
dem M. omohyoideus (Rosenmüller, in R. u. Isenflamm, Beitr. Bd. I, Hit. 3,
MT — [0
') Die Bezeichnung dieses Muskels als eines halbgefiederten, die in den Handbüchern
eingeführt ist, erweckt unrichtige Vorstellungen; sie passt nur auf die Anordnung der
Muskelfasern in der Nähe des Ursprungs, während weiterhin die Hauptmasse der Muskel-
fasern in der Flucht der Sehne liegt.
Pectoralis minor. 89
S. 375, Taf I1.). Ein überzähliger, vorderer Muskel, durch eine V. thoracica von
dem regelmässigen Subelavius geschieden, verläuft zwischen der ersten Rippe und
dem vorderen Rande des Schlüsselbeins (Theile). .
Der Subelavius kann, nach der Richtung der grossen Masse seiner Fasern zu
urtheilen, keine andere Wirkung haben, als das Schlüsselbein medianwärts zu be-
wegen, d. h. fester in die Brustbeinpfanne hineinzudrücken. Das Schlüsselbein ab-
wärts oder die Rippe aufwärts ziehen könnten nur die wenigen steiler aufsteigen-
den medialen Fasern, die dazu eine sehr ungünstige Lage haben. Beim Herab-
drücken der Schulter, wobei das Schlüsselbein mit dem lateralen Ende vorwärts
geht, kommt der Subelavius in eine andere Ebene zu liegen, ohne dass seine
Spannung sich ändert. Da aber der Knochen nach der Seite, nach welcher der
Subelavius ihn zieht, nicht vorschreiten kann, so kann die Aufgabe dieses Muskels
nur darin bestehen, einem Zuge nach der entgegengesetzten Seite nöthigenfalls
Widerstand zu leisten und somit die Kapsel des Sternoclaviculargelenks zu unter-
stützen und vor Zerrungen zu bewahren.
2. M. pectoralis minor, PmD).
Entsteht mit drei, am Ursprunge dünnsehnigen Zacken am oberen Rande
des vorderen Endes des Knochens der dritten bis fünften Rippe (Fig. 39),
seltener an der zweiten bis vierten oder vierten bis sechsten oder mit vier
Zacken an der dritten bis sechsten, mit jeder weiter nach unten gelegenen
Zacke weiter lateralwärts, nimmt zuweilen an der hinteren Fläche noch eine
tiefe Zacke von der vierten Rippe auf (Fig. 41 Pm*), und erstreckt sich
mit convergirenden Seitenrändern auf-, lateral- und zugleich etwas rück-
wärts gegen den Schulterhaken, an dessen vorderen Rand er sich, der Basis
zunächst, mit platter Sehne inserirt (vgl. Bdl. Fig. 48). s
Wenn der Ursprung des M. pect. min. bis zur sechsten Rippe hinab-
reicht, so wird ein schmaler Streif seines lateralen Randes neben dem un-
teren Rande des Pect. maj. sichtbar. So käme auch die obere Spitze des
M. pector. min. über dem oberen Rande des M. pect. maj. zum Vorschein,
wenn sich nicht unmittelbar an den letzteren der M. deltoideus anlegte.
Zwischen dem spitzen oberen Ende des M. pect. min. und der tieferen Muskel-
schichte bleibt eine Lücke, in welcher die Armgefässe und Nerven in einer,
die Faserung des M. pect. min. rechtwinklig kreuzenden Richtung zum Arm
herabgehen (Fig. 39. 1).
Unter der Insertion liegt zuweilen ein Schleimbeutel.
Der Nerve des M. pect. min., aus dem Plexus brachialis, erreicht den
Muskel in der Nähe seiner oberen Spitze.
Var. In dem bereits erwähnten, von Poland beobachteten Falle (s. M. pect.
maj.) fehlte auch der M. pectoralis minor. Bedeckt vom M. pectoralis min. ent-
springen an einer oder mehreren oberen Rippen Fascikel, die sich an den Schulter-
haken oder an die Kapsel des Schultergelenks inseriren (Rosenmüller, Gantzer
s. Meckel, S.467). Der ganze Muskel kann sich, statt an den Schulterhaken, an
die Kapsel des Schultergelenks befestigen (de Souza, Gaz. med. 1855. Nro. 12).
D) M. serratus ant. Albin. M. s. a. minor. aut: M. coracopectoralis. Kleiner Brust-
muskel.
Physiol.
Bemerk,
2. Pector,
min,
90 Serratus antıcus.
y. Dritte Schichte.
M. serratus anticus
Sa).
y. Dritte Dieser Muskel würde, flach ausgebreitet, ein unregelmässiges Viereck
Schichte. darstellen, mit zwei im Wesentlichen verticalen Seiten, einer vorderen (me-
dialen) und einer hinteren (lateralen), und mit einer oberen und unteren
schräg rückwärts aufsteigenden Seite, die beiden letzteren mit den hinteren
Enden convergirend (Fig. 41). Die vordere Seite entspricht dem Ursprunge,
Serrat. ant.
sie geht an der Seite des Brustkorbes herab; die
hintere ist Insertion und haftet
an der Basis des Schulterblattes; obere und untere Seite sind frei. Die vor-
dere Seite ist aber nicht einfach vertical, sondern, wie bei allen an einer
Reihe von Rippen entspringenden oder endenden Muskeln, zackig und zu-
gleich Sförmig gebogen, an den nächst oberen Rippen am weitesten lateral-
wärts zurückweichend, an den nächst unteren am weitesten medianwärts
vorspringend; ebenso ist die hintere Seite, wie es schon die Form der Ba-
sis des Schulterblattes mit sich bringt, leicht concav. Die von diesen vier
Seiten eingeschlossene Muskelplatte endlich ist nicht plan, sondern nach der
Wölbung des Brustkorbes, dem sie genau anliegt, gekrümmt; sie reicht von
der Seiten- auf die Rückenfläche des Brustkorbes und ist auf der Rücken-
fläche vom Schulterblatt und zunächst vom M. subscapularis gedeckt (Fig. 40).
Man unterscheidet an dem M. serratus
ant. drei Abtheilungen, eine
obere, mittlere und untere; die obere und mittlere sind am Ursprunge durch
Fig. 40 2).
Horizontalschnitt des Brustkorbes in der Nähe des
unteren Randes des vierten Brustwirbelkörpers. Vt5
Obere Gelenkfortsätze des fünften Brustwirbels. S
Brustbein. S‘Schulterblatt. Pmj, PmM. pect. maj. und
min. Zd M. latiss. de Tmj M. teres maj. /sp M.
infraspin. Ss M. subscapularis. I, I Mm. intercost.
dentele.
®) Nach Piragoff, Fasc. II, Taf. VI, Fig. 1.
den Verlauf der Fasern ge-
schieden, die mittlere und un-
tere gehen ohne deutliche
Grenze in einander über. Die
obere entsteht an dem Kno-
chen der ersten und zweiten
Rippe, etwa in der Mitte sei-
ner Länge und an einem von
der ersten zur zweiten Rippe
herablaufenden Sehnenbogen
mit einer einfachen, nur im
Rippen-Zwischenraum etwas
eingebogenen Zacke. Ihre Fa-
sern gehen convergirend auf-
wärts zur medialen oberen
Spitze des Schulterblattes und
inseriren sich (zwischen Le-
vator scapulae und Omohyoi-
deus) an den oberen und hin-
!) M. serratus magnus Albin. M.s. a. major aut. Grosser Sägemuskel. Ze grand
Serratus anticus. 91
teren Rand des über der Fossa subscapularis gelegenen dreiseitigen Feldes
(Fig. 42 Sa! vergl. Knl. Fig. 194 s).
Die mittlere Abtheilung des Serratus besteht zuweilen nur aus Einer
Fig. 41.
,
Th
I
SS
N
Vordere Brustwand, fast Profil. M. peet. maj. völlig und M. pect. min. bis auf die Ur-
sprünge entfernt. Pm* tiefe Zacke des M. pecet. min. Das Schlüsselbein ist durch-
sägt und das laterale Schnittende (C+}) mit dem Schulterblatt seitwärts umgestülpt. Die
Rippenzacken des M. latiss. dorsi (Zd) dicht am Ursprung abgeschnitten. ?s Lig. transv.
scapulae. T’mj. M. teres maj. Oae M. oblig. abd. ext. Ie, Ti Mm. intercost. ext und int.
Scm M. sternocleidomast. Oh M. omohyoid. Zs M. levator scap. Ssp M. supraspinatus.
Ss M. subscapularis.
Physiol.
Bemerk.
92 Serratus anticus.
breiten Zacke von sehr geringer Mächtigkeit, welche am unteren Rande der
zweiten Rippe nach unten vom Ursprunge der oberen Abtheilung, theilweise
bedeckt von der letzteren, ent-
Fig. 42. springt und sich mit auf- und
abwärts ausstrahlenden Fasern
längs der Basis des Schulterblat-
tes ansetzt. In diesem Falle ge-
hören die von der. dritten und
vierten Rippe stammenden Zacken
zur unteren Abtheilung des Ser-
ratus. Häufiger gehören sie ganz
oder theilweise der mittleren an,
indem sie im Anschluss an die
von der zweiten Rippe abwärts
verlaufenden Fasern zur Basis
des Schulterblattes treten.
Zur unteren Abtheilung ver-
binden sich Zacken von der drit-
ten oder vierten oder fünften bis
zur neunten oder zehnten Rippe.
Schulterblatt mit den an denselben haftenden Mus- Sie entstehen, die oberen mit den
kl vn von, PO Ener a, Tmy M-tre (ransversalen Fasern der Lig,
Sa?, Sa® M. serrat ant., obere, mittlere und un- intercostalia extt. zusammenhän-
tere Abtheilung. OR M. omohyoid. Zs M. leva- gend, die unteren in die Zacken
tor scapulae. Ss M. subscapularis. des Obl. abd. ext. eingreifend,
von der äusseren Fläche und dem
oberen Rand ihrer Rippe, in einer, wie erwähnt, medianwärts convexen
Linie, die auf der sechsten Rippe ihren Culminationspunkt erreicht. Die
Zacken erhalten sich, wiewohl dicht zusammentretend, doch unvermischt bis
zur Insertion an der unteren Spitze des Schulterblattes, gegen welche sie
dergestalt convergiren, dass, wie am Pectoralis maj., die unteren Fasern
sich um den Rand des Muskels herumschlagen, und, bei natürlicher Haltung
des Schulterblattes, vor den oberen befestigen (Fig. 42).
Der Nerve, N. thoracicus long. aus dem Plex. brachial., läuft auf der
äusseren Fläche des M. serrat. ant., gedeckt vom M. subscapularis, herab.
Var. Fehlte in dem nach Poland angeführten Falle. Häufig fehlt die Zacke
von der ersten Rippe oder eine der Zacken von der zweiten. Der Muskel kann
in zwei Abtheilungen zerfallen, indem die mittlere, der Basis des Schulterblattes
angehörige, ausfällt (Meckel). Eine tiefe Schichte entspringt zuweilen hinter und
unter den gewöhnlichen Rippenzacken von der ersten oder den nüchstfolgenden Rip-
pen in Form zarter, platter Bündel, die sich an die Innenfläche des Muskels an-
legen. Theile sah eine solche von der zweiten Rippe entspringende Zacke gegen
das Schulterblatt sich ausbreiten und sich selbstständig an die Basis desselben, vom
Ursprunge des Kammes bis zum unteren Winkel befestigen.
Die volle Action des M. serrat ant. tritt dann ein, wenn man eine Last hinter sich
her zieht. In diesem Falle, wo das Schulterblatt nach hinten verrückt werden soll, sind
alle Zacken des Muskels in gleichem Maasse in Anspruch genommen, um es vorwärts
fest zu halten. Dass sich die grosse Mehrzahl der Fasern an der oberen und unteren
Ecke des Schulterblattes sammelt und für die eigentliche Basis desselben nur eine
Brustmuskeln. 93
dünne Lage übrig bleibt, ist für diesen Fall gleichgültig. Zweckmässig dagegen
scheint diese Einrichtung, und es scheint eine von den oberen Zacken unabhän-
gige Wirkung der unteren möglich beim Aufheben von Lasten. Hier ist das
Schulterblatt einem zweiarmigen Hebel oder Wagebalken zu vergleichen, den man
sich an der oberen medialen Spitze aufgehängt denken kann; die Last ist mittelst
der Ober-Extremität an der lateralen Ecke (dem Gelenkknopf) angebracht; den
Zacken des Serratus wird es um so leichter fallen, das Gegengewicht zu halten,
je näher der unteren Spitze des Schulterblattes sie sich ansetzen. Die obere Ab-
theilung des M. serrat. ant., wenn sie selbstständig oder etwa in Verbindung mit
dem. M. pect. minor wirken kann, müsste die entgegengesetzte Bewegung zur
Folge haben und das Schultergelenk vor- und abwärts führen, wie wenn man, bei
gerader Wirbelsäule, mit den Händen möglichst weit abwärts zu reichen sucht.
Es müsste aber, um diese Bewegungen richtig zu beurtheilen, vorerst durch ge-
naue Messungen ermittelt sein, ob, wie noch zur Zeit allgemein angenommen wird,
das Schulterblatt sich um eine, durch irgend einen Punkt seiner Fläche gelegte
sagittale Axe dreht, oder, wie Duchenne (S. 303) behauptet, jede Ecke dieses
Knochens zum Drehpunkt werden kann. Dass die unteren Zacken des Serratus,
ebenfalls nach Duchenne’s Behauptung, den unteren Winkel des Schulterblattes
nach der Vorwärtsbewegung noch erheben sollen, ist nur aus der Mitwirkung der
Fasern des Rhomboideus begreiflich, wenn man die vereinigten Fasern beider
Muskeln je als gebrochene Linien mit aufwärts offenem stumpfen Winkel ansicht,
die sich bei ihrer Verkürzung gerade zu strecken streben.
Einen Nutzen des M. serratus lernen wir aus der Lähmung desselben kennen.
Bei Versuchen, den Arm zu bewegen, wendet sich das Schulterblatt alsdann nicht
nur mit dem unteren Winkel median-, und mit der Basis aufwärts, sondern es
entfernt sich auch mit der Basis von den Rippen, und seine Flächen nehmen eine
mehr sagittale Stellung an, wobei der untere Rand des M. rhomboideus gespannt
unter der Haut zu fühlen ist (Marchessaux, arch. gen. 3. ser. T. VII, p. 313).
Es gehört demnach zu den Functionen des Serratus, das Schulterblatt an den
Rumpf angedrückt zu erhalten.
Ueber die Wirkung dieses Muskels auf die Rippen s. unten.
Betrachtet man die Muskulatur der Seitenwand des Rumpfes im Zu-
sammenhange, so sieht man, dass von der neunten Rippe an aufwärts die
Zacken des Serratus ant. ebenso zwischen die Ursprünge des M. obl. abd.
ext. eingreifen, wie von da an abwärts die Rippenzacken des M. latissimus
dorsi (Fig. 43). Doch geht von der neunten Rippe häufig über einer Zacke des
Serratus noch eine Zacke des Latissimus ab. In der Richtung der Fasern
weichen beide Muskeln von einander ab; sie ist im Latissimus steiler als im
Serratus, und so steigt der erste, den letzteren bedeckend, über die hintere
Hälfte desselben aufwärts. Den oberen und den vorderen Theil der mittle-
ren Zacken des Serratus deckt der M. pectoralis maj.; zwischen den Rän-
dern des Pectoralis und Latissimus aber bleibt ein vom Grund der Achsel-
grube aus abwärts an Breite zunehmendes Feld, in welchem Theile der sechs
unteren Zacken des Serratus frei unter der Haut zu fühlen sind.
Mit der freien Oberfläche aller dieser Muskeln ist die Cutis durch eine
Bindegewebsschichte verbunden, die nur auf dem Pectoralis maj., wo sie
dem M. subeutaneus colli zum Ursprunge dient, und in der Achselgrube,
wo sie sich vom Pectoralis maj. zum Latissimus hinüberschlägt, dem Cha-
rakter einer Fascie sich nähert. Auch zwischen den einzelnen Muskellagen
findet sieh kein anderes, als atmosphärisches Bindegewebe, und nur die
gleichmässige Ausbreitung, nicht die besondere Straffheit der Bindegewebe-
lage zwischen dem M. serratus ant. und der Brustwand, sowie zwischen M.
Fascie der
Brustm.
94 Brustmuskeln.
serrat. und der Fascia subscapularis hält alle Schichten an einander fest
und ausgespannt. Eine Ausnahme macht der M. pectoralis minor, der von
Seitenfläche der Brust. Pmj!, Pmj*? Portio elavicularis und sterno-
costalis des M. pect. maj. Pmj* mit der Scheide des Rectus abd.
zusammenhängende Zacke desselben Muskels. Sa M. serrat. ant.
ZLdM. latiss. d.. Oae M. obl. abd. ext. D M. deltoideus.
seinem Ursprunge
am Schulterhaken
an von einer wah-
ren Fascie, Fascia
coraco - pectora-
lis 4), bekleidet
wird. Diese brei-
tet sich median-
wärts gegen das
Schlüsselbein aus;
mit dem Lig. co-
raco - elavieulare
ant. (Badl. S. 66.)
hängt sie durch
lockeres Bindege-
webe zusammen;
lateralwärts setzt
sie sich vor den
Axillargefässen
her auf die Mus-
keln der Beuge-
seite des Ober-
arms fort; abwärts
verdünnt sie sich
allmälig auf dem
M. pectoralis mi-
nor, und lateral-
wärts neben dem-
selben inserirt sie
sich mit scharfem
Rande an die obe-
re Fläche der Fas-
cie der Achselgru-
be, die sie sammt
der Haut nach
oben einzieht. In
der Lücke zwi-
schen M. pectora-
lis maj. und deltoideus, auf welche ich bei Beschreibung der Faseie der
oberen Extremität zurückkomme, setzt sie sich mit der oberflächlichen Fas-
cie der Brust in Verbindung.
Vor dem M. subelavius zieht eine Fascie her, ein verhältnissmässig
dünnes Sehnenblatt, welches vom Lig. costoclavieulare zum Lig. coraco-
) F. coraco-clavieularis Krause. \
(Or
Brustmuskeln. 95
elaviculare post. ausgespannt ist. An dasselbe ist die Scheide der Axillar-
gefässe angewachsen.
Es ist hier die Beschreibung zweier Muskeln ‚einzuschalten, welche nur als
Varietät, und zwar als ziemlich seltene Ausnahme in der Brustgegend vorkommen.
M. sternalis )).
Ein platter, einen oder ein paar Finger breiter Muskel, welcher mit einer oder M.sternalis.
mehreren, am Ursprunge dünnsehnigen Zacken von Knorpeln der siebenten bis
fünften Rippe oder aus der Fascie des M. oblig. abd. ext. oder auch des M. pect.
maj. entspringt, auf dem letztgenannten Muskel fast gerade in die Höhe geht und
sich wieder mit einer oder mehreren Zacken an Knorpeln der obersten Rippen,
am Handgriff des Brustbeins oder an die Fascie des M. pector. maj. ansetzt oder
in den medialen Kopf des M. sternocleidomastoideus entweder geradezu oder mit-
telst einer intermediären Sehne übergeht. In einem von Bergmann in das hie-
sige Varietätenbuch eingeschriebenen Falle kreuzen beide Sternales einander über
dem Brustbein, indem sie von der Gegend der sechsten Rippe einer Seite zum
dritten Rippenknorpel der anderen aufsteigen. Kelch und Theile sahen die
Muskeln beider Seiten im oberen sehnigen Theile durch zwei sehnige Querstrei-
fen verbunden. In Portal’s Fall war der Sternalis, gleich dem M. rect. abd.,
mit sehnigen Inseriptionen versehen. Oft wurde er durch eine vom M. rectus
zum Sternocleidomastoideus verlaufende Sehne angedeutet.
Ein unmittelbarer Zusammenhang des M. sternalis mit dem Rectus abd. ist in
keiner dieser Beobachtungen constatirt, denn auch Weitbrecht (Comment. Petrop.
T. IV, p-. 258) spricht nur von einer Verbindung mit der obersten Insceription des
Rectus, also doch durch Vermittelung der Scheide desselben; und so scheint jener
Muskel vielmehr als eine Fortsetzung oder vielmehr als ein tiefer Ursprung des
M. sternocleidomastoideus angesehen werden zu müssen, der am oberen Rande
des Brustkorbes sehnig unterbrochen oder durch eine Insertion an die oberen Rip-
pen völlig vom Sternocleidomastoideus abgetrennt wird.
M. supraclavicularis Puachka =)
Entspringt vom Handgriff des Brustbeins, am oberen Rande oder an der vor- M. supra-
deren oder hinteren Fläche in der Nähe des oberen Randes, in einem von Te ellarie
beobachteten Falle auch mit einem platten sehnigen Faseikel aus der Sehne des
medialen Kopfes des M. sternocleidomastoideus. Die Sehne steigt über das Sterno-
elaviculargelenk hinauf und setzt sich dann am oberen Rande des Muskels fort,
dessen spindelförmiger, bis Tmm dicker Bauch aus Fasern besteht, die von dieser
Sehne schräg lateralwärts zum Schlüsselbein absteigen.
Was die Wirkung dieses Muskels betrifft, so scheint er den Subelavius zu
unterstützen, gleich welchem er das Schlüsselbein in der Richtung seiner Längs-
axe medianwärts zieht und einer Dehnung der Kapsel des Sternoclaviculargelenks
sich widersetzt. Welche Stellung man ihm in morphologischer Beziehung anzu-
weisen habe, ist zweifelhaft. Haller beschreibt ihn als überzähligen M. subela-
vius; M. J. Weber, der ihn an der Innenfläche des Thorax fand, führt ihn als
Varietät des M. transversus thor. ant. (s. unten) auf; Luschka bringt ihn in Be-
) M. sternalis brutorum s. rectus sternalis s, thoracicus. Vergl. Haller, de par-
tium c. h. fabrica, T. VI, p. 119, und Theile, S. 182, wo auch die älteren Beobachtun-
geu gesammelt sind. Sabatier, mem. de lacad. de Paris 1790, p. 259. Denuce, Bulle-
tin de la soc. anat. 1853, p. 15. Auch ich habe diesen Muskel in Heidelberg und Göttin-
gen mehrmals gesehen.
2) Müll. Arch. 1856, S. 282, Taf. X. Vergl. Haller, a. a. O0. 8. 77. M. J. We-
ber, Handb. Bd. I, S. 560.
b. Tiefe
Brustm,
96 Mm. intercostales.
ziehung zum Os suprasternale, mit welchem er aber noch nicht zusammen wahr-
genommen worden ist.
b. Tiefe Brustmuskeln.
Die beiden äusseren Schichten, die medianwärts absteigende und die
medianwärts aufsteigende, liegen in den Zwischenräumen der Rippen und
zerfallen demnach in so viel einzelne, kurzfaserige, platte Muskeln, als es
Intercostalräume giebt. Die innerste Schichte liegt an der Innenfläche des
Brustkorbes und ist in zwei zackige Blätter von veränderlicher Form und
Ausbreitung, den. M. transversus thoracis anticus und posticus, zerfallen.
a. Erste Schichte.
Mm. intercostales externi, Te.
&. Erste Sch, Die Fasern der Intercostales extt. verlaufen, reichlich mit Sehnenfasern
Intere, ext.
P- Zweite
Schichte.
Intere. int.
untermischt, bald steiler, bald geneigter und meistens am hinteren Theil der
Brustwand geneigter als am vorderen, median-abwärts zwischen den einan-
der zugekehrten Rändern der Rippen. Sie füllen die Intercostalräume von
den Mm. levatores costarum an, mit welchen ihr hinterer Rand nur künstlich
trennbar zusammenstösst, bis zur Gegend des vorderen Endes der Rippen-
knochen. Hier schliessen sie sich mit einem nicht immer scharf begrenzten
Rande an die Ligg. intercostalia ext. an. In den drei bis vier obersten Inter-
costalräumen enden sie gewöhnlich in einiger Entfernung (1 bis 11/5”) late-
ralwärts von der Spitze der Rippenknochen; in den mittleren Intercostal-
räumen reicht ihr unterer Rand, in den tiefsten dagegen ihr oberer Rand
bis zur Spitze der Rippenknochen, so dass in den höheren Intercostalräu-
men ein Theil des Knochens der je oberen Rippe frei bleibt, in den tieferen
ein Theil des Knorpels der je unteren Rippe den Muskeln zum Ansatz dient.
Ihre Mächtigkeit nimmt von hinten nach vorn etwas ab (Fig. 30, 31, 41).
ß. Zweite Schichte.
Mm. intercostales interni, It.
Sie sind im Allgemeinen dünner und reiner muskulös, als die Intercost.
extt., sehnig nur an der oberen Anheftung, so weit sie über den im Suleus
costalis inf. verlaufenden Gefässen und Nerven liegen. Um diese gegen die
Brusthöhle zu decken, befestigen sie sich mit ihrem oberen Rande an die
obere Kante des genannten Sulcus; mit dem unteren Rande liegen sie im
Niveau der inneren glatten Fläche der Rippe, und nicht selten reicht ein
Muskel so weit auf dieser Fläche hinab, dass er mit dem oberen Rande des
nächst unteren fast oder wirklich zusammenfliesst.
Mit dem hinteren Rande lehnen sich die Intercostales intt. in der Re-
gel an den M. transv. thor. post. an; ihre Ausdehnung nach hinten steht
daher in umgekehrtem Verhältniss zur Entwickelung dieses Muskels; doch
setzen sich die Intercost. intt. zuweilen hinter dem Transversus fort und
auch, wo die Zacken des letzteren fehlen, erstrecken sie sich nicht weit über
die Gegend des Rippenwinkels hinaus. An der vorderen Brustwand kom-
Transversi thoraeis. 97
men sie medianwärts neben dem vorderen Ende der äusseren Intercostal-
muskeln zum Vorschein und reichen,‘ die oberen bis zum Brustbein, die
unteren bis zu den Spitzen der Rippenknorpel; im sechsten und siebenten
Intercostalraume enden sie an den Rippenknorpelgelenken, oder sie werden
durch die letzteren nur unterbrochen und setzen sich medianwärts von den-
selben bis zum vorderen Ende des Intercostalraums fort. So weit sie frei,
d. h. von den äusseren Intercostalmuskeln unbedeckt liegen, sind sie mäch-
tiger und sehniger; damit wird zugleich der Verlauf der Fasern unregel-
mässiger; vom Rande der oberen und unteren, den Intercostalraum begren-
zenden Rippe springen platte Sehnen vor, von welchen die Muskelfasern
divergirend ausgehen !). Die beiden unteren Intercostt. intt. legen sich ge-
radezu an die Zacken des M. obl. int. an (s. oben).
Nicht selten, besonders bei stark entwickeltem M.transv. thor. post., fehlt der
unterste Intercost. int., zuweilen auch der nächst untere.
y. Dritte Schichte.
Mm. transversi thoracis.
Der mittlere Theil des M. transv. abd. entspringt durch Vermittelung J Daitte
eines transversal-faserigen Sehnenblattes von den Querfortsätzen der Bauch- en
wirbel, welche ihrem Wesen nach Rippen sind. Man denke sich einen thoraeis.
Muskel, der sich in gleicher Weise auf die Innenfläche des Brustkorbes fort-
setzt, also an der vorderen Fläche des hinteren Theils des Rippenkörpers
entspringt und in der vorderen Medianlinie (Linea alba und Brustbein)
endet; man nehme an, dass jederseits und in der ganzen Höhe des Brust-
korbes die mittlere Partie dieses Muskels unentwickelt geblieben oder durch
Verschmelzung mit den fibrösen Gebilden der Brustwand verloren gegangen
sei: so wird man zwei Muskeln gewinnen, von welchen der Eine, hintere,
aus Zacken besteht, die von Rippen entspringen und nach kurzem Verlauf
an höheren Rippen enden, der andere, vordere, von Rippen zur Linea alba
und zum Brustbein (oder den vorderen Enden der Rippenknorpel) tritt. Der
hintere Muskel ist der M. transv. thoracis post.; der vordere wird, so weit
er in der vorderen Bauchwand liegt und in der Linea alba sich inserirt, als
Theil des Transversus abdominis betrachtet und ist als solcher beschrieben
worden; die Zacken aber, deren Verbindung in der Medianlinie durch das
Brustbein unterbrochen wird, bilden den M. transv. thoracis ant. Es ist
noch hinzuzufügen, dass die Fasern beider Transversi thor., des hinteren
und vorderen, in symmetrischer Weise, je höher im Brustkorbe sie liegen, um
so mehr aus der transversalen Richtung in eine lateralwärts aufsteigende
übergehen.
!) Die zwischen den Rippenknorpeln verlaufenden Theile der Mm. intercostales intt.
sind es, welche Hamberger (de respirationis mechanismo. Jenae 1788. p. 11. Physiologia
med. $. 237) mit dem Namen Mm. intercartilaginei bezeichnet und von den eigentlichen
Mm. intercost. intt. wegen der Wirkung, von den Mm. intercost. extt. wegen des Verlaufs un-
terschieden wissen will. Meissner (Jahresber. 1856. S. 490) adoptirt den Namen für
eine Muskelschichte, die nach seiner Ansicht die vorderen Enden der Mm. intercostt. interni
deckt und durch eine steiler aufsteigende Richtung der Fasern vor denselben sich aus-
zeichne. Mir scheinen die Fasern, durch die die vorderen Enden der Intercostales intt, sich
allerdings verstärken, in den meisten Fällen nicht regelmässig genug und zu wenig scharf
gesondert, um sie als selbständige Muskelschichte aufzustellen.
Henle, Anatomie. Bd- I. Abthl. 3. 7
98 Transvers. thor. post.
Gleich dem M. iliocostalis, semispinalis und anderen vieltheiligen
Rückenmuskeln bestehen die Mm. transversi thoracis je aus einem Muskel-
bauche, der von der Einen Seite Ursprünge aufnimmt und nach der anderen
sich in Insertionen spaltet. Sie unterscheiden sich aber von jenen Rücken-
muskeln wesentlich darin, dass die Fasern der einzelnen Zacken sich in dem
gemeinsamen Muskelbauche nicht vermischen, sondern nur dicht aneinander-
legen, und dass der gemeinsame Bauch sich demnach ohne Zerschneidung
von Fasern in eine Anzahl von Muskelbäuchen zerlegen lässt, deren jedem
eine Ursprungs- und eine Insertionszacke entspricht. Auf dieser Selb-
ständigkeit der einzelnen Theile der Muskeln beruht ihre grosse Neigung
zu Varietäten, das Zerfallen in einzelne
gesonderte Zacken und die mangelhafte
Entwickelung der Einen oder anderen.
Fig. 44.
1. M. transversus thoracis post. m.').
1. Transv.
Im ausgebildeten Zustande stellt dieser
thor. post.
Muskel ein hohes, verhältnissmässig schma-
les und von unten nach oben sich ver-
schmälerndes Blatt dar, welches am me-
dialen Rande von den Rippen ansteigende
platte Zacken aufnimmt und eben solche
Zacken am lateralen Rande aufwärts ab-
\ - " giebt. Die Ursprünge reichen von der
\N AR} Mm IN zwölften Rippe bis zur dritten, die Inser-
; h tionen von der zehnten bis zur zweiten
Rippe. Ursprünge und Insertionen, also
N die zackigen Ränder des Muskels, sind
sul sehnig, der mittlere Theil ist fleischig.
Die Fasern haben zum grössten Theil die
Richtung vom unteren Rande einer Rippe
zum oberen Rande der zweit höheren;
zuweilen überspringen sie zwei Rippen;
am oberen Ende findet sich eine Zacke
von der dritten Rippe zur zweiten. Die
Verschmälerung, die der Muskel nach
oben erfährt, ist bei der Abnahme der
Breite der einzelnen Zacken auch durch
den steileren Verlauf der Fasern bedingt.
Hintere Wand des Brustkorbes nach Am unteren Ende des Muskels liegen die
Re = PRSETER Ursprünge näher an der Wirbelsäule; die
unterste Zacke kann sogar Sehnenfasern
vom ‚Wirbelkörper aufnehmen; von der neunten Rippe an liegt der mediale
Rand etwa in der Mitte zwischen Köpfchen und Winkel der Rippe.
Ji
llz
h
\\
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! . = a
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!) Die Zacken desselben sind von Albin (hist. muse. p. 401) als Theile der Mm. in-
tercostt. intt. beschrieben, Es sind die Costarum depressores proprü Cowperi Dougl. Mm.
intracostales Verheyen. Mm. infracostales Meckel. Mm. subcosiales (sous-costaux) Wins-
low. M. serrat. int. Kelch.
Transv. thor. ant. 99
In dieser vollendeten Entwickelung zeigt sich der M. t. t. p. selten; in
der Regel erstreckt er sich nicht über die untere Hälfte des Brustkorbes
hinauf, zuweilen kommen neben zusammenhängenden unteren Zacken einige
zerstreute Zacken an oberen Rippen vor, die eine Rippe überspringen, in
der Fagerrichtung dem Intercost. int. gleichen, und von welchen sich nicht
immer entscheiden lässt, ob sie dem Transversus angehören oder durch Zu-
sammenfliessen von Fasern je zweier Intercost. intt. entstanden sind. Aber
selbst die untersten Zacken des Transv. thor. post. können fehlen, und dann
treten in den unteren Intercostalräumen die Intercost. intt. bis an die Wir-
belkörper heran (Bdl. Fig. 25).
2. M. transversus thoracis ant. m. Tta').
Entspringt im unmittelbaren Anschluss an den M. transv. abd. vom la-
teralen Ende des Knorpels und zuweilen noch am Knochen der sechsten
2 Ta
Vordere Brustwand, von innen. Das Zwerchfell (Dp), dicht an den Ursprüngen von den
Rippen und von der Sehne des M. transv. abd. (Ta) abgeschnitten,
l) M. triangularis sterni s. sternocostalis aut. M. transversus pecloris Arnold,
7*
2. Transv.
thor. aut.
Fascie.
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
100 Brustmuskeln.
oder fünften bis zur dritten oder zweiten Rippe mit platten, dünnen, sehni-
gen Zacken und heftet sich mit dem unteren Theile des medialen Randes
sehnig an den Rand des Schwertfortsatzes und des Brustbeinkörpers, weiter
hinauf mit einzelnen, ebenfalls sehnigen Zacken an die vorderen Enden der
Knorpel der fünften und vierten Rippe. Das unterste Bündel nimmt zu-
weilen noch Fasern vom Knorpel der siebenten Rippe auf. Die oberen
Zacken, welche an Rippen entspringen und enden, lassen zwischen Ursprung
und Insertion eine Rippe frei).
Der vordere Transversus ist beständiger als der hintere, jedoch eben-
falls von veränderlicher Ausdehnung, nicht selten in einzelne Faseikel zer-
fallen.
Die Stelle einer Fascie der tiefen Brustmuskeln vertreten die Ligg.
intercostalia (Bdl. S. 32); von ihnen aus setzen sich zartere Bindegewebs-
lagen über die äussere und innere Fläche fort, die inneren von der Pleura
bekleidet. Zwischen den äusseren und inneren Intercostalmuskeln liegt
eine dünne, mitunter fibröse Bindegewebsschichte; reichlicheres und fetthal-
tiges Bindegewebe findet sich in der Rinne, in welcher die Gefäss- und
Nervenstämme verlaufen.
Die Wirkung der Intercostalmuskeln, welche schon einmal Gegenstand einer
lebhaften Controverse zwischen Hamberger und Haller gewesen, ist auch in
neuester Zeit vielfach besprochen und von den meisten Physiologen im Hamber-
ger’schen Sinne gedeutet worden. Da beim Heben der Rippen die Insertions-
punkte der Fasern der äusseren Intercostalmuskeln sich einander nähern, die In-
sertionspunkte der=Fasern der inneren Intercostalmuskeln dagegen sich von ein-
ander entfernen (Donders, Physiol. d. Menschen. Bd. I. S. 390), so nimmt man
an, dass die äusseren Intercostalmuskeln zur Hebung, die inneren zur Senkung
der Rippen, jene zur Inspiration, diese zur Exspiration bestimmt seien. Ich will
nicht einwenden, dass die inneren Intercostalmuskeln zwischen den vorderen, auf-
steigenden Theilen der Rippenknorpel dieselbe Richtung habeny wie zwischen den
absteigenden Rippenknochen; man hätte dann die Pheorie nur dahin zu modifici-
ren, dass sich die vorderen Enden der inneren Intercostalmuskeln physiologisch
gleich den äusseren verhielten. Wohl aber hätte zuerst erwogen werden müssen,
25 eine solche alternirende Wirkung der äusseren und inneren Intercostalmuskeln
bewiesen oder nur wahrscheinlich sei. Ich halte sie für unwahrscheinlich nach der
Analogie mit den Bauchmuskeln, nach der Art der Nervenvertheilung, hauptsüch-
lich aber wegen der Uebelstünde, welche die Contraetion der Einen Muskelschichte
ohne die andere mit sich bringen würde. In der Leiche sieht man, wenn man die
Rippen auf- und niederbewegt, abwechselnd die Intercostales externi und interni
erschlaffen; in Folge dieser Erschlaffung bilden die Einen Wülste nach aussen, die
anderen nach innen. Eine so höckerige Gestalt dieser Fläche, wie sie durch die
nach innen vorspringenden Wülste der inneren Intercostalmuskeln beim Einathmen
erzeugt werden müsste, würde aber, da die Lunge genau der inneren Oberfläche
des Brustkorbes anliegen muss, auf die Form und Bewegung dieses Organs einen
sehr merklichen, störenden Einfluss üben; die nach aussen vorspringenden Wülste
der äusseren Intercostalmuskeln beim Ausathmen müssten sich, beiläufig gesagt,
bei mageren Personen durch Gesicht oder Gefühl nachweisen lassen.
Dreieckiger oder innerer Brustmuskel. Petit dentele ant. Cruv. Von Rosenmüller mit
dem T'ransv. abd. unter dem Namen Sterno-abdominalis zusammengezogen.
D) Nach Meckel's Vorgang betrachten die deutschen Autoren das Brustbeinende des
Muskels als Ursprung,
Brustmuskeln. 101
Ein anderer Fehler dieser Theorie ist der, dass sie Heben und Senken der
Rippen und Ein- und Ausathmen als unzertrennliche Begriffe verbindet, da man
doch bei fest verschlossener Mund- und Nasenöffnung die Rippen heben und sen-
ken und also die Form des Brustkorbes ändern kann ohne gleichzeitige Aenderung
seiner Capacität.
Betrachtet man die Wirkung der Intercostalmuskeln zuerst für sich, ohne
Rücksicht auf ihren Antheil an den complicirten Athembewegungen, so lässt sich
nicht zweifeln, dass Fasern, welche, wie schräg ihre Richtung sein möge, zwischen
zwei Rippen verlaufen, durch ihre Zusammenziehung vor allen Dingen die beiden
Rippen einander nähern müssen. Ein schief absteigender Muskel müsste zugleich
die untere Rippe rückwärts, ein schief aufsteigender sie vorwärts ziehen; dass
diese beiden Wirkungen einander gegenseitig aufheben und die resultirende Be-
wegung eine gerade aufwärts ziehende sein müsse, ist um so sicherer, da die
Rippen vermöge ihrer Befestigung nicht im Stande wären, dem Zuge rück- oder
vorwärts zu folgen.
Bevor indess die vereinte Thätigkeit des äusseren und inneren Intercostal-
muskels eines Intercostalraums die Rippen einander entgegenführt, müssen die
Muskelfasern sich zwischen den beiden Punkten, zwischen welchen sie ausgespannt
sind, vollkommen gerade gerichtet haben; dies führt auf eine gewiss sehr wesent-
liche, tonische Function derselben. Die weiche Substanz, die die Lücken zwischen
den Rippen ausfüllt, hat nämlich beim Einathmen, wodurch in der Brusthöhle ein
leerer Raum erzeugt wird, die Last der Atmosphäre zu tragen und ist beim Aus-
athınen dem Drucke ausgesetzt, mit welchem die Luft aus der Brusthöhle aus-
getrieben wird; jene Substanz würde, wenn sie nachgiebig wäre, bei der Inspiration
einwärts, bei der Exspiration auswärts bauschen, und damit ein Theil der Kraft,
die zu den Athembewegungen verwandt wird, nutzlos vergeudet werden. Die Auf-
gabe, einen Widerstand zu leisten, der sich nicht erschöpfen darf, hat die Natur
nirgends dem Binde- oder elastischen Gewebe anvertraut, das doch in einem lan-
gen Leben allmälig schwach und runzlig wird; einer solchen Aufgabe ist nur das
Muskelgewebe gewachsen. Dass dieser Zweck die Anordnung der Intercostal-
muskeln wesentlich mit bestimmt hat, ist daraus zu ersehen, dass sie in doppelter
Schichte nur so weit vorkommen, als nicht durch andere Muskeln die Widerstands-
kraft der Intercostalräume gesichert ist; hinten, so weit die longitudinalen Rücken-
muskeln sich lateralwärts erstrecken, und vorn, so weit der M.transversus thoracis
ant. und rectus abd. reicht, liegen die Intercostalmuskeln in einfacher Schichte, und
zwar fehlt dort der innere, hier der äussere.
Um nun auf die Bewegungen der Rippen gegen einander zurückzukommen,
welche die fortgesetzte Contraction der Intercostalmuskeln zu Stande bringt, so
kann ıhr Gang nur von der relativen Beweglichkeit der Rippen abhängen, so
zwar, dass die befestigte Rippe die bewegliche zu sich herauf- oder herabzieht.
Die Beweglichkeit der Rippen, zuerst den einfachen Fall angenommen, dass keine
anderweiten Muskelkräfte an denselben angebracht werden, ist bedingt durch ihre
Befestigung am hinteren und vorderen Ende. Sägt man sämmtliche Rippen in
einiger Entfernung von den Rippenhöckergelenken durch und führt man mittelst
der Stümpfe Bewegungen um die das Gelenk des Köpichens und Höckers verbindende
Axe aus, wobei sie mit dem Schnittende auf- und abgehen: so lehrt schon das
Augenmaass, dass die Beweglichkeit von der ersten Rippe bis zur sechsten und
siebenten ab- und von da bis zur untersten wieder zunimmt; in manchen Fällen
findet man die mittleren Rippen fast unbeweglich. Was sodann die Befestigung
des vorderen Endes betrifit, so ist der Vortheil, welchen in dieser Hinsicht die
falschen Rippen vor den wahren, und wieder unter den falschen Rippen die unteren
vor den oberen haben, bekannt und bedarf keinerErörterung; wie sich die wahren
Rippen zu einander verhalten, ist freilich schwer zu ermitteln; jedenfalls aber wird
eine Zusammenziehung der Intercostalmuskeln für sich allein die unteren Rippen
102 Brustmuskeln.
heraufziehen, somit den Brustkorb im verticalen Durchmesser verkleinern und
durch Erhebung der Rippenursprünge des Zwerchfells die Ausathmung fördern.
Aber auch das ist zweifelhaft, ob die Intercostalmuskeln jemals für sich allein
zur Wirksamkeit gelangen, und dann, wenn sich ihre Thätigkeit mit der Thätigkeit
anderer, von der Wirbelsäule und dem Becken entspringender Muskeln assocürt,
kommt es auf einen Wettstreit dieser Muskeln an, welcher derselben die Rippe,
an die er sich ansetzt, so fixirt, dass sie mittelst der Intercostalmuskeln die an-
deren nach sich zieht. Es kann sein, dass, bei gehörig befestister Wirbelsäule,
die Scaleni die erste und zweite Rippe, der Serrat. post.. sup. die nächstfolgenden
Rippen heben und so festhalten, dass alle übrigen Rippen bei der Zusammenzie-
hung der Intercostales diesem Zuge nach oben folgen müssen; umgekehrt kann
möglicherweise der M. serratus post. inf. in Verbindung mit dem M. quadrat.
lumborum und den äusseren Schichten der Bauchmuskeln die untersten Rippen
dergestalt herabziehen und befestigen, dass jede höhere Rippe der nächst tieferen
nachgiebt. Jene Bewegung würden die Levatores costarum, diese der M. sacro-
spinalis und Rect. abd. unterstützen. Es ist aber ebensowohl möglich und nach
meiner Meinung wahrscheinlicher, dass bei kräftiger Inspiration die oberste Rippe
aufwärts, die unterste abwärts gezogen werde, dass der Einen wie der anderen eine
Anzahl Rippen folge, und dass die mittleren am wenigsten von der Stelle rücken.
Damit stimmt die relative Straffheit der mittleren Rippengelenke und die Anord-
nung der Mm. serrati postt., von welchen die mittleren Rippen (die sechste bis
achte) allein keine Zacken erhalten. In der That ist, wenn die Zusammenziehung
des Zwerchfells ganz der Inspiration zu Gute kommen soll, eine Befestigung der
unteren Rippen unerlässlich; das Zwerchfell würde sonst, wie dies auch Duchenne
(S. 373) auf Reizung des N. phrenicus beobachtete, die Rippen, an welchen es
entspringt, einwärts ziehen; dieselben dem Zuge des Zwerchfells entgegen, ab-
und auswärts fest zu halten, scheint der M. serratus post. inf. ganz geschaffen, der
sich an den unteren Rand der vier unteren Rippen gerade da ansetzt, wo von
deren oserem Rande die Zwerchfellszacke abgeht. Andererseits scheint auch zum
Behuf einer kräftigen Ausathmung die Fixirung der oberen Rippen erforderlich
und das Husten erfolgt bei gehobener Brust.
Die Mm. transversi thoracis scheinen noch geeigneter, als die Intercostales, °
um die Rippen einander zu nähern; da sie über wenigstens Eine Rippe wegsetzen,
und also aus contractiler Substanz auch an der Stelle bestehen, wo zwischen den
Intereostalmuskelfasern der beiden entsprechenden Intercostalräume die starre Sub-
stanz des Rippenknochens oder Knorpels eingeschoben ist, so sind sie einer be-
deutenderen Verkürzung fähig, als die Intercostalmuskeln. Ausserdem schützen
die Zacken des M. transv. thor. ant. die Vasa mammaria intt., die Zacken des M.
transv. thor. post. die Stämme der Intercostalgefässe gegen den Druck der Brust-
eingeweide, indem sie sie gegen die Brusthöhle brückenförmig überspannen.
Ich habe hier noch einmal der oberflächlichen Brustmuskeln zu gedenken, von
welchen die Handbücher fast einstimmig!) berichten, dass sie, wenn Schulter und
Arın anderweitig festgestellt seien, zur Bewegung der Rippen und namentlich zur
Hebung derselben, bei grosser Athemnoth, benutzt würden. Ein Theil dieser Be-
hauptung ist unzweifelhaft richtig. Ist der Arm befestigt, so wenden die Brust-
muskeln den Rumpf gegen den Arm; ist der Körper an Einem Arme oder an
beiden aufgehängt, so ziehen ihn die oberflächlichen Brust- und Rückenmuskeln
nach ihrer Seite und zu sich empor. Aber gerade dass die Brustmuskeln eher
das Gewicht des Körpers lüften, als eine Inspirationsbewegung vollziehen, und
») Nur L. Fick erklärt sich dagegen in seinem Lehrbuche der Anatomie. Leipzig
1843. $. 343 und kürzlich wieder in einer auf seine Anregung erschienenen Dissertation
von Coester, über die Function des Serrat. magn. Marb. 1857. Von älteren Anatomen
bekämpft Winslow in einer sehr lesenswerthen Abhandlung über die Bewegungen der
Schulter (Möm. de Tacad. des sc. Paris 1728. p. 175) die damals schon allgemeine An-
nahme einer ‚respiratorischen Function des Serratus.
Halsmuskeln. 103
dass man, an den Armen aufgehängt, ebenso frei ein- und ausathmet, wie auf dem
Boden stehend, muss Bedenken erregen, ob eine Verwendung der oberflächlichen
Brustmuskeln zur Beihülfe beim Athmen jemals stattfinde. In der That sind sie
hierzu so ungünstig als möglich angeordnet. Die Fasern des M. peetor. maj. und
Serrat. ant. laufen zum Theil den Rippen, die sie heben sollten, parallel, zum
Theil steigen sie sogar von der Insertion an der oberen Extremität gegen die
Rippen auf und müssten die letzteren abwärts bewegen. Eine Erhebung gerade
nach aussen ist, nach der Einrichtung der Gelenke, nur den untersten Rippen ver-
stattet, bis zu welchen die oberflächlichen Brustmuskeln sich nicht erstrecken.
Einigermaassen günstig, um die Rippen aufwärts zu ziehen, ist die Richtung des
M. pectoralis minor, doch fehlt es diesem an einem hinreichend kräftigen Antago-
nisten, der dem Zuge vor- und abwärts das Gegengewicht hielte.e Duchenne
konnte bei festgehaltenem Arm durch Reizung des M. pector. maj. keine Bewe-
gungen, weder der Rippen, noch des Brustbeins, erzielen (S. 341). Was den M.
serrat ant, betrifft, so zeugt schon die Verschiedenheit der Ansichten, die über
den Effect seiner Zusammenziehung auf die Rippen geäussert worden sind, für
die Unsicherheit der Thatsache. Die Meisten stellen ihn schlechthin zu den In-
spirationsmuskeln und erklären ihn für einen Heber der Rippen; Cruveilhier
nennt die obere und untere Portion inspiratorisch, die mittlere exspiratorisch;
Theile hält gerade die mittleren Zacken für inspiratorische und Cöster (a.a.O.)
beweist, dass nur die oberen Zacken inspiratorische sein könnten, die mittleren
dagegen exspiratorische, und die unteren gar keine Wirkung auf die Rippen haben.
Zwar erzielte Duchenne ($. 306) durch gleichzeitige Faradisation der Min.
rhomboidei und des Serratus ant. eine kräftige Inspirationsbewegung; doch war
hier möglicherweise der Strom auf das Zwerchfell übergegangen.
Auf die Annahme einer Betheiligung der oberflächlichen Brustmuskeln an den
Inspirationsbewegungen hat besonders das bekannte Factum geführt, dass Asth-
matische die oberen Extremitäten in mancherlei Weisen festzustellen suchen, um,
wie man meint, von den Extremitäten aus die Muskeln auf die Rippen wirken zu
lassen. Vielleicht ist der Nutzen der Befestigung des Schulterblatts und Schlüssel-
beins anderwärts zu suchen. Fick vermuthet, es solle dadurch der Brustkorb von
dem Drucke befreit werden, den die obere Extremität allein durch ihr Gewicht
übe. Ich möchte annehmen, dass, von der befestigten Schulter aus, die oberfläch-
lichen Muskeln des Nackens, Trapezius, Rhomboidei, Levator scapulae, vielleicht
auch der Sternocleidomastoideus zur Befestigung der Halswirbelsäule und des
Kopfes mit verwandt werden, um danach die Energie der Contractionen der Min.
scaleni und des Serrat. post. sup. erhöhen zu können.
IV Er) Sm urscksel:n:
Die Halsgegend ist nach unten durch den oberen Rand des Brustkorbes,
nach oben durch den Unterkiefer begrenzt, hinter dessen Aesten sie sich
jederseits bis zum Ohr oder zum Warzenfortsatz hinauf erstreckt. Die hin-
tere Wand und zugleich die knöcherne Stütze des Halses wird von der
Säule der Halswirbel gebildet. Die Vorderfläche dieser Wirbel ist von
Muskeln bedeckt, welche zum Theil in den Brustkorb hinab- und an die
Schädelbasis hinaufreichen und die Wirbel unter sich, mit der Schädelbasis,
mit den oberen Rippen und dem oberen Rande des Schulterblattes in Ver-
bindung setzen. Es sind die tiefen oder hinteren Halsmuskeln. Die
Luft- und Speiseröhre und die grossen Gefäss- und Nervenstämme des
Halses laufen vor ihnen herab und müssen entfernt werden, wenn jene
Muskeln sichtbar gemacht werden sollen. Sie haben alle einen ziemlich
IV. Hals-
muskeln.
104 Vordere Halsmuskeln.
genau verticalen Faserverlauf, entsprechen aber, abgesehen von den dem
Halse eigenen Muskeln der Wirbelkörper, transversalen Muskeln des Rum-
pfes, insbesondere den Mm. intercostales und dem Serrat. ant. des Brust-
korbes.
Eine andere Gruppe von Halsmuskeln, die wir oberflächliche oder
vordere nennen, liest an der Seiten- und Vorderwand des Halses, vor und
neben den Eingeweiden und Gefässstäimmen. Auch unter diesen Muskeln
sind die meisten von verticalem Verlauf, und einzelne derselben, welche in
der vorderen Medianlinie mit ihren Rändern aneinanderstossen, erinnern an
die Mm. recti des Bauches. Doch bedingen die Modification des Skelett-
baues, die Vervielfältigung der Insertionspunkte, die Vermischung der Mus-
kulatur der Rumpfwände mit der der Eingeweide und endlich die eigen-
thümlichen Aufgaben der Muskeln des Halses Eigerthümlichkeiten der
Bildung der letzteren, welche es unthunlich machen, sie auf das allgemeine
Schema der Rumpfmuskeln zurückzuführen.
a. Vordere Halsmuskeln.
a. Vordere Die vom Brustkorbe und Unterkiefer begrenzte Gegend, die ich soeben
Hals-
muskem. als Halsgegend definirte, wird durch das Zungenbein getheilt. Die Partie
unterhalb des Zungenbeins ist Hals im engeren (und gewöhnlichen) Sinne;
die Fläche zwischen dem Zungenbeine und dem unteren Rande des Unter-
kieferkörpers, die dem Boden der Mundhöhle entspricht, wird Unterkiefer-
gegend, Regio submazillaris, genannt; sie schliesst sich bei gewöhnlicher
Haltung des Kopfes unter einem rechten Winkel an die Vorderfläche des
Halses.
Eine Anzahl vorderer Halsmuskeln verläuft, das Zungenbein übersprin-
gend, zwischen den knöchernen Begrenzungen der Halsgegend, dem Brust-
korbe, Unterkiefer und Warzenfortsatze; dies sind die längeren und oberfläch-
licheren. Kürzere und tiefere Muskeln begeben sich vom Brustkorbe, Unter-
Fio. 46.
Oo
S E
kiefer und der Gegend des Warzen-
fortsatzes zum Zungenbein oder zu dem
am Zungenbeine aufgehängten Kehl-
kopf; sie mögen Zungenbeinmuskeln
genannt werden. Bezeichnet in neben-
stehender Figur 46, einer Profilansicht
der rechten Fläche des Halses ent-
sprechend, P den Warzenfortsatz, M
den Unterkiefer, S den Band des
Brustkorbes, und H das Zungenbein,
so genügt es, die vier Punkte durch
Linien zu verbinden, um eine Ueber-
sicht der Lage der vorderen Hals-
muskeln zu gewinnen. Drei Linien,
SM, SP und PM vermitteln direct
den Zusammenhang der drei entlegen-
sten Grenzpunkte, sie repräsentiren
re De ”
Subeutaneus colli. 105
den M. subeutaneus colli, sternocleidomastoideus und biventer mandibulae.
Die Linien SH, PH und MH stellen die Muskeln zwischen jenen drei
Grenzpunkten und dem Zungenbein dar; doch sind die diesen Linien ent-
sprechenden Muskeln complieirter als die oberflächlichen. An der Stelle
der Linie SH finden sich zwei Schichten, von welchen die äussere vertical,
die innere transversal in zwei Muskeln getheilt ist (in der äusseren Schichte
Mm. sternohyoideus und omohyoideus, in der inneren sternothyreoideus und
thyreohyoideus). Ebenso zerfällt die Muskulatur MH in zwei Schichten,
eine transversale und eine sagittale (M. mylohyoideus und geniohyoideus).
Der Muskel PH (stylohyoideus) ist einfach, am Ursprung vom Warzenfort-
satze weg auf die Basis des Griffelfortsatzes gerückt, in der Nähe der In-
sertion gespalten, um die mittlere Sehne des Biventer mand. durchzulassen,
die auf diese Weise gegen das Zungenbein herabgedrückt wird.
@. Lange vordere Halsmuskeln.
1. M. subeutaneus coli Sce)).
Eine dünne Muskelplatte, aus.blassen, medianwärts aufsteigenden Fa-
sern zusammengesetzt, an die Haut, wie an die tieferliegenden Theile der
Hals-, Submaxillar- und Unterkiefergegend fest angeheftet. Die Haupt-
ınasse der Fasern entspringt aus der Fascie des M. pectoralis major und
des-M. deltoideus in einer von der Gegend des vorderen Endes des zwei-
ten Rippenknochens zu dem Acromion sich hinziehenden Linie. Die vom
Pect. maj. entspringenden Bündel liegen dicht zusammen, die vom Deltoid.
entspringenden mehr zerstreut; jene gehen steil in die Höhe, diese, um sich
mit den übrigen zu vereinigen, anfangs um so geneigter, je weiter seitwärts
sie liegen. Der ganze Muskel wird dadurch beim Uebergang von der Brust
auf den Hals schmaler und seine vom Ursprung an convergirenden Fasern
gewinnen am Halse einen parallelen Verlauf (Fig.47). Dem lateralen Rande
legen sich am Halse einige Bündel an, welche auf dem M. sternocleido-
mastoideus von der Fascie dieses Muskels ihren Ursprung nehmen, und noch
im Gesicht erhält der Subeutan. einen Zuwachs von blassen, platten, durch
schmale Zwischenräume von einander gesonderten Bündelchen, welche seit-
wärts neben den vom Halse heraufziehenden Fasern dicht über dem Unter-
kieferrande aus der Fascie des Masseter und der Parotis hervorgehen. Der
laterale Rand des Subeutaneus ist demnach treppenförmig oder zackig, doch
ist die Halszacke sehr schmal und fast unter den von der Brust aufsteigen-
den Fasern verborgen und die Unterkieferzacke erweist sich, ohne an die
übrige Masse des Subcutaneus heranzutreten, nur durch die Richtung ihrer
Faserung als Theil desselben. Der mediale Rand des Muskels ist gerad-
linig und springt bei der Contraction scharf hervor.
Die Breite des M. subeutaneus am Halse ist ungefähr gleich der Länge
einer Unterkieferhälfte. Sein medialer Rand lässt das Sternoclavicular-
gelenk und den Sternalursprung des M. sternocleidomast.. sowie die mitt-
>) Platysma myoides; M. guadratus gemae Cowp. M. latissimus colli Albin. Breiter
Halsmuskel, Hauthalsmuskel. Le peaueier Winsl.
&. Lange
Je
vordere
Hals-
muskeln.
Subeut.
eolli.
106 . Subeutaneus colli.
leren Theile des Halses unbedeckt und vereinigt sich mit dem gleichnamigen
Rande des entsprechenden Muskels der anderen Körperhälfte unter einem
spitzen Winkel, etwa in der Mitte zwischen Zungenbein und Kinn oder
Fig. 47.
y,
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ILEDR, A,
M. ‚subeut. colli, von vorn. 1 Kehlkopf. Scm Mediale Ursprungssehne des M. sterno-
eleidomastoideus. 7r M. triangularis. Tr’ Schleifenförmig unter dem Kinn verbundene
Fasern beider Triangulares. Z M. zygomat. RM. risorius.
N i
etwas näher dem Unterkiefer. Sein lateraler Rand bedeckt den vorderen
Rand des M. trapezius, schlägt sich etwa in der Höhe des oberen Randes
des Kehlkopfs auf den M. sternocleidomast. hinüber und erreicht den Unter-
kiefer dicht vor dessen Winkel. Die Stellung der Flächen ergiebt sich von
selbst aus der Betrachtung der Gegenden, die der Muskel durchläuft; am
Halse erzeugt der Sternocleidomastoideus, hinter dem lateralen Theile des
Subceutaneus collı. 107
Unterkieferrandes erzeugt die Submaxillardrüse einen Wulst; jener steigt
steil lateralwärts auf, dieser ist kreisförmig.
Die Insertion des M. subeutaneus colli am Unterkiefer und im Gesicht
ist durch seine Verbindung mit Gesichtsmuskeln complieirt. Unterhalb des
Unterkieferrandes theilt er sich in zwei Portionen von ziemlich gleicher
Breite, welche zuweilen durch einen von Bindegewebe ausgefüllten schmalen
Zwischenraum geschieden sind. Der Zwischenraum entspricht genau der
Stelle, an welcher die Art. max. ext. sich über den Kieferrand ins Gesicht
begiebt. Die dem medialen Rande der medialen Portion zunächst gelege-
nen Bündel befestigen sich an den Unterkiefer, und zwar nehmen die Enden
der einander durchkreuzenden Bündel beider Subeutanei den unteren Rand
dieses Knochens zwischen den Tubercula mentalia beider Seiten (die Basis
der Protuberantia mentalis) ein; die übrigen Bündel der medialen Portion
gehen über den Rand des Unterkiefers weg auf dessen vordere Fläche;
einige gelangen, indem sie in die Tiefe dringen und sich, immer noch ge-
kreuzt, an den Rand des M. levator menti der entgegengesetzten Seite an-
legen, zu dessen Ursprungsstätte.e Die meisten enden in der Haut ihrer
Seite des Kinns bis zur Mittellinie und in der Muskulatur der Unterlippe,
jedoch mit einer Unterbrechung, welche Anlass gegeben hat, einen dem
Wesen nach zum Subeutaneus colli gehörigen Muskel als M. quadrat.
menti !) von ihm zu trennen. Allerdings trifft diese Unterbrechung den bei
weitem grössten Theil der Fasern und lässt nur die den Rändern zunächst
gelegenen unberührt. Sie nimmt sich so aus, als ob die Muskelsubstanz
über dem unteren Rande des Unterkiefers mit der Beinhaut verschmolzen
“ wäre; die vom Halse aufsteigenden Fasern inseriren sich hier und neue ent-
springen oberhalb derselben in gleicher Breite, um sich in gleicher Rich-
tung fortzusetzen. In dem schmalen Zwischenraume zwischen der Insertion
jener und dem Ursprunge dieser Fasern haftet der M. triangularis menti, ein
Muskel, dessen Beschreibung später folgen wird und von welchem hier nur
noch erwähnt werden muss, dass er mit einem Theil seiner Fasern, unter
dem Kinn von Einer Seite zur anderen ziehend, von unten her die Insertion
der gekreuzten Fasern des M. subeutaneus colli deckt (Fig. 47).
Von der lateralen Portion des M. subeutaneus colli trennt sich am me-
dialen Rande ein verhältnissmässig schmaler Zipfel ab, der sich schräg me-
dianwärts gegen den Mundwinkel neigt, indess die anderen Fasern sich in
der Fascie der Wange verlieren. Jener Zipfel legt sich an die obere Spitze
des M. triangularis menti an und erreicht mit ihr die Haut des Mundwin-
kels2); einige Bündel desselben gehen in die Tiefe und mischen sich, be-
deckt vom M. quadr. menti, der Muskulatur der Unterlippe bei.
Var. Ich sah vom medialen Rande des Muskels Fasern abgehen, die auf der
Seitenfläche der Cart. thyreoidea in der Nähe ihres oberen Randes sich befestigten.
Von den den lateralen nächsten Fasern sollen einzelne an die untere Fläche des
DM. depressor labü inferioris.
®) In den neueren Handbüchern wird dieser Theil des Subeutaneus unter dem Namen
Risorius Santorini beschrieben, mit doppeltem Unrecht, da er den Mundwinkel nicht zur
Seite, sondern niederzieht und da Santorini's Risorius (a. a. O. 8. 32) ein vom Sub-
cutaneus durchaus verschiedener, das obere Ende des letzteren bedeckender Muskel ist
(s. Gesichtsmuskeln). i
FhYysiolo-
gische Be-
merkungen.
2. Sterno-
eleidom.
108 Sternocleidomastoideus.
Ohrknorpels treten (Cowper, cit. bei Albin, S. 194); nicht selten wendet sich
eine Anzahl Fasern des lateralen Randes hinter das Ohr, um auf dem Proc. mastoi-
deus zu enden (Zagorsky, mem. de Petersburg. T. I. p. 357. Taf. XI. XIH.
Theile, $. 183). Diese Varietät bildet den Uebergang zu einer anderen, einmal
in Heidelberg und einmal in Göttingen von mir beobachteten, wo ein platter,
dünner Muskelstreif abwärts convex oder selbst in gebrochener Linie von der Ge-
gend der oberen Nackenlinie unter dem Ohr vorüber zur Wange verlief und über
dem Tuber zygomatieum in die Haut oder Fascie des Gesichtes ausstrahlte. So
rechne ich zu den Varietäten des M. subeutaneus auch die queren Muskelbündel,
Occeipitalis teres s. minor s. Corrugator posticus Santorini (Obs. cap. 1. $. 4),
Peauciers sous-occipitaux Cruv. (p. 190), welche so häufig unterhalb der oberen
Nackenlinie transversal auf den Sehnen des M. cucullaris und sterhocleidomastoi-
deus vorkommen, aus der Fascie entspringend und in derselben endend. Ein vom
Schlüsselbein entspringendes und über die untere Ausbreitung des Subeutaneus
colli quer zur Fascie des M. deltoideus verlaufendes Muskelbündel beschreibt
Gantzer (Meckel An. II. 472). An einer von Teichmann auf hiesiger Ana-
tomie präparirten Leiche bogen die dem medialen Rande nächsten Fasern des
M. subeut. colli auf dem M. pectoralis major abwärts um und gingen, indem sie
sich mit ähnlichen Fasern des gleichnamigen Muskels der anderen Seite kreuzten,
über das Brustbein weg zum zweiten bis dritten Rippenknorpel der entgegenge-
setzten Seite.
Die Wirkung der Bündel des M. subeutaneus colli, die in den Mundwinkel
und in die Haut des Kinns übergehen, ist an sich klar. Soll man aber diejenigen,
die sich an den Unterkiefer befestigen, zu den Herabziehern dieses Knochens
zählen? Sie wären dazu sehr ungeschickt angeordnet, da sie, um auf den Un-
terkiefer zu wirken, zuvor das Bindegewebe, mittelst dessen ihre innere Fläche
an die tieferen Halsmukeln angeheftet ist, aufs Aeusserste gedehnt haben müssten.
Viel wahrscheinlicher ist, dass sie bei geschlossenem Munde zwischen Brust und
Kiefer sich gerade strecken sollen. Den Zweck dieser Streckung aber hat Foltz
(Gaz. med. 1852. Nro. 31) vollkommen dadurch erklärt, dass dem Einsinken der
Haut des Halses und dem Collabiren der Halsvenen beim Einathmen Widerstand
geleistet werden müsse. In der That sieht man bei rascher oder angestrengter
Inspiration, insbesondere beim Singen, die Subeutanei sich spannen und die Haut
des Halses in Längsfalten legen.
Dem lateralen Theile des M. subeut. colli lässt sich ein Antheil an der För-
derung des Speichels aus der Parotis nicht wohl absprechen. Zwar sind die Fa-
sern, welche die Parotis decken, meist nur zart; aber auch die aufzuwendende
Kraft ist gering und gerade beim Kauen wird die Wirksamkeit des Muskels we-
sentlich unterstützt durch die Dehnung, die er beim Oeffnen des Mundes erfährt.
2. M. sternocleidomastoideus Scm).
Entspringt mit zwei Köpfen breit und platt am Brust- und Schlüssel-
bein und verschmälert und verdickt sich im Aufsteigen dadurch, dass der
steiler aufsteigende laterale Kopf sich unter den medialen schiebt.
Der Ursprung des medialen Kopfes?) befindet sich an der Vorderfläche
des Brustbeins unter dem Schlüsselbeinausschnitt; der Ursprung des latera-
len Kopfes?) nimmt den oberen Rand des sternalen Endes des Schlüsselbeins
1) M. nutator capitis Meckel. M. masioideus coli Arn. Kopfnicker. Nach Wins-
low’s Vorgang werden die beiden Portionen des Sternocleidomastoideus yon Albin, Meckel
u. A. als zwei selbständige Muskeln beschrieben. Sömmerring und Theile fassen die
Schädelinsertion als Ursprung, die Brustkorbinsertion als Endigung.
2) Caput sternale. M. sternomastoideus Winslow. Nutator capitis int. s. ant. Meckel.
3) Caput clavieulare. M. cleidomastoideus Winslow. Nutator c. ext. s. post. Meckel.
Sternocleidomastoideus. 109
bis nahe an die Gelenkfläche ein. Der mediale Kopf (Fig. 48 Scm?) ent-
springt mit einer starken, plattrunden Sehne, die sich am medialen Rande
desselben am längsten erhält; der laterale Kopf (Sem!) entspringt breit,
Fig. 48.
\| Me)
\$ 7
NN
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\ 1,5
IN
IN
Scp
= 00)
AN rs
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Hals im Profil, nach Entfernung des M. subeutaneus coli. Tr M. trapezius. SpepM.
splenius cap. Zs M. levator scapulae. Scp M. scalenus post. Sin h M. sternohyoideus.
Oh M. omohyoideus.
aussen kurzsehnig, innen fleischig. Vermöge seines geneigt lateralwärts
aufsteigenden Verlaufs deckt der mediale Kopf den medialen Rand des
lateralen, und nur wenn der letztere ungewöhnlich schmal ist, bleibt zwischen
beiden Köpfen ein niederer und schmaler, dreieckiger, nach oben zugespitz-
ter Zwischenraum. Eine dünne Bindegewebslage füllt diesen Zwischenraum
aus und heftet die beiden Köpfe aneinander, welche sich bis zur Endsehne
und oft sogar bis zur Insertion am Schädel getrennt erhalten. Die starke,
medianwärts an Höhe und Mächtigkeit abnehmende Endsehne befestigt sich
an der Wurzel des Warzenfortsatzes und dem angrenzenden Theile der
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
3.
Bivent.
mand,
110 Biventer mandibulae.
oberen Nackenlinie bis zum Rande der Sehne des M. trapezius, mit dem sie
sich verflicht, unmittelbar über dem M. splenius.
Die häufigen Varietäten des M. sternocleidomastoideus beruhen grösstentheils
darauf, dass der laterale Kopf breiter wird und zugleich in Abtheilungen zerfällt,
was das Ansehen einer Verdoppelung oder einer Bildung accessorischer Köpfe
gewährt. Die accessorischen Portionen finden sich am medialen oder lateralen
Rande. Als Verdopplung und zugleich Abirrung des lateralen Kopfes des Sterno-
cleidomastoideus betrachte ich einen von Theile (S. 170) als Varietät des Scale-
nus ant.-beschriebenen Muskel, der von der Mitte des Schlüsselbeins zollbreit ent-
sprang und an den Querfortsätzen des fünften und vierten Halswirbels endete,
Ein fleischiger oder sehniger Zipfel geht vom vorderen Rande des M. sternoclei-
domastoideus zum Winkel des Unterkiefers (Brugnone bei Meckel, 8. 475).
Durch einen einseitigen Zug des M. sternocleidomastoideus wird bekanntlich der
Kopf nach der Seite des wirkenden Muskels herabgezogen und zugleich um die ver-
ticale Axe etwas vorwärts und um die transversale Axe aufwärts gewandt. Die
Annahme, dass die gleichzeitig und gleichmässig thätigen Muskeln beider Seiten
den Kopf vorwärts beugten, die zu der deutschen Benennung Kopfnicker An-
lass gegeben hat, ist ohne Zweifel unrichtig; ein Blick auf das Profil des Skeletts
zeigt, dass der grösste Theil der Insertion des Sternocleidomastoideus hinter den
Drehpunkt des Kopfes im Atlasgelenke fällt, und dass also die Bewegung, die dieser
Muskel dem Kopfe im Atlasgelenke ertheilt, wenn sie überhaupt in Betracht käme,
vielmehr eme Streckung wäre. Will man den Sternocleidomastoideus energisch
sich contrahiren sehen, so muss man in ausgestreckter Rückenlage den Kopf zu
heben versuchen. Nicht den Kopf zu beugen, sondern ihn vorwärts zu ziehen, wo-
mit dann allerdings der Hals gebeugt wird, ist die Aufgabe der vereinigten Sterno-
eleidomastoidei.
3. M. biventer mandibulae Bm)).
Dieser Muskel verläuft in einem aufwärts concaven Bogen oder in einer
stumpfwinklig gebrochenen Linie vom Warzenfortsatz, am oberen Rande
des Zungenbeinkörpers vorüber zum Unterkiefer. Er besteht aus zwei platt
cylindrischen, spindelförmigen, durch eine eylindrische Sehne verbundenen
Muskelbäuchen; der hintere (laterale) Muskelbauch (Fig. 49 Bm), im
transversalen Durchmesser abgeplattet, wurzelt in der Incisura mastoidea,
der vordere, mediale, im verticalen Durchmesser abgeplattete (Dm?), setzt
sich in der Fossa digastrica und an dem unter derselben gelegenen Theile
des Unterkieferrandes fest. Der hintere Bauch geht, verdeckt vom Sterno-
cleidomastoideus, ‘aber durch lockeres Bindegewebe von diesem Muskel,
sowie von den tiefer liegenden Muskeln geschieden, ab-median- und vor-
wärts; der vordere Bauch geht in der Ebene der Submaxillargegend, also
ziemlich horizontal, vor- und etwas medianwärts, an der oberen Fläche mit
dem M. mylohyoideus, an der unteren Fläche in der Nähe der Insertion
mit dem M. subeut. colli straff verbunden.
Die zwischen den Muskelbäuchen eingeschaltete Sehne liegt vor und
über dem Zungenbeine; zweierlei Vorrichtungen dienen dazu, sie in dieser
DM. biventer s. digastricus mazwillae inferioris. M. digastricus ossis hyoidei M. J. Weber.
Zweibäuchiger Unterkiefermuskel. M. digastrique.
Biventer mandibulae. 111
Lage auch bei der Zusammenziehung des Muskels zu erhalten. Erstlich
ihr Verhältniss zum M. stylohyoideus, dessen Fasern dicht oberhalb der
Insertion am grossen Zungenbeinhorne auseinanderweichen und einen von
schleimigem Bindegewebe ausgekleideten Schlitz bilden, durch welchen die
Fig. 49.
3 N
WAR
7 IS
IN
&
2
Hals- und Unterkiefergegend von vorn. Der rechte M. subeut, colli ist an der Insertion,
der M. sternocleidomastoideus derselben Seite am Ursprunge abgeschnitten und entfernt.
h Zungenbein. 1 Kehlkopf. 2 Gland. thyreoidea. 3 Halsgefässstämme (V. jugul. int.
und Art carotis comm.). Tr M. trapezius. 0% M. omohyoid. Sin% M. sternohyoid.
StIh M. stylohyoideus. Sti M.sternothyreoid. 7’ M.thyreohyoid. Mh M. mylohyoideus.
Sehne des Biventer”wie. durch einen am Zungenbeine befestigten Ring glei-
tet. Zweitens ihre Verbindung mit dem Körper des Zungenbeins durch
eine fascienartige Ausbreitung von mannigfaltiger Form. Zuweilen entfal-
tet sich die ganze aus dem hinteren Bauch des Biventer hervorgehende
Sehne fächerartig gegen den unteren Rand des Zungenbeinkörpers und der
vordere Bauch entsteht mit neuen Bündeln an der unteren Fläghe dieser
Sehne. Gewöhnlich biegen die oberen Fasern der Zwischensehne in den
vorderen Bauch um, indess die unteren sich theilweise am Zungenbeine be-
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
ß. Zungen-
beium.
I. Von der
Schädel-
basis.
Stylohyoid.
112 Stylohyoideus.”
festigen, 'theilweise von den Muskeln beider Seiten her in der Mittellinie in
Form eines transversalen cylindrischen Stranges oder einer derben Faseie
zusammenstossen. Auch in diesem Falle entwickeln sich Muskelfasern, die
sich dem vorderen Bauch beigesellen, von den am Zungenbeine haftenden
Sehnenfasern.
Var. Häufig bilden die vom Zungenbeine stammenden Fasern einen besonderen
Muskel, der entweder unsymmetrisch auf Einer Seite oder symmetrisch auf beiden
Seiten oder unpaarig in der Mitte liest. Oder diese accessorischen Muskeln ver-
laufen schräg und einander durchkreuzend von der Zwischensehre des Einen Bi-
venter zur Kieferinsertion des anderen. Auch kommen mitunter von den Zwischen-
sehnen der Muskeln beider Seiten fächerförmig gegen die Mittellinie ausstrahlende,
in einer Art Linea alba sich vereinigende Muskelfasern vor, ein dreieckiges Blatt
mit vorwärts gerichteter Spitze darstellend, dessen untere Fläche zuweilen noch
von zerstreuten, sagittalen Bündeln bedeckt ist. Ein dreiseitiges Muskelblatt mit
rückwärts gerichteter Spitze, die Basis am Unterkiefer, beobachtete R. Wagner
(Heusinger’s Zeitschrift, Bd. III. S. 334). Ich sah mit dem vorderen Bauch des
Biventer einen vom Rande des Unterkiefers dicht vor dem Winkel dieses Knochens
entspringenden, cylindrischen Muskel sich vereinigen. In einem von Platner
(de musc. digastr. max. infer. Lips. 1737) beschriebenen Falle theilt sich der vor-
dere Bauch des rechten Biventer in zwei Zipfel, welche sich rechts und links neben
der Mittellinie des Kinnes ansetzen. Der vordere Bauch des linken Biventer da-
gegen zieht schräg seitwärts und befestigt sich an der Unterkieferhälite seiner
Seite mitten zwischen Winkel und Kinn.
Der Biventer zieht den Unterkiefer herab; die Befestigung seiner Zwischen-
sehne am Zungenbeine bewirkt, dass entweder das Zungenbein beim Oeffnen des
Mundes gehoben wird, oder dass, wenn zugleich mit dem Biventer die Muskeln in
Zusammenziehung gerathen, die das Zungenbein abwärts festhalten, diese Muskeln
mit zum Herabziehen des Unterkiefers beitragen. Wirkt der Biventer bei ge-
schlossenem Munde, so gehört er zu den Hebern des Zungenbeins.
ß. Zungenbeinmuskeln.
I. Zwischen Schädelbasis und Zungenbein.
M. stylohyoideus SHIh N.
Geht vom äusseren Umfange der Basis des Proc. styloid., an dem er
mit einer dünnen Sehne entspringt, ab- und vorwärts nur wenig steiler, als
der hintere Bauch des Biventer, von welchem er oben durch lockeres Binde-
gewebe getrennt ist, dem er sich aber im weiteren Verlaufe immer mehr nä-
hert, bis er, dicht über dem Zungenbeine, mit einem Theile seiner Fasern über
ihn hinwegsetzt (Fig. 49.50). Es ist bald die grössere, bald die kleinere Hälfte
des Muskels, welche vor der Zwischensehne des Biventer vorübergeht; fast
immer endet ein Bündel an dieser Sehne selbst; nur ausnahmsweise tritt
der M. stylohyoideus ungetheilt vor oder hinter derselben ans Zungenbein.
In der Regel erhalten sich die beiden Portionen, in welche die Zwischen-
sehne den Stylohyoideus zerlegt, gesondert bis zur Insertion; zuweilen ver-
einigen und durchkreuzen sich die Muskelfasern wieder unterhalb des
!) Griffelzungenbeinmuskel.
Sternohyoideus. 113
Schlitzes. Beide Portionen setzen sich mit dünnen, breiten Sehnen an die
Mitte oder das mediale Ende des grossen Horns des Zungenbeins, zuweilen
Fig. 50. auf den Körper
\ dieses Knochens
herüberreichend.
Oft hängt die vor-
dere Portion mit
den Sehnen desM.
omohyoideus oder
des M. hyothyreoi-
deus, oder mit der
Fascie, welche den
vorderen Bauch
des Biventer an
das Zungenbein
heftet, zusammen.
OR
IE.
“
i IH, hi MM
Stlh 7 Mi IM
/ |
Var. Verdoppelt
sich oder fehlt auf
einer oder beiden
Seiten. Der über-
zählige Muskel (M.
stylochondrohyoideus
Douglass. sStylo-
hyoideus novus San-
torini) setzt sich
an das kleine Horn.
Profilansicht des Halses nach Entfernung des M. subeut. colli und ve ee S
Sternocleidomast. Der vordere Bauch des M. biventer vor der a)
Zwischensehne abgeschnitten. A Zungenbein. 1 Cart. thyreoid. sah neben dem ge-
2 Gland. tbyr. 6 Schlundmuskeln. Mh M. mylohyoid. wöhnlichen und dem
sm Lig. stylomyloid. Sg M. styloglossus. an das kleine Horn
sich befestigenden
Muskel einen dritten, der sich an das stumpfe Ende des grossen Horns inserirte.
II. Zwischen Brustkorb und Zungenbein.
aa. Erste Schichte.
1. M. sternohyoideus Sinh).
Von der inneren Fläche des sternalen Endes des Schlüsselbeins, des ır. vom
Sternoclavieulargelenks und des angrenzenden Theils des Brustbeins zieht Wrusikorb-
dieser anfangs platte und dünne, gegen die Insertion an Breite ab- und an Pelichte.
Dicke zunehmende Muskel zuerst gegen die Mittellinie aufwärts, dem gleich- hyoid.
namigen Muskel der anderen Seite entgegen, dann eine Strecke weit neben
demselben her und schliesslich lateral-aufwärts, so dass der Winkel des
Schildknorpels zwischen den Muskeln beider Körperseiten frei bleibt. Die
= M. siernocleidohyoideus Winslow. MM. cleido-hyoidien Cruv. Brustbeinzungenbein-
muskel. Brustzungenbeinmuskel. £
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 3. 8
114 Omohyoideus.
Insertion am Zungenbeine, meist mit der Insertion des Omohyoideus ver-
flochten, nimmt jederseits den unteren Rand des medialen Theils des Zun-
genbeinkörpers ein (Fig. 51).
Oft erinnert eine sehnige Inscription in der Nähe des unteren Randes
des Muskels an die Analogie desselben mit dem M. rectus abdominis.
2. M. omohyoideus Oh)).
Ein gleich dem Biventer mandibulae zweibäuchiger Muskel, dessen
Fig. 51.
IA
\
)
POLL |
u Stnh
N
Hals- und Unterkiefergegend von vorn. Der rechte M. subeut. colli ist an der Insertion,
der M. sternocleidomastoideus derselben Seite am Ursprunge abgeschnitten und entfernt.
h Zungenbein. 1 Kehlkopf. 2 Gland. thyreoidea.. 3 Halsgefässstämme (V. jugul. int.
und Art. carotis comm,). Tr M. trapezius. Bm M, biventer mandib. S82/h M., stylo-
hyoideus. Sit M. sternothyreoid. 7% M. thyreohyoid. MA M. mylohyoideus.
2;
1) M. coracohyoideus Riolan. M. costohyoideus Santorin. M. omoplat- ou scapulo-
hyoidien Cruv. Schulterblattzungenbeinmuskel. Schulterzungenbeinmuskel.
Omohyoideus. 115
platte Zwischensehne sich oberhalb der Mitte des Schlüsselbeins und lateral-
wärts neben den grossen Gefässstämmen des Halses befindet. Zu dieser
= Sehne geht der hintere Bauch in fast transversaler, nur wenig aufsteigender
Richtung über die Mm. scaleni um den Hals herum, vom oberen Rande des
Fig. 52.
WIN
Y
43
IN N \
N\
RU \\- a
N \ NN NN N
Inn \
|
Vordere Brustwand fast Profi. M. pect. maj. völlig und M. pect. min. bis auf die Ur-
sprünge entfernt, Pm* tiefe Zacke. des M. pect. min. Das Schlüsselbein ist durch-
sägt und das laterale Schnittende (C}) mit dem Schulterblatt seitwärts umgestülpt. Die
Rippenzacken des M. latiss. dorsi (Ld) dicht am Ursprunge abgeschnitten. ?s Lig. transv.
scapulae. 7Tmj M. teres maj. Oae M. oblig. abd. ext. Je, Ti Mm. intercost. ext.
und int Scm M. sternocleidomast. Zs M. levator scap. Ssp M. supraspinatus.
Ss M. subscapularis.
Ss
Physiolo =
gische Be-
merkungen.
116 Omohyoideus.
Schulterblattes (medianwärts) neben dem Lig. transversum sup. und von diesem
Ligamente selbst breit entspringend und sich allmälig verschmälernd (Fig. 52).
Von der Zwischensehne aus verläuft der vordere Bauch auf-, median- und
vorwärts; er wird vom Ursprunge an erst breiter, Jann wieder schmaler und
heftet sich an den unteren Rand des Zungenbeins theils lateralwärts neben,
theils vor der Insertion des Sternohyoideus; mit seinen medialsten Fasern
geht er in den Rand des Sternohyoideus über, mit den lateralsten setzt er
sich häufig in den Stylohyoideus fort (s. oben).
Der hintere Bauch und die Zwischensehne hängen mit einer derben
Fascie zusammen, welche mit beiden Enden an die innere Fläche des
Schlüsselbeins befestigt ist und mit scharfem Rande von obenher eine Lücke
begrenzt, durch die die Nn. supraclaviculares über diesen Knochen hervor-
treten. Von dieser Fascie her erhält zuweilen der vordere Bauch am me-
dialen Rande einen geringen Zuwachs an Muskelbündeln; von ihr aus ver-
breiten sich sehnige Bündel in die Scheide der grossen Gefässstämme am
Halse (Fig. 51).
Neben dem hinteren Bauche des M. omohyoideus oder statt desselben (in wel-
chem Falle der vordere Bauch fehlt) findet sich ein Muskel von ähnlicher Form
und Breite, der in die Fascie des Halses ausstrahlt (Krause’s M. coracocervicalis.
Quain anatomy of arteries pl. IV. Fig. 2) oder an der oberen knöchernen Be-
grenzung des Brustkorbes sich ansetzt, an die erste Rippe (R. Wagner, Heusin-
ger’s Zeitschrift, S. 335, Theile, als Varietüt des M. serrat. ant. S.227. Gru-
ber, Neue Anomal. $. 19) oder an das Schlüsselbein (Rosenmüller, in ‘dessen
und Isenflamm’s Beitr. Bd. I. Hft. 3. S. 375. Taf. II. Luschka, Müller’s
Archiv 1856. S. 284). Der vordere Bauch kann in zwei zerfallen (Gruber, vier
Abhandl. $. 13), oder es begleitet ihn ein zweiter, vom Schlüsselbein entspringen-
der Bauch (Kelch, Beitr. S. 31. Cruveilhier, $. 173), welcher auch wohl die
Stelle des vorderen Buches einnimmt, in welchem Falle der hintere Bauch fehlt
(Albin, Quain a. a. O. pl. XXV.). Vierbäuchig, aus zwei hinteren und zwei
vorderen Bäuchen zusammengesetzt, sah den M. omohyoideus Gruber (Vier Ab-
handl. $. 14); die oberen Bäuche waren die normalen, von den unteren Bäuchen
entsprang der hintere vom Schlüsselbeine, der vordere floss mit dem M. sterno-
hyoideus zusammen. Ob der von Kelch (a. a. O. S. 32) und Gruber (Vier Ab-
handl. S. 22) erwähnte Muskel, welcher zwischen dem Schulterende des Schlüssel-
beins und den Querfortsätzen eines oder mehrerer Halswirbel verläuft, hierher
oder zu den Varietäten der Mm. scaleni oder des Levator scapulae zu stellen sei,
möchte ich unentschieden lassen.
Die mittlere Sehne oder Inscription erstreckt sich zuweilen nur über einen
Theil der Muskelbündel oder sie fehlt völlig. ;
Diese Sehne hat, wie sich aus den Varietäten des Muskels erschliessen lässt,
die Bedeutung einer Rippe; der hintere Bauch ist eine Serratuszacke, der vordere
ein dem Sternohyoideus, der ja auch theilweise von Rippen entspringt, analoger
Muskel. Da die Rippe (eine unterste Halsrippe) nicht zur Entwickelung gelangt,
fliessen beide Bäuche mittelst einer sehnigen Inscription ineinander.
Der Zusammenhang der mittleren Sehne mit der Fascie des Halses ist in der
Regel straff genug, um den Muskel zu hindern, sich bei seiner Contraction gerade
zu strecken; der hintere Bauch spannt also die Fascie; der vordere zieht, von der
Fascie aus wirkend, das Zungenbein herab. Wirken beide Bäuche zugleich von
ihren knöchernen Anheftungspunkten aus auf die intermediäre Sehne, so müssen
sie dieselbe in der Richtung des sagittalen Durchmessers des Halses verschieben.
Theile und Hyrtl sind der Ansicht, dass sie sie einwärts bewegen und damit
einen Druck auf die V. jugularis üben. Mir scheint es, dass die beiden Bäuche
des Omohyoideus einen nach aussen (vorn) offenen, allerdings sehr stumpfen
Sternothyreoideus- 117
Winkel einschliessen, dass sie also die intermediäre Sehne und die mit ihr verbun-
dene Halsfascie, namentlich aber die Scheide der grossen Blutgefässe vorwärts
ziehen und nach vorn festhalten; der Omohyoideus würde demnach mit dem Sub-
cutaneus colli beitragen, die Halsgefüsse offen zu erhalten und dazu insbesondere
bei kräftigen Inspirationsbewegungen in Anspruch genommen werden.
bb. Zweite Schichte.
Die beiden Muskeln dieser Schichte sind in Verbindung mit einander
eine Wiederholung des M. sternohyoideus; sie stellen einen Sternohyoideus
dar, der am Schildknorpel einen Ruhepunkt gefunden und auf diese Weise
eine Unterbrechung erlitten hat. Beweis für die Richtigkeit dieser An-
schauung ist, dass Fasern des unteren dieser Muskeln sich ununterbrochen
und also dem Sternohyoideus vollkommen ähnlich bis zum Zungenbein fort-
setzen. Doch machen selbst an dem Zungenbeine nicht alle Fasern Halt;
einige derselben erstrecken sich nocb weiter aufwärts in die Zunge, dem
Zungenmuskel sich beigesellend, der vom Zungenbeine seinen Ursprung
nimmt (Hyoglossus). Meistens sind es die dem lateralen Rande zunächst
gelegenen Bündel, welche sich über die Anheftungspunkte am Kelilkopfe und
Zungenbeine hinaus erstrecken; doch kommen dergleichen auch an anderen
Stellen des Muskels vor, und es giebt Fälle, wo sich der ganze mittlere
Theil des unteren Muskels an einen Sehnenstreifen heftet, von welchem ein
oberflächlicher Theil des oberen Muskels ausgeht, so dass beide einen ein-
zigen, durch eine sehnige Inseription unterbrochenen Muskelbauch bilden.
Die Muskeln dieser tiefen Schichte sind breiter als die der oberfläch-
licheren; ihre Fasern haben eine von Anfang an steil lateralwärts aufstei-
gende Richtung, so dass sie die Fasern der oberflächlichen Schichte unter
spitzem Winkel kreuzen. Deshalb wird die tiefe Schichte unten am me-
dialen Rande, oben am lateralen Rande der oberflächlichen sichtbar (Fig. 53).
Sie liegt unmittelbar auf den Eingeweiden der Halsgegend, auf der Schild-
drüse und dem Kehlkopfe, und ist von der Schilddrüse zum Schildknorpel
hohl hinübergespannt, um die Art. thyreoidea sup. zu decken.
1. M. sternothyreoideus ÖTL)).
Entspringt hinter und unter dem Sternohyoideus, am medialen Rande
oft mit dem gleichnamigen Muskel der anderen Seite verflochten, von der
inneren Fläche des Brustbeingriffes und des ersten, auch wohl zweiten Rip-
penknorpels, verschmälert sich im Aufsteigen und setzt sich, mit Ausnahme
der lateralen, über den Kehlkopf hinwegziehenden Fasern, an die äussere
Fläche des Schildknorpels, und zwar an eine schräg von einem Vorsprunge
am unteren Rande dieses Knorpels zu einem Höcker an der Wurzel des
“oberen Horns verlaufende Kante. Die kurze Sehne, mit welcher er sich an
den Kehlkopf befestigt, deckt den Ursprung der obersten Fasern des unteren
Schlundschnürers, und ihre innere Fläche dient einzelnen dieser Fasern zum
Ursprunge.
I) Brustbeinsehildknorpelmuskel. Brustbeinschildmuskel. Brustschildmuskel,
bb. Zweite
Schichte.
1. Sterno-
thyreoid.
_
2. Thyreo-
hyoid.
118 Thyreohyoideus.
Auch der Sternothyreoideus zeigt zuweilen am unteren Theile des
Halses eine sehnige Inscription.
Fig. 53.
NUN
wm 17
bh
>
Brust- und Unterkiefergegend von vorn. Nächst dem M. subeut. colli und sternocleidom.
ist rechterseits noch der vordere Bauch des M, biventer, der M. sternohyoideus und der
grösste Theil des M. omohyoideus (Oh) entfernt. Aus dem M. trapezius (Tr) ist ein Stück
ausgeschnitten. Die Halsgefässe ebenfalls weggenommen. % Zungenbein. Bm’ Hinterer
Bauch des M. biventer mandib. StZ!h M. stylohyoideus. 1 Cart. thyreoid. 2 Gland.
thyreoid. 4 Cart. cricoid. 5 M. cricothyreoid., eigener Muskel des Kehlkopfes.
6 Schlundkopfmuskeln. * Tiefe laterale Halsmuskeln. ** Tiefe mediale Halsmuskeln.
Var. Die medialen Fasern beider Sternothyreoidei kreuzen einander am Ur-
sprunge oder Ein Muskel schickt dem anderen einige Bündel zu. Der Muskel
findet sich der Länge nach in zwei oder drei (Cruveilhier) getheilt. An den
lateralen Rand sah ich ein Bündel sich anlegen, welches aus der Scheide der
Halsgefässe entsprang.
2. M. thyreohyoideus Th}.
Von der Insertionsstelle des Sternothyreoideus, verbunden mit den la-
teralen Fasern des letzteren, zum seitlichen Drittel des unteren Randes des
0) M. hyothyreoideus. Zungenbeinschildknorpelmuskel. Schildzungenbeinmuskel,
Mylohyoideus. 119
4
Zungenbeinkörpers und zum angrenzenden Theile des grossen Horns des
Zungenbeins (Fig. 53).
Var. Gruber (Neue Anomal. 8.13) findet einen Muskel, Hyothyreoideus lat.,
von 1“ Dicke, jederseits am medialen Rande des Lig. hyothyreoideum von der
Spitze des grossen Zungenbeinhorns zur Spitze des oberen Horns des Schild-
knorpels. Zu den Varietäten des Thyreohyoideus ist wohl auch Zagorsky’s
(Mem. de l’acad. de Petersb. T. I. p. 353) M. cricohyoideus zu stellen, der sich
zwischen Zungenbein und Ringknorpel erstreckt.
III. Zwischen Unterkiefer und Zungenbein.
aa. Erste Schichte.
M. mylohyoideus Mh).
Ein unpaariger Muskel, der mit wesentlich querverlaufenden Fasern
am Boden der Mundhöhle in dem vom Körper des Unterkiefers umschlos-
senen Raume liegt. Er ist zwischen den Lineae mylohyoideae beider Unter-
RN jplEN
Frontalschnitt des Kopfes hinter dem letzten Backzahn. Md Unterkiefer. Peco Proc.
coronoid. desselben, 2 Glandula saliv. subling. 4 Nasenhöhle. 5 Gland. Iymphat. sub-
maxill. See M. subeut coll. Bm2 Vorderer Bauch des Biventer mand. Mh M. my-
lohyoid. @% M. geniohyoid. @g M. genioglossus.. Pi M pterygoid. int.
kieferhälften ausgespannt (Fig. 54), aber nur die vordersten, kürzesten
Bündel unterhalb der Spina mentalis gehen unmittelbar und gestreckt von
Einer Seite zur anderen; die anderen bilden, je weiter rückwärts und je
höher aufwärts an der inneren Fläche des Unterkiefers sie entspringen, um
so steiler gebogene, mit der Convexität zugleich rück- und abwärts gerich-
tete Schleifen (Fig. 53).
Gegen die Mitte des hinteren Randes des Muskels springt aber der
vorwärts convexe Körper des Zungenbeins vor; er unterbricht gleichsam die
hintersten Schleifen, deren Fasern demnach, statt von beiden Seiten her in
der Mittellinie zusammenzutreffen, jederseits mittelst platter Sehnen an den
unteren Rand des Zungenbeinkörpers und seitwärts an die obere Fläche der
vom Zungenbein entspringenden Sehne des vorderen Bauchs des Biventer
DM. Iransversus mandibulae. Kieferzungenbeinmuskel.
III. Zum
Unterkiefer.
aa. Erste
Schichte.
Mylohyoid.
120 Geniohyoideus.
sich anheften. Auch noch vor dem Zungenbeine zeigen sich die Bündel eine
Strecke weit in der Mittellinie durch eine schmale, mediane Sehnensubstanz
Fig. 55.
Mediandurchschnitt des Kopfes. A Zungenbein.. * Schleimbeutel unterhalb desselben.
1 Kehlkopfhöhle. Stnh M. sternohyoid. Trm M. triangularis menti. Die übrigen Be-
zeichnungen wie in der vorigen Figur.
getheilt, weiter auf der oberen als auf der unteren Fläche des Muskels;
einzelne Bündel durchflechten sich in der Mittellinie und tauschen ihre Fa-
sern gegen einander aus.
Var. Die Glandula saliv. submaxillaris drängt sich zuweilen mit einzelnen
Lappen zwischen den Bündeln des M. mylohyoideus durch und zerlegt diesen .so
in mehrere Abtheilungen.
bb. Zweite Schichte.
M. geniohyoideus @ N).
bb. Zweite An der unteren Fläche vom M. mylohyoideus, an der oberen Fläche
Genichua, vom M. genioglossus (Fig. 55) und an der medialen Fläche vom gleich-
namigen Muskel der anderen Seite (Fig. 56) nur durch sehr feine Binde-
gewebslagen geschieden, mit dem letzteren zuweilen zu einem unpaaren
Muskel verschmolzen, geht der M. geniohyoideus in gerader Linie von der
") Kinnzungenbeinmuskel.
Geniohyoideus. 321
Spina mentalis zum Zungenbeine. Er ist in der Nähe des Ursprungs fast
eylindrisch, etwas von den Seiten zusammengedrückt; gegen die Insertion
+
Fig. 56.
Mh
Submaxillargegend, M. mylohyoid. (Mk) durchschnitten und nach beiden Seiten zurück
geschlagen. 1 Cart, thyreoidea.. 2 Gland. saliv. subling. Ag M. hyogl. Sg M. stylo-
glossus. Pi M. pteryg. int.
M. geniohyoid. am Ursprunge und an der Insertion abgeschnitten. M. hyoglossus (/ 9)
durchschnitten, um das kleine Horn des Zungenbeins Am und den Ursprung des Schiund-
muskels (3) zu zeigen. @g M. genioglossus.
wird er breiter und in demselben Maasse platter. Sein Ansatz nimmt am
Körper des Zungenbeins fast die ganze äussere Fläche ein; oft erstreckt er
sich, schmächtiger, auf die Basis des grossen Horns. Er liegt unter dem
Ursprunge des M. hyoglossus am Zungenbeinkörper, schickt aber häufig
über den medialen Rand und die äussere Fläche dieses Muskels einzelne
Bündel, die sich an das kleine Horn des Zungenbeins befestigen (Fig. 57).
122 Hintere Halsmuskeln.
Var. Verdoppelt sich jederseits (Mayer’s Beschreibung d. menschl. Körpers
Bd. IH. S.547). Ich sah einen dreiseitigen unpaaren Muskel in der ganzen Breite
des Zungenbeinkörpers von dessen oberen Rande an der äusseren (vorderen) Fläche
des M. hyoglossus entspringen, dessen Fasern sich in schrig medianwärts conver-
girendem, fast transversalem Verlaufe in eine mediane Spitze vereinigten und der
Faserung des M. geniohyoideus beimischten.
Physiolo- Die Wirkung der Zungenbeinmuskeln und ihre Combinationen ergeben sich
gische Be- - .
merkungen. Fig. 58, leicht aus nebenstehendem Schema. Zieht
die Gruppe SH abwärts, PH rück- und
aufwärts und MH vor- und aufwärts, so
folgt aus der Verbindung von PH mit
\ MH ein Zug gerade nach oben, aus der
H Verbindung von SH mit MH ein Zug
\ vorwärts, von SH mit PH ein Zug rück-
\ wärts, der entweder gerade oder je nach
| dem Vorherrschen der einen oder an-
| deren Gruppe zugleich mehr auf- oder
\ / abwärts gerichtet ist. Dabei kommen
\ 7 noch einige Nebenwirkungen in Betracht.
\ Von dem Verhältnisse des Omohyoideus
zur Fascie war bereits die Rede; die
\ tiefe Schichte der Gruppe SH kann durch
\/ die Anheftung an die Cart. thyreoidea
zu einem Heber oder Herabzieher des
Kehlkopfes, ohne das Zungenbein, werden.
Bei dem M. mylohyoideus ist der Ein-
fluss auf die Bewegung des Zungenbeins
untergeordnet, und seine wesentliche Bedeutung besteht in dem, was er als musku-
löser Boden der Mundhöhle leistet, wenn seine Fasern sich zwischen den Unter-
kieferästen verkürzen und dadurch erheben.
b. Hintere Halsmuskeln.
b. Hintere Die Muskeln dieser Region werden durch die Querfortsätze der Hals-
as, wirbel in- zwei nebeneinander gelegene Gruppen geschieden. Die Eine,
laterale Gruppe, enthält in mehreren Schichten Muskeln, welche von den
Querfortsätzen abwärts zu Rippen und zum Gürtel der oberen Extremität
gehen; die zu den Rippen herabsteigenden entsprechen zusammengeflossenen
Intereostalmuskeln; der von Querfortsätzen der Halswirbel zum Schulter-
blatt absteigende Muskel wiederholt am Halse den Serratus ant. der Brust-
gegend. Die andere, mediale Gruppe, besteht aus Muskeln, welche von
Querfortsätzen zu Querfortsätzen, von Wirbelkörpern zu Wirbelkörpern oder
zwischen Querfortsätzen und Wirbelkörpern verlaufen. Wir haben diese
Muskeln nach dem bei den Muskeln der hinteren Fläche der Wirbelsäule
angendmmenen Principe als aufsteigende zu betrachten. Sie zerfallen in
lange, zusammengesetzte und in kurze oder einfache. |
e:slkaterale.
Es sind platte Muskeln, höher als breit, in der Regel vier an der Zahl,
welche hintereinander, jeder mit einer Reihe von Zacken, an Halswirbeln
entspringen und am oberen Rande des Brustkorbes, zwischen dem vorderen
c:. Laterale.
Scaleni. 123
Ende des ersten Rippenknochens und dem medialen oberen Winkel des
Schulterblattes, neben- und hintereinander sich ansetzen. Ihre Form ist eine
unregelmässig vierseitige; ihre langen Seiten, die mediale und laterale, sind
einander parallel schräg ab- und seitwärts gerichtet, von den kürzeren Sei-
ten verläuft die Eine, dem Ursprunge entsprechende, vertical, die andere,
der Insertion entsprechende, annähernd horizontale Die Flächen dieser
Muskeln, in der Nähe des Ursprunges frontal, erfahren gegen die Insertion
eine mehr oder minder vollständige Drehung; die vorderen stellen sich
dabei sagittal, so zwar, dass der anfänglich obere Rand allmälig zum vor-
deren wird; die hinteren umfassen in einem Bogen die Nackenmuskeln und
kehren also die am Ursprunge vordere Fläche schliesslich nach hinten.
Von den vier Muskeln dieser Gruppe gehen die drei vordersten,
. Scaleni !), zu Rippen; der vierte und hinterste, Levator scapulae, setzt sich
an das Schulterblatt. Von den Scaleni inseriren sich zwei, Sc. ant. und
med., an die erste Rippe; der dritte, ‚Se. posticus, an die zweite. Der M.
scalenus ant. entspringt an den vorderen Spitzen der Querfortsätze. Die
übrigen Muskeln entspringen, so weit die Querfortsätze in zwei Spitzen ge-
theilt sind, an den hinteren Spitzen. Zwischen dem M. scalenus ant. und
med. treten also die Stämme der Cervicalnerven hervor; den unteren Theil
der spaltförmigen Lücke, gerade über der Rippe, benutzt die Art. subelavia,
um aus der Brusthöhle auf die Aussenfläche des Brustkorbes zu gelangen.
1. M. scalenus antieus !$ca?).
Kommt mit drei oder vier anfangs sehnigen Zacken von den drei oder
vier nächst unteren Halswirbeln und setzt sich, aussen sehnig, innen fleischig,
an den oberen Rand und die äussere Fläche des Knochens der ersten Rippe.
Die Insertion reicht nach vorn bis in die Nähe des Knorpels, nach hinten
bis zum Tubere. scaleni (Knl. S. 66).
An den unteren Theil der inneren Fläche des M. scalen. ant. ist die
Pleura angeheftet; sein vorderer Rand begrenzt die obere Apertur des
Brustkorbes.
2. M. scalenus mediu Scemd?°).
1. Scal. ant.
Vor sämmtlichen Halswirbeln, von den oberen mit sehnigen, von den 32. Scal.mea.
unteren mit fleischigen Zacken ; setzt sich vorn fleischig, hinten sehnig an
den oberen Rand und die äussere Fläche der ersten Rippe seitwärts vom
M. scalenus anticus.
3. MM. scalenus postieus Scp®).
Erhält Ursprünge von den drei untersten Halswirbeln und setzt sich ;, 5. post.
sehnig an die Aussenfläche der zweiten Rippe, dicht vor der Insertion der
Zacke des M. serratus post.
!) Mm. triangulares, Rippenhalter.
2) M. sc. prior Albin. M. sc. primus Krause.
3) M. scalenus secundus.
%) M. scalenus tertius Krause. Mit dem MM. scalenus med. vereinigt zum Scalene
posterieur, Cruv.
Sealeni.
mim
% DH, N :
m DL Br
R
Hintere laterale Halsmuskeln. M. sternocleidomast. und splenius cap. sind an der In-
sertion abgeschnitten. Das Schlüsselbein theilweise ausgesägt ; die Stümpfe desselben (ff)
weit auseinandergezogen und das Schulterblatt lateralwärts umgelegt. M. pect. maj.
(Pmj), pect. min. (Pm), subelavius (Sc) und omohyoideus (OA) am Ursprunge abge-
schnitten. Tr M. trapezius. Sps M, serrat. post. sup mit dem oberen Rande zurück-
gezogen. Jcce M. iliocostalis cervieis. Sa‘, Sa‘ Obere und mittlere Portion des M. ser-
rat, ant. Ss M. subscapularis. ZLep M. long. cap. 1 Art carotis, 2 Art. subelavia.
3 V, jugularis int. 4 V. subelavia.
Levator scapulae. 125
Var. Sehr häufig mehrt sich die Zahl der einzelnen Abtheilungen der &caleni.
Albin stellt deren fünf auf, neben den drei anerkannten noch einen Scalenus
minimus und lateralis, jener eine Wiederholung des M. scalenus ant., dicht hinter
demselben von unteren Halswirbeln zur ersten Rippe; dieser zur Seite des M sca-
lenus posticus von unteren Halswirbeln zur zweiten Rippe. Die überzähligen
Scaleni sind aus Spaltung oder Vervielfältigung der typischen abzuleiten, so weit
sie deren charakteristische Eigenschaften theilen; zum Scalenus ant. gehört, was
vor der Subelavia an der ersten Rippe endet, zum Scalenus medius, was hinter
der Subelavia an der ersten Rippe endet, zum Scalenus posticus, was an die zweite
Rippe sich ansetzt. Doch kommen auch accessorische Scaleni vor, die unter keinen
dieser Begriffe passen, vor der Art. subclavia an die zweite Rippe tretend (Theile),
hinter der Subelavia an die erste und zweite und sogar an die drei oberen Rippen
(Theile) sich inserirend; oder es fehlt jede Insertion an die zweite Rippe.
Praktisch interessant ist unter diesen Varietäten besonders Eine, die mir bis jetzt
in zwei Exemplaren begegnete, von welchen das Eine in hiesiger Sammlung auf-
bewahrt ist: es zweigt sich nämlich von dem M. scalenus anticus ein schmales
Bündelchen ab und befestigt sich hinter der Art. subelavia an einem ähnlichen
Tubereulum der Rippe, wie der hintere (laterale) Rand des Scalenus ant., so dass
also die Arterie zwischen zwei Höckern liest und der Zufall es fügen könnte, dass
man beim Aufsuchen des Gefässes zuerst statt auf das normale, auf das hinter der
Arterie gelegene anomale Tubereulum geriethe.
Zur Aufhebung der obersten Rippe sammt dem Brustbeine ist besonders der
M. scalenus ant., wie bereits früher erwähnt, schr günstig angeordnet, so dass
es bei der grossen Beweglichkeit dieser Rippe im Vergleich zur Beweglichkeit
der Halswirbel gegen einander bezweifelt werden dürfte, ob jener Muskel, ohne
besondere Fixation der Rippen, den Hals gegen dieselben zu beugen im Stande
sei. Auch würden die Zacken dieses Muskels, wenn Beugung des Halses seine
wesentliche Verrichtung wäre, gewiss nicht vorzugsweise an den unteren Hals-
wirbeln, sondern eher mit Uebergehung der unteren an den oberen befestigt sein.
Der M. scalenus ant. und med. haben, indem sie die obere Brustapertur schliessen
und mit ihrer hinteren Fläche unmittelbar auf der Pleura ruhen, eine den Min,
intercostales ähnliche Aufgabe, dem Einsinken der oberen Brustwand beim Ein-
athmen, dem Bauschen derselben beim Ausathmen Widerstand zu leisten.
4. M. levator scapulae Ls».
Entspringt mit vier, von oben nach unten an Stärke abnehmenden
Zacken von den vier obersten Halswirbeln. Inserirt sich fleischig an den
oberhalb des Schulterkammes gelegenen Theil der Basis des Schulterblattes,
über dem Rhomboideus min. und vor den oberen Zacken des M. serrat. ant.
Var. Die Zahl der Ursprünge dieses Muskels kann sich vermehren: Theile
sah ihn mit fünf Zacken von ebensoviel Halswirbeln und mit einer sechsten vom
Warzenfortsatze entspringen; ich sah ihn einmal von sämmtlichen Halswirbeln ent-
springen; sein unterer Rand lehnte sich genau an den oberen Rand des M. serrat.
ant. Er erhält accessorische Ursprünge aus dem Trapezius (eigene Beobacht.),
von Dornen des zweiten bis vierten Brustwirbels (Meckel, dessen Archiv.
Bd. V. S. 115), von der zweiten Rippe (Meckel, Theile). Er sendet abirrende
Insertionen und zwar an die zweite Rippe direct (Theile) oder durch Verbin-
dung mit dem M. scalenus post. (eigene Beobacht.), oder in die Fascie des M. ser-
rat. post. sup. (Kelch, $. 33. Theile). In
) M. levator anguli scapulae. M. patientiae. Schulterheber. Angulaire Winsl.
Physivlo-
gische Be-
merkungen
4. Levator
scay).
P. Mediale.
T.
1.
Lange.
Longus
eolli.
126 Longus colli.
ß. Mediale.
I. Lange.
Die Masse der langen medialen hinteren Halsmuskeln erstreckt sich,
unter einer diinnen, aber straffen Fascie, vom dritten Brustwirbel bis zum
Körper des Hinterhauptbeins. Ihre Breite und Dicke nimmt von unten
nach oben zu. Am unteren Ende sind die entsprechenden Muskelmassen
beider Körperhälften fast durch die ganze Breite der Wirbelkörper getrennt;
nach oben nähern sie sich einander und am unteren Rande des Epistropheus
treten sie in der Mittellinie zusammen, zu beiden Seiten der dünnen fibrösen
Scheidewand, welche vom oberen Ende des Lig. comm. vertebr. ant. gebil-
det wird (Bdl. 8. 26).
Man kann drei Muskeln unterscheiden, welche im Allgemeinen, je wei-
ter sie hinaufreichen, um so oberflächlicher, um so höher und um so weiter
lateralwärts entspringen. Von diesen ist der oberste, Longus capitis, am
häufigsten ganz selbständig; die beiden unteren, Longus atlantis und coll,
tauschen in der Regel Fascikel gegen einander aus und lassen sich nur
künstlich von einander trennen.
1. M. longus coli Le).
Gleicht einem niederen, stumpfwinkligen Dreieck, dessen längste Seite
sich fast vertieal vom Körper des dritten Brustwirbels bis zum Körper des
zweiten Halswirbels erstreckt und dessen stumpfer Winkel mit der vorderen
Spitze des Querfortsatzes des sechsten Halswirbels zusammentrifft. Den
unteren spitzen Winkel bildet eine sehnig-fleischige Ursprungszacke, sehnig
am medialen, fleischig am lateralen Rande, mit den Sehnenfasern gerade
aufwärts, mit den Fleischfasern lateral-aufwärts gerichtet. Die gerade auf-
steigenden Sehnenfasern gehen nach kurzem Verlaufe ebenfalls in Fleisch-
fasern über; sie decken eine Anzahl sehniger Ursprünge, welche platt und
immer schmaler, von der Vorderfläche der Körper der Halswirbel bis zum
fünften oder vierten entstehen und sich an den medialen Rand und die den
Wirbeln zugekehrte Fläche des Muskels allmälig anlegen. Eine zweite
Reihe von Ursprungszacken tritt am lateralen Rande hinzu, platt, dünn und
fleischig von dem Köpfchen der ersten Rippe, sehnig von den vorderen
Spitzen der drei oder vier unteren Halswirbel (Fig. 60).
Wie die Ursprünge, sind auch die Insertionen des M. longus colli auf
beide Ränder vertheilt: die lateralen Insertionen strahlen vom untersten, die
medialen vom obersten Theile des Muskels aus. Die lateralen Insertionen
gehen hauptsächlich aus dem Fleische der untersten Ursprungszacke hervor; sie
Y) Ich gebrauche diese Bezeichnung in einer von der gewöhnlichen abweichenden Be-
deutung, indem der M. longus colli der Handbücher nebst dem hier unter diesem Namen
beschriebenen Muskel auch noch unseren M. longus atlantis begreift. Unser Longus colli
ist identisch mit der von Meckel und Krause sogenannten unteren oder unteren
inneren Portion des Zongus colli aut. Er umfasst den epineux transversaire und Epi-
neux anterieur Cruv., die innere und äussere untere Portion des M. longus coli M. J.
‚Weber, die verticale und untere schiefe Portion Quain-Sharpey, den M. rectus colli
und obliguus colli inf. Luschka (Müller’s Archiv. 1854. S. 103).
Longus atlantis. 127
liegen auf den untersten lateralen Ursprüngen und heften sich, diese Ursprünge
Fie: 60. bedeckend,an die vorderen Spitzen
ö der unteren Halswirbel. Die
stärkste und beständigste der la-
leralen Insertionen gehört dem
) sechsten Halswirbel an; sie steigt
vor den Vasa vertebralia auf,
Lep birgt deren Eintritt in das Fo-
ramen transversum des sechsten
Halswirbels und scheint dazu be-
stimmt, die Gefässe vor über-
La mässigen Dehnungen (denen sie
durch Beugung des Halses nach
der entgegengesetzten Seite aus-
gesetzt wären) zu bewahren.
Die Insertionen an den siebenten,
sowie an den fiinften und vierten
Se Halswirbel sind feine Sehnen,
fehlen häufig, verdoppeln sich
aber auch )).
Von den medialen Insertionen
stellt die oberste den oberen
spitzen Winkel des stumpfwink-
ligen Dreiecks dar, dem wir die
Gesammtform des Muskels ver-
gleichen; sie befestigt sich flei-
schig in der seitlichen Grube der
Vorderfläche des Körpers des
Epistropheus. Die folgenden In-
sertionen treten sehnig und nach
unten an Stärke abnehmend, an
die Körper des dritten und vier-
ten Halswirbels.
Hintere mediale Halsmuskeln. M. longus capi-
tis (Zep) in der Nähe der Insertion durch- \
schnitten und mit dem unteren Ende seitwärts ‚Var. Die unterste laterale In-
zurückgeschlagen. Jtp M. intertransv. post, Sertion befestigt sich an das Köpf-
RelM. rect. cap, lateralis. chen der ersten Rippe.
2. M. longus atlantism. La?).
Entspringt von Querfortsätzen oberer Halswirbel, vom sechsten, fünften
oder vierten an bis zum dritten oder zweiten mit oberflächlichen, selbstän-
!) Die lateralen Insertionen mit den auf dieselben bezüglichen Ursprungsfasern sind.
es, welche die genannten Autoren als äussere untere, untere schiefe Portion, als epineux
transversaire und Obliquus colli inf. unterscheiden. Auch Albin und Weber-Hildeb.
trennen sie als untere Portion von dem Reste des M. longus coll; aut., den sie obere
Portion nennen. Luschka fand sie zuweilen von der übrigen Muskelmasse vollständig
gesondert.
2) Obere äussere Portion des Longus colli M. J. Weber. Obere schiefe Portion
Quain-Sharpey. M. obliquus coli sup. Luschka, Transversaire epineux Cruv.
2
. Longus
atlantis.
128 Longus cap. Intertransv. antt.
digen und tiefen, aus den lateralen Ursprüngen des M. longus colli sich
entwickelnden Sehnen und setzt sich fleischig an den seitlichen und unteren
Umfang des Tubere. atlantis ant (Fig. 60).
3. M. longus capitis m. Lep N).
3. Longus Ein starker, platt eylindrischer Muskel, welcher meistens mit vier seh-
wis nigen Zacken von den vorderen Spitzen der Querfortsätze des sechsten bis
dritten Halswirbels entspringt und sich fleischig an der unteren Fläche des
Körpers des Hinterhauptbeins, in einer Grube neben und vor dem Tuber-
culum pharyngeum, inserirt. Der Muskel ist unvollkommen zweibäuchig,
indem die Fasern desselben an der Vorderfläche durch eine sehnige Inscrip-
tion unterbrochen werden. An seine Vorderfläche ist die hintere Wand des
Schlundkopfes straff angeheftet (Fig. 59. 60).
£ II. Kurze.
1. Mm. intertransversarii anteriores Jta.
IL. Kurze. Die vorderen Intertransversarii sind den hinteren ähnliche, cylindrische
iransv aut. Muskelehen, welche, nach oben an Stärke zunehmend, zwischen den vorderen
Spitzen der Querfortsätze der Hals-
wirbel vor den Nervenstämmen verlau-
fen (Fig. 61). Während der unterste,
zwischen dem siebenten und sechsten
Halswirbel, durch die Vertebralgefässe
von der Masse der langen Halsmuskeln
geschieden ist, hängen die nächstfol-
genden mit den Ursprüngen und In-
sertionen dieser Muskeln zusammen.
Am zweiten Halswirbel, an welchem
der vom dritten stammende Inter-
transv. post. die einfache Spitze des
Querfortsatzes einnimmt, inserirt sich
der entsprechende Intertrarsv. ant.
breit an den unteren Rand des vor-
deren Bogens des Querfortsatzes und
wird, nach Entfernung des M. longus
capitis, zur Seite des Long. atlantis
sichtbar. Der Intertransversarius ant.
der beiden Drehwirbel fehlt nicht sel-
ten; ist er vorhanden, so steigt er
schmal vor der Articulatio atlanto-
epistrophica berauf.
Mm. intertransversarii der Halswirbel. v 6 gt
Jtp M. intertr, post. ReIM. rect. cap. Var. Häufig kommen überzählige,
lateralis. N Stamm der Cervicalnerven. einen Wirbel oder auch zwei übersprin-
gende Bündel vor.
!) M. rectus capitis ant. s. int. maj. aut, Transversaire Epineux anter. Cruy.
ect. cap. ant. Fascia cervicalis. 129
2. M. rectus capitis ant. Rea')).
In der Fortsetzung der Intertransversarii anteriores, hinter dem Long.
capitis, von der Wurzel des vorderen Bogens des Querfortsatzes des Atlas
schmal median-aufwärts oder fächerförmig ausgebreitet zum Körper des
Hinterhauptbeins und zu der die Fissura petrobasilaris ausfüllenden Band-
masse. Er überragt seitwärts den M. longus capitis und bleibt mit dem
medialen Ende der Insertion weiter von der Mittellinie entfernt. (Fig. 60).
Var. Erhält Verstärkung am medialen Rande durch ein vom zweiten Hals-
wirbel mit dem obersten Intertransversarius entspringendes Bündel. (Fig. 61.)
Als Antagonisten der Nackenmuskeln dienen die hinteren Halsmuskeln, wenn
sie beiderseits sich zusammenziehen, dazu, den Hals und Kopf vorwärts zu beugen.
Einseitig thätig und in Verbindung mit den Nackenmuskeln ihrer Seite beugen
sie den Hals seitwärts, unterstützen vielleicht auch, mit den von den Querfort-
sätzen schräg aufsteigenden Fasern, die Drehung des Halses. Eigentlicher Dreher
des Kopfes auf dem Epistropheus und Socius des M. obliquus capitis inf. ist der
M. longus atlantis. Die Mm. rect. cap. antt. drehen den Schädel in den Hinter-
hauptgelenken um seine transversale Axe vorwärts. Die Kürze der Fasern dieses
Muskels ist der geringen Excursion des genannten Gelenkes angemessen.
Die vordere Halsgegend, der Raum zwischen den vorderen Rändern
der beiden Mm. trapezii, wird von den zwei, den Mm. sternocleidomastoidei
entsprechenden Wülsten schräg durchzogen, und dadurch in fünf Regio-
nen, eine mediane, unpaare und je zwei seitliche, paarige, getheilt.
Die mediane Region (Aegio mediana coli) 2) ist bei möglichst rück-
wärts gebeugtem Kopfe vierseitig, einem aufrecht stehenden Papierdrachen
ähnlich; die von dem oberen, stumpf abgerundeten Winkel abfallenden
Seiten bildet der untere Rand desUnterkiefers, die in dem unteren, spitzen,
jedoch ebenfalls ausgerundeten Winkel zusammenstossenden Seiten gehören
jederseits dem vorderen (medialen) Rande des M. sternocleidomastoideus
an. In natürlicher Haltung des Kopfes liegt aber die mediane Halsregion
nicht in Einer Ebene, sondern ist so im rechten Winkel gebogen, dass das
_ obere stumpfwinklige Dreieck abwärts, das untere spitzwinklige Dreieck
vorwärts sieht. Wo die Basen beider Dreiecke aneinanderstossen, liegt
unter der Haut das Zungenbein. Das obere Dreieck wird daher Regio
mediana colli suprahyoidea, oder kürzer, Pegio submazillaris, Unterkiefer-
gegend, genannt, die Gegend unter dem Kinn oder der obere Winkel ins-
besondere Regio submentalis, Unterkinngegend; das untere Dreieck,
die Regio mediana colli infrahyoidea, versteht man, wenn man schlechthin
von der Regio mediana colli spricht. Die abwärts gerichtete Spitze dieser
Gegend, von der Incisura semilunaris des Brustbeins und den medialen
Köpfen der beiden Mm. sternocleidomastoidei eingeschlossen, ist die Kehl-
grube, Fossa suprasternalis ?); im oberen Theile der medianen Halsgegend
erzeugt der Kehlkopf einen medianen Vorsprung zwischen zwei Furchen,
D) M. rectus capitis ant. s. int. minor aut. Intertransversaire anter. Cruy.
2) Region trachelienne.
3) Jugulum. Fossa jugularis. Region tracheale Malg.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 9
2. Rcet.
cap. ant.
Physiol
Bemerk
Regionen
des Halses.
Fascia
cervic.
130 Fascia cervicalis.
den Sulei carotide Malgaigne!), in deren Grunde die grossen Halsge-
fässe aufsteigen und der Schlag der Carotiden sichtbar ist.
Von den paarigen seitlichen Regionen des Halses ist die vordere oder
mediale, Regio sternocleidomastoidea, durch den Sternocleidomastoideus ein-
genommen, unten breit und aufwärts verschmälert, mit ihrem vorderen
Rande oben in die Furche sich fortsetzend, die den Unterkiefer vom Halse
scheidet. Decken die beiden Köpfe des Sternocleidomastoideus einander
am Ursprunge nicht, so findet sich über dem Sternalende des Schlüsselbeins
eine seichte, auf- und lateralwärts gerichtete und aufwärts verschmälerte
Grube, Fossa supraclavieularis minor. Die hintere oder laterale seitliche
Halsgegend ist eine Vertiefung zwischen den Rändern des Sternocleido-
mastoideus und Trapezius, ebenfalls unten über dem Schlüsselbeine breit und
auf- und seitwärts zugespitzt. Sie wird Fossa supraclavieularis maj. oder
auch einfach F. supraclav., Oberschlüsselbeingrube 2), genannt. Im
unteren, breitesten Theile derselben erhebt sich in mageren Körpern bei hef-
tiger Inspiration der hintere Bauch des M. omohyoideus wie ein querer,
medianwärts sanft ansteigender Strang.
Die Faseie der Halsgegend, Fine cervicalis?), ist an das Zuneönbei
fest angewachsen und dadurch in eine Fascia suprahyoidea und infrahyoidea
getheilt. Die Fascia suprahyoidea hat ein einigermaassen fibröses Ansehen
nur an der unteren Fläche der Glandula saliv. submaxillaris, die den
dreieckigen Raum #) zwischen dem Unterkiefer und den Bäuchen des M.
biventer mandibulae einnimmt. Am lateralen Rande dieser Drüse hängt
sie in der Tiefe mit dem Unterkiefer und dem Lig. stylomyloideum, ober-
flächlich mit der Fascia parotidea (s. Kopfmuskeln) zusammen. Was man
Fascia infrahyoidea nennt, ist ein die Muskeln, Eingeweide und Gefässe
der Halsgegend deckendes uud verbindendes, meist lockeres Bindegewebe,
dem nur an wenigen Stellen sehnige Fasern eingewebt sind. Man unter-
scheidet zunächst zwei Schichten, von welchen die Eine, Fascia cervicalis
im engeren Sinne, einfach über dem Kehlkopfe entsteht und sich ab- und
seitwärts in ein oberflächliches und tiefes Blatt trennt, indess die andere,
Fascia praevertebralis, von der Schädelbasis aus vor den tiefen Halsmuskeln
herab- und mit dem M. longus colli in die Brusthöhle, mit den Mm. scaleni
auf die äussere Fläche des Thorax übergeht und zugleich den oberen Theil
des Plexus nerv. cervical. bekleidet.
Das oberflächliche Blatt der Faseia cervicalis wird nach Wegnahme
der Mm. subeutanei sichtbar; es hüllt die Mm. sternocleidomastoidei ein und
ist zwischen denselben am oberen Rande und auf der vorderen Fläche des
Brustbeins angewachsen, sowie es sich auch jenseits der Mm. sternoclei-
domastoidei jederseits zum vorderen Rande des M. trapezius erstreckt, mit
dessen dünner Fascie es verwächst. Es spannt sich demnach über die
Fossa supraclavieularis, haftet mit dem unteren Rande am Schlüsselbeine und
ist vielfach durchlöchert, um die V. jugularis ext. in die Tiefe und die Nn.
supraclaviculares an die Oberfläche treten zu lassen. Eine mächtige Lage
U) Trigonum cervicale. Tri igonum cervicale sup. Fossa triangularis coll.
*) Trigonum supraclavieulare. Trigonum cervicale inf.
®) Fascia coll.
*) Trigonum submaxillare.
Da
Fascia cervicalis. 131
fettreichen Bindegewebes mit zahlreichen Lymphdrüsen, durch welches die
transversalen Aeste der Vasa subelavia verlaufen, trennt in der Fossa supra-
clavicularis dies oberflächliche Blatt der Faseia cervicalis von dem tiefen.
Fig. 62 *).
KIN
“a
ce}
Bi
B
&
aa
BR
) S
\v
\
8
5 SS
ER
‘
Horizontalschnitt des Halses durch den vierten Halswirbel, untere Schnittfläche. 1 Cart.
thyreoid. 1‘ Cart. arytaen. 2 Oesophagus. 3 Vasa vertebr. 4 N. cervicalis TV.
5 Venae vertebr. 6 Rückenmark. 7 V. mediana coll. 8 Schlundmuskeln. 9 Gland.
thyreoid. 10, 11 Art. und V. thyreoid. sup. 12. R. descendens N. hypoglossi. 13 Ca-
rotis communis. 14 V. jugul. int. 15 N. vagus. 16 Ggl. cervicale supr. 17 V. jugul.
ext. 18 Vasa cervie, prof. Tr M, trapezius. Spep, Spev M. splenius cap. und cerv.
Jcc M. iliocostalis cervieis. ZLgev, Lgep M. longissimus cervieis und cap. Sscv,
Sscp M. semispinalis cervieis und cap. Scv M. spinalis cerv. Mf M. multifidus,
Js M. interspinalis. Scc M,. subeutaneus colli. Sem M. sternocleidomast. Sinh, Oh M.
sternohyoid und omohyoid. Stt M. sternothyreoid. Scp M. scalenus post. Zs M. le-
vator scapulae. Z mediale tiefe Halsmuskeln. ®
*) Nach Nuhn, chirurg. Anat. Taf. IV. Fig. 2.
9*
132 | Kopfmuskeln.
Das tiefe Blatt umschliesst vom Zungenbeine abwärts die zwischen Brust-
korb und Zungenbein verlaufenden Muskeln und geht in der Carotidenfurche
vor den Gefässstämmen des Halses weg, um sich mit der Fascia praeverte-
bralis zu vereinigen; am Brustbeine angelangt, begiebt es sich mit den Mm.
sternohyoidei auf dessen innere Fläche, und auch hier ist der Raum zwischen
dem oberflächlichen und tiefen Blatte durch Fett ausgefüllt. Am unteren
Seitentheile des Halses, in der Tiefe der Fossa supraclavieularis, füllt das
tiefe Blatt den Raum zwischen den am Brustbeine entspringenden Zungen-
beinmuskeln und dem M. omohyoideus aus, und hier ist es, wo es, durch Seh-
nenfasern vom hinteren Bauche des Omohyoideus verstärkt und mit der Bin-
degewebsscheide der Halsgefässstämme verwachsen, einen mehr fibrösen Cha-
rakter annimmt. Es ist in manchen Fällen besonders deutlich, wo die fibrösen
Fasern einen bogenförmigen, aufwärts convexen Verlauf haben und mit der er-
sten Rippe eine Querspalte begrenzen, durch welche die Vena subelavia auf
die Aussenfläche des Brustkorbes tritt. (Fig. 51.)
Hinter dem tiefen Blatte der Fascia cervicalis, zwischen ihm und der
Fascia praevertebralisliegen, von lockeren Bindegewebsscheiden umschlossen,
in der Mitte Trachea und Oesophagus und zu jeder Seite die grossen Gefäss-
und Nervenstämme des Halses (Fig. 62). Die Verbindung des Bindegewebes,
welches den Oesophagus umgiebt, mit der Fascia praevertebralis ist locker
und kann leicht mit dem Finger zerstört werden. Man erzeugt dadurch
einen cylindrischen Hohlraum, der in die Brusthöhle, in das Mediastinum
postieum hinab führt, vorn vom Oesophagus, hinten von der Wirbelsäule mit
ihren Muskeln, zu jeder Seite aber von einem Bindegewebs - Septum be-
grenzt, welches die Scheide der Halsgefässe an die Fascia praevertebralis
befestigt. Diese Befestigung ist sehr stark und in der Regel nicht ohne
Hülfe des Messers trennbar.
V. Kopfmuskeln.
V. Kopf- Die Muskeln am Kopfe zerfallen in die des eigentlichen Schädels und des
muskeln. Gesichtes.
Die Schädelmuskeln nehmen die Schädeldecke zwischen der oberen
Nackenlinie und den Supraorbitalrändern ein und erstrecken sich an den
Seitenflächen des Schädels bis zum Jochbogen und zum Ohrknorpel herab.
Die zwischen der Schädeldecke und dem Ohre verlaufenden Muskeln, wel-
che in den Handbüchern als eine Abtheilung der Ohrmuskeln beschrieben
zu werden pflegen, lassen sich von den Schädelmuskeln nicht trennen, indess
wir die eigenen (kleinen) Muskeln des äusseren Ohres in die Eingeweide-
lehre verweisen.
Die Muskeln des Gesichtes theilen wir jederseits in drei Gruppen: Mus-
keln der Augenlieder, der Mund-, Nasen- und Kinngegend und der Kiefer
(Kaumuskeln).
Von allen Muskeln des Kopfes sind allein die Kiefermuskeln entschie-
den von einander und von den übrigen gesondert; die eigentlichen Gesichts-
muskeln (ich werde unter diesem Namen die Muskeln der zweiten Gruppe
der Gesichtsmuskeln im weiteren Sinne des Wortes, die Nasen-, Mund- und
Kopfmuskeln. 133
Kinnmuskeln, begreifen) fliessen in der Medianlinie von beiden Seiten zu-
sammen, und an jeder Seite gehen die Schädelmuskeln in die Muskeln der
Augenlieder, die letzteren in die Mundmuskeln, und selbst die Schädelmus-
keln unmittelbar in die Gesichtsmuskeln mit einzelnen Bündeln über. So
bilden diese unter der Haut gelegenen und zum grossen Theil in die Haut
sich inserirenden Muskelgruppen eine continuirliche Schichte, die sich durch
ihre Verbindnng mit dem M. subeutaneus colli auf den Hals fortsetzt und
endlich auch mit den ringförmigen Schlundmuskeln so ununterbrochen zu-
sammenhängt, dass sich an diesem oberen Theile des Darmrohres nur künst-
lich die Grenze des Eingeweide- und Rumpfmuskelsystems bestimmen lässt.
Am oberen und unteren Ende, auf der Schädeldecke, sowie beim
Uebergange auf den Hals bilden die Kopfmuskeln eine einfache, platte und
dünne Schichte, deren Fasern einen, wenn auch hier und da geneigten, doch
im Ganzen verticalen Verlauf haben. Im Gesichte fassen zwei Schichten
von im Wesentlichen transversalen Muskelfasern die verticalen zwischen
sich. Jedoch ist die Ausbildung dieser Schichten in dem oberen und un-
teren Theile des Gesichtes, in den Augenlied- und den eigentlichen Gesichts-
muskeln, nicht die gleiche. Am Munde ist die erste oder oberfläch-
liche transversaleSchichte überhaupt nur schwach und nur unter der Haut
des Kinnes, der Unterlippe und der unteren Hälfte der Wange entwickelt.
Indem ihre Fasern von allen Seiten strahlenförmig gegen den Mundwinkel
convergiren, nehmen sie zum Theil eine schräg und sogar eine vertical auf-
oder absteigende Richtung an. Einzelne werden somit parallel den Fasern der
zweiten oder verticalen Schichte, von welchen die unteren in der Flucht
des M. subeutaneus colli und theilweise als unmittelbare Fortsetzung dessel-
ben, schräg medianwärts gegen die Unterlippe heraufgehen, die oberen eben-
falls schräg medianwärts vom medialen Augenwinkel und vom Infraorbital-
rande zur Haut des Nasenflügels und der Oberlippe absteigen. Die dritte
Schichte, die tiefe transversale, bildet den wesentlichen Theil der que-
ren Muskulatur der Lippen und der Wange. Sie ist es, welche von den
Lippen aus in die ringförmige Muskellage des Schlundkopfes sich fortsetzt
und demnach unter den Kiefermuskeln weggeht, während die beiden höheren
Schichten äusserlich auf der Fascie der Kiefermuskeln entspringen oder en-
den. Als tiefste, dem Knochen nächste Lage zerlegt sie sich, nach dem in
der Einleitung ($. 15) besprochenen Gesetze, in eine Reihe von Muskeln,
deren jeder mit seinem Ursprunge sich an die Insertion des vorhergehenden
anreiht. Aus einer solchen Zerlegung gehen schon, jederseits entsprechend
je der vorderen und hinteren Hälfte eines vom Mundwinkel zur hinteren
verticalen Mittellinie des Schlundes sich erstreckenden Muskels, der Bucci-
nator und Constrietor pharyngis hervor, indem die Fasern, mitten zwischen
ihrer vorderen und hinteren Endigung, an der Infratemporalfläche des Ober-
kieferbeins, am Hamulus pterygoideus und am Rande des Unterkiefers Ruhe-
und Anheftungspunkte finden. Von der vorderen Hälfte aber, dem Bucei-
nator, scheidet sich abermals am Ober- und Unterkiefer je eine Portion ab,
dadurch dass dort die dem oberen, hier die dem unteren Rande des Mus-
kels nächsten Fasern durch Anwachsen an die Kieferknochen unterbrochen
werden; das mediale oder vordere Stück wird alsdann zu einem vom Ober-
a. Muskeln
der
Schädel-
decke. Epi-
eranius,
134 Epicranius.
kiefer gegen die Nase, vom Unterkiefer gegen das Kinn ausstrahlenden
Muskel.
Die transversalen Fasern der Augenlieder gehören grösstentheils der
oberflächlichen Schichte an; zur tiefen Schichte lassen sich nur einige Bün-
del zählen, welche, bedeckt von der verticalen Faserung des M. frontalis,
am Stirnbeine entspringen. Mit vollkommener Genauigkeit lässt sich übri-
gens die Unterscheidung der Schichten, namentlich in der Nähe der Inser-
tion, nicht durchführen, denn es ist eine Eigenthümlichkeit der platten Kopf-
muskeln, dass ihre Bündel nicht nur in Einer Lage einander durchkreuzen,
sondern auch aus Einer Lage in die andere übergehen.
Die Nerven der beiden oberen Schichten der platten Kopfmuskeln
stammen, wie es scheint, sämmtlich aus demN. facialis; die dritte Schichte
wird in ihrer vorderen Hälfte ebenfalls vom N. facialis, in der hinteren
Hälfte vom N. buceinatorius versorgt. Die Kiefermuskeln erhalten beson-
dere Zweige aus dem dritten Aste des Trigeminus.
a. Muskeln der Schädeldecke.
M. epieranius').
Unter der behaarten Haut des Kopfes ist eine straffe Bindegewebslage,
Gralea aponeurotica?), ausgebreitet, welche mit der Beinhaut des Schädels
locker und verschiebbar, mit der Cutis aber sehr fest zusammenhängt. In
diese Membran strahlen Muskelfasern aus, welche ringsum in der Gegend
der Kante, die die Decke und Basis des Schädels von einander abgrenzt,
und zum Theil an dieser Kante selbst ihren Ursprung nehmen und gerade
oder schräg aufwärts gehen. Jede der beiden symmetrischen Hälften des
Epicranius zerfällt zunächst durch Unterbrechungen in der Reihe der Mus-
kelursprünge in drei Atheilungen: eine vordere, hintere und seitliche; in
den Zwischenräumen erstreckt sich die Galea bis an den Rand der Schä-
deldecke und weiter herab. Die hintere und seitliche Abtheilung werden
nochmals in zwei Portionen geschieden, dadurch, dass ein Theil der Mus-
kelfasern sich mit seinem Ursprunge oder seiner Insertion auf den Ohrknor-
pel versetzt. Von der seitlichen Abtheilung entspringt die Mehrzahl am
Ohrknorpel; von der hinteren Abtheilung zweigt sich eine verhältnissmässig
schmale Portion zum Ohrknorpel ab.
Je nachdem aber die Fasern desM. epieranius mit ihrem unteren Ende
am Schädel selbst oder an beweglichen Theilen, wie das Ohr oder die Cu-
tis, haften, ändert sich ihre Zugsrichtung; jene ziehen die Galea und mit
\) M. eranü cutaneus Meck, Schädelmuskel, Oberschädelmuskel. Ich nehme diesen
Namen in einer weiteren als der gewöhnlichen Bedeutung, nach welcher er nur den Stirn-
und Hinterhaupttheil unseres Epieranius umfasst, synon. mit Occipito- frontalis. Cru,-
veilhier begreift unter peaucier du cräne ausser dem Epicranius der Handbücher und den
Ohrmuskeln noch unseren M, orbicularis palpebr.
®) Aponeurosis epierania, Sehnenhaube.
Epicranius. 135
ihr die Kopfhaut abwärts, diese heben ihren unteren Anheftungspunkt zum
Scheitel empor. Den allgemeinen Grundsätzen gemäss müssten also, wie
dies auch allgemein üblich ist, jene Muskeln als aufsteigende. diese als ab-
steigende beschrieben, von jenen müsste die Insertion, von diesen der Ur-
sprung in ‘die. Galea verlegt werden. Um den Zusammenhang der Muskula-
tur in das rechte Licht zu setzen, gehe ich von dieser Regel ab und halte
dies für um so gerechtfertigter, da in Einer Abtheilung Fasern von beiderlei
Zugsrichtung, am Knochen und in der Cutis entspringende, neben einander
vorkommen.
Die vordere Abtheilung des M. epieranius, M epier. frontalis, !)
E£l
I
II
Os.
Sn
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————n
SS
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——
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SS
Muskeln der Stirn- und Augengegend. Vgl. S. 142,
2) M. frontalis aut. Stirnmuskel.
Epier.
front.
136 Epieranius.
entsteht mit einigen schmalen Zacken am Schädel, vom Nasenrücken und
vom medialen Augenwinkel, und mit einer breiten Zacke aus der Cutis oder
vielmehr aus einer fest mit der Cutis verbundenen Fascie längs der Augenbraue.
Die Nasenzacke (Fig.63 Ef‘) !) besteht aus einer Reihe platter Bündel, welche
eins über dem anderen zwischen dem Rande der Apertura pyriformis und
der Nasenwurzel vom Nasenbeine aufsteigen und sich, je höher sie entsprin-
gen, um so mehr lateralwärts wenden. Die untersten Bündel der gleich-
namigen Muskeln beider Körperseiten durchkreuzen auf der Stirn einander
in der Medianlinie; nach unten hängen sie häufig mit der Haut der Nasen-
spitze zusammen. Die Augenwinkelzacke (#f”) beginnt mit mehreren, durch
Gefäss- und Nervenzweige von einander gesonderten Spitzen am Stirnfort-
satze des Oberkieferbeins, vor der Crista laerym. ant. und über dem vorderen
Ende des Lig. palpebr. mediale (s. unten). Die eine oder andere dieser Spitzen
nimmt Muskelfasern auf, welche aus der Haut des Nasenflügels aufsteigen;
die meisten hängen durch einige Fasern, die sie lateralwärts abgeben, mit
dem Augenliedmuskel zusammen. Nach der Vereinigung der verschiedenen
Ursprünge breitet sich die Zacke aufwärts aus; ihre oberflächlichsten Fasern
enden grösstentheils nebeneinander in derHaut der medialen Hälfte der Au-
genbraue, und auch die tieferen, welche an die Stirn hinaufgehen, sind in
der Höhe der Augenbraue meistens von einer sehnigen, besonders am hin-
teren Rande deutlichen Inscription unterbrochen. Die Augenbrauenzacke
(Ef'") enthält ziemlich parallele verticale Fasern, die sich medianwärts an
die Augenwinkelzacke anlehnen, längs des Ursprunges aus der Cutis durch
aufwärts umbiegende Bündel vom Augenliedmuskel, mit dem sie sich ver-
flechten, verstärkt werden und ebenso am lateralen Rande einige von diesem
Muskel abgezweigte Fasern aufnehmen. Nach der Vereinigung der Zacken
durchkreuzen sich ihre Fasern unter spitzen Winkeln, und es hängen selbst
die gleichnamigen Muskeln beider Körperhälften mittelst Kreuzung der Fa-
sern in der Medianlinie der Stirn zusammen. Um Weniges nach oben brei-
ter geworden, setzt sich der M. frontalis in der Gegend des Stirnhöckers
mit aufwärts convexem Rande an die Galea an. Ausnahmsweise gehen
einige Bündel zwischen den Augenbrauen in die Haut der Stirn über.
Epier. tem- Von der seitlichen Abtheilung des M. epieranius nimmt die vordere, meist
porals schmalere und sehr dünne Zacke, M. epier. temporalis (Fig. 64.) 2), ihren Ur-
sprung sehnig unter der Wurzel des Jochbogens am Rande des knöchernen
Gehörganges; sie hängt mit dem knorpligen Gehörgange, mit der Kapsel
des Kiefergelenkes und mit einem Sehnenbogen zusammen, unter welchem
die Vasa temporalia in die Tiefe gehen. Ihre Muskelbündel verlaufen pa-
) M. procerus nasi Santorini (obs. anat. $. 10). M. dorsalis narium Arn. M. py-
ramidalis der französischen und englischen Autoren.
”) Der M. auricularis ant. s. attrahens auriculae bei Albin, Courcelles (Icon. musc.
capitis. Lugd. Bat, 1743. Taf. I. d) und Walther (Halleri disput anat T. VI. p. 614.),
so wie der novus musc. conchae proprius Santorini’s (a. a. O. Taf. III. Fig, 4 d) sind,
nach der Lage und dem Verlaufe der Fasern zu schliessen, mit unserem M. e. temporalis
identisch; die Verbindung mit der medialen Fläche der Ohrmuschel, an welcher, wie von den
Autoren angegeben wird, die Sehne enden soll, findet aber nur mittelbar Statt durch ein
allerdings ziemlich festes Bindegewebe, welches den Raum zwischen jenen Muskeln und dem
Ohrknorpel erfüllt.
Epicranius. 137
rallel vor- und aufwärts; einzelne erreichen den Rand des M. e. frontalis
und des M. orbieularis oculi; sie biegen theils am lateralen Rande des
Frontalis aufwärts um, theils durchsetzen sie ihn mit den obersten Fasern
des Orbicularis und gelangen so bis zur Insertion des letzteren an der Gla-
bella. In starken Körpern schliessen sich die untersten Bündel des M. epier-
Eo
EN,
VRR
/) N:
N
N,
f
AHT,
Ni
w|l-
Muskeln der Schädeldecke, Profil.
temporalis an die obersten des M. subeutaneus colli an, wodurch sich die
Muskulatur der Galea als Fortsetzung des letztgenannten Muskels erweist.
Die oberen Bündel des M. e. temporalis sind in der Regel nicht von dem
folgenden Muskel geschieden.
Der M. (epier.) auricularis sup.‘) entspringt am Ohrknorpel mit gpier.
zwei Zacken, die sich bald vereinigen, einer schmalen von dem stachelför- *"'e- sup-
migen Fortsatze am vorderen Rande des Helix und einer breiteren von der
Wölbung, die an der medialen Fläche des Ohres entsprechend der Grube
zwischen beiden Schenkeln des Anthelix sich befindet. Aufwärts an Breite
zunehmend, geht der Muskel in ungefähr gleicher Höhe mit dem M. fronta-
lis und mit gleichfalls convexem Rande in die Galea über.
!) M. aurieularis sup. s. attollens auriculae nebst dem M. auricularis ant. s. attrahens
auriculae aut. M auriculo-tiemporalis Cruv.
138 Epicranius.
Eier Der M. (epier.) auricularis post.‘) gehört der hinteren Abtheilung
post.
Epier. ocei-
pit.
Physiol.
Bemerk.
des Epieranius an und besteht aus einer Anzahl mehr oder minder geson-
derter Faseikel, welche am lateralen Ende der oberen Nackenlinie auf der
Sehne des M. sternocleidomastoideus entspringen und horizontal vorwärts
zur convexen medialen Fläche der Ohrmuschel ziehen.
Unmittelbar neben dem Ursprunge dieses Muskels oder durch einen
Zwischenraum von demselben getrennt, beginnt die Reihe der Ursprünge
der Fasern des M. epier. occipitalis?) und setzt sich längs der oberen
Nackenlinie bis in die Nähe der Protuberantia oceipitalis ext. fort. Sie stel-
len, indem sie parallel lateral-aufwärts verlaufen, einen platten niederen
Muskel von verschoben rhombischer Gestalt dar. Ihren Ursprung am Kno-
chen vermitteln Sehnenfasern von ungleicher Länge; ihr Uebergang in die
Galea erfolgt etwa in der Höhe des oberen Randes des Ohres in ebenfalls
unregelmässig wellenförmiger Begrenzung durch Sehnenfasern, welche ver-
möge ihrer parallelen Anordnung und ihres Glanzes sich vor den übrigen
Regionen der Galea auszeichnen und sich zum Theil durch die Muskelbün-
del des M. auric. sup. hindurch bis gegen den Frontalis verfolgen lassen.
Die Galea aponeurotica erstreckt sich demnach continuirlich über den
mittleren Theil der Schädeldecke, dringt mit einer schmalen Spitze zwischen
die beiden Mm. frontales, mit einem breiten stumpfen Vorsprunge zwischen
die beiden Mm. oceipitales ein und reicht nur an der Seitenwand des Schä-
dels über den Schläfenbogen hinab bis auf die Wangengegend, um sich mit
der Fascia parotidea zu verbinden oder in diese fortzusetzen. An den
Schläfenbogen ist sie mittelst eines straffen Bindegewebes angeheftet.
Nach Theile soll der Stirnmuskel gewöhnlich ein äusserstes Muskelbündel
vom Process. zygomat. des Stirnbeins erhalten. Cruveilhier beschreibt einen,
wie ihm schien, beständigen Musc. auricularis ant, prof., welcher, in tieferer Schichte
als die vordersten Fasern des M. auric. sup., vom Jochbogen zur äusseren Fläche
des Tragus gehe.
Der. M. aurieularis post. erstreckt sich mit seiner Ursprungssehne oft weit
medianwärts, bis in die Nähe der Protub. occ. ext. Er kann-in diesem Falle in der
Nähe des Ursprunges wieder fleischig, also zweibäuchig, werden. Oder er verschmilzt
mit den Quermuskelfasern der Nackengegend, welche oben als Varietät des M.
subcutaneus colli erwähnt wurden.
Gemeinschaftlich wirkend, spannen die Muskeln der Schädeldecke die Kopf-
haut an und drücken sie an den Schädel. Ist sie durch den M. frontalis und oc-
eipitalis festgehalten, so kann der M. epieranius temporalis als Spanner der Fascia
temporalis fungiren. Dass er keine Beziehung zum Öhre hat, geht auch aus einer
Bemerkung E.H. Weber’s hervor, der bei Individuen, die ihre Ohren willkürlich
zu bewegen im Stande waren, doch niemals den sogenannten M. attrahens auricu-
lae sich contrahiren sah. Nach Jung (Verh. der naturf. Gesellschaft in Basel. Bd.
VIII. p. 54) findet übrigens die Contraction der vom Schädel zum Ohre tretenden
Muskeln stets gleichzeitig Statt und ist nicht sowohl auf Verschiebung des Ohres
als vielmehr auf Erweiterung des Einganges gerichtet.
Der M. frontalis ist der einzige, dem man die Fähigkeit zuschreiben kann,
die Augenbraue aufwärts zu ziehen; die Haut der Stirngegend wird dabei wegen
ihrer lockeren Verbindung mit dem Muskel, nicht mit in die Höhe gezogen, son-
dern in quere Falten gelegt. Um den M. frontalis zur Zusammenziehung in dieser
') Mm. auriculares posit. s. retrahentes auriculae aut.
®) M. occipitalis aut.
Orbicularis oculı. 139
Richtung zu befühigen, muss die Galea, die als Ursprungssehne dient, durch den
M. oceipitalis nach hinten festgehalten sein. Darf‘ man annehmen, dass, wenn der
M. oceipitalis schlaff ist, die Zusammenziehung des Frontalis, nach unten gegen den
von Natur stärker befestigten Knochenursprung oder gegen die durch den M. orbie.
oculi festgehaltene Augenbraue erfolge? Theile hält es nicht für wahrscheinlich,
dass derselbe Muskel zum Aufziehen und zum Herabziehen der Haut der Stirn
und also zu Bewegungen benutzt werde, die den physiognomischen Ausdruck ganz
entgegengesetzter Leidenschaften gewähren. Duchenne (S. 376) erhielt durch
Reizung des M. frontalis an der Stirn nie andere Bewegungen der Stirnhaut, als
von unten nach oben, dagegen durch Application Jdes Excitators auf die Nasen-
wurzel, d. h. auf die Nasenzacke des M. frontalis stets Querfaltung der Haut die-
ser Region, so dass die Haut der Stirn und des Nasenrückens einander entgegen
gezogen wurden. Die oben beschriebene sehnige Inseription der vordern Zacken
des M. frontalis erklärt diese Erscheinung und macht es verständlich, wie die Zu-
sammenziehung der unter der Nasenwurzel gelegenen Fasern ganz unabhängig
von der oberen Ausbreitung des Stirnmuskels erfolgen kann.
b. Muskeln der Augenlieder.
In den Augenliedern breiten sich zwei Muskeln aus. Der Eine, Leva-
tor palpebrae (sup.), zur Erhebung des oberen Augenliedes bestimmt, ent-
springt im Grunde der Augenhöhle und geht an deren Decke vorwärts, um
über den Augapfel herab in die Bandscheibe des Augenliedes auszustrahlen.
Eine genauere Beschreibung desselben folgt später in Verbindung mit den
übrıgen Muskeln der Augenhöhle. Der andere Muskel, welcher theilweise
beiden Augenliedern gemeinschaftlich und, so weit er dem oberen Augen-
liede angehört, ein Antagonist des erstgenannten Muskels ist, besteht aus
transversalen ‘oder schlingenförmig die Augenliedspalte umkreisenden Fa-
sern, deren Contraction die Augenliedränder einander nähert. Es ist der
M. orbicularis oculi!).
Dieser Muskel liegt in der Dicke der Augenlieder und im Umkreise
derselben, allseitig den knöchernen Rand der Augenhöhle überragend, und
besteht aus einer continuirlichen Lage von concentrisch um die Augenlied-
spalte verlaufenden platten, gegen die Augenliedspalte an Mächtigkeit ab-
nehmenden Bündeln, welche ihre Fasern so gegeneinander austauschen, dass
ein Netzwerk mit langgestreckten Maschen, den längsten Durchmesser pa-
rallel dem Faserverlaufe entsteht. Die Mehrzahl dieser Bündel entspringt in
der Gegend des medialen Augenwinkels und kehrt nach einer schlingenför-
migen Tour wieder dahin zurück. Der innerste, der Augenliedspalte näch-
ste Theil des Muskels wird aber durch eine sehnige Unterbrechung am
lateralen Augenwinkel in eine obere und untere Hälfte geschieden, und
von den äussersten Fasern brechen einzelne gleichsam aus dem Kreise
aus um sich mit den Schädel- und Mundmuskeln in Verbindung zu
setzen: so geben die oberen der vom medialen Augenwinkel her in das
obere Augenlied ausstrahlenden Bündel Fasern in den M. frontalis ab; die un-
») M. orbicularis palpebr. s. sphincter palpebr. nebst dem M. corrugator supereilü aut.
b. Augen-
lied-
muskeln.
"Orbie. pal-
pebr.,
140 Orbicularis oculi.
tersten, vom medialen Augenwinkel ausgehenden Bündel des unteren Augen-
liedes senden Fasern in die Aufhebemuskeln der Oberlippe oder in die Haut
der Wange und treffen hier zusammen und kreuzen sich mit Bündeln,
welche vom lateralen Rande des M. orbicularis oculi her, theils aus diesem
Muskel, theils neu aus der Fascie der Schläfengegend entspringend, median-
abwärts gehen.
Gemäss diesen Verschiedenheiten des Verlaufes kann man amM. orbi-
eularis oculi drei Portionen unterscheiden, die sich auch am Ursprunge von
einander sondern und einzeln bewegen lassen (Fig. 65.66). Die innerste Por-
tion, eine besondere für jedes Augenlied, M. (0. 0) palpebralis sup. u.
inf., liegt in der Dicke der Augenlieder und erreicht mit ihrem äusse-
ren Rande nicht den Rand der knöchernen Augenhöhle; an sie schliesst sich
die schlingenförmige, beiden Liedern gemeinsame Portion, M.(O.o.) orbitalis,
welche den Rand der Augenhöhle nach allen Seiten überragt; unter dem
Namen eines M. (©. 0.) malaris begreife ich die äusserste und unterste,
dem unteren Augenliede eigenthümliche Portion, die den Uebergang zur
Muskulatur der Lippen vermittelt. Die dem M. malaris entsprechende
äusserste Portion des oberen Augenliedes wurde bereits mit dem M. fronta-
lis beschrieben.
Da man die beiden medialen Enden der Mm. palpebrales als Ursprünge
von Muskeln anzusehen hat, die sich in der Gegend des lateralen Augenwinkels
inseriren, so empfiehlt es sich, auch vom M. orbitalis den oberen und unteren An-
satz am medialen Augenwinkel als Ursprünge je einer oberen und unteren Por-
tion, eines M. orb. sup. u. 0.inf., aufzufassen, die am lateralen Augenwinkel
in einander umbiegen; am M. mal. aber stellen sowohl das mediale, als das la-
terale Ende Ursprünge dar, und die Insertionen der einander entgegenziehenden
Fasern finden sich in der Wangengegend. Natürlich rücken die medialen Ur-
sprünge jeder Portion um so weiter lateralwärts, je näher dem Augenlied-
rande die Abtheilung liegt; in demselben Maasse nähern sich einander auch
in verticaler Richtung die Ursprünge der inneren und mittleren Portion; die
des M. palpebralis decken einander theilweise; die äussersten des M. orbi-
talis stehen um mehr als Fingerbreite von einander ab.
Die Mm. palpebrales!) entspringen von der oberen Hälfte der Crista
lacrym. post.2) und von einem halbmondförmigen Sehnenbogen, Lig. palpebr.
mediule m. (Fig. 66.)3), welcher über die obere Spitze des Thränensackes
hinzieht mit horizontalen Flächen, den concaven Rand medianwärts gerich-
tet und mit der Wand des 'Thränensackes verwachsen, den convexen, wul-
stigen Rand seitwärts gekehrt, mit der Einen, hinteren Spitze am 'Thränen-
beine, mit der anderen, vorderen, am Nasenfortsatze des Oberkieferbeins an-
gewachsen. Der M. palpebr. sup. ist am Thränenbeinursprunge der oberfläch-
!) M. orbicularis internus s. palpebralis aut.
*) Der Thränenbeinursprung wird unter den Namen Horner’scher Muskel, M. sacei
lacrymalis s. tensor tarsi als ein besonderer Muskel aufgeführt, der am medialen Augenwin-
kel ende,
*) Das Zig. palpebrale int, aut. Tendo palpebrarum Quain- Sharpey ist der vordere Schen-
kel dieses Bogens, der sich, wenn man die Haut der Augenlieder lateralwärts spannt, vom me-
dialen Augenwinkel gegen die Nase erstreckt. Cruveilhier nennt diesen Schenkel Ten-
don direct du muscle orbieulaire und den hinteren Schenkel Tendon reflechi desselben Muskels.
Orbicularis oculıi. 141
lichere, und bedeckt fast vollkommen die laterale Fläche des M. palpebr.
inf. (Fig. 65); vom Rande des Lig. palpebr. entspringen die Fasern beider
’
4
My
Sl) V
» 7 RR {
Profilansicht des Schädels; die Augenhöhle entleert, die Augenlieder in der Nähe des me-
dialen Augenwinkels vertical durchgeschnitten, das mediale Ende nach vorn umgeschlagen
und von der Augenhöhlenfläche praeparirt. 1. M. oblig. bulbi inf., am Ursprunge abge-
schnitten. 2, Thränensack. 5. Ansatzstelle der Trochlea. 4. Ligament, welches die In-
eisura supraorb. schliesst.
Muskeln unmittelbar übereinander und weichen unter spitzen Winkeln aus-
einander. Die Thränenbeinursprünge setzen sich fast horizontal in den dem
Augenliedrande zunächst gelegenen, etwas wulstigen Theil des M. palpe-
bralis!) fort; die vom Lig. palpebr. stammenden Fasern entfernen sich um
so weiter vom Rande des Augenliedes, je näher dem medialen und vorderen
Ende des Bandes sie entspringen (Fig. 65). Eine Anzahl der dem Augenlied-
rande nächsten Bündel ?) begiebt sich hinter dem Tarsus zwischen den Haar-
bälgen und Drüsen zur Schleimhautfläche des Augenliedrandes und erreicht
nicht den lateralen Augenwinkel; alle übrigen Fasern des oberen und unteren
)) M. ciliaris Riolan. i
?) M. subtarsalis Moll (Bydragen tot der anatomie en physiologie der oogleden. Utrecht
1857. p. 9).
Orbie.
orbit.
142 Orbieularis oeuli.
Augenliedes treffen am lateralen Augenwinkel unter spitzem Winkel und in
einer horizontalen Linie in dem Lig. palpebr. laterale zusammen, einem
nicht genau umschriebenen, aus einer grösseren oder geringeren Zahl pa-
ralleler Faserbündel bestehenden Bande, das sich zwischen der lateralen
Commissur der Augenlieder und dem Rande oder dem vorderen Theile der
lateralen Wand der Augenhöhle horizontal ausspannt (Fig. 66).
Der M. orbitalis!) des oberen Augenliedes entsteht mit einer Reihe
platter Zacken, theils über, theils hinter dem Orbitalursprunge des M. fron-
talis. Die unterste Zacke haftet am Lig. palpebr. med. dicht über dem M.
palpebr.; indem ihre Fasern aus der Augenhöhle hervortreten, ordnen sie
Fig. 66.
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I Sl
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Qls’
Muskeln der Stirn- und Augengegend. Vgl. 8. 135. ZM. zygomaticus, Q/s‘ Infraorbital-
zacke, Qls‘' Jochbeinzacke des M. quadratus labii sup.
)) M. orbieularis ext. s. orbitalis aut.
Orbieularis oculi. 143
sich so, dass die hintersten sich dem Rande desM. palpebralis zunächst an-
schliessen. Zwei bis vier schmale Zacken nehmen den Supraorbitalrand
von der Gegend der Fossa trochlearis bis zur Ineisura supraorbitalis ein.
Dicht über diesen und weiter medianwärts von der Glabella des Stirnbeins
kommen zwei bis drei platte Zacken !), die einander theilweise dergestalt
decken, dass sie je weiter hinauf, um so tiefer liegen und um so mehr
aus einem sanft ansteigenden in einem transversalen Verlauf übergehen.
(Fig. 65. 66.0 s‘). AlleZacken des oberen M. orbitalis geben, wie erwähnt,
Fasern in denM. frontalis ab; die von der Glabella stammenden setzen bün-
delweise zwischen den Fasern der Augenbrauenzacke des M. frontalis hin-
durch; einige enden an der Haut der Augenbraue (0 s”). Die meisten
aber setzen sich um den lateralen Augenwinkel herum in den M. orbitalis
des unteren Augenliedes fort.
Der Ursprung des N. orbitalis inf. nimmt den unteren Rand der Augen-
höhle vom Lig. palpebr. med. bis zum lateralen Rande der Crista lacryma-
lis und den an den Infraorbitalrand angrenzenden Theil der vorderen Wand
des Thränensackes ein (Fig. 65).
Mittelst eines sehr straffen Bindegewebes, welches bei dem geringen
Maass der Kräfte, die zur Dehnung desselben verwendbar sind, als vollkom-
men unnachgiebig betrachtet werden darf, ist der laterale Theil des M. or-
bitalis auf der Fascia temporalis ausgebreitet und an dieselbe angeheftet.
Der M. malaris entspringt medialerseits vom Nasenrücken neben der
vorderen Insertion des Lig. palpebr. med. und vom Infraorbitalrande unter
dem M. orbitalis inf., lateralerseits aus dem M, orbitalis und neben dessen
lateralem Rande über dem Schläfenbogen von der Galea (Fig. 66 Om’).
Die Fasern gehen von beiden Ursprüngen bogenförmig in einander über;
einzelne inseriren sich, unter stumpfem oder spitzem Winkel convergirend
und einander durchkreuzend, in der Haut der Wange in grösserer oder ge-
ringerer Entfernung unterhalb des Augenhöhlenrandes. Vom lateralen Ur-
sprunge gehen beständig einige Bündel?) am lateralen Rande der Jochbein-
zacke des M.quadr. labii sup. in die Haut der Oberlippe über, und oft ver-
treten diese Bündel, indem sie an Zahl zunehmen, die letztgenannte Mus-
kelportion.
Die laterale Portion des M. malaris kann bis zum Nasenflügel herüberrei-
chen. Häufig giebt sie dem M. zygomaticus einige Bündel ab. Vom lateralen
Rande der Augenhöhle sah ich einige zarte Muskelfasern längs dem Lig. palpe-
brale laterale in die beiden Mm. palpebrales ausstrahlen. Moseley (Monthly
Journ. 1853. Decbr. S. 581) fand an mehreren Köpfen einen Muskel, der in der
Augenhöhle vom Jochbein vor der Naht dieses Knochens mit dem Orbitalflügel
entspringt und sich in der Bindegewebsmasse des lateralen Augenwinkels verliert.
Die Mm. palpebrales haben im erschlafften Zustande einen in doppeltem
Sinne bogenförmigen Verlauf; die Fasern des oberen Augenliedes sind durch die
Wirkung des Levator palpebrae aufwärts convex, die Fasern des unteren Augen-
liedes durch ihre eigene Schwere, wenn auch in sehr geringem Grade, abwärts
convex, und beide durch die Spannung, die ihnen der Augapfel ertheilt, vorwärts
convex. Der Effect ihrer Zusammenziehung ist also zunächst Senken des oberen,
D) M. corrugator supercilü aut. Soureilier Cruv.
2) Perpetuus lacertulus ab imo orbieulari Santorin.
Orbie.
malaris.
Physiol.
Bemerk.
c. Gesichts-
muskeln.
a. Erste
Schichte,
144 Gesichtsmuskeln.
geringes Aufsteigen des unteren Augenliedes und Druck auf die Oberfläche des
Augapfels. Da ein Theil des Inhaltes der Augenhöhle, das Blut in den Gefässen,
flüssig und verdrängbar ist, so kann ein Druck auf den Augapfel denselben tiefer
in die Augenhöhle drängen, so wie eine Lähmung der Mm. palpebrales das Vor-
treten desselben begünstigen, und so ist der Contractionsgrad dieser Muskeln viel-
leicht nicht ganz ohne Einfluss auf den Füllungszustand der Blutgefüsse des Aug-
apfels und der Augenhöhle.
Wegen der straffen Anheftung des lateralen Theiles der Mm. palpebrales und
des M. orbitalis, die einer Anheftung an Knochen gleichkommt, muss die Zusam-
menziehung dieser Muskeln nothwendig mit einer Spannung, d. h. mit einer Ver-
mehrung der Wölbung des Lig. palpebr. mediale verbunden sein, und da diesem
Ligament die vordere oder laterale Wand des Thränensackes folgt, sö bedingt die
Contraction der Augenliedmuskeln, schon beim Augenliedschlag, eine Erweiterung
des Thränensackes, mittelst welcher die im medialen Augenwinkel angesammelte
Flüssigkeit angesogen wird. Gegen Theile ($. 30) muss ich nach meinen Erfah-
rungen behaupten, dass der M.palpebr. inf. sich unabhängig von dem entsprechen-
den Muskel des oberen Augenliedes zusammenziehen kann; indem er das untere
Augenlied hebt, zieht er es zugleich etwas gegen die Nase, und der untere Thrä-
nenpunkt steigt schräg medianwärts auf. Ich glaube hierin die Wirkungen einiger
Fasern zu erkennen, welche, wie mir dies auch am oberen Augenliede vorkam,
schon in der Nähe des medialen Augenwinkels sich in der Haut des Augenliedes
endigen.
Die Contraction der in der Haut endenden Fasern des M. frontalis und orbi-
talis prägt sich am Lebenden sehr deutlich aus durch einige Grübchen über dem
medialen Drittel der Augenbraue und durch die von denselben schräg lateralwärts
aufsteigenden Falten. So wie diese Falten sich bilden, wird zugleich die ganze Au-
genbraue median- und abwärts gezogen und das eigentliche obere Augenlied tiefer
unter den Wulst, der es beschattet, versteckt. Die Contraction der unteren Hälfte
des M. orbitalis schiebt das untere Augenlied aufwärts. Die Contraction des M.
malaris, welche ganz selbständig erfolgen kann, hebt die Wange und vertieft die
Furche, welche das untere Augenlied und die Wange gegeneinander abgrenzt, Der
Zusammenhang des lateralen Ursprunges dieses Muskels mit dem M. quadrat. lab.
sup. giebt Anlass, dass sich bei der Erhebung der Wange, zum Blinzeln, auch die
Insertion des letztgenannten Muskels in der Oberlippe bemerklich macht. Die
gleichzeitige Erhebung des Mundwinkels mag bei Vielen eine angewöhnte oder
vielmehr nicht abgewöhnte Mitbewegung, manchmal aber auch die Folge einer Ver-
bindung des M. malaris mit dem zygomaticus sein. Wenn Fascikel des M. malaris
sich tiefer unten in die Haut der Wange einpflanzen, so verräth sich dies durch
die Entstehung des Wangengrübchens bei den Zusammenziehungen des Muskels.
ce. Gesichtsmuskeln.
a. Erste Schichte.
Sie bildet in seltenen Fällen, bei muskulösen Individuen, ein continuir-
liches Blatt unmittelbar unter der Cutis, dessen Fasern convergirend vom
vorderen Ende des Jochbogens, vom hinteren Rande des Astes und vom
unteren Rande des Körpers des Unterkiefers und selbst von der Haut des
Kinnes und der Unterlippe gegen den Mundwinkel zusammentreten. In der
Regel aber ist diese Schichte in drei, zum Theil schmächtige, durch Zwi-
schenräume getrennte Muskeln zerfallen.
Zygomaticus. 145
1. M. zygomaticus Z.
Platt eylindrisch, entspringt kurzsehnig vom oberen Rande des Joch- ı.z
bogens in der Gegend der Naht des Proc. zygomat. des Schläfenbeins mit
der Wangenplatte des Jochbeins, geht zuerst dicht auf dem Masseter, dann
über dem Fette, welches die Grube unter dem Tuber zygomaticum (Fossa
infrazygomatica) ausfüllt, schräg abwärts gegen den Mundwinkel. Die Fa-
N j ]
Mn
KIELUNNERN
>
Fa
BEL
ZZ
Y
Gesicht, fast Profil. Der M. malaris am medialen und lateralen Ursprunge abgeschnitten,
am medialen aufwärts umgeschlagen. On‘ Zacke des M. malaris zum M. quadrat. labii
sup. (Qls). Ef‘ Ef'' Nasen- und Augenwinkelzacke des M. frontalis. C. M. caninus.
Scc M. subeut. colli. -
sern, die sich auf diesem ganzen Wege spitzwinkelig verflechten, weichen in
der Nähe des Mundwinkels in zwei Lagen auseinander, zwischen welchen
sich ein von glattem Bindegewebe ausgekleideter Canal für die Vasa coro-
naria der Oberlippe befindet. Die Fasern beider Lagen durchkreuzen sich
am Mundwinkel mit Fasern des M. caninus und triangularis; einige bie-
gen in den lateralen Rand des letztgenannten Muskels um, andere gelangen
D) M. zygomaticus maj. aut.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abth. 3. 10
ygomat.
146 Risorius. Triangularis.
in die Tiefe und schliessen sich den in die Lippe eintretenden Fasern des
M. buccinator an, die meisten enden in der Haut der Ober- und Unterlippe
dicht am Mundwinkel und in einem Sehnehstreifen, der sich von der Com-
missur der Lippen einige Linien weit seitwärts erstreckt.
2. M. risorius R).
9 Risbrier Besteht aus einigen zusammenhängenden oder vereinzelten, mitunter
sehr zarten Bündeln, welche vor dem hinteren Rande des Unterkieferastes
von der Fascia parotidea entspringen und über den M. subceutaneus colli
hinweg, die Ausstrahlung desselben unter spitzem Winkel kreuzend, conver-
girend zum Mundwinkel verlaufen (Fig. 67). Wenn sie sich nicht in ihrer
ganzen Länge an den oberen Rand des M. triangularis anschliessen, so ver-
binden sie sich doch an der Mundwinkelinsertion mit ihm und verhalten
sich wie ein querer Kopf desselben.
3. M. triangularis Tr 2).
3. Trian- Der wesentlichste und beständigste Theil dieses Muskels besteht aus
sularis. einer Reihe von Zacken, welche vom Kinn bis zur Gegend der hinteren
Backzähne am unteren Rande des Unterkiefers zwischen der Insertion des
M. subeut. colli und dem Ursprunge des M. quadr. menti entspringen (Fig.69).
Die Zacken kommen zwischen Lücken des M. quadratus menti an die Ober-
fläche und fügen sich alsbald zu einem dünnen Blatte aneinander, das den
Quadratus bedeckt und durch straffes Bindegewebe sehr fest an denselben
angeheftet ist. Indem die Fasern gegen den Mundwinkel convergiren, stel-
len sie ein Dreieck dar, dessen Basis dem Kieferrande, dessen Spitze dem
Mundwinkel entspricht, von dessen Seiten die vordere concav, und stark
rückwärts, die hintere convex vorwärts geneigt ist (Fig. 67).
An den hinteren Rand dieses Muskels schliessen sich continuirliche oder
zerstreute Bündel, die ihn mit dem Risorius in Verbindung setzen; an den
vorderen (medialen) Rand schliessen sich zunächst Fasern, welche in die ent-
sprechenden Fasern des gleichnamigen Muskels der anderen Seite in der
Mittellinie übergehen, eine Schleife bildend, die unter dem Kinn vorüber von
einem Mundwinkel zum anderen zieht und von unten her die Insertion der
medialen gekreuzten Fasern der Mm. subeutanei colli deckt (Fig. 67 Tr").
Weiter medianwärts folgt noch eine meist sehr zarte Faserlage, die vom
Mundwinkel aus in die Haut des Kinnes ihrer Seite ausstrahlt (7’r“) 3).
Am Mundwinkel setzen sich die Fasern des Triangularis theilweise,
wie erwähnt, längs dem lateralen Rande des M. zygomaticus zu dessen Ur-
sprunge fort; theilweise kreuzen sie sich mit den Fasern desM. zygomaticus,
!) M, risorius Santorini (Obs. anat. $. 34,) und Theile. Der M. risorius der
übrigen Autoren ist ein Theil des M. subcutaneus colli, s. o.
®) M. depressor anguli oris s. depressor labiorum comm. M. triangularis menti. M. py-
ramidalis ment. Langenb. "
°) Corrugator s. Protrusor labü inf. Santorini (Observ, anat. $. 31). Muscle trian-
gulaire interne Cruv.
(Quadr. lab. sup. 147
um in die Haut der Oberlippe auszustrahlen; zum grössten Theil inseriren
sie sich von unten an das Ligament der Lippencommissur, welches auch den
Zygomaticus aufnimmt.
Aus der Lage der unter dem Kinn vereinigten schleifenförmigen Fasern des
M. triangularis menti erklärt sich die Entwickelung des Doppelkinns. Die Fettan-
häufung in der Submaxillargegend reicht nur bis zum hinteren Rande der Schleife.
Zuweilen ist sie in der Mitte sehnig, andere Male zerfällt sie, indem sie bei-
derseits an den Kieferrand anwächst, in drei Theile, zwei paarige, die sich nicht vor
den übrigen Fasern des M. triangularis auszeichnen, und ein unpaares, quer in dem
Winkel, in welchem die Ränder beider Unterkieferhälften vorn zusammenstossen, von
Einer Seite zur anderen verlaufendes Muskelchen. Dies ist der von Santorini
(Obs. anat. S. 27) zuerst beschriebene M. transversus menti (Faisceau sous-sym-
physien Cruv.).
ß. Zweite Schichte.
. 1. M. quadratus labii superioris m. Ols.
Besteht aus drei, am Ursprunge mehr oder minder deutlich gesonderten ß. Zweite
Zacken, welche vom medialen Augenwinkel und dem unteren Rande der Au-
genhöhle eonvergirend abwärts in die Haut des Nasenflügels und der Ober-
lippe sich begeben.
Die mediale oder Augenwinkelzacke, Caput angulare \) (Fig. 67.68
Qls) beschränkt sich bei schwach ausgebildeter Muskulatur mit ihrem Ur-
sprunge auf die obere Spitze des Stirnfortsatzes des Oberkieferbeins, wo sie
aus dem Winkel zwischen der Nasen- und Augenwinkelzacke des M. fron-
talis platt hervortritt, mit der letzteren fast immer durch einzelne Bündel-
chen zusammenhängend, die sich aus Einem Muskel in den anderen fortsetzen.
Nicht selten erhält diese Zacke einen zweiten tieferen und weiter medianwärts
entspringenden Kopf vom Nasenrücken, der mit dem unteren Rande an den
oberen Rand einer älinlichen Zacke des M. caninus grenzt. Die Fasern der
Augenwinkelzacke verlaufen steil lateralabwärts und enden in der Haut
des Seitentheils des Nasenflügels und des an den Nasenflügel grenzenden
Theiles der Oberlippe oder vielmehr der Wange?).
Die mittlere oder Infraorbitalzacke, Caput infraorbitale 3) (Qls“)
entspringt, bedeckt vom unteren Rande des M. orbicularis oculi, breit und
platt an der vorderen Fläche des Körpers des Oberkieferbeins und dessen
Processus zygomatico-orbitalis längs einer rauhen Linie unter dem Infraor-
bitalrande, welche lateral-abwärts über das Foramen infraorbitale um we-
) M. levator (communis) labü superioris alaeque nasi aut. M. pyramidalis s. pyrami-
dalis narium Santorini. Releveur supenficiel Cruv,
2) Krause trennt die Nasen- und Wangeninsertion als M. levator alae nasi u. M.
levator labii sup. minor. H, Meyer will ebenfalls den dem Nasenfiügel angehörigen Theil
des Muskels M. levator alae narium major s. posterior von dem in die Oberlippe tretenden
Theil geschieden wissen und zieht den letzteren mit dem LZevator labiü sup. propr. aut.
zusammen, Diese Art der Scheidung ist nicht einmal physiologisch gerechtfertigt, da der
Nasentheil des Caput angulare nie ohne den Wangentheil sich zusammenzieht.
») M. levator labil sup. proprius aut. M. lev. I s. major Krause. M. ineisorius San
torini, Die Nasenwinkel- und Infraorbitalzacke zusammen stellen Winslow’s M. inci-
sivus lateralis dar. Releveur profond Cruv.
10*
Schichte.
1, Quadr.
lab. sup.
148 Quadr. lab. sup.
niges hinausreicht und, der Naht zwischen Oberkiefer- und Jochbein folgend,
sich abwärts senkt. Die Fasern steigen steil median-abwärts und befestigen
sich, die medialen hinter der Insertion des Caput angulare versteckt, in die
Haut des Nasenflügels und der Oberlippe. Zuweilen geht eine Zacke dieses
Muskels fast quer herüber zum oberen Rande des Nasenflügels.
Fig. 68,
Ze ER Ef”
EHTESQ, RN
N NRRIIQY U
VEN N \
Om! IL Sy
> |
u\ S
N \
Gesicht, fast Proßl. Der M. malaris am medialen und lateralen Ursprunge abgeschnitten,
am medialen aufwärts umgeschlagen. Om’ Zacke des M. malaris zum M. quadrat. labii
sup. Ef‘ Ef’‘' Nasen- und Augenwinkelzacke des M, frontalis, € M. caninus.
Die laterale oder Jochbeinzacke, Caput zygomaticum )), ist ein
schmaler platter Muskel, welcher auf der Höhe des Tuber zygomaticum, vor
der Gesichtsöffnung des Can. zygomatico-facialis, entspringt und gewöhnlich
durch einige Bündelchen vom M. malaris verstärkt (oder auch durch diesen
ersetzt) schräg medianwärts zur Haut der Oberlippe geht, um sich neben
dem Caput infraorbitale in dieselbe zu verlieren (Qls“). Er geht zuweilen
mit einigen Fasern unter der Infraorbitalzacke in den M. buccinator über.
In Köpfen mit stark ausgebildeten Muskeln schwinden die Zwischen-
räume zwischen den Zacken; die Augenwinkelzacke erstreckt sich längs
dem Infraorbitalrande so weit, als die Ursprünge des M. orbieularis oculi
(so in dem abgebildeten Falle Fig. 68); die Infraorbitalzacke erreicht unter
ID) M. zygomaticus minor aut.
Caninus. 149
der Augenwinkelzacke den Stirnfortsatz des Oberkiefers; die Jochbeinzacke
kann sich mit einem Theile ihrer Fasern gleich hoch oben an die Infraorbi-
talzacke anlegen; sie kann sogar an der vorderen oder hinteren Fläche der
letzteren bis zum Nasenflügel hinüberreichen. z
Deshalb ist der M. levator labii sup. propr. aut. und selbst zuweilen der M. Physiolo-
zygomaticus eben so gut gemeinschaftlicher Heber des Nasenflügels und der Ober- een.
lippe, wie der M. levator communis aut. Beide können genau dieselbe Breite der
Insertion haben und der Unterschied ihrer Wirkung besteht nur darin, dass der
Eine den Nasenflügel und die Lippe lateral-aufwärts, der andere sie median-auf-
wärts hebt, vorausgesetzt, dass sie isolirt zu wirken und nicht vielmehr durch gleich-
zeitigen Zug Nasenflügel und Lippe gerade aufzuheben bestimmt sind.
2. M. caninus ey.
Entspringt kurzsehnig, platt aus der ganzen Breite der Fossa maxilla- 3, Ganinus.
Sce
Gesicht, fast Profil, die Augenhöhle entleert, der M. orbieularis oculi (0) nebst dem M.
frontalis (Ef) zurückgeschlagen (vgl. Fig. 65). ZZ Ursprung und Insertion des M. zy-
gomat. R M. risorius, Insertion. 7r Tr Ursprung und Insertion des M, triangularis. @ 75”,
Qls‘“, Caput infraorbit. und zygomaticum des M. quadrat, labii sup. am Ursprunge abge-
schnitten. Q@rm M. quadrat. menti. B M. buceinator, 1 Ausführungsgang der Parotis,
am Eintritt in den Muskel abgeschnitten, Sp% Sphineter oris. N M. nasalis.
M, M' oberflächliche und tiefe Portion des M. masseter. Scc M. subeut. colli.
?) M, Ievator anguli oris s. lewator labiorum communis.
I
3. Quadr.
menti.
150 Quadratus menti,
ris (Knl. $. 156) unter dem Foramen infraorbitale, vom M. quadratus labii
sup. verdeckt. Der Raum zwischen beiden Muskeln wird durch Fett, sowie
durch die aus dem Foramen infraorbitale hervortretenden Gefäss- und Ner-
venzweige ausgefüllt. Da derM. caninus, um zum Mundwinkel zu gelangen,
gerade oder in geringem Maasse lateralwärts abweichend abwärts geht, so
kommt er in der Nähe seiner Insertion am lateralen Rande des M. quadrat.,
l. s., zwischen ihm und dem M. zygomatieus, zu Tage (Fig. 68). Ein Theil
seiner Fasern tritt, wie erwähnt, zwischen den Fasern des M. zygomaticus
hindurch an die Oberfläche und endet in der Haut oder setzt sich in Bündel
des M. triangularis fort; die anderen heften sich, demM. triangularis gegen-
über, an das vom Mundwinkel lateralwärts ausgehende Ligament; nur we-
nige mischen sich der Muskulatur der Unterlippe bei.
Fast constant erhält der M. caninus am medialen Rande eine schmale
Zacke, welche am Proc. frontalis des Oberkiefers, dicht unter dem Caput
angulare des M. quadratus 1. s. und öfters genau mit diesem verwachsen
ihren Ursprung nimmt (Fig.69); nicht selten tritt weiter abwärts eine zweite,
breitere, fleischig auf dem knöchernen Rücken und selbst auf dem häutigen
Theile der Nase entspringende Zacke hinzu, die sich mit dem unteren Rande
an den oberen Rand des M. nasalis anlehnt und auf die ich bei Beschrei-
bung des letztgenannten Muskels zurückkomme.
3. M. quadratus menti Om).
Den zwei Muskeln oder drei Schichten (da der M. quadratus labii sup.
aus zwei Schichten besteht), welche am Oberkiefer zur Haut der Lippe und
zum Mundwinkel absteigen, entspricht am Unterkiefer ein einziger Muskel,
welcher dünner, aber breiter, zur Haut der Unterlippe und des Mundwinkels
heraufgeht (Fig. 69). Es ist der M. quadratus menti, welcher im Wesentlichen
schon mit dem M. subeutaneus colli, dessen Fortsetzung er ist, beschrieben
wurde. Zwar ist die Irennung gerechtfertigt durch die Unterbrechung am
Unterkiefer, wo die vom Brustkorbe heraufziehenden Fasern als Subeutaneus
colli enden, um als Quadratus menti weiter zu gehen. Aber man muss zu
dem letztgenannten Muskel auch Fasern zählen, welche vom Brustkorbe aus
zu beiden Seiten der am Unterkieferrande entspringenden und zum Theil
als oberflächlichere Schiehten ununterbrochen ihren Weg zum Mundwinkel
und zur Haut der Unterlippe fortsetzen.
Im Gesichte angelangt, giebt die zum Mundwinkel ziehende Portion des
M. subeutaneus (oder Quadratus) oberflächliche Fasern in die Haut und
tiefe, die sich der Faserung des M. buccinator beigesellen; die medianwärts
folgende Portion befestigt sich grösstentheils in die Haut zwischen dem
rothen Lippenrande und der Querfurche, die das Kinn von der Unterlippe
scheidet. Einige in die Tiefe dringende Bündel, die sich an den M. men-
talis der entgegengesetzten Seite anlegen und ihn bis zu seinem Ursprunge
begleiten, werde ich in Verbindung mit diesem Muskel wieder erwähnen.
V) M. depressor labü inferioris.
(Juadratus menti, 151
Durch Zusammenziehung des M. subeutaneus colli und quadratus menti wird
die ganze Lippe herabgezogen und zugleich ausgebreitet und an den Kiefer ange-
drückt. Um dem Munde die aufwärts convexe Form zu geben, welche Hochmuth
und Verachtung ausdrücken, kommt es aber nicht sowohl auf Depression der Mund-
winkel, als vielmehr auf Erhebung des mittleren Theiles der Lippe durch den M.
mentalis an, wobei der Mundwinkel von den an ihn sich anheftenden Muskeln nur
festgehalten wird.
y. Dritte Schichte.
Um die Uebersicht der Muskeln dieser Schichte zu erleichtern, theilen
wir sie zunächst in drei Gruppen, eine mediane unpaare, welche der Lip-
pen-, Nasen- und Kinngegend entspricht, und zwei einander symmetrische
seitliche, den Wangen entsprechende. Die künstliche Grenze zwischen der
medianen und der seitlichen Muskelgruppe bildet der Mundwinkel; künst-
lich, weil die grosse Mehrzahl der von den Wangen gegen den Mundwinkel
convergirenden Fasern ununterbrochen gegen die Mittellinie vorschreitet !).
Die Wangengegend nimmt eine einzige Muskellage ein, M. buccina-
tor, die mediane Gruppe zerfällt in Muskeln, welche continuirlich zwischen
beiden Mundwinkeln verlaufen, oder doch nur in der Mittellinie eine Unter-
brechung erleiden und in solche, welehe zwischen dem Mundwinkel und der
Mittellinie jederseits einen Knochenansatz finden und dadurch in je eine
laterale und mediale Portion geschieden werden. Die ununterbrochenen
Muskeln liegen in der Dieke der Lippen; gewohnter Weise vereinigen wir
die entsprechenden Lagen der Unter- und Oberlippe unter dem Namen eines
Sphincter oris, wobei jedoch, wie schon früher erwähnt, von der Vorstellung
kreisförmiger, die Mundspalte umziehender Fasern abstrahirt werden muss.
Die unterbrochenen Muskeln der medianen Gruppe sind zwar am Ober- und
Unterkiefer nach gleichem Plane angelegt und gegen die Mundspalte sym-
metrisch; doch sind sie auch, wie Ober- und Unterkiefer, wie Nase und
Kinn, in wesentlichen Punkten verschieden.
Die Unterbrechung erfolgt durch Insertion der Fasern in einer Grube,
die sich am Oberkiefer über, am Unterkiefer unter dem Ecekzahne befindet
und mehr oder minder weit gegen die Mittellinie erstreckt. Die Fasern
zwischen dem Mundwinkel und dieser Grube, obgleich zum Theil Fort-
setzungen des M. buceinator, erhalten ihren fixen Punkt und also ihren Ur-
sprung in dieser Grube und ziehen den beweglicheren Mundwinkel median-
wärts; es sind die Mm. ineisivi lab. sup. und lab. inf.?). Die von der
Grube medianwärts ausgehenden Fasern strahlen am Öberkiefer gegen die
Nase, am Unterkiefer gegen das Kinn aus. Wir bilden aus den zur Nase
tretenden Fasern den M. nasalis; die zum Kinn tretenden stellen den M.
mentalis dar. Beide Muskeln können, je nach den Insertionspunkten, in
Unterabtheilungen zerlegt werden, zwischen welchen die Grenzen indess nur
künstlich zu ziehen sind. Von beiden, auf dem Nasenrücken wie am Kinn,
gehen Fasern in der Mittellinie sehnig und selbst fleischig in einander über.
!) Cruveilhier vereinigt den Wangenmuskel nebst den von ihm aus in die Lippen
sich fortsetzenden Fasern unter dem Namen \Buceinato-labial, s
2) Ich betrachte diesen Namen als vacant, da er in den Handbüchern (Syn. Mm.
ineisivi Cowperi, Mm. depressores labü sup. und elevatores labü inf.) auf Muskeln bezogen
wird, die nichts anderes sind, als die vom Vestibulum der Mundhöhle aus entblössten Ur-
sprünge der Mm. nasalis und mentalis.
Physiolo-
gische Be-
merkungen
Y- Dritte
Schichte.
152 Buceinator.
I. Seitliche Muskeln.
M. buceinator B N).
I. Seitliche
Muskeln.
Buceinator. und
Die Schleimhaut der Wangen ist an der äusseren Fläche des Ober-
Ansicht des Schlundes von der hinteren;
des Unterkiefers von der inneren Fläche;
die hintere Wand und der Boden der
Mundhöhle seit- und aufwärts vom Un-
terkiefer abgezogen. h Spitze des gros-
sen Zungenbeinhorns. 1 Epiglottis dicht
über dem Kelilkopfe abgeschnitten. Stnh
M. sternohyoideus an der Insertion ab-
geschnitten. 2 Hintere Wand des Schlun-
des. 3. Boden der Mundhöhle, von aussen.
Cph! Cph? Constrietor pharyng. sup.
und med. Stph M. stylopharyng. SgM.
styloglossus. Bm, Mh, M, biventer mand.
und mylohyoid. an der Insertion abge-
schnitten MM. masseter. T M. tem-
poralis. Pe M. pterygoid. ext. unterer
Kopf. Pi, Pi, M. pterygoid. int. Ur-
sprung und Insertion.
\) Portion buccale du muscle buceinato-labial Cruv.
2) Lig. iniermazillare.
Unterkiefers dicht am Alvelarrande angewachsen:und erstreckt sich
Fig. 70.
von dieser Anheftungsstelle über den
Kieferrand und einen Theil der Zahn-
krone hinauf oder hinab, um das Zahn-
fleisch zu bilden. Zwischen beiden Kie-
fern setzt sie sich längs den Muskeln,
die die innere Fläche des Unterkiefer-
astes bedecken (Mm. pterygoidei und
temporalis), in die Schleimhaut der
hinteren Wand der Mundhöhle oder
des Schlundkopfes fort. Hier, an der
Umbeugungsstelle von der seitlichen
auf die hintere Wand der Mundhöhle,
ist der Schleimhaut ein Band einge-
webt, Lig. plerygomasiliare 2), wel-
ches eylindrisch am Hamulus pterygoi-
deus entsteht und indem es sich ab-
wärts ausbreitet, an der Linea mylo-
hyoidea zwischen der Insertion des
M. temporalis und dem hintersten Back-
zahn seine Anheftung findet (Fig. 70).
Der M. buccinator entspringt mit
Fasern, die im Allgemeinen horizontal
und vor- oder medianwärts, vom Ober-
kiefer zugleich abwärts, vom Unterkie-
fer aufwärts gerichtet sind, dicht über
der äusseren Fläche der Mundhöhlen-
schleimhaut von der Gegend der hin-
teren Backzähne beider Kiefer und vom
Lig. pterygomaxillare, über welches
hinweg einzelne Fasern in den Con-
strietor pharyngis (Cph!) übergehen.
Sein Ursprung beschreibt eine hufeisen-
förmige Linie; dieselbe beginnt vor
dem vorletzten Backzahn des Oberkie-
fers, geht zuerst gerade rückwärts und
an der Tuberosität des Oberkiefers
dicht vor und unter dem Rande des
Gaumenflügels vorbei, dann auf das
Lig. pterygomaxillare über und an die-
Backen- oder Trompetermuskel,
E
Sphincter oris. 153
sem zum Unterkiefer herab; am Unterkiefer wendet sie sich auf der Crista
buceinatoria (Knl. $S. 193) wieder nach vorn, und endet, ziemlich genau un-
ter dem Anfange, am vorletzten Backzahn. An der Tuberosität desOberkie-
fers ist der Ursprung, so weit er vom M. pterygoid. int. bedeckt wird, seh-
nig; in dem Winkel hinter dem letzten Unterkieferbackzahn, zwischen der
Linea mylohyoidea und Crista buceinatoria, wo der Ursprung des Buceinator
und die Insertion des Lig. pterygomaxillare auseinanderweichen, findet sich
beständig ein ansehnliches Packet Schleimdrüsen.
Sogleich vom Ursprunge an verflechten sich die Bündel, den Ausfüh-
rungsgang der Parotis (Fig. 69.1) zwischen sich fassend, netzförmig mit ein-
ander unter spitzen Winkeln, wodurch zuletzt die vom Unterkiefer stammen-
den Fasern theilweise dem oberen Rande, die vom Öberkiefer stammenden
Fasern ebenso dem unteren Rande-des Muskels sich rähern und der Muskel
im Ganzen an Höhe einbüsst, an Mächtigkeit zunimmt. Einige dünne Fa-
sern enden in der Schleimhaut des Mundwinkels; eine Anzahl oberflächlicher,
schräg abwärts geneigter Bündel inserirt sich mit dünnen platten Sehnen
am Alveolarrande des Unterkiefers vor dem Ursprunge der aufsteigenden
Bündel, längs den vorderen Backzähnen; die übrigen setzen sich, wie so-
gleich angegeben werden soll, in die Ober- und Unterlippe fort.
Il. Mediane Muskeln.
1. Sphineter oris SpÄ!).
Der M. sphineter oris (Fig. 71) besteht aus den Fasern, welche die beiden
Mm. buceinatores einander in den Lippen entgegenschicken. Während die Fa-
sern von beiden Seiten her in der Mittellinie zusammenfliessen, findet zu-
gleich, wie sich schon aus der Beschreibung des M. buccinator ergiebt, ein
Austausch derselben in der Richtung von oben nach unten Statt, so dass die
Querfasern der Oberlippe zum grossen Theil vom Unterkiefer stammen und
umgekehrt. Ein straffes Gerüst von Bindegewebsfäden, welches in der Dicke
der Lippen von der Cutis zur Schleimhaut gespannt ist, erhält die Bündel
in der Ordnung, wie sie vom Mundwinkel ausstrahlen, zwischen dem freien
und angewachsenen Rand der Lippe ausgebreitet; doch ist die Mächtigkeit
der Lage nicht ganz gleichmässig, sondern dem freien Rande zunächst, so
weit die Röthe der Lippe reicht, ist sie verstärkt und mitunter wie durch einen
Umschlag nach aussen verdoppelt?).
Die Bündel, welehe sich von den oberflächlichen Gesichtsmuskeln, na-
mentlich vom M. zygomaticus, quadratus labii sup., caninus und quadra-
1) M. sphincter s. consirictor labiorum. Constrictor prolabü sup. et inf. Merkel (An-
thropophonik. Lpz. 1856. p. 254). M. orbieularis oris. Portion labiale du muscle buceinato-
labial. Cruv.
2) Bichat, Meckel, Weber-Hildebrandt, Theile u. A. theilen demnach den
Sphincter in eine innere, dem Rande nächste Schichte (pars marginalis Arn.) und eine
äussere; die innere Schichte enthält nach Bichat die vom Buceinator, die äussere die
von den oberflächlichen Gesichtsmuskeln stammenden Fasern. Ich kann dies so wenig
bestätigen, wie die Behauptung Cruveilhier’s, dass die Fasern des Buccinator in der
äusseren Schichte der Ober- und Unterlippe einander nur durchkreuzen, um sich jenseits
der Mittellinie am Kieferknochen anzusetzen.
II. Mediane
Muskeln.
1. Sphineter
oris,
2:
Iueisivi
lab. sup.
Lab. inf.
154 Ineisivi.
tus menti dem Buccinator beimischen und mit ihm in den Sphincter eintre-
ten, liegen am Mundwinkel oberflächlich, verlieren sich aber zwischen den
übrigen Fasern).
Die in der Oberlippe dem oberen Rande zunächst gelegenen Bündel
des Sphincter zeichnen sich vor den anderen dadurch aus, dass sie sich
nicht continuirlich über die
Medianlinie fortsetzen, son-
dern von beiden Seiten an
den Rand des Knorpels der
Nasenscheidewand heraufge-
hen. Sie setzen so den un-
paaren M.nasalis labü sup. ?)
(Fig. 69) zusammen. Frei-
lich kann man auch, und
physiologisch vielleicht rich-
tiger, ihren Ursprung auf
die Nasenscheidewand setzen
und sie den Muskeln beizäh-
len, welche, wie die Ineisivi,
die Mundwinkel medianwärts
führen.
2. Mm. incisivi‘).
Der M. ineisivus labiüi
Wange und Lippe nebst dem Nasenflügel von innen sup. entspringt dieht über dem
nach Entfernung der Schleimhaut; die Muskeln sämmt- Ri ande Fee
lich von ihren Knochenursprüngen abgetrennt. Z En 7
M. zygomat. RM. risorius. Tr M. trigangularis. erstenSchneide- und Eekzahn
Als’ Qls' Qls'" Caput. angul., infraorbit. u. zygo- mit einer Reihe schmaler,
mat. des M. quadr. labii sup. €’ M. caninus. @m . R
»M. quadr. menti;. «T1s, Il$ M, ineie, labii sup. und Platter, Zacken 'dıe, an Ur-
inf. sprunge schräg aufsteigend,
sich im flachen Bogen an
der hinteren Fläche des Sphineter lateralwärts wenden, um sich in der
Nähe des Mundwinkels oder noch früher in dem Sphincter zu verlieren. Die
der Mittellinie zunächst entspringende Zacke nimmt zuweilen Fasern von
dem an den Oberkiefer angewachsenen Theil des Nasenflügels auf (Fig. 72).
Der M. ineisivus labü inferiorist) entspringt meist einfach am Al-
veolarrande des Unterkiefers unter dem Eekzahn, geht am unteren Rande
') Krause und M, J. Weber unterscheiden eine äussere, oberflächliehe und
innere, tiefe Lage des Sphineter und H. Meyer leitet die in diesem Sinne innere
Lage, M sphineter oris int., vom Buceinator, die äussere, M. sphineler oris ext, von den
oberflächlichen Gesichtsmuskeln ab.
?) M. depressor septi mobilis narium. M. depressor apieis naris.
») Hm. adductores anguli oris Theile. Mm. accessores orbieulares Sharpey. Mm.
protractores anguli oris Merkel.
') M. productor labü infer. Santorini (Observ. anat. Taf, I. s). M. accessor buceina-
toris Courcelles (Taf. III. N).
Nasalis. 155
und dann an der vorderen Fläche des Sphineter seit- und aufwärts und ver-
schmilzt 'mit ihm in der Nähe des Mundwinkels (Fig. 72).
Fig. 72.
MN
BEN
M In l
U
LADEN TU,
i M ) h
IE I
Gesicht, fast Profil. Augenhöhle entleert, M. orbicularis oculi entfernt. Die oberllächliche
Portion des M. masseter (M) am Ursprunge und der Insertion abgeschnitten. N tiefe
Portion desselben Muskels. 2” Ef“ M. frontalis. Z M. zygomaticus Ursprung. Q/s
als" Qls“ am Ursprunge abgeschnittene Köpfe des M. quadrat. labii sup. CC“ M. ca-
ninus, Ursprung und Insertion, Qm M. quadr. menti, Ursprung. BM. buccinator. 1 Durch-
sehnittner Ausführungsgang der Parotis Sph Sphineter oris. SphYy Durchschnittsstelle
des Sphincter der Oberlippe, die rechte Hälfte nach unten umgeschlagen. N’ M, nasalis
der linken Seite. Me‘ M. mentalis der linken Seite,
3. M. nasalis N).
Zwischen den Bündeln des M. ineisivus, zum Theil mit ihnen, und in
gleicher Ausdehnung entspringen Muskelfasern, welche in der aufsteigenden
») Die Handbücher unterscheiden einen Depressor alae nasi (M. myrtiformis Gasser,
M. dilatator pinnae Santor. M. dilatator narium An. M. lateralis nasi Hyrtl.. M. fixa-
tor labii sup Merk. Pinnal radie Cruv.) und einen Compressor s. briangularis nasi (M.
attrahens s. constrietor alae nasi Cowper. M. compressor narium may). H. Meyer. Pinnal
transverse Cruv.). Jener ist die mediale, dieser die laterale Portion unseres M. nasalis.
Santorini versteht unter M, transv. nasi die Compressores beider Seiten zu Einem Muskel
zusammengezogen. M. J. Weber's M. compressor nasi, der vom Mundwinkel zum Nasen-
winkel verläuft, ist der Nasenursprung des M. caninus. Die Nasenscheidewandinsertion des
M. nasalis ist H. Meyer’s M. depressor septi mobilis.
5}
7
Nasalis.
4. Mentalis.
156 Mentalıs.
Richtung verharren und mehr oder minder deutlich in eine mediale und la-
terale Portion getheilt, an der Nase enden. Die Bündel der medialen Portion
(Fig.72 N“) welche die breitere ist, befestigen sich ringsum an das hintere Ende
des Knorpels der Nasenscheidewand, und an den unteren und Seitenrand
des Nasenflügels und verflechten sich an ihrer Insertion mit den Fasern des
M. quadr.labiisup. Die laterale Portion (Fig.72 N“) geht zum Theil zwischen
den Bündeln des M. quadr. labii sup., zum Theil hinter ihnen her zum Rücken
des knorpeligen Theiles der Nase. Auf demselben verbindet sie sich mit
den Fasern des gleichnamigen Muskels der anderen Seite zu einer dünnen
Platte, welche an die knorpelige Unterlage verschiebbar, dagegen straff an
die Haut der Nasenspitze angewachsen ist. Einige der obersten Bündel
setzen sich ohne Unterbrechung in die Nasenzacke des M. frontalis ihrer
Seite fort, der auf diese Weise Fasern von der Ursprungsstelle des Ineisivus
bezieht.
Die Ausbildung der lateralen Portion desM. nasalis ist verschieden, je
nachdem der Nasenursprung des M. caninus mehr oder minder entwickelt
ist und mehr oder minder weit hinabreicht. Reicht er weit hinab, so wird
er vom oberen Theile des M. nasalis bedeckt. Mit ihren einander entspre-
chenden Rändern sind beide Muskeln so genau verbunden, dass man häufig
Bündel, welche auf dem Nasenrücken einfach entspringen, abwärts sich spal-
ten sieht, um einen Theil ihrer Fasern dem M. caninus zuzuführen und mit
einem anderen Theile sich den Ursprüngen des M. nasalis beizugesellen.
Auf diese Weise geschieht es, dass Muskelbündel vom Stirnfortsatze des
Oberkiefers zum Alveolarrande desselben Knochens verlaufen (Fig. 72 (”),
eine Thatsache, die, so unbegreiflich sie erscheint, doch keineswegs zu den
Seltenheiten gehört )).
Var. Im Anschluss an den oberen Rand der lateralen Portion des M. na-
salis und gedeckt vom Nasenursprunge desM. caninus kommen dünne Muskellagen
auf dem unteren Theile der knöchernen Nase vor, deren Fasern vom Rande der
Apertura pyriformis und weiter hinauf vom Stirnfortsatze des Oberkiefers entsprin-
gen, sich über den Nasenrücken fücherförmig ausbreiten und an die Beinhaut des-
selben befestigen, nach Theile auch sich mit entsprechenden Muskeln der anderen
Seite vereinigen ?).
4. M. mentalis m. Me°).
Entspringt dicht unter dem M. incisivus labii inf. und begiebt sich, in-
. dem er sich zugleich im verticalen und transversalen Durchmesser ausbrei-
') Santorini führt zwei solche Muskeln auf, einen M, lateralis nasi (Observ. anat.
$. 13) und einen M. rhomboideus (ebendaselbst $. 25). Dem ersteren, welcher mit einem
Theile seines medialen Randes über den Rand der Apertura pyriformis vorspringt, schreibt
er die Fähigkeit zu, die Schleimhaut der Nase, an deren äusserer Fläche er befestigt sei,
auswärts zu ziehen und so die Nasenhöhle zu erweitern. Der M. rhomboideus Sant. (M.
anomalus Albin 8.167. M. anomalus mazillae sup. Meck. und Sömmerring) liegt weiter
seitwärts mit oberem breiten, unterem spitzen Ende. Ich finde, wie Theile, die Form
dieser anomalen Bündel sehr wechselnd, meist schlank, cylindrischh Nach Theile sind
sie immer, wenn auch zuweilen sehr rudimentär, vorhanden.
*) Die tieferen, dem häutigknorpeligen Theile der Nase angehörigen Muskeln werden
in der Eingeweidelehre beschrieben.
°) M. Ievator menti aut. M. levator labü inf. s. ineisivus inf. M. J. Weber. Muscle
de la houppe du menton Cruv,
Mentalıs. 157
tet, abwärts gegen das Kinn. Von oben gesehen (Fig. 73), entfalten sich
die Fasern fächerförmig, lateral- und medianwärts; im Profil sieht man sie
abwärts geneigt, um so steiler, je näher dem unteren Rande des Muskels
(Fig. 72).
Fig. 73.
Frontaldurchschnitt der Nasenhöhle und des Oberkiefers hinter dem harten Gaumen. Die
Unterlippe rechts vor dem Eckzahn durchschnitten und abwärts umgelegt, die Schleimhaut
der Wange und Unterlippe entfernt. 7 Durchschnitt des Schläfenbogens. p m Lig pterygo-
maxillare. Pe M. pterygoid. ext.
Zwischen den Ursprüngen beider Mm. mentales liegt auf der Mitte der .
äusseren Fläche des Unterkiefers, fest mit der Beinhaut verbunden, ein halb-
kugelförmiges Polster von fettreichem Bindegewebe !). Ueber diesem Pol-
ster treten die Muskeln beider Seiten durch Vermittelung eines schmalen,
transversalfaserigen Sehnenstreifens zusammen (Fig. 74 a.f.8.). Derselbe ist
unten mehr oder minder fest mit der Haut des Kinnes verbunden, und er-
zeugt, wenn er fest mit der Haut verbunden ist, die Furche oder das Grübchen
des Kinnes. Von den unteren Bündeln des M. mentalis setzen sich einige, wie
bereits erwähnt, in den M. subeutaneus colli der entgegengesetzten Seite
fort (Fig. 74).
Eine ähnliche, räthselhafte Muskelfaserschichte, wie neben dem M. na-
salis, findet sich auch lateralwärts vom M. mentalis: eine dünne Schichte
von Fasern, welche in der Fortsetzung des M. mentalis bis zur Gegend des
For. mentale sehnig entspringen, aber zugleich am Unterkieferrande über
2) Ligament jaune de la houppe du menton Cruv.
Faseie.
Physiolo-
gische Be
merkungen.
158 Fascia buccopharyngea.
dem Ursprung des M. quadratus menti wieder sehnig sich inseriren.
(Bie.72%) 1):
Eine eigentliche Fascie besitzt von den Muskeln des Gesichtes nur
der Buceinator. Es ist eine dem Muskel sehr fest adhärirende Binde-
gewebslage, welche am Mundwinkel sich in die Fascia superficia-
Fig. 74. lis verliert, nach hinten aber über
das Lig. pterygomaxillare hinweg in
die Fascie der Rückwand des Schlun-
des sich fortsetzt und deshalb den
Namen einer Fascia buecopharyn-
gea 2) führt. An ihrer äusseren Flä-
che wird sie von dem Fett überzo-
gen, welches die oberflächliche Lage
der Gesichtsmuskeln von der tiefen
scheidet und den Gefäss- und Ner-
venausbreitungen zum Lager dient;
ein besonders starker, durch eine
eigenthümliche Bindegewebshülle
Gesicht von vorn, die Unterlippe vor dem reinlich abgegrenzter Fettklumpen,
rechten Eckzahn vertical gespalten nndnach der sich auch bei allgemeiner Ab-
Entfernung der Schleimhaut, gegen die linke
Seite zurückgeschlagen. Mj Durchschnitts- magerung erhält, füllt den Zwischen-
flächen des rechten M, mentalis. Sph Sphinc-- raum zwischen der Fascia buccopha-
ter oris, von innen. @m Ursprung des M. „unoea und den Kiefermuskeln aus.
quadrat. menti. Scc, Scc’ Fasern des lin- Bw 2 * , N
ken und rechten M. subeutaneus colli, wel- Mit ihrer inneren Fläche ist diese
che zur Ursprungsstelle des M. mentalis der Fascie durch Vermittelung der Bin-
entgegengesetzten Seite gelangen. degewebssepta des M. buecimator
an die Mundschleimhaut geheftet. Die Anheftung ist besonders straff am
hinteren Theile der Wange; sie lockert sich in der Nähe des Mundwin-
kels, wo die Lippendrüsen sich zwischen Muskel und Schleimhaut drängen.
Präparirt man den Sphincter oris von der Schleimhaut der Lippen ab, so
hat es den Anschein, als ob die Drüsen in Zwischenräumen der Muskelbündel
enthalten seien. Ein Durchschnitt der Lippe widerlegt dies. Die Drüsen
bilden eine besondere Schichte zwischen der Muskelschichte der Lippen und
der Schleimhaut.
Die Wirkung der meisten Gesichtsmuskeln ergiebt sich aus der Richtung ihrer
Fasern von selbst; um so räthselhafter ist die Beziehung, welche einzelne Gruppen
derselben zu den besonderen Gemüthsbewegungen haben. Den Ausdruck der Hei-
terkeit, des Lächelns und Lachens scheinen, nebst den Augenliedmuskeln, die Mus-
keln der oberflächlichen Schichte, Zygomaticus, Risorius, Triangularis zu vermitteln,
und es scheint dabei der M. triangularis seinen festen Punkt am Mundwinkel zu
haben und die Haut des Kinnes in die Quere glatt zu ziehen. Zugleich entsteht
die Wangenfalte, welche vom unteren Theil des Nasenflügels aus einige Linien ne-
ben der Lippencommissur am Mundwinkel herabläuft. Im höchsten Grade dieses
Affectes wird die Oberlippe so sehr auf Kosten ikrer Höhe in die Breite gezogen,
dass sie zur Bedeckung der Zähne nicht mehr hinreicht. Ein ganz entgegengesetz-
tes Verhalten zeigen die Buccinatores mit ihrem unpaaren Mittelstücke, dem Sphin-
ceter oris. Da nämlich diese Muskeln in ihrem Zusammenhange eine Schichte dar
!) M. anomalus menti Theile.
?) F. buccalis s. buceinatoria,
Masseter. 159
stellen, deren Fasern doppelt bogenförmig, in der Unterlippe aufwärts convex, in der
Oberlippe abwärts convex und in beiden Lippen zugleich vorwärts convex verlaufen,
so müssen sie, je kräftiger sie sich zusammenziehn, um so mehr die Lippen gegen
einander und gegen die Zähne pressen; fehlen die Zihne oder werden die Kiefer
von einander entfernt, so ziehen sie in dem Maasse, als sich der zwischen den bei-
den Ursprüngen vorwärts convexe Bogen abzuflachen strebt, den rothen Lippen-
rand einwärts. Zum Austreiben der Luft aus der Mundhöhle beim Blasen u. s. w.
trägt der M. buceinator nichts bei, denn die Wange erhält sich, so lange die Luft
ausströmt, eleichförmig ausgedehnt, nicht einmal auf die Spannung der in der Mund-
höhle enthaltenen Luft ist der Buceinator von Einfluss; vielmehr würde die Con-
traction dieses Muskels einer Aufblähung der Wange, wie sie beim Blasen statt
findet, geradezu entgegen sein.
Das Spitzen des Mundes zum Pfeifen, Küssen, zum Aussprechen der Vocale
O und U, ist zunächst nicht Sache des M. sphincter oris, sondern der Mm. ineisivi
der Ober- und Unterlippe und des M. nasalis labii sup., wobei unterstützend der
M. caninus und die am Rande des Unterkieters entspringenden Fasern des M.
triangularis hinzutreten mögen. Der Sphincter hat aber dabei die Aufgabe, die
Mundspalte eng oder geschlossen zu erhalten und den Lippenfalten eine gewisse
Tension zu ertheilen; die Fasern des Buceinator werden passiv vorwärts gezogen.
Verhält sich auch der Sphincter bei der Zusammenziehung der Incisivi passiv, so
werden die schlaffen Lippenränder faltig nach aussen umgeschlagen.
Von der Wirkung des M. mentalis war schon oben die Rede; der M. nasalis
ist in allen seinen Theilen Herabzieher der Nase und hält die Scheidewand und
den unteren Theil des Nasenflügels fest, wenn der M. frontalis und quadr. labii
sup. den Nasenflügel aufheben. Gleichzeitig wirkend sind daher beide Antagonisten,
Erweiterer des Nasenlochs.
Die bereits bei dem M. subcutaneus colli aufgeworfene Frage, ob die die Pa-
rotis deckende Portion desselben zur Entleerung dieser Drüse mitwirke, muss mit
Beziehung auf die quer über die Parotis verlaufenden Fasern des M. risorius und
triangularis wiederholt werden.
d. Kiefermuskeln.
Es sind vier Paare, zwei an der äusseren und zwei an der inneren Seite
der Kiefer, die beiden äusseren und der Eine der inneren mit Fasern von
absteigendem Verlauf, also hauptsächlich zum Heben des Unterkiefers be-
stimmt, der andere innere Muskel mit wesentlich horizontalem Verlauf der
Fasern für die Vor- und Seitwärtsbewegung des Unterkiefers angelegt.
Die Nerven stammen sämmtlich vom dritten Aste des N. trigeminus.
1. M. masseter Mn».
Vierseitig, platt, vom Jochbogen zur äusseren Fläche des Unterkiefer-
Astes; besteht aus zwei Schichten, welche hinten dadurch deutlich geschie-
den sind, dass die äussere Schichte einen Theil der inneren unbedeckt lässt,
welche sich aber vorn gewöhnlich zu einem wulstigen abgerundeten Rande
verbinden, so dass eine Tasche entsteht, deren Eingang rückwärts gerichtet,
deren äussere Wand im sagittalen Durchmesser kürzer ist als die innere.
Im verticalen Durchmesser ist die äussere Wand länger. Sie entspringt mit
einer Sehne, die sich mit einzelnen Spitzen, wie geflammt, auf der Aussen-
D) M. mandibularis ext. Meck. M. manducatorius Langenb. Kaumuskel, Kiefermuskel.
d. Kiefer-
muskeln.
1. Masseter.
160 Masseter.
fläche des Muskels hinab erstreckt, vom unteren Rande des Jochbogens, so
weit derselbe vom Proc. zygomatico-orbitalis des Oberkieferbeins und vom
Jochbein gebildet wird. Ihre Fasern gehen nahe zu parallel, jedoch in ein-
zelne, vom Unterkieferrande aufwärts ragende, dünne«Sehnenstreifen spitz-
winkelig convergirend, rückwärts geneigt herab und befestigen sich, aussen
fleischig, innen sehnig, an dem Rande und eine Strecke weit aufwärts an
der äusseren Fläche des Unterkieferwinkels (Fig.75 M). Die Insertion erhebt
Fig. 75.
N)
I; /
n
u, /
Gesicht, fast Profil, die Augenhöhle entleert, der M. orbieularis oculi (0) nebst dem M.
frontalis (Ef) zurückgeschlagen (vgl. Fig. 68). ZZ Ursprung und Insertion des M. zy-
gomat,. R M. risorius, Insertion. ’r Tr Ursprung und Insertion des M. triangularis. @ 1",
Qls‘, Caput. infraorbit. und zygomaticum desM. quadrat. labii sup. am Ursprunge abge-
schnitten. Q@m M. quadrat. menti. B M. buceinator. 1 Ausführungsgang der Parotis,
am Eintritt in den Muskel abgeschnitten. $p% Sphincter ori. N M. nasalis.
Sce M. subeut. colli.
sich am hinteren Rande des Astes bis zum Niveau des Alveolarrandes des
Körpers, am unteren Rande dringt sie bis etwa hinter den dritten Back-
zahn vor.
Die innere Schichte des Masseter (Fig. 75 M‘) nimmt mit ihrem Ur-
sprunge die innere Fläche des vorderen Theiles und den ganzen unteren
Rand des Jochbogens, bis zum Tubere. articulare ein. Ihre Fasern gehen
steiler abwärts; sie inseriren sich am Unterkieferaste auf einer Fläche,
Temporalis. 161
welche von der Insertion der äusseren Schichte vorwärts bis in die Nähe des
Randes, aufwärts bis an die Basis der Proc. coronoid. und condyloid, reicht.
Fio. 76. Die Bündel sind um so
5 ot kürzer, je näher dem
hinteren Rande des
AR Muskels; das hinter-
& ste ist vom übrigen
Muskel durch eine
Spalte abgesondert,
in welcher der N.
massetericus aus der
Unterschläfen grube
„ hervortritt.
Zwischen beiden
Schichten des Muskels
N, kommt nach Monro
, (Icon. burs. corp. hum.
Taf. II, Fig. 1. 2.) ein
einfacher oder doppel-
ter Schleimbeutel (Bur-
sa masseterica Arn.)
vor. Hyrtl(topograph.
Anat. Bd. I, S. 299)
N Me’ bemerkte Einmal einen
\ Schleimbeutel vonForm
und Grösse einer quer-
liegenden Bohne zwi-
schen dem Masseter und
der Kapsel des Kiefer-
gelenkes.
Gesicht fast Profil. Augenhöhle entleert, M. orbieularis oculi ent- 2 M.temporalis T'!).
fernt. Die oberflächliche Portion des M. masseter (M) am Ur-
sprunge und der Insertion abgeschnitten. M’ tiefe Portion des- "EB
selben Muskels. #f' Ef'' M. frontalis. ZM. zygomaticus Ursprung. Von der halbkreis
@Qls' Als’! Qls''! am Ursprunge abgeschnittene Köpfe des M. qua- förmigen Begrenzung
drat. labii sup. CC! M. caninus, Ursprung und Insertion. ‚Qm des Planum tempora-
M. quadr. menti, Ursprung. B M. buceinator. 1 Durchschnitte- &
ner Ausführungsgang der Parotis. Sph Spincter oris. Spht le spannt sich zum
Durchschnittsstelle des Sphineter der Oberlippe, die rechte Hälfte Jochbogen herab eine
AI TU Tut 4 N .
nach unten umgeschlagen. N'N N' Mm. nasales. Me M. men- straffe Fascie, Fascia
talis der linken Seite. J/s, Jli M. incis. lab. sup. u. inf. i
tempor.alis, welche
aus der Beinhaut des Schädels sehr zart hervorgeht, abwärts allmälig mäch-
tiger wird und in der Nähe der Insertion am Jochbogen in zwei, eine Fett-
schichte einschliessende, derbe Blätter auseinander gewichen ist, deren Ab-
stand von einander der Dicke des Jochbogens entspricht (Fig. 77 a. f. S.).
Die Fossa temporalis stellt mit dieser Fascie eine platte, von den Seiten
comprimirte Tasche dar mit unterem Eingange und mit allmälig gegen
den geschlossenen, kreisförmigen Rand verjüngtem Lumen. Von der knö-
) M. crotaphites. Schlaf- oder Schläfenmuskel.
Heule, Anatomie. Bd. I. Abth. 3. 11
2. Tempo
ralis.
162 Temporalis.
chernen sowohl, wie von der fibrösen Wand dieser Tasche nehmen die Fa-
sern des M. temporalis fleischig ihren Ursprung. Die Knochenfläche, die
den Fasern zum Ursprunge dient, ist nach unten begrenzt durch die Crista
infratemporalis, durch eine von dieser Crista hinter dem oberen Rande der
Fissura orbitalis inf. hinziehende
Kante und eine von da aus gegen
den Proc. zygomaticus des Stirnbei-
nes gezogene Linie, so dass der
grösste Theil der lateralen Wand
der Augenhöhle und namentlich das
Jochbein von Muskelansätzen ver-
schont bleibt und nur von Fett be-
deckt wird. Alle Fasern convergi-
ren gegen die untere Oeffnung der
Grube; es verlaufen also die mitt-
leren vertical, die vorderen steil
rückwärts, die hintersten fast horizon-
tal vorwärts. Zuweilen scheidet ein
lockeres und fetthaltiges Gewebe die
oberflächliche, an der Fascie, und
die tiefe, am Knochen entspringende
Lage. Die Sehne entsteht in der
Dicke des Muskels in der halben
Höhe zwischen dem obern Rande der
Schläfengrube und dem Jochbogen
und nähert sich, wie sie abwärts an
Mächtigkeit zunimmt, der äusseren
Oberfläche des Muskels; aus der un-
teren Oeffnung der Tasche hervor-
tretend, empfängt sie noch eine Lage
platter Bündel von der inneren
Oberfläche des mittleren Drittels des
Fig: 77.
I
Q
DS
II
Frontalschnitt des Kopfes hinter den Jochbogens und der Ursprungssehne
Gaumenflügeln. Hintere Schnittfläche. des Masseter, die nicht immer leicht
A Arcus zygomat. Et M. epieran. temp. : - 2
M, M' oberflächliche und tiefe Portion von der tiefen Portion dieses Mus-
des Masseter. Pe, Pe‘ unterer und kels zu trennen und immer nur durch
oberer Kopf des M. pteryg. ext. Pi eine sehr feine Bindegewebslage von
M. pteryg. int. 1 Parotis. . . e"
RE ER demselben geschieden sind ; gewöhn-
lich zeichnen sich auch an der hinteren Fläche einige stärkere, eylindrische,
vom Tuberceulum spinosum oder von anderen Rauhigkeiten der Crista tem-
poralis stammende Bündel aus.
Die Insertionssehne umfasst den Proc. coronoideus des Unterkiefers der-
gestalt, dass die an der Faseie und am Jochbogen entspringenden Fasern an
die Aussenfläche, die aus der vorderen Rinne der Fossa temporalis entsprin-
genden Fasern an den vorderen Rand dieses Fortsatzes, alle übrigen aber,
die am Tubere. spinosum entspringenden Fasern zuweilen als besondere
Zacke, an die innere Fläche des Proc. coronoideus sich befestigen.
Pterygoid, ext. und int. 163
3. MM. pterygoideus ext. Pe N).
Entspringt am Gaumenflügel und an der Schädelbasis mit zwei Köpfen,
welche durch eine engere oder weitere, von venenreichem Bindegewebe er-
füllte Spalte getrennt sind.
Der Gaumenflügelkopf, der untere und stärkere (Fig. 77 Pe), nimmt mit
seinem Ursprunge die ganze laterale, oft grubenartig vertiefte Fläche der late-
ralen Platte des Gaumenflügels und die Grube ein, die sich hinter der Umbie-
gung des hinteren Randes der Fissura sphenomaxillaris in den oberen Rand
der Fissura orbital. inf. findet. Der starke Muskel, dessen Durchschnitt der Ur-
sprungsfläche ähnlich, also elliptisch und mit dem längsten Durchmesser vertical
gestellt ist, zieht sich gegen die Insertion etwas zusammen und befestigt sich
mit rück- und etwas seitwärts und vom unteren Rande des Ursprunges zu-
gleich aufwärts laufenden Fasern an der Vorderfläche des Proc. condyloideus
des Unterkiefers, in der Grube, welche unterhalb der Gelenkfläche und me-
dianwärts neben der in den Proc. coronoid. übergehenden Kante liegt.
Der von der Schädelbasis stammende Kopf, der obere und schwächere
(Pe), ist platt, deprimirt. Er entspringt an der Crista infratemporalis so, dass
seine Fasern genau mit den tiefen Ursprüngen des M. temporalis zusammen-
stossen und oft dasselbe Fascikel sich in abwärts verlaufende Fasern zum
Proc. coronoideus und in rückwärts verlaufende zum Proc. condyloideus
spaltet. Die Insertionssehne fliesst theilweise mit der des unteren Kopfes
zusammen, theilweise webt sie sich der vorderen Wand der Kapsel und dem
vorderen Rande der Bandscheibe ein (Bdl. Fig. 42.). Die Richtung der Fa-
sern geht also fast genau rückwärts, bei geschlossenem Kiefer über das Tu-
berc. articulare; den Zwischenraum zwischen der oberen Fläche des Mus-
kels und dem Schädel füllen ebenfalls Venenplexus aus.
Var. Eine gesonderte Portion des unteren Kopfes geht zum Kapselbande des
Unterkiefergelenkes (Fäsebeck, Müll. Arch. 1842. S. 475).
4. M. pterygoideus int. Pi.
Entspringt mit zwei fleischigen Platten an den beiden einander zuge-
kehrten Wänden der Fossa pterygoidea und mit einer fibrösen Portion, wel-
che die unteren Ränder der beiden Muskelplatten verbindet, am unteren
Rande dieser Grube, ferner mittelst einer dünnen Sehne, lateralwärts vom
M. pteryg. ext., am Oberkieferbeine, längs der Naht, in welcher die Tubero-
sität desselben mit dem Gaumenflügel zusammengefügt ist. Alle Fasern ge-
hen parallel, schräg ab-, rück- und seitwärts; sie befestigen sich am Unter-
kieferwinkel genau in derselben Ausdehnung, wie der Masseter, und an der
inneren Fläche des Unterkiefers bis zum oberen Rande des Sulcus mylohyoi-
deus, also auch noch an der fibrösen Haut, die den Suleus mylohyoid. und
die in demselben gelegenen Gefäss- und Nervenzweige von innen her deckt.
DM. pteryg. min. Aeusserer oder kleiner Flügelmuskel. Hinterer oberer Kaumuskel-
2) M. pteryg. maj. Innerer oder grosser Flügelmuskel. Hinterer unterer Kaumuskel.
al
3, Pterye.
ext.
4. Pteryg.
int.
164 Fascia parotidea.
Oft geht ein dünner, stark mit Sehnenfasern durchzogener Muskelstreifen, den
man M. pterygoid. proprius nennen könnte, in grösserer oder geringerer Breite
von der Crista infratemporalis oder einem Theile derselben am lateralen Rande des
oberen Kopfes des M. pterygoid. ext. schräg herab, um sich an Zacken des hinte-
ren Randes der lateralen Platte des Proc. pterygoid. zu inseriren. Dieser Muskel,
der zwischen unbeweglich verbundenen Knochentheilen verläuft, kann keine andere
Wirkung haben, als den unteren Kopf des M. pterygoid. ext. zusammenzupressen.
Theile sah das Ligament, welches zwischen dem hinteren Rande der lateralen
Platte des Gaumenflügels und der Spina angularis verläuft, Lig. pterygopetrosum
Civin. (Knl. S.112), von Muskelfasern begleitet oder durch Muskelfasern ersetzt.
In einem von Gruber (Neue Anom.-$. 13) mitgetheilten Falle kommen aus der
Fossa pterygoidea Muskelfasern, welche sich an ein zwischen der Spina angularis
und dem Unterkieferwinkel ausgespanntes Band inseriren.
Faseie. Den grössten Theil der freien Oberfläche des M. masseter bedeckt die
Parotis. Diese Drüse ist zwischen zwei Blättern einer derben Fascie, Fascia
parotidea !), eingeschlossen; das untere Blatt ist zugleich Fascie des Masse-
ter und setzt sich, allerdings bedeutend schwächer, vom vorderen Rande
der Drüse aus über den vorderen Theil des Muskels und weiter in die Fett-
lage fort, die sich zwischen der oberen und mittleren Schichte der Gesichts-
muskeln ausbreitet.
In dem dünnen Bindegewebe, welches von innen her die Min. pterygoi-
dei bedeckt, zeichnen sich zwei platte fibröse Stränge aus, das Lig. acces-
sorium mediale des Kiefergelenkes und das Lig. stylomyloideum, welche be-
reits in der Bänderlehre (S. 57) beschrieben wurden.
Physiolo- Unter den Bewegungen, welche die Kiefermuskeln ausführen, ist die wesent-
gische Be- ]ichste diejenige, durch welche der herabgesenkte Unterkiefer gehoben, die untere
merkungen. P ° &n . 5 . .,. =
Zahnreihe gegen die obere angedrückt wird. Hierzu tragen gleichzeitig aufbeiden
Seiten der M.temporalis, masseter und pterygoideus int. bei; die in entgegengesetz-
ter Richtung transversal verschiebende Wirkung der Mm. pterygoidei intt. beider
Seiten hält sich in diesem Falle das Gleichgewicht; ebenso scheint der Zug nach
vorn, welchen die äussere Portion des M. masseter und der M. pterygoid. int. we-
gen des rückwärts absteigenden Verlaufes ihrer Fasern dem Unterkiefer nothwen-
dig ertheilen müssen, durch die innere Portion des M. masseter und die hinteren
Fasern des M. temporalis wieder aufgehoben zu werden. Ja, insofern beim Oeff-
nen des Mundes der Unterkiefer vom M. pterygoid. ext. auf das Tuberculum arti-
culare hervorgezogen wird (Bdl. S. 58), muss bei der Bewegung des Schliessens
der Einfluss der Fasern überwiegen, welche den Kopf des Unterkiefers in die Fossa
mandibularis zurückführen; die fast horizontal verlaufenden hinteren Fasern des
M. temporalis sind dazu sehr günstig angeordnet.
Den Kiefer seitwärts zu bewegen oder vielmehr ihn um den Einen Gelenkkopf
zu rotiren, dienen die vereinigten Mm. pterygoidei Einer Seite.
!) Fascia parotideo-masseterica, Fascia masseterine Cruv.
Schultermuskeln. 165
B. Muskeln der Extremitäten.
Il. Obere Extremität.
a. Muskeln der Schulter.
Die Muskulatur der Schulter bildet, vom Schultergürtel entspringend B. Muskeln
und am oberen Theile des Armbeines sich inserirend, zwei platte Massen, eine u
mit wesentlich verticalen, abwärts convergirenden Fasern, welche den Kopf olaeı.
des Armbeines um die sagittale Axe auf- und um die transversale Axe vor- & Schulter
und rückwärts bewegt; und eine mit wesentlich transversalen, lateralwärts
convergirenden Fasern, zur Rotation des Armibeines um die verticale Axe.
Die verticalfaserige Masse besteht aus einem einzigen Muskel, Deltoideus,
welcher, der Insertion des M. trapezius gegenüber, am vorragenden Theile
Fig. 78.
Verticalschnitt des Rumpfes mit dem Schulterblatte durch die höchste Wölbung der zweiten
Rippe. Tr M, trapezius. ZLd M. latiss. dorsi. Sa, Sa M. serrat. ant. Zs M. levator
scapulae. Ssp M. supraspinatus. Jsp M. infraspinat. Ss M. subscapularis.
166 Deltoideus.
des Schultergürtels entspringt und das Schultergelenk von aussen her kapsel-
artig bedeckt. Die transversalfaserige Masse nimmt die Aushöhlungen des
Schulterblattes ein und zerfällt wieder in zwei, in Lage und Wirkung ein-
ander entgegengesetzte Abtheilungen, eine vordere und hintere. Die vordere,
welche ein einziger Muskel, Subscapularis, repräsentirt, begiebt sich aus der
Fossa subscapularis zum Tub. minus des Armbeines; sie rollt den Arm
vorwärts; die hintere Masse besteht aus drei Muskeln, Supraspinatus, Infra-
spinat. und Teres minor, welche, der erstere aus der Fossa supraspinata, die
beiden letzteren aus der F. infraspinata, zum Tub. majus des Armbeines ver-
laufen; sie rollen den Arm rückwärts.
Der M. deltoideus liegt unmittelbar unter der Haut und besitzt nur bei be-
sonders ausgebildeter Muskulatur eine von der Fascia superficialis unterscheid-
bare, fibröse Fascie. Die Schulterblattmuskeln dagegen sind von deutlichen
Fascien bedeckt, welche hier vorläufig beschrieben werden müssen, weil sie
theilweise zum Ursprunge von Muskelfasern benutzt werden. Es sind drei Blät-
ter, eine Fascia supraspinata, infraspinata!) und subscapularıs, welche, straff
Fig. 79. über die gleichnamigen
Gruben und Muskeln (,S8sp,
Jsp und Ss Fig. 75) des
Schulterblattes ausge-
spannt, am oberen, me-
dialen und in der Nähe
des lateralen Randes des
Schulterblattes und an dem
oberen und unteren Rande
des Schulterkammes an-
gewachsen sind und die
Gruben des Schulterblat-
tes in flache, medianwärts
geöffnete Kapseln verwan-
deln. Medianwärts verlie-
ren sich sämmtliche Fas-
cien in das lockere, die
Kapsel des Schultergelen-
kes umhüllende Bindege-
webe.
a. Verticale Schulter-
blattmuskeln.
M. deltoideus D2).
Seine Fasern entsprin-
N gen continuirlich vom la-
« teralen Drittel des Schlüs-
Muskeln der Brust- und Schultergegend von vorn. Tr selbeines, vom Ei
M. trapezius. Scm M. sternocleidomastoid. LdM. Bande des Acromion,
latiss. dorsi. Sa M. serrat.ant. Oae M. obligq.abd,ext. yom unteren Rande des
!) F. suprascapularis Krause entspricht der F, supra- und infraspinata.
®) M. attollens humerum. Dreieckiger Armmuskel, Deltamuskel, Armheber.
&. Verticale-
Deltoideus.
Deltoideus. 167
Schulterkammes und von der Fascia infraspinata in der Nähe des me-
dialen Randes des Schulterblattes (Fig. 80) und steigen, die vorderen und
hinteren schräg lateral-abwärts, die mittleren im Bogen über den Arm-
Schultergegend von hinten, mit ausgelöstem und zurückgelestem Schlüsselbeine bei etwas
erhobenem Arme. Tr M. trapezius. Jsp M. infraspin. Tmj M. teres major. Al, Ab
M. ancon, long. und br. Bi M. brach. int. .
beinkopf erst lateral-, dann abwärts herab zu der Rauhigkeit des Armbeines,
in welche die Spina tuberceuli majoris endet (Knl. Fig. 204 d). Der
Ursprung am Schlüsselbeine ist kurzsehnig; von der an das Schlüsselbein
srenzenden Ecke des Acromion geht ein langer, die Aussenfläche des
Muskels deckender Sehnenstreifen aus. Mit einer platten, dünnen Sehne
entspringen gewöhnlich auch die hintersten Bündel vom Schulterkamme und
der Fascia infraspinata. Uebrigens entspringt die Masse vom Schulterkamme
theils unmittelbar, theils durch Vermittelung oberflächlicher und tiefer
sehniger Blätter; von diesen strahlen die Muskelfasern, unter spitzen Winkeln
divergirend, nach zwei Seiten aus; durch die Lücken, die sie zwischen sich
lassen, gelangen Bündel tieferer Schichten an die Oberfläche. Ein vorderer,
grösserer oder kleinerer Theil des Muskels, zuweilen bis einschliesslich zum
Acromialursprunge, verläuft mehr oder minder selbständig zur Spina tuber-
euli majoris, an die er sich mit einer besonders an der Aussenfläche weit
hinaufragenden Sehne neben dem M. pectoralis major und weiter hinab, oft
bis gegen die Mitte der Höhe des Armbeinkörpers anheftet. In der Nähe der
Insertion verwachsen beide Sehnen mit einander, und in starken Körpern
enden einzelne Bündel der vorderen Portion des Deltoideus auf der Sehne
des M. pectoralis major. Auch vom hinteren Rande des Muskels löst sich
zuweilen eine platte, auf der Fascia infraspinata entspringende Portion ab.
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
168 Deltoideus.
Die dreiseitige, abwärts zugespitzte Form erhält der Deltoideus dadurch,
dass Reihen von Fasern, welche am Schultergürtel neben einander geordnet
sind, sich am Arme in verticaler Richtung über einander befestigen, eben-
falls durch Vermittelung einer Sehne, welche die dem Knochen zugewandte
Fläche des Muskels bekleidet und parallele Scheidewände zwischen seine
Bündel serdet. Die massive Spitze der Sehne haftet an der erwähnten
Rauhigkeit des Armbeines; einzelne oberflächliche Stränge setzen sich in das
Lig. intermusculare laterale des Oberarmes und in den M. brachialis int. fort.
Der M. deltoideus grenzt mit dem vorderen Rande an den oberen Rand
des Pectoralis maj., von welchem er gewöhnlich erst in der Nähe des Schlüs-
selbeines durch eine schmale, aufwärts sich erweiternde Spalte geschieden ist,
auf die ich bei Beschreibung der Fascie zurückkomme (Fig.79). Der hintere
Rand des Deltoideus ist frei und verbirgt sich nur am oberen Ende unter
der Insertionssehne des unteren Theiles des M. cucullaris (Fig.80). Die innere
Fläche ist mit dem Lig. acromio - coracoid. straff verbunden, von dem Tub.
majus des Armbeines aber durch einen grossen Schleimbeutel !) geschieden.
Der Nerv, N. axillaris, verläuft im horizontalen Bogen um die hintere
Fläche des Armbeines herum nach vorn, zwischen dem Knochen und dem
Muskel, am unteren Ende des oberen Drittels der Höhe des letzteren.
Var. OÖefters entspringt von der Fascia infraspinata, mehr oder minder nahe
der unteren Spitze des Schulterblattes, ein besonderer schmaler Kopf, der sich an
den hinteren Rand der übrigen Muskelmasse anlegt. Ein ähnlicher Kopf kann
auch vom lateralen Rande des Schulterblattes, zwischen M. infraspinatus und teres
minor, seinen Ursprung nehmen (Albin). Mangel des Clavieulartheiles des Deltoi-
deus erwähnt Otto (path. Anat. 1830. S. 249), eine Ausdehnung desselben bis zuın
Sternalende des Schlüsselbeines Seiler (Theile S. 230).
Duchenne’s Versuche ($. 313) bestätigen die Ansicht, die man sich allgemein
nach dem Verlaufe der Fasern des M. deltoideus von ihrer Wirkung gebildet hat,
dass sie nämlich dazu dienen, den Arm seitwärts auszustrecken; die mittleren ge-
rade seitwärts, die vorderen und hinteren zugleich je vor- und rückwärts. Jene
Versuche widerlegen die Meinung Bichat’s, dass die vorderen und hinteren Bün-
del des Deltoideus in Gemeinschaft miteinander den erhobenen Arm herabziehen, eine
Ansicht, die übrigens schon durch die Erschlaffung dieser Bündel, die man an der
Leiche beim Erheben des Armes beobachtet, widerlegt wird. Indess bemerkt Du-
chenne, dass die hintere Portion den Arm nicht über einen Winkel von 45° ge-
gen den Horizont erhebt, und somit kann ihre Contraction allerdings, wenn der
Arm gerade und im rechten Winkel zum Stamme ausgestreckt ist, eine ruckgängige
Bewegung desselben veranlassen. Höher als bis zu einem Winkel von 90° ver-
mag auch der mittlere und vordere Theil des Deltoideus den Arm nicht zu för-
dern; die weitere Erhebung findet, wie bereits früher erwähnt, durch eine Bewe-
gung des Schulterblattes um die sagittale Axe mit dem lateralen Winkel aufwärts
statt. Der Grund der Hemmung liegt, wie man aus Fig. 56 der Bänderlehre er-
sieht, in der Spannung der unteren Kapselwand. Wenn die Contraction des Del-
toideus noch weiter ginge, müsste sie das Armbein luxiren.
Könnte der M. deltoideus für sich allein in Thätigkeit versetzt werden, so
müsste er, bei der lockeren Befestigung des Schulterblattes am Rumpfe, dasselbe
wenigstens eine Strecke weit seiner Armbeininsertion entgegen und herabziehen.
Dies wird dadurch verhütet, dass beim Lebenden immer zugleich mit dem M. del-
toideus der Serrat. ant. sich zusammenzieht.
\) Bursa muc, acromialis s. humeralis s. musculi deltoidei.
Supraspinatus. 169
ß- Hintere Schulterblattmuskeln.
Die drei Muskeln, welche ich unter diesem Namen zusammenfasse (der
M. teres maj., welcher ebenfalls von der hinteren Fläche des Schulterblat-
tes seinen Ursprung nimmt, wurde bei den Rückenmuskeln aufgeführt), ge-
hen hinter dem Schultergelenke vorüber zum Tuberc. majus des Armbeines.
Fig. 81.
Sa
I
SS
Q
Schulterblatt und Armbein von hinten, nach
Entfernung des M. Trapezius und Deltoideus. D.
seitwärts abgebogene Insertion des letzteren, T
Schulterkamm, das Acromion abgesägt. Tmj
M. teres maj. Al, Ab, Ai, M. Anconeus longus,
- brevis und int.
Der Bauch des M. supraspinatus liegt
) Obergrätenmuskel. Sus-epineux.
Ihre starken Sehnen sind mit der
Gelenkkapsel, auf welcher sie
liegen, fest verbunden und in
der Nähe derInsertion untrenn-
bar verwachsen; sie inseriren
sich an den drei Facetten der
oberen glatten Fläche des ge-
nannten Armbeinhöckers um so
weiter seitwärts, je höheren Mus-
keln sie angehören.
1. M supraspinatus Ssp)).
Entspringt mit tiefen, trans-
versalen Fasern aus dem media-
len Theile der Fossa supraspi-
nata bis zur Gegend der Inci-
sura scapulae und mit oberfläch-.
licheren, spitzwinkelig convergi-
renden Fasern einerseits vom
oberen Rande des Schulterblat-
tes und dem Lig. transversum
sup., andererseits vom Schulter-
kamme theils unmittelbar, theils
durch Vermittelung der Fascia
supraspinata. Die Sehne ent-
steht auf dem Schulterblatte im
Inneren der tiefen Portion, wird
aber fast bis zur Insertion von
den oberflächlichen Portionen
verdeckt.
Die Sehne geht zwischen dem
Acromioclavieulargelenke und
dem Lig. coraco-elaviculare post.,
dann unter dem Lig. acromio-
coracoideum zur vordersten Fa-
cette des Tub. maj. des Arm-
beines.
vollkommen verborgen unter dem
ß- Hintere.
1. Supra-
spinatus,
0)
2. Tnfra-
spinatus,
Q
I.
Teres
min.
170 Infraspinatus. Teres minor.
M. trapezius; den Raum zwischen dem letzteren und der Fascia supraspinata
erfüllt Fett.
Der N. suprascapularis, welcher mit den Gefässen über der Ineisura
scapulae in die Fossa supraspinata und weiter an der Basis des Schulter-
blattes vorüber gerade abwärts in die Fossa infraspinata tritt, giebt einen
medianwärts verlaufenden, die Fascia supraspinata durchbohrenden Ast zum
M. supraspinatus.
2. M. infraspinatus Jsp)).
Entspringt wie der M. supraspinatus mit tiefen, lateralwärts conver-
girenden Fasern aus dem medialen Theile der Fossa infraspinata und mit
oberflächlicher gelegenen Portionen, einer oberen vom Rande des Schulter-
kammes (Fig. 81 Jsp‘), einer unteren vom lateralen Rande des Schulter-
blattes und den angrenzenden Theilen der Fascia infraspinata (Fig. 81 Jsp”).
Die Sehne, die auf der hinteren Fläche der tiefen Portion entsteht, versteckt
sich bis in die Nähe der Insertion unter den spitzwinklig convergirenden
oberflächlichen Portionen und befestigt sich an der mittleren Facette des
Tub. maj. des Armbeines.
Der Nerv kommt aus dem R. suprascapularis um die Basis des hai:
terkammes herum, der Insertionssehne gleichsam entgegen.
Arnold findet einen Schleimbeutel, Bursa mucosa infraspinata, der keinen-
falls constant ist, zwischen der Sehne und der Gelenkkapsel.
Var. Von der äusseren (?) Fläche des Deltoideus, entsprechend der Mitte des
Schulterkammes, entsprang ein Muskelstreifen, der sich mit der Sehne des M. in-
fraspinatus vereinigte (Theile).
3. M. teres minor Tm>2).
Entspringt mit parallelen, lateral-aufwärts ziehenden Fasern von der
äusseren Fläche des unteren Theiles der Fascia infraspinata und vom latera-
len Rande des Schulterblattes zwischen dem M. teres major, von welchem
er eine Strecke weit bedeckt wird, und dem Tuberc. infraglenoidale und
inserirt sich an die hinterste Facette und den hinteren Rand des Tuberc. maj.
(Fig.81). Am Ursprunge trägt der Muskel ein Sehnenblatt auf der vorderen
Fläche, mit welchem auch der Ursprung des M. subscapularis und weiter
lateralwärts des M. ancon. long. zusammenhängt; von der Insertion aus
erstreckt sich die Sehne auf der hinteren Fläche weiter in den Muskel hin-
ein, als auf der vorderen.
Der Uebergang der Muskel- in die Sehnenfasern bildet gegen die In-
sertion eine schräg lateralwärts absteigende Linie. Die untersten Muskel-
fasern reichen fast bis an das Armbein; die Fasern des Teres minor sind
daher aus doppeltem Grunde um so kürzer, je näher dem Schulterblatthalse
sie entspringen.
!) Untergrätenmuskel. Sous-epineuz.
2) Kleiner runder Armmuskel. Petit rond, Von H. Meyer zum M. infraspinatus
gezogen.
Subscapularis. ya
Der Nerv des M. teres minor ist ein Zweig des N. axillaris und tritt
an der vorderen Fläche des Muskels in der Nähe der Insertion ein.
Var. Ist besonders am Ursprunge nicht deutlich vom M. infraspinatus ge-
sondert.
y. Vordere Schulterblattmuskeln.
M. subscapularis Ss D.
Der M. subscapularis füllt die gleichnamige Grube des Schulterblattes Y- Vordere.
vollkommen aus, und ruht, so weit das Schulterblatt an dem Rumpfe an- en
liegt, mit der freien, planen (vorderen), von der Fascia subscapularis be-
deekten Fläche auf der freien Fläche des M. serratus ant. (Fig. 40). Er
ist dreiseitig, mit Rändern,
welche den Rändern des
Schulterblattes entsprechen,
und mit einer vertical ab-
gestutzten lateralen Spitze,
welche über das Schulter-
gelenk hinaus an das Tu-
berculum minus und den
obersten Theil der Spina
tuberculi minoris hinter
der Sehne des M. latissimus
sich inserirt. Von den drei
Rändern fällt der mediale
mit dem medialen Rande
der Fossa subscapularis zu-
sammen, der obere zieht
sich leicht concav unter
dem Schulterblattrande hin,
Schulterblatt, vom Rumpfe gelöst, von vorn, nach Ent- der laterale überragt den
fernung der Fascia subscapularis. is Lig. transv. scap. entsprechenden Rand des
sup. Ld Insertionssehne des M. latiss. dorsi. Tm,j Schulterblattes, indem er
M. teres maj. Pmj An der Insertion abgeschnittene , a
Sehne des M. pect. mal. Ssp M. supraspinatus, BI 1N gerader Linie vom un-
Sehne des langen Kopfes des M. biceps. Al, Ab, Ai teren Winkel des letzteren
Köpfe des M. anconeus. Bss Bursa synovialis sub- . .
; zum Armbeine sich aus-
scapularis. 0
spannt (Fig. 82).
Der grösste Theil der Muskelfasern entspringt am medialen Rande der
Fossa subscapularis vom Knochen und der Fascie und von einer Anzahl
vertical auf die leistenartigen Vorsprünge (Knl. S. 211) der Fossa sub-
scapularis gestellter sehniger Blätter. Von diesen Blättern gehen die
Muskelfasern unter spitzen Winkeln auf- und abwärts ab, um sich, von je
2) M. infrascapularis. M. immersus. Unterschulterblattmuskel, Vorderschulterblatt-
muskel Arn, Sous-scapulaire.
172 Oberarmmuskeln.
zwei benachbarten Blättern her convergirend, wieder unter spitzen Winkeln
an die Anfänge der Insertionssehne zu begeben. In die Lücken zwischen
die lateralwärts divergirenden Faserbündel fügen sich dreiseitige, median-
wärts zugespitzte Portionen, die aus der Fläche der Fossa subscapularis
entspringen. Hierzu kommen einzelne, tiefe, platte Bündel aus der Fossa
subscapularis und Fasern, welche vom oberen Rande der Fossa subscap.
schräg abwärts, von ihrem unteren Rande schräg aufwärts gehen, die letz-
teren nur an der Rückseite des Muskels sichtbar, vom unteren Winkel des
Schulterblattes bis zu dessen Halse, theilweise auch von der Vorderfläche der
Sehne des M. anconeus long. ihren Ursprung nehmend und medianwärts
von dieser Sehne mit den Ursprüngen des M. teres minor zusammenfliessend.
Unter dem Schulterhaken deckt der M.subscapularis von vornher einen
Theil der Bursa synov. subscapularis (Bdl. S. 71), von welcher er durch
einen besonderen, geschlossenen Schleimbeutel !) geschieden zu sein pflegt.
An die vordere Wand der Kapsel des Schultergelenkes ist die Insertions-
sehne des M. subscapularis straff angeheftet und in der Nähe des Armbeines
angewachsen (vergl. Bal. Fig. 53. 54. 59).
Auch auf der Vorderfläche des M. subscapularis liegt vor dem Schulter-
gelenke ein Schleimbeutel, über welchen die am Schulterhaken entspringen-
den Armmuskeln gleiten ?).
Die Nn. subscapulares stammen direct aus dem Plexus brachialis.
Var. Gruber (Abh. aus d. menschl. u. vgld. Anat. Petersb. 1854. S. 109)
sah vom unteren Theile des lateralen Schulterblattrandes ein anfangs getrenntes
Fascikel des M. subscapularis entstehen. Als einen accessorischen Subscapularis
kann man einen 2‘ dicken, cylindrischen Muskel betrachten, welchen Theile an
beiden oberen Extremitäten einer Leiche vom lateralen Rande des Schulterblattes
vor dem M. anconeus longus entspringen und über die Gelenkkapsel, mit der er
genau zusammenhing, zum Armbein gehen sah, wo er sich zwischen dem M. sub-
scapularis und teres maj. befestigte.
Insofern der M. subscapularis sich mit einem grossen Theile seiner Fasern in
die Kapsel des Schultergelenkes verliert und zur Spannung derselben bei der Ro-
tation des Armes nach innen bestimmt ist, glaube ich als Varietät des M. sub-
scapularis hier einen Muskel anreihen zu dürfen, welchen Theile (8. 230), Otto
(seltene Beobachtungen Bd. II. S. 40) und Gruber (Müller ’s Archiv. 1848. S. 425)
als tiefen Deltoideus beschreiben, und den ich in zwei Leichen, jedesmal symme-
trisch, auf beiden Seiten angetroffen habe. Er entsprang in den von mir beobach-
teten Fällen, platt und fingerbreit, von einem abnormen Höcker des Armbeimes,
unterhalb des Tub. minus und von einem Sehnenstreifen, der die Insertion des M.
latissimus dorsi überbrückte, ging aufwärts und endete sehnig in der Kapsel, mit
der sehnigen Ausbreitung des M. subscapularis theils gekreuzt, theils zusammen-
fliessend, so dass er wie ein zweiter Kopf desselben erschien. Mit einem ähnlichen
Muskel war in Otto’s und Gruber’sFalle ein Bündel verschmolzen, welches am
Proc. coracoideus haftete und also eher einem Coracobrachialis glich.
b. Muskeln des Oberarmes.
Der wesentliche Theil der Muskulatur des Oberarmes besteht aus zwei,
für die Beugung und Streckung des Unterarmes bestimmten Massen, welche,
') Bursa mucosa subscapularis s. coracoidea.
) Bursa mucosa coraco-brachialis Monro.
Oberarmmuskeln. 173
mit hauptsächlich verticalem Faserverlaufe, jene an der vorderen, diese an
der hinteren Fläche des Armbeines liegen. Auf beiden Flächen findet sich
in oberflächlicher Lage je ein platt eylindrischer Muskel, welcher, über zwei
Gelenke hinweg, vom Schulterblatte zum oberen Ende des Unterarmes ver-
läuft (M. biceps an der Beugeseite, M. ancon. long. an der Streckseite).
Die tiefe Lage besteht an der Streckseite aus zwei, vom Oberarme zum
Unterarme verlaufenden Köpfen, welche, da sie sich mit dem Ancon. long.
an eine gemeinsame Sehne anheften, mit dem letzteren zusammen unter
dem Namen des M. extensor triceps beschrieben werden. An der Beugeseite
nimmt die tiefe Lage die ganze Länge der oberflächlichen ein, aber mit
einer Unterbrechung am Armbeine, so dass sie in zwei Muskeln zerfällt,
einen oberen, vom Schulterblatte zum Oberarme, M. coraco-brachialis und
einen unteren, vom Oberarme zum Unterarme, M. brachialis int.
Die Gruppen der Beuge- und Streckmuskeln werden am oberen Theile
des Oberarmes gegeneinander abgegrenzt durch die Insertionssehnen der-
selben Muskeln, welehe die vordere und hintere Wand der Achselgrube
bilden. In der Achselgrube ziehen die Beugemuskeln abwärts, den M. sub-
scapularis, dann die Sehne des Latissimus und noch weiter unten den Teres
major hinter sich, vor sich den M. pectoralis maj. Der hinteren Fläche des
M. teres maj. genau anliegend, läuft der M. anconeus longus herab und
füllt die schräg lateralwärts aufsteigende und in derselben Richtung sich
verbreiternde Spalte zwischen M. teres maj. und minor dergestalt aus, dass
sowohl an seinem medialen, als an seinem lateralen Rande je eine enge
Lücke bleibt, jene für die Vasa circumfl. humeri postt. und den N. axillaris,
diese für die Vasa eircumfl. scapulae. Zwischen die Insertion des M. pec-
toralis major und den Anfang des M. anconeus brevis schiebt sich die
Insertion des Deltoideus ein. So ist also der obere Theil der Muskulatur
des Oberarmes von vorn her durch den M. pector. maj., von hinten her
durch den M: deltoideus bedeckt, und erst vom unteren Rande dieser Mus-
keln an löst sich das Glied völlig vom Rumpfe.
Unterhalb der Insertion der Mm. deltoideus und coraco-brachialis bilden Liege. inter-
fibröse Blätter, welche mit frontal gestellten Flächen von dem medialen und ""scularia.
lateralen Winkel des Armbeines zur gemeinsamen Oberarmfascie treten, die
Scheidewand zwischen Beuge- und Streckmuskeln und vergrössern zugleich
die Fläche, aus welcher die Fasern der tieferen Muskeln ihren Ursprung
nehmen. Dies sind die Ligg. intermuscularia. Das Lig. intfermusculare
mediale (Fig.83) entsteht zugleich mit dem M. ancon. int. vom oberen Ende
des Armbeinkörpers und nimmt von oben nach unten an Breite zu, indem es
mit dem medialen, an die Fascie anstossenden Rande straff zur Spitze des
Epicondylus medialis gespannt ist. Es besteht aus Fasern, welche zum
Theil vom Knochen, zum Theil von der Sehne des M. coraco-brachialis
stammen und meistens dem Rande parallel, nur gegen das untere Ende
etwas mehr geneigt absteigen. Seine Vorderfläche ist frei und trägt den
Rand des M. brachialis int., von seiner hinteren Fläche bis in die Gegend
des oberen Randes der Fossa oleerani entspringen Bündel des M. anco-
neus int.
174 Oberarmmuskeln.
Das Lig. intermusculare laterale beginnt unter der Insertion des Del-
Fig. 83.
BON
)
} 1)
Schulterblatt und Oberarm von vorn mit exarticulirtem Scehlüsselbein. D Acromial-
ursprung des M. deltoideus, kurz abgeschnitten. ZL.d Insertionssehne des M. latiss. dorsi.
Pm,j, Pmj Schlüsselbeinkopf und Insertionssehne des M. pectoralis major., die letztere
seitwärts umgelegt. Pm Insertionssehne des M. pectoralis minor. 7Tmj M. teres maj.
Ss M. subscapularis. BZ, Bb Langer und kurzer Kopf des M. biceps. Cb M. coraco-
brachialis. * N. eutaneus lat., an der Austrittsstelle abgeschnitten. Bi M. brachial. int.
Al M.:-anconeus long. Br M. brachio-radialis. Su M. supinator. 7 Oberflächliche
Muskelmasse der Beugeseite des Vorderarmes, abgeschnitten.
toideus, durch Sehnenfasern dieses Muskels verstärkt, zugleich mit dem M.
brachialis int. und reicht am lateralen Winkel des Oberarmes so weit hinab,
Oberarmmuskeln.
175
als der Ancon. br., dessen Ursprünge die hintere Fläche des Ligamentes
Oberarm, exarticulirt, laterale Fläche. D. M.
deltoideus.. Tmj M. teres maj, AZ! M, ancon.
longus, sämmtlich vom Ursprunge abgeschnitten.
Ab, Ab M. anconeus br, vertical durchschnit-
ten und nach beiden Seiten zurückgeschlagen.
Ai M. ancon. int. Ag M. ancon. quart. Nr
N. radialis. Nr‘ Hautast desselben. Bi M.
brachialis int. Br M. brachio-rad. Re! M. ra.
dialis ext. long.
bedecken, während gegenüber
auf der vorderen Fläche der
M. brachialis int. und weiter ab-
wärts die obersten Bündel des
M. brachioradialis wurzeln.-
Am unteren Drittel des Ober-
armes vertritt dieser Muskel
selbst nebst den sich an ihn an-
schliessenden Mm.radiales ext. die
Stelle eines Lig. intermusculare
laterale; von der lateralen Kante
des Armbeines unmittelbar ent-
springend, drängt er sich zwi-
schen die Muskeln der vorderen
und hinteren Fläche ein.
Die Anheftung des Lig. inter-
museulare laterale an den Kno-
chen ist in der Gegend, wo an
der vorderen Fläche der Ur-
sprung des M. brachialis int. und
des brachioradialis an einander-
grenzen, eine kurze Strecke unter-
brochen; es entsteht dadurch eine
Lücke, durch die der N. radialis
von der Rückseite des Armes
auf die Vorderseite und zwar
sogleich zwischen M. brachialis
int. und brachioradialis gelangt
(Fig. 84).
Die Muskeln der Streckseite
liegen bis zur Insertion am OÖle-
eranon oberflächlich unter der
Haut; die Insertionssehnen der
Muskeln der Beugeseite dagegen
begeben sich jenseits des Ellen-
bogengelenkes in die Tiefe und
verstecken sich unter Muskeln,
welche zwar dem Unterarme an-
gehören, aber doch schon zum
Theil ziemlich hoch am Ober-
arme entspringen. Ich verweise
wegen derselben, sowie wegen
der durch sie mit bedingten Form
der Ellenbogenbeuge, auf die Be-
schreibung der Muskulatur des
Unterarmes.
176 Biceps.
e Muskeln der Vorderseite,
I. Erste Schichte.
M. biceps brachii!).
erde Von den beiden Köpfen dieses Muskels entspringt der kürzere, me-
Ente diale 2), Becipitis caput breve, gemeinschaftlich mit dem M. coracobra-
Schichte. 5
Fig. 85.
Biceps br.
a
NIS
Schulterblatt und Oberarm von vorn. Vergl. 8. 174.
1) M. flexor rad. M. Rexor antibrachü radialis. Zweiköpfiger Armmuskel. Speichen
beuger. Biceps humeral Cruv. ?) M. coracoradialis,
Biceps. 177
chialis mittelst einer starken, platten Sehne an der Spitze des Schulter-
hakens, zur Seite der Insertion des M. pectoralis minor; der längere, late-
rale Kopf !), Bicipitis caput longum, geht mit zwei convergirenden Schen-
keln, die sich sogleich zu einer plattrundlichen Sehne vereinigen, an der oberen
Spitze der Schultergelenkpfanne aus deren Labrum glenoideum hervor
(Bdl. Fig. 57.58 5). Die Sehne des kurzen Kopfes verläuft ab- und
etwas lateralwärts; die Sehne des langen Kopfes geht zuerst durch das
Schultergelenk frei über die Wölbung des Armbeinkopfes, dann im Suleus
intertubercularis gerade abwärts, zwischen dem Tub.maj. und min. von der
Bursa intertubereularis umhüllt und mittelst einer Art Mesenterium ange-
heftet (Bdl. S. 71), weiter unten etwas beweglicher zwischen zwei Blättern
der Sehne des M. pectoralis maj. eingeschlossen. Die Sehne des langen
Kopfes des M. biceps geht erst in der Gegend des unteren Randes der
Sehne des M. pector. maj. in den Muskelbauch über; die Sehne des kurzen
Kopfes wird schon höher oben, um so höher, je stärker überhaupt die Mus-
kulatur, und zwar zuerst an ihrer hinteren Fläche muskulös.. Von der
Mitte des Oberarmes an legen sich beide Köpfe oder vielmehr Bäuche des
Muskels aneinander; ihre Verschmelzung erfolgt aber erst weiter unten
durch Vermittelung der Endsehne, welche zuerst in Gestalt eines schmalen,
linearen Streifens zwischen den spitzwinklig convergirenden Bündeln beider
Bäuche sichtbar wird und aus dem unteren Ende des Muskels platt und
breit hervorgeht, um sich sogleich wieder zu spalten. Der grössere Theil
der Sehnenfasern setzt sich in einen starken, platt ceylindrischen Strang,
die eigentliche oder tiefe Sehre des Biceps (Fig. 85 D*), fort, der auf dem
M. brachialis int. in die Tiefe geht und über einem Schleimbeutel ?2) an der
Tuberositas radii sich anheftet. Ein kleinerer Theil zweigt sich, als ober-
flächliche Sehne (Fig. 85 2“) 2), unter spitzem Winkel medianwärts ab
und verschmilzt mit der Fascie des Vorderarmes am Ulnarrande desselben
unterhalb des medialen Epicondylus; vom medialen Rande des kurzen
Kopfes biegt eine Anzahl Bündel geradezu in diese Sehne um.
Ihre Nerven erhalten beide Bäuche etwa in der Mitte ihrer Höhe vom
N. cutaneus lateralis, welcher zwischen dem M. biceps und brachialis int.
hindurchgeht, um vom medialen zum lateralen Rande des Armes zu ge-
langen.
Der M. biceps ist reich an Varietäten. Verhältnissmässig selten ist Defect
eines Kopfes, des kurzen (Meckel, dessen Archiv. Bd. VIII. S. 587), oder des
langen (Otto, N. seltene Beobacht. S. 40. Lauth, nouveau manuel de l’anato-
miste p. 144. Hyrtl, Anat. S. 362); in einem der von Lauth beobachteten
Fälle war der lange Kopf durch vermehrte Stärke des kurzen, in einem anderen
Falle durch einen vom unteren Theile des Armbeines entspringenden dritten Kopf
ersetzt. Viel öfter begegnet man einer Vervielfältigung der Ursprünge oder In-
sertionen oder beider. Einen doppelten Ursprung des kurzen Kopfes, vom Schul-
terhaken und mit einem breiten Fascikel aus der Schultergelenkkapsel sah Theile.
Ebenso verdoppelt sich der lange Kopf, indem von der Schultergelenkkapsel, oder
vom Tub. minus oder majus, oder vom lateralen oder medialen Rande des Sulcus
intertubereularis ein schlanker Muskel entsteht, der sich höher oder tiefer aın
D) M. glenoradialis.
2) Bursa mucosa radialis. Bursa radio-bieipitalis Monro.
3) Aponeurosis bicipitis.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 12
Physiolo-
gische Be
merkunen,
178 Biceps.
Arme mit der Masse des Biceps verbindet (Moser, Meck. Arch. Bd. VII: S. 227.
Gruber, Müller’s Archiv. 1848. S. 426. Neue Anomal. $. 20). Die gewöhn-
lichste Art der Vervielfältigung ıst die, dass ein dritter platter Kopf hinzutritt,
der, wie ein oberflächlicher Theil des M. brachialis int, an der Insertion bald des
M. deltoideus, bald des Coracobrachialis entspringt, auch wohl von dem einen oder
anderen dieser Muskeln Fasern aufnimmt und sich dann früher oder später vom
M. brachialis int. ablöst, um mit einem der Köpfe des Biceps oder mit dessen
gemeinsamer Insertionssehne sich zu verbinden (Abgebild. bei Gruber, Neue Anom.
Taf. IV. Fig. 2). An einem auf hiesiger Anatomie secirten Arme ging dieser
Kopf ganz und allein in die oDerAachlieke Sehne über. Gewöhnlich liest er late-
an neben der Art. brach. und den sie begleitenden Venen und Nerven; er
kann aber auch an der medialen Seite derselben entspringen und schräg über sie
hinweglaufen (Sharpey) oder an einem dies- und jenseits des Gefäss- und Ner-
venbündels am Armbeine und dem Lig. intermuseulare mediale befestigten Sehnen-
bogen seinen Ursprung nehmen und parallel der Arterie auf ihr herabgehen
(Gruber, vier Abhandlungen. S. 93. Neue Anomal. Taf. I. Fig. 2).
Meckel (Archiv. Bd. V. S. 115) erwähnt einen vierköpfigen Bieeps; zu dem
eben beschriebenen gewöhnlichen accessorischen Kopfe kam noch ein accessorischer
Ursprung des normalen kurzen Kopfes vom Armbeine. Einen vierköpfigen Biceps
anderer Art fand Moser (ebendas. Bd. VII. S. 227): der gewöhnliche lange Kopf
fehlte, der kurze Kopf war verdoppelt, ein dritter Kopf glich dem gewöhnlichen
dritten und ein vierter, sehr starker Kopf, der die Stelle des langen vertrat, ent-
sprang vom Tuberc. maj. und der äusseren Fläche der Kapsel des Schulter-
gelenkes. Ich sah den Biceps fünfköpfig; er erhielt ausser den normalen Köpfen
einen dritten, 3‘ breit, in der Höhe des unteren Randes der Insertionssehne des
M. pect. maj. vom medialen Rande des Sulcus intertubereularis; ‘einen vierten,
1‘ breit, welcher unter jenem bis zum Ursprunge des M. brachial. int. neben der
Insertionssehne des M. coracobrachialis entstand und an den medialen Rand des
normalen kurzen Kopfes sich anlegte; einen fünften endlich, der von der Insertion
des Deltoideus ausgehend, mit dem lateralen Rande des langen Kopfes verschmolz.
Vervielfältigung der Insertionen beobachteten Theile und ich in der Weise,
dass vom langen Kopfe des M. biceps ein dünnes Bündel sich trennte, das am
Ellenbogen zwei Sehnen abgab, welche die beiden Hauptsehnen des Muskels zu
ihren Insertionspunkten begleiteten. Vom medialen Rande des kurzen Kopfes
gehen Bündel ab und über die Art. brachialis und die sie begleitenden Venen und
Neu hinweg, um in die Fascie des Armes und das Lig. intermuse. med. sich zu
verlieren (Quain, on arteries p. 57. Gruber, Neue Anomal. S. 30. Taf. VI.
Fig. 1). Vom unteren Ende des kurzen Kopfes sah Gruber (ebendaselbst) ein
Muskelbündel sich trennen, dessen Sehne, den M. brachialis int. umgreifend, auf
der vorderen Wand der Kapsel des Ellenbogengelenkes und auf dem Proc. coro-
noid. der Ulna sich ausbreitet, zuweilen auch mit einem zweiten Fascikel am Pro-
nator teres in der Tiefe oder oberflächlich endet. Ein ähnliches, in die Kapsel
ausstrahlendes Fascikel sah Theile vom langen Kopfe sich ablösen. Einigemal
beobachtete ich ein aponeurotisches Fascikel, welches, von der tiefen Sehne des
Biceps zum Flex. dig. sublimis verlaufend, den Schlitz für den N. medianus bil-
den half.
In dem von Pietsch beschriebenen Falle (Meckel Anat. $S. 504) bestanden
neben einem dreiköpfigen Biceps noch zwei Köpfe, welche der Eine neben dem
gewöhnlichen dritten Kopfe, der andere von der Sehne des kurzen Kopfes ent-
sprangen und sich in einen besonderen Bauch verbanden, dessen Insertionssehne
unter der regelmässigen Sehne sich am Radius inserirte.
Der M. biceps ist nicht bloss Beuger des Vorderarmes; mittelst seiner ober-
flächlichen Sehne spannt er die Fascie desselben an der Stelle, wo sie den Muskeln
des Vorderarmes zum Ursprunge dient. Durch die Art, wie sich die tiefe Sehne
des Biceps bei pronirtem Vorderarme um die Tuberosität des Radius wickelt, wird
der Muskel zum Supinator.,
Coracobrachialıs. r 179
Zweite Schichte.
1. M. coracobrachialis CbN.
Die Fasern des M.coracobrachialis entspringen sehnig vom Schulterhaken Zweite
32 : x - : Schichte.
und fleischig von der hinteren Fläche der Sehne des kurzen Kopfes des Bieeps 1, Goraco-
und gehen lateral-rückwärts um so steiler am Armbeine herab, je weiter "hialis.
Fig. 86.
Oberextremität wie in Fig. 85. Die Sehne des langen Kopfes des M.biceps brachii (BU)
aus dem Sule. intertubere. hervorgezogen und abgeschnitten. Der kurze Kopf des M.
biceps (Bb) abgeschnitten und medianwärts umgelegt.
unten sie entspringen. Die Hauptmasse befestigt sich kurzsehnig an eine
Rauhigkeit (Knl. Fig. 204 ec), aus der die mediale Kante des Armbeines
hervorgeht, gegenüber der unteren Spitze der Deltoideus-Rauhigkeit. Die
oberen Fasern breiten sich successiv längs einem schmalen und platten, vom
Tub. minus oder von der den Suleus intertub. deckenden Brücke zu der
genannten Rauhigkeit frei gespannten Bandstreifen aus (Fig. 86 *), der die
Vasa circumfl. humeri anteriora und die Sehne des Latissimus deckt. Das
obere Ende dieser Insertion liegt etwa in gleicher Höhe mit der Mitte der
Sehne des M. latissimus.
Der Coracobrachialis besteht in seiner ganzen Länge aus zwei, von
parallel verlaufenden Muskelbündeln gebildeten Platten, welche in der
2) M, perforatus Casserü s. coracoideus. M. levator humeri int, Arn. Haken-Arm-
muskel. Raben-Armmuskel Hyrtl. Hakenmuskel.
12*
2. Brachial.
int.
189 Brachialis int.
oberen Hälfte mit ihren vorderen Rändern verbunden und an die Sehne des
kurzen Kopfes des Biceps angeheftet, in der unteren Hälfte mit ihren hin-
teren Rändern an den genannten Sehnenstreifen befestigt und nach vorn offen
sind. Der N. cutaneus lat., welcher durch den Muskel schräg abwärts ver-
läuft und ihn dabei mit Zweigen versorgt, liegt wie in einer Mappe, deren
Deckel an gegenüberliegenden Rändern vorn von oben an, hinten von
unten an bis zur Mitte aneinander geheftet sind.
Var. Die Insertion des Muskels kann an den Arm weiter hinabrücken, bis
an das untere Ende des mittleren Drittels. Häufig giebt er eine Sehne in das Lig.
intermusc. mediale, welche in der Regel hinter der Art. brachialis, aber auch über
dieselbe hinweggeht (Gruber, Neue Anomal. S. 28. Taf. I. Fig. 1). Ein tiefer,
kurzer Muskel, Wiederholung des M. coracobrachialis, welcher von der Wurzel
des Schulterhakens zur Spina tubere. min. verläuft, wurde von Cruveilhier und
Theile (8. 230) beobachtet.
2. M. brachialis int. Bi).
Bedeckt die Vorderfläche der-Knochen des Armes von den Insertionen
des M. deltoideus und coraco-brachialis an bis über das Ellenbogengelenk,
und nimmt demnach, wie diese Fläche, von oben nach unten an Breite zu,
bis er sich unterhalb des Ellenbogengelenkes wieder verschmälert, um sich
mit starker Sehne in einer steil lateralwärts absteigenden Linie an den
Proc. coronoideus und die Tuberosität der Ulna anzusetzen.
Sein Ursprung bildet am oberen Ende zwei kurze Zacken, welche die
Insertionsspitze des Deltoideus umfassen und Fasern von derselben anfneh-
men (Fig.87); die mediale Zacke hängt ausserdem mit dem M. coracobrachialis
zusammen, von dessen Insertion sie medialerseits begrenzt wird; die laterale
Zacke stösst mit dem freien Rande an den M. anconeus brevis. Zu den
Fasern, welche von jenen Zacken aus gerade abwärts ziehen, gesellen sich
tiefere, von gleichem Verlauf, an der ganzen Vorderfläche des Armbeines
bis nahe an den oberen Rand der Fossa ant. maj. entspringend, so dass der
Muskel im Absteigen wie an Breite, so auch an Dicke wächst. Der Ur-
sprung der am medialen Rande gelegenen Fasern greift kaum auf das Lig.
intermusculare über; die Fasern des lateralen Randes entspringen eine
Strecke weit vom Lig. intermusculare lat., und zwar bis an den oberen
Rand des M. brachioradialis; dann aber, während die Fasern des letzt-
genannten Muskels in der Fortsetzung des M. brachial. int. vom Lig. inter-
musculare ihren Ursprung nehmen, weicht der Brach. int. mit seinem Ur-
sprunge auf die Knochenfläche zurück. Er erhält auf diese Weise am late-
ralen Rande einen Eindruck, der zur Aufnahme des M. brachioradialis hin-
reicht, und der Brachioradialis legt sich über den Brachialis int., ohne auf-
zutragen.
Die über dem Brachioradialis vem Lig. intermusculare entstehende
Partie des Brachial. int. macht oft eine selbständige Portion aus; die ge-
deckt vom Brachioradialis vom Armbeine entspringenden Fasern gehen
schräger als die übrigen und heften sich an den lateralen Rand und die
\) M. brachiaeus int. M. brachialis anter. M. flexor antibrachü uln. Ellenbogenbeuger.
Innerer Armmuskel.
181
Brachialis int.
‚zoyeurdns 'y ng
"3uof 'jpod zoxoay 'W 7d,7 wwoo "Sıp *yxo "N op &r "uosejyospgyoninz “ıq pun 'Zuof *Yxo "pey
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‘yuuan93 aydumy woA (wg) leu sıpetogoad pum (7) snoproypop "W sap WoIMIOSUJ op Afetago 94812 dop
P- Muskeln
der Rück-
seite.
Extensor
triceps.
182 Extensor triceps.
hintere Fläche der Sehne, die, einem Hohlkegel gleich, die übrigen Fasern
empfängt und umschliesst So ist der Brach. int. über dem Fettpolster der
Fossa ant. maj. und min. und über der Kapsel des Ellenbogengelenkes an
der hinteren Fläche fleischig, an der vorderen sehnig. Die hintere Fläche
ist straff mit der Kapsel verbunden und giebt zuweilen einige Bündel an
dieselbe ab (Bdl. Fig. 62).
Von der vorderen Fläche der Sehne gehen oberflächliche Fascikel
schräg radialwärts in die Ursprünge des M. pronator teres über; einzelne
der dem lateralen Rande zunächst gelegenen Bündel hängen mit dem Ur-
sprunge des M. flex. dig. subl. zusammen.
Die Nerven vom N. cutaneus lat. treten am oberen Drittel vom me-
dialen Rande her ein.
Var. Von dem M. brachialis int. und zwar von dessen äusserer Seite löst
sich nicht selten ein Bündel ab, um sich im Ellenbogenbuge gleich dem Biceps
und unter den Insertionen des letzteren theils am Radius, theils in die Fascie des
Vorderarmes zu inseriren. Ich sah ein solches getrenntes Bündel unterhalb der
eigentlichen Sehne des Brach. int. sich an die Ulna setzen, gekreuzt und verbun-
den mit einer Sehne, die von der Ulna kommt und in einen langen schmalen
Kopf des Mittelfingerbeugers vom Flex. dig. subl. übergeht. In einem von Gru-
ber beschriebenen Falle geht ein derartiges Bündel in den Pronator teres oder
wieder in die Sehne des M. brachialis int. über, nachdem es die Art. brachialis
bedeckt hat. Bei robusten Individuen kann die Furche des Brach. int., in welcher
Art. und V. brach. und N. medianus verlaufen, so tief werden, dass jene Stämme
gänzlich durch den äusseren Theil des Muskels versteckt werden (Gruber, Müll.
Archiv. 1848. S. 428. Neue Anomal. S. 30).
8. Hintere Muskeln des Oberarmes. -
M. extensor triceps‘).
Von den drei Köpfen dieses Muskels liegen zwei in oberflächlicher
Schichte neben einander; der dritte bildet für sich allein eine zweite, von
den oberflächlichen Köpfen zum grössten Theil bedeckte Schichte.
Die oberflächlichen Köpfe sind ein medialer und ein lateraler, beide
platt, mit je parallelen, schräg abwärts laufenden, von beiden Köpfen her
gegen die Mittellinie der hinteren Fläche des Oberarmes unter spitzem
Winkel eonvergirenden Fasern, der mediale Kopf lang und verhältniss-
mässig schmal, der laterale breit und kurz.
Die Muskelfasern des medialen Kopfes, M. anconeus longus ?), ent-
springen von einer platten trichterförmigen Sehne, welche am Tub. infra-
glenoid. und dem zunächst angrenzenden Theile des lateralen Randes des
Schulterblattes haftet, und an einem Sehnenbogen, welcher von dieser Ur-
sprungsstelle unter dem M.teres maj. her zur Vorderfläche der Insertionssehne
des M. latiss. dorsi zieht und der letzteren eingewebt ist (Fig.88 Al) 3). Die
!) M. extensor cubiti. M. brachialis s. brachieus ext. s. post, Meckel. M. triceps brachii,
Dreiköpfiger Armmuskel. Vorderarmstrecker.
?) Caput longum s. primum.
*) Die Verbindung eines an der Sehne des M. latiss, dorsi entspringenden Sehnen-
blattes mit der Sehne des M. anconeus long. beschrieb zuerst Bergmann (Müller’s
Extensor triceps. 183
Hauptsehne wird hinten vom M. teres minor, vorn vom M. subscapularis
bedeckt und dient den tiefsten Fasern dieser Muskeln zur Ursprungsstätte;
sie erhält sich am vorderen Rande und der medialen Fläche des Muskels
bis fast zur Mitte des Oberarmes. Die Flächen des Muskels, am Ursprunge
parallel der Medianebene, stellen sich, indem sie sich an den Arm anlegen,
allmälig frontal, so zwar, dass die mediale Fläche zur hinteren, der hintere
Rand zum lateralen wird. Die Insertionssehne entsteht unter der Mitte des
Profilansicht der Brust und des vorwärts erhobenen Armes, DM. deltoid. Tm, Tmyj
M. teres minor und mal. Pmj M. peet. maj. BC Kurzer Kopf des M, biceps und
M. coracobrach.
Oberarmes zuerst auf der vorderen Fläche und am lateralen Rande des
Muskels; auf ihrer hinteren Fläche inseriren sich die Muskelfasern in einer
verticalen Linie, die bis nahe an das Olecranon reicht, um so tiefer, je
weiter medianwärts sie entspringen.
Der*laterale Kopf, M. anconeus brrevis Albin), entsteht von der
Archiv. 1855. S. 347) als Varietät. Halbertsma (Versl. en mededeelingen der konink-
lijke akademie v. wetensch. T. IV. p. 238) erkannte die Beständigkeit dieser Verbindung.
I) Caput externum s. magnum 5. secundum aut. Vastus ext. Cruv.
184 Extensor triceps.
hinteren Fläche des Halses und Körpers des Armbeines und vom Lig. inter-
musculare laterale bis unterhalb
der Stelle, wo es die Knochen-
furche für den N. radialis über-
brückt (Fig.89). Im oberen Theile
des Armes durch diesen Nerven
vom tiefen Kopfe des Triceps ge-
schieden, liegt er mit dem unte-
ren Rande so unmittelbar und
dicht auf dem letztgenannten
Kopfe auf, dass eine aufmerksame
Präparation dazu gehört, beide
zu trennen. - Doch wird die
Grenze meistens durch einen
Hautast des N. radialis (N v”) be-
zeichnet, der, begleitet von ei-
nem der Endäste der Art. pro-
funda brachii, unter dem Rande
des M. ancon. brev. an die Ober-
fläche gelangt.
Fig. 89.
Al
Ab
Ai
Die Vereinigung des kurzen
Kopfes mit dem langen erfolgt
von der Stelle an, wo dieser seh-
nig wird, auf die Weise, dass die
obersten Bündel des kurzen Ko-
pfes sich fleischig an die sehnige
Vorderfläche des langen ansetzen,
die folgenden aber allmälig, je
weiter nach unten, um so näher
dem lateralen Rande des Armes
in Sehnenfasern übergehen. Die
platte, abwärts an Breite zuneh-
mende Sehne, welche sie bilden,
verschmilzt einerseits mit der
Sehne des langen Kopfes und
setzt sich andererseits in die
Fascie fort, die die Streckmuskeln
des Unterarmes bedeckt.
Aq
Der tiefe Kopf, M. anco-
neus internus \), entsteht,
dem Brachialis int. gegenüber,
Oberarm, exartieulirt, laterale Fläche. D M. yon der ganzen hinteren Fläche
deltoideus, T’mj M. teres maj. vom Ursprunge e a He
abgeschnitten. 4b, Ab M.anconeus br. vertical des Armbeines zwische
durchschnitten und nach beiden Seiten zurück-
geschlagen. Ag M. ancon. quart. Nr N. ') Caput internum s. tertium. s. par-
radialis Nr‘ Hautast desselben. Bi M. bra- vum. M. brachialis ext. Albin. M.
ehialis int. Br M. brachiorad. RelM.ra- gnconeus brevis Theile. M. vastus int.
dialis ext. long. Cruv.
Unterarmmuskeln, 185
Radialisfurche und der Fossa olecrani und von der hinteren Fläche des
Lig. intermusculare mediale. An der medialen Kante des Armbeines reicht
sein Ursprung bis zum oberen Rande des Epicondylus; an der lateralen
Kante des Armbeines geht der Ancon. int. meist ohne Unterbrechung in den
vom lateralen Epicondylus entspringenden Ancon. quart. über (Fig.89 Ag), der
mit den Muskeln der Streckseite des Unterarmes beschrieben werden wird.
Alle Fasern verlaufen abwärts, die äussersten beiderseits zugleich conver-
girend gegen die Mittellinie des Armes und treten an die Vorderfläche und
den freien medialen Rand der Sehne der beiden oberflächlichen Köpfe, die
untersten auch wohl selbständig an die Seitenränder des Olecranon. Von
den an der medialen Kante entspringenden Bündeln gehen einige der unter-
sten zuweilen hinter dem N. ulnaris weg.
Die gemeinschaftliche Insertionssehne des M.triceps endet nach der Auf-
nahme des tiefen Kopfes an der Rauhigkeit der oberen Fläche des Olecra-
non (Knl. Fig. 211 et). Gleich der Sehne des Brachialis int. läuft sie über
das Fettpolster, welches die Kapsel äusserlich deckt, gerade hinweg und
ebenso giebt sie zuweilen einige Bündel an die Kapsel (Bdl. Fig. 62).
Die Nerven stammen vom N. radialis; in den langen Kopf treten sie
hoch oben dicht unterhalb der Verbindung der beiden Ursprungssehnen.
Monro (Taf. VI. Fig. 1 h) bildet eine Bursa anconaea s. muscul tricipitis ab,
zwischen dem Proc. anconeus und der Sehne des M. extensor triceps. Ich bin
mit M. J. Weber der Ansicht, dass ein solcher Schleimbeutel in der Regel sich
nicht findet.
Der theilweise Ursprung des M. anconeus longus an der Sehne des Latissimus
dorsi beweist, dass zur vollen Wirkung des ersteren eine gleichzeitige Contraction
des letzteren erforderlich ist. Dann aber wird, durch die an dem Sehnenbogen
entspringenden Fasern, der Zug des Anconeus eine der Längsaxe des Armes mehr
parallele Richtung erhalten. Umgekehrt muss die Spannung abwärts, welche der
Sehnenbogen durch Streckung des Vorderarmes erfährt, den Erfolg haben, die
Zusammenziehung des M. teres maj. freier zu machen
ec. Muskeln des Unterarmes.
Der Unterarm mit seinen Muskeln hat die Gestalt eines langgestreck-
ten, im sagittalen Durchmesser abgeplatteten Kegels, dessen abgestutzte ı
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
e. Unter-
armmus-
keln.
Spitze dem Handgelenke entspricht. Die abwärts verjüngte Form kommt
dadurch zu Stande, dass die Muskeln, abgesehen von einigen, die schon im
oberen Theile des Unterarmes enden, fast sämmtlich gegen die Mitte des-
selben in eylindrische Sehnen übergehen. Das Handgelenk ist ringsum nur
von Sehnen umgeben.
Die Muskeln liegen in drei Gruppen, an der vorderen und hinteren
Seite und am radialen Rande des Unterarmes. Am ulnaren Rande sind
die Muskeln der vorderen und hinteren Seite von einander getrennt durch
die hintere Kante der Ulna, welche frei unter der Haut zu fühlen ist und
der Fascie der vorderen, wie der hinteren Fläche zur Anheftung dient.
Von den Muskeln der vorderen Seite entspringt der dem medialen Rande
zunächst gelegene M. ulnaris int. zugleich mit der Faseie von der ganzen
hinteren Kante der Ulna; er stellt eine lateralwärts offene Rinne dar, die
von den tieferen Muskelschichten ausgefüllt wird und kommt daher mit dem
186 Unterarmmuskeln.
zunächst an die Ulna grenzenden Theile medianwärts neben dieselbe in die
Fig. 91.
Ph
ı/
/E
Muskeln des Vorderarmes, erste
Schichte. B M. biceps. Bi M. bra-
chialis int. _R Gruppe der radialen
Muskeln. Pi M. pronator teres. Ri
M. radial. int. ? 7 M, palmaris longus.
Vi M.ulnaris int. 75 M.palmaris br.
L M. lumbric.
Fig. 90.
Horizoutalschnitt des Vorderarmes nahe
unter dem Ellenbogengelenke. Fdp M, flex.
dig. prof. Ui M ulnaris int. Fds M. flex.
dig. subl. 77 M. palmaris long, Pt M.
pronator teres. Br M. brachioradialis.
Rel, Reb M. radialis ext. long. und br.
Su M. supinator, Ede M. ext. dig.
comm. UeM. uloaris ext. 1 N, radialis.
superf. 2 N. medianus. 3 N. und Vasa
interossea. 4 N. ulnaris. 5 N. rad. prof.
gleiche Flucht mit den Muskeln der
Rückseite zu liegen, während er mit
seinem vorderen oder freien Rande durch
Vermittelung der Faseie über die Mus-
keln der Vorderseite herübergezogen ist
(Fig. 90). Gegen die radialen Muskeln
grenzen sich die Muskeln der Rückseite
durch eine Grube ab, welche die Gegend
des lateralen Epieondylus einnimmt; an
der Vorderseite des Ellenbogengelenkes
bildet die Masse der radialen Muskeln die
laterale, die Masse der vorderen Muskeln
die mediale Begrenzung einer breiten und
abwärts zugespitzten Vertiefung, deren
Grund die Enden des M. biceps und
brachial. einnehmen (Fig.91). Die oberste
Schichte der eigentlichen Muskeln der
Vorderseite entspringt nämlich am me-
dialen Epieondylus und inserirt sich mit
dem am meisten lateralwärts gelegenen
Muskel, Pronator teres, etwa an die
Mitte der Höhe des Radius; die radialen
Muskeln entspringen an der lateralen
Kante des Oberarmes; sie steigen zum
lateralen Rande des unteren Endes des
Muskeln der Vorderseite des Unterarmes. 187
Unterarmes und zum Rücken der Hand herab, sind aber am oberen Theile
des Unterarmes, gleich dem M. ulnaris int., mittelst der Fascie so auf die
vordere Fläche herübergezogen und befestigt, dass sie die Insertion des
Pronator teres bedecken. Im unteren Drittel des Unterarmes gehen dage-
gen ihre Sehnen unter tiefen Muskeln der hinteren Seite durch, die sich
zum Radialrande des Daumens begeben.
Jede der drei Gruppen besteht aus mehreren Schichten; in jeder Gruppe
finden sich Muskeln von verschiedener Länge, welche über ein, zwei und
mehr Gelenke weggehen, vom Oberarme zum Unterarme, zur Handwurzel,
zu den Fingerphalangen. Aber die längeren Muskeln nehmen hier nicht
so regelmässig die höheren Schichten ein, wie dies in anderen Körpertheilen
der Fall ist. Muskeln, welche von den Epicondylen des Oberarmes kom-
men, enden an den Knochen des Unterarmes oder der Handwurzel und Mit-
telhand; ihre Sehnen weichen nach. beiden Seiten auseinander, um die
Sehnen tieferer, am Unterarme entspringender Muskeln durchzulassen, die
sich bis zu den Fingern erstrecken; und. bei den Fingerbeugern findet sich
die merkwürdige Einrichtung, dass durch Spalten der Sehnen des ober-
flächlicheren Muskels, die sich an die Mittelphalangen ansetzen, die Sehnen
der tieferen zu den Endgliedern der Finger treten.
In der vorderen Muskelgruppe liegen Pronatoren des Vorderarmes und
Beuger der ganzen Hand und der Finger; die hinteren und radialen Muskeln
sind hauptsächlich Strecker, und zwar des Unterarmes, der Hand und der
Finger; ein Supinator, der in der Tiefe liegt, kann ebensowohl den hinteren
als den radialen Muskeln zugezählt werden. Wie erwähnt, befinden sich
die Muskeln, welche durch ihre Insertion an Handwurzel- oder Mittelhand-
knochen die Hand im Ganzen bewegen, an den Rändern des Armes; ver-
binden sich die am nämlichen Rande gelegenen Beuger und Strecker zu
gemeinsamer Wirkung, so erzeugen sie die Ulnar- und Radialflexion.
Die Muskeln der oberflächlichen Schichte, sowohl der Beuge- als
Streckseite, hängen am Ursprunge unter sich und mit der Fascie fest zu-
sammen, indem ein Theil der Fasern sämmtlicher Muskeln von der inneren
Fläche der Fascie und ein Theil der Fasern einzelner Muskeln von der
Ursprungssehne der benachbarten sich entwickelt. Die Endsehnen gehen
unter den queren Verstärkungsbändern der Fascie, die schon beim Hand-
gelenke beschrieben wurden, hindurch und sind von einem schleimigen
Bindegewebe und theilweise von wirklichen Synovialscheiden umhüllt, de-
ren Beschreibung später folgen soll.
@e Muskeln der Vorderseite.
Wir unterscheiden oberflächliche Muskeln, welche mit einem wesent-
lichen Theile ihrer Fasern am unteren Ende des Armbeines entspringen
und tiefe, welche von den Knochen des Unterarmes ihren Ursprung nehmen.
Die oberflächlichen Muskeln entspringen zusammen längs einer vom
medialen Epicondylus zur Tuberosität der Ulna sich hinziehenden schrägen
Linie; vom unteren Ende des Lig. intermusculare mediale, dann am media-
len Epieondylus theils unmittelbar, theils durch Vermittelung der Verstär-
kungsfasern, welche der vorderen Wand der Kapsel des Ellenbogengelenkes
Ce.
Vorder-
seite,
188 Muskeln der Vorderseite des Unterarmes.
eingewebt sind, ferner an der Tuberosität der Ulna medianwärts neben der
Insertion des M. brachialis int., auch wohl von der Insertionssehne dieses
Muskels selbst. Meistens entspringen sie in zwei Massen, einer oberfläch-
Fig. 92.
lichen und einer tie-
fen, zwischen welchen
der Stamm des N. me-
dianus hindurchgeht.
Die Muskelfasern der
oberflächlichen Masse
(Fig. 92*) entstehen
zum grössten Theile
zwischen zwei brei-
ten, sehnigen Blät-
tern, von welchen das
äussere (vordere) mit
der Unterarmfasecie,
das innere hintere u.
mächtigere mit der
Gelenkkapsel zusam-
menhängt; einzelne
Muskelbündel kom-
men von der hinteren
Fläche dieses inneren
Sehnenblattes. Die
tiefere, bei weitem
schwächere Ur-
sprungsmasse (Fig.
92 **), welche hinter
dem Stamme des N.
medianus lateral - ab-
wärts verläuft, ent-
springt mit einer plat-
ten Sehne von verän-
N derlicher Breite am
N medialen Rande der
Sehne des M. bra-
Unterarm, Vorderfläche, die oberflächlichen Muskeln am Hand- hialis int Ist di
gelenke abgeschnitten und umgelegt. Der Armbeinkopf des Eee f n se
Ulnaris int. (7) durchschnitten. Fds M. flexor dig. subl. tiefe Masse nicht ge-
Fdp M. flexor dig. prof. FpIM. flexor poll. long. sondert, so geht der
rn N. medianus mit den
Gefässen durch dieselbe Spalte zwischen dem Armbein- und dem Radial-
kopfe des Flex. subl., der letztere reicht alsdann hoch hinauf.
Die Muskeln, in welche diese gemeinsamen Ursprünge sich scheiden,
ordnen sich im weiteren Verlaufe in drei Schichten übereinander; zu ein-
zelnen derselben treten Fasern, die an den Seitenrändern des Unterarmes,
vom Radius und der Ulna sich entwickeln. In der obersten Schichte liegen
vier. Muskeln, welche, vom medialen Epicondylus aus divergirend, successiv
weiter ulnarwärts enden; der erste, M. pronator teres, in der Mitte der
Pronator teres. 189
Höhe des Radius, der zweite, M. radialis int., am Radialrande der Hand,
der dritte, nicht ganz beständige, M. palmaris long., am Lig. carpi vol.
propr., der vierte, M. ulnaris int., am Ulnarrande der Hand; der letztere
nimmt Fasern von der hinteren Kante der Ulna auf. Zwischen den aus-
einanderweichenden Bäuchen und Sehnen dieser Schichte blickt die zweite
Schichte durch, bestehend aus den zwei Bäuchen des M. flexor dig. sublimis,
welche sich in die dem dritten und vierten Finger bestimmten Sehnen fort-
setzen; mit der Sehne des dritten Fingers vereinigt sich ein zweiter, platter
und dünner, von der vorderen Kante des Radius ausgehender Kopf. Die
dritte Schichte der oberflächlichen Unterarmmuskeln bilden die beiden an-
deren, zum zweiten und fünften Finger sich erstreckenden Abtheilungen des
M. flexor dig. sublimis. Dieser ganze Muskel ist der Beuger des zweiten
Gliedes der dreigliedrigen Finger.
Die tiefen Muskeln der Vorderseite des Unterarmes liegen in zwei
Schichten. Zu oberst finden sich neben einander der M. flexor pollicis lon-
gus und die vier Bäuche des M. flexor dig. profundus, des Beugers der
Endphalange der dreigliedrigen Finger, jener am Radius und dem angren-
zenden Theile des Lig. interosseum, diese am Lig. interosseum und der
Ulna, in der Reihe weiter median- und tiefer abwärts entspringend, wie sie
an weiter medianwärts gelegene Finger treten. Zwischen dem M. flexor
poll. long. und dem tiefen Beuger des zweiten Fingers gehen auf dem Lig.
inteross. die tiefen Gefässe und Nerven herab. Häufig besteht zwischen
dem Flex. poll. long. und der gemeinsamen Ursprungsmasse der oberfläch-
lichen Muskeln eine Verbindung durch einen kurzen, feinen Muskelbauch,
welcher von der hinteren Fläche des ersteren sich löst und sich mit seiner
dünnen Sehne an die Hauptsehne des M. flexor pollieis longus anschliesst.
Die zweite Schichte der tieferen Muskeln des Unterarmes besteht aus
einem Muskel mit transversalen Fasern, Pronator quadratus, der die unteren
Enden der Unterarmkuochen deckt und sich nicht über das untere Viertel
des Unterarmes hinauf erstreckt.
I. Oberflächliche Muskeln.
1. M. pronator teres Pti!).
Besteht aus zwei Köpfen von sehr ungleicher Stärke, die in der Regel
den N. medianus zwischen sich fassen.
Der stärkere, oberflächlichere Kopf (Fig. 91) erhält lange Fasern vom un-
teren Ende des Lig. intermusc. mediale und vom medialen Epieondylus, welche
in der Richtung gegen die Mitte des Radius lateralabwärts laufen und sich
in die Faserung der Insertionssehne geradezu fortsetzen, und kürzere, ge-
neigter verlaufende und unter spitzem Winkel an die Insertionssehne tre-
tende Fasern, theils vom vorderen, theils vom hinteren gemeinsamen Sehnen-
blatte. Der schwächere, tiefe Kopf (Fig.92**) wurde schon oben bei Gelegenheit
des Ursprunges der gemeinsamen Muskelmasse beschrieben; er geht in der
") M. pronator rotundus. Länglicher oder runder Vorwärts- oder Einwärtswender oder
Dreher. Long ou rond pronateur.
TI. Oberfl.
Muskeln.
1. Pron. ter.
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
2. Rad. int.
190 Radialis int.
Regel ganz in den Pronator teres über. Die Endsehne wird etwa in der
Mitte der Länge des Muskels zuerst am oberen Rande und an der hinteren
Fläche desselben frei; sie heftet sich platt an eine Rauhigkeit der lateralen
Fläche des Radius (Knl. Fig. 213 pt).
Der Nerv, ein Ast des N. medianus, senkt sich in den Muskel von der
hinteren Fläche her, nahe am Ursprunge, in der Mitte seiner Höhe.
Die Varietäten des M. pronator teres bestehen hauptsächlich in Ausbreitung
des Ursprunges, so dass derselbe am Armbeine aufwärts rückt oder am unteren
Rande von der Oberfläche des M. flexor dig. subl. Zuwachs erhält. Der Ursprung
am Oberarme kann sich verdoppeln, so dass der zweite Kopf entweder bedeckt
von dem normalen oder nach oben neben demselben zu liegen kommt, im letz-
teren Falle durch eine mehr oder minder weite Spalte von demselben getrennt
(Gruber, Neue Anomal. S.28. Taf. I— VI.). Die vollkommenste Entwickelung
dieser Varietät, wobei der M. pronator teres zu einem breiten, dicken, mit Aus-
nahme einer Lücke zum Durchtritt des Gefäss- und Nervenpackets ungetheilten
Muskel wird, ist nach Gruber mit der Entwickelung eines Processus supracon-
dyloideus am Oberarıne verbunden (s. Knl. S. 220). Nuhn (Untersuchungen und
Beobachtungen aus dem Gebiete der Anatomie S. 20. Taf. III. Fig. 1), der diese
Varietät ebenfalls gesehen und abgebildet hat, erwähnt indess eines solchen ano-
malen Knochenfortsatzes nicht, sondern sah vielmehr die obere, die Lücke be-
grenzende Partie des Muskels von einem Sehnenbogen abgehen, welcher hinter
der Arterie und dem Nerven auf dem M. brach. int. schräg nach oben und innen
in die Höhe ging und theils am Lig. intermusculare int., theils am inneren Rande
des Oberarmes befestigt war. Einen zweiten Kopf, vom medialen Winkel der
Ulna ausgehend, erwähnt Brugnone (bei Meckel S. 524). Das tiefe Ursprungs-
fascikel kann sich in der ganzen Länge getrennt erhalten (Albin).
Der M. pronator teres hat ausser der augenfälligen pronirenden Wirkung
noch eine beugende, die dann eintritt, wenn die Zusammenziehung nach vollen-
deter Pronation weiter geht, vielleicht aber auch bei der Beugung des Vorder-
armes in supinirter Haltung mit zu Hülfe genommen wird, wenn die supinirende
Nebenwirkung des M. biceps brachii und die pronirende des M. pronator teres
einander aufheben.
2. M. radialis internus Ri).
Sein spindelförmiger Bauch entspringt, ausser vom medialen Epicon-
dylus, zwischen zwei Sehnenstreifen, von welchen der laterale andererseits
durch die Ursprünge des Pronator teres, der mediale andererseits durch die
Ursprünge des M. flex. dig. subl. eingenommen ist. Unter spitzem Winkel
von den Fasern der beiden genannten Muskeln divergirend und abwärts
convergirend, zuweilen durch Fasern vom tiefen Kopfe der gemeinsamen
Ursprungsmasse verstärkt, setzen sich die Fasern des Rad. int. oberhalb der
Mitte des Unterarmes in eine zuerst platte, dann platt eylindrische Sehne
fort, welche steil lateralwärts und oberflächlich zum unteren Ende des Ra-
dius und weiter in einer eigenen Scheide zur Vorderfläche der Basis des
zweiten Mittelhandknochens herabläuft, an die sie sich ausgebreitet ansetzt.
Die Scheide, von eigenthümlichen ringförmigen Fasern und von einer
auf- und abwärts geschlossenen Vagina mucosa ?) ausgekleidet, wird median-
l
!) M. rad. anticus. M. flexor carpi radialis. Innerer Speichenmuskel. Speichenbeuger
der Hand, Grand palmaire Bichat.
®) Bursa radialis intern Monro.
Palmaris longus. 191
wärts begrenzt vom tiefen Ursprunge des Lig. ce. volare proprium; ihre la-
Fie. 93.
IM
|
N)
j)
v
Muskeln des Vorderarmes, erste
Schichte. B M. biceps. Bi M. bra-
chialis int. R Gruppe der radialen
Muskeln. Pb M. palmaris br.
terale Begrenzung bildet auf dem un-
teren Ende der Unterarmknochen das
Lig. ecarpi comm., in der Handwurzel
die Rinnen des Kahn- und Trapezbeines,
an der Basis des Mittelhandknochens
des Daumens der Daumenursprung des
Lig. carpi vol. propr. (Bänderl. Fig.
33 — 86).
Der Nerv kommt, in Verbindung
mit dem Nerven des M. palmaris long.,
vom Stamme des Medianus zwischen
Sehnenfasern des M. pronator teres
oder des Flex. dig. subl. zur hinteren
Fläche des Muskelbauches.
Var. Die Insertionssehne giebt Fa-
sern an das Trapezbein (Albin), an die
Basis des dritten und selbst des vierten
Mittelhandknochens. Sie beschränkt sich
auf die Insertion an das Lig. carpi vol.
propr. und das Kahn- und Trapezbein
(Fleischmann a. a. O. S. 25).
3. M. palmaris longus Pri)
Sein schlanker, spindelförmiger
Bauch liegt in einer seichten Rinne, an
deren Bildung die einander zugekehr-
ten Ränder des M. rad. int. und flex.
dig. subl. sich betheiligen und nimmt
an seiner hinteren Fläche Fasern von
der aponeurotischen Decke der beiden
genannten Muskeln auf. Ungefähr in
gleicher Höhe wie der Bauch des Rad.
int. geht er in eine dünne, platt cylin-
drische Sehne über, welche der Sehne
des Rad. int. fast parallel und ebenso
oberflächlich abwärts geht, in der Nähe
des Handgelenkes sich abplattet und
radialwärts ausbreitet und sich zwischen
dem Daumen- und Kleinfingerballen,
dem ersteren näher, über dem Lig. carpi
comm. hinweg, theils in die Muskeln
des Daumenballens, theils in die Volar-
Aponeurose fortsetzt. Eine kurze Strecke
weit ist sie als ein besonderes Blatt
von dem am Lig. carpi v. propr. ent-
springenden Blatte dieser Aponeurose
trennbar.
!) Langer Hohlhandmuskel, Handsehnenspanner. Palmaire grele Cruv.
3. Palmaris
longus,
4. Ulnaris
int.
192 Ulnaris int.
Var. Dass der M.palmaris zu den minder beständigen gehört, wurde bereits
erwähnt; so zeigt er auch manche Varietäten der Form: die Sehne liest am
oberen, der Muskelbauch am unteren Ende, oder der Muskelbauch nimmt das mitt-
lere Drittel der Länge zwischen einer oberen und unteren Sehne ein. Ich sah
den Palın. longus fleischig vom oberen bis zum unteren Ende; die Ursprungs-
sehne reichte am radialen Rande bis zur Mitte hinab, die Insertionssehne am ul-
naren Rande bis zur Mitte hinauf, und die Muskelfasern gingen unter spitzen Win-
keln von der Einen Sehne zur anderen. In einem Falle, welchen Dursy in Hei-
delberg notirte, war der Muskel auf eine lange schmale Sehne reducirt, welche
vom medialen Epicondylus entsprang und wie gewöhnlich in die Aponeurose endete;
ich sah eine ähnliche Sehne, 1‘ über dem Handgelenke, aus der Fascie entsprin-
gen. Oefters soll der M. palmaris durch eine Sehne, die der Flexor dig. sublim.
abgiebt, vertreten werden. Von Varietäten der Insertion ist zu erwähnen, dass
der M. palmaris long. unter dem Lig. carpi vol. propr. hinweg in die Hohlhand
tritt und sich mit einer Sehne des Flex. dig. subl. oder auch des Flex. dig. prof.
(Fleischmann, Abhandl. der physikal. med. Soc. zu Erlangen. Bd.I. S. 25)
verbindet oder an die Ulna oder an Knochen der Handwurzel inserirt; in anderen
Fällen zweigen sich Bündel von ihm ab, die in die oberflächlichen oder tiefen
Muskeln des Kleinfingerballens übergehen.
Der M. palm. 1. verdoppelt sich in verschiedener Weise. Der accessorische
Muskel liegt oberflächlich und ulnarwärts neben dem normalen und endet eben-
falls in der Fascie der Hand oder am Kleinfingerballen (Quain, the arteries
Tab. 45. Gruber, Abhandl. aus der menschl. und vergl. Anat. S. 124); oder der
accessorische Muskel nimmt eine tiefere Schichte ein und erweist sich als Palmaris
durch die Endigung im Lig. carpi volare; er entspringt vom Radius an dessen
Tuberosität (Jansen, nederlandsch lancet. 1850. Jan. p. 431) oder weiter unten
mit dem Radiuskopfe des M. flex. dig. sublim. (eigene Beobachtung), oder vom
Proc. coronoid. der Ulna (Meckel). Die accessorischen Palmares können bezüg-
lich der Lage des Muskelbauches dieselben Varietäten zeigen, wie die normalen.
Auch kommt der tiefe accessorische Muskel bei Mangel des normalen und dem-
nach als dessen Stellvertreter vor.
4. M. ulnaris int. Ui).
Der M. ulnaris int. entspringt mit Einem Kopfe am Armbeine (Fig. 94
Ui), mit dem anderen, Ui?. an der Ulna; beide Köpfe begrenzen, in-
dem sie gleich am Ursprunge zusammenfliessen, einen engen Schlitz, durch
welchen der N. ulnaris aus der Rinne an der Rückenfläche des medialen
Epicondylus an die Vorderfläche des Unterarmes gelangt.
Der Armbeinursprung ist platt eylindrisch und schmal; er entsteht aus dem
medialen Theile der gemeinsamen Ursprungsmasse, angrenzend an den M.
flexor dig. sublimis und eine kurze Strecke weit mit demselben verbunden,
indem entweder die Fasern beider Muskeln von einem gemeinsamen Sehnen-
blatte abgehen oder die Fasern des Ulnaris auf der aponeurotischen Decke
des Flexor sublimis wurzeln.
Der Ulnarkopf ist platt, membranös; sein Ursprung reicht vom media-
len Rande des Olecranon, wo er fast mit der Sehne des Triceps zusammen-
stösst, bis zur unteren Grenze des mittleren Drittels des Körpers der Ulna.
In dieser ganzen Länge entwickelt er sich von der hinteren Kante des
D) M. flexor carpi ulnaris. Ellenbogenbeuger der Hand Innerer Ellenbogenbeuger.
Innerer Ellenbogenmuskel. Cubital anterieur Cruv.
Flexor digit. subl. 193
Knochens durch Vermittelung eines festen Sehnenblattes, welches sich über
die Ursprünge der Muskelfasern hinweg auch in die Unterarmfaseie fort-
setzt und demnach so anzusehen
ist, als sei es aus einer Verschmel-
zung der Fascie und einer mem-
branartigen Sehne des Ulnaris
int. hervorgegangen. Die Mus-
kelbündel lösen sich von der in-
neren Fläche dieses Sehnenblattes
in einer schrägen, mit dem un-
teren Ende dem Knochen sich
annähernden Linie.
Die Muskelfasern des Arm-
beinkopfes gehen fast gerade, die
des Ulnarkopfes schräg lateral-
abwärts, um so geneigter, je tie-
fer sie entspringen; jene umfas-
Ellenbogengelenk, von der medialen Seite. Der am Z v 2 N
Condylus int. entspringende Kopf des M. uln. int. SEN die platt cylindrische Inser-
Ui1 durchschnitten und zurückgeschlagen. Vi2 tionssehne des Muskels, die hoch
Ulnarursprung des M. ulnaris int. A Sehne des en . x
M. ext. triceeps. Bi Sehne des M. brachial. int. oben frei wird und dann die Fa
B Sehne des Biceps. Nu N. ulnaris. sern des Ulnarkopfes, an dessen
vorderem (lateralem) Rande sie
herabläuft, suecessiv unter spitzem Winkel aufnimmt. Sie inserirt sich an
das Erbsenbein und mit einem grossen Theile ihrer Fasern, die sich dem
Lig. pisometacarpeum beimischen (Bdl. S. 102), an den fünften Mittelhand-
knochen.
Die Nerven stammen vom N. ulnaris; der Zweig zum Arbeinkopfe
tritt dicht unter dem Ursprunge desselben ein; ein anderer Zweig läuft an
der Vorderfläche des Ulnarkopfes, etwa in der Mitte seiner Breite, herab.
Monro gedenkt eines kleinen Schleimbeutels, Bursa ulnaris interni
(Taf. V. Fig. 2 e), zwischen der Sehne und dem Erbsenbeine.
Am oberen Rande des Schlitzes zwischen den Ursprüngen beider Köpfe, durch
welchen der N. ulnaris hindurchgeht, sah ich einmal zarte Muskelbündel quer
vom medialen Epicondylus zur Ulna gespannt.
Die Insertionssehne giebt mitunter Fasern in das Lig. carpi volare, welche
auch wohl zum Ersatz eines fehlenden M. palmaris longus dienen.
5. M. flexor digit. sublimis F'ds)).
Er ist in ähnlicher Weise zweiköpfig, wie der M. ulnaris int., doch
nimmt der accessorische platte Unterarmkopf am Radius seinen Ursprung
und begrenzt mit dem mächtigen Armbeinkopfe eine grosse ovale Lücke,
durch die der Stamm des N. medianus in die Tiefe geht, um zwischen bei-
den Fingerbeugern weiter zu verlaufen.
Der Armbeinkopf, der in der ganzen Breite der oberflächlichen Ur-
') M. flexor dig. supenficialis s, perforatus. Überflächlicher oder durchbohrter Finger-
beuger. Flechisseur superficiel ou sublime Cruv.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 3. 13
5. Flex. dig.
snbl.
194 Flexor digit. subl.
sprungsmasse und zwar von deren tiefem Sehnenblatte entspringt, theilt sich
alsbald in zwei mehr oder minder scharf gesonderte Portionen, eine laterale
Fas®
Fds?
Fas?
Unterarm, vordere Fläche. M. pronator
teres, radialis int. und palmaris long.
zum Theil ausgeschnitten. * Ursprungs-
masse derselben. Pt' Umgeschlagenes
Insertionsende des M. pronat. teres. Ri,
Pl Insertionssehnen des M.rad. int. und
palmaris long. Ui M. ulnar. int.
B M. biceps.
und oberflächlicher gelegene, welche
sich weiterhin in die beiden Bäuche
theilt, aus welchen die Sehnen für den
dritten und vierten Finger hervorgehen,
und eine mediale, tiefere, die den Sehnen
des zweiten und fünften Fingers den
Ursprung giebt. Die für den Mittel-
finger bestimmte, laterale Sehne der
oberflächlichen Portion (Fig. 95 F'ds?) ist
es, mit der sich der platte Radialkopf
verbindet, dessen Fasern von der vor-
deren Kante etwa des mittleren Drit-
tels des Radius in continuirlicher oder
unterbrochener Reihe ausgehen und
sich, schräg medianwärts absteigend,
die untersten in der Gegend des Hand-
gelenkes an den lateralen Rand der
genannten Sehne anheften. Die Sehne
des vierten Fingers tritt unter der
Mitte des Unterarmes aus ihrem spin-
delförmigen Muskelbauche hervor; sie
nimmt selten am medialen Rande einen
platten Kopf von der Ulna, aber regel-
mässig an ihrer hinteren Fläche Mus-
kelbündel von der tiefen Portion auf,
oft in solcher Menge, dass sie den we-
sentlichen Theil des Muskels bilden
und der Ursprung aus der oberfläch-
lichen Portion dagegen zurücktritt.
Sehr häufig tauschen die beiden ober-
flächlichen Bäuche einzelne, schräg
absteigende Bündel gegen einander aus.
Die tiefe Portion ist ein einfacher,
kegelförmiger, abwärts zugespitzter
Bauch, welcher alsbald in eine, von dem
Muskelfleische der oberflächlichen Por-
tion gedeckte, starke, platteylindrische
Sehne übergeht (Fig. 96). Diese liest
eine kürzere oder längere Strecke frei, dann verbirgt sie sich zwischen drei,
nach verschiedenen Richtungen von ihr abgehenden Muskelbäuchen. Der
Eine begiebt sich, wie bereits erwähnt, vorwärts zur Beugesehne des vierten
Fingers; von den beiden anderen geht der stärkere mit lateral-abwärts, der
schwächere mit median-abwärts gerichteten Fasern je an eine platt-cylin-
drische Sehne, die Beugesehnen des zweiten und des fünften Fingers.
Die Sehnen gehen unter dem Lig. carpi vol. propr. in die Hohlhand.
Ihre Lage in der Hand und die Art ihrer Insertion an der Basis der Mittel-
Flexor dig. prof. ; 195
phalange der betreffenden Finger wird mit der Muskulatur der Hand be-
schrieben werden. F
Der oberflächliche und tiefe Kopf des Flexor subl. des dritten Fingers
erhält seinen Nerven nahe am Ursprunge aus dem Stamme des Medianus;
die Nerven für den Flexor des vierten und fünften Fingers gehen zwischen
Bündeln des Mittelfingerkopfes in die Tiefe. Der Zeigefingerkopf erhält
einen besonderen Zweig aus dem N. medianus im unteren Drittel des
Armes.
Var. .Ein Theil des M. flex. dig. subl. entspringt vom Pronator teres (Otto,
seltene Beobachtung Heft I. S. 90). Der Flexor des Mittelfingers erhält einen
schmalen, platten Kopf von der Tuberosität des Radius, oder er erhält, gleich dem
vierten, Fasern von der tiefen Portion. Die tiefe Portion geht ganz auf in den
Kopf für den vierten und zweiten Finger; der fünfte Finger erhält keine Sehne
vom Flexor sublimis. In einem solchen Falle fanden Moser (Meckel’s Archiv.
Bd. VII. S. 231) und Theile (S. 269) einen oberflächlichen Beuger des kleinen
Fingers, der von der inneren Fläche des Lig. carpi vol. propr. und der Fascia
palmaris entsprang.
II. . Tiefe Muskeln.
* Erste Schichte.
1. M. flexor digit. profundus Fdp N.
Das Fleisch des Flex. dig. prof. besteht aus vier Portionen von ziem-
lich gleicher Gestalt und Stärke, von welchen die beiden mittleren, dem
dritten und vierten Finger entsprechend, in der Regel am Ursprunge durch
Austausch von Fasern mit einander verschmolzen sind, während sich die
äusseren, die des zweiten und fünften Fingers, gesondert erhalten. Nicht
selten lassen sich alle vier Portionen vollständig von einander trennen.
Ihr Ursprung reicht vom oberen Ende der Ulna bis in die Nähe des
oberen Randes des M. pronator quadr. Sie sind sämmtlich platt, oben
mächtiger als unten, aus Reihen von Bündeln zusammengesetzt, welche vor-
und abwärts und von den Rändern des Armes her convergirend zu den
Sehnen verlaufen, die auf der vorderen Fläche des Muskels herabgehen und
die letzten Muskelfasern erst am Handgelenke aufnehmen (Fig. 96 a. f. S.)
Die obersten Fasern steigen steiler abwärts als die übrigen; nicht selten
gleicht die eine oder andere Portion einem zweiköpfigen Muskel, wenn
eine Lücke den oberen, diekeren, mehr kegelförmigen Theil von dem unteren
platten Theile scheidet.
Die Zeigefingerportion reicht aufwärts bis zur Insertion des M.
brachialis int., sie entspringt vom Lig. inteross. dicht an der Ulna und von
der Vorderfläche der Crista interossea der letzteren.
Die Mittelfingerportion nimmt ihren Ursprung auf der Sehne des
M. brachialis int., dann auf der Vorderfläche der Ulna, medianwärts neben
der Crista interossea und nur ganz unten vom Lig. interosseum.
Die Portion für den vierten Finger entspringt neben der vori-
gen von der Vorderfläche der Ulna, mit den obersten Fasern auch von
I) M. f. d. perforans.
I. Tiefe
Muskeln.
* Erste
Schichte.
1. Flex. dig.
prof.
196 Flexor dig. prof.
der Sehne des M. ulnaris int., am unteren Ende mit einigen Bündeln vom
Fig. 96. Lig. inteross. und von
der medialen Fläche
der Ulna.
Die Kleinfin-
gerportion entsteht
zwischen den ober-
sten und untersten
Fasern der vorigen
von der Vorderfläche
der Sehne des M. ul-
Ui naris -int. und von
der medialen Fläche
der Ulna.
Die Sehnen sind
durch festeres Binde-
gewebe verbunden,
als die des Flexor
dig. subl., und insbe-
sondere hängen die
Fap4 Sehnen des dritten,
vierten und fünften
Fingers genau zu-
sammen. Mit und
Fdp5 unter (hinter) den
Sehnen des M. flexor
dig. subl. gehen sie
N in die Hohlhand und,
\ die oberflächlichen
Sehnen durchboh-
iTES\ rend, zur Basis der
# WR, ZmMNN N
Y 7 IN Endphalange.
ER Dem Zeigefinger-
a» Ale on kopfe sendet der Ram.
erarm, Vorderfläche, die oberflächlichen Muskeln am Hand- ia-
gelenke abgeschnitten und umgelegt. Der Armbeinkopf des = er
Ulnaris int. (Vi) durchschnitten. Fds M. flexor dig. subl. MUS in der Mitte des
Fdp M. flex. dig. prof. FpIM, flex. poll. long. Vorderarmes einen
Pg M. pronator quadr. Zwei g zu; die übri-
gen Köpfe erhalten hoch oben ihre Zweige vom N. ulnaris. Einmal sah
ich den Mittelfingerkopf ausser vom Ulnaris auch durch einen Zweig des
N. medianus versorgt.
ZI
=
, Var. Statt des Flexor poll. longus erhält die Zeigefingerportion des Flex.
dig. prof. einen schmalen Kopf aus der Ursprungsmasse der oberflächlichen Mus-
keln. Ein vom Flex. poll. long. in der Gegend der Handwurzel sich abzweigen-
der Muskelbauch verbindet sich durch seine Sehne mit der Sehne der Zeigefinger-
portion (Gantzer bei Meckel S. 527). Die Zahl der Bäuche ist vermehrt, der
überzählige giebt?zu zwei Fingern Sehnen ab (Arnold).
Flexor pollieis long. 197
-
|
Al
ZA
Nj !
ı
il
we r
ISS>>ISS
— ss
SS
>
Ober- und Unterarm von vorn. Vergl. Fig. 87.
2. M. flex, poll. long. Fp1)).
Der M. flexor poll. long.
entspringt unter und neben
dem Radialkopfe des Flex.
dig. subl. bis herab zum obe-
ren Rande des Pronator qua-
dratus an der Vorderfläche
des Körpers des Radius und
dem angrenzenden Theile des
Lig. interosseum; dann, plötz-
lich verdünnt, an der vorde-
ren Kante des Radius, neben
dem Pronat. quadr. und etwa
bis zur Hälfte der Höhe die-
ses Muskels (Fig. 98). Die
Sehne des M. flex. poll. long.
läuft am vorderen, medialen
Rande des Muskels, und die
Fleischfasern steigen schräg
und ziemlich parallel zu der-
selben herab.
Sehr häufig kommt zu dem
eben beschriebenen Kopfe ein
zweiter, platter und schma-
ler 2), welcher mit den ober-
flächlichen Muskeln und zwar
bald aus der oberflächlichen,
bald aus der tiefen Ursprungs-
masse derselben, bald aus bei-
den zugleich entsteht und in
eine dünne, mit der Sehne des
beständigen Kopfes zusam-
menfliessende Sehne übergeht
(Fig. 97 FpLV).
Der Nerv, ein Ast des R.
prof. N. mediani läuft mit
zwei Zweigen an der hinteren
und vorderen Fläche des Mus-
kelbauches herab.
I) M. flexor poll. proprius I.
2) Fasciculus exilis Langenbeck.
.2. Flex.
poll. long.
198 Pronator quadr.
Var. Der Raum zwischen dem schmalen Kopfe vom medialen Epicondylus
und dem breiten Kopfe vom Radius wird durch eine oder einige von der Sehne
des M. brachialis int. oder von der Tuberosität des Radius kommende, schmale
Köpfe (Fig. 97 Fp!“) ausgefüllt. Wegen des Zusammenhanges mit dem M. flex.
digit. prof. s. diesen. In einem von Moser (Meckel’s Archiv. Bd. VI. S. 230)
mitgetheilten Falle bezog der M. flex. poll. long. einen Kopf von der Oberfläche
des M. pronator teres.
** Zweite Schichte.
M. pronator quadratus Py 1).
** Zweite Vierseitie, platt, das untere Drittel der Unterarınknochen und also
5: P
Schichte. A
Pronat. auch das untere Radio-Ulnargelenk
RUAAT, von vornher deckend, von der vor-
deren Kante der Ulna zur Vorder-
fläche des Radius. Die Fasern ver-
laufen meist parallel, transversal;
sie sind, je oberflächlicher, um so
länger, die oberflächlichsten vom
Ursprunge an eine Strecke weit
sehnig.
Der Endzweig des Ram. pro-
fund. N. mediani tritt von der
Mitte der hinteren Fläche in den
Muskel ein.
Var. Fehlte Einmal (Meckel).
Zerfällt in zwei Schichten von ver-
schiedenem, unter spitzem Winkel ge-
kreuztem Faserverlaufe.
Durch seine straffe Verbindung mit
der äusseren Fläche der Kapsel des
ı unteren Radio - Ulnargelenkes regulirt
3 der M. pronanator quadratus die Fal-
tung dieser Kapsel bei den Pronations-
Unteres Ende des Unterarmes von vorn, die bewegungen.
Beugemuskeln entfernt. M. flex. poll. long.
(Fpl) abgeschnitten und zur Seite gelegt Der
Pron. quadr. am Ursprunge und der Insertion
abgeschnitten, Br Sehne des M. brachiorad. ») M. pr. inferior Meckel. Viereckiger
Vorwärtswender. (Carre pronateur Oruv.
Brachioradialis. 199
ß. Muskeln des radialen Randes.
Sie entspringen, drei an der Zahl, am unteren Drittel des Oberarmes
und am oberen Drittel des Unterarmes in fast continuirlicher Reihe, jedoch
so, dass der obere Rand jedes tieferen Muskels den unteren Rand des
nächst oberen von hinten her deckt, zu oberst vom lateralen Lig. inter-
musculare, dann von der lateralen Kante des Armbeines und, gemeinschaft-
lich mit den oberflächlichen Muskeln der Streckseite, von der rauhen Vor-
derfläche des lateralen Epicondylus und von einem, von diesem Epicondylus
aus abwärts sich erstreckenden, mit der Kapsel des Ellenbogengelenkes ver-
wachsenen Sehnenblatte;; endlich von einem freien, aufwärts concaven fibrö-
sen Bogen, welcher von der Kapsel ausgeht und vorn in die Fascie des
Supinator sich verliert. Die Bäuche sämmtlicher Radialmuskeln sind platt
oder, bei besonders starker Muskulatur, prismatisch. Indem sie sich, dicht
aneinander gefügt, schräg ab- und vorwärts um den Arm winden, füllen
sie die oben erwähnte Rinne des M. brachialis int. aus und bedecken am
Unterarme die vordere Fläche des Radius. Am mittleren Drittel des Unter-
armes gehen sie der Reihe nach und in der Ordnung, wie sie am Armbeine
entspringen, in platte Sehnen über und gegen das untere Ende des Unter-
armes trennen sich diese Sehnen von einander, indem die Sehne des ober-
sten Muskels, des M. brachioradialis, über dem M. abductor poll. long.
zum Rande und zur Vorderfläche des Proc. styloid. radii geft, während die
Sehnen der beiden anderen Muskeln, der Mm. radiall. extt. long. und brevis,
unter dem genannten Daumenmuskel weg und durch eine besondere, vom
Lig. carpi commune überbrückte Scheide sich auf die Rückenfläche der
Hand zur Basis des zweiten und dritten Mittelhandknochens begeben.
Die Sehnen der Mm. radiales externi sind bis an das Lig. carpi com-
mune durch straffes Bindegewebe an einander befestigt und die unterste ist
durch ein schleimiges Bindegewebe mit dem Knochen verbunden. In der
vom Lig. carpi ecommune überbrückten Rinne des Handgelenkes, in welcher
sie gemeinschaftlich eingeschlossen sind, werden sie von einer langgestreckt-
eiförmigen Synovialscheide 1) umgeben, welche sich vom oberen Rande des
genannten Ligamentes bis in die Nähe der Insertion der Sehnen erstreckt.
Eine durchbrochene zarte Platte, die von der Knochenrinne zu dem die
beiden Sehnen verbindenden Bindegewebe aufsteigt, theilt die Scheide un-
vollkommen in zwei Fächer. Ihre Nerven erhalten die radialen Muskeln
vom Stamme des N. radialis, der M. brachioradialis nach oberhalb des
Ellenbogengelenkes, die Mm. radiales ext. dicht unterhalb desselben.
1. M. brachioradialis Sömm. Br?)
Entspringt mit einigen Bündeln fleischig aus dem Lig. intermusculare
laterale und mit der Hauptmasse kurzsehnig an der lateralen Kante des
») Bursa vaginalis vadialis comm. inf. Monro.
2) M. supinator longus aut. Langer Rückwärtswender oder Dreher. Armspeichen-
muskel.
P. Radiale
Muskeln.
1. Brachio-
radialis.
200 Brachioradialis.
Armbeines oberhalb des Epicondylus (Fig.99. 100). Der Muskel ist gleich
Fig. 99. Fig. 100.
Oberarm, exarticulirt, laterale Fläche. D M.del- Unterarm und Hand, Rückenfläche, Ag
toideus. Tmj M.teresmaj. AI M.ancon. long. M.ancon. quart. Ve M, uln. ext. Egp
sämmtlich vom Ursprunge abgeschnitten. Ad, M. extens. dig. quinti proopr. Ede M.
Ab M. ancon. br, vertical durchschnitten und ext. dig. comm. Ap2 M. abd. poll. long.
nach beiden Seiten zurückgeschlagn. Ai M. Epb, Ep! M. extensor poll. brev. und
ancon. int. Ag M. ancon. quart. Nr N. ra- long. Eip Sehne des M, extensor
dialis. Nr‘ Hautast desselben, ind. propr.
Bi M, brach. int.
Radialis ext. long. 201
unterhalb des Ursprunges hoch dreiseitig prismatisch, mit einer vorderen, einer
hinteren und einer schmalen und etwas ausgehöhlten unteren Fläche, welche
letztere auf dem wulstigen oberen Rande des Radialis ext. long. ruht. Indem
die Kante, in der seine vordere und hintere Fläche oben zusammenstossen, sich
allmälig in dem Maasse abflacht, als die untere Fläche breiter wird, legt er
sich platt auf die Vorderfläche des Unterarmes mit scharfen, median- und
lateralwärts schauenden Rändern. Der mediale Rand ist durch Vermitte-
lung der Faseie über den Vasa radialia an den lateralen Rand des M. radia-
lis int. herangezogen.
Die Insertionssehne beginnt auf der hinteren Fläche des Muskels in
der ganzen Breite desselben, wird unter der Mitte des Unterarmes frei und
schmal, breitet sich dann aber in der Nähe der Insertion wieder aus, um
die Fläche des Proc. styloid. radii, in welcher die Sehnen des Abductor
und Extensor br. pollieis sich bewegen, auszukleiden (Fig. 98).
Vom lateralen Rande des Muskelbauches verlieren sich einige Fleisch-
fasern in die Fascie der Rückseite des Unterarmes; die Insertionssehne
hängt an den Rändern der Rinne, die sie auskleidet, mit dem Lig. carpi
comm. und weiter oben mit der Fascie des M. pronator quadr. zusammen.
Var. Er fehlt an beiden Extremitäten (eigene Beobachtung). Er kann in
der ganzen Länge in zwei Portionen getrennt sein, die sich erst in der Insertions-
sehne vereinigen. Ein accessorischer M. brachioradialis entspringt breit und dick
neben und über dem Ursprunge des normalen und geht zwischen diesem und den
Mm. radiales in die Tiefe, theils in den M. supinator über, theils an den Radius
— ein wirklicher Supinator — (Gruber, Müller’s Archiv. 1848. S. 428).
Es ist leicht, sich zu überzeugen und auch nunmehr allgemein anerkannt, dass
der M. brachioradialis den Vorderarm auch aus der äussersten Pronation nicht zu
supiniren vermag. Er ist reiner Beuger des Vorderarmes.
2. M. radialis ext. long. Rel)).
Sein Ursprung erstreckt sich bis zur Spitze des lateralen Epicondylus
herab, an welcher er mit dem gleichnamigen kurzen Muskel verwachsen ist;
aufwärts reicht er zuweilen an das Lig. intermusculare. Der Muskelbauch
deckt das Capitulum des Armbeines; seine Fasern convergiren gegen die
Insertionssehne, welche, anfänglich breit und platt, sich zuerst am lateralen
Rande und an der inneren Fläche des Muskels zeigt und am oberen Ende
des mittleren Drittels des Unterarmes völlig frei wird. In der Scheide des
Lig. carpi comm., die ihr und der Sehne des Rad. ext. brevis gemein ist,
liegt sie über der letzteren und befestigt sich, etwas ausgebreitet, an die
Basis des zweiten Mittelhandknochens (Fig. 100).
Var. Nimmt ein Bündel vom M. rad. ext. br. auf. Theilt sich in zwei Seh-
nen, von welchen die Eine mit dem M. radialis ext. br. zum dritten Mittelhand-
knochen verläuft.
) M. extensor carpi rad. longus. Langer äusserer Speichenmuskel. Langer Speichen-
strecker. Premier radial externe Cruv.
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
2. Rad. ext.
long.
292," Radial. ext. br.
3. M. radialis ext. brevis Reb).
3. Rad, ext. Entspringt mit der Masse der oberflächlichen Streckmuskeln vom Epi-
condylus und der Kapsel des Ellenbogengelenkes und gemeinschaftlich mit
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Bi M. brachialis int. vorwärts umgelegt.
Pt Insertionssehne des M. pronator teres,
4ApI! M. abductor poll, long. zurückgeschlagen.
Fig. 101.
Die Mm. brachioradialis und’ rad. ext. long. dicht am Ursprunge abgeschnitten,
Ede M. ext. dig. comm. $u M. supinator.
Epl, Epb _M. extens. poll. long. und br.
von der Insertionssehne abgetrennt und zurückgeschlagen.
Arm von vorn ın Pronation,
M. biceps.
\) M. extensor carpi radialis br. s. secundus. Kurzer äusserer Speichenmuskel. Kurzer
Speichenstrecker. Second radial externe.
Radial. ext. br. 203
dem M. ext. dig. comm. von einem Sehnenstreifen, der bis ans Ende des oberen
Drittels und selbst bis zur Mitte des Unterarmes herabreicht. Nach vorn
setzt sich der Ursprung der Fasern auf den oben erwähnten fibrösen Bogen
fort, der einerseits an der Seitenfläche der Kapsel, andererseits durch Ver-
mittelung der Fascie des Supinator an der Vorderfläche der Kapsel fest-
sitzt und von unten her eine Lücke begrenzt (Fig. 101*), durch die der
tiefe Zweig des N. radialis zum Supinator und Zweige der Vasa recurr.
radialia unter die Radialmuskeln und zum Gelenke gelangen. Die an die-
sem fibrösen Bogen entspringenden -Muskelfasern gehen gerade abwärts, die
weiter hinten entspringenden schräg ab- und um den Rand des Armes
herum vorwärts an eine Sehne, die zuerst am medialen Rande und auf der
Vorderfläche des Muskels sichtbar und am unteren Ende des mittleren Drit-
tels des Unterarmes frei wird und, theilweise gedeckt von der Sehne des
M. rad. ext. long., zur Basis des dritten Mittelhandknochens verläuft.
Theile gedenkt eines Schleimbeutels zwischen dem Ursprunge des
M. rad. ext. br. und dem M. supinator; ein anderer findet sich zuweilen
unter der Insertion der Sehne am Mittelhandknochen.
Var. Fehlt oder ist so mit dem M. rad. ext. long. verwachsen, dass der letz-
tere zwei Sehnen abzugeben scheint. An einem Arme, an welchem der M. ext.
rad. long. dem zweiten und dritten Mittelhandknochen Sehnen gab, sah Berg-
mann (Handschr. Notiz) auch den M. rad. ext. br. in zwei Sehnen enden, eben-
falls zum zweiten und dritten Mittelhandknochen.
Neben der Bestimmung, die Hand zu strecken und, in Verbindung mit dem
M. radialis int., sie radialwärts zu beugen, muss der M. radialis ext. long. auch
eine Wirkung auf das Ellenbogengelenk haben, welche von den meisten Autoren
für eine beugende, von Sharpey für eine streckende erklärt wird. Der M. rad.
ext. brevis muss bei der Beugung im Ellenbogengelenke thätig sein, um die Kapsel
zu spannen und vorwärts von den Knochen abzuheben.
y. Muskeln der Rückseite.
Sie liegen in zwei Schichten, deren Fasern im Allgemeinen einander
unter spitzem Winkel kreuzen, indem die Muskeln der oberflächlichen
Schichte von der Gegend des lateralen Epicondylus, wo sie mit den Mus-
keln des radialen Randes zusammenstossen, mehr oder minder steil median-
abwärts verlaufen, während die Muske!n der tieferen Schichte von der Ulna
und dem Radius her lateral-abwärts ziehen. Die Muskeln der oberfläch-
lichen Schichte inseriren sich an den Ulnarrand des Unterarmes und der
Hand und an die Finger vom fünften bis zum zweiten; die Muskeln der
tiefen Schichte inseriren sich an den Radialrand des Unterarmes und der
Hand und an die zwei lateralen Finger. Daher werden die tiefen Muskeln
unterhalb der Mitte des Unterarmes, wo die oberflächlichen und die radialen
auseinander weichen, zwischen diesen beiden Muskelgruppen sichtbar; sie
kommen neben dem lateralen Rande der ersteren zum Vorschein und treten,
einer nach dem anderen, schräg über die Sehnen der Mm. radiales ext.
hinweg (Fig. 102 a. f. S.).
Die Muskeln der Rückseite des Unterarmes sind, jeder besonders, in
einem festen, fibrösen Fachwerke eingeschlossen, welches dadurch entsteht,
dass die oberflächliche Fascie mit derjenigen, die die tiefen Muskeln deckt,
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
Y-. Muskeln
der Rück-
seite.
204 Muskeln der Rückseite.
und diese wieder mit dem Lig. interosseum durch Blätter in Verbindung
steht, die zwischen je zwei Muskeln in die Tiefe dringen. In den Fächern
FE
3
Unterarm und Hand, Rückenfläche. Ag
M. ancon. quart. De M, ulnaris ext.
Egp M.extens. dig. quinti propr. Apl
M. abd. poll. long. Epb, Ep!M. ext.
poll. brev. und long. Eip Sehne des
M. ext. ind. propr.
liegen die Muskelbäuche unverrückbar
fest; von der inneren Fläche der
Fächer entspringen in variabler Zahl
Muskelbündel, welche sich an die
vom Knochen stammenden Bäuche an-
legen und sie verstärken. So gleiten
auch die bis zum Handgelenk und
über dasselbe hinausreichenden Sehnen
in röhrenförmigen Fächern, welche
durch stellenweise Verwachsung des
Lig. carpi comm. mit Leisten an den
unteren Enden der Unterarmknochen
gegen einander abgeschlossen werden.
In der oberen Schichte liegen neben
einander, mit den Insertionen immer
weiter ulnarwärts rückend und dem-
nach mit der Richtung der Fasern
immer mehr von der Verticalen ab-
weichend: M. ezxtensor dig. comm.,
extensor dig. quinti propr., ulnaris
ext. und anconeus quartus. Es sind,
mit Ausnahme des letztgenannten, Mus-
keln, welche über das Ellenbogen- und
Handgelenk wegsetzen. Die tiefere
Schichte begreift zu oberst einen Mus-
kel, der über das Ellenbogengelenk
hinweg zum oberen Theile des Unter-
armes geht, den M. supinator; an
den unteren Rand dieses Muskels
schliessen sich vier Muskeln, von ein-
ander ähnlicher Form und ähnlichem
Verlaufe an, welche, streng genommen,
wieder zwei Schichten bilden. In
beiden Schichten sind die Bäuche platt
kegelförmig, mit radial-abwärts ge-
richteter Spitze und gegen die Spitze
convergirenden Fasern; die platteylin-
drischen Sehnen gehen sämmtlich in
der Richtung der Längsaxe der Bäu-
che über das Handgelenk zum Mittel-
handknochen des Daumens und zu den
Phalangen des Daumens und Zeige-
fingers.. Von diesen Muskeln nehmen
drei die oberflächlichere Schichte ein,
M. abductor poll. long., extens. poll.
long. und ewtens. ind. propr. In der
Extens. dig. comm. 205
aufgezählten Reihe, wie sie sich mit den Endsehnen weiter medianwärts
ansetzen, entspringen sie ausschliesslicher von der Ulna und weiter abwärts
an derselben, so jedoch, dass jeder folgende mit seinem oberen Rande den
unteren Rand des nächst höheren deckt, und in derselben Reihe gehen sie
dem Handgelenke näher in ihre Sehnen über. Der einzige Muskel der
tiefsten Schichte, M. extens. poll. br., entspringt bald dem Radius, bald der
Ulna näher. Seine Sehne verläuft mit der des M. abductor poll. long. über
die Sehnen der Mm. radiales extt. am Radialrande des Armes herab und
durch ein gemeinsames Fach des Lig. carpi comm.; der zweite Muskel der
oberen Schichte, M. ext. poll. long., läuft medianwärts neben den Mm. ra-
diales extt. unter diesem Ligamente weg, der dritte, M. extens. ind. propr.,
schliesst sich im Verlaufe über das Handgelenk den Sehnen des M. ext.
dig. comm. an.
Die Muskeln, deren Sehnen sich zu den Fingern begeben, verfolge ich
hier nur bis zum Handgelenke und verweise wegen ihres weiteren Ver-
laufes in der Hand und ihrer Befestigung an den Fingern auf die Beschrei-
bung der Muskulatur der Hand.
Die Nerven der genannten Muskeln entspringen sämmtlich vom R.
profundus N. radialis, den M. anconeus quartus allein ausgenommen, der
von einem Zweige des N. radialis versorgt wird, welcher schon am Ober-
arme vom Stamme ab- und zum M. anconeus int. geht.
I. Oberflächliche Schichte.
1. M. extensor digit. comm. Hide.
Entspringt am Epicondylus lateralis mittelst desselben, an das Lig.
annulare radii und den obersten Theil der Sehne des M. supinator ange-
wachsenen Sehnenblattes, von welchem auch die Fasern des M. rad. ext.
br. ihren Ursprung nahmen, und theilt sich sogleich in drei Bäuche, aus
welchen die platteylindrischen Strecksehnen für die einzelnen Finger (mit
Ausschluss des Daumens) hervorgehen.
Der Strecker des zweiten Fingers (Fig.103 Ede?) wird am Ursprunge
von hinten her durch den M. rad. ext. br. und durch den Strecker des drit-
ten Fingers gedeckt, von dem letzteren auch an der Vorderfläche umfasst;
seine Fasern gehen von dem gemeinschaftlichen Sehnenblatte und von der.
Vorderfläche des Rad. ext. br., sodann von einer Sehne aus, die sich am
lateralen Rande des Muskels bis gegen die Mitte des Armes herab erstreckt;
sie begeben sich ziemlich steil median-abwärts an eine Sehne, die hoch
oben am medialen Rande des Muskels entsteht und unter dem mittleren
Drittel des Unterarmes frei wird.
Der Strecker des dritten Fingers entspringt, den medialen Rand des
vorigen umfassend, mit einem kegelförmigen, gegen die Insertionssehne
sich zuspitzenden Bauche von der Gelenkkapsel und der oberflächlichen
Fascie des Unterarmes und nimmt am oberen Drittel desselben noch einzelne
Bündel von dem Fascienblatte auf, welches den- Ext. dig. comm. vom
Ext. dig. quinti propr. trennt.
Der Bauch des Ext. dig. comm., aus welchem die Sehnen für den
I. Oberfl.
Schichte.
1. Ext. dig.
comm.
206 Extens. dig. comm.
vierten und fünften Finger hervorgehen, erhält seine Fasern unterhalb des
Fig. 103. oberen Endes des Ra-
- dius und weiter hinab
bis in die Nähe des
Handgelenkes von
dem eben erwähnten
Blatte der Fascie, das
zwischen dem Ext.
dig. comm. und Ext.
dig. quinti propr. in
die Tiefe geht. Die
Muskelbündel, die
sich von unten an
mehr oder weniger
weit hinauf in zwei
gesonderte Bäuche
scheiden lassen, ver-
laufen schräg abwärts
zu den am lateralen
Rande hervortreten-
den Insertionssehnen.
Var. Der Kopf
zum zweiten Finger ent-
sprinst ganz auf der
Aussenfläichke des M.
rad. ext. br., weiter
nach unten als der Kopf
zum dritten Finger.
Der Muskel besteht nur
aus zwei Bäuchen, de-
ren jeder zwei Sehnen
abgiebt, oder der dem
vierten und fünften
Finger bestimmte Bauch
theilt sich in zwei oder
selbst in drei; im letz-
teren Falle erhält der
vierte Finger zwei Seh-
nen, oder eine Sehne
ist dem vierten und
fünften Finger gemein-
schaftlich. Eine Spal-
tung des dritten und
Arm von vorn in Pronation, Die Mm. brachioradialisund rad. vierten Bauches wieder
ext. ine: ie am pen? ann er nn ext. E in je zwei Sehnen be-
on de nsertionssehne abgetrennt und zurückges agen. % ” =
M. brachialis int. vorwärts ee B Tkafionencine des POUR LE Korn
M. bicep. Su M, supinator. Pt Insertionssehne des M. MEnt. acad. petropol.
pronator teres. Fp! M. flexor poll. long. Epl, Epb M. ext. T.. XD. p- 321).
poll. long. und br. Apl M. abductor poll, long. zurück-
geschlagen. AR Sehnen der Radialmuskeln,
Ext. dig. quinti pr. Ulnaris ext. 207
2. M. exiensor digit. quinti propr. Egp.
* =
Ein spindelförmiger Muskel, welcher mit abwärts convergirenden Bün-
deln allseitig von den Wänden des fibrösen Faches, das ihn einschliesst,
entspringt, von dem oberflächlichen, wie von dem tiefen Blatte’ der Fascie
und ebenso von den Blättern derselben, die ihn von den beiden benachbar-
ten Muskeln abgrenzen. Die obere Spitze des Muskelbauches liegt in glei-
cher Höhe mit dem Halse des Radius; abwärts reichen die Muskelbündel
nicht ganz so weit, wie an dem Kleinfingerbauche des M. ext. dig. comm.
Sehr hänfig ist die fibröse Scheidewand zwischen dem M. extensor dig.
quinti propr. und dem dritten Bauche des M. ext. dig. ecomm. nach unten
unvollständig, ihre Verbindung mit dem tiefen Blatte locker, und erscheint
dann als ein freier Sehnenstreif, von welchem die Fasern nach beiden Seiten
abwärts divergirend ausstrahlen.
Var. Fehlt und wird durch eine Sehne vom M. ext. dig. comm. oder vom
M. ulnaris ext. (s. diesen) ersetzt. Spaltet sich in zwei Sehnen, welche entweder
beide zum fünften Finger, oder von welchen Eine zum vierten Finger gehi.
3. M. ulnaris externus UeN).
Die Hauptmasse dieses Muskels entspringt mit abwärts verlaufenden Fa-
sern zwischen der Fascie und einem besonderen längsfaserigen Sehnenblatte,
welches an der Kapsel des Ellenbogengelenkes angewachsen ist und sich
auf der vorderen Fläche des Muskels bis gegen die Mitte des Unterarmes
hinab erstreckt (Fig. 102). An seinem medialen Rande stossen .diese beiden
Blätter in einer scharfen Kante zusammen. Die Kante ist an die Fascie
des Supinator straff angeheftet und verbindet sich mit der den Anconeus
quart. deckenden Fascie. Der untere Theil des Muskelbauches und die
breite Insertionssehne, die in der halben Höhe des Unterarmes auf der freien
Fläche des Muskels sich entwickelt, liegen locker befestigt innerhalb einer
engen Scheide, deren vordere Wand die Ulna, deren hintere Wänd die
der Länge nach an die Ulna angewachsene Fascie bildet. Von dem latera-
len Rande dieser Fascie, seltener von der Ulna her, gehen bis etwa zur
Mitte der Höhe des Armes einzelne Muskelbündel schräg abwärts an den
Bauch des Uln. ext. Weiter unten entstehen noch an dem tiefen Sehnen-
blatte Bündel, um schräg rück-, lateral- und abwärts an die Insertionssehne
sich zu befestigen.
Die Sehne geht durch ein von schleimigem Bindegewebe ausgekleidetes
Fach unter dem Lig. c. comm. hindurch zur Basis des fünften Mittelhand-
knochens.
Nach Meckel ist zwischen dem oberen Ende des Muskels und dem
Köpfchen des Radius zuweilen ein Schleimbeutel eingeschaltet.
Var. Giebt nicht selten eine feine Sehne ab, welche am Fingercarpalgelenke
mit der Sehne des Extensor dig. quinti propr. verschmilzt (ein Analogon der Sehne
0) M. extensor carpi ulnaris. Ellenbogenstrecker der Hand. Aeusserer Ellenmuskel.
Cubital posterieur Cruv.
2. Ext. dig.
quinti
propr.
4. Aucou.
quart.
208 Ancon. quart.
des M. peroneus br. zur fünften Zehe). Ich sah eine feine, vom M. ulnaris ext
Fig. 104.
NLÄÄTIST
III
TERN
3
Oberarm, exarticulirt, laterale Fläche. DM.
deltoideus. 7mj M. teres maj. AZ M. ancon.
long., sämmtlich vom Ursprunge abgeschnitten.
Ab, Ab M. anconeus br., vertical durchschnit-
ten und nach beiden Seiten zurückgeschlagen,
Ai M. ancon. int. Nr N. radialis. Nr‘ Haut-
ast desselben. Bi M. brachialis int. Br M.
brachiorad. Rel M. radialis ext, long.
abgezweigte Sehne sich an das fibröse
Septum befestigen, welches die
Scheide des M. ulnaris ext. am
Handgelenke von der Scheide des
M. ext. dig. quinti propr. trennt.
4. M. anconeus quartus Ag).
Ein in der Regel platt dreisei-
tiger Muskel, an der hinteren
Fläche von der Fascie bedeckt
und durch lockeres Bindegewebe
von derselben geschieden, mit
der vorderen Fläche der Kapsel
des Ellenbogengelenkes zuge-
kehrt und fest an dieselbe an-
gewachsen, den Raum zwischen
dem unteren Rande des M.ancon.
int. und dem oberen medialen
Rande des M. ulnaris ext. ausfül-
lend (Fig.104). Die lateralwärts
gekehrte Spitze des Muskels ent-
spricht dem Ursprunge dessel-
ben; es ist eine starke, kurze,
eylindrische Sehne, die in einer
Grube der unteren Fläche des
Epieondylus lateralis dicht über
dem hinteren Rande des Capitu-
lum wurzelt und sich an der vor-
deren Fläche und dem unteren
Rande des Muskels am längsten
erhält. Vom Ursprunge aus ver-
laufen die obersten Muskelfasern
quer, die weiter abwärts folgen-
den allmälig steiler medianwärts
absteigend zum Ölecranon, um
sich an dessen laterale Fläche
und weiter abwärts an die vom
Oleeranon absteigende Kante bis
gegen das Ende des oberen Drit-
tels der Ulna zu befestigen.
Zum M. ancon. int. steht der
ancon. quartus in einem verän-
derlichen Verhältnisse und danach
wechselt auch die Form seines
oberen Randes. Nur ausnahms-
) M. anc. parvus. Knorrenmuskel.
Supinator. 209
weise sind beide Muskeln deutlich gegen einander abgesetzt; in der Regel
geht die Faserung des M. ancon. int. ohne Unterbrechung in die des ancon.
quartus, der Ursprung des Muskels also continuirlich vom Körper des Arm-
beines auf den Epicondylus, seine Insertion von der gemeinsamen Sehne
des Extensor triceps auf die Seitenfläche des Oleeranon über. Zuweilen
aber erstrecken sich in der Fortsetzung des M. ancon. quartus Muskelfasern
von gleicher oder etwas schräger aufsteigender Richtung als eine tiefste
Schichte unter die Faserung des Anconeus int. eine Strecke weit aufwärts D).
Unter dem Ursprunge des M. anconeus quartus liegt ein kleiner, unbe-
ständiger Schleimbeutel, der mit dem Gelenke communieirt und nur eine
Ausbuchtung der Kapsel zu sein scheint.
Die Bestimmung des M. anconeus wird klar, wenn man den Arm nach Ab-
trennung dieses Muskels eine Streckbewesung ausführen lässt; die schlaffe und
dünnwandige Kapsel klemmt sich dabei jedesmal zwischen die Gelenkflächen, ins-
besondere des Armbeines und des Radius. Dies wird dadurch verhütet, dass sie an
die Vorderfläche des M. anconeus quart. angewachsen ist und bei dessen Contrac-
tion in feine Falten gelegt wird.
U. Tiefe Schichte.
1. M. supinator N u?).
Der M. supinator ist ein platter Muskel, welcher nach Art einer Halb-
rinne das obere Ende des Radius dicht umschliesst. Er geht vom lateralen
Rande des Ellenbogengelenkes und der Ulna um den Radius herum zu
dessen Vorderfläche mit schräg und je weiter nach unten um so steiler ab-
steigenden Fasern, die bei der Pronation gedehnt und um den Radius kreis-
förmig aufgewickelt werden und so in die Stellung kommen, um den Kno-
chen wie mit hakenförmig um ihn gelegten Fingern in die Supinationslage
zurückzuführen.
Regelmässig besteht der Supinator aus zwei Schichten von fast glei-
chem Faserverlaufe, von denen die tiefe die oberflächlichere am oberen und
unteren Rande überragt; zwischen beiden nimmt der R. profund. N. radial.
seinen Weg zum Rücken des Vorderarmes (Fig. 105. 106).
Von der tiefen Schichte (Fig. 109 Sw‘) entspringen die obersten Bündel, ge-
deckt durch die Ursprungssehne des M.rad. ext. br. und ext. dig. comm. aus
dem lateralen Theile der vorderen Kapselwand des Ellenbogengelenkes, durch
deren Faserung sie sich zum Theil aufwärts an den lateralen Epicondylus
zurückverfolgen lassen. Diese Bündel befestigen sich, indem sie quer um
die Vorderfläche des Halses des Radius herum und zwischen beiden Vorder-
armknochen in die Tiefe gehen, an den Radius oberhalb seiner Tuberosität;
zum kleinen Theil strahlen sie wieder aufwärts in die Kapsel aus. Durch»
!) Ich vermuthe, dass diese schräg aufsteigenden Fasern, die, wenn man sie vom
Oberarme aus präparirt, gegen die Gelenkkapsel abzusteigen scheinen, Theile zur Auf-
stellung eines, dem M.suberuralis analogen M. subanconeus Anlass gegeben haben. Aller-
dings lässt sich zuweilen auch der M. anconeus int. in oberflächliche und tiefe Schichten
zerlegen, aber die tieferen Lagen gehen alsdann, wie die oberflächlichen, an den Proc.
anconeus. Zur Kapsel zweigen sich immer nur ein paar feine Bündel ab.
2) M. supinator brevis aut. Kurzer Rückwärtswender.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 14
Physiolo-
gische Be-
merkungen,
I. Tiefe
Schichte.
1. Supina-
tor.
210 Supinator.
straffes Bindegewebe mit der unteren Kapselwand verbunden, helfen sie das
Köpfchen des Radius tragen. Die folgenden Bündel der tiefen Schichte
Fig. 105. "Fig. 106:
Ellenbogengelenk und M. supinator nach Entfernung der Muskeln der Vorderfläche, von
vorn. Fig. 105 in Supination, die Ulna durchsägt, um das obere Ende weiter vom Radius
abzuziehen. Fig. 106 in Pronation. RR Ursprünge der radialen Muskeln, Bi des M.
brach. int. * der Beugemuskeln. B Insertionssehne des M. biceps. ** Schleimbeutel
unter derselben, geöfinet. A Insertionssehne des M, anconeus.
entspringen sehnig vom hinteren Rande des Sinus lunatus der Ulna und
von einer vom Sinus lunatus zur hinteren Kante der Ulna herabziehenden
Leiste, unmittelbar vor der Insertion des M. anconeus quartus; sie inseriren
sich am lateralen und unteren Rande der Tuberosität des Radius und an
einer von dieser Tuberosität ab- und rückwärts laufenden Linie.
Fig. 107. Die oberflächliche Portion entspringt mit der
- B tiefen und nur in geringerer Ausdehnung von der
Ulna und geht mit ihrer Insertion weiter vorwärts
——g an eine ebenfalls von der Tuberositas radii parallel
’ y dem oberen Rande des M. flex. poll. long. bis zu
der Rauhigkeit, an welche der M. pronator teres sich
. Horizontalschnitt der Vor- anheftet, ab- und rückwärts verlaufende Linie. Zwi-
en a Se schen den Insertionen der oberflächlichen und tiefen
dem M. supinator, in Pro- Schichte bleibt ein schmaler Streifen des Radius frei.
Be Be nase Der ausgeschnittene Theil des Randes des Su-
d pinator, welcher die Tuberosität des Radius umfasst,
Abduct. poll. long. Extens. poll. long. 11
wird eine Strecke weit von dem Schleimbeutel der Insertionssehne des
Biceps (Fig. 105 **) bekleidet.
Wie günstig der M. supinator zur Ausführung der Supination angelegt ist,
zeigt am besten die Betrachtung des in Pronation horizontal durchschnittenen
Unterarmes (Fig. 107), wo man jenen Muskel den Radius völlig umgreifen sieht.
2. M..abduetor pollicis longus Appl).
Sein Ursprung erstreckt sich in Form einer schmalen Spitze aufwärts
zwischen dem M. ulnaris ext. und dem Supinator und befestigt sich an der
Fascie des ersteren, am Lig. inteross. und am Radius längs dem Rande des
Supinator, der ihn etwas überragt (Fig. 108). An der unteren Spitze des Supi-
nator hängen die sehnigen Ursprungsfasern des M.abd. poll. mit der Inser-
tionssehne des M. pron. teres zusammen; noch weiter ab- und vorwärts ent-
springt er mit einer dünnen und zuweilen sehr blassen Muskellage von
einem sehnigen Bogen, welcher frei über die Sehnen der Mm. radiales extt.
zur Aponeurose des M. flex. poll. long. tritt (Fig. 109). Die Insertionssehne ist
nicht selten doppelt und zeigt sich früher an der dem Knochen zugewandten
Fläche des Muskels, als an der freien; den Anfang der Sehne, sowie die
Sehnen der Mm. radiales überzieht, wo sie über einander gleiten, ein eiför-
miger Schleimbeutel?2), der sich mit seiner unteren Spitze bis zu dem
Schleimbeutel der Daumenmuskeln unter dem Lig. carpi comm. erstrecken
und sich in diesen Schleimbeutel öffnen kann.
Die Sehne verläuft, wie erwähnt, mit der Sehne des M. ext. poll. br.
am Daumenrande der Hand zur Basis des ersten Mittelhandknochens.
Var. Der M. abductor poll. long. reducirt sich zu Gunsten des M. extensor
pollieis brevis auf einen dünnen, nur von dem Sehnenbogen und einem kleinen
Theile des Radius entspringenden Muskel. Sehr häufig spaltet er sich in mehrere
Sehnen; diese setzen sich neben einander an den Mittelhandknochen des Daumens
an oder Eine derselben endet am Trapezbeine, eine andere dient Fasern des M.
abductor poll. br. zum Ursprunge (s. diesen) und erscheint demnach als Zwischen-
sehne eines zweibäuchigen Muskels (Abgeb. bei Fleischmann, Abhandl. der Er-
langer phys. med. Soc. Bd. I. Taf. 1. Fig. 2).
Der bisher übersehene Ursprung des M. abductor poll. long. am Sehnenbogen
und an der Fascie des M. flexor poll. long. ist insofern wichtig für die Function
dieses Mu:kels, als er den Fasern eine günstigere, der Längsaxe des Radius pa-
rallele Lage giebt.
3. M. extensor poll. longus Mipl?).
Entspringt zum Theil am vorigen, am Lig. interosseum und an der
fibrösen Scheidewand zwischen dem M. extensor dig. quinti propr. und
uln. extern. bis zur oberen Grenze des unteren Drittels des Unterarmes un
verläuft über die Insertionen der Mm. rad. externi gegen die Mitte der
Rückenfläche des Daumens, an dessen erste Phalanx er sich ulnarwärts vom
M. extensor poll. br. anlegt.
) M. abd. poll. bieornis. Esxtens. ossis metacarpi poll. Sharpey.
?) Bursa vaginalis rad. communis sup. Monro.
®) M. ext. poll. maj. M. ext. secundi internodü pollicis.
14*
2. Abductor
poll. long.
Physiole-
gische Be-
merkungen.
3. Extens.
poll. long.
212
Muskeln der Streckseite des
Unterarmes, tiefe Lage. RR
Ursprung der Radialmuskeln.
Rel, Reb Insertionssehnen des
M. rad. ext. long. und br. seit-
wärts umgebogen. Ag M. an-
eoneus quartus. Su M. supinat.
Extensor poll, long.
SI N
IN \
I
—S
Arm von vorn in Pronation. Die Mm. brachioradialis
und rad. ext. long. dicht am Ursprunge abgeschnitten.
M. rad. ext. br. (Reb) von der Insertionssehne abgetrennt
und zurückgeschlagen. Bi M. brachialis int. vorwärts
umgelegt. B Insertionssehne des M. biceps. Ede
M. ext. dig. comm. Egp M. extens. dig. quinti pr.
Su M. supinator. Pt Insertionssehne des M. pronator
teres. Fpl M. flex. poll. long. 4ApZ2 M. abductor
poll. long. zurückgeschlagen. RR Sehnen der
Radialmuskeln.
Extensor ind. propr. Extensor poll. br. 213
4. M. extensor indicis propr. Eip 1),
Von der Fascie des M. ulnaris ext., von dem Lig. interosseum und der
Ulna bis in die Nähe des Köpfchens der letzteren entspringend, geht dieser
Muskel in eine Sehne über, welche mit den Sehnen des Extens. dig. comm.
und gedeckt von denselben unter dem Lig. carpi comm. durch und gegen
den Zeigefinger verläuft, wo er sich mit der entsprechenden Sehne des M.
ext. comm. verbindet.
Var. Fehlt ganz oder ist durch einen kurzen Muskel des Handrückens er-
setzt, der von dem Lig. carpi propr. (Moser in Meckel’s Arch. Bd. VII. S. 225)
oder von der Basis des dritten Mittelhandknochens (Otto, selt. Beob. Hft. I. S. 91)
seinen Ursprung nimmt. Er ist zweibäuchig, mit einer langen Zwischensehne, der
untere Bauch auf dem Handrücken (Rosenmüller, De musculorum varietatibus
p- 6). Häufig sind die verschiedenen Grade der Spaltung und Vermehrung: der
einfache Muskel schiekt zwei Sehnen zum zweiten Finger oder je eine zum zweiten
und dritten Finger, oder zwei zum zweiten, eine zum dritten Finger. Kommen
zwei Muskelbäuche vor, so giebt der zweite, tiefere, eine Sehne zum dritten, oder
zum zweiten und dritten, oder selbst drei Sehnen zum zweiten bis vierten Finger
(Meckel).
5. M. extensor poll. brevis Epb>2.
Entspringt, bedeckt vom M. abductor und extensor poll. long. im mitt-
eren Drittel des Unterarmes von dem Lig. interosseum und meistens auch
‚om Körper des Radius. Die Sehne erscheint zuerst am lateralen Rande
und wird erst in der Nähe des Handgelenkes ganz frei. Mit der Sehne
des M. abd. poll. long. gelangt sie an den radialen Rand des Daumens, an
dessen Grundphalange sie endet.
Var. Vergrössert sich auf Kosten des M. abductor poll. long. (s. diesen).
Giebt zwei Sehnen ab, von welchen die Eine an der Basis des ersten Mittelhand-
knochens sich befestigt (Eigene Beobachtung).
de Muskeln der Hand.
e. Auf der Rückenfläche.
Abgesehen von den die Räume zwischen den Mittelhandknochen er-
füllenden Mm. interossei dorsales, die man zweckmässiger in Verbindung
mit den Mm. interossei volares beschreibt, sind auf dem Rücken der Hand
keine Muskeln, sondern in der Regel nur die Insertionssehnen der Hand-
und Fingerstrecker sichtbar, deren Fleisch am Unterarme liegt.
Diese Sehnen gehen unter dem Lig. carpi vol. propr. hinweg, in Schei-
den eingeschlossen, deren Anordnung bereits früher (Bdl. S. 95) beschrie-
ben wurde. Die Scheiden liegen, vom Ulnarrande gezählt, in folgender
D) M. indicator s. indicatorius. M. abductor indieis.
?) M. ext. p. minor. M. extensor primi internodiü poll.
4. Extens.
ind. pr.
5. Extens.
poll. long.
d. Hand-
muskeln.
€. Rücken-
fläche.
d
Streck-
sehnen
Finger.
214 Sehnen des Handrückens.
Ordnung (vgl. Fig. 110): 1) Für den M. uln. ext. 2) M. ext. propr. dig. quinti.
3) M. ext. dig. eomm. und ext. ind. propr. 4) M. radialis ext. long. und br.
5) M. extensor poll. long. 6) M. abductor poll. long. und ext. poll. br. Nach
dem Austritte aus den
Scheiden sind die Sehnen
in zwei Schichten geord-
net; in der oberflächlichen
folgen einander, vom Ul-
nar- zum Radialrande ge-
Py zählt, dieSchnen desM. ext.
H dig. quinti propr., des M.
ext. dig. comm., ext. poll.
1 long., ext. poll. brev. und
abd.poll.long (Fig.102). In
der tieferen Schichte liegen,
in gleicher Reihenfolge, die
Horizontalschnitt, des Handgelenkes durch die Spitze Sehnen des M. ulnaris ext.,
des Kopfbeines (0). cc Lig. carpi comm. »p Lig. carpi ext. ind. propr., rad. ext. br.
vol. propr. 7 Scheide des M. rad. int. 8 Scheide rad. ext. lone. (Fig. 108).
der Fingerbeuger. P/! Sehne des M. palmaris longus. =
S Kahnbein. Z Mondbein, 4 Hakenbein. Py Pyra- Die oberflächlichen Sehnen
midenbein. Pi Erbsenbein. sieht man sogleich gegen
die Basen der Finger di-
vergiren; von den tiefen enden die Sehnen des M. ulnaris ext., der Radiales
extt. und des Abductor poll. long. schon an den Basen der Mittelhand-
knochen, indess die Sehne des M. ext. indieis pr. sich an den ulnaren Rand
der entsprechenden Sehne des M. ext. dig. comm. anlegt.
Innerhalb der Scheiden sind die Sehnen auf Schleimbeutel gebettet
und, wenn mehrere Sehnen in Einem Fache zusammenliegen, durch ein
weiches, schleimiges Bindegewebe verbunden. Die auf diese Weise anein-
ander gehefteten Endsehnen des M. ext. dig. comm. und des M. ext. indieis
proprius sind zwischen zwei Schleimbeuteln, einem hinteren und vorderen
(die Hand in hängender supinirter Lage gedacht), eingeschlossen : der. vor-
dere erstreckt sich abwärts kaum über den Rand des Lig. carpi comm., der
hintere, zugleich oberflächlichere, zieht sich in Eine oder mehrere Spitzen
aus, welche mittelst durchbrochener sagittaler Scheidewände unvollkommen
getrennt sind und sich, je näher der Ulna, um so weiter hinab und auf der
Sehne des vierten Fingers bis fast zur Mitte des Metacarpus erstrecken.
Die Schleimscheide der Sehne des M. ext. dig. quinti propr. erreicht, der
Sehne eng anliegend, die Mitte des Metacarpus; sie umschliesst die Sehne
von allen Seiten und sendet ihr in der Höhe des Lig. carpi comm. eine Art
Mesenterium von weichem, gefässreichem Bindegewebe.
Auf dem Rücken der Hand sind die oberflächlichen Strecksehnen der
dreigliedrigen Finger durch fibröse Brücken aneinandergeheftet; diese haben
theils den Charakter von Anastomosen, d. h. sie bestehen aus Fasern, die
unter spitzem Winkel von einer Sehne ab- und an den Rand der nächst-
gelegenen gehen, theils sind es quere, mit der freien Fläche der Sehnen
verwachsene Verstärkungsfasern der oberflächlichen Fascie des Handrückens,
theils endlich stehen sie zwischen diesen beiden Formen in der Mitte: sie
Sehnen des Handrückens. 215
entspringen mit queren Bündeln auf der Oberfläche einer Sehne und legen
sich an den Rand der anderen, um mit deren Längsbündeln weiter zu ziehen.
Die Brücke zwischen den Strecksehnen des zweiten und dritten Fingers
besteht immer aus Querfasern; sie liegt ohne scharfe Abgrenzung auf der
Mitte des Handrückens; die Sehne des vierten Fingers ist mit ihren beiden
Nachbarn durch schmalere, aber mächtigere, dem Fingercarpalgelenke mehr
genäherte Brücken verbunden, welche beide vom vierten Finger schräg ab-
wärts laufen, steiler gegen den dritten als gegen den fünften Finger. Ver-
vielfältigen sich die Sehnen des M. ext. dig. comm. und ext. dig. quinti
propr., so werden auch die Anastomosen complicirter. Am Carpalfinger-
gelenke des Zeigefingers kommen die Sehnen des M. ext. ind. propr. und
die entsprechende Sehne des M. ext. comm., am Carpalfingergelenke des
Daumens die Sehnen des M. ext. long. und br. nebeneinander zu liegen
und machen von da an nur Eine Sehne aus.
An den Fingern verhalten sich die Strecksehnen folgendermaassen:
oberhalb des Fingercarpalgelenkes senden sie von der ganzen Breite ihrer
= Ale
3 Strecksehne des Fingers von vorn.
v heftung an das Fingercarpalgelenk. ** Seh-
Sagittaldurchschnitt einesFingers. Edc Sehne
des M, ext. dig. comm. Fds, Fdp Sehnen
des Flex. dig. subl. und prof. v Ligg. va-
ginalia. * Vineulum der Beugesehren.
** Tiefe Fascie des Handrückens.
nenausbreitung der Mm. lumbricales und in-
terossei nebst den Ligg. dorsalia. f Streck-
sehne der Mittelphalange, dicht an der
Anheftung abgeschnitten. 717 Strecksehne
der Endphalange, ebenso,
ß: Volar-
fläche,
216 Sehnen des Handrückens.
vorderen Fläche Fasern zu der tiefen Fascie des Handrückens, die an der
Basis der Grundphalange enden. und strecken mittelst dieser Fasern die
Grundphalange (Fig. 111. 112*). Unterhalb des Fingercarpalgelenkes
theilen sie sich in drei Schenkel, zwei seitliche, stärkere, die unter spitzem
Winkel von dem schwächeren, mittleren, verticalen, abgehen. Die seitlichen
umkreisen in flachen Bogen das Gelenk zwischen Grund- und Mittel-
phalange und vereinigen sich wieder an der Basis der Endphalange
(Fig. 112 ++), wo sie sich anheften. Der mittlere setzt sich an die Basis
der Mittelphalange, ansehnlich verstärkt durch die Sehnenausbreitung der
Mm. lumbricales und interossei, welche, von beiden Rändern des Fingers
convergirend, unter den seitlichen Schenkeln, d. h. zwischen ihnen und dem
Knochen, zu dem mittleren Schenkel stossen (Fig. 112 7). Den dreieckigen
Raum, welcher auf der ersten Phalanx jederseits zwischen der Sehne des
Ext. dig. comm. und den convergirenden Sehnen der Mm. interossei und
lumbricales bleibt, füllen, wie schon in der Bänderlehre S. 106 beschrieben
wurde, die Ligg. dorsalia und Ligg. capitulorum dorsalia mit ihren Quer-
fasern aus; eben solche Bänder erfüllen das Dreieck zwischen den conver-
girenden Schenkeln der Sehne des M. ext. dig. comm. auf dem Rücken der
Mittelphalange.
Am Daumen liegen die Sehnen des langen und kurzen ecke breit
neben einander auf dem Gelenke der Grundphalange mit dem Mittelhand-
knochen; indem sich die Sehne des Extensor longus auf der Grundphalange
in zwei Schenkel theilt, entstehen dann auch hier, ähnlich wie an den drei-
gliedrigen Fingern, drei Schenkel, von welchen aber die seitlichen, etwas
convergirend, ebenso wie der mittlere an die Basis der Endphalange sich
anhefen Auch tritt an den Seitenrand dieser Sehnen eine dreiseitige
Sehnenausbreitung, ähnlich der der übrigen Finger; sie wird von den Haft-
bändern des Daumencarpalgelenkes und den Mm. abductor poll. brev. und
interosseus vol. primus geliefert.
Bei Beschreibung des M. ext. ind. propr. wurde einer Varietät dieses Muskels
gedacht, eines vom Lig. carpi comm. entspringenden Muskelbauches, dessen Sehne
nit der Zeigefingersehne des Ext. dig. comm. verschmilzt. Ein solcher Muskel
erinnert an den M. ext. dig. comm. brev. des Fussrückens. Noch grösser war die
Analogie in einem von Dursy im Heidelberger Seeirsaale aufgefundenen Falle:
an der Ulna dicht über dem Köpfchen und am Radius von der Hervorragung,
welche ulnarwärts neben der Rinne für die Sehne des M. ext. poll. long. liegt,
entspringen mit längeren und kürzeren Sehnen vier Muskelbäuche, von welchen
drei zusammenfliessend an die Strecksehne des Mittelfingers, einer an die Sehne
des Zeigefingers und zwar jedesmal an den ulnaren Rand der betreffenden Sehne
sich ansetzen. Der gewöhnliche M. ext. ind. propr. fehlte in diesem Falle nicht.
Einen Ext. dig. tertii brev., vom Lig. carpi comm. und vom vierten Mittelhand-
knochen entspringend, beschreibt Otto (seltene Beobachtungen Heft I. S.91); vom
Radius, unmittelbar über dem Handgelenke entspringend, beobachtete diesen Mus-
kel Albin (Adnotat. acad. Lib. IV. p. 28. Tat. V. Fig. 3).
ß. Muskeln der Volarfläche.
Wir theilen sie in oberflächliche und tiefe. Die oberflächlichen liegen
oberhalb, die tiefen unterhalb der Volaraponeurose.
Die Volaraponeurose besteht aus zwei Schichten, einer oberflächlichen,
Palmaris brevis.
217
deren Fasern einen verticalen und gegen die Wurzeln der Finger diver-
Fie. 113,
Muskeln des Vorderarmes, erste
Schichte. B M. bicep. BiM. bra-
chialis int. RR Gruppe der radialen
Muskeln. Pt M. pron. teres. RiM.
radial. int. ?PI2 M. palmaris longus.
Zi M.ulnaris int. Z M. lumbricalis.
girenden Verlauf haben, und einer tie-
fen, transversalfaserigen. Die ober-
flächliche Schichte ist selbst wieder in
der Nähe des Carpus aus zwei einander
unter spitzem Winkel kreuzenden Schich-
ten zusammengesetzt, die alsbald un-
trennbar verschmelzen; die oberste die-
ser verticalfaserigen Schichten ist die
Ausstrahlung der Sehne des M. palma-
ris longus, die tiefere nimmt ihren Ur-
sprung vom Lig. carpi vol. propr. Zwi-
schen beiden kömmt am Ulnarrande
der Hand der einzige oberflächliche
Muskel der Volarfläche, M. palmaris
brevis, zum Vorschein, und erstreckt
sich über einen Theil der Fascie des
Kleinfingerballens.
Die tiefen Muskeln der Vola liegen
in drei Gruppen. Eine Gruppe bildet
den Daumenballen, Thenar, die
andere den Kleinfingerballen, Hy-
pothenar, in der Vertiefung zwischen
beiden Ballen verlaufen die Sehnen der
Fingerbeuger, von welchen die tieferen
selbst wieder Muskeln, den Mm. lum-
bricales, zum Ursprunge dienen.
I. Oberflächliche Muskeln.
M. palmaris brwis Pb.
Transversale Bündel, welche zer-
streut‘ oder zu einer vierseitigen Platte
zusammengedrängt, auf dem Kleinfinger-
ballen zwischen dem Carpal- und dem
Fingercarpalgelenke vom Ulnarrande
der Volaraponeurose zum Ulnarrande
der Hand verlaufen. Sie entspringen
kurzsehnig von der Oberfläche des Lig.
c. vol. propr. in der Nähe seines vor-
deren Randes und von dem angrenzen-
den tiefen Blatte der longitudinalen
Schichte der Volaraponeurose und enden
in einer verticalen Linie in der Fascie
2) M. palmaris cutaneus. Caro quadrata
mamus. TPeaucier de la main Cruv,
I. Ober-
flächliche.
Palmar. br.
218 Lumbricales.
des Kleinfingerballens am Ulnarrande der Hand und zugleich in der diesen
Theil der Fascie bedeckenden Haut (Fig. 113).
Physiolo- Var. Arnold konnte den Muskel zuweilen nicht finden.
cn. Zwischen diesem Muskel und den tieferen Theilen der Hand verläuft der
oberflächliche volare Ast der A. und V. ulnaris, die Haupternährungsgefässe der
Finger, mit dem R. volaris N. ulnaris, der die Volarfläche der zwei ulnaren Finger
versorgt (vergl. Bdl. Fig. 84). Der M. palmaris brevis hat die Bestimmung, diese
Gefäss- und Nervenzweige vor Druck zu bewahren, wenn die Faust geschlossen,
besonders aber, wenn ein fremder Körper gefasst wird, der auf den Kleinfinger-
ballen drückt. Man sieht alsdann, der Insertion des M. palmaris entsprechend,
eine verticale Furche in der Haut des Ulnarrandes der Hand sich bilden.
II. Tiefe Muskeln.
aa. In der Mitte.
IT. Tiefe. Die Sehnen des Flexor dig. comm. sublimis und profundus und des
“a Nttlere Flexor pollieis longus treten am unteren Rande des Lig. carpi vol. propr.
in die Hohlhand ein. Sie sind durch ein gefässreiches, weiches und
schlüpfriges, aber sehr festes Bindegewebe mit einander verbunden und
ruhen in dem Rohre, welches das genannte Ligament in Verbindung mit
den Knochen der Handwurzel umschliesst, auf zwei, mittelst einer dünnen
Scheidewand von einander gesonderten Schleimbeuteln, Einem für die Sehne
des Daumens !), den anderen für die sämmtlichen Sehnen der übrigen Fin-
ger?). Beide reichen aufwärts bis zum Radiocarpalgelenke; abwärts beglei-
tet der Schleimbeutel die Sehne des Daumens bis in die Nähe des Ge-
lenkes des Mittelhandknochens mit der Grundphalange; der Schleimbeutel
der übrigen Finger endet unterhalb der Basen der Mittelhandknochen und
verlängert sich nur am Ulnarrande der Hand in einen engen Zipfel, wel-
cher mit den Kleinfingersehnen bis nahe an das Fingercarpalgelenk sich
erstreckt. Mittelst ihrer vorderen Wand sind diese Schleimbeutel an die
Sehnen und das dieselben aneinanderheftende Bindegewebe angewachsen; ihre
hintere Wand ist mit dem Lig. carpi volare profundum sehr fest verbunden
und wird erst unterhalb des Carpo-Metacarpalgelenkes, so weit sie die Mm.
interossei bedeckt, freier und als selbständige Membran ablösbar.
Var. Gosselin (Mem. de l’acad. de medecine T. XVI. p- 367) sah Einmal
den Schleimbeutel des M. flexor pollicis mit dem Schleimbeutel der Fingerbeuge-
sehnen in Communication. Zuweilen traf er zwischen beiden Schleimbeuteln einen
dritten, der Zeigefingersehne des Flex. dig. subl. angehörigen, welcher mit dem
Einen oder anderen jener normalen Schleimbeutel, niemals aber mit beiden zu-
gleich in Verbindung stand.
An den Sehnen des Flex. dig. profundus entspringen die
Mm. lumbricales Ü..
Lumbricales. Vier platt eylindrische Muskeln für die- vier dreigliedrigen Finger,
Jeder ungefähr von der Stärke der Beugesehne seines Fingers und an der
') Bourse tendineuse externe ou radiale Michon (des tumeurs synoviales de la partie
inferieure de lavantbras etc. Paris 1853. p. 13).
?) Bourse tendineuse interne ou cubitale Michon.
Beugesehnen der Hand. 219
Radialseite seines Fingers endend. An der Sehne des zweiten und dritten
Fingers nimmt der M. lumbricalis seinen Ursprung vom mittleren Drittel
zwischen dem unteren Rande des Lig. carpi vol. propr. und dem Carpal-
fingergelenke, am radialen Rande und der dem radialen Rande zunächst
gelegenen Hälfte der vorderen Fläche. Der dritte und vierte M. lumbri-
calis entstehen in der Regel zweiköpfig, von der vorderen Fläche der beiden
Sehnen des M. flexor dig. prof., zwischen welchen der M. lumbricalis ver-
läuft. Die Muskelbündel gehen unter spitzem Winkel an den Sehnen des
dritten bis fünften Fingers nach beiden Seiten divergirend ab; die beiden
Köpfe der zweiköpfigen Lumbricales treten alsbald unter gleich spitzen
Winkeln zusammen. Unter den Ligg. carpi volaria, vor welchen die Mm.
lumbricales nebst den Nerven und Gefässen der Finger in glatt ausgeklei-
deten Röhren hinweggehen (Bdl. S.106), erfolgt der Uebergang der Muskel-
bäuche in platte Sehnen, die an der radialen Fläche ihres Fingers in Ver-
bindung mit den Sehnenfasern der Mm. interossei und,den Ligg. dorsalia
an den Seitenrand der Strecksehnen treten (ebendas. S. 107).
Varietäten des Ursprunges der Mm. lumbricales sind nicht selten: häufig ent-
springt schon der zweite zweiköpfig, oder der dritte und vierte entspringen eben-
falls mit einfachem Kopfe vom Radialrande ihrer Sehnen. Einmal sah ich den
ersten Lumbricalis vom M. flexor poll. long. abgehen. Theile sah ihn von einer
Sehne entspringen, die am Unterarme aus einem Muskelbauche hervorging, der
vom mittleren Drittel des Radius neben dem M. flexor pollicis long. seinen Ur-
sprung nahm. In Bezug auf die Insertion variiren die beiden ersten Lumbricales
selten; in fünfundfunfzig Fällen von hundert hatten nach Froment (Recherches
sur plusieurs points d’anatomie. Paris 1853. p. 53) sämmtliche Lumbricales die
normale Insertion; zehnmal hatten der dritte und vierte, fünfundzwanzigmal der
dritte und zehnmal der vierte eine abweichende Insertion. Die häufigere Varietät
besteht in Bifurcation der Insertion, so dass der betreffende Lumbricalis sich an
zwei einander zugekehrte Ränder je zweier Finger begiebt; seltener geht der
Muskel an die Ulnarseite eines Fingers. Theile fand den ersten Lumbricalis
getheilt, den zweiten Bauch mit dem zweiten vereinigt. Der vierte M. lumbricalis
soll zuweilen fehlen. Eine Vervielfältigung dieser Muskeln tritt ein durch Spal-
tung der einfachen oder Nicht-Vereinigung der beiden Köpfe, die sich zu Einem
Bauche verbinden sollten. Moser (Meck. Arch. Bd. VI. 8.230) will beobachtet
haben, dass sich der erste Lumbricalis mit dem zweiten an den Mittelfinger be-
festigte.
Längs der Volarfläche der Finger liegen die Beugesehnen in Röhren,
welche zur Hälfte von den Knochen, zur Hälfte von den später zu beschrei-
benden Ligg. vaginalia gebildet und von einer Schleimscheide ausgekleidet
werden. An der Mittelphalange findet der Durchtritt der Sehne des tiefen
durch die Sehne des oberflächlichen Fingerbeugers Statt in folgender Weise:
schon an der Grundphalange wird die oberflächliche Sehne breit, platt, im
Querschnitt halbmondförmig, ımit gegen den Knochen gewandter Concavität
(Fig. 114.115); so umgiebt und deckt sie die eylindrische tiefe Sehne. Auch
findet sich schon auf ihrer äusseren Fläche eine Furche, welche die bevor-
stehende Spaltung in zwei gleiche Seitenhälften andeutet. Diese Spaltung
erfolgt unter dem ersten Fingergelenke, und alsbald weichen die beiden
Hälften auseinander und zur Seite und gehen, immer rinnenförmig, um den
Seitenrand der tiefen Sehne so herum, dass sie hinter oder unter ihr mit
Beuge-
sehnen.
220 Beugesehnen der Hand.
den Rändern zusammenstossen, welche vor der Spaltung die seitlichen
waren, während die Ränder, welche anfangs die Spalte begrenzten, nun-
Fig. 114. Fig. 115.
Vorderfläche eines Fingers mit den Sehnen des M. flex. dig.
subl. (Fds) und prof. (Fdp). Fig. 114 in natürlicher Lage,
das Lig. vaginale der Grundphalange (v) geschlossen, der
Mittel- und Endphalange (v') durch einen Verticalschnitt ge-
öffnet und nach beiden Seiten zurückgeschlagen. Fig. 115.
Das Lig. vaginale in der ganzen Länge geöffnet und zurück-
geschlagen. Aus der Sehne des Flex. dig. prof. ist ein Stück
ausgeschnitten, das untere Ende (Fdp') umgeschlagen, um
die Vincula (*) zu zeigen.
mehr die seitlichen
Ränder der wieder-
vereinigten Hälften
abgeben. Bei der
Wiedervereinigung
kreuzen sich die ein-
ander nächsten Bün-
del beider Seitenhälf-
ten I), die übrigen
gehen gerade ab-
wärts; doch drängen
sie sich allmälig ge-
gen die beiden Sei-
tenränder der Mittel-
phalange zusammen,
um sich längs der-
selben in zwei Zipfeln
anzuheften. Zuweilen
sind die auseinander-
weichenden Schenkel
des Flex. subl. noch
eine kurze Strecke
durch ein dünnes,
dreiseitiges Bändchen
mit abwärts conca-
vem, freiem Rande
verbunden; in der
Regel spannt sich ein
solches Bändchen mit
aufwärts ausgeschnit-
tenem und durch feine
Synovialfortsätze un-
regelmässig zackigem
Rande zwischen den
zur Wiedervereini-
gung convergiren-
den Schenkeln (Fig.
11579);
Die Sehne des M. flex. profundus ist, so weit sie im Schlitz des Flex.
sublimis liegt, verschmälert, eylindrisch ; sobald sie durch den Schlitz an
die Oberfläche gelangt ist, wird sie breiter und platt; auf dem zweiten
Fingergelenke verschmälert sie sich abermals, um sich schliesslich, fächer-
förmig ausgebreitet, an die vordere Fläche der Endphalange unterhalb der
Insertion der Kapsel zu befestigen (Fig.114). Auch diese Sehne ist auf der
) Chiasma tendinosum Camperi aut.
Beugesehnen der Hand. 221
Mittel- und Endphalange durch eine Furche, die nicht selten zu einer Spalte
wird, der Länge nach getheilt; eine Andeutung dieser Theilung findet sich
schon weiter oben in Form eines sagittalen Bindegewebsseptum zwischen
den sonst gleichförmig zusammenhängenden Bündeln.
Von der hinteren Wand der Röhren werden den Beugesehnen Gefässe
zugeführt durch Vermittelung mannigfaltig gestalteter bindegewebiger
Stränge und Platten, Vincula tendinum!). An der Grundphalange ist das
Vinculum in seiner vollkommensten Form eine zarte, vierseitige Lamelle,
von der Höhe und Breite der Phalange; seine seitlichen Ränder sind frei,
ausgerandet, reichlich mit Synovialzotten besetzt; sein oberer Rand ist an
die Basis der Phalange, der untere Rand an die Sehne des M. flexor prof.
angewachsen. Durch eine Lücke in dem am Knochen angewachsenen
Rande erhält die Lamelle einen zweischenkeligen Ursprung; tiefer und
tiefer ausgebuchtet, zerfällt sie in zwei schmale, platte Bändchen, und auch
von diesen kann das Eine oder sie können beide verloren gehen?). Ein-
zelne Fäden, Fortsetzungen dieses Vinceulum, durchsetzen die Lamelle, wel-
che den Schenkel der oberflächlichen Sehne oberhalb ihrer Wiedervereini-
gung verbindet, oder entspringen an dieser Lamelle und dringen zur Sehne
des Flexor profundus vor. (In Fig. 115 ist bei ** ein solches Vineulum am
Ursprunge abgeschnitten.) Die weiter abwärts folgenden Vineula stehen
sagittal; ein sehr beständiges, das Vinculum der Mittelphalange, entspringt
als starker, comprimirter Strang an der Kapsel des ersten Fingergelenkes,
so dass es bei der Beugung der Finger die Kapsel spannt; sein unterer
Rand ist frei, concav, scharf; sein oberer Rand ist entweder ebenfalls frei
oder an die Kapsel und weiter hinauf an die Mittelphalange "bis zur Inser-
tion der Sehne des Flexor subl. angewachsen; indem es zu den Sehnen
vorwärts geht, breitet es sich aus und zerfällt in der Regel durch Spalten,
die dem freien Rande parallel laufen, in eine Anzahl von Streifen, welche,
je näher dem freien Rande, um so länger und um so feiner sind. Auch
von diesem Vinculum gehen Fortsetzungen durch den dünnen mittleren
Theil der Sehne des Flexor sublimis unterhalb der Kreuzung zur Sehne
des Flexor profundus (Fig. 115 *), entweder als continuirliche Membran oder
in Form zarter, platter und ceylindrischer Fäden, oder endlich eines feinen,
weitmaschigen Netzwerkes 3). Durch einen grösseren oder kleineren Zwi-
schenraum ist von dem Vinculum der Mittelphalange das Vinculum der
Endphalange geschieden, eine in der Regel einfache, sagittale Platte, welche
mehr oder minder vollkommen den Winkel zwischen der Vorderfläche der
Mittelphalange und der Kapsel des zweiten Gelenkes einerseits und der
Sehne des M. flexor prof. andererseits ausfüllt (Fig- a
DC}
ı) Vincula accessoria s. vasculosa. Ligg. mucosa. Tenacula tendinum. Man unter-
scheidet sie weiter nach den Sehnen, zu welchen sie sich begeben (Vincula perforati und
perforantis) oder nach der Form (Vincula longa und brevia).
2) Nach Weitbrecht (Syndesmol. S. 52) wäre am zweiten und dritten Finger in
der Regel nur der laterale, am vierten und fünften dagegen nur der mediale Schenkel
mit einem Vinculum versehen.
3) Abgeb. bei Weitbrecht, a. a. O. Taf. V. Fig. 17.
%) In diesem Vinculum sollen nach Marshall (Medico-chirurg. review. 1853. Jan.
p-. 225) elastische Bändchen von der hinteren Fläche der Sehne schräg vorwärts gegen
Vineula
tendinum
Sehne des
Flex. poll.
long.
Schleim-
scheiden.
222 Beugesehnen der Hand.
Die Sehne des M. flexor poll. longus entspricht einer Sehne des tiefen
Fingerbeugers; der Länge nach mehr oder minder tief gefurcht, geht sie
über das Gelenk zwischen Grund- und Endphalange des Daumens hinweg
und setzt sich breit an die letztere an. Sie besitzt in der Regel ein ein-
faches Vineulum, welches sagittal und dreiseitig zwischen der Sehne und
den Phalangen sich ausspannt, mit der Kapsel des Gelenkes der Phalangen
zusammenhängt und an der Grundphalange mehr oder minder weit hinauf-
reicht.
Das Rohr, in welchem die Sehnen längs der Finger gleiten, erhält an
der inneren Oberfläche, die Sehnen erhalten an ihrer äusseren Oberfläche
einen Ueberzug von der gemeinsamen Schleimscheide. Von diesem Ueber-
zuge werden die Sehnen stellenweise einzeln, stellenweise gemeinschaftlich
umhüllt und dadurch an einander geheftet. Das letztere ist namentlich am
oberen Ende der Grundphalange der Fall. An den Sehnen ist die Schleim-
scheide, abgesehen vom Epithelium, in Form einer äusseren feinen Schichte
kreisförmiger Bindegewebsbündel nachweisbar; man nimmt an, obgleich es
sich nicht mit dem Messer verfolgen lässt, dass sie auch den Vincula Ueber-
züge liefere. Ihr oberes und unteres Ende ist blind geschlossen, das untere
auf der Basis der Endphalange, das obere in der Gegend des oberen Randes
der Ligg. vaginalia. Den oberen blinden Enden der Schleimscheiden nähern
sich am Daumen und fünften Finger die unteren blinden Enden der Schleim-
beutel, die die Sehnen dieser Finger durch die Hohlhand begleiten. Beide,
Schleimbeutel und Schleimscheide, können so zusammenstossen, dass nur
eine feine, horizontale Scheidewand ihre Lumina trennt. Am Daumen
scheint diese Scheidewand häufiger durchbrochen zu sein als vollständig, so
dass alsdann der Schleimbeutel des Daumens sich geradezu bis zur End-
phalange erstreckt.
Wenn Mangel der Scheidewand und Communication des Schleimbeutels mit
der Schleimscheide am fünften Finger ebenfalls angeboren vorkommt, so muss ich
jedenfalls gegen Maslieurat-Lag&mard (Gaz. med. 1839. Nr. 18) und Theile
bestreiten, dsss diese Communication beständig sei. Ich finde im Gegentheil mit
Leguey (Michon, a.a.O. S. 15), dass wenigstens bei Erwachsenen der Schleim-
beutel der Sehne des fünften Fingers am Köpfchen des Mittelhandknochens dieses
Fingers blind endet. Nach Gosselin wäre die Communication bei Kindern con-
stant, bei Erwachsenen Regel. Dass Eiteransammlungen in der Schleimscheide
des fünften Fingers ebenso wie in der Schleimscheide des Daumens gegen die
Hohlhand und das Handgelenk fortzuschreiten geneigt sind, was die Panaritien
dieser beiden Finger gefährlicher macht, als die der übrigen, erklärt sich schon
aus der Zartheit und Brüchigkeit der Scheidewand, welche die Schleimscheide des
kleinen Fingers gegen den Schleimbeutel seiner Sehne begrenzt.
”
die Endphalange verlaufen; Marshall nennt sie Zigg. subflava. Ich habe nichts gesehen,
worauf diese Beschreibung passte.
Daumenballen. 223
bb. Muskeln des Daumenballens.
Die Muskeln des Daumenballens liegen in zwei Schichten, deren jede
aus einer Anzahl theils neben, theils über einander gelagerter platter Köpfe
oder Zacken besteht. Die Zacken der oberflächlichen Schichte entspringen
in einer Reihe, die auf der Mitte des Lig. carpi vol. propr. beginnt, die
laterale Hälfte dieses Ligamentes und des Lig. carpi vol. prof. einnimmt
und auf dem dritten Mittelhandknochen herab zu den Fingercarpalgelenken
reicht, also in einer hufeisenförmigen, horizontal und mit der Concavität
ulnarwärts gestellten Linie, deren tiefer (hinterer) Schenkel sich in eine
Verticale abwärts fortsetzt. Am Ursprunge fast continuirlich zusammen-
hängend, weichen diese Zacken abwärts in zwei Gruppen aus einander, in-
dem die vom Lig. c. volare propr. (vom vorderen Schenkel der hufeisen-
förmigen Linie) entspringenden Zacken gegen das laterale, die vom Lig.
c. vol. prof. und vom dritten Mittelhandknochen entspringenden gegen das
mediale Sesambein und den entsprechenden Rand der Grundphalange des
Daumens convergiren. Zwischen den lateralwärts convergirenden Fasern
des vorderen Schenkels und den medianwärts convergirenden des hinteren
Schenkels der hufeisenförmigen Linie zeichnet sich Eine, gleichsam neutrale
Zacke aus, welche in der Gegend des unteren Endes der Tuberosität des
Trapezbeines sehnig entspringt und sogleich in zwei fleischige Zipfel zer-
fällt, die sich an die einander zugewandten Ränder der beiden Sesam-
Fig. 116.
vpr vp
Tiefe Muskeln der Hohlhand. Lig. carpi vol. propr. (vp) vertical durchschnitten und
auseinandergelegt. vpr Lig. carpi vol. prof. Z M. lumbricalis an der Insertion abge-
schnitten. Fpl! Sehne des M. flexor poll. long. Jd! M. interosseus dorsalis primus. Der
oberflächliche Bauch des M. abductor poll. br. (Apb) bis auf Ursprung und Insertion entfernt.
bb. Dau-
menballen.
1. Abduct.
poll. br.
2. Flex.
poll. br.
224 Abductor und Flexor poll. br.
beine anheften (Fig. 116 F’pb). Die Sehne des M. flexor pollieis longus
tritt am lateralen Rande dieser Zacke in die Hohlhand ein und liegst am
Daumencarpalgelenke zwischen beiden Zipfeln, kreuzt also den lateralen,
vor dem sie vorübergeht, unter spitzem Winkel. Auf diese Zacke be-
schränke ich die Bezeichnung eines M. flexor pollieis br. Die übrigen, am
lateralen Daumenrande vereinigten Muskelzacken bilden den M. abductor
pollieis brevis, die am medialen Daumenrande vereinigten den M. adduector
pollcis.
Die tiefe Schichte des Daumenballens verläuft, bedeckt vom M. ab-
ductor und denselben lateralwärts überragend, vom lateralen Rande der
Handwurzel zum Mittelhandknochen des Daumens. Dies ist der M. oppo-
nens pollicis.
1. M. abductor poll. brevis Apb.
Besteht aus zwei, gewöhnlich in der ganzen Länge getrennten Bäuchen.
Der oberflächliche (Fig. 116 Apb) !) entspringt auf der vorderen Fläche und
dem freien Rande des Lig. carpi vol. propr. mit schrägen Fasern, die sich
zum Theil bis gegen das Erbsenbein verfolgen lassen; am lateralen Rande
erhält er in der Regel einen Zuwachs an Muskelfasern, aus einem von der
Sehne des M. abductor long. abgezweigten kurzen Sehnenstreifen.
Der tiefe Bauch (Fig.116 Apb’) ?) entspringt neben dem oberflächlichen
und theilweise von diesem bedeckt, von dem gegen die Tuberosität des
Trapezbeines umbeugenden Theile des Lig. carpi vol. propr.
Der oberflächliche Bauch geht mit einer breiten, platten Sehne über
das Daumencarpalgelenk hinweg zum Seitenrande der Grundphalange des
Daumens und theilweise zum radialen Rande der Strecksehne desselben ;
der tiefe Bauch heftet sich an die Innenfläche der Sehne des oberflächlichen
und an das laterale Sesambein.
Var. Der Muskel erhält einen dritten Bauch aus der Tiefe vom M. opponens
pollieis. In einem von Cruveilhier beobachteten Falle erhielt der M. abductor
brevis zwei accessorische Bäuche, Einen vom Radius neben dem Proe. styloideus,
und einen zweiten von einem Fascikel der Sehne des M. radialis ext. long.
2. M. flexor pollicis brevis F'pb.
Der Ursprung dieses Muskels, seine Theilung in zwei Zipfel, sein Ver-
hältniss zur Sehne des M. flexor poll. longus, ist im Obigen beschrieben.
Die Insertion desselben an die Sesambeine ist regelmässig von der Insertion
des M. abductor brevis und häufig auch von der Sehne des M. adductor
überlagert.
!) M. abductor poll. br. aut. M. abductor ext. Sömm.
”) M. abductor brevis alter Albin (Tabb. scelet). Cauda prior flexoris brevis Derselbe
(hist. musc.). M. abductor int, Sömmerring. Aeusserer Kopf des M. flexor brevis
Krause.
Adductor und Opponens pollieis.
w
[502
or
3. M. adductor pollicis Adp)).
Die Zacken des Adductor entstehen fleischig in grösserer oder gerin-
gerer Zahl, durch mehr oder minder ansehnliche Zwischenräume gesondert,
meist im verticalen Durchmesser abgeplattet, vom Lig. carpi vol. prof. in
der Gegend der Mitte der Vorderfläche des Kopfbeines, von der Basis, dem
Körper und dem Köpfchen des dritten Mittelhandknochens, nicht selten
auch von der Basis des zweiten und vom Köpfchen des zweiten und vierten
Mittelhandknochen und aus der vorderen Wand der Kapsel des zweiten bis
vierten Fingercarpalgelenkes. An den lateralen Rand und das laterale
Sesambein des Daumens inseriren sie sich durch Vermittelung einer ver-
hältnissmässig langen, allseitig von den Muskelfasern umfassten Sehne.
Der M. flexor poll. br. ist an seinem Ursprunge nicht immer so gegen die
Nachbarn abgegrenzt, wie in unserer Abbildung. Er ist häufig breiter, erstreckt
sich weiter in die Vola hinein und zerfällt auch wohl vom Ursprunge an sogleich
in zwei Köpfe, die dann von den Köpfen des Abductor br. und Adductor, mit
welchen sie sich ansetzen, nicht zu unterscheiden und nur willkürlich zu trennen
sind. Deshalb sind die Bestimmungen dieser Muskeln und namentlich die Schei-
dung des Flexor br. vom Adductor bei den Autoren so verschieden ausgefallen ;
es bestehen darüber zwei extreme Ansichten und eine dritte vermittelnde. Die
Eine zieht alle Bündel, die sich an den medialen Rand des Daumens inseriren, zum
Adductor (Cruveilhier); die zweite (Sömmerring, Weber-H., Theile nu. A.)
beschränkt den Adductor auf den Ursprung -vom Mittelhandknochen; die dritte
(Meckel, Krause) theilt dem M. flexor br. wie dem Adductor Fasern zu, die
in der Handwurzel entspringen. Die Function kann keine Entscheidung geben,
denn von physiologischer Seite betrachtet sind alle Fasern, die an den Einen
oder anderen Rand der Grundphalange sich ansetzen, die Fasern des Flexor bre-
vis mit eingeschlossen, bei einseitiger Wirkung Ab- und Adductoren, und alle
Fasern, die der Mm. abductor br. und adductor nicht ausgeschlossen, sind Beuger
der Grundphalange, wenn sie bei gleichzeitiger Zusammenziehung ihre ab- und
adducirende Wirkung gegenseitig neutralisiren. Von physiologischer Seite würden
sich also Bedenken gegen die Aufstellung eines besonderen Beugers erheben
lassen. Ihn beizubehalten und die typische Form so zu beschreiben, wie oben ge-
schehen, dazu gab besonders die Rücksicht auf die Analogie mit den Muskeln
der grossen Zehe Anlass; die Rechtfertigung muss sich also bei der Betrachtung
der Muskeln des Fusses ergeben.
4. MM, opponens pollicis Op.
Besteht aus zwei Schichten mit ziemlich parallelen, lateral-abwärts-
laufenden Fasern, welche beide am Seitentheile des Lig. carpi vol. propr.
und an der lateralen Fläche der Tuberosität des Trapezbeines entstehen.
Die obere Schichte ist platter, im verticalen Durchmesser kürzer, so dass
sie am oberen und unteren Rande von der tiefen Schichte überragt wird;
sie setzt sich an den lateralen Rand des Körpers des Mittelhandknochens.
Die tiefe Schichte inserirt sich in weiterer Ausdehnung an die Basis des
Mittelhandknochens, mit einigen Bündeln auf die Sehne des M. abduetor
long. übergehend, ferner an die Vorderfläche des Körpers und besonders
D) Mesothenar Winslow.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 15
3. Adduct.
poll.
4. Oppon.
poll.
cc. Klein-
finger-
muskeln.
1. Abduct.
dig. quinti.
2. Flex. br.
dig. quinti.
3. Oppon.
dig. quinti.
996 Adductor, Flexor und Opponens dig. quinti.
des Köpfchens des Mittelhandknochens, in der ganzen Breite des Randes
der Gelenkfläche.
ec. Muskeln des Kleinfingerballens.
Am Kleinfingerballen finden sich zwei, den Schichten des Daumen-
ballens entsprechende Schichten; in der oberflächlichen liegt ein M. abductor
und ein M. flexor dig. quinti, beide platt eylindrisch, von fast parallelem,
verticalem Faserverlaufe, in der tieferen ein M. opponens dig. quinti, platt
mit schräg ulnarwärts zum fünften Mittelhandknochen absteigenden Fasern.
1. M. abductor digiti quinti Abg.
Entspringt von der unteren Hälfte des Erbsenbeines fast in der Fort-
setzung der Sehne des M. ulnaris int. und befestigt sich am Ulnarrande der
Grundphalange und am Sesambeine des fünften Fingers, indem er zugleich
mit einem Theile seiner Fasern sich in den ulnaren Rand der Strecksehne
ausbreitet.
Var. Erhält einen zweiten, lateralen Kopf, welcher aus dem Lig. carpi vol.
propr. oder aus der Fascie der Vorderfläche des Unterarmes über dem Hand-
gelenke oder von der Ulna selbst seinen Ursprung nimnt (Günther, chirurgische
Muskellehre. Taf. 20. Fig. V. 18). Spaltet sich der ganzen Länge nach in zwei
Bäuche, von welchen der Eine den M. flexor brevis vertritt. In einem von Dursy
in Heidelberg beobachteten Falle gab der Muskel drei Insertionen, ausser der ge-
wöhnlichen eine breite an den Körper und eine schmalere an das Köpfchen des
fünften Mittelhandknochens.
2. M. flexor brevis dig. quinti Fg).
Entspringt, durch den Ram. prof. N. ulnaris vom vorigen Muskel ge-
schieden, von der ulnaren Fläche des Hakens des Hakenbeines und endet
breit am convexen Rande‘ eines Sehnenbogens, welcher über die Beuge-
sehnen hinweg vom ulnaren Rande der Grundphalange des fürften Fingers
zum Lig. capituli volare am radialen Rande desselben Fingers sich aus-
spannt.
Var. Dieser Muskel gehört zu den unbeständigsten; er ist, wie bereits er-
wähnt, durch eine Zacke des M. abductor dig. quinti oder durch ein vom Oppo-
nens dieses Fingers sich ablösendes Fascikel ersetzt oder er fehlt völlig. Zuweilen
findet sich statt desselben ein platter Sehnenstreifen, welcher von der Sehne des
M. ulnaris ext. abgeht und sich bis an die Vorderfläche der Basis der Grund-
phalange des fünften Fingers erstreckt, auch wohl durch ein paar Fasern an den
Haken des Hakenbeines angeheftet wird.
3. M. opponens dig. quinti O2).
Ein einfacher oder aus zwei Schichten, wie am Daumen, zusammen-
gesetzter Muskel, vom Erbsenbeine und vom unteren Rande der ulnaren
‘) Von H. Meyer mit dem M. abductor dig. quinti, als lateraler Kopf des letzteren,
zusammengezogen.
”) M. adductor dig. quinti Meckel. M,.adductor ossis metacarpi dig. quinti Sömmerr.
Interossei. 227
Umbeugung des Lig. carpi volare propr. in das Lig. carpi vol. prof. ent-
springend, endend am ulnaren Rande des Körpers und an der Vorderfläche
des Köpfchens des fünften Mittelhandknochens.
Fig. 117.
Tiefe Muskeln der Hohlhand. Lig. carpi vol. propr. (vp) vertical durchschnitten und
auseinandergelegt. vpr Lig. carpi vol. prof. Z M. lumbricalis an der Insertion abge-
schnitten. Fpl Sehne des M. flexor poll. long. Jd! M. interosseus dors. primus. Der
oberflächliche Bauch des M. abd. poll. br. ist bis auf Ursprung und Insertion entfernt.
y. Mm. interossei.
Die Mm. interossei füllen die Zwischenräume zwischen den Knochen y.
der Mittelhand aus; sie entspringen an diesen Knochen und zuweilen mit ossei.
einigen Fasern an Knochen der Handwurzel und enden an den seitlichen
Rändern der Grundphalangen der Finger.
Inter-
Man unterscheidet Mm. interossei dorsales und volares1). Die Mm. Inteross.
interossei dorsales sind auf dem Rücken der Hand, vier an der Zahl, regel-
mässig in den Interstitien der Mittelhandknochen sichtbar. Sie setzen sich
zusammen aus Bündeln, welche an jedem der drei mittleren Finger zu
beiden Seiten der Firste, die sich über die obere Hälfte des Mittelhand-
knochens herabzieht, am fünften Finger von der radialen Seite dieser Firste,
am Daumen vom ulnaren -Rande ihren Ursprung nehmen. An den mitt-
leren Fingern vom Ursprunge an unter spitzen Winkeln divergirend, da-
gegen unter gleichem Winkel von den einander zugewandten Rändern je
zweier Mittelhandknochen aus convergirend, vereinigen sich die Fasern in
\) Mm. interossei exit, s. bicipites und interni s. simplices.
15* :
dors.
“Tuteross.
vol.
228 Interossei.
jedem Zwischenknochenraume zu einem gefiederten Muskel, dessen Sehne
in der Gegend des Fingercarpalgelenkes entsteht und sich auf die sogleich
zu beschreibende Art an je einen Fingerrand mit einer gewissen Symme-
trie dergestalt inserirt, dass die Interossei dorsales der beiden mittleren
Zwischenknochenräume zu beiden Seiten des Mittelfingers enden, die an-
deren, dem Radial- und Ulnarrande der Hand zunächst gelegenen Interossei
dorsales sich mit ihren Insertionen der Mitte der Hand, also dem zweiten
und vierten Finger, zuwenden (Fig. 119).
An der Rückenfläche der Hand erheben sich die Mm. interossei dor-
sales nicht iiber das Niveau der Firsten der Mittelhandknochen und der
Flächen, in welche diese Firsten abwärts sich entfalten. Eine feste, quer-
faserige Fascie, die sich von Einem Mittelhandknochen zum anderen spannt,
erhält die Muskeln eben und dient einzelnen Bündeln derselben zum Ur-
sprunge; ausnahmsweise empfängt der eine oder andere Interosseus noch eine
Zacke von der Rückenfläche der Basis des Mittelhandknochens oder selbst
von einem Handwurzelknochen der zweiten Reihe; der M. interosseus dor-
salis primus — man zählt vom Daumen an — empfängt regelmässig ein
plattes schmales Faserbündel !) von einem Sehnenbogen, der über den tiefen
Ast der Art. radialis von der Vorderfläche des Trapezbeines zur Rücken-
fläche der Basen der beiden ersten Mittelhandknochen durch den Zwischen-
knochenraum verläuft.
Betrachtet man die Mm. interossei dorsales von der Volarfläche, so
sieht man ihre Ursprünge sich mehr oder minder weit um die Seitenflächen
der Mittelhandknochen herum nach vorn ziehen. Der Zeigefingerursprung
des ersten Interosseus dorsalis?2), die Mittelfingerursprünge des zweiten
und dritten und der Ursprung des vierten Interosseus dors. am vierten Finger
nehmen die ganze betreffende Seitenfläche des Mittelhandknochens bis zur
vorderen Firste ein; dagegen beschränkt sich der Daumenursprung des
ersten Interosseus dorsalis auf den lateralen Rand des ersten Mittelhand-
knochens, so dass die betreffende Zacke 3) zwar im Vergleich zu den übri-
gen lang und breit, aber platt erscheint; ebenso dringen die Ursprünge des
zweiten Interosseus dorsalis am zweiten Mittelhandknochen und die des
dritten und vierten Interosseus dorsalis am vierten und fünften Mittel-
handknochen nur wenig gegen die Hohlhand vor; den grössten Theil
der ulnaren Fläche des ersten und zweiten und der radialen Fläche
des vierten und fünften Mittelhandknochens bis zur vorderen Crista be-
decken die Ursprünge der vier Mm. inteross. vol., die sich mit ihren In-
sertionen an die entsprechenden Ränder der Grundphalangen und also an
eben die Ränder begeben, welche die Mm. interossei dorsales frei lassen.
Der M. inteross. vol. primus #) erhält einen constanten Kopf von der oberen
!) Den Zeigefingerkopf von Dursy's M. extensor pollicis indieisgue (Zeitschr. für
rat. Med. N. F. Bd. III. S.74. Taf. II. Fig. 4. 5).
?) M. interosseus int, primus Albin,
®) M. abductor indieis Albin. s
*) Ich gebe diesen Namen einem Muskel, welcher von den Meisten übersehen, von
Sömmerring und Theile unter den Ursprüngen des M. flexor br.‘ pollicis erwähnt,
von Dursy mit einer Zacke des Zeigefingerkopfes des M. interosseus dorsalis primus zu
einem M. interosseus pollicis indicisqgue zusammengezogen worden ist. Die Handbücher
Interossei. 229
Hälfte des Mittelhandknochens des Daumens, zu welchem sich häufig ein
zweiter und dritter gesellt, der zweite von dem beim M. interosseus dorsalis
Fig. 118.
Tiefe Muskeln der Hohlhand, die Mm. abduetor poll. br, (Ap b), flexor poll. br. (F'pb),
adductor pollieis (4dp), abductor und Axor br. dig. quinti (Abg und Fg) und die
oberdächliche Portion des M, opponens pollieis (Op) bis auf Ursprung und Ende abge-
schnitten. Z Insertionen der Mm. lumbricales. Op‘ Tiefe Portion des M. opponens poll.
Og M. opponens dig. quinti.
erwähnten Sehnenbogen, der dritte von der Basis oder vom lateralen Rande
des oberen Theiles des Körpers des zweiten Mittelhandknochens (Fig. 118).
Der M. inteross. vol. secund. empfängt nicht selten ebenfalls eine Zacke von
der vorderen Fläche des dritten Mittelhandknochens. Der M. interosseus
volaris tertius und quartus erstrecken sich aufwärts auf die Vorderfläche
der Basen des vierten und fünften Mittelhandknochens, der vierte auch zu-
weilen bis an den Haken des Hakenbeines.
Durch die acht Mm. interossei in Verbindung mit den am radialen
und ulnaren Rande der Hand gelegenen Abductoren werden die Grund-
phalangen aller fünf Finger je an beiden Seiten versorgt. Jeder dieser
Muskeln geht in eine platte Sehne über, welche sich, die Ligg. dorsalia
durchsetzend, an dem Seitenrande der Basis ihrer Phalange befestigt und
einen Theil ihrer Fasern in Verbindung mit den Ligg. dorsalia und den
Mm. lumbricales zur Strecksehne der Finger sendet. Die Vertheilung findet
so Statt, dass die Mm. interossei voll. an die dem Mittelfinger zugekehrten
Ränder der vier übrigen Finger treten, die Mm. interossei dors. aber nebst
statuiren nur drei Mm. interossei volares, von welchen also der erste nach meiner Zählung
nunmehr zum zweiten wird u. s. f.
230 Interossei;
den Abductoren die beiden Ränder des Mittelfingers und die vom Mittel-
finger abgewandten Ränder der übrigen Finger versehen. Jeder Finger
kann also durch je zwei Mus-
keln nach dem Einen und an-
deren Rande der Hand gebo-
gen werden; die Mm. inteross.
voll. aber, allein wirkend, nä-
hern die vier Finger dem Mit-
telfinger und schliessen die
Hand; die Interossei dors. und
Abductoren spreizen sie, indem
sie die vier Finger vom Mittel-
finger und den letzteren aus
der verticalen Richtung nach
der Einen und anderen Seite
entfernen. Combiniren sich die
Wirkungen der beiden, Einem
Finger angehörigen Interossei,
so dienen sie, indem ihre ad-
Schema der Mm. interossei und der Abductoren der dubirehden amd: Abdnemerien
Hand, die Mm. interossei dorsales mit einfachen,
die Interossei volares mit punktirten, die Abduc- Kräfte einander das Gleich-
toren mit gestrichelten Linien bezeichnet. gewicht halten, zunächst dazu,
die Grundphalange zu beugen.
Var. Der am ersten Mittelhandknochen entspringende Kopf des M. inteross.
dors. primus.giebt ein Bündel dem zweiten Mittelhandknochen (eigene Beobachtung).
Ein Fall, wovon Meckel berichtet, in welchem die Insertionen des zweiten äusse-
ren und zweiten inneren (nach meiner Zählung) Interosseus vertauscht waren,
jener an den Ulnarrand des Zeigefingers, dieser an den Radialrand des Mittel-
fingers sich ansetzte, ist deswegen sehr interessant, weil er eine vollständige
Wiederholung der Anordnung darbietet, die am Fusse normal ist.
Fig. 119.
Physiol. Man ersieht aus der Beschreibung der Muskeln des Unterarmes und der Hand,
Bemerk. Jass jede Phalange ihre eigenthümlichen Beugemuskeln hat. Die Endphalange der
Finger wird vom Flex. dig. prot., — des Daumens vom Flex. poll. long. — die
Mittelphalange wird vom Flex. dig. subl. gebeugt; zur Beugung der .Grund-
phalange dienen, wie eben erwähnt, die beiden Mm. interossei, unterstützt von den
Mm. lumbriecales — am Daumen die Muskeln des Ballens mit Ausnahme des M.
opponens. Dass jeder dieser Muskeln an jedem Finger unabhängig von dem an-
deren zu wirken vermag, kann Jeder an sich selbst beobachten. Am schwersten
ist es, gewiss nur aus Mangel an Uebung, den Beuger der Endphalangen isolirt
zu bewegen; indess gelingt auch dies, wenn man zuvor die Mittelphalange recht-
winkelig gegen die Grundphalange beugt und in dieser Stellung kräftig festhält;
die Endphalange wird hierbei bekanntlich schlaff und widerstandslos, so dass sie
wie ein Läppchen passiv auf- und abbewegt werden kann; sie lässt sich dann aber
auch activ leicht beugen.
In die Streckbewegungen der Finger theilen sich die Muskeln des Unterarmes
und der Hand folgendermaassen: Der M. ext. dig. comm. ist nebst den eigenthim-
lichen Extensoren des zweiten und fünften Fingers, deren Sehnen mit den ent-
sprechenden Sehnen des Ext. comm. verschmelzen, hauptsächlich Strecker der
Grundphalange; nur wenn die Hand im Handgelenke stark gebeugt ist, streckt er
auch die beiden anderen Glieder; diese Wirkung hört auf, sobald die Hand in
einer zwischen Volar- und Dorsalflexion mittleren Stellung sich befindet. Eigent-
liche Streckmuskeln der Mittelphalange sind die Mm. interossei mittelst derjenigen
Fascie der oberen Extremität. 231
Sehnenfasern, welche über die Grundphalange hinweg und zwischen den ausein-
anderweichenden Fasern der Sehne des Ext. comm. an die Rückenfläche der Basis
der Mittelphalange treten. Man erkennt dies aus der in Fig. 112 abgebildeten
Richtung der Sehnenfasern; es wird bestätigt durch die von Duchenne (8. 185 ff.)
mitgetheilten Versuche und durch die von demselben gesammelten Erfahrungen
über die Folgen der Lähmung des einen und anderen Muskels. Zur Streckung
der Endphalange scheinen die langen Streckmuskeln und die Min. interossei gleich-
mässig beizutragen; eine Bedingung ihrer Wirksamkeit aber ist, dass die Mittel-
phalange auf der Grundphalange gestreckt sei. Ist das erste Fingergelenk ge-
beugt, so wird das zweite, wie erwähnt, locker, und es wird unmöglich, die End-
phalangen in Streckung festzustellen. Der Grund dieser Erscheinung liegt darin,
dass bei Beugung der Mittelphalange die seitlichen Schenkel der gemeinsamen
Strecksehnen, die zur Streckung der Endphalange dienen, erschlaffen. Die
Streekung der Endphalange des Daumens wird ebenfalls durch den M. abductor
br. und adductor unterstützt.
Die Mm. interossei sind demnach zugleich Beuger der Grundphalange und
Strecker der Mittel- und Endphalange, indess die eigentlichen Flexoren nur auf die
beiden letzten Phalangen wirken und die eigentlichen Extensoren nur die Grund-
phalange strecken und auf die beiden anderen Phalangen fast ohne Einfluss sind.
Dieser Einrichtung verdankt, wie Duchenne mit Recht hervorhebt, die mensch-
liche Hand ihre Brauchbarkeit zu den Beschäftigungen, durch die sie sich aus-
zeichnet. Beim Schreiben z. B. wechselt Beugung der Grundphalange und
Streckung der Mittelphalange ab mit Streckung der Grund- und Beugung der
Mittelphalange. Jener erste Act ist Wirkung Eines Muskels; der zweite Act wäre
jedenfalls schwieriger, wenn der Strecker der Grundphalange den Widerstand
eines Beugers oder der Beuger der Mittelphalange den Widerstand eines Streckers
zu überwinden hätte.
Die Schnen des Ext. dig. comm. divergiren von der Scheide aus, in welcher
sie am Handgelenke verlaufen; eine Verkürzung des Muskels zieht eine Vermeh-
rung dieser Divergenz nach sich, und so erscheint als Nebenwirkung der Streckung
der Finger eine geringe Spreizung derselben, welcher durch die Mm. interossei
volares entgegengewirkt werden muss. Zugleich werden die Finger durch die Seh-
nen des M. ext. comm. etwas nach dem Ulnarrande hinübergebogen; es scheint,
dass, um dies zu corrigiren, die Insertion der Mm. lumbrieales am Radialrande
der Phalangen angebracht ist.
Wie sehr die Freiheit in den’ Bewegungen der einzelnen Finger von der
Uebung abhängig ist, ist bekannt; doch besteht in der Anordnung der Muskeln
eine natürliche Disposition zum freieren Gebrauche des Einen oder anderen Fin-
gers, und die grosse Zahl von Varietäten, welche insbesondere der Flexor dig. subl.
zeigt, macht es begreiflich, warum in der Erlernung des isolirten Gebrauches der
Finger die Individuen sich so verschieden verhalten. Wo der Flex. poll. long.
einen Kopf vom Flex. dig. comm. erhält, ist dies daran bemerklich, dass bei rascher
Beugung der vier Finger die Endphalange des Daumens unwillkürlich mitgebogen
wird. Allgemein ist in den Muskeln der Beuge- wie der Streckseite die dem
zweiten Finger zugehörige Portion durch Selbständigkeit ausgezeichnet. Dagegen
gehen die Köpfe, die der vierte Finger vom oberflächlichen und tiefen Beuger
erhält, in der Regel Verbindungen mit den Köpfen des dritten oder fünften Fin-
gers oder beider ein, und ebenso anastomosirt die Strecksehne des vierten Fingers
mit den benachbarten. So erklärt sich in den Bewegungen der Finger die Bevor-
zugung des zweiten und die Vernachlässigung des vierten.
Fascie der oberen Extremität.
Die Fascie der oberen Extremität ist theils Fortsetzung der Fascie
von Brust- und Rückenmuskeln, theils entspringt sie mit den eigenen Mus-
Fascie.
2332 Fascie der oberen Extremität.
keln der Extremität von den Knochen des Schultergürtels.. Die verhält-
nissmässig schwache, den M. pectoralis maj. bekleidende Fascie setzt sich
tramsversal, d. h. der Längenaxe des Schlüsselbeines parallel gefasert, auf
den M. deltoideus fort; sie senkt sich zwischen beiden Muskeln ein in eine
schmale, lateral abwärts sich zuspitzende Spalte, Fossa infraclavieularis ı)
(Fig. 122 *) und tritt innerhalb dieser Spalte mit der Fascia coraco-pecto-
ralis (s. oben S. 94) in Verbindung; im oberen Theile der Fossa infra-
elavicularis wird sie von der Vena cephalica durchbrochen, welche zur
V. axillaris in die Tiefe dringt.
Während übrigens die Hals- und Nackengegend, ziemlich gleichmässig
gewölbt und mit einer durch den knöchernen Halbring des Schultergürtels
nur angedeuteten Unterbrechung, auf die obere und nachher hintere und
laterale Fläche der Extremität übergeht, bildet sich beim Uebergange der
Rumpfwand auf die vordere mediale Fläche der Extremität eine tiefe Höhle,
die man nach ihrer Begrenzung einem Zelte oder einem umgestürzten Kahne
vergleichen kann. Dies ist die Achselgrube, Fossa azillaris. Die
Firste des Zeltes oder den höchsten Punkt des flachen aufwärts gekehrten
Kieles des Kahnes bildet das Schultergelenk (Fig. 120); von da an senkt
Fig. 120. sich die obere Wand
der Achselgrube einer-
seits gegen den Rumpf,
andererseits gegen den
Oberarm herab, um so
flacher gewölbt und da-
gegen um so weiter ge-
spannt, je mehr der Arm
vom Rumpfe abgezogen
und erhoben wird. Am
Rumpfe bekleiden die
oberen Zacken des M.
serrat. ant., am Arme
die verbundenen Ur-
sprünge des M. coraco-
brachialis und biceps
die der Achselgrube zu-
*
Sagittalschnitt der. linken Schulter durch den Armbein-
kopf, mediale Schnittfläche, Schlüsselbein (C7) und Acro-
mion (4) in der Nähe ihrer Articulation durchschnitten.
DM. deltoideus. Ssc M. subscapularis und dessen mit
der Kapsel verschmolzene Sehne. Pmyj M. pect. maj.
Bb Vereinigte Ursprungsmasse des M. coracobrachialis
und des kurzen Kopfes des Bicep.. Ssp M. supraspi-
natus. Tr M. trapezius. Jsp M. infraspinatus. Tm,
Tmj M. teres min. und ma. ZadM. latiss, dorsi.
* Armgefässe und Nerven.
gewandten Flächen der
Knochen (Fig.121). Als
vordere Wand der Ach-
selgrube fungirt der M.
pectoralis maj., als hin-
tere Wand derselben der
M.latiss. dorsi und teres
major; beide Wände
sind an ihrem unteren freien Rande concav, wulstig, die vordere Wand
durch die eigenthümliche Anordnung der unteren Fasern des. M. pectoralis
\) Trigonum deltoideo - pectorale Krause.
Fascie der oberen Extremität. 233
maj., die sich um den Rand des Muskels nach hinten und oben schlagen,
die hintere Wand dadurch, dass der M. latissimus dorsi, wo er sehnig wird,
sich um den M. teres maj. vor- und aufwärts schlägt und es diesem über-
lässt, den Rand zu bilden. Tiefer in die Grube hinein wird an der vor-
Fig. 121. deren Wand derselben der
M. pectoralis minor, an der
hinteren Wand, bei stark
erhobenem Arme, der M.
subscapularis (Fig. 121 Ss)
sichtbar. Die Gefäss- und
Nervenstämme des Armes
treten, hinter dem M. pec-
toralis minor hervor, in die
Achselgrube ein und laufen
am medialen Rande der
Beugemuskeln des Armes
herab.
Wie die Fascie die
Achselgrube abwärts ver-
schliesst, indem sie sich
von der vorderen zur hin-
teren Wand hinüberschlägt,
und wie sie durch die In-
sertion der Faseia coraco-
pectoralis aufwärts einge-
zogen wird, ist schon bei
Muskulatur der Brust- und Schultergegend bei erho- & s
benem Arme. Scm M. sternocleidomastoideus. Tr Beschreibung der Brust-
M. trapezius. D M. deltoid. B M. biceps.. Cb M. muskeln (8. 94) angegeben.
coracobrach. AZ M. ancon. long. Tmj M. teres Die Fascia deltoidea
maj. Ss M. subscap. ZdM. latiss. dorsi. Sa M. _ = :
serrat. ant. Oae M. obliq. abd. ext. liegt der Oberfläche ihres
Pmj M. pect. maj. Muskels dadurch sehr genau
an, dass sie überall in die
Zwischenräume der groben Bündel Scheidewände sendet. Gegen den hin-
teren Rand und die untere Spitze des Muskels wird sie mächtiger, entschie-
den sehnig und schlägt sich, verstärkt durch Fasern, die sich von der
eigentlichen Sehne des M. deltoideus abzweigen, auf die Oberarmmuskeln
hinüber.
Am Ober- und Unterarme ist die Fascie der Streckseite bedeutend
mächtiger, als die der Beugeseite. Besonders zart ist sie über dem M. bi-
ceps; sie vereinigt sich am medialen Rande dieses Muskels mit dem tiefen,
zwischen Biceps und Brachialis int. verlaufenden Blatte und gewinnt da-
durch an Stärke; längs der unteren Hälfte des Oberarmes wird sie zwischen
dem M. brachial. int. und anconeus int. in Form einer Furche !) eingezogen
durch die Anheftung des Lig. intermusculare mediale (Fig. 122), eines
fibrösen Streifens, welcher, andererseits an den medialen Winkel des Arm-
beines angewachsen, die Aushöhlung zwischen diesem Winkel und dem
») Sulcus bieipitalis int.
Oberarm.
Fascie der oberen Extremität.
122.
oberen Rande des
medialen Epicon-
dylus ausgleicht.
SG Der N. medianus
G liegt mit der Art.
brachialis vor dem
Lig. intermuscu-
lare mediale, der
N. ulnaris liegt
hinter diesem Li-
gamente; öfters
strahlen Sehnen-
bündel des M. co-
racobrachialis in
dasselbe aus. Das
Lig. intermuscu-
lare laterale ist
schmaler, minder
straff, an der vor-
Fascie des Ober- und deren und hinte-
Unterarmes, von vorn. ren Fläche ganz
Fossa infraclavicu- Er
laris, **Eintrittsstelle YO den Ursprün-
der Vena basilicaa gen des M., brach.
re a int. und ancon. int.
Nm N. ulnaris und eingenommen; ım
en A Art. unteren Drittel des
Ela, A Ar Operarenwirden
chioradialis.. Pt M. durch die Ur-
De ee
Vi M. ulnaris int. dialmuskeln ver-
Ri M. radialis int. drängt oder er-
setzt. Sein Ver-
hältniss zum N. radialis wurde bereits
oben (S. 175) besprochen.
Die Fascie der Verderfläche des
Oberarmes hat an der Stelle, wo sie
sich mit dem oberen Ende des Lig.
intermusculare mediale verbindet, einen
queren Schlitz (Fig. 122 **) 2), durch
welchen die V. basilica ein-, der N.
cutaneus medius austritt; eine ähnliche,
mehr spaltförmige Oeffnung (Fig.123*),
zum Austritte des Hautzweiges des N.
radialis, findet sich in der Fascie der
hinteren Fläche in der Gegend des
unteren Endes des Lig. intermusculare
2) Hiatus semilumaris fasciae brachialis.
laterale. Der N.
cutaneus lateralis
gelangt an die
Oberfläche durch
einen Schlitz der
Fascie, neben dem
lateralen Rande
des M. biceps und
oberhalb des Ur-
sprungs der ober-
flächlichen Sehne
dieses Muskels
(Fig. 122 ***),
Beim Uebertritte
vom Ober- an den
Unterarm nimmt
die Fascie neue
Faserzüge von den
Sehnen des M. bi-
ceps und triceps
und vom Epicon-
dylus medialis auf,
und längs dem
ganzen Unterarme
empfängt sie
transversale Fa-
Fascie der oberen Extremität.
Fig. 123.
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Fascie des Ober- und
Unterarmes, von hin-
ten. * Austrittsstelle
des Hautastes des N.
radialis. ** Bursa
subeutanea olecrani.
Nu N. ulnaris. R
Mm. radiales externi.
Ue, Ui M. ulnaris
ext. und int, 4Apl
M. abduet. poll. long.
N SS
ITISSISZINS
=IIÄN
ir
SI
Epb M. ext. poll. br.
cc Lig. carpi comm.
sern, welche von
der hinteren Kante
der Ulna median- und lateralwärts ab-
gehen, die medianwärts abgehenden
am Ursprunge mit der Sehne des M.
ulnaris int. verschmolzen. Die Sehnen-
fasern des Biceps, welche in die Fascie
ausstrahlen, wurden als oberflächliche
Sehne dieses Muskels zugleich mit dem-
selben beschrieben ; zum Theil aus den
medialen Muskelfasern, zum Theil neu
an der tiefen Sehne entspringend, wen-
den sie sich in aufwärts concaven Bo-
gen gegen den Ulnarrand des Armes
(Fig. 122 5“) und erzeugen mit den
am Epicondylus med. entspringenden,
lateralabwärts verlaufenden Fasern der
Fascie ein starkes Flechtwerk, von
dessen Innenfläche Fasern der ober-
flächlichen Beugemuskeln entspringen
und sehnige Septa der Muskeln ab-
gehen. Die oberflächliche Sehne des
235
Unterarm.
236 Fascie der oberen Extremität.
M. biceps bedeckt die Gefässe des Armes, so weit sie in der abwärts zu-
Fig. 123 a. gespitzten Grube zwischen dem M.
brachioradialis und pronator teres lie-
gen; an dem kräftig contrahirten
Arme macht sich ihre Insertion in
die Fascie durch eine Einschnürung
bemerklich, welche die Muskelmasse
am ulnaren Rande, etwa 11/5“ unter-
halb des Epicond. medialis, erfährt.
Die Sehne des M.triceps verwächst
oberhalb der Insertion am Proc. an-
coneus mit der Fascie, so dass der
Antheil beider an dem fibrösen Blatte,
welches lateralwärts von diesem Fort-
satze den M. anconeus quartus deckt,
nicht gesondert werden kann. We-
gen der Scheiden, die die Faseie den
Streckmuskeln des Unterarmes liefert,
pI verweise ich auf die Beschreibung der
Muskeln, wegen der ringförmigen
Fasern der Fascie am Handgelenke,
Lig. carpi commune, auf die Bänder-
lehre (8. 92).
An der Hand ist, sowohl auf dem
Rücken wie in der Vola, je ein ober-
flächliches und tiefes Blatt der Faseie
zu unterscheiden. Auf dem Hand-
rücken verbindet das obertläch-
liche Blatt die Strecksehnen mit ein-
ander und setzt sich mit ihnen au
Pbs die Finger fort; das tiefe Blatt ist
zwischen den Mittelhandknochen aus-
gespannt; es deckt die Mm. inter-
ossei, dient Fasern derselben zum Ur-
sprunge und verliert sich an der Basis
der Grundphalangen in die Kapseln
der Fingercarpalgelenke (Fig. 111 **).
Das oberflächliche Blatt der
Hohlhandfaseie ist in dem mitt-
leren Theile der Vola zwischen dem
® _ Daumen- und Kleinfingerballen ausge-
1; spannt, eine mächtige und glänzende,
dreiseitige, mit der Basis abwärts ge-
Muskeln des Vorderarmes, erste Schichte. richtete Platte. Es besteht, mie=be-
B M. biceps. Bi M. brachialis int. RR reits bei der Beschreibung des M.
Gruppe der radialen Muskeln. ?t M. pro- palmaris erwähnt wurde, aus zwei
nator teres. Ri M. radial. int. Pl, Pb Lagen, einer äusseren, mit vertical
M. palmaris longus und brevis. Vi M. z 6 -
ulnaris int. Z M. lumbricalis. fächerförmiger, und einer inneren,
Hand-
rücken,
Hohlhand.
Fascie der oberen Extremität. 237
mit transversaler Faserung. Die äussere Lage, eine Ausbreitung der
Sehne des M. palmaris long., verstärkt durch Fasern, die am Lig. carpi
volare propr. entspringen, reicht bis an die Basen der Grundphalangen und
weicht gegen dieselben in vier Zipfel auseinander, welche die Querfasern
der tieferen Lage durchblicken lassen und sich zwischen je zwei Fingern
in die Haut befestigen (Fig. 123 a.). Die innere Lage ist in der Nähe
des Handgelenkes schwach, genau an die äussere angewachsen, und wird
in dem Maasse stärker, als sie sich den Basen der Finger nähert und zwi-
schen den Zipfeln der äusseren Lage frei wird. An der äusseren (vorderen)
Fläche ist die Volarfascie mit der Cutis durch zahlreiche, straffe, das Fett-
gewebe durchsetzende Fasern genau verbunden; an der inneren (hinteren)
Fläche ist sie durch lockeres Fett von den Gefässen und Nerven der Hohl-
hand und von den Schleimbeuteln der Beugesehnen geschieden. Ihre bei-
den Seitenränder stossen am Daumen- und Kleinfingerballen mit der tiefen
Fascie der Volarfläche zusammen, so dass die zarte Fascie, welche die
Muskulatur dieser beiden Ballen deckt, eine verdünnte Fortsetzung ebenso-
wohl der oberflächlichen als der tiefen Fascie zu sein scheint.
Die tiefe Hohlhandfaseie bedeckt unmittelbar die Mm. interossei. Die
Weise, wie sie sich an den Fingercarpalgelenken hinter den Beugesehnen fort-
setzt und wie sie der oberflächlichen Fascie, welche vor diesen Sehnen verläuft,
sagittale Septa zusendet, wodurch auf den Gelenken Scheiden für die Beuge-
sehnen, zwischen je zwei Fingern Scheiden für die Mm. lumbricales gebil-
det werden, Alles dies wurde bereits in der Bänderlehre (S. 105) be-
schrieben. Die tiefe Fascie verschmilzt mit der vorderen Wand der Ge-
lenkkapseln; die oberflächliche Fascie geht auf den Fingern in die Ligg.
vaginalia über und scheint zwischen je zwei Fingern in der Gegend der
Fingercarpalgelenke mit einem scharfen, abwärts concaven Rande zu endi-
gen, unter welchem der M. lumbricalis und die Nervenäste zu Tage kom-
men (Fig.123 a. L). Doch tritt weiter unten, zur Unterstützung der zwischen
den Fingern ausgespannten Hautfalten, also etwa in der halben Höhe der
Grundphalangen, noch einmal ein mächtiger, über alle vier Finger sich
eontinuirlich erstreckender Querfaserzug auf, aus welchem Fasern abwärts
in die frontalen Septa der Finger (Bdl. S. 108) umbeugen }).
Die Ligg. vaginalia erstrecken sich ununterbrochen von den Basen
der Grundphalangen bis zur Insertion der Sehne des M. flexor dig. prof.
an die Endphalangen, zeigen aber Verschiedenheiten der Stärke und des
Faserlaufes, welche zur Zerlegung eines jeden Lig. vaginale in eine
Anzahl von Bändern ?) geführt haben. Das Lig. vaginale ist mächtig und
straff längs den Körpern der Phalangen; es muss aber den Gelenken gegen-
über, um die Beugung der Finger nicht zu beeinträchtigen, diinn und leicht
zu falten sein. Jener straffe Theil, welcher besonders an der Grundpha-
\) Bourgery s Bandelette transversale souscutanee, Taf. 151. Fig. 1. Richtig abgebil-
det, jedoch mit der unrichtigen Erklärung, dass sie auf den Basen der Grundphalangen
liegen.
2) Ligg.:vaginalia, annularia, cruciata und obligua aut.
II. Untere
Extremität.
a. Hüft-
muskelh.
ce. Innere
Hüft-
muskeln.
238 Hüftmuskeln.
lange scharf nach oben und unten abgesetzt ist und fast die Höhe des Kör-
pers der Phalange hat, besteht aus Querfasern, welche die concave Vorder-
fläche der Phalange überbrücken. Der weichere Theil des Lig. vaginale
enthält schräge und auch wohl gekreuzt verlaufende Fasern.
ll. Untere Extremität.
a. Muskeln der Hüfte.
Die Muskeln der Hüfte liegen in zwei Gruppen. Die Eine, wir wollen
sie die Gruppe der inneren Hüftmuskeln nennen, nimmt ihren Ursprung an
der inneren (vorderen) Fläche der hinteren Wand der Bauchhöhle mit Ein-
schluss der die Bauchhöhle begrenzenden Wand des oberen Beckens und
kommt also erst nach Eröffnung der Bauchhöhle und Entfernung der Bauch-
eingeweide zum Vorschein. Insofern sie das Schenkelbein erreichen, be-
festigen sich die Muskeln dieser Gruppe am Trochanter minor und dessen
nächster Umgebung. Ihre Fasern haben einen im Wesentlichen verticalen
Verlauf und dienen also, den Schenkelkopf oder, bei festgestelltem Schenkel,
den Rumpf um die transversale Axe zu drehen, d. h. den Schenkel gegen
die Vorderfläche des Rumpfes oder den Rumpf gegen die Vorderfläche des
Schenkels zu beugen.
Die zweite Gruppe, die äusseren Hüftmuskeln, entspringen an der
Aussenfläche des oberen und unteren Beckens, theilweise auch an der Innen-
fläche des letzteren, und gehen, die oberflächlichen in fast verticaler, die
tieferen in mehr horizontaler Richtung zur Gegend des Trochanter major.
Die im Inneren des unteren Beckens entspringenden Muskeln gehören zu
den tieferen; sie treten durch die Ineisura ischiadica maj. und minor aus
und verhalten sich hinsichtlich ihrer Wirkung so, als ob sie am Rande die-
ser Oeffnungen ihren Ursprung nähmen. Die verticalfaserigen Muskeln
haben, je nachdem sie an der lateralen oder hinteren Fläche, an der eigent-
lichen Hüfte oder am Gesäss liegen, die Aufgabe, den Schenkelkopf um die
sagittale Axe aufwärts oder um die transversale Axe rückwärts zu bewegen
oder auf dem befestigten Beine das Becken seit- oder rückwärts zu drehen.
Die Muskeln mit horizontalem Faserverlaufe sind Rollmuskeln des Schen-
kels um die verticale Axe, und zwar rollen sie sämmtlich, da sie sich an
den hinteren Theil des Trochanter ansetzen, den Oberschenkel rückwärts
um. Die Rotation des Schenkels nach vorn, mit der Fussspitze median-
wärts, kann nur Nebenwirkung schräger Fasern der wesentlich vertical ver-
laufenden Muskeln sein, worauf ich zurückkomme.
e. Innere Hüftmuskeln.
Zwei Muskeln beginnen unmittelbar neben einander, der Eine an der
Seitenfläche des Körpers des letzten Brustwirbels, der andere am unteren
Rande der letzten Rippe, jener eylindrisch und schmal, dieser platt und
Quadrat. lumborum. 239
breit. Jeder dieser Muskeln erhält im Absteigen Zuwachs an seiner hin-
teren Fläche, der mediale von den Körpern und Querfortsätzen der Bauch-
wirbel, der laterale von denselben Querfortsätzen und vom Lig. lumbocostale.
Während aber der mediale Muskel direct über den vorderen Beckenrand
herabsteigt, bewirkt am lateralen der Hüftbeinkamm eine Unterbrechung :
der laterale Muskel zerfällt in einen oberen Theil, der am Hüftbeinkamme
endet, und einen unteren Theil, der an derselben Stelle entspringt, um
weiter abwärts sich, vereint mit dem medialen Muskel, am Schenkelbeine
zu befestigen. Der aus dieser Verbindung hervorgehende, also zweiköpfige
Muskel ist der M.iliopsoas; der zwischen der untersten Rippe und dem Becken
ausgespannte Theil des lateralen Muskels ist der M. quadratus lumborum.
Durch die Anheftung am Becken hat dieser Muskel seinen unmittelbaren
Einfluss auf die untere Extremität verloren; durch die Vermischung seiner
Fasern mit Intercostalmuskeln (den Mm. intertransversarii lumb. post. late-
ral.), sowie durch seine Functionen unter gewöhnlichen Verhältnissen reiht
er sich den Muskeln des Stammes, dem Bewegungsapparate der Wirbel und
Rippen an. Dennoch scheint mir seine Stellung an diesem Orte durch die
Coordination mit dem medialen und durch die Beziehung zum lateralen
Kopfe des M. iliopsoas geboten. Jedenfalls ist es fehlerhaft, den Quadratus
lumborum, wie allgemein üblich, als Wiederholung der Scaleni zu betrach-
ten. Er entspricht vielmehr durch seine Beziehungen zum Extremitäten-
gürtel dem M. levator scapulae, wie der laterale Kopf des M. iliopsoas dem
M. subscapularis.
Zu den zwei genannten Muskeln kommt ausnahmsweise noch ein drit-
ter, M. psous minor, eine gewissermaassen selbständig gewordene oberste
Zacke des medialen Kopfes des Iliopsoas, deren Sehne in die Fascie dieses
Muskels ausstrahlt.
1. M. quadratus lumborum W112.
Ein platter, vierseitiger Muskel, mit dem medialen Rande an die Quer-
fortsätze der Bauchwirbel und den Beckenursprung des M. sacrospinalis, mit
dem oberen Rande an die unterste Rippe, mit dem unteren Rande an den
Darmbeinkamm und das Lig. iliolumbale angewachsen; sein lateraler,
etwas schräg lateralwärts absteigender Rand ist frei. Mit der hinteren
1. Quadr.
lumn.
Fläche ruht der Muskel auf dem Lig. lumbocostale; seine vordere Fläche :
ist von einer dünnen Fascie bekleidet; dieser Fascie ‘ist oben der Sehnen-
bogen eingewebt, von welchem Fasern der lateralen Zacke der Vertebral-
portion des Zwerchfelles ihren Ursprung nehmen (Fig. 34 d).
Der Verlauf der Fasern des M. quadr. Jumb. ist verwickelt und ver-
änderlich. Die Hauptmasse entspringt fleischig von der Rippe, läuft dem
lateralen Rande des Muskels parallel schräg abwärts und geht in geringer
Entfernung oberhalb des Hüftbeines in eine platte Sehne über; zu dieser
Masse treten an beiden Rändern und an der hinteren Fläche platte Za-
!) M. scalenus lumborum und ileolumbalis H. Meyer.
Quadrat. lumborum.
RfM. rectus
Gr M. gracilis.
Sar M. sartorius.
Tf M. tensor fasciae.
A fl, Afm M. adductor fem. longus und magnus.
D Vertebralzacke des Zwerchfells.
Innere Hüft- und oberflächliche Schenkelmuskeln, von vorn.
femoris.
Pe M. peectineus,
Vl, Ym Laterale und mediale Portion des M. vastus.
eken, entspringend von
der Spitze der Quer-
fortsätze der Bauchwir-
bel und von transver-
salen, in der Fortsetzung
der Querfortsätze dem
Lig. lumbocostale ein-
gewebten Bandstreifen,
welche die Stelle von
Rippen vertreten (Bdl.
S. 32). Mit diesen Fa-
sern kreuzen sich unter
spitzen Winkeln andere,
platte Bündel, welche
auf der Vorderfläche des
Muskels theils von der
letzten Rippe und von
den Querfortsätzen der
Bauchwirbel geneigter
lateralwärts absteigen,
theils auch in einer la-
teralwärts aufsteigen-
den Richtung verlaufen.
Bündel der letzteren
Art entstehen mittelst
platter Sehnen an den
zwei bis drei untersten
Bauchwirbeln und strah-
len aufwärts zum Theil
zwischen die übrigen
Fasern des Muskels und
gegen die untere Rippe
aus, zum Theil befesti-
gen sie sich, Einen Wir-
bel überspringend, in bo-
genförmigem, median-
wärts _concavem Ver-
laufe an den nächst hö-
heren Querfortsatz. Me-
dianwärts stossen diese
Bündel an die Mm. in-
tertransversarii latera-
les; der laterale Rand
ihrer Ursprungssehnen
dient wieder zarten La-
gen lateral-abwärts lau-
fender Muskelfasern zum
Ursprunge.
Tliopsoas. 241
2. M. iliopsoas Hyrtl Jp)).
Der M. iliopsoas besteht in der Regel aus einem medialen und einem
lateralen Kopfe; nicht selten sondert sich vom lateralen Kopfe eine tiefe
Portion, die wir als dritten oder tiefen Kopf des M. iliopsoas beschreiben.
Der mediale Kopf, M. psoas maj.2), beginnt einfach an der Seiten-
fläche des Körpers des zwölften Brustwirbels, zuweilen auch am Köpfchen
der zwölften Rippe, und verstärkt sich im Absteigen längs der Bauchwirbel
durch Fasern, welche einerseits von den Körpern, andererseits von den
Querfortsätzen aus, unter spitzem Winkel convergirend, abwärts laufen
Fig. 125. (Fig. 124. 125 Jp). An
den Körpern der Wirbel
entwickeln sich die Fasern
in continuirlicher Reihe
theils unmittelbar von den
„Knochen und Synchondro-
sen zur Seite des Lig.
comm. vertebr. ant., theils
von verticalen, über die
Concavität der Wirbel und
über die horizontal verlau-
fenden Lumbargefässe aus-
gespannten Sehnenbogen
(Fig. 124). Die Ursprünge
an den Querfortsätzen sind
breite, platte Zacken, wel-
che in der Regel die Vor-
derfläche und den unteren
Rand der Fortsätze aller
oder nur der vier unteren
Wirbel von der Wurzel bis
in die Nähe der Spitze ein-
nehmen, medialerseits an
die Wirbelkörperursprünge
des gleichen Muskels, late-
ralerseits an die Ursprünge
des M. quadr. lumb. stossen
und nicht selten auch unter
sich der Höhe nach in
Verbindung treten durch
Fasern, welche längs der
Ligg. costo - transversaria
—g
a ee
——
Innere Hüftmuskeln, von vorn. Der mediale Bauch des
M. iliopsoas (Jp!) ausgeschnitten, die lateralen Ursprünge 4 5
desselben lateralwärts umgelegt. D Vertebralzacke antica (Bdl. Fig. 25) ent-
des Zwerchfells. Pe M. pectineus. Sar M. sartorius. springen.
!) M. iliacopsoas Haller. M. flexor femoris Theile. Psoas-iliague Cruv.
2) M. psoas lumbaris s. lumbaris int. Runder Lendenmuskel.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl.3. 16
2. Iliopsoas.
242 Iliopsoas.
24
Zwischen beiden Reihen von Ursprüngen treten die vorderen Aeste der
Nn. lumbales aus den von den Wirbeln und den Ligg. costo-transversaria
begrenzten Oeffnungen hervor und durchsetzen einzeln den Muskelbauch,
um sich an dessen lateralem Rande zum N. ceruralis zu verbinden.
Nach der Richtung ihres Verlaufes muss man zum medialen Kopfe
des Iliopsoas noch eine Reihe zarter Bündel rechnen, welche längs des
Tliosacralgelenkes am Darmbeine, zuweilen auch noch am Rande des Kreuz-
beines und längs der Crista iliopeetinea an der Beckenfaseie wurzeln (Fig.
125 Jp*). Lateralwärts treten sie meist ohne Unterbrechung mit dem
lateralen Kopfe zusammen. Von den am untersten Bauchwirbel entsprin-
genden Fasern sind sie durch die oberste Wurzel des Plexus sacralis (aus
dem fünften N. lumbalis) geschieden.
Die Sehne des Psoas, anfangs platt, dann platteylindrisch, wird noch
innerhalb des Beckens am lateralen Rande und der hinteren Fläche des
Muskels frei; am medialen Rande und der vorderen Fläche nimmt sie bis
zur Insertion Fasern auf.
Der laterale Kopf des lliopsoas, M. ilacus!), entspringt mit einer
continuirlichen Reihe von Fasern vom oberen und vorderen Rande des
Hüftbeines bis unterhalb der Spina iliaca ant. inf., zwischen den Bündeln
des Lig. iliolumbale, von der medialen Ursprungssehne des M. rectus femo-
ris und vom vordersten Theile des Lig. iliofemorale in der Nähe seines
Beckenursprunges; ferner mit vereinzelten, schmalen und platten Bündeln
von der inneren Fläche des Darmbeines (Fig. 124.125 J p2). Seine Fasern
gehen ziemlich parallel steil medianabwärts; die obersten erhalten an der
hinteren Fläche eine kurze, platte Insertionssehne, die sich in der Gegend
der Eminentia iliopectinea mit der Sehne des mediälen Kopfes verbindet;
die folgenden Fasern fügen sich successiv unmittelbar an den lateralen Rand
der Sehne des Psoas; die untersten heften sich für sich kurzsehnig unter-
halb des Trochanter minor an eine dreiseitige Fläche des Schenkelbeines
zwischen der Insertion des M. pectineus und dem Ursprunge des M.
eruralis.
Der dritte, tiefe Kopf des Iliopsoas, wenn ein solcher besteht, setzt
sich aus den Fasern zusammen, welche am vorderen Rande des Hüftbeines,
von der Spina iliaca ant. sup. an bis zur Hüftgelenkkapsel, ihren Ursprung
nehmen (Bl. Fig. 107) und sich zu unterst an die gemeinsame Sehne und
unterhalb derselben an das Schenkelbein befestigen.
Die Sehne des M. iliopsoas hat ihre grösste Breite an der hinteren
Fläche des Muskels, wo die beiden oberflächlichen Köpfe zusammenstossen
und, über dem Rande des Beckens austretend, das Hüftgelenk bedecken. Sie
verwächst hier mit der äusseren Wand eines Schleimbeutels, welcher auf
der Kapsel des Hüftgelenkes liegt, zuweilen mit dieser Kapsel communieirt
und deshalb schon bei Beschreibung des Hüftgelenkes (Bdl. S. 129. Fig. 107.
109. 111 ***) erwähnt wurde. Nach dem Austritte aus dem Becken ver-
schmälert sich die Sehne und wird erst wieder breiter in der Nähe der
Insertion, um den Trochanter zu umfassen; auch hier ist sie vom Knochen
!) M. iliacus int. aut. Hüftbeinmuskel.
Psoas minor. 243
durch einen Schleimbeutel !) getrennt. Ihre Richtung vom Beckenrande
aus ab-median- und zugleich rückwärts ist sehr günstig, um den Schenkel-
kopf zugleich auf- und seitwärts zu rollen.
Var. Die zwei bis drei unteren Wirbelkörperursprünge oder die oberen
Querfortsatzursprünge des medialen Kopfes des Iliopsoas bilden eine, vom übrigen
Muskel abgesonderte Portion (Albin, Meckel). Derselbe Kopf erhält einen
Zuwachs an Fasern von beiden Rändern der Sehne des M. psoas minor (eigene
Beobachtung). Bündel des lateralen Kopfes laufen über eine oder mehrere Wur-
zeln des N. cruralis hinweg (ebenso).
3. M. psoas minor.
Der kurze, spindelförmige Bauch dieses Muskels entspringt theils über, 3. Psoas
theils medianwärts neben dem medialen Kopfe des M. iliopsoas vom Körper
des letzten Brust-, zuweilen auch des ersten Bauchwirbels; seine lange,
platte Sehne läuft auf der Vorderfläche des Psoas herab, in der Fascie
dieses Muskels befestigt und schliesslich über den vorderen Rand des
Beckens in dieselbe ausstrahlend (Fig. 34 Ps).
Var. Kelch sah einen zweiten Psoas minor, welcher an der Seitenfläche des
Körpers des dritten Bauchwirbels entsprang. Theile sah die Endsehne in zwei
Portionen getheilt: die Eine heftete sich an die Synchondrose des füniten Bauch-
und ersten Kreuzwirbels, die andere an die Crista iliopectinea.
f- Aeussere Hüftmuskeln.
Die äusseren Hüftmuskeln liegen in vier Schichten. Die erste Schichte 3. eussere
bildet ein einziger Muskel, M. gluteus mawimus, welcher nicht nur fast EN
vollständig die tieferen Schichten der Hüftmuskeln, sondern auch die Ur-
sprünge der Muskeln der Beugeseite des Oberschenkels zudeckt. Von der
hinteren Mittellinie und dem hinteren Theile des oberen Randes des Beckens
geht er mit parallelen, schräg lateralabwärts verlaufenden Fasern an das
obere Drittel des Schenkelbeines; seinem unteren Rande entspricht ziemlich
genau die Querfurche, welche die Hinterbacke vom Oberschenkel scheidet.
Der M. gluteus maximus bildet hauptsächlich das Fleisch des Gesässes, an
dessen Form und Wölbung übrigens auch das mächtige Fettpolster der
Cutis seinen Antheil hat.
Auch in der zweiten Schichte findet sich nur Ein Muskel, M. gluteus
medius ; derselbe geht mit convergirenden Fasern von der Aussenfläche des
Darmbeines zur Aussenfläche des Trochanter major, an seinem medialen
Theile vom M. glut. max., am freien, lateralen Theile von einer starken Faseie
bedeckt und seinerseits die laterale Partie der dritten Schichte bedeckend.
Diese dritte Schichte besteht aus vier dicht aneinander grenzenden
Muskeln, deren Fasern von der äusseren Fläche des Darmbeines und dem
hinteren Rande des Hüftbeines aus gegen den Trochanter major conver-
. giren, um an die Spitze desselben, in der Fossa trochanterica. und an die
Linea intertrochanterica, sich anzuheften. Die Zerfällung in vier Muskeln
I) Bursa iliaca Monro.
16*
I. Erste
Schichte.
Glut. max.
244 | Gluteus maximus.
ist durch die Gelegenheit zur Ausbreitung der Faserursprünge bedingt.
Vom Darmbeine, auf welchem der oberste dieser Muskeln, M. gluteus mini-
mus, entspringt, geht der Ursprung des zweiten, des M. pyriformis, auf die
Vorderfläche des Kreuzbeines über; der dritte, M. obturator int., bezieht
die Hauptmasse seiner Fasern von der inneren (hinteren) Fläche der vor-
deren Beckenwand und erhält einen tiefen Kopf von der äusseren Fläche
des Beckens in der Nähe der Ineisura ischiadica minor, über deren Rand
er aus dem Becken hervorgeht; der vierte, M. quadratus femoris, nimmt
direct vom Sitzhöcker seinen Ursprung. Die Muskeln dieser Schichte sind
unter sich und mit der Kapsel des Hüftgelenkes durch fetthaltiges, aber
festes Bindegewebe verbunden, welches zugleich die Fascie dieser Schichte
bildet und am Lig. sacrotuberosum mit der Fascie des unteren Beckens zu-
sammenhängt. Es wird, je näher der Insertion, um so straffer und heftet
schliesslich die Sehnen des Gluteus min., Pyriform. und Obturator so fest
aneinander, dass nur eine künstliche Trennung derselben von einander mög-
lich ist.
Nach Entfernung der unteren Muskeln der dritten Schichte wird die
Insertionssehne des einzigen Muskels der vierten Schichte, des M. obturator
et., sichtbar, welcher, dem gleichnamigen inneren Muskel gegenüber, an der
äusseren Fläche der vorderen Beckenwand entsteht und quer unter dem
Schenkelhalse vorüber zum tiefsten Theile der Fossa trochanterica zieht.
I. Erste Schichte.
M. gluteus maximus Gm).
Platt, sehr mächtig (über 1”) und gleich dem M. deltoideus, den er an
der unteren Extremität wiederholt, aus eigenthümlich groben Bündeln zu-
sammengesetzt, zwischen welchen die Fascie Blätter in die Tiefe schickt-
Die Form ähnelt einer Raute mit zwei verticalen, zwei schräg lateralwärts
absteigenden Seiten; die mediale verticale Seite nebst einem kleinen an-
grenzenden Theile der oberen entspricht dem Ursprunge, die laterale ver-
ticale Seite entspricht der Insertion; der Rest der oberen und die untere
Seite sind frei, aber durch festes Bimdegewebe fast unverrückbar an die
Unterlage angeheftet. Die Unterlage des oberen Randes ist der M. gluteus
medius; der untere Rand zieht von der Spitze des Steissbeines bis zum
Sitzhöcker wulstig über das Fettlager der Dammgegend; am Sitzhöcker ist
er so befestigt, dass er ihn bei gestrecktem Schenkel eben bedeckt und bei
gebeugtem Schenkel (im Sitzen) sich über ihn hinaufzieht, jenseits des
Sitzhöckers bis zur Insertion heftet die Fascie den Rand des Gluteus an die
Beugemuskeln des Unterschenkel».
Am Darmbeine haften die Fasern des Gluteus, fast unmittelbar fleischig,
auf der Fläche, welche die Linea glutea post. mit dem oberen und hinteren
Rande des Knochens einschliesst (Knl. S. 245); von da auf das Kreuzbein
übergehend, ordnen sich die Ursprünge in zwei concentrische Reihen, eine
oberflächliche und eine tiefe. Die oberflächliche erstreckt sich in gerader
') M. gluteus magnus Alb. M. g. major aut. _ Grosser Gesässmuskel, Grand fessier.
Gluteus maximus. 245
oder gebogener Linie auf der Fascia Jumbodorsalis herab zum Cornu sacrale
und weiter längs des Randes der drei oberen Steisswirbel (Fig. 127 Gin‘).
Fig. 126. Die tiefe (@ m“) 1) sitzt am Seiten-
rande des Kreuzbeines und dem an-
#24 stossenden Theile des Lig. sacro-
tuberosum, mehr oder minder weit
gegen die Spina ischiadica vordrin-
gend. Beide Reihen von Ursprün-
gen verschmelzen in der Regel bald
mit einander; an den oberen Rand
der Masse legen sich noch successiv
eine Anzahl Bündel an, welche
vom Rande des Hüftbeines eine
Strecke weit abwärts auf der derben
Fascie des M. gluteus medius ent-
springen (Fig. 126).
Die grosse Mehrzahl der Muskel-
fasern des Gluteus max. endet in
der Fascie des Öberschenkels in
einer . gebrochenen Linie, welche
dem oberen und hinteren Rande
des grossen Trochanter ziemlich
genau parallel läuft und sich ab-
wärts bis an das Ende des oberen
Drittels des Schenkelbeines verlän-
I gert. Und zwar geht die obere
A| Hälfte des Muskels ganz in die
CE:
N
=
N
NZ
\ N
\ Fascie über, von der unteren Hälfte
ZA aber nur eine oberflächliche und,
\
\
/
/
\
je weiter abwärts, um so minder
mächtige Lage; verdeckt von der
oberflächlichen Lage und daher nur
an der Innenfläche des vom Ur-
sprunge abgelösten und nach aussen umgeschlagenen Muskels sichtbar, ver-
einigt sich eine Anzahl eonvergirender Muskelbündel in eine platte Sehne,
welche etwa in der Höhe des Trochanter minor sich an den oberen late-
ralen Schenkel der Crista femoris befestigt; die weiter abwärts folgenden
Fasern haften mittelst kurzen, abwärts an Mächtigkeit zunehmenden Sehnen-
fasern medianwärts neben und auf der Ursprungssehne des M. vastus (Fig. 127).
Den Trochanter major deckt an der Stelle, wo die Fascie, welche zu-
gleich Sehne des Gluteus maximus ist, über ihn hinweggleitet, ein ein- oder
mehrfächeriger Schleimbeutel, Bursa mucosa trochanterica ?), der mehr
oder minder weit auf dem M. vastus herabreicht.
|
M. gluteus maximus, von hinten. * Fascie
des M. gluteus med.
!) Die oberen Zacken dieser tiefen Portion werden, gleich der tiefen Portion des
M. pectoralis maj., seit Tiedemann sie zuerst an einer sehr muskulösen Leiche beob-
achtete (Meck. Arch. IV. 413), als Varietät des M. gluteus max. angeführt.
2) Bursa gluteo-fascialis, gluteo-trochanterica und gluteo-femoralis Monro.
246 Gluteus medius.
Die Nervenfasern des M. gluteus max. stammen vom N. gluteus inf.
und treten oberhalb des Lig. saerospinosum ein.
Ehysiol: Unter den Muskeln der Gesässgegend ist der Gluteus naximus am wenigsten
Bemerk. für die Rotationsbewegungen, dagegen vorzugsweise günstig für die Bewegungen
organisirt, wodurch die hintere Fläche des Schenkels und des Rumpfes einander
genähert werden, der Schenkel also nach hinten erhoben oder der Rumpf gestreckt
wird. Dieser Function dienen die Fasern um so besser, je weiter abwärts am
Schenkelbeine sie sich ansetzen, und deshalb gehen die unteren Bündel in Masse
an den Knochen, indess die oberen durch Vermittelung der Fascie und also auf
alle Insertionspunkte der Fascie oder von diesen Punkten aus wirken. E
x
II. Zweite Schichte.
M. gluteus mediu Gmd!).
IL. Zweite Der M. gluteus medius entspringt fleischig von dem Theile der äusseren
N, Fläche des Darınbeines, welchen der obere Rand, die Linea glutea ant. und
Fig. 127. glutea post. begrenzen.
= Von dem hinteren Ende
der Linea glutea ant.
setzt sich der Ursprung
des Muskels beständig
noch eine kurze Strecke
auf einen plattten Seh-
nenbogen fort, der mit
dem Hüft- und Kreuz-
beine eine ovale Lücke
zumDurchtritt von Zwei-
gen der Vasa glut. supp.
umschliesst (Fig. 127).
Gegen den vorderen
Rand des Beckens ver-
stärkt sich der M. glu-
teus med. durch Fasern,
welche von der inneren
Fläche seiner Fascie
und von einem an der
Spina iliaca ant. sup.
entspringenden Sehnen-
streifen ?) stammen, der
sich abwärts in die Mus-
Gm
ı a kulatur des Gluteus
* Afmi
Hintere Hüftmuskeln, nach Entfernung des .M. gluteus ) M. gl. secundus. M. iia-
max., welcher dieht am Ursprunge abgeschnitten und mit cus ext. M.J. Weber. Mitt-
dem unteren Ende (Gm) lateralwärts umgelegt ist. lerer Gesässmuskel. Moyen
PM. pyriformis. Oi M. obturator int. @,f M. quadrat essier.
femoris. Ni N. ischiad. dieht unter dem Austritte ab- ?) Lig. suspensorium tro-
geschnitten. Y/ M. vastus, laterale Portion. chanteris Günther (Chirurg.
Afmi M. adductor fem. minimus. Muskellehre S. 143).
Glateus minimus. 247
minimus fortsetzt (Fig. 1283 @ mi‘). Demnach ist es die Sehne des Gluteus
minimus, an welcher die vordersten Fasern des Gluteus med. entspringen,
und sehr häufig sind beide Muskeln von da an bis herab zur Insertion so mit
einander verwachsen, dass sie mit einander, wie die beiden Schichten des
M. masseter, eine von den Seiten comprimirte Tasche bilden, deren blinder
Grund vorwärts, deren Eingang nach hinten gerichtet ist.
Die Insertion des Gluteus med. erfolgt mittelst einer breiten, platten
Sehne, welche die hintere Spitze des Trochanter major umfasst und von da,
allmälig an Mächtigkeit abnehmend, auf eine mitten über die äussere Fläche
dieses Fortsatzes herabziehende Linie übergeht (Fig. 123@md*). Die Sehne
ragt auf der inneren Fläche des Muskels überall etwas weiter aufwärts als auf
der äusseren ; einzelne Blätter ziehen besonders in der hinteren Hälfte des-
selben weit hinauf, um den convergirenden Muskelfasern zum Ansatz zu dienen,
indess in der vorderen Hälfte die Muskelfasern mehr parallel schräg ab-
und rückwärts verlaufen und geradezu in die Sehnenfasern übergehen.
Zwischen den Sehnen des M. gluteus med. und pyriformis liegt ein
Schleimbeutel.D).
Die Nerven, aus dem N. gluteus sup., verbreiten sich von einem Stämm-
chen, welches horizontal in der halben Höhe des Muskels an dessen hinterer
Fläche hinzieht.
Var. In starken Körpern vereinigt sich zuweilen eine Anzahl Muskelbündel
an der inneren Fläche in eine besondere, kurze und schmale, platte oder cylın-
drische Sehne, welche sich dicht neben der breiten Hauptsehne und median-
wärts von derselben am oberen Rande des Trochanter ansetzt. — Der M. gluteus
med. giebt vom unteren Rande einige Bündel an die Sehne des M. pyriformis ab
(eigene Beobachtung).
Nach einer oberflächlichen Betrachtung des Faserverlaufes im M. gluteus med. Physiolo-
müsste man den vorderen Fasern eine vorwärts rotirende, den hinteren Fasern ee
eine rückwärts rotirende, den mittleren eine gerade seitwärts hebende, abducirende 5
Wirkung zuschreiben. Da aber die hinteren und mittleren Fasern zusammen und
convergirend so an die Sehne treten, dass die Wirkung der Einen oder anderen für
sich allein nicht wohl angenommen werden kann, so würden sie, unter gegen-
seitiger Aufhebung ihrer antagonistischen Function, sich auf die Abduction be-
schränken, während gleichzeitig die vorderen, parallelen Muskelbündel den Tro-
chanter vorwärts führen und den Schenkel einwärts rotiren. Soll die letztere
Bewegung für sich allein ausgeführt werden, so ınuss entweder der vordere Theil
des M. gluteus med. unabhängig von dem hinteren Theile sich zusammenziehen,
oder es müssen zugleich mit dem Gluteus med. die Adductoren wirken, um dem
Abductionsbestreben des Gluteus med. das Gleichgewicht zu halten.
III. - Dritte Schichte.
1. M. gluteus minimus @miÜ?).
Mehr oder minder deutlich aus zwei Köpfen zusammengesetzt, von IM. Dritte
. . . er . & n r » Sehichte.
welchen der Eine die Darmbeinfläche einnimmt und auf dem Knochen auf- 7. amt.
liegt, indess der andere von der Spina iliaca ant. sup. gerade absteigt. Bun:
") Bursa vesicularis glutei medii Monro.
2) M. gl. minor s. terlius. Kleiner Gesässmuskel. T’etit fessier.
248 Gluteus minimus.
Der hintere, grössere und platte Kopf entspringt vom Darmbeine unter-
halb der Linea glutea ant. bis in die Nähe des Pfannenrandes; auch noch
von der vorderen Hälfte des unteren Randes der Incisura ischiadica maj.,
wo er mit der Fascie des M. obturator int. zusammenhängt und vom vor-
deren Rande des Darmbeines bis herab zur Spina iliaca ant. inf. Die
convergirenden Muskelfasern gehen auf der äusseren Fläche bald in
die platte Sehne über,
die mit dem oberen
Rande dem Rande des
Muskels concentrisch
verläuft und abwärts
sich verschmälert und
zugleich faltet. Der
vordere, kleinere und
platt-cylindrische Kopf
entspringt sehnig vom
oberen Raude des Be-
ckens in der Nähe der
Spina iliaca ant. sup.,
verwachsen mit den
Ursprüngen des M, ten-
sor fasciae und sarto-
rius; er ist es, von des-
sen hinterem Rande die
vordersten Muskelfasern
des Gluteus med. ab-
gehen (s. oben); schräg
rückwärts absteigend
befestigt er sich mit der
Aeussere Hüftmuskeln, Glut. max. bis auf die Insertions- Hauptmasse seiner Fa-
sehne am Knochen (Gm) entfernt. M. a eee sern an die Sehne ‘des
a ei ebenso m. grösseren Kopfes; ein
obturat. int. am Austritte aus dem Becken durchgeschnit- Theil geht in selbstän-
ten und zurückgelegt. Oi * Sehne des inneren Kopfes. dige Sehnenbündel über,
welche sich vor und
hinter der Hauptsehne inseriren. Die letztere nimmt den ganzen vorderen
Rand des Trochanter major ein; ein zuweilen ansehnlicher Schleimbeutel !)
liegt an der Vorderfläche des grossen Trochanter, eine Facette dieses Fort-
satzes und einen entsprechenden, kreisförmigen Theil der Sehne des Glut.
minimus überziehend.. Mit dem Lig. iliofemorale verbindet sich diese
Sehne in der Weise, dass sie Fasern von demselben aufnimmt und weiter
unten wieder abgiebt (Bal. Fig. 109 ıf).
Nerven erhält der M. gluteus minimus vom N. gluteus sup.
Bringt man den Oberschenkel abwechselnd in Beugung und Streckung oder
rotirt man ihn vor- und rückwärts, so sieht man in beiden Fällen jedesmal zu -
!) Bursa glutei minimi Monro,
-.
Pyriformis. Obturator int. 249
gleich mit der Erschlaffung der vorderen Fasern des Gluteus minimus die hinteren
sich spannen und umgekehrt. Eine gleichzeitige Erschlaffung aller Fasern dieses
Muskels wird nur dann erzielt, wenn man den gebeugten Schenkel aufwärts rotirt,
so dass der vordere Rand des Trochanter sich medianwärts und die Fusssohle
seitwärts wendet. Dies ist demnach die Stellung, für welche die Zusammenziehung
des ganzen Muskels in Anspruch genommen wird.
2. M. pyriformis P).
Ein platter, im sagittalen Durchmesser comprimirter, lateralwärts zu-
gespitzter Muskel; entspringt mit drei Zacken von der Vorderfläche des
Kreuzbeines seitlich neben den vier oberen Foramina sacralia und von den
Knochenbrücken zwischen diesen Oeffnungen, und nimmt beim Austritte aus
dem Becken am oberen Rande noch einige Bündel vom unteren Rande der
Spina iliaca post. inf. auf (Fig. 127). Er verläuft fast gerade seitwärts, von der
transversalen Richtung nur wenig abwärts und in ebenso geringem Maasse
vorwärts abweichend; mit dem oberen Rande grenzt er genau an den M. glut.
minimus; durch die schmale Spalte zwischen beiden gelangen Vasa und
N. glut. sup. aus dem Becken. Zwischen seinem unteren und dem oberen
Rande des M. obturator int. bleibt eine dreiseitige, lateralwärts sich ver-
schmälernde Spalte, welche der N. ischiadieus, die Vasa und N. glut. inf.
und pudend. comm. ausfüllen. Die Sehne wird zuerst am oberen Rande
und an der vorderen Fläche des Muskels frei; an der hinteren Fläche
erscheint sie etwa halbwegs zwischen dem Rande des Hüftbeines und dem
Trochanter major. Aus dem Muskelbauche hervorgetreten, ist sie im näm-
lichen Sinne, wie dieser, comprimirt eylindrisch und inserirt sich genau am
oberen Rande des Trochanter major, zwischen dem Theile der Sehne des
M. gluteus med., welcher die hintere Ecke dieses Fortsatzes einnimmt, und
der Sehne des M. gluteus minimus, nach innen von der letzteren sich aus-
breitend.
Var. Sehr häufig ist der M. pyriformis in zwei getheilt, zwischen welchen
eine Wurzel des N. ischiadieus durchgeht. Loder gedenkt eines Schleimbeutels
unter der Insertionssehne des M. pyriformis.
3. M. obturator int. 0,2).
Der innere, grössere und nach dem Austritte aus dem Becken ober-
flächliche Bauch dieses Muskels3) entspringt in einem Streifen von wechseln-
der Breite, der sich an der inneren Fläche der vorderen Beckenwand über,
medianwärts neben und unter dem Foramen obturatorium hinzieht, auch
von der medialen Hälfte des Lig. obturatorium und von der ihn gegen die
Beckenhöhle deckenden Fascie überall in der Nähe des Ursprunges dieser
») M. pyramidalis, M. iliacus ext. Riolan. Birnmuskel.
2) Ich vereinige unter diesem Namen den M. obturator int. und die Mm. gemelli s.
gemini (Jumeaux pelviens) der Handbücher. M, marsupialis cum marsupio carneo Cowper.
M. obturator int. cum. gemellis H. Meyer.
3) Innerer verschliessender, Verstopfungs- oder Hüftbeinlochmuskel,
Physiolo-
gische Be-
merkungen.
2. Pyriform.
3. Obturat.
int.
250 Obturator int.
Fascie vom Knochen, also im Grunde der platten Tasche, welche Knochen
und Fascie mit einander bilden. Ueber dem Sitzhöcker, wo die Fascia
obturatoria sich unmittelbar an die Ausbreitung des Lig. sacro-tuberosum
(Bdl. Fig. 99 s {“) anschliesst, nehmen die Fasern auch von der dem Becken
zugewandten Fläche dieses Bandes ihren Ursprung.
Bei Gelegenheit der Beschreibung des Lig. obturatorium (Bdl. S. 109)
erwähnte ich einen aufwärts concaven, den Can. obturatorius von unten
her begrenzenden Band-
streifen, an welchem
das Lig. obturatorium
mit der Fascie des M.
obturat. int. zusammen-
trifft. Dieser Bandstrei-
fen steht zum M. obtur.
int. im Verhältniss eines
Sehnenbogens: auf ihn
geht vom Rande ‚des
For. obturat. der Ur-
sprung des M. obturat.
int. über; so lässt dieser
Muskel nicht nur den
zwischen beiden Anhef-
tungspunkten des Seh-
nenstreifens befindlichen
Theil des Randes des
For. obturatorium, unter
welchem N. und Vasa
obturatoria aus dem
Becken heraustreten,
frei, sondern vergrössert
Aeussere Hüftmuskeln, Glut, max. bis auf die Insertions- auch durch seine Con-
sehne am Knochen (Gm)entfernt. M.glut.med.amUrsprunge tpaction. mittelst An-
und an der Insertion (Gm d*) abgeschnitten. M pyri- 3 -
formis (P) und M. quadr. femoris (Q,f), ebenso der M. spannung des Sehnen-
obturat. int. am Austritte aus dem Becken durchgeschnit- bogens, die zum Durch-
ten und zurückgelegt. 0i* Sehne des inneren Kopfes. tritte der Cesar
stimmte Oeffnung. Ge- -
wöhnlich ist vom Can. obturator. an abwärts der Muskel eine Strecke
weit unvollkommen getheilt in zwei Zacken, zwischen welchen die Gefäss-
und Nervenstämmchen herablaufen.
Indem die Fasern zunächst dem lateralen Rande des Muskels abwärts,
die mittleren horizontal, die untersten aufwärts verlaufen, drängen sie sich
gegen die Incisura ischiadiea minor zusammen; sie befestigen sich fieder-
förmig, grösstentheils noch innerhalb des Beckens an vier bis fünf, an der
Vorderfläche des Muskels gelegene, platte, scharfkantige -Sehnenstreifen,
welche lateralwärts convergiren und jenseits der Ineisura wirklich in Eins
verschmelzen. Den Vertiefungen zwischen den Sehnenbündeln entsprechen
mehr oder minder scharfe, horizontale Riffe, welche den mit Faserknorpel
Quadrat. femoris. Obturator ext. >51
überzogenen, abgerundeten Theil der Ineisura ischiadica minor auszeichnen,
über den die Sehne wie über eine Rolle gleitet (Bull. Fig. 100).
Der äussere und tiefe Kopf des M. obturator int. entsteht an der
äusseren Fläche des Beckens, zum grössten Theile bedeckt von der Sehne
des inneren, von der Spina ossis ischii und von einer zum Tuber. ischiad.
herabziehenden, halbmondförmigen, mit der Concavität rück- oder median-
wärts gewandten Linie, welche, noch am getrockneten Becken sichtbar, den
glatten überknorpelten Theil der Incisura begrenzt. Die Fasern dieses
äusseren Kopfes verlaufen fast horizontal und treten unter spitzem Winkel
theils unmittelbar, theils mittelst einer eigenen Sehne an die Sehne des inneren
Kopfes, die dadurch zur gemeinschaftlichen wird (Fig. 129). Häufig ist der
äussere Kopf in zwei Zacken, eine obere und untere, getheilt, die durch
eine schmale oder breitere Lücke geschieden sind, aber auch wohl einander
Bündel zusenden; die obere Zacke 1), an der Spina ischiadica entspringend,
legt sich dann grösstentheils über die hintere freie Fläche der Sehne, die
untere Zacke?) umschliesst deren unteren Rand in Form einer aufwärts
offenen Rinne; sie ist oft nur undeutlich gegen den inneren Kopf abgegrenzt.
Die gemeinschaftliche Sehne geht in etwas mehr horizontalem Verlaufe, als
die Sehne des M. pyriformis, zum Trochanter major und inserirt sich an
die mediale Fläche dieses Fortsatzes.
Den überknorpelten Rand der Ineisura ischiadiea minor und die Sehne
des M. obturator int., so weit sie mit ihm in Berührung ist, überzieht ein
ovaler Schleimbeutel 3); ein solcher soll nach Monro auch in der Nähe der
Insertion der Sehne unter derselben auf der Hüftgelenkkapsel liegen.
Var. Der äussere Kopf oder dessen obere Zacke kann fehlen; die letztere
"kann in zwei Schichten zerfallen.
4. M. quadratus femoris Of*).
Mit dem oberen Rande an den M. obturator int., mit dem unteren
Rande an den M. adductor minimus sich anlehnend, erstreckt sich dieser
platte, vierseitige Muskel mit transversalen, ziemlich parallelen Fasern vom
vorderen Rande des Sitzhöckers zum Schenkelbeine (Fig. 127). Sein Ursprung,
längs des lateralen Randes des Sitzhöckers, wird von hinten her durch die
auf der Fläche des Sitzhöckers entspringenden Beugemuskeln des Unter-
schenkels versteckt. Seine Insertion nimmt, oft in mehrere Portionen ge-
theilt, die Linea intertrochanterica und die Fläche zunächst unter derselben
ein (Fig. 129).
IV. Vierte Schichte.
M. obturator externus We.
In der Ansicht, in welcher sich der M. obturator externus darbietet,
wenn man nach Entfernung der oberflächlichen Schichten der äusseren
") M. gemellus sup. 2) M. gemellus inf. ») Bursa tuberoso-ischiadica s. obturatorü
intern: Monro. %), Quarre femoral.
4. Quadr.
fem.
IV. Vierte
Schichte.
Obtur. ext.
252 Obturator- ext.
Hüftmuskeln zu demselben gelangt (Fig. 130), sind seine Ursprünge ver-
deckt, und es zeigt sich nur der laterale Theil des Muskelbauches, der unter
dem Schenkelhalse, genau mit der Kapsel verbunden, hervortritt, und die Inser-
Aeussere Hüftmuskeln. Glut. max. bis auf die Insertions-
sehne am Knochen (@m) entfernt. M. glut. med.am Ursprunge
und an der Insertion (GFmd*) abgeschnitten. M. pyri-
formis (P) und M. quadr. femoris (Q,f), ebenso der M.
obturat. int. am Austritte aus dem Becken durchgeschnit-
ten und zurückgelegt. Oi* Sehne des inneren Kopfes.
tionssehne, welche im
Grunde der Fossa tro-
chanterica sich anheftet
und bis dahin am obe-
ren und unteren Rande
Fleischfasern aufnimmt.
Der Muskelbauch
wird sichtbar, wenn man
von der Vorderfläche
des Beckens die Adduc-
toren abgetragen hat.
Er entspringt mit zwei
Portionen, einer oberen
schmalen, einer unteren
breiteren, zwischen wel-
chen N. und Vasa ob-
turatoria hindurchgehen,
die obere von der Crista
obturatoria, die untere
vom Leistenbeine am
medialen und unteren
Rande des Foramen ob-
turatorium, vom media-
len Theile des Lig. ob-
turatorium und von ei-
ner Anzahl transversaler
platter Bandstreifen
(Bdl. Fig. 94 *), welche
über Gefässzweige hinweg von dem Lig. obturatorium zum lateralen Rande
des Foramen obturat. und zur Hüftgelenkkapsel gespannt sind. Indem
diese Fasern gegen die Sehne convergiren, tritt der Muskel, an Höhe ab-
und an Mächtigkeit zunehmend, unter dem Schenkelhalse nach hinten.
Physiol. Dass der M. obt. ext. ausser der rückwärts rotirenden Wirkung, die er mit
Bemerk. Jen übrigen äusseren Hüftmuskeln theilt, noch die Bestimmung habe, den Hals
des Schenkelbeines beim aufrechten Stehen zu unterstützen, ist schon in der Bän-
derlehre (S. 130 Fig. 111) hervorgehoben worden.
b. Muskeln des Oberschenkels.
b. Muskeln Drei Muskelgruppen bilden das Fleisch des Oberschenkels, eine vor-
des Ober-
schenkels. dere, welche hauptsächlich die Streckmuskeln des Unterschenkels, eine
hintere, welche die Beugemuskeln desselben enthält, und eine mediale,
die Adductoren des Oberschenkels.
Öberschenkelmuskeln. 253
Die vorderen Muskeln stellen einen spindelförmigen Körper dar, wel-
cher in der Mitte des Schenkelbeines am stärksten ist und gegen das Hüft-
und Kniegelenk sich verjüngt. Die hinteren Muskeln, als eine einfache,
platt eylindrische Masse unter dem M. gluteus maximus hervortretend, wei-
chen am unteren Drittel des Oberschenkels in zwei Wülste auseinander, die
sich, der Eine an den medialen Condylus der Tibia, der andere an das
Köpfchen der Fibula ansetzen und eine schmale, spitzwinkelig dreiseitige,
mit der Spitze aufwärts gerichtete Grube zwischen sich fassen, welche eine
ähnliche, mit der Spitze abwärts gerichtete Grube zwischen den Waden-
muskeln zur rhombischen Kniekehle, Fossa poplitea, ergänzt. Lateraler-
seits grenzen die Muskeln der Streck- und Beugeseite unmittelbar anein-
ander; medialerseits trennt sie der Ansatz der Adduetoren, welche in Form
einer mächtigen, dreiseitigen, rechtwinkelig ungleichseitigen Platte den
Raum zwischen dem Becken und der Extremität dergestalt ausfüllen, dass
die Hypothenuse dem medialen freien Rande, die längere Kathete der In-
sertion der Muskeln am Schenkel entspricht. Die später im Zusammenhange
zu beschreibende Fascie der Oberschenkelmuskeln sendet zwischen den Ex-
tensoren und Flexoren einerseits und zwischen den Extensoren und Adduc-
toren andererseits je ein Blatt in die Tiefe zur Crista femoris, das Lig.
intermusculare laterale und mediale. Mit dem Knochen stellen die beiden
Ligg. intermuscularia eine Art Scheidewand dar, welche den von der Fascia
umschlossenen Raum in eine vordere und hintere Röhre, jene für die
Streckmuskeln, diese für die Beuger und Adductoren abtheilt. Dabei dienen
die Ligg. intermuscularia zur Vergrösserung der Oberfläche, von welcher
die am Oberschenkel entspringenden Streck- und Beugemuskeln ihren Ur-
sprung nehmen.
Jede der genannten drei Abtheilungen enthält oberflächliche, zwei-
gelenkige Muskeln, welche vom Becken zum Unterschenkel sich erstrecken,
und kurze, nur über Ein Gelenk wegziehende Muskeln. Der intermediäre
Knochen, das Schenkelbeir, trägt, von den eingelenkigen Muskeln der Ad-
duetorengruppe die Insertion, von den eingelenkigen Muskeln der Exten-
soren- und Flexorengruppe den Ursprung. Sc können die am Schenkel-
beine entspringenden Fasern der Beugemuskeln sich wie Fortsetzungen der
an demselben sich inserirenden Adductoren ausnehmen. Unter den Adduc-
toren und Extensoren überwiegen bei weitem die eingelenkigen, unter den
Flexoren überwiegen die zweigelenkigen Muskeln.
So weit die Extensoren am Becken entspringen, gehen sie von der
lateralen Ecke desselben, von der Gegend der Spina iliaca ant. aus; der
Beckenursprung der Flexoren dagegen befindet sich medianwärts vom
Schenkelbeine am Sitzhöcker; so findet, da die Insertion der Streck- und
Beugemuskeln die ganze Breite des Kniegelenkes einnimmt, eine theilweise
Kreuzung ihrer Axen Statt. Die Kreuzung der Axen ist aber nicht zugleich
Kreuzung ihrer Fasern, da die Faserung der meisten dieser Muskeln nicht
parallel ihrer Axe und der Faserung ihrer Sehnen, sondern in verschiedenen
Richtungen von der Ursprungs- zur Insertionssehne verläuft. Die Fasern
der Adductoren gehen geradezu, die oberen transversal, die folgenden
schräg und je weiter nach unten um so steiler abwärts vom Becken zur
Extremität.
*
254 Obersehenkelmuskeln.
In jeder Gruppe liegen die Muskeln in mehreren Schichten über ein-
ander. In der vorderen Gruppe besteht die oberflächlichste Schichte
aus zwei platten, bandartigen Muskeln, welche von der Spina iliaca ant,
sup. und dem nächst angrenzenden Theile des vorderen Hüftbeinrandes ge-
meinschaftlich entspringen, aber sogleich vom Ursprunge an divergiren,
indem sich der Eine, M.tensor ‚faseiae, schräg lateral-rückwärts, der andere,
M. sartorius, schräg median- vorwärts wendet. Jener endet über der Mitte
des Oberschenkels in der Fascie, dieser gelangt in der Rinne zwischen den
Streckmuskeln und Adduetoren an die mediale Fläche des Schenkels und
inserirt sich an die mediale Fläche des oberen Endes der Tibia.
Das obere Ende des M. sartorius grenzt mit dem medialen Rande an
eine dreiseitige, abwärts sich zuspitzende und verflachende Vertiefung,
Fossa subinguinalis )), ein Thal zwischen dem lateralwärts abfallenden M.
iliopsoas und den medianwärts abfallenden Adductoren. Die Stämme der
Schenkelgefässe füllen diese Grube aus und dringen am unteren spitzen
Ende derselben, die Schenkelfasecie durchbohrend, nach innen. So weit sie
durch die Grube gehen, liegen sie also auf der äusseren Fläche der Fasecie,
auf welcher auch die Mm. tensor fasciae und sartorius sich befinden; die
Gefässstämme aber, wie diese Muskeln, erhalten einen besonderen fibrösen
Ueberzug durch ein an der Spina iliaca und am Arcus cruralis entsprin-
gendes Blatt, welches unter dem Namen einer oberflächlichen Schenkel-
fascie, im Gegensatze zur eigentlichen oder tiefen, weiter unten genauer
beschrieben werden wird.
Die zweite Schiehte der vorderen Muskelgruppe und den wesentlich-
sten Theil derselben bildet der M. extensor eruris, selbst wieder au3 zwei
und stellenweise drei Lagen zusammengesetzt, welche, da sie sich mittelst
einer gemeinsamen Sehne an die Kniescheibe setzen, in der Beschreibung
nicht gesondert werden können. Ein oberflächlicher Bauch, M. reeius Ffe-
moris, entspringt am Becken, ein tiefer Bauch, M. vastus, entspringt in
mehreren Abtheilungen am Schenkelbeine und umhüllt dasselbe vollständig.
Von den an der Vorderfläche des Schenkelbeines entspringenden Mus-
kelbündeln erreichen die tiefsten nicht die gemeinsame Strecksehne, sondern
heften sich an die Kapsel des Kniegelenkes. Diese Bündel, M. suberuralis,
stellen die dritte Schichte der vorderen Oberschenkelmuskeln dar.
Die medialen Schenkelmuskeln, sämmtlich platt mit frontalen Flächen,
liegen in drei Schichten. Die oberflächliche (vordere) Schichte nimmt
ihren Ursprung am Schambeinrande, von der Eminentia iliopectinea an bis
zum unteren Ende der Synehondrose und befestigt sich, mit Unterbrechun-
gen und dadurch in drei divergirende Muskeln zerfallen, an die Crista des
Schenkelbeines — M. pectineus und adductor longus — und an die mediale
Fläche des oberen Endes der Tibia — M. gracilis. In der zweiten
Schichte findet sich Ein Muskel, M. adductor brevis, welcher die Lücke
zwischen dem M. pectineus und adduetor longus von hinten her dergestalt
verschliesst, dass er mit seinem oberen und unteren Rande die einander zu-
gewandten Ränder der beiden genannten Muskeln auf- und abwärts über-
) Triangulus subinguinalis Hyrtl. Triangulus inguinalis Velpeau. Fossa ilio-
pectinea aut.
Tensor fasciae. 255
ragt. Die dritte Schichte enthält zwei Muskeln, M. adduetor minimus und
magnus, welche, vom hinteren unteren Sitzbeinrande entspringend, un-
unterbrochen fast in der ganzen Ausdehnung der oberen Schichte, nämlich
längs der ganzen medialen Lippe der Crista femoris sich inseriren.
So weit die Adductoren sich mehrfach geschichtet an das Schenkelbein
ansetzen, verschmelzen in der Nähe der Insertion ihre platten Sehnen mit
einander. Der Ansatz der gemeinschaftlichen Sehne am Schenkelbeine ist
vielfach unterbrochen, um Zweige der Vasa ceruralia auf die Rückseite des
Schenkels treten zu lassen, und bildet über diesen Gefässzweigen eine An-
zahl Sehnenbogen, von welchen der unterste, der die Stämme der Vasa
eruralia auf dem Wege zur Kniekehle überbrückt, der ansehnlichste ist.
Die hinteren Schenkelmuskeln nähern sich mehr der eylindrischen
Form; sie sind zwar auch je zwei in zwei Schichten geordnet, lassen sich
aber nicht nach dieser Ordnung aufführen, weil ein Muskel der oberfläch-
lichen mit einem der tiefen Schichte zu einem zweibäuchigen, M. biceps
‚femorıs, sich verbindet. Die oberflächliche Schichte enthält nächst dem
langen Kopfe dieses WMuskels den M. semitendinosus; beide entspringen mit
einer gemeinschaftlichen, verhältnissmässig kurzen Sehne vom Tuber ischia-
dieum; der M. semitendinosus setzt sich an die mediale Fläche der Tibia.
Dicht unter (vor) ihm entspringt und neben ihm inserirt sich der selb-
ständige Muskel der zweiten Schichte, M. semimembranosus; der lange
Kopf des M.biceps heftet sich, nachdem er den von der Crista femoris stam-
menden kurzen Kopf aufgenommen, an das Köpfchen der Fibula an.
Die vordere Gruppe der Öberschenkelmuskeln bezieht ihre Nerven
aus dem N. cruralis, den M. tensor fasciae ausgenommen, welcher vom
N. gluteus sup. versorgt wird. Die hinteren Muskeln erhalten ihre Aeste
vom N. ischiadicus, die medialen vom N. obturatorius, jedoch mit Ausnahme
des M. pectineus, zu welchem auch vom N. eruralis ein Zweig gelangt.
e. Vordere OÖberschenkelmuskeln.
I. Erste Schichte.
1. M. tensor fasciae T'f).
Entspringt, bedeckt vom M. iliopsoas und vom Ursprunge des M. sar-
torius mit einer kurzen, platten, halbmondförmig nach der Fläche gebo-
genen und abwärts concaven Sehne vom Rande des Darmbeines neben der
Spina iliaca aut. sup. und fleischig von der Fascie des M. gluteus medius.
Im oberen Theile dreiseitig prismatisch, liegt er in einer scharfkantigen
Rinne, deren laterale, fast frontal gestellte Wand vom M. gluteus med.,
deren mediale und mehr sagittal gestellte Wand vom M. rect. femoris und
sartorius gebildet wird; abwärts wird er platt, in demselben Maasse breiter
und ruht auf der gewölbten Fläche des M. vastus. Sämmtliche Fasern
haben eine Richtung ab-, lateral- und rückwärts und enden in der Faseie
!) M. tensor vaginae femoris Alb. M. membranosus s. aponeurotieus, irrig auch M.
Jascialis (vergl. M. sartorius).
e. Vordere.
I. Erste
Schichte.
1. Tensor
fasciae.
256 Sartormıs.
Physiolo-
gische Be
merkungen.
NV
0/77
INN N N
2. Sartorius.
Rf M. rectus
Jp M. iliopsoas.
@Q! M. quadrat. Jumb,.
Afl, Afm M. adduetor fem. longus und magnus.
D Vertebralzacke des Zwerchfells.
Innere Hüft- und oberflächliche Schenkelmuskeln, von vorn.
r M. graeilis.
Y
Pe M. pectineus.
Vl, Vm Laterale und mediale Portion des M. vastns.
femoris.
unterhalb der Grenze
des oberen und mittle-
ren Drittels des Ober-
schenkels mit einer ge-
bogenen, abwärts con-
vexen oder stumpfwin-
kelig gebrochenen Linie.
Die Hauptaufgabe des
M. tensor fasciae scheint
mir, den Zug zu corrigiren,
welchen die in der Fascie
endenden Fasern des M.
gluteus maximus auf die-
selbe ausüben müssen, und
namentlich der Verschie-
bung und Anspannung der
Fascie über den Muskeln
der Vorderfläche entgegen-
zuwirken. Der Einfluss
des M. gluteus max. auf
die Extremität als Ganzes
wird dadurch um so mehr
gesichert. Aus der ge-
meinsamen Wirkung des
M. gluteus max. und ten-
sor fasciae resultirt als-
dann allerdings eine An-
spannung der Fascie nach
oben, ein Zug in der Dia-
gonale der Richtung jener
beiden Muskeln. Sehnen-
fasern aber, welche sich
vom M. tensor fasciae aus,
der Fascie eingewebt, zum
Unterschenkel herab er-
strecken sollen (Lig. ilio-
tibiale H. Meyer), kann
ich nicht finden. Ob der
M. tensor fasciae den M.
gluteus med. beim Vor-
wärtsrotiren des Schenkels
unterstützt, wozu er seiner
Lage nach wohl geeignet
wäre, muss dahin gestellt
bleiben.
2. M. sartorius Nar)).
Entspringt kurzsehnig
vom vorderen Rande des
1) M. sutorius Riolan. M.
faseialis. Schneidermuskel,
längster Schenkelmuskel.
Couturier 'Cruv.
Sartorius. 257
Darmbeines unter der Spina iliaca ant. sup. und geht mit anfangs frontal
und gegen das untere Ende allmälig sagittal gestellten Flächen schräg über
die Vorderfläche des Schenkels am medialen Rande der Streckmuskeln
herab zur medialen Fläche des Kniegelenkes und schliesslich der Tibia. In
dieser gebogenen Lage erhält ihn auch während seiner Contraetion die
straff anliegende Scheide, deren inneres Blatt mit der tiefen Schenkelfascie
identisch, deren äusseres Blatt von der oberflächlichen Schenkelfaseie ge-
bildet ist. Die Insertionssehne, welche an der dem Knochen zugewandten
lateralen Fläche des Muskels schon oberhalb des Kniees sichtbar wird, ver-
Fie. 132. läuft am hinteren Rande
des medialen Condylus des
Schenkelbeines abwärts,
dann auf dem oberen Ende
der Tibia bogenförmig vor-
wärts; sie verschmälert
sich anfangs, breitet sich
aber schliesslich gegen die
Insertion wieder aus, in-
dem sie einen grossen Theil
ihrer Fasern strahlenförmig
vor- und abwärts in die Un-
terschenkelfascie schickt 1),
während sie sich mit der
Hauptmasse an die Tibia
medianwärts neben der un-
teren Spitze der Tuberosi-
tas patellaris ansetzt (Fig.
132).
Ein Schleimbeutel, ge-
schlossen oder mit dem
Schleimbeutel des M. gra-
eilis und semitendinosus
communicirend, liegt zwi-
schen der Sehne des Sar-
torius und der Beinhaut
h der Tibia.
Muskeln in der Umgebung des Knies, mediale Fläche. Den langen Muskel ver-
Sm M. semimembranosus. Gr M. graeilis. sieht ein einziger Nervenast,
a aainosun. welcher etwa in der Mitte
des Oberschenkels von der
hinteren Fläche eintritt.
Var. Dieser Muskel kann fehlen oder sich der Länge nach theilen und dann
mit dem Einen Theile an das Schenkelbein befestigen (Meckel). Hyrtl sah ihn
durch eine sehnige Inscription der Quere nach getheilt; in einem von Kelch
(Beitr. S. 42) beschriebenen Falle war eine 1Y,“ lange Zwischensehne fest mit der
Fascie verwachsen.
Der M. sartorius ist nicht dazu bestimmt, bei gestrecktem Knie zu wirken;
<<
Ir:
SIE
HAltı
„
7
N)
N,
!) Die patte d’oie der französischen Autoren,
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 17
Physiol.
Bemerk.
II. Zweite
Schichte.
Exteus. cr.
Rect. fem.
258 " Extensor ceruris.
er könnte alsdann, nach dem gekrümmten Verlaufe seiner Endsehne, nur entweder
die Tibia unter dem „Schenkelbeine rückwärts ziehen oder sie aufwärts an das
Schenkelbein andrücken, beides unmögliche und unnütze Bewegungen. Bei gebeug-
tem Knie dagegen gleicht sich die letzte Biegung seiner Sehne aus. Das Ende
derselben läuft vertical herab zu der, in dieser Stellung, unteren Kante der Tibia
und ist im Stande, bei der Contraction des Muskels diese Kante aufwärts zu be-
wegen oder, nach der gangbaren Bezeichnung, die Tibia um ihre Axe medianwärts
zu rotiren. Da diese Bewegung nur bei gebogenem Knie ausführbar und die
Beugung des Knies schon mit einer Erschlaffung des M. sartorius verbunden ist,
so lässt sich begreifen, warum dieser Muskel eine im Verhältnisse zur geringen
Excursion der Rotationsbewegung so ansehnliche Länge haben musste.
II. Zweite Schichte.
M. extensor cruris.
Die Sehne des oberflächlichen und langen Kopfes, M. reet. femoris '),
entspringt an der Spina iliaca inf. und hinter derselben am Rande der
Pfanne, so weit er vom Darmbeine gebildet wird, in der Regel mit zwei
Fig. 133. stärkeren, durch eine dünne Membran verbundenen
= Schenkeln, einem vorderen, platt-eylindrischen, einem
hinteren, mehr abgeplatteten (Fig. 135); indem jener
gerade absteigt, dieser im Bogen über dem Schenkel-
kopfe vorwärts verläuft, vereinigen sie sich unter
einem fast rechten Winkel unterhalb des Randes der
Pfanne und geben alsbald einem spindelförmigen
Muskelbauche den Ursprung, dessen untere Spitze ei-
nige Zoll oberhalb der Kniescheibe wieder in die platt-
eylindrische Endsehne übergeht. Die Ursprungs-
sehne ist am medialen Rande des Muskels frei und
zieht sich an der vorderen Fläche bis gegen die
Mitte desselben herab; die Insertionssehne reicht an
der hinteren Fläche ebenso weit hinauf und erhält
sich am lateralen Rande länger sichtbar.
Der Muskelbauch ruht in einer Vertiefung des
M. vastus; sein lateraler Rand lehnt sich an den
Rand der oberflächlichen Schichte der lateralen Por-
tion dieses Muskels; seine vordere Fläche liegt in
gleicher Ebene mit der Vorderfläche des genannten
Muskels (Fig. 131. 136). Ein zartes, durchsichtiges,
aber straffes und gegen die Insertionssehne hin an
Festigkeit zunehmendes Bindegewebe schlägt sich
vom M. rectus auf seine Nachbarn hinüber und be-
festigt ihn in seiner Rinne.
M. rectus femoris, Was den Lauf seiner Fasern betrifft, so besteht
von vorn, mit auseinan- er aus zwei im Wesentlichen symmetrischen, aber
Te enander verschobenen, durch eine verticale
CHE
Ze
S > 2
GB
1 r - 7
) M. extensor cruris med. superficialis Meck. M. rectus anterior Krause. Gerader
Schenkelmuskel. Droit anterieur.
Extensor cruris. 959
Spalte geschiedenen Portionen, welche einander entgegen, von der vorderen
Sehne um den Rand des Muskels herum zur hinteren Sehne bogenförmig
abwärts gehen. Die Verschiebung besteht darin, dass die laterale Portion
weiter hinauf und oben über die Mitte hinüber-, dagegen nicht so weit nach
unten reicht, wie die mediale (Fig. 135).
An dem tiefen oder kurzen Kopfe, M. vastus, sind zunächst drei
Reihen von Ursprüngen zu unterscheiden, laterale ), mediale ?2) und mitt-
lere oder vordere?). Am oberen Ende des Schenkelbeines nähern sich die
drei Reihen und vermischen sich mit einander, gegen das untere Ende
rücken die beiden Seitenreihen von der mittleren ab; man muss deshalb,
um sie richtig zu trennen, die Präparation vom unteren Ende des Muskels
und zwar damit beginnen, dass man die laterale und mediale Reihe dicht
am Ursprunge durchschneidet und gegen die mittlere umschlägt (Fig.134. 135).
Die mittleren Ursprünge bilden, wie sich alsdann zeigt, eine kegelförmige, mit
der Basis abwärts gerichtete Masse, deren Fasern zum mittleren Theile der
hinteren Fläche einer platten, an die Kniescheibe gehefteten Sehne gehen ;
aus den lateralen und medialen Ursprüngen setzen sich mächtige, nach der
Fläche gekrümmte Blätter zusammen, deren Fasern einander entgegen von
beiden Seiten schräg abwärts verlaufen, um an die entsprechenden Seiten-
theile jener Sehne und zwar grösstentheils an deren vordere Fläche sich
anzuheften. Verfolgt man sodann die drei Reihen von Ursprüngen zum
oberen Ende des Schenkelbeines, so zeigen sich zweierlei Formen. Das
Einemal stossen die beiden Seitenreihen über der vorderen zusammen; sie
verbinden sich bogenförmig und stellen den Mantel eines Kegels dar, dessen
Kern die vordere Muskelmasse bildet. Die Spitze des Kerns erreicht in
diesem Falle nicht die Linea obliqua femoris; die an dieser Linie und zu-
nächst darunter in dem Gipfel des Bogens entspringenden verticalen Fasern
lehnen sich ohne Unterbrechung an die schräg absteigenden der Seitenreihen
an, deren Abgrenzung gegen einander alsdann sowohl auf der Vorderfläche
des Schenkels wie auf dem Querschnitte (Fig. 136) vergeblich gesucht wird.
- Andere Male ist jener Mantel gleichsam vom Kerne durchbrochen und die
an der Mitte der Linea obliqua entspringenden Fasern erweisen sich als die
obersten der vorderen Muskelmasse ).
Diese mittlere Portion desVastus (Fig.134.135 Va) ist also von wechseln-
der Höhe; die Spitze ihrer Ursprungsfläche befindet sich zwischen der Linea
oblig. und dem Ende des oberen Drittels desSchenkelbeines; dieBasis derselben
reicht kaum über den oberen Rand des unteren Drittele; medianwärts ist
sie durch den Angulus medialis des Schenkelbeines (Knl. S. 254) begrenzt;
D) M. vastus externus aut. _M. extensor cruris vastus s. externus Meck. Aeusserer
dicker Schenkelmuskel. Aeusserer Unterschenkelstrecker.
2) M. vastus internus aut.
>) M. cruralis s. crureus s. femoreus aut. Vastus medius Krause. Tiefer Unter-
schenkelstrecker.
*) Diese Form, die nach meinen Erfahrungen die seltenere ist, liegt den meisten Be-
schreibungen zu Grunde. Die drei Portionen des MW. vastus, als ebenso viele Köpfe auf-
geführt, machen für sich den M. extensor triceps M. J. Weber, mit dem M. rectus ‚femoris
zusammengezogen, den M. extensor quadriceps Hyrtl aus. Eruveilhier und Nuhn
(Chir. anat. Atlas Taf. XXVIN. Fig.3) nennen den langen sammt dem kurzen Kopfe einen
Extensor triceps, indem sie den M. cruralis und vastus int, aut. zu Einem Muskel, Vastus
int., vereinigen. E
17 * >
Vastus.
260 Extensor cruris.
Mediale Fläche des Oberschenkels; der mediale
Theil des M.vastus (V m) ist dicht am Ur-
sprunge abgeschnitten und seitwärts zurück-
geschlagen. Va, Vl Vordere und laterale Por-
tion des M. vastus. Afm Sehne des M_ add.
magnus. Jp M. iliopsoas. Pe Sehne des M.
pectineus. Scr M. suberuralis.
} NW / 7)
\ NN \ \ \\ I)
Suhl x
NEW Pr SH
LH
/
Laterale Fläche des Oberschenkels. Die la-
terale Portion des Vastus durch- und theil-
weise ausgeschnitten, das Insertionsende
(V!f) nach vorn, die oberflächliche Portion
“(VV) nach hinten umgeschlagen, die tieferen
Schichten dicht am Ursprunge abgetrennt.
Bfb Kurzer Kopf des M. flexor br. an der
Verbindung mit dem langen Kopfe abge-
schnitten. R,f Ursprungssehne des M. rect.
fem. Gmd, Gmi Insertionssehnen des M.
glut. med. und minimus, Ser M. suberu-
rals Jp M. iliopsoas.
ee
'
Extensor cruris. 261
auf die laterale Grenze, welche minder scharf ist. komme ich sogleich
zurück.
Die beiden Seitenplatten, obwohl in der Hauptsache symmetrisch,
zeigen doch, mit einander vegglichen, einige beständige Verschiedenheiten.
Immer übertrifft die laterale Platte die mediale an Mächtigkeit; die laterale
reicht mit dem Ursprunge weiter hinauf, die mediale weiter hinab; der
wesentlichste Unterschied aber besteht darin, dass die mediale Platte ein-
fach, die laterale aus mehreren am Ursprunge gesonderten Lamellen von
verschiedener Richtung der Fasern zusammengesetzt ist. Zwischen dem
Ursprunge der medialen und der vorderen Portion bleibt daher eine ansehn-
liche Fläche des Schenkelbeines, der mediale Theil der hinteren Fläche, frei
und glatt (Fig. 134); der Zwischenraum zwischen dem vorderen und lateralen
Theile des Muskels dagegen ist gering, im oberen Theile des Schenkels
meist verwischt, und die Grenze beider am Knochen unkenntlich (Fig. 155).
Der Ursprung der medialen Portion ( Vm) geht von der Linea obliqua auf
die mediale Lippe der Crista femoris über, verlässt aber, um die Vasa arti-
cularia auf die Vorderfläche des Schenkels gelangen zu lassen, am untersten
Viertel desselben den Knochen und versetzt sich auf den Sehnenbogen, der
sich über die Schenkelgefässstämme hinüberschlägt und den unteren Bün-
deln des M. adductor magnus zum Ansatze dient (Fig. 134 Afm). Vom Ur-
sprunge an ‚setzen sich glänzende Sehnenfasern, den Muskelfasern parallel,
auf der äusseren Fläche des Muskels bis weit über dessen Mitte fort. Sie
stellen zugleich den Knochenansatz des Lig. intermusculare mediale vor und
verbinden sich mit der Insertionssehne der Adductoren auf die später zu
beschreibende Weise. Der Lauf der Muskelfasern ist nur in den obersten
Bündeln vertical, in allen übrigen sehr gleichmässig schräg abwärts; die
verticalen und die oberen schrägen Bündel gehen, wenn die mediale Por-
tion sich von der lateralen gesondert erhält, an eine am vorderen Rande
der medialen befindliche verticale Sehne, die folgenden setzen sich, je wei-
ter vorn sie von der äusseren Sehne entspringen, um so weiter vorn an die
gemeinschaftliche Strecksehne an, die demnach auf der inneren Fläche der
Muskelplatte weit nach hinten frei bleibt. Eine Anzahl oberflächlicher
Bündel in der Nähe des unteren Randes des Muskels erstreckt sich bis zum
medialen Rande der Sehne des M. rectus.
Die laterale Portion des M. vastus ( VI) besteht, wie erwähnt, ausBlättern,
die mitunter in der ganzen Länge geschieden, drei bis vier an der Zahl, in
schräg oder spiralförmig rück-abwärts um das Schenkelbein ziehenden Linien
dergestalt entspringen, dass jedes Blatt das nächst innere aufwärts über-
ragt und abwärts von demselben überragt wird. Oft aber erhalten sich die
Blätter nicht so regelmässig gesondert, und gewöhnlich sieht man sie mit
den unteren Rändern, gegen welche die zwischen ihnen verlaufenden Ge-
fässe sich in ihre Aeste aufgelöst haben, zu zwei und mehr mit einander
verschmolzen, so dass Taschen mit auf- und vorwärts gerichteter Mündung
entstehen. Am häufigsten bleibt die oberflächlichste Lage (V!’ vgl.Fig.131) 1)
selbständig, die sich auch durch den steiler absteigenden Verlauf ihrer
DM. vastus ext. Theile und Nuhn Den Rest der lateralen. Portion des Vastus
zieht Theile zum M. cruralis, Nuhn sammt dem M, cruralis zum Vastus int, der dem-
nach vollkommen dem M. anconeus int. entsprechen würde.
262 Extensor eruris.
Fasern von den anderen unterscheidet und sich in dieser Beziehung zu
Fig. 136.
vl
Bfb
Horizontalschnitt des Oberschenkels über der Mitte. Rf M. rect. fm. Vm, Va, Vl
Vastus medial., ant. und lateralis. 77 Oberflächliche Schichte des letzteren. Sar M.
sartorius. . Afl, Afm M. adduct. fem. long. und magnus. Gr M. gracilis. Sm M. semi-
membranosus. St M. semitendinosus. Bfl, Bfb M. biceps, langer und kurzer Kopf.
1 Schenkelgefässstämme und N. saphenus maj. 2 N. ischiad.
dem Reste des Vastus ähnlich verhält, wie an der oberen Extremität der
M. anconeus brevis zum M. anconeus int.
Diese oberflächlichste Lage übertrifft auch die übrigen an Mächtigkeit.
Sie ist von verschoben-rhombischer Form; ihr Ursprung, entsprechend der
hinteren oberen Ecke und dem hinteren Rande, beginnt, mit einem aufwärts
concaven Sehnenbogen die Insertionssehne des M. gluteus minimus um-
fassend, an der Spitze des Trochanter major, erstreckt sich rückwärts auf
die Aussenfläche dieses Fortsatzes, wo er sich an die Insertion des M. glut.
med. anschliesst, und vorwärts über den Ursprung der medialen Portion auf
die laterale Hälfte der Linea obliqua fem. und setzt sich dann linear bis
zum Ende des oberen Drittels des Schenkels abwärts fort auf der lateralen
Lippe der Crista fem., schliesslich auf das Lig. intermuseulare lat. über-
gehend. Die Ursprungssehne reicht mit glänzenden, steil vorwärts abstei-
genden Fasern auf der äusseren Fläche der Muskelplatte bis über deren
Mitte hinab; die Muskelfasern entspringen, sämmtlich parallel, mit gleicher
Richtung an der Innenfläche der Sehne und enden an einer starken sehnigen
Haut, welche am vorderen (medialen) Rande der Platte saumartig vor-
springt und sich von diesem Rande aus bis über die Mitte des Muskels an
dessen Innenfläche ausdehnt. Diese Insertionssehne liegt am oberen Theile
»
Extensor cruris. 263
des Schenkels flach und locker befestigt auf den tieferen Schichten. Höher
oder tiefer verwächst sie mit der die vordere Portion deckenden Sehne;
zuweilen erhält sie sich ebenso weit, wie die Sehne des M. rectus, selbstän-
dig und trennbar; in diesem Falle liegt sie hinter der Sehne des Reectus,
indess der fleischige Rand der Muskelplatte lateralerseits die Rinne be-
grenzt, in die der M. rectus eingelassen ist. Einige Muskelbündel gehen
auch von dieser Seite des Vastus unmittelbar an den Rand der Sehne des
Rectus über.
Der Ursprung der tiefsten Lamelle der lateralen Portion des Vastus
reicht nicht bis zum Condylus herab, so dass die Vasa articularia lateralia
unterhalb derselben den Schenkel umkreisen; sie zeichnet sich dadurch aus,
dass sie, gleich den Bündeln der vorderen Portion, sich an die innere
Fläche der gemeinsamen Sehne ansetzt.
Diese Sehne ist häutig und, in ihrer ganzen Ausdehnung betrachtet, drei-
seitig, die Spitze nach oben und bis über die Mitte des Schenkels sich hinauf er-
streckend, die Basis nach unten, an den Rand der Kniescheibe angewachsen,
beiderseits aber diesen Rand überragend und mit den Ligg. patellaria late-
rale und mediale (Bdl. S. 145) und durch Vermittelung dieser Bänder mit
der Fascie verschmolzen. Ein Theil dieser Sehne wird nun durch die me-
diale und laterale Portion des M. vastus verdeckt, deren Fasern über der
Patella von beiden Seiten gegen einander vorrücken und theilweise selbst
die Sehne des M. rectus erreichen. Was demnach von der gemeinsamen
Sehne nach Entfernung des M. rectus sichtbar bleibt, hat eher eine mit der
Spitze abwärts gekehrte dreiseitige oder eine rhombische Form.
Die Sehne hat dicht über ihrer Insertion eine Mächtigkeit von 10””
und besteht aus mehreren Schichten, welche nur einigermaassen den Muskel-
schichten entsprechen. Ein äusseres, deutlich fibröses, aber dünnes Blatt
löst sich unmittelbar unter der Insertion der Fasern des Vastus an die
Hauptsehne von der Oberfläche der letzteren ab und befestigt sich unter-
halb der Patella, mit deren Beinhaut es locker verbunden ist, an die Tibia
zu beiden Seiten des Lig. patellare inf. Es ist in Structur und Stärke der
Fascie, unter welcher es sich ausbreitet, sehr ähnlich und ebenso aus ein-
ander durchkreuzenden Fasern gewebt, schräg absteigenden, welche in der
Flucht der Muskelfasern des Vastus verlaufen, schräg aufsteigenden, welche
neben dem Lig. patellare inf. an der Tibia entstehen, und transversalen, aus
den Ligg. patellaria laterale und mediale stammenden. Die ganze übrige
Sehnenmasse endet, soweit sie nicht seitlich die Patella überragt, an deren
oberem, breiterem, schräg vorwärts abfallendem Rande, in zwei bis drei
mächtige Lagen trennbar, welche durch lockeres, auch wohl fetthaltiges
Bindegewebe und durch quer verlaufende Bündel, Fortsetzungen der Ligg-
patellaria laterale und mediale, auseinander gehalten werden.
Ein Schleimbeutel, Dursa symovialis suberuralis, welcher unter der
Sehne des Vastus liegt und in der Regel mit der Kapsel des Kniegelenkes
communicirt, wurde schon in der Bänderlehre (Seite 141) beschrieben.
Andere befinden sich nicht beständig zwischen der oberflächlichen In-
sertionssehne und der Kniescheibe !) und zwischen dieser Sehne und der
") Bursa mucosa supenficialis genu Loder. B. m. patellae prof. Lauth. B. m. patella-
Sehne.
Schleim-
beutel,
III. Dritte
Schichte.
Suberuralis.
P. Hintere
Ober-
schenkel-
muskeln.
1. Biceps
femoris.
264 Suberuralis. Biceps femoris.
r
Fascie !),. oder nur an Einer dieser Stellen hinter der Bursa subeutanea
patellaris, in welche mittelst Durchbrechung der Fascie oder auch der
oberflächlichen Sehne die beiden Schleimbeutel oder der vorderste derselben
sich öffnen können.
Isenflamm (Anatom. Unters. S. 83) will einen Schleimbeutel unter der late-
ralen Ursprungssehne des M. rectus fem. am oberen Rande der Pfanne gesehen
haben.
III. Dritte .Schichte.
M. suberuralis Ser 2).
Bald unmittelbar an die vordere Portion des M. vastus sich anschlies-
send, bald durch eine Fettlage von demselben getrennt, entspringen an der
Vorderfläche des Schenkelbeines neben einander einige schmale platte Mus-
kelbündel, welche auf die in der Bänderlehre beschriebene Weise in die
Kapselmembran des Kniegelenkes ausstrahlen (Fig.134.135. Bal.Fig.128.129).
f. Hintere Oberschenkelmuskeln.
1. M. biceps femoris?).
Der lange Kopf des M. biceps fem. (Fig.137 Bf) entspringt in Verbindung
mit dem M. semitendinosus vom Sitzhöcker genau unterhalb der Insertion
des Lig. sacro-tuberosum und vor dem Ursprunge der untersten Bündel
des äusseren Kopfes des M. obturator int. Der grösste, obere und laterale
Theil des gemeinschaftlichen Ursprunges der genannten Muskeln ist sehnig
unmittelbar fleischig kommen einige der untersten (medialen) Bündel vom
Knochen; diese setzen sich geradezu in den M. semitendinosus fort. Die
Sehne besteht aus zwei Blättern, die mit den lateralen Rändern in einer
stumpfen Kante zusammenstossen und von welchen das vordere breiter ist
als das hintere. Von der hinteren Fläche des vorderen Blattes und aus der
von beiden umschlossenen Rinne kommen die Fasern des M. semitendinosus;
die hintere Fläche des hinteren Blattes dient den Fasern des langen Kopfes
des Biceps zum Ursprunge; sie sendet an dessen Vorderfläche und medialem
Rande einen Fortsatz hinab, von welchem bis zur Mitte des Schenkels Mus-
kelfasern abgehen. Alle diese Fasern inseriren sich successiv an eine am
lateralen Rande: und der hinteren Fläche des Muskels bis zur Mitte des
Schenkels heraufragende cylindrische. Sehne.
Die Vorderfläche dieser Sehne nimmt bis unterhalb des Condylus des
Schenkelbeines Fasern des kurzen Kopfes (Fig.137.141 Bf'b) auf, welche am
mittleren Drittel der lateralen Lippe der Crista femoris und zum Theil
ris prof. Luschka B. m. infrapatellaris prof. s. subtendinosa Gruber (Bulletin de la classe
physico-mathemat. de Dacad imper. de St. Petersbourg. T. XV. p. 150).
) B. mucosa praepatellaris media s. subaponeurotica Gruber. B. subfascialis Linhart
(Würzb. Verh. Bd. VII. S. 131).
?) M. artieularis genu Sömm. Mm. suberurales Hyrtl. Mm. suberur. ext. und int,
Günther. Unterer Schenkelmuskel. Kniegelenkkapselspanner.
°) M. biceps cruris. M. flexor cruris fibularis s. externus. Wadenbeinbeuger, Aeusse-
rer oder zweiköpfiger Beuger.
Biceps femoris.
" 265
vom Lig. intermuseulare lat. entstehen und in Form einer rhombischen Platte
parallel schräg rück- und abwärts verlaufen.
Die Insertionssehne befestigt sich an den mittleren der drei stumpfen
Fig. 137.
Oberschenkel, Rückenfläche.
Sehne des M. gluteus max. Af
magn. Gr M. gracilis. VW
Qf M. quadr. fem. Gm
m NM. adductor fem.
Laterale Portion des
M. vastus, oberflächliche Schichte.
Höcker der Fibula (Knl.S.
264), die Insertion des
Lig. accessorium laterale
des Kniegelenkes umfas-
send (Bdl. S. 146). Von
den dem oberen Rande zu-
nächst gelegenen Fasern
ziehen einige, in die Fascie
verwebt, zur Tuberositas
patellaris der Tibia; vom
unteren Rande der Sehne
zweigen sich Fasern ab,
welche in die Fascie sich
verlieren.
Var. Der kurze Kopf
fehlt (Meckel). Ein über-
zähliger langer Kopf ent-
springt vom Sitzbeinhöcker
(Sömmerring) oder vom
oberen Ende der Crista fe-
moris (Meckel, dessen Arch.
Ba. V. S. 117) oder von der
Schenkelfascie in der Gegend
des oberen Endes der Crista
femoris (eigene Beob.). Einen
dritten Kopf des Biceps sah
Gruber (Müll. Arch. 1846.
S. 430. Taf. XV. Fig. 2) mit
dem medialen Kopfe des M.
gastrocnemius vom Schenkel-
beine entspringen und fast
transversal hinter den Ge-
fässen und Nerven durch die
Kniekehle gehen.
Albin und Monro er-
wähnen einen Schleimbeutel,
Bursa bicipitis cruris, zwischen
der Insertionssehne und dem
Lig. accessor. laterale.
Der M.biceps hat ausser
seinem Antheile an der Beu-
gung des Unterschenkels noch
das Vermögen, den letzteren
um seine Längsaxe lateral-
wärts zu rotiren.
Physiol.
Bemerk.
2
Semiten-
dinosus.
3. Semi-
membra-
nosus.
266 Semitendinosus. Semimembranosus.
=
2. M. semitendinosus ÖL).
Vom Ursprunge am Sitzhöcker und von der Sehne, die auch den Fasern
des langen Kopfes des M. biceps zum Ursprunge dient, verlaufen die Fasern
des M. semitendinosus steil medianabwärts und inseriren sich allmälig an
eine Sehne, die in der Hälfte des Schenkels am medialen Rande des Mus-
kels sichtbar wird und in der Gegend des medialen Epicondylus frei, platt-
cylindrisch aus dem Muskel hervorgeht. Der am oberen Ende platte, gegen
das untere Ende zugespitzte Muskelbauch ist beständig von einem dünnen
Sehnenblatte getheilt, welches schräg abwärts von vorn nach hinten zieht, die
vorderen Muskelbündel nicht berührt, auf der hinteren Oberfläche aber etwas
über der Mitte ihrer Höhe in Form einer feinen, wellenförmigen oder zacki-
gen, gegen den lateralen Rand absteigenden Inseription erscheint (Fig. 137).
Die Endsehne des M. semitendinosus geht, ruhend auf dem unteren
Ende des M. semimembranosus, hinter und unter dem medialen Rande der
Tibia vorwärts, um sich in Verbindung mit der Sehne des M. gracilis und
zwar unmittelbar unterhalb derselben, abgeplattet und etwas ausgebreitet
an das obere Ende der vorderen Kante der Tibia zu inseriren (Bdl. Fig. 129).
Ein ansehnliches Bündel wendet sich vom unteren Rande der Sehne dicht
vor ihrer Insertion abwärts zur Unterschenkelfaseie (Fig. 132).
Ein Schleimbeutel ?) liegt zwischen den Enden der Sehnen des M. se-
mitendinosus und gracilis und den an die Tibia sich befestigenden accesso-
rischen Bändern des Kniegelenkes; zuweilen erstreckt er sich aufwärts bis
unter die Insertion des M. sartorius.
3. M. semimembranosus $ m).
Die Sehne des M. semimembranosus entspringt breit, mit convergiren-
den Fasern vom vorderen Rande des Sitzhöckers hinter dem M. quadr. fem.
und ungefähr in derselben Ausdehnung wie dieser (Fig. 141). Sie ist von hinten
her durch die Sehne, die dem langen Kopfe des Biceps und dem M. semitendi-
nosus zum Ursprunge dient, bedeckt; den Raum zwischen beiden Sehnen
erfüllt straffes Bindegewebe, welches sie aneinanderheftet und einen Schleim-
beutel von veränderlicher Ausdehnung einschliesst.
Die Ursprungssehne des M. semimembranosus ist membranförmig platt,
am lateralen Rande abgerundet, am medialen scharf und mit diesem Rande
vinnenförmig um den Rand desM. semitendinosus vorwärts umgebogen. Sie
verbirgt sich zwischen den von ihr ausgehenden Muskelfasern früher am
medialen Rande und der vorderen Fläche, als am lateralen Rande und der
hinteren Fläche, auf welcher die Sehne erst unterhalb der Mitte des Schen-
kels in einer Spitze endet. Von dieser Spitze und von dem auf der vor-
deren Fläche des Muskels sichtbaren Rande der Sehne gehen die Muskel-
fasern vertical abwärts; von den Seitenrändern der hinteren Sehne oberhalb
\) M. seminervosus. Halbsehniger oder halbflechsiger Muskel Demi-tendineuz.
®) Bursa genualis anl. Monro.
°) Halbhäutiger Muskel. Demi-membraneuz.
Semimembranosus. 267
der Spitze gehen sie divergirend schräg abwärts um den Rand des Muskels
herum an den Rand der Insertionssehne, die zuerst auf der Vorderfläche
des Muskels sichtbar und erst in der Nähe der Insertion ganz frei wird.
Der Muskelbauch ist spindelförmig, am medialen Rande scharf, am
lateralen wulstig (Fig. 137). Er füllt die Vertiefung zwischen dem kurzen
Kopfe des M. biceps fem. und dem M.add.magn. aus und bedeckt von hinten
her die Gefässstämme, nachdem sie den Adductor magn. durchbohrt haben.
Die starke Sehne theilt sich auf der hinteren Kapselwand hinter dem
medialen Condylus in drei Zipfel, welche schon in der Bänderlehre (S. 145)
beschrieben wurden. Ein unter fast rechtem Winkel transversal in die hin-
tere Kapselwand eintretender Zipfel ist das Lig. popliteum obliguum (Bdl.
Fig. 127 p0); in entgegengesetzter Richtung wendet sich ein zweiter Zipfel
Fig. 138. längs dem Margo infragle-
noidalis der Tibia, gedeckt
vom Lig. accessorium me-
diale, nach vorn und endet
über der Tuberositas patel-
laris (Fig. 138 Sm‘); der
dritte Zipfel besteht aus
platten Fasern, welche in
der Richtung des Stammes
abwärts zur Tibia gehen
(Sm).
Wegen des meistens mit
dem Gelenke communici-
renden Schleimbeutels un-
ter der Sehne des M.semi-
membranosus, Dursa syn-
ov. semimembranosa, Ver-
weise ich ebenfalls auf die
Bänderlehre a. a. O.
Var. Der Muskel kann
fehlen (Loschge, Erlanger
Abh. Bd.I. S.25; de Souza,
gaz. med. 1855. Nro.12). In
Loschge’s Fall fand sich
am Einen Beine statt des M.
semimembranosus eine dünne,
vom Sitzhöcker zur Kapsel in
der Nähe des lateralen Epi-
condylus des Schenkels ge-
spannte Sehne, welche in der
Mitte einen kleinen Muskel-
Mediale Wand des Kniegelenkes von aussen. Die Fas-
cie F mit der Sehne des M. sartorius durchschnitten bauch hatte.
und nach vorn zurückgeschlagen, ebenso die Sehnen In Bezug auf die Rotation
des M. gracilis (Gr) und semitendinosus (St). pm Lig. des Unterschenkels sind der
atellare mediale. Bsm Bursa synov. semimembranosa, . ER .
“= der medialen Wand geöffnet, Gam M. gastrocne- a endne u
mius medial. Am‘' Insertion des M. adduct. magn. am membranosus, nebst dem Sar-
medialen Epicondylus. Z Sehne des M. extensor er. torlus und Graeilis, Antago-
Scr M. suberuralis. ** Fettpolster. nisten des M. biceps.
Physiol.
Bemerk.
y- Mediale
Ober-
schenkel-
muskeln.
I. Erste
Schichte.
1. Pectin.
268 Pectineus.
y. Mediale Oberschenkelmuskeln.
I. Erste Schichte.
1. M. pectineus
Pe!).
Besteht aus zwei Schichten, die aber nur aın lateralen Rande und auch
Fig. 139.
emanssue Ip
Sar w N N RR
j m) Ds I
Adductoren des Oberschenkels, von vorn. Jp Medialer
Kopf des M. iliopsoas, abgeschnitten. Jp} Insertion
desselben. Sar, Tf, Qf Ursprünge des M. sartorius,
tensor fasciae und quadr. fm. Gmd, Gmi M. gluteus
med. und min. Oe M. obturator ext. Die sämmtlichen
Adductoren, mit Ausnahme des M.adductor magnus, sind
bis auf Ursprung und Insertion abgeschnitten, die Inser-
tionen mit einem f bezeichnet.
') M. peetinalis. M. liwidus. Schambeinmuskel.
Premier
hier nicht immer deutlich geschieden sind und gegen den medialen Rand
zusammenfliessen. Die
oberflächliche Schichte
(Fig. 139 Pe) entspringt
mit platten und zarten
Bündeln an der Crista
iliopectinea zwischen der
gleichnamigen Eminen-
tia und dem Tubere.
pubis und nimmt Fasern
von der inneren Fläche
der in der gleichen Aus-
dehnung entspringenden
Fascie des Muskels auf;
der Ursprung der tieferen
Schichte (Pe) beginnt
weiter medianwärts über
der Crista obturatoria
und verstärkt sich eben-
falls durch Fasern, wel-
che von der medialen
Fläche des an der Emi-
nentia iliopectinea haf-
tenden Theiles der Fas-
cie entspringen. Die
oberflächliche Schichte
tritt in lateralwärts con-
cavem Bogen aus dem
Becken und geht etwas
steiler als die tiefe ab-
und zugleich rückwärts.
Mit einander spitzwink-
lig kreuzenden Fasern
setzen sich beide durch
Vermittelung einer plat-
ten Sehne an die me-
diale Lippe der Crista
adducteur superficiel Cruv.
ur 4
Adductor fem. longus. Graeilis. 269
femoris, von ihrem Ursprunge an bis zu ihrem Zusammentritte mit der late-
ralen Lippe (Fig. 151).
Die Flächen des platten Muskels, beim Austritte aus dem Becken fron-
tal, stellen sich in der Nähe der Insertion sagittal, die vordere Fläche
lateralwärts.
2. M. adductor fem. longus Aftı).
Entspringt mit einer schmalen, aber starken Sehne (Fig. 139), welche eine 2. ae
Strecke weit die Vorderfläche des Muskels bedeckt, zwischen dem Tuberculum a
pubis und der Schambeinsynchondrose, dicht neben dem M. pect., entfernt
sich im Absteigen von demselben und breitet sich zugleich auf Kosten seiner
Mächtigkeit aus, um sich mit einer platten Sehne an die mediale Lippe
der Crista femoris, etwa längs des mittleren Drittels derselben, anzuheften.
Die Sehne verschmilzt in der Nähe der Insertion unzertrennlich mit der
Sehne des Vastus, welche hier zugleich Lig. intermusculare ist, und schickt
von ihrem unteren Rande in der Regel einen Fortsatz ab, der sich auf der
Vorderfläche der Sehne des M. adductor magnus verliert (Fig. 131).
Var. Wird von einem durchtretenden Gefässzweige in eine obere und untere
Portion getrennt.
3. M. gracilis Gr?)
Die dünne, platte Ursprungssehne haftet an der äusseren Fläche des 3. Gracitis.
ganzen freien unteren Randes des Schambeines (Fig. 139). Der Muskelbauch,
platt, mit sagittal gestellten Flächen, verjüngt sich in der Mitte des Schenkels,
indem von da an bis zur Gegend des Knies die parallelen, verticalen
Fasern successiv an der Insertionssehne enden, die sich am hinteren Rande
des Muskels hinaufzieht. Vom Knie an geht die platteylindrische Sehne
erst am hinteren Rande des M. sartorius und dann in convexem Bogen am
oberen Rande der Sehne des M. semitendinosus zur unteren Spitze der Tu-
berositas patellaris der Tibia, indem sie schliesslich mit der letztgenannten
Sehne verwächst, mit ihr auf dem oben beschriebenen Schleimbeutel ruht
und ebenso, wie alle ührigen an der medialen Fläche des oberen Endes der
Tibia befestigten Sehnen, Fasern abwärts in die Fascie sendet (Fig. 132).
Anzieher des Schenkels ist der M. gracilis nur bei steifem und gestrecktem Physiol.
Knie, dann aber, im Vergleich zu den eigentlich sogenannten Adductoren, um so un
kräftiger, da er an dem längsten Hebelarme wirkt. Bei gebeugtem Knie, wenn
der Unterschenkel um seine Längsaxe rotirbar ist, wird der M. gracilis Gehülfe
des Sartorius.
!) Second adducteur superficil Cruv. Wird als erster oder langer Kopf eines Addxc-
tor triceps angeführt, in Verbindung mit dem M. adductor brevis (caput br. s. secund.) und
magnus (c. magn. s. tertium), eine Auffassungsweise, welche schon Theile mit triftigen
Gründen zurückgewiesen hat.
2) M. rectus internus. Schlanker Schenkelmuskel. Droit interne.
II. Zweite
Schichte.
Adduct. br. 8
III. Dritte
Schichte.
1. Adduct.
minimus.
270
II. Zweite Schichte.
Adductor fem. br., Adductor fem. minimus.
M. adductor fem. brevis Afb D,
Die gegen das Schenkelbein an Höhe zunehmende Lücke, welche zwi-
Fig. 140.
Adductoren des Oberschenkels, von vorn. Jp Medialer
Kopf des M. iliöpsoas, abgeschnitten. Jpt Insertion des-
selben. Sar, Tf, Qf Ursprünge des M. sartorius, tensor
fasciae und quadr. fem. Gmd, Gmi M. gluteus med. und
min. Oe M. obturator ext. Die sämmtlichen Adductoren
mit Ausnahme des M. adductor magnus, sind bis auf Ur-
sprung und Insertion abgeschnitten, die Insertionen mit
einem 7 bezeichnet.
!) Petit adducteur profond Cruv.
?) Chirurg. Muskellehre S. 159.
Theile,
chen dem M. pectin. und add. long. übrig bleibt (Fig. 131), schliesst der
M. adduct. br. von hin-
ten her so vollständig,
dass er sie mit seinem
oberen und unteren
Rande überragt. Sein
Ursprung liegt kurzseh-
nig, hinter (lateralwärts
neben) dem Ursprunge
des M. adductor longus
und der medialen Ecke
des M. pectineus, reicht
auch wohl bis zum M.
gracilis hinab und ist
mit dessen Sehne ver-
wachsen ; seine Inser-
tion, eine platte Sehne
von variabler Höhe,
kann aufwärts bis an
den- Trochanter minor
reichen und erstreckt
sich abwärts mehr oder
minder weit hinter der
Insertion des M. adduct.
long. herab (Fig. 140).
Var. Dem M. adductor
long. ähnlich zuweilen in
zwei Abtheilungen ge-
schieden.
III. Dritte Schichte.
1. M. adductor fem. mi-
nimus Afmi Günther).
Entspringt vom Scham-
beine und dem vorder-
sten Theile des Sitz-
Aeussere oder obere Portion des M. adductor magn.
Die übrigen Autoren rechnen diesen Muskel mit zum M. adductor magnus.
au an
Adductor fem. magnus. 271
beins zwischen dem Ursprunge des M. obturator ext. und des Gracilis, auf-
und vorwärts über den Ursprung des M. abductor br., ab- und rückwärts
über den Ursprung des M. abd. magn. hinausreichend, mit einer breiten und
dünnen Sehne (Fig. 140). Die Muskelfasern, in welche die Sehne alsbald über-
geht, treten, die vordersten fast transversal, die rückwärts folgenden allmälig
mehr absteigend, an das Schenkelbein und befestigen sich in einer von der
Dritte Schichte der Adductoren, von hinten.
Mitte der Linea intertrochanterica
fast vertical zur Crista femoris
absteigenden Linie, welche mit-
unter am macerirten Knochen
noch kenntlich ist, und eine kurze
Strecke weit an der Crista fem.
selbst (Fig. 141). Der obere Rand
des M. add. minimus lehnt sich
in seiner ganzen Länge an den
M. quadrat. femoris; den unteren,
schräg lateralwärts absteigenden
Rand überragt von hinten her
um Weniges der obere Rand
des M. adductor magnus, dessen
Insertion am Schenkelbeine also
um so weiter unten beginnt, je
weiter abwärts der M. adductor
minimus sich ausdehnt.
2. M. adduct. fem. magn. Afm)).
Der M. add. magn. ist am Ur-
sprunge vom medialen Rande aus
in zwei Schichten trennbar, die ge-
gen den lateralen Rand verschmel-
zen und an einer Sehne zusam-
menstossen, die an diesem Rande
und an der hinteren Fläche des
Muskels sich eine Strecke weit
sichtbar erhält (Fig. 140. 141).
Der Ursprung nimmt den unteren
Rand des Beckens, den vorderen
(medialen), schmalen und zuge-
spitzten Theil des Sitzhöckers ein;
lateralrückwärts erstreckt er sich
zwischen die Ursprungssehnen
\) Unser M. adductor magnus ist
identisch dem unteren, grösseren Theile
des Adductor magnus aut. (grand ad-
ducteur profond Cruv.), der mittleren
und unteren Portion des Adductor magn.
Theile.
2. Adduct.
magnus.
c. Muskeln
des Unter-
schenkels.
272 Adductor fem. magnus.
der beiden Schichten der Beugemuskeln, medianvorwärts bis zu der Rauhig-
keit, welche in Erwachsenen an die Stelle der Synchondrose des Sitz- und
Schambeines tritt. Gegen die Insertion ordnen sich die beiden Schichten
so, dass die vordere Schichte oberhalb der hinteren sich ansetzt. Die
Bündel der vorderen Schichte gehen, je weiter vorn sie entspringen, um so
tiefer unten an das Schenkelbein; die Bündel der hinteren Schichte kommen
unter den untersten Bündeln der vorderen, steiler absteigend, zum Vorschein
und sind vorzugsweise bestimmt, sich an den grossen Sehnenbogen zu
heften, der das Thor für die Cruralgefässstämme darstellt (Fig. 141 *).
Ich habe schon erwähnt, dass längs der Crista femoris eine grössere
oder geringere Anzahl solcher Sehnenbogen, entsprechend den perforirenden
Aesten der Vasa profunda fem., sich findet. Der grösste und beständigste
schlägt sich von der Stelle, wo die beiden Lippen der Crista femoris ab-
wärts auseinanderweichen, zum medialen Epicondylus hinüber; er ist am
oberen Theile scharfrandig, erhält aber gegen die untere Insertion den
Charakter einer eylindrischen Sehne und nimmt an dieser Stelle nicht nur
die zahlreichsten Muskelbündel des Adductor magnus auf, sondern dient
auch, wie am betreffenden Orte angegeben ist, Fasern der medialen Portion
des M. vastus zum Ursprunge (Fig. 134).
So weit sich die Sehne der vereinigten Adduetoren an die Crista fe-
moris ansetzt, ist sie mit der Ursprungssehne des Vastus verschmolzen.
Diese Verschmelzung drückt sich in dem Verlaufe der Fasern der ein-
fachen Sehnenplatte aus, welche in der schräg lateralwärts absteigenden
Richtung der Adductoren und in der schräg medianwärts absteigenden
Richtung der Fasern des Vastus einander kreuzen und im eigentlichen Sinne
durchflechten.. Mit dem unteren freien Pfeiler des Sehnenbogens dagegen
verschmilzt ein starkes fibröses Blatt, welches sich über die Cruralgefäss-
stämme hinweg an den Vastus anlegt, die äussere Wand einer Gefäss-
scheide, die mit der Fascie des Schenkels näher beschrieben werden wird.
Var. Ich sah ein langes, plattes und schmales Bündel selbständig vom Sitz-
höcker entspringen und sich erst am unteren Pfeiler des Sehnenbogens mit der
Masse des Adductor magnus verbinden. In einem anderen Falle entsprang ein
ähnliches Bündel von einer feinen, hinter der Insertion des M. adductor minimus
herablaufenden Sehne und setzte sich, hinter den Cruralgefässstimmen vorüber-
ziehend und convergirend mit den untersten Fasern des Adductor magnus, an den
unteren Pfeiler des Sehnenbogens.
e. Muskeln des Unterschenkels.
Die Muskulatur des Unterschenkels wie des Fusses gleicht im Wesent-
lichen der Muskulatur des Unterarmes und der Hand. Der Unterschenkel
hat dieselbe umgekehrt kegelförmige Gestalt, wie der Unterarm, als Aus-
druck des gleichen Verhältnisses der Muskelbäuche zu ihren Sehnen. Am
Unterschenkel liegen, wie am Unterarme, die Muskeln in drei Gruppen, an
der vorderen und hinteren Seite und am lateralen oder fibularen Rande;
nur wird am Beine die vordere Fläche von den Streckmuskeln, die hintere
Fläche von den Beugemuskeln eingenommen. Eine andere Verschiedenheit
zwischen den Muskeln des Armes und Beines besteht darin, dass am Beine
Unterschenkelmuskeln. 273
die Zahl der zweigelenkigen Muskeln vermindert, dass der Ursprung im
Allgemeinen der Insertion um ein Gelenk näher gerückt ist. Kein Muskel
der vorderen und Fibular-Seite entspringt oberhalb desKniegelenkes; die tie-
fen Fingerstrecker, die freilich am Fusse vollzähliger sind als an der Hand,
haben sich gleichsam vom Unterschenkel auf den Fussrücken zurückgezogen;
der dem M. flexor digitorum sublimis analoge Muskel des Fusses liegt ganz
in der Fusssohle. Die Folge ist, dass die Muskulatur des Fusses im Ver-
gleich zur Hand complieirter, die Muskulatur des Unterschenkels dagegen
im Vergleich zum Unterarme einfacher wird. Zudem fehlen am Unter-
schenkel noch die Pronatoren und Supinatoren, da die geringfügigen Ver-
sehiebungen seiner beiden Knochen gegen einander nur mittelbar, durch die
Bewegungen des Fusses im Knöchelgelenke, zu Stande gebracht werden.
Die Grenze zwischen den vorderen und hinteren Muskeln ist medialer-
seits deutlich genug, da sich zwischen beide die ganze mediale Fläche der
Tibia einschiebt, an deren
vorderer und hinterer Kante
die Fascie mit der Bein-
haut unzertrennlich ver-
wächst. Um so genauer
schliessen sich lateralerseits
die vorderen Muskeln an
die fibularen und diese wie-
der an die hinteren Muskeln
an. Zwischen den vorderen
und fibularen Muskeln bleibt
nur in einer kurzen Strecke
vom Knöchel aufwärts ein
schmales Feld der Fibula
frei. Weiter hinauf dienen
beiden die beiden Flächen
eines fibrösen Blattes zum
Ursprunge, das sich in der
Verlängerung der vorderen
Kante der Fibula an die
Horizontalschnitt des Unterschenkels oberhalb der Fascie begiebt, eine Art
Mitte. Ta, Tp M. tibial. ant. u. post. Ehl M. ext. Lie, intermuseular asi
hall. long. Ed! M. ext. dig.long. Peb, PelM peron > d . er 2 bi
br. u. long. SM. soleus G M. gastrocnemius. Pla M. mit dem Namen Lig. inter-
plantaris. Fhl, Fdl M. flexor hallueis u. digit. long musculare fibulare bezeich-
1. Vasa tibialia ant. 2 Vasa tib. post. nen werde (Fig. 142 *). Es
steht dicht unter dem Köpf-
chen der Fibula in der Höhe etwa eines Zolls vom Knochen ab und um-
schliesst demnach mit dem Knochen eine verticale Längsspalte, durch die der
N. peroneus profundus auf die Vorderfläche des Unterschenkels und zwar auf
das Lig. interosseum gelangt (Fig. 144). Vor dem Köpfchen der Fibula dehnen
die Fibularmuskeln sich mit ihrem Ursprunge bis auf die laterale Fläche der
Tibia aus. Mit den tiefen Beugemuskeln stossen die fibularen auf der hin-
teren Kante der Fibula unmittelbar zusammen, wie an einem Scheitel, von
welchem aus die Fasern der Einen lateral-abwärts, die der anderen median-
Henle, Anatomie. Bd. I. Abth. 3. 18
274 Unterschenkelmuskehn.
abwärts gehen, um je in einer Rinne, jene hinter dem lateralen, diese hinter
dem medialen Knöchel an die Fusssohle zu gelangen.
Die Aufgabe der Muskeln der vorderen und hinteren Fläche ist zunächst
Rotation des Fusses oder Unterschenkels und der Mittelfussknochen und
Zehen um dietransversale Axe, wodurch entweder dieZ ehen gegen den Fuss, der
Fuss gegen den Unterschenkel, oder umgekehrt, der Unterschenkel gegen den
Fuss und der Fuss gegen die Zehen bewegt werden. Es versteht sich, dass
den Muskeln der Vorderfläche die Streckung oder Dorsalflexion des Fusses
im Ganzen und der Zehen, den hinteren Muskeln die Beugung oder Plantar-
flexion derselben Theile zufäll. Die Muskeln aber, welche sich an Knochen
der Fusswurzel und des Mittelfusses ansetzen und demnach zur Bewegung
des Fusses als Ganzen dienen, befinden sich, wie an der oberen Extremität,
jedesmal am Seitenrande der Gruppe und sind darauf berechnet, sich je an
dem gleichnamigen Fussrande von der Streck- und Beugeseite her zu ge-
meinsamer Wirkung zu verbünden. In diese Kategorie gehören auch die
fibularen, wie am Arme die radialen Muskeln. Während aber die radialen
Muskeln sich schliesslich als Strecker verhalten, um sich bei den Seitenbe-
wegungen der Hand dem M. radialis intern., bei Rotationsbewegungen um
die transversale Axe einem Streckmuskel, dem M.ulnaris ext., zuassocliren,
reihen sich die fibularen Muskeln bezüglich ihrer Insertion den Beugern an,
associiren sich bei den Seitenbewegungen des Fusses einem Muskel der
Rückseite (M. peroneus tertius) und bei den Rotationsbewegungen um die
transversale Axe einem Beugemuskel (M. tibialis post.). Wasnun diese Seiten-
bewegungen betrifft, so sind es Rotationen um eine sagittale Axe, die aber
an der oberen Extremität durch das Handgelenk geht und die Längsaxe
der Hand rechtwinklig schneidet, an der unteren Extremität mit der Längs-
axe des Fusses zusammenfällt. Die Bewegungen, welche die Muskeln des
ulnaren und radialen Randes der Hand mittheilen, sind die sogenannte Ulnar-
und Radialflexion; die Seitenbewegungen des Fusses dagegen sind solche,
wodurch sein lateraler oder medialer Rand erhoben wird, Bewegungen, welche
den Pronations- und Supinationsbewegungen der Hand entsprechen, wie leicht
ersichtlich wird, wenn man diese letzteren mit der überstreckten und rechtwink-
lig gegen den Vorderarm gestellten Hand vornimmt. Der Unterschied beruht
zum Theil in der Einrichtung der Gelenke, die dem Fuss eine nur sehr be-
schränkte Bewegung um die verticale Axe, mit der Spitze median- und lateral-
wärts gestatten, zum Theil in der Insertionsweise einzelner Sehnen, welche
von ihrem Rande aus quer oder schräg durch die Fusssohle zum entgegen-
gesetzten Rande verlaufen und daher die Tendenz haben müssen, die Sohle
der Seite zuzuwenden, an welcher sie in dieselbe eintreten. Eine Neben-
wirkung der betreffenden Muskeln besteht darin, dass sie, wenn sie von beiden
Seiten gleichzeitig anziehen, die Wölbung des Fusses im Frontaldurchschnitt
vermehren. Das Wenige an Tibial- und Fibularflexion, was dem Fusse aus-
zuführen verstattet ist, kann nur dadurch zu Stande kommen, dass sich mit
den beiden Muskeln des Einen Randes, die die Fussspitze nach sich ziehen,
der den Streckmuskeln associirte Muskel des anderen Randes verbündet, um
diesen Rand festzuhalten, also mit dem M. tibialis antiens und postieus
der M. peroneus tertius oder mit den Mm. peronei der M. tibialis ant.
Die Beziehungen der Fascie sind zu den Muskeln des Unterschenkels
Tibialis antieus. 275
dieselben, wie zu denen des Unterarms. Sie schiekt Fortsätze nach innen
und bildet Fächer, von deren Wänden die Muskelbündel allseitig, wie vom
Knochen, ihren Ursprung nehmen. Ueber der Rückenfläche des Knöchel-
gelenkes verstärkt sie sich durch quere und schräge Fasern, die die Sehnen
in Berührung mit ihrer Unterlage erhalten und als besondere Bänder, Lig.
transversum und cruciatum, dargestellt zu werden pflegen. Von der inneren
Fläche dieser Bänder begeben sich sagittale Scheidewände in die Tiefe und
sichern die Lage der Strecksehnen, indem sie den Raum, in welchen die
Sehnen eingeschlossen liegen, in eine Anzahl gesonderter Röhren scheiden.
«@. Muskeln der Vorderseite.
Am oberen Ende der Tibia entspringen neben einander zwei Muskeln,
M.tibialis anticus und M. extensor digitorum pedis longus, von welchen der Eine
an den Tibialrand des Fusses, der andere mit vier Sehnen zu den vier dreigliedri-
gen Zehen geht. Zwischen ihnen drängt sich, unter der Mitte des Unter-
schenkels, der M. extensor hallucis longus hervor, und noch etwas tiefer
gesellt sich, am lateralen Rande des M. extensor dig. ]., der M. peroneus
tertius hinzu.
Es ist ein gemeinsamer Charakter aller dieser Muskeln, dass ihre In-
sertionssehne platt cylindrisch mit frontalen Flächen schon hoch oben aus
einem spindelförmigen Bauche hervortritt und im weiteren Verlaufe Muskel-
fasern nur noch an der hinteren Fläche empfängt. Die Sehnen liegen in der
unteren Hälfte des Unterschenkels fast unmittelbar neben einander an der
Oberfläche, und die Muskelbiündel treten, steil vor- und etwas medianwärts ab-
steigend, zu denselben heran aus der Rinne, deren Seitenwände die vordere
Fläche der Tibia und die Fibularmuskeln, deren Boden das Ligam. interos-
seum bildet. Wie sich diese Rinne abwärts verflacht, legen sich die Muskeln
mit dem vorderen Rande, an welchem die Sehnen verlaufen, medianwärts
um auf das vorwärts schauende untere Ende der Streckfläche der Tibia
(Knl. S. 262). Je weiter lateralwärts die Muskeln liegen, um so weiter ab-
wärts reichen ihre Ursprünge und die Insertionen ihrer Muskelbündel an
die Sehnen.
Die Nerven stammen sämmtlich vom N. peroneus profundus, der im
oberen Viertel des Unterschenkels die Aeste für die einzelnen Muskeln ab-
giebt, einzelne, sehr feine Zweige aber auch noch tiefer zu dem M. extensor
hall. longus sendet, an dessen medialer Seite er herabläuft.
1. M. tibiulis antieus Ta N.
Der Bauch des M. tibialis ant. entspringt an der lateralwärts gewandten
Streckfläche der Tibia auf einem Feld von bimförmiger Begrenzung, mit
lang ausgezogener abwärts gerichteter Spitze. Dies Feld reicht oben an
D) M. tibiaeus anticus s. anterior. M. hippieus. M. catenae. Vorderer Schienbeinmuskel.
Jambier.
18*
&. M.d.
Vorders.
1. Tib. ant.
276 Tibialiıs antieus.
den Margo infraglenoidalis, vorn an die bogenförmige Linie, mit der der
Margo infraglenoidalis sich in die vordere Kante der Tibia fortsetzt, hinten
“ Fig. 143.
Unterschenkel und Fuss in Plantar-
flexion, von vorn. M. ext. dig. long.
(Eal) mit dem M. peron. tertius (Pet)
über dem Lig, erueiat (er) durchschnit-
ten. Pet; Insertionssehne des M. peron.
tertius. Pel, Peb. M. peron. longus. und
brevis. Peb'Sehne des letzteren zur fünf-
ten Zehe. Og M. opponens dig. quinti.
bis in die Nähe des oberen Tibiofibular-
gelenkes und auf das Lig. interosseum.
Die Fascie, die von dem oberen Ende der
Tibia und vom oberen Theil ihrer vor-
deren Kante ausgeht, dient ebenfalls
Fasern des M. tibialis ant. zum Ur-
sprunge. Allmälig weichen die Ursprünge,
welche aus platten, im verticalen Durch-
messer comprimirten Bündeln bestehen, auf
dem Ligam. interosseum, wie auf der Vor-
derfläche der Tibia gegen die Crista in-
terossea der letzteren zurück, und von der
Mitte des Unterschenkels an bilden sie nur
noch eine einfache Reihe platter, aber im
„transversalen Durchmesser comprimirter
Bündel, von welchen die letzten an der
oberen Grenze des unteren Viertels des
Unterschenkels entspringen. Die Sehne
wird unterhalb der Mitte des Unterschenkels
an der Vorderfläche frei (Fig. 143),
nimmt aber an der hinteren Fläche Mus-
kelfasern bis zum Knöchelgelenk auf
(Fig. 144). Sie geht durch das zumeist
medianwärts gelegene Fach unter dem
Lig. eruciat. und weiter schräg abwärts
an die mediale Fläche des Gelenkes zwi-
schen dem ersten Keilbein und dem ersten
Mittelfussknochen, dessen Kapsel sie ver-
stärkt, und endet mit zwei Zipfeln, von
welchen der hintere der mächtigere und
breitere ist, dieht an dem Gelenke und dicht
über der Plantarfläche an einer Facette des
. ersten Keilbeins und einem Höckerchen des
ersten Mittelfussknochens (Fig. 147).
Ein langer eylindrischer Schleimbeutel !)
liegt auf der Vorderfläche der Sehne des
M. tibialis ant., vom unteren Rande des
Lig. transversum an, mit der Innenfläche
des Lig. cruciatum fest verwachsen, bis
zum unteren Rande des letzteren. Ein
kleinerer eiförmiger Schleimbeutel liegt
oberhalb der Endigung der Sehne zwischen
ihr und der medialen Fläche des ersten
Keilbeins.
b) Bursa tibialis antici Monro.
Extensor hall. long. Ext. dig. ped. long. 277
2, M. extensor hallueis long. Ehl
Die Reihe der Ursprünge erstreckt sich längs des zweiten und dritten Vier-
tels der Fibula, anfangs linear von deren vorderer Kante, nach unten durch
Uebergreifen auf das Lig. interosseum etwas breiter. Dem unteren Ende des
Ursprunges gegenüber zeigt sich am vorderen Rande des Muskels die In-
sertionssehne; sie nimmt die letzten Muskelfasern unterhalb des Knöchelge-
lenkes auf, begiebt sich durch das mittlere der Fächer des Lig. cruciat. auf
den Rücken des Fusses und zur Basis der Endphalange der grossen Zehe;
häufig!) trennt sich höher oder tiefer von der Hauptsehne und zwar meistens
vom medialen, seltener vom lateralen Rande ein schmaler Sehnenstreifen
unter spitzem Winkel ab, welcher im ersten Falle direct, im letzteren Falle
durch Vermittelung der Sehne des Ext. hall. brevis an die Grundphalange
der grossen Zehe sich inserirt (Fig. 143).
Der Schleimbeutel, welcher die Sehne des M. extensor hall. longus
unter dem Lig. cruciat. deckt, begleitet sie, zuweilen der Länge nach in
mehrere Fächer abgetheilt, bis über das Tarso-Metatarsalgelenk.
Var. Die Theilung der Schne kann zu einer Theilung oder Verdoppelung
des Muskels sich ausbilden; dann aber liegt der zweite, kleinere und weiter unten
entspringende Muskel meistens lateralwärts neben dem grösseren und verbindet
sich mit der Sehne des M. ext. hallucis brevis oder geht selbständig an den ersten
Mittelfussknochen oder die Grundphalange der grossen Zehe oder spaltet sich in
zwei Sehnen, von welchen die kleinere sich an den medialen Rand der beiden Pha-
langen ansetzt (Meckel). Nur Einmal sah ich den überzähligen (und kleineren)
M. extensor hall. long. an der medialen Seite des normalen liegen und sich selbstän-
dig an die Grundphalange der Zehe inseriren.
3. M. extensor digitorum ped. longus Kdl?)
2. Ext. hall.
long.
Der spindelförmige Muskelbauch beginnt mit einer schmalen Spitze am3. Ext. die.
oberen Ende der Tibia von der Fläche, welche die gegeneinander sich
neigenden Fasern des M. tibialis ant. und peroneus longus frei lassen; er
gewinnt nach unten an Breite und Mächtigkeit durch Fasern, welche von
der eigenen Fascie, von der Fascie des M. tibialis ant. und von dem Lig.
intermusculare fibulare entspringen. Von der Mitte des Schenkelbeines an
verschmälert sich der Muskelbauch wieder und setzt sich schliesslich in eine
lineare Reihe von Bündeln fort, welche kaum vom Knochen, sondern viel-
mehr von dem an die vordere Kante der Fibula gehefteten Lig. intermus-
eulare fibulare und weiter unten vom Lig. interosseum ihren Ursprung nehmen
und nach deroben beschriebenen Weise an die hintere Fläche der Insertions-
sehne treten (Fig. 143.144). Zuweilen besteht ein Zwischenraum zwischen
jenem spindelförmigen Bauch und dieser Reihe platter Ursprünge; der M.
ext. dig. long. erhält dadurch das Ansehen eines zweibäuchigen.
!) Nach meinen Untersuchungen etwa jn der Hälfte der Fälle, nach Gruber (Abh.
aus der menschl. und vergl. Anat., p. 122) viel häufiger, im Verhältniss wie 4 ;1.
2) M. extensor dig. comm. long.
long.
278 Peroneus tertius.
Die Sehnen zeigen nicht immer die gleiche Anordnung. Häufig ist
eine Sehne für die fünfte Zehe weit hinauf von der Sehne trennbar, die sich
in drei Zipfel für die zweite bis vierte Zehe spaltet, und es können selbst die
Muskelbündel, die sich an jene Sehne der fünften Zehe begeben, vollständig
bis zum Ursprunge von der übrigen Masse gesondert werden. In anderen
Fällen geht aus dem Muskelbauch eine einfache Sehne hervor, die sich direct in
vier oder erst in zwei Sehnen theilt, deren jede sich nochmals theilt. Auch
kommt neben einer viertheiligen Sehne, die also auch einen Zipfel zur klei-
nen Zehe sendet, eine besondere Muskelportion und Sehne für die kleine
Zehe vor, die mit der anderen verschmilzt. Nach der Theilung, die zu-
weilen schon in der Mitte des Unterschenkels, zuweilen erst auf dem Fuss-
rücken erfolgt, hält ein festes, mitunter von anastomosirenden Sehnenbündeln
durchzogenes Bindegewebe die Sehnen mit einander in Verbindung; es
nimmt sich wie ein fibröses Blatt aus, auf welchem die Sehnen befestigt
- scheinen, und spannt sich, wenn man die letzteren auseinanderzieht, zwischen
ihnen, ähnlich einer Schwimmhaut zwischen gespreizten Zehen, aus. Die
Sehnen aber liegen, so weit sie auf diese Weise an einander geheftet sind,
unmittelbar nebeneinander unter dem lateralwärts äussersten Fache des Lig.
cruciatum; sie berühren einander entweder mit planen verticalen Seiten-
flächen, oder sie sind so in einander gefügt, dass jede in eine Rinne des me-
dialen Randes den entsprechend gewölbten lateralen Rand der nächsten auf-
nimmt.
Ein Schleimbeutel !), der die innere Fläche des Lig. eruciatum und die
äussere Fläche der Strecksehnen nebst der Sehne des M. peroneus tertius
bekleidet, erstreckt sich nach oben bis unter das Lig. transversum und auf
dem Fussrücken über das vordere Sprungbeingelenk hinaus, wo er breit in
einer einfach transversalen Linie endet. Ein Schleimbeutel von geringeren
Dimensionen liegt zwischen den Strecksehnen und der Kapsel des Knöchel-
gelenkes.
Var. Meckel (Archiv. Bd. V. S. 117) berichtet von einem Extens. dig. long.,
dessen für die vierte Zehe bestimmter Bauch von den übrigen getrennt war und
in vier Sehnen endete, die sich an den Mittelfussknochen und die drei Phalangen
ansetzten. Ich sah den M. extens. dig. long. hoch oben eine lange Sehne zum
Extensor hallucis long. abgeben.
4. M. peroneus tertius Pet?)
A Peron tert: Die Reihe seiner Muskelfasern entspringt längs des unteren Drittels der
Fibula vom Lig. intermusculare fibulare, von der medialen Fläche der Fibulaund
dem Lig. interosseum. Die letzten Fasern erreichen die Insertionssehne in der Ge-
gend des Würfelgelenkes. Diese Sehne gehtmit den Sehnen des M. extens. digit.
long. und von demselben Schleimbeutel überzogen unter dem Lig. eruciatum
hinweg lateral-ab- und vorwärts und befestigt sich ausgebreitet längs des
Gelenkes zwischen dem fünften und vierten Mittelfussknochen an die Basis
des fünften, zuweilen auch des vierten (Fig. 143. 144).
') Bursa ewtensoris digitorum comm. Monro.
) Dritter Wadenbeinmuskel. Peronier anterieur. Petit peronier.
Peroneus longus. 279
Var. Der M.peroneus tertius kann mit dem M. extensor dig. longus und na-
mentlich mit den Fasern, die an die Strecksehne der fünften Zehe treten, untrennbar
verwachsen. Doch ist dies viel seltener, als man nach den Angaben so vieler Au-
toren glauben sollte, die den M. peroneus tertius geradezu als einen Theil des Ex-
tensor beschreiben. Die Bündel des Einen und anderen liegen sehr genau anein-
‚ander und haben keine stärkeren Bindegewebslagen zwischen sich, als die Bündel
Eines Muskelbauches, doch lassen sie sich mit einiger Sorgfalt meistens bis zu den
Ursprüngen vollständig sondern. Fehlt zuweilen. Sendet eine feine Sehne zur
Strecksehne der fünften oder vierten Zehe oder zum vierten M. interosseus dorsalis.
8. Fibulare Muskeln.
Zwei Muskeln, Peroneus long. und Örevis1), welche, der kürzere am Ur-
sprunge von dem längeren scheidenartig umfasst, die laterale Fläche der
Fibula deeken und mit ihren Sehnen in der Rinne des lateralen Knöchels
und weiter über dem Lig. calcaneofibulare (Bdl. Fig. 147) zum Russrande
und zur Fusssohle herabgehen. Die Fascie, die sie umschliesst, verstärkt
sich über der Rinne des Knöchels durch eine mächtige Querfaserschichte
zum Refinaculum peroneorum superius?) (Fig.144). Oberhalb seines
oberen Randes beginnt eine Schleimscheide 3), welche den Canal, den die
Sehnen durchziehen, auskleidet, jeder Sehne einen besonderen Ueberzug giebt
und jede durch eine Art Mesenterium mit der Wand des Canals verbindet.
Ab- und vorwärts setzt sich dieser Canal in zwei Canäle fort, die zu beiden
Seiten eines fibrösen Septum liegen, welches sich zwischen beide Sehnen
einschiebt. Das Septum ist am hinteren Rande, mit welchem es in den ein-
fachen Canal schaut, frei, scharf, concav, mit gefässreichen Synovialzotten
besetzt; mit dem unteren Rande haftet es an dem Vorsprunge des Calcaneus,
der die Knochenrinne für den M. peroneus br. von unten her, die Rinne für
den M. peroneus longus von oben her begrenzt (Knl. S. 271), und ist ge-
wissermaassen die Fortsetzung jenes Vorsprungs; mit dem oberen Rande
setzt es sich an die Innenfläche eines schlingen- oder schleuderförmigen
Bandes von gleicher Structur, Relinaculum peroneorum inferius ın.,
welches, vom Calcaneus ausgehend und um die Sehnen der Peronei herum
zum Caleaneus zurückehrend, innen an den M. extensor dig. br. sich an-
lehnt, aussen an die Fascie angewachsen ist (Fig. 144,153). Mit den Sehnen
geht die Schleimscheide, entsprechend getheilt, in die beiden vom Retinac.
peron. inf. umschlossenen Fächer über und endet in beiden blind in der
Nähe des Würfelbeingelenkes.
Ihre Nervenäste erhalten beide Mm. peronei hoch oben von dem zwischen
beiden Köpfen des M. peroneus long. gelegenen Theil des N. peroneus
superfieialis.
1. M. peroneus longus Pel®).
Der Muskel besteht aus zwei platten, mit dem längsten Durchmesser
vertical gestellten und unter einem spitzen Winkel convergirenden Köpfen,
1) Fibulaei. Wadenbeinmuskeln. Peroniers laterauw.
2) Retinaculum tendinum peroneorum aut. Ligament. annulare ext. s. laciniat. ewt,
3) Bursa peronea communis.
") M. p. primus s. posticus.
P. Fibulare
Muskeln.
1. Peron.
long.
280
Peroneus longus.
welche mit der Fibula einen dreiseitig prismatischen Raum umschliessen, in
dem der N. peroneus superfic. herabläuft (Fig. 144).
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odunıdsın we (277) steguepd "Waoppun (7099) snımounoases "W sop Jdoy] ofeıaye] AacT "OydRıg ofwıoyer “ssng pun [oyuoyosıoyun
Der vordere Kopf) entspringt sehnig vom oberen Ende der Tibia un-
mittelbar vor dem oberen Tibiofibulargelenke und von dem Köpfchen der
!) Caput sup. Oberer oder äusserer Kopf Theile.
Peroneus brevis. 281
Fibula, dann fleischig, zugleich mit Fasern des M. extensor dig. comm., von
dem Lig. intermusculare fibulare, zunächst also von dem Sehnenbogen, mit
welchem dies Ligament sich über den N. peroneus profund. hinwegschlägt
und weiter hinab bis zum unteren Ende des oberen Drittels der Fibula.
Der hintere Kopf!) beginnt etwas tiefer am hinteren Rande und auf
der hinteren Fläche der Fibula und reicht weiter herab bis an das untere
Drittel der Fibula.
Die Insertionssehne, gegen welche die schräg und ziemlich steil ab-
steigenden Fasern beider Köpfe convergiren, wird an der inneren Seite des
Muskels hoch oben sichtbar, zuerst am vorderen, dann am hinteren Rande
frei und liegt platt, mit scharfen Rändern, auf der Sehne des M, pero-
neus br. Nachdem sie in der beschriebenen Weise die beiden Retinacula
passirt hat, wendet sie sich zur Fusssohle in der Rinne des Würfelbeins, in
welchersiedurch die oberflächlichste Schichte des Lig. calcaneo-euboid. plantare
Bdl. S. 175) festgehalten und von einer zweiten Schleimscheide ?) umschlossen
wird. Sie befestigt sich, etwas ausgebreitet, an einen Höcker der Basis des
ersten Mittelfussknochens, zuweilen auch an das erste Keilbein und an die
Basis des zweiten Mittelfussknochens und sendet meistens ein Fascikel zum
ersten M. interosseus dorsalis (Bdl. Fig. 148. 152. 153).
In der Rinne des Würfelbeins ist die Sehne des M. peroneus longus
breiter, von festerer Consistenz, und daher steifer und der Form des Knochens
entsprechend in der Richtung der Längsaxe etwas ausgehöhlt. Der Oberfläche,
die in die Höhle des Schleimbeutels sieht, zunächst liegt eine Bindegewebs-
schichte, die sich durch Reichthum an elastischen Fasern und eingestreute
Knorpelzellen auszeichnet. Durch die ganze Dicke der Sehne wechseln die
longitudinalen Bindegewebsbündel mit Schichten transversaler, vielleicht
kreisförmiger Bündel ab.
Aehnliche härtere, knorpelartige Stellen sollen zuweilen auch an den in der
Rinne des Knöchels und des Fersenbeins gleitenden Theilen der Sehne vor-
kommen (Meckel). 5
Ein kleinerer Muskel entspringt oben an der Fibula zwischen M. peroneus
long. und br. und vereinigt seine Sehne weit unten mit der des M. peron. long.
(Meckel).
2. M. peroneus brevis Peb 3).
Entspringt vom Lig. intermusculare fibulare in der Fortsetzung des
M. peron. longus und von der ganzen Aussenfläche der Fibula, mit einer
Spitze zwischen die beiden Köpfe des M. peron. long. hinaufragend (Fig. 144).
Oft nimmt ein Theil der Fasern seinen Ursprung, statt vom Knochen,
von einer platten Sehne, die an der dem Knochen zugekehrten Fläche des
Muskels herabläuft. Solche Fasern gehen schräg ab- und rückwärts durch
die Dicke des Muskels zu der Insertionssehne, die auf dessen äusserer Fläche
liegt, die Sehne des M. peroneus long., von der sie bedeckt wird, nach hin-
1) Caput inferius s. poslicum Theile.
2) Bursa peronei longis Monro.
3) M. p. anticus s. secundus s. medius. M. semifibularis. Moyen peronier.
2. Peron.
brevis.
282 Hintere Unterschenkelmuskeln.
ten überragend. Unter dem Retinaculum sup. hervorgetreten, biegt sie fast
im rechten Winkel vorwärts um. Sie inserirt sich an der Tuberosität des
fünften Mittelfussknochens und sendet fast beständig vom oberen Rande ein
schmales Bündel gerade vorwärts zum lateralen Rande der Sehne des fünften
Fingers vom M. extensor dig. long. (Fig. 144 Peb‘).
Var. Statt an die Strecksehne des fünften Fingers geht dieses Sehnenbündel
zuweilen zum vierten M. inteross. dors. Ich sah statt desselben einen Muskel von
der Sehne des M. peroneus br. ausgehen, der seine Sehne zur Strecksehne der
fünften Zehe sandte.
Sehr häufig vermehrt sich die Zahl der Peronei. Der überzählige, von variabler
Grösse, liegt hinter dem M. peroneus br., entspringt weiter unten von der Fibula
oder von der Fascie der tiefen Beugemuskeln und inserirt sich an das Fersenbein, ge-
wöhnlich an den Vorsprung, von welchem die Scheidewand des Retinaculum inf.
ausgeht. Ein solcher Muskel kann die Stelle des ächten Peroneus br. vertreten.
Aber auch zwei überzählige Peronei kommen neben dem Peroneus br. vor. In
einem solchen Falle verhielt sich der zweite überzählige Peroneus wie ein Spann-
muskel der unteren Ursprungssehne des M. peroneus br. Diese Sehne, von
. welcher die untersten Fasern des M. peron. br. entspringen, war nämlich mit dem
unteren Ende an die Fibula angeheftet. Zu ihr trat ein 1%“ langer, 3‘ breiter,
dünner Muskel, welcher am Fersenbein über dem Retinaculum inf. entsprang Es
ist derselbe, welchen Linhart (österr. med. Wochenschr. 1846, S. 14) abgebildet
und Tensor membranae synovialis tarsi genannt hat. Mit der Synovialmembran
hat er, auch nach Linhart’s Beschreibung, nichts zu thun. Auch kann es nur
einem Zufall zugeschrieben werden, dass alle von Linhart untersuchten Extremi-
täten diesen Muskel besassen. :
y. Hintere Unterschenkelmuskeln.
y. Hintere Die Muskeln an der hinteren Fläche des Unterschenkels liegen in zwei
Unterschen Schichten, von einander geschieden durch eine starke, über die tiefe Schichte
von der Tibia zur Fibula ausgespannte Faseie. Die tiefe Schichte erfüllt
die Rinne zwischen den Unterschenkelknochen, die oberflächliche bedingt
den mächtigen und breiten, das Bein des Menschen auszeichnenden Wulst,
den man die Wade nennt.
Die tiefen Muskeln entspringen am Unterschenkel und enden, indem
sie hinter dem medialen Knöchel herablaufen, an den Mittelfussknochen und
Zehen. Die oberflächlichen Muskeln entspringen am unteren Ende des
Schenkelbeines und inseriren sich an die Ferse. Streng genommen gelten
beide Bestimmungen nur für die oberflächlichste Lage der oberflächlichen
Muskeln, und für die tiefere Lager derselben muss der Eine oder andere jener
Charaktere, der Ursprung am Schenkelbeine oder die Insertion an die hintere
Fläche des Fersenbeines genügen. Indessen ist es durch eine grosse Zahl
von Analogien gerechtfertigt, die beiden Muskeln, von welchen der Eine
(M. popliteus) seine Insertion, der andere (M. soleus) seinen Ursprung am
oberen Ende der Tibia hat, zusammen als Wiederholung eines einzigen,
über die Tibia hinwegsetzenden Muskels (des G@astroenemius) zu be-
trachten.
Am medialen Condylus des Schenkelbeines entsteht die oberflächliche
Schichte oder die Schichte der Wadenmuskeln einfach als medialer Kopf des
Hintere Unterschenkelmuskeln. 283
M. gastroenemius; am lateralen Condylus dagegen entsteht sie in dreifacher
Uebereinanderlagerung, zu äusserst der laterale Kopf des M. gastroenemius,
darunter, den Gastroenemius aufwärts überragend, der M. plantaris und
noch weiter nach innen der M. popliteus. Diese drei Lagen halten dem
medialen Kopfe des Gastroenemius das Gleichgewicht. Deswegen ist der
mediale Kopf dieses Muskels mächtiger und höher am Schenkelbeine ange-
heftet, als der laterale Kopf. Beide Köpfe des M. gastroenemius begrenzen
nebst dem Bauch des M. plantaris von unten her die Kniekehle oder
Kniebeuge, Fossa poplitea. Indem sie abwärts unter einem spitzen Winkel
eonvergiren, ziemlich gleich dem Winkel, unter welchem oberhalb des Knie-
gelenkes die Beugemuskeln, M. biceps einerseits und M. semitendinosus und
semimembranosus andererseits divergiren, umschliessen sie eine fast regel-
mässig rautenförmige, mit der längsten Diagonale vertical gestellte Ver-
tiefung mit wulstigen Rändern, von welchen die oberen die unteren umfassen.
Der verticalen Diagonale entsprechend, steigen in dieser Vertiefung die
Vasa poplitea nebst dem N. tibialis hinab zum Unterschenkel, indess eine
lockere Fettmasse den übrigen Raum zwischen der Fascie und der Gelenk-
kapsel einnimmt.
Die Köpfe des M. gastrocnemius gehen in der halben Höhe des Unter-
schenkels in eine platte Sehne über; der M. plantaris endet hoch oben in
eine schmale Sehne, die nach langem, schrägem Verlauf in der Gegend des
medialen Randes des Fersenbeines sich ansetzt. Der M. popliteus endlich
macht, wie erwähnt, schon am oberen Ende der Tibia Halt und wird fort-
gesetzt vom M. soleus, der ausserdem noch von den äussersten Rändern der
Tibia und Fibula Ursprünge aufnimmt. Im weiteren Verlaufe verschieben
sich die Lagen: die Sehne des M. soleus und gastrocnemius vereinigen sich, und
die Sehne des Plantaris, die anfangs zwischen beiden lag, kommt medianwärts
neben sie zu liegen. Aus diesem Grunde muss bei der Darstellung der
Wadenmuskeln von einer Aufzählung nach Schichten abstrahirt, es müssen
Theile der oberflächlichsten und tiefsten zuEinem dreiköpfigen Muskel, dem
M. triceps surae, vereinigt werden. Mit ihm verschmilztnnicht selten schliess-
lich auch noch die Sehne des M. plantaris.
Die tiefe Schichte enthält drei lange Muskeln, den M. flexor dig. p. longus,
tibialis postieus und flexor hallueis long., die in der Ordnung, wie sie hier
aufgezählt sind, vom medialen zum lateralen Rande des Unterschenkels
einander folgen. Da aber am Fusse die Sehnen des M. tibialis post. und
flexor hallucis longus dem Grosszehenrande zunächst liegen und dagegen
die Sehne des Flexor dig. longus bis zum Kleinzehenrand sich erstreckt,
so muss eine Kreuzung der Sehne des Flexor dig. ]. zunächst mit der
Sehne des Tibialis, dann des Flexor hallueis 1. stattfinden. Die Kreuzung
mit der Sehue des M. tibialis post erfolgt unter einem sehr spitzen Winkel
schon in der Rinne des medialen Knöchels, in welcher beide Sehnen, unter
einem gemeinsamen Retinaculum, aber in zwei besonderen, von einer fibrö-
sen Scheidewand getrennten Fächern herabgleiten. Die Kreuzung der
Sehnen des M. flexor dig. l. undfl. hallueis 1. erfolgt in der Fusssohle. Dabei
nimmt jedesmal die Sehne des Flexor dig. long. die oberflächlichste, am
Knöchel also die hinterste, in der Fusssohle die unterste Stelle ein.
284 Hintere Unterschenkelmuskeln.
Die Nervenäste aller Muskeln der hinteren Fläche des Unterschenkels
werden vom N. tibialis abgegeben.
r
Fig. 145.
Wadenmuskeln, Fig. 145 oberflächliche, Fig. 146 tiefe Schichte, von hinten. Bfb kurzer
Kopf des M. biceps fem., am Ursprunge abgeschnitten, Bf} Insertionssehne desselben.
Sm Insertionssehne des M. semimembran. TA Achillessehne. PP Fibulare Muskeln.
FF tiefe Beugemuskeln.
Triceps surae. 285
I. Oberflächlicbe Muskeln.
1. M. trieeps surae').
Die oberflächliche, vom Schenkelbeine stammende Lage, M. gastrocne-
mius 2), setzt sich aus zwei Köpfenvon ziemlich gleicher Gestalt in symmetrischer
Weise zusammen. Jeder Kopf ist platt, birnförmig, das spitze, dem Ursprunge
entsprechende Ende aufwärts und gegen den Rand des Beines, das abgerundete
Ende abwärts und gegen die Mitte des Beines gekehrt. Jeder Kopf ent-
springt am Epicondylus seiner Seite mit einer verhältnissmässig schmalen,
mächtigen Sehne, die sich wulstig am äusseren Rande des Muskels eine
Strecke weit herabzieht; das untere abgerundete Ende der Köpfe liegt etwa
in der Mitte der Höhe des Unterschenkels; die Fleischbündel gehen schräg
und von beiden Köpfen her abwärts convergirend zu dessen hinterer
Mittellinie.
Der mediale Kopf des M. gastroenemius (Fig. 145 @am) ist aber, wie er-
wähnt, stärker alsder laterale (@«l), reicht am Ursprung weiter hinaufund an
der Insertion etwas weiter hinab. Sein Ursprung beschränkt sich nicht, wie der
des lateralen Kopfes, aufden Epicondylus, sondern dehnt sich auf das Planum
popliteum aus: von einem Höcker oder einer rauhen Linie oberhalb des Con-
dylus entspringt, unzertrennlich mit der -Kapselmembran verbunden, ein
zweiter, platter Zipfel, der sich unter spitzem Winkel mit der Sehne vom
Epieondylus vereinigt und in Verbindung mit dieser eine dünnere, innen reich-
lich von Synovialzotten bedeckte Stelle dem Kapsel umschliesst. Doch ist
nicht selten auch der laterale Kopf am Ursprunge breiter dadurch, dass er
sich auf einen Sehnenbogen fortsetzt, der vom Epicondylus hinter dem Bauche
des M. plantaris aufwärts zum Planum popliteum geht.
Die Insertionssehne des M. gastrocnemius ist oben breit, so dass sie
das abgerundete Ende der Köpfe jederseits mit einem feinen Saum überragt;
sie ist auch noch unterhalb der fleischigen Köpfe membranartig, scharfrandig,
durch Anheftung an die Fascie ausgespannt und wird erst allmälig gegen
die Insertion an das Fersenbein schmaler und zugleich mächtiger, mehr strang-
förmig. Zwischen den einander zugewandten Rändern beider Köpfe bleibt
auf der hinteren Fläche des Muskels fast in der Mittellinie des Unter-
schenkels ein schmaler, verticaler Streifen frei, der aber in der Regel erst
sichtbar wird, wenn man mit dem Messer das Bindegewebe getrennt hat,
welches die beiden Köpfe über (hinter) dem Sehnenstreifen aneinanderzieht
und befestigt. Oft ist dieser Sehnenstreifen in kürzerer oder längerer Strecke
wirklich röhrenförmig und schliesst einen Hautast des N. tibialis mit oder
ohne begleitende Gefässzweige ein. Auf der Vorderfläche des Muskels enden
die Muskelbündel des medialen Kopfes nahe am Rande; die Bündel des la-
teralen Kopfes gehen über die durch jenen verticalen Streifen der hinteren
Fläche angedeutete Mittellinie hinaus. Die Sehne, so weit sie membran-
artig ist, lässt dreierlei Faserzüge erkennen, verticale und gekreuzte schräge,
2) Mm. surales. M. exiensor pedis Theile Wadenmuskel.
2) M. gastrocnemius externus. Mm. gemelli. Jumeaux.
I. Oberfl.
1. Triceps
surae.
Gastroene-
mius.
Soleus.
256 Trieeps surae.
in der Flucht und Fortsetzung der Muskelbündel; die dem lateralen Kopfe
entsprechenden, medianwärts absteigenden liegen der vorderen Oberfläche
zunächst, hinter ihnen folgen die lateralwärts absteigenden und zu hinterst
die verticalen.
Die tiefe Lage des M.triceps surae, der M. soleus 1), hat einen compli-
cirten Bau, der eine Zusammensetzung aus zwei Köpfen, ähnlich dem Gastrocne-
mius, andeutet. Die Muskelbündel entspringen, ausser direct vom Knochen,
von zwei Sehnen, die längs der Seitenränder des Muskels herablaufen; zur
Insertion dagegen dient den Muskelbündeln eine einzige Sehne, die sich vom
Fersenbeine aufwärts fast über die ganze hintere Oberfläche des Muskels er-
streckt (Fig. 146), von der aber an der Vorderfläche des letzteren nur ein
schmaler, verticaler Streifen (Fig. 147 *) mitten zwischen beiden Ursprungs-
sehnen sich sichtbar erhält.
Der laterale Kopf (Fig. 147 5‘) entsteht vom: Köpfchen der Fibula und
gewöhnlich auch mit ein paar Fasern, unter welchen der N. peroneus durch-
geht, von der Aussenfläche des M. peroneus long., sodann vom oberen Drittel
der lateralen Kante der Fibula. Vom Köpfchen der Fibula kommt zugleich
mit den Muskelfasern und an deren vorderer Fläche ein platter Sehnen-
strang (**), welcher schräg abwärts zum medialen Kopfe zieht und mit den
verticalen Fasern desselben sich mischt; es ist ein Sehnenbogen, der mit dem
oberen, scharfen und freien Rande die Lücke zum Durchtritte der Haupt-
gefässstämme des Unterschenkels und des N. tibialis begrenzt, während den
unteren Rand Ursprünge verticaler Muskelbündel bedecken. Mit den
untersten Muskelbündeln des lateralen Kopfes kommt, ebenfalls an deren
vorderer Fläche, von der Fibula die laterale Ursprungssehne (l), die einige
Zoll oberhalb des Knöchels ihr Ende erreicht. Der Ursprung des medialen
Kopfes nimmt die Linea poplitea und den unteren Rand der Fascie des M.
popliteus und weiter abwärts die mediale Kante der Tibia bis etwa zur Mitte
der Höhe dieses Knochens ein; die entsprechende Ursprungssehne (m) liegt
breit auf der Vorderfläche des Muskelbauches und reicht weiter als die la-
terale, fast bis zum Knöchel herab. Von jeder dieser Sehnen gehen nach
zwei Seiten, unter spitzem Winkel divergirend, Muskelbündel abwärts aus:
die Eine Reihe, nach innen, gegen die Mitte des Muskels, auf dessen Vor-
derfläche von beiden Seiten her an der mittleren Insertionssehne fiederförmig
zusammentreflfend; die andere Reihe, nach aussen und zur Rückseite des
Muskels, um an den Rand der breiten sehnigen Ausbreitung, die die Rücken-
fläche deckt, sich anzulegen. Die Fasern der letzteren Art legen beiderseits
noch eine kurze Strecke ihres Weges auf der vorderen Fläche des Muskels
zurück und biegen dann scharf um auf die Rückseite, so dass diese Um-
biegungsstelle dem Rande des Muskels entspricht; in dieser Lage werden
sie durch die Anheftung des Randes an die Fascie erhalten. Nach unten
endet diese doppelte Reihe von Ursprüngen in einer einfachen Spitze jeder-
seits, unterhalb welcher also auch der Seitenrand der Insertionssehne frei
wird, der mediale weiter unten als der laterale.
Das Muskelfleisch des Soleus ragt im unteren Theile des Unterschenkels
zu beiden Seiten neben der Sehne des Gastroenemius vor, indess diese Sehne
») M. gastroenemius int. Sohlenmuskel oder (richtiger) Schollenmuskel. Soleaire,
Triceps surae. 287
und die hintere sehnige Fläche des Soleus erst locker, und, je weiter ab-
wärts, um so fester mit einander verwachsen. Die Sehnenfasern beider Köpfe
Fig. 147.
TR
“©.
Unterschenkel und Fuss, mediale Fläche, der Fuss mit dem medialen Rande aufwärts ge-
bogen. Der M. soleus am medialen Kopf (8) und an der Achillessehne (7’A) abgeschnitten
und rückwärts umgelest. Fd! M. flex. dig. long. Tp M. tibialis post. #hl M. flexor hal-
lueis long. Ta Sehne des M. tibialis ant. Abh, Abg M. abd. hall. und dig. quinti, Fdb
M. flexor dig. brevis.
sind zuletzt untrennbar verschmolzen in dem bereits erwähnten mächtigen
Strange, mittelst dessen sich die ganze Muskelmasse an das Fersenbein befestigt.
Dieser Strang, die Achillessehne, T’endo Achillis, hat die Breite der
Tendo
Achillis.
288 Plantaris.
hinteren FlächedesFersenbeins und geht längs derselben herunter bis zum unte-
ren Rande des Knochens, an welchen er sich ansetzt. Zwischen der vorderen
Fläche der Achillessehne und der hinteren Fläche des Fersenbeins findet sich ein
Schleimbeutel D), der alle Charaktere einer Synovialmembran hat, die gefäss- und
fetthaltigen Synovialzotten nicht ausgenommen, die sich vom Umfange aus in die
Höhle erstrecken. Das Fersenbein ist mit einer etwa 2 Mm. mächtigen Schichte
eines elastischen Faserknorpels bedeckt; die Sehne trägt zunächst der inneren
Oberfläche eine feinfaserige, knorpelzellenhaltige Schichte von 0,1 Mm. Mächtig-
keit. Nach oben ist die Höhle nur durch eine feine Membran verschlossen ;
dahin kann die Synovia, die in nicht geringer Menge in der Höhle enthalten
ist, ausweichen, wenn die Selnen- und Knochenflächen aneinandergepresst
werden; sie fliesst dagegen in die Höhle zurück, wenn, bei der Erhebung
der Ferse, die beiden Flächen auseinander weichen.
Der Schleimbeutel, welcher den Ursprung des medialen Kopfes des
M. gastrocnemius zugleich mit der Insertion des M. semimembranosus um-
fasst, ist in der Bdl. S. 141 beschrieben.
Var. Ich sah den medialen Kopf an einem Sehnenbogen entspringen, der vom
Epicondylus über die Vasa poplitea hinweg zur Mitte des Planum popliteum ge-
spannt war. Dreiköpfige Gastroenemii kommen in verschiedenen Formen vor.
Kelch (8.42) beschreibt als Varietät des Biceps femoris einen Muskel, der vom
inneren Rande des langen Kopfes des M. biceps über die Kniekehle und hinter
den Wadenmuskeln herab zur Achillessehne verlief. Nicht selten fliesst mit dem
einen oder andern der normalen Köpfe des Gastroenemius ein schmalerer Muskel-
bauch, der über oder neben ihm entspringt, zusammen. Einmal beobachtete ich
einen dritten Kopf des Gastrocnemius, der zwischen beiden normalen, dem medialen
etwas näher und höher, in einer verticalen Linie platt entsprang und abwärts zu-
gespitzt eine eylindrische Sehne abgab, welche geradezu auf den schmalen
sehnigen Streifen zwischen beiden Muskelbäuchen traf. Auch aus der Fascie des
Unterschenkels scheint ein dritter Kopf des Gastrocnemius seinen Ursprung
nehmen zu können (Meckel, S. 586). Ein dünner, überzähliger Soleus liegt vor
dem normalen, mit gleichen Anheftungen (Cruveilhier).
Die sogenannten Sesambeine, von welöhen angegeben wird, dass sie sich in dem
Ursprung des lateralen, seltener des medialen Kopfes des M. gastrocn&mius finden
(Theile, S. 347. Hyrtl, S. 394), sind pathologische Verknöcherungen, wie sie auch
sonst inMuskeln vorkommen, die einer bedeutenden Reibung ausgesetzt sind (mM. del-
toideus als Exereirknochen, in der medialen Portion des M. vastus bei Reitern u. s. w.).
Physiol. Be- Vermöge des schrägen Verlaufes der Muskelbündel des Gastroenemius wird
merk. durch die Contraction derselben die Wade nicht nur verkürzt, sondern auch in die
Breite gespannt und abgeplattet. Der N. cutaneus tibialis, welcher in den mittleren
Sehnenstreilen des M. gastrocnemius eingeschlossen oder doch genau auf demselben
befestigt ist, zuweilen auch zwischen Bündeln des oberen Randes des lateralen
Kopfes durchgeht, muss dabei einen Druck erfahren, der die besondere Schmerz-
haftigkeit der Wadenkrämpfe begreiflich macht.
2. M. plantaris Pla?).
2. Plantarie. Der kurze und platte, abwärts sich zuspitzende Bauch dieses Muskels
entspringt von einer rauhen Linie des Planum popliteum über dem lateralen
Condylus, von dem diesen Condylus bedeckenden Theile der Kniegelenk-
1) Bursa calcanea Monro.
2) Langer oder dünner Sohlenmuskel.
Popliteus. 289
kapsel und von der inneren Fläche der Ursprungssehne des Gastrocnemius.
Nicht selten greift er mit einzelnen Fasern über den oberen Rand des M.
gastrocnemius über auf den lateralen Epicondylus, ist aber auch zuweilen
auf den Ursprung von der Gelenkkapsel reducirt. In der Gegend, wo die
beiden Köpfe des M. gastrocnemius zusammenstossen, geht der Bauch des
Plantaris in die schmale, platte, zuweilen fast membranöse Sehne über, die
zwischen beiden Schichten der Wadenmuskeln schräg herabläuft, um an den
medialen Rand der Achillessehne zu gelangen. Meistens ruht sie auf die-
sem Wege fest eingeschlossen in einem Falz, welchen die bis in die Nähe
des Randes verwachsenen Sehnen des M. gastroenemius und soleus offen
lassen; doch kommt sie mitunter auch frei neben dem Gastrocnemius auf
den Soleus zu liegen.
* In der Nähe des Fersenbeins schliesst sich die Sehne des Plantaris ge-
nau an die Achillessehne an und endet in verschiedener Weise. Sie ver-
schmilzt mit der Achillessehne, indem sie sich um die hintere Fläche der-
selben ausbreitet, oder setzt-sich gesondert hinter der Achillessehne an die
hintere oder an die mediale Fläche des Fersenbeins, oder sie strahlt vor der
Achillessehne in die Fascie aus, die die tiefen Beugemuskeln bedeckt, und
in das Fettgewebe, welches den Raum zwischen der Achillessehne und den
Kapseln des Knöchel- und hinteren Sprungbeingelenkes erfüllt.
Var. Der M. plantaris fehlt häufig. Er entspringt von der Fascie des M.
popliteus (Hyrtl) oder am Unterschenkel von der Fibula zwischen dem M. pero-
neus long. und flexor hall. long. Er erhält einen zweiten Kopf von einer höheren
Stelle des Planum popliteum (Hall. Literaturztg. 1808, Bd. II, p. 204) oder von der
Kniegelenkkapsel in der Nähe des medialen Condylus.
Bei der grossen Unbeständigkeit der Insertionen dieses Muskels ist es schwer Physiol. Be-
zu sagen, welche Absichten die Natur mit der Anlage desselben verbunden habe. merkung.
Sicherer ist die morphologische Deutung. Er ist ein Analogon des M. palmaris
der oberen Extremität, durch die besondere Entwickelung des Fersenhöckers von
der Plantarfascie abgedrängt und nun veranlasst, sich einen Anheftungspunkt zu
suchen, welcher einigermaassen vom Zufall bestimmt wird. Findet die Anheftung
am Fersenbein Statt, so beschränkt sich die Wirkung des Muskels darauf (da von
der Unterstützung, die der M. triceps surae erhält, wohl kaum die Rede sein kann),
die Kapsel des Kniegelenkes zu spannen; breitetsich dagegen die Sehne des Plan-
taris in der Tiefe aus, so leistet er der Kapsel des Knöchelgelenkes den gleichen
Dienst. An beiden Stellen ist er, wie die Erfahrung lehrt, entbehrlich.
3. M. popliteus PoN)).
Wenn wir auch bei der morphologischen Betrachtung dieses Muskels 3 poptiteus
sein oberes Ende Ursprung, sein unteres Ende Insertion nannten, so ist es
doch für die Beschreibung, wie für das V-erständniss der Function bequemer,
den Ursprung des Muskels auf die Tibia zu setzen. Er nimmt die zwischen
dem Margo infraglenoidalis, der Linea poplitea und der medialen Kante ein- 5
geschlossene dreiseitige Fläche dieses Knochens ein und erhält Zuwachs
von der Innenfläche seiner Fascie, die aus schräg lateralwärts aufsteigenden
und aus verticalen Fasern, Fortsetzungen der Sehnenfasern des M. semi-
membranosus, zusammengesetzt ist. Seine mit geringer Convergenz lateral-
!) M. subpopliteus. Kniekehlenmuskel.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 19
290 Flexor digit. p. longus.
aufsteigenden Fasern befestigen sich, die unteren sehnig an den lateralen
Epicondylus, die oberen unmittelbar fleischig an das Lig. popliteum arcuat.
(Bdl. Fig. 127).
Wegen der Bursa synovialis poplitea, die sich regelmässig in die Knie-
gelenkkapsel öffnet, vergl. Bdl. p. 140.
Physiol. Be- Der Antheil dieses Muskels an der Spannung der Kniegelenkkapsel 'wurde
merkung. schon in der"Bänderlehre erläutert. Dass er bei der Beugung des Kniees oder
bei der Rotation des Unterschenkels von besonderem Einfluss sei, lässt sich bei
der Masse der ausserdem zu diesen Bewegungen verfügbaren Kräfte nicht wohl
annehmen.
II. Tiefe Muskeln.
1. M. flexor digitorum pedis longus F'AIN.
II. Tiefe M. Beginnt breit an der hinteren Fläche der Tibia genau unter dem Ur-
"ns 8‘ sprunge desM. soleus, zieht sich aber weiter abwärts allmälig auf eine Längs-
h reihe platter Bündel zusammen, welche bis an das untere Viertel der Tibia
ihren Ursprung von der Crista interossea nehmen. Die Insertionssehne er-
scheint schon hoch oben an der hinteren Kante des Muskels; in gleicher
Höhe entspringt eine andere, dünne Sehne mit den Muskelfasern dicht an
der Crista interossea und geht in einem langen, aufwärts concaven Bogen
über die hintere Fläche des M. tibialis post. hinab, um sich an die Sehne
dieses Muskels oder an die Tibia unter den untersten Ursprungsfasern des
M. tibialis posticus festzusetzen (Fig. 148 Fdl). Muskelbündel, welche von
diesem Sehnenbogen abwärts gehen, reihen sich unmittelbar an die Knochen-
ursprünge des M. flexor dig. an und treten der Reihe nach an dessen platte
Insertionssehne, die letzten über der Rinne des Knöchels. In dieser Rinne
nimmt die Sehne ihre Stelle lateralwärts neben der Sehne des M. tibialis
posticus, von einer besonderen fibrösen Scheide festgehalten und von einer
Schleimscheide umschlossen, welche oberhalb des Knöchels beginnt und bis
unter das Schiffbein reicht. In der Fusssohle erhält die Sehne einen zweiten
Kopf, den ich, zugleich mit dem weiteren Verlaufe derselben, bei den Mus-
keln des Fusses beschreibe.
Var. Nicht selten stösst zum M. flexor dig. long. ein zweiter Kopf, welcher am
Unterschenkel und zwar an der Fibula entspringt und den normalen zweiten Kopf
aus der Fusssohle ersetzt, oder sich mit dessen Sehne oder mit der Sehne des
langen Kopfes verbindet (Otto, Seltene Beob., p. 40; Hall. Literaturztg. a. a. O.;
Meckel, dessen Archiv Bd. IV, p. 480; Reinhardt, Müll. Arch. 1846, p. 298).
Einmal sah ich einen platten und dünnen Muskel, der mit einer langen Sehne in
u den Fusssohlenkopf des M. flex. dig. long. endete, von der hinteren Kante der
Tibia ganz oberflächlich entspringen und aussen auf der Fascie der tiefen Beuge-
muskeln herabgehen; eine ähnliche Sehne sah ich aus einem zweiköpfigen Muskel
hervorgehen, dessen beide Köpfe, spitzwinklig convergirend, ihren Ursprung von
der äusseren Fläche der tiefen Unterschenkelfascie, etwa im unteren Drittel des
Unterschenkels, nahmen.
V) M. flexor digitorum communis long s. perforans s. profundus.
Tibialis posticus.
2. M. tibialis posticus Tp 1),
Fig. 148.
2
Jl
Unterschenkel und Fuss, mediale Fläche. Vergl. p. 287. '
DM. tibiaeus post. s. nautieus. Schwimmmuskel Theile.
291
Von den Mus-
keln der tiefen
Schichte reicht der
Tibialis post. am
weitesten hinauf,
bis unter den Rand
des M. popliteus;
seine obersten Fa-
sern kommen hier
aus der Tiefe von
der lateralen Flä-
che der Tibia, von
der Kapsel des
oberen Tibiofibu-
largelenkes und
dem zunächst an-
srenzenden Theile
der Fibula und von
dem scharfen Ran-
de des Lig. inter-
osseum, der von
_ unten her die
Lücke zum Durch-
tritt der Vasa ti-
bialia anteriora
schliesst(Fig.148).
Weiterabwärts zie-
hen sich die Ur-
sprünge von der
Tibia auf das Lig.
interosseum und
allmälig bis auf
den Fibularrand
dieses Bandes zu-
rück; auf der Fi-
bula, von welcher
sie in der oberen
Hälfte die mediale
Fläche einnehmen,
werden sie in der
19*
2. Tib. post.
292 Flexor hallucis long.
unteren Hälfte durch den M.flexor hallueis gegen die Crista interossea ge-
drängt. Die Insertionssehne läuft an der hinteren Fläche des Muskels herab
und wird in der Gegend des unteren Tibiofibulargelenkes frei. Unter (vor)
der Sehne des M. flexor dig. long. vorüber geht sie dann an deren medialem
Rande in der Rinne des Knöchels zur Fusssohle. Unter dem Lig. tibio-cal-
caneo-naviculare wird sie breiter, fester, dem Kopfe des Talus entsprechend
ansgehöhlt; endlich heftet sie sich am medialen Fussrande an die Plantar-
fläche des Schiff- und ersten Keilbeins und schickt vom lateralen Rande einige
Bündel ab, die sich an das zweite und dritte Keilbein und die entsprechenden
Mittelfussknochen befestigen und dem Lig. tarseum transversum, so wie der
Sehne des M. abductor hallueis Fasern beimischen (Bdl. Fig. 152 und 153).
Die Sehne desM. tibialis post. besitzt eine Schleimscheide, deren oberes
Ende am Knöchel in ziemlich gleicher Höhe mit dem oberen Ende der
Schleimscheide des M. flexor digit. long. liegt. In der Rinne des Knöchels
liegt die Sehne in dieser Schleimscheide ganz frei; in der Fusssohle ist die
Sehne mit der unteren Fläche an das Bindegewebe der Umgebung ange-
wachsen und die Schleimscheide in einen taschenförmigen Fortsatz, einen
Schleimbeutel, verlängert, welcher die einander zugekehrten Flächen der
Sehne und des Lig. tibio-calcaneo-naviculare bekleidet. Die Sehne gleicht
an dieser Stelle bezüglich ihrer Textur der Sehne des M. peroneus long.
in der Rinne des Würfelbeins und ist an der freien Fläche mit einem dünnen,
faserknorpeligen Ueberzug versehen.
Die Bedeutung des M. tibjal. post. für den Mechanismus des vorderen Sprung-
beingelenkes wurde in der Bänderl. p. 181 bereits erörtert.
3. M. flexor hallueis long. F'hl.
3. Flex. hall. Der stärkste unter den Muskeln dieser Abtheilung, entspringt fleischig
ong.
von der Mitte des Unterschenkels an oder höher an der ganzen hinteren,
weiter abwärts auch an der medialen Fläche der Fibula und am Lig. in-
terosseum, mit einzelnen Bündeln, die die Vasa peronea bedecken, auch an
der Ursprungssehne des M. tibialis post. Er nimmt anfangs an Dicke zu,
dann ganz unten wieder ab. Die Muskelbündel kommen von zwei Seiten
her, abwärts convergirend, zu der am lateralen Rande des Muskels herab-
laufenden Sehne, die letzten fast quer hinter dem Knöchelgelenk; frei ge-
worden, verläuft die Sehne durch eine Rinne des Sprungbeines (Knl. Fig. 269)
und des Fersenbeines unterhalb des Sustentaculum tali (ebend. Fig. 266) zur
Fusssohle (Fig. 148).
Die Schleimscheide, welche diese Sehne umhüllt, beginnt dicht unter-
halb des Knöchels und reicht etwas weiter in die Fusssohle, als die Schleim-
scheide des Flex. dig. long. Einzelne feine Bindegewebsstränge (Vincula)
durchziehen sie, um der Sehne Gefässe zuzuführen.
Varietäten dieses Muskels sind selten. Bergmann (Handschr. Notiz) sah den
untersten Theil desselben seine Sehne mit der Sehne des M. flex. dig. long. vereinigen.
Extensor dig. p. brevis. 293
Am Schlusse dieser Muskelgruppe erwähne ich einen eigenthümlichen
Spanner der Kapsel des Knöchelsgelenkes,
der mir bis jetzt Einmal begegnete. Er entspringt fleischig, bedeckt vom M. flexor
dig. long., an der unteren Hälfte der lateralen Fläche der Tibia; sein Bauch, etwa
drei Zoll lang, geht nach unten zugespitzt in eine schmale Sehne über, die, in
der Scheide der Sehne des M. flexor dig. comm. mit eingeschlossen, zwischen
Tibia und Fibula sich an die Kapsel des Knöchelgelenkes heftet.
d. Muskeln des Fusses.
@. Des Fussrückens.
Zu den Sehnen desM. extensor digit. und hallueislongus, welche unter d Musk-
dem Rande des Lig. eruciatum hervor divergirend über den Fussrücken aus- «. Fussrück.
strahlen, gesellen sich an der Basis der Zehen unter spitzen Winkeln die
Sehnen eines tiefer gelegenen und kurzen, auf dem Rücken des Fusses in
der Nähe des lateralen Randes entspringenden Streckmuskels !). Wenn die
Sehnen des langen Streckers vermöge ihres lateralwärts gerichteten Ver-
laufs den Zehen ausser der Streckung eine Bewegung nach dieser Seite
mittheilen würden, so dienen die Sehnen des kurzen Streckers offenbar dazu,
jene Nebenwirkung des langen zu corrigiren und eine zwischen dem Zuge
der einen und anderen Sehne mittlere, gerade Streckung herbeizuführen.
Der kurze Strecker versorgt in der Regel nur die vier medialen Zehen; die
fünfte erhält eine Sehne, die dasselbe leistet, vom M. peroneus brevis, seltener
vom M.peron. tertius. Den vierzipfligen Muskel aber scheidet man zweckmässig
in zwei Abtheilungen, eine für die grosse Zehe, M. extensor hallueis br., und
eine für die drei der grossen Zehe zunächst gelegenen dreigliedrigen Zehen,
M. extensor dig. p.br. Zwar hängen beide Abtheilungen am Ursprunge zu-
sammen, doch ist die Verbindung des Ext. hall. br. mit dem Ext. dig. br.
niemals so innig, wie die der drei Köpfe des letztgenannten Muskels unter
sich. Ausserdem ist auch bezüglich der Insertion die Sehne des Grosszehen-
muskels von den Sehnen der übrigen Köpfe wesentlich verschieden. Die
beiden Abtheilungen sind einander an Masse ungefähr gleich (vergl. Fig. 143).
1. M. eztensor digit. p. brevis Edb.
Entspringt zwischen der oberflächlichen und tiefen Anheftung des Lig. yxt. aie.
eruciatum von der oberen und lateralen Fläche des Fersenbeins zwischen brevis.
dem hinteren Sprungbein- und dem Würfelbeingelenke theıls fleischig, theils
und vorzugsweise an der inneren Fläche sehnig. Die Sehne theilt sich in
mehrere verticale Blätter, von welchen nach zwei Seiten schräg vorwärts
Muskelbündel abgehen, die sich erst vielfach verflechten und dann in drei
dünne Bäuche trennen, deren jeder am lateralen Rande eine platte Sehne
erhält, die etwa in der halben Länge der Mittelfussknochen die letzten Muskel-
fasern empfängt.
ı) M. extensor digitorum comm. brevis Meckel u. A. M. pediaeus ext. Pedieue Cruv.
294 Extensor hallucis brevis.
An der Basis der Grundphalange ihrer Zehe legt sich die Sehne des
kurzen an den lateralen Rand der Sehne des langen Streckers genau an.
Die aus der Verschmelzung hervorgegangene Strecksehne verhält sich auf
dem Rücken der Zehen, wie die Sehne des M. ext. dig. comm. auf dem Rücken
der Finger.
2. M. extensor hallueis brevis Ehb.
a Zweiköpfig. Der grössere laterale Kopf entspringt von einem Höcker
der oberen Fläche des Fersenbeins dicht an deren vorderem Rande, unmittel-
bar neben dem vorigen Muskel und meistens mit ihm durch ein gemein-
schaftliches verticales Sehnenblatt zusammenhängend, von welchem beide
einen Theil ihrer Fasern beziehen. Der mediale Kopf entspringt an der
unteren Fläche des tiefen Schenkels des Lig. eruciatum (s. Fascie). Die
Sehne wird am Tarso-Metatarsalgelenk frei und geht unter der Sehne des
M. extensor hallueis long. zur grossen Zehe; sie befestigt sich ausgebreitet
an den Rücken der Gundphalange, indess die Sehne des Extensor long. sich
ganz oder grösstentheils zur Endphalange begiebt (s. oben S. 277.)
Var. Der M. ext. dig. breyis zerfällt in drei gesonderte Köpfe. Oft findet
sich zwischen ihm und dem M. ext. hall. br. ein überzähliger Muskel, dessen Sehne
an den zweiten Mittelfussknochen oder an den Grosszehenrand der zweiten Zehe
geht (ein Indicator des Fusses). Vom M. ext. dig. br. geht eine Sehne auch an
die fünfte Zehe. Die Eine oder andere seiner Sehnen ist in zwei gespalten, die
sich an die nämliche Zehe befestigen. Ich sah die Zahl seiner Sehnen auf zwei
(zur zweiten und dritten Zehe) reducirt in einem Falle, in welchem der M. peron.
tertius einen Zipfel zur Sehne der vierten Zehe vom Extensor long. abgab.
ß. Muskeln der Fusssobhle.
P-Fusssohle. Ein dem M. palmaris brevis entsprechender Muskel kommt in der Plan-
tarfläche des Fusses nicht vor, und die Muskeln der Fusssohle sind demnach
sämmtlich tiefe, d. h. von der Plantarfascie bedeckte. Sie liegen übrigens,
wie in der Hand, in drei Gruppen, von denen Eine die Mitte und die
beiden anderen den Grosszehen- und Kleinzehenrand des Fusses einnehmen.
Die mittlere Gruppe ist reicher als an der oberen Extremität, denn sie ent-
hält ausser den Mm. lumbricales einen Beugemuskel, der dem M. flex. digit.
sublimis der Oberextremität entspricht, und einen zweiten Kopf des Flexor
digit. longus; dagegen ist die Gruppe, die den Grosszehenballen repräsentirt,
um einen Muskel, den M. opponens, ärmer als an der Hand, und nur die
Kleinzehengruppe hat an beiden Extremitäten die gleiche Zahl und An-
ordnung der Muskeln.
Flexor dig. p. brevis. 29;
I. In der Mitte.
1. M. flexor digitorum p. brevis Fdb N).
2 ! I
Ein platter Muskel, etwa von der Breite des Fersenbeins, dessen F
in einer schrägen Linie entspringen, die medialsten unmittelbar von der
Fig 149.
\ L
| BB \ Adh
EN]
IM ji Ehh
Muskeln der Fusssohle, oberflächliche Schichte. #, F
Plantarfascie, längs des Ursprunges des M. flexor br.
abgeschnitten. Sehne des M. abduct. hall. (AbA‘)
durehschnitten, der Muskelbauch (AbA) gegen den
Fussrand umgelegt. Fhl Sehne des M. flexor hallueis
long. Adh M. adductor hall. Zhb, Fhb‘ M. flexor
hall. br. medialer und lateraler Kopf, Adbgqg M. ab-
duetor dig. quinti. Z M. lumbricalis long,
unteren Fläche des Fersenbeins
vor dem hinteren medialen
Höcker, die folgenden von der
oberen Fläche einer am Fersen-
bein entspringenden und am
Ursprungemitder Plantarfascie
verwachsenen Sehne um so wei-
ter vorn, je näher dem lateralen
Fussrande, die lateralsten end-
lich von transversalen Sehnen-
biindeln, welche die Plantar-
fascie mit der oberflächlichen
Lage des Lig. caleaneo-cuboi-
deum verbinden. Die Muskel-
fasern verlaufen zum Theil
gerade, zum Theil schräg
vorwärts an vier platt-eylin-
drische Sehnen, welche etwa in
der halben Länge des Mittel-
fusses frei werden, meist alter-
nirend je an dem lateralen und
medialen Rande ihres Muskels.
Die Sehnen sind um so schmäch-
tiger, je kleiner die Zehe, der
sie bestimmt sind; ebenso die
Muskelbäuche, dochlassen sich
von diesen nur der Muskel der
zweiten, demnächst der fünften
Zehe einigermaassen isoliren,
indess die der dritten und vier-
ten Zehe angehörigen Sehnen
meist aus der Spaltung einer
einfachen Sehne hervorgehen
und mannigfach durchflochtene
Bündel erhalten (Fig. 149).
An. den Zehen angelangt
verhalten sich die Sehnen des
5) M. flex. dig. communis br. s.
sublimis s. perforatus. M. pediaeus int.
asern I.Mittlere
Flex. dig.
brevis.
2. Cap. plan-
tare fex. dig.
longi.
296
Caput plantare flex. dig. p. longi.
M. flexor br. genau ebenso, wie die Sehnen des M. flexor digit. sublimis
an der Hand: sie treten in ähnliche Röhren ein, ebenso von Schleimschei-
den umhüllt,
Fig. 150.
MII—N
SI —
RE
Muskeln der Fusssohle, tiefere Schichte. M. flexor
dig. br. ist vom Ursprunge (Fdb) bis zu den Basen
der Zehen ausgeschnitten. M. abductor hallueis
bis auf die Insertion (Abh entfernt. Fhb M.flexor
hallueis br. Fhb‘ lateraler Bauch desselben. Abgq
M. abduetor dig. quinti, am Ursprunge abgetrennt
und nach aussen umgelegt. Fg, Og M. flexor br.
und opponens dig. quinti. Pe/, T'p Sehnen des M.
peron. long. und tibialis post. Von der Sehne des
M. flexor dig. long. (Fdl) ist ein Stück ausge-
schnitten, welches die Theilungsstelle der Sehne
des M. flexor hall. long. (Fhl) bedeckte. 1,2
Reste der Anheftung der Plantarfascie an die Bän-
der des Gross- und Kleinzehenrandes.
und theilen sich in zwei Zipfel, die sich über den Sehnen des
M. flexor digit. longus wieder
vereinigen und theilweise ge-
kreuzt an die Mittelphalange
ansetzen.
Var. Oft giebt der M. flexor
brevis nur drei Sehnen ab, zur
zweiten bis vierten Zehe; ein dem
Kopfe des Flexor brevis für die
fünfte Zehe entsprechender Mus-
kel mit perforirter Sehne ent-
springt alsdann gewöhnlich in
der Fusssohle an der Sehne des
M. flexor dig. long. vor ihrer
Theilung.
2. Caput plantare flexoris
dig. p. longi F'dpl)).
Ein ebenfalls platter und
vierseitiger Muskel, zwei bis
drei Mal so lang als breit, ent-
springt mit mehr oder minder
gesonderten Bündeln von der
medialen Fläche des Fersen-
beins unterhalb der Rinne des
M. flexor hall. long. bis in die
Nähe des Würfelgelenkes und
zuweilen noch vom Lig. cal-
eaneo-cuboid. plant. unter dem
Würfelgelenk, ferner vom Lig.
calcaneo - naviculare plantare
und von der Innenfläche des
Lig. laciniatum mit einem
schmalen Zipfel (Fig. 150 *),
an welchem sich die Gefässe
und Nerven der Fusssohle in
ihre medialen und lateralen
Zweige spalten.
Am lateralen Rande sehnig,
geht der Muskel fast gerade
!) Caro quadrata Sylvü. M. quadra-
tus plantae pedis. Accessorius per-
forantis. Beimuskel. Kurzer Bauch
des gemeinsch. Beugers. Accessoire
„du long flechisseur Cruv.
Lumbricales. 297
und nur mit den dem lateralen Rande nächsten Fasern etwas schräg median-
wärts nach vorn gegen die Kreuzungsstelle der Sehnen des M. flexor dig.
long. und flexor hall. longus.
Diese Kreuzung, bei welcher, wie bereits erwähnt, die Sehne des
Flexor dig. long. der Oberfläche näher liegt, findet in der Gegend des drit-
ten Keilbeins Statt. Sie wird zugleich benutzt zu einer Verbindung der
beiden Sehnen in der Weise, dass von der Sehne des M. flexor hall. long.
ein starkes Bündel an die Sehne des M. flexor dig. long. herantritt, welches
sich zum grossen Theil und zuweilen ganz in die der zweiten Zehe be-
stimmte Sehne fortsetzt.
Dicht vor der Kreuzungsstelle nämlich plattet sich die Sehne des M.
flexor dig. long. ab und trennt sich in vier platte Sehnen für die zweite bis
fünfte Zehe. Hier nimmt sie auch den plantaren Kopf auf; dieser erhält
sich am weitesten nach vorn fleischig an der Kleinzehenseite und giebt mehr
als die Hälfte seiner Fasern an die Sehne der kleinen Zehe ab; er befestigt
sich ebenfalls fleischig mit seinen medialen Bündeln an die Sehne der zwei-
ten Zehe oder an die zur zweiten Zehe tretende Portion der Sehne des
M. flex. hall. long.; die mittleren Bündel gehen in eine platte Sehne über,
welche sich über der Sehne des M.flex. dig. long. ausbreitet und mit dieser,
bevor sie sich in ihre vier Zipfel theilt, vollständig verschmilzt.
An den Zehen spielen die Sehnen des langen Beugers die Rolle der
Sehnen des Flexor profundus der oberen Extremität und gelangen durch den
Spalt der Sehnen des Flexor dig. brevis zur Endphalange.
Var. Des Ursprunges eines zweiten Kopfes des plantaren Kopfes des Flexor Physiol. Be-
dig. long. am Unterschenkel wurde bereits bei den Varietäten des letztgenannten "ekuns-
Muskels gedacht. Der plantare Kopf schickt Fascikel zur Sehne des M. flexor dig. br.
Zu der Sehne des M. flex. dig. long. steht der plantare Kopt in demselben Ver-
hältnisse, wie die Sehnen des kurzen zu den Sehnen des langen Zehenstreckers.
Bei dem schrägen Verlaufe jener Sehne durch die Fusssohle ist ein Muskel noth-
wendig, der sie lateralwärts anzieht und festhält und so die abducirende Wirkung
der Sehne des langen Beugers corrigirt.
3. Mm. lumbricales L. .
Sie entspringen, wie in der Hand, vier an der Zahl, von den Sehnen 3, Lumtri-
des M. flexor dig. löngus, nur dichter gedrängt, die drei lateralen (der dritten °***
bis fünften Zehe) zus den Winkeln der divergirenden Sehnen von deren
einander zugekehrten Rändern, der medialste, für die zweite Zehe, am Gross-
zehenrande ihrer Sehne (Fig. 149). Ihre Insertion, am Grosszehenrande der
Basis der Grundphalange, entspricht der Insertion der Mm. lumbricales der
Hand, wenn diese sich in Pronation befindet. Nicht so regelmässig, wie an der
Hand, breiten sich die Lumbricales am Fuss gegen die Strecksehnen aus;
sie enden zuweilen ganz am Knochen, zuweilen schicken sie nur wenige
Fasern zu der dreiseitigen Membran, die sich an den Rand der Strecksehne
begiebt. ö
Nach Froment (Rech. sur plusieurs points d’anat. 1853.) gehören Varietäten
der Lumbricales des Fusses zu den grössten Seltenheiten. Theile erwähnt Man-
gel des zweiten und der beiden mittleren.
II. Musk. d,
Grosszehen-
randes.
1. Abd. hall.
2 Flex. br.
hall.
298 Abductor hall. Flexor brev. hall.
II. Muskeln des Grosszehenrandes.
1. M. abductor hallueis Abh D,
Breit, platt, im transversalen Durchmesser comprimirt; entspringt mit
mehreren Portionen, welche theils an der äusseren, theils-an der inneren
Fläche sehnig sind, in einer vom hinteren medialen Höcker des Fersenbeins
schräg vor- und aufwärts zur Gegend des Sprungbeinkopfes ziehenden Li-
nie, die hintersten Fasern vom genannten Fersenbeinhöcker, lateralerseits
mit dem Flexor dig. br. zusammenhängend, die vorwärts folgenden Fasern
von der Innenfläche des Lig. laciniatum (Fig. 149).
Entfernt man das Lig. laciniat. bis auf den Streifen, welcher den Mus-
kelbündeln des Adductor zur Anheftung dient, so erhält man einen vorn
mit der Fascie des Fussrückens, hinten mit dem Fersenbeine zusammenhän-
genden Sehnenbogen, der die Gefässe und Nerven der Fusssohle, die Seh-
nen der langen Beugemuskeln und den plantaren Kopf des langen Beugers
überbrückt.
Indem der Muskel längs des Fussrandes vorwärts geht, erhält er an
der dem Knochen zugewandten oberen Fläche neue accessorische Ur-
sprünge ?) von der Tuberosität des Schiffbeins und von der Aussenfläche
eines fibrösen Blattes, welches die Plantarfascie mit den Bändern des me-
dialen Fussrandes in Verbindung setzt (Fig. 151).
Mit einer Sehne, welche auf der äusseren Fläche des Muskels schon
in der Gegend der Basis des Mittelfussknochens sichtbar wird, befestigt er
sich an den medialen Rand der Basis der Grundphalange, an den entspre-
chenden Rand der Sehne des M.extensor hallueis long. und an das mediale
Sesambein.
2. M. flexor brevis hallucis Fbh.
Dieser Muskel entsteht, gleich dem entsprechenden Daumenmuskel, den
er aber an Masse weit übertrifft, von Einer Sehne mit zwei unter spitzem
Winkel divergirenden, fleischigen Bäuchen, welche die Sehne des langen
Beugers zwischen sich fassen.
Die platte Ursprungssehne setzt sich aus mehreren Zipfeln zusammen,
welche von der unteren Fläche des ersten Keilbeins, von der Scheide des
M. flex. digit. long. und vom Lig. calcaneo-cuboid. plantare stammen (Fig. 151).
Die Insertionen verwachsen die Eine mit dem Abductor, die andere mit dem
Adductor (Fig. 150). Die Bündel des medialen Bauches ?) treten einander
parallel in einer Längsreihe an die Sehne des M. abductor hall. und nur die
I) Adducteur Cruv.
?) Von Manchen als vorderer oder innerer Kopf beschrieben, während Courcelles
(Icon. musc. plantae pedis. Lugd. Bat. 1739.) u. A. den Fersenbeinursprung allein als hin-
teren Kopf, den Ursprung vom Lig. laciniat. als vorderen Kopf aufführen.
®) Langenhbeck, Günther und Cruveilhier betrachten ihn als einen (äusseren)
Kopf des Adductor und beschränken den Namen eines Flexor br. auf den lateralen Bauch
dieses Muskels.
Adductor hallucis.
299
vordersten direct an das mediale Sesambein; die Bündel des lateralen Kopfes
convergiren gegen das laterale Sesambein und vereinigen sich erst in der
Nähe der Insertion mit der Sehne des M. adductor.
Tiefste Schichte der Fusssohlenmuskeln. M. flexor
dig. br. (Fab) und Abd. dig. quinti_(Abg) am
Ursprunge abgeschnitten und entfernt. * Insertion
der Fascie des M. abd. dig. quinti an die Tubero-
sität des fünften Mittelfussknochens. ** Insertion
der Plantarfascie an dieselbe. Fdl Sehne des
M. flex. dig. long. durchschnitten. Fdp! Plantarer
Kopf des M. flex. dig. long., am Ursprunge abge-
schnitten. AbAh tiefe Portion des M. abductor hal-
lucis, Fhb M. flexor hall. br., #qg M. flexor dig.
quinti, desgl. /p, /d Mm. interossei plantares und
dorsales.
3. M.
adduetor hallueis
Adh).
Auch dieser Muskel ist im
Wesentlichen dem M. adductor
pollieis ähnlich, aus zwei plat-
ten, am lateralen Rande der
Grundphalange der grossen
Zehe vereinigten Köpfen zu-
sammengesetzt, von welchen
der Eine schräg vorwärts, der
andere quer durch die Fuss-
sohle zieht. Doch ist der quere
Kopf des M. adductor der
grossenZehe verhältnissmässig
kleiner als der des Daumens
und fast ganz auf den Köpf-
chen der Mittelfussknochen
gelegen, daher auch deutlicher
gesondert von dem schrägen
Kopfe, dessen Ursprünge sich
nicht über die Basen der Mittel-
fussknochen hinaus erstrecken.
Der schräge Kopf?) (Fig.
151 Adh) nimmt mit seinem Ur-
sprunge eine continuirliche Li-
nie ein, welche an der vorderen
medialenEcke des Würfelbeins
beginnt und vor der Basis des
zweiten Mittelfussknochens en-
det; er entspringt am Würfel-
bein, am Lig. caleaneo-cuboid.
plantare und an Sehnenbogen,
welche von diesem Bande über
Gefässzweige hinweg sich zu
den Mm. interossei begeben,
ferner an der Schneide des
dritten Keilbeins und an den
I) Abducteur Cruv.
?) Caput obliguum s. longums.
magnum. Bei den älteren Anatomen
stellt dieser Kopf allein den M.
abductor hallueis dar.
3. Add. hall.
Ifl. Musk.d
300 Abductor dig. p. quinti.
Basen des dritten und zweiten Mittelfussknochens, endlich auch an dem der
grossen Zehe zunächst gelegenen Theile des Lig. tarseum transversum mediale
(Bal. Fig. 155). Der mächtige Muskelbauch liegt in der Vertiefung, die
der erste Mittelfussknochen von medialer Seite begrenzt, und wendet von
seinen Flächen die Eine gegen den Grosszehenrand und etwas abwärts, die
andere gegen den Kleinzehenrand in demselben Maasse aufwärts. Mit dem
vorderen spitzen Ende legt er sich neben und etwas über den vorderen
Rand der Sehne des M. peron. long.
Der quere Kopf!) (Fig. 151 Abh‘) entspringt mit zwei bis drei Denta-
tionen an der festen unteren Wand der Kapseln der Zehentarsalgelenke und zum
Theil an den Ligg. capitulorum plantaria. Seine Dentationen entsprechen den
Gelenken der fünften und vierten oder vierten und dritten oder der drei
lateralen Zehen und legen sich in der Reihenfolge, wie sie der grossen
Zehe näher entspringen, an den vorderen Rand des Muskels an.
Die aus dem Zusammenflusse des schrägen und queren Kopfes entstan-
dene Insertionssehne setzt sich, verwachsen mit dem lateralen Kopfe des
M. flexor br., an das laterale Sesambein, an den Rand der Basis der Grund-
phalange und an die Sehne des M. extensor longus hallueis auf dem Rücken
der Grundphalange.
Var. Von dem schrägen Kopfe des M. adductor hall. zweigt sich eine ober-
flächliche Portion ab, welche unter dem queren Kopfe, d.h. an dessen plantarer
Fläche, zur Basis der Grundphalange der zweiten Zehe geht (eigene Beob.). Zu-
weilen bildet das Muskelbündel, welches der schräge Kopf des Adductor von der
Basis des zweiten Mittelfussknochens bezieht, einen besonderen, von der übrigen
Masse in der ganzen Länge getrennten Muskel, zu welchem sich Bündel gesellen,
die aus der Sehne des M. peroneus longus dicht vor deren Insertion an den er-
sten Mittelfussknochen sich abzweigen. Ich betrachte diesen Muskel als einen
dem M. interosseus volaris primus der Hand analogen und glaube, diese Varietät
als Beweis anführen zu dürfen, dass der M. adductor hallueis zugleich einen In-
terosseus volaris repräsentirt.
III. Muskeln des Kleinzehenrandes.
1. M. abductor digiti pedis quinti Abg.
Dieser Muskel entspringt von der ganzen Breite des hinteren Randes des
Kennen Rersenbeines (Fig. 151) über dem M.flexor dig. br., den er sogar an der Gross-
randes.
1. Abd. dig.
quinti.
zehenseite überragt, mit einem starken fleischigen Bauche und einer Fascie,
welche sich längs der unteren und lateralen Fläche des Muskels fortsetzt
und einen breiten, platten Zipfel an die Tuberosität des fünften Mittelfuss-
knochens (Fig. 150 Abgq‘), einen schmalen, platten Strang an die Basis der
Grundphalange der kleinen Zehe (Fig. 150 Abg“) sendet. Aus den am Fer-
senbeine entspringenden Muskelbündeln geht schon in der Gegend des vor-
deren Randes dieses Knochens eine platt eylindrische Sehne hervor. Diese
Sehne nimmt, so weit sie unter den Fusswurzelknochen verläuft, an beiden
Seiten Muskelbündel auf, welche auf der oberen Fläche der Fascie wurzeln.
!) Caput transversum 5. breve s. parıum. M. transversus S. transversalis pedis s. plantae
der älteren Anatomen, Ä
Flexor br. dig. p. quinti. Opponens dig. p. quinti. 301
Von der Tuberosität des fünften Mittelfussknochens an erhält die Sehne nur
noch am lateralen Rande Muskelfasern, welche von den eben erwähnten
strangförmigen Fortsetzungen der Fascie ab- und schräg median- vorwärts
gehen. Sie empfängt die letzten in der Nähe ihrer Insertion am lateralen
Rande der Grundphalange der kleinen Zehe.
2. M. flexor brevis digiti p. quintim. Fg 2)
Ein schmaler, platter Muskelbauch; entspringt gewöhnlich in Gemein- 3 Fiex. br.
schaft mit dem folgenden mittelst eines schmalen Sehnenstreifens von.der #2 qinti.
oberflächlichen Schichte des Lig. calcaneo-euboid. plantare unter der Sehne
des M. peroneus longus, nimmt Fasern von der Basis des fünften Mittelfuss-
knochens auf und läuft an der unteren Fläche desselben vorwärts zur Basis
der Grundphalange der kleinen Zehe (Fig. 150).
3. M. opponens dig. p. quinti m. Oy 2),
Liest über dem M. flexor br., den er an Breite übertrifft und von dem 3. Opponens
er mehr oder weniger weit gegen den Ursprung trennbar ist. Seine Fasern '* inti.
verlaufen schräg lateral-, vor- und aufwärts zum lateralen Rande des fünften
Mittelfussknochens und befestigen sich an die vordere Hälfte dieses Randes
bis unter den Rand des Köpfchens des Mittelfussknochens (Fig. 144. 150.151).
Wenn die Mm. flexor br. und opponens dig. quinti häufig eine Strecke weit vom
Ursprunge an mit einander verwachsen gefunden werden, so ist dies kein Grund,
die beiden Muskeln, deren Insertionen so scharf gesondert sind, unter einem Na-
men zusammenzuwerfen, der ausserdem noch für den Einen derselben völlig un-
passend ist. Oft genug lässt sich der M. flexor brevis bis zum Ursprunge vom
M. opponens trennen. Der Opponens selbst besteht zuweilen aus zwei Schichten.
Die an den beiden Fussrändern einander gegenüberliegenden Abductoren der Physiol. Be-
grossen und kleinen Zehe haben ausser der Wirkung, die in ihrem Namen ausge- merkung.
drückt ist, und durch die sie sich zu einander wie Antagonisten verhalten, noch
eine gemeinsame wichtige Function, welche darin besteht, den Fuss im sagittalen
Durchmesser zu verkürzen und die Wölbung des Bogens zwischen Fersenbein und
Ballen zu vermehren. In diesem Sinne sind sie Beugemuskeln der Zehen, und diese
Function bleibt ihnen, nachdem bei dem Gebrauche der unnachgiebigen Fussbeklei-
dung allmälig die Kunst, die Zehen zu abduciren, verloren gegangen ist. Der
Vortheil, den eine Vermehrung der Wölbung des Fusses bietet, beruht aber darin,
dass den Sehnen, Gefässen und Nerven, welche zwischen den Knochen der Fuss-
wurzel und den Abductoren an beiden Rändern des Fusses in die Sohle eintreten,
freierer Spielraum gewährt, und dass beim aufrechten Stehen der Druck der Last
des Körpers vermindert wird. =
y. Mm. interossei.
Man unterscheidet, wie an der Hand, Mm. interossei dorsales und plan-,,. mterossei.
tares; doch sind sie nicht so symmetrisch geordnet, wie in der Hand, indem
1) der Interosseus plantaris der grossen Zehe, wie soeben erwähnt, mit de-
ren Adductor verschmilzt, und 2) die Interossei des Raumes zwischen der
zweiten und dritten Zehe ihre Insertionen tauschen, so dass der zweite In-
\)j;Der oberflächliche oder äussere Bauch des M. flexor brevis dig. quinti aut.
?) Der tiefe oder innere Bauch des M. flexor br. dig. quinti aut.
302 Interossei.
terosseus dorsalis am Grosszehenrande der zweiten Zehe und der entspre-
chende Interosseus plantaris am Grosszehenrande der dritten Zehe sich an-
setzt. Demnach giebt es am Fusse drei Interossei plantares, welche sämmt-
lich am Grosszehenrande ihrer Zehen, der dritten bis fünften, angeheftet
sind und als Adductoren wirken, und vier Interossei dorsales, von welchen
sich die drei lateralen als Abductoren an den Kleinzehenrand der zweiten
bis vierten Zehe befestigen, indess der Interosseus dorsalis des ersten Zwi-
schenknochenraums als Adductor an den Grosszehenrand der zweiten Zehe
tritt (Fig. 152).
Die Mm. interossei dorsales sind am Fussrücken allein sichtbar und
verdecken die Interossei plantares; sie ragen aber tief in die Fusssohle
hinab, ebenso tief wie die plantaren und liegen, von der Fusssohle gesehen,
alternirend mit den letzteren. Sie sind gefiedert wie die entsprechenden
Muskeln der Hand und entspringen von den einander zugekehrten Flächen
der Mittelfussknochen, zugleich aber mit je einem platten Zipfel von der Fascie,
welche sie von oben her deckt und aus der Fusssohle von der unteren Fläche
der Basis des einen oder anderen Mittelfussknochens. Eine Ausnahme macht
der erste Interosseus dorsalis, von der grossen Zehe an gezählt, insofern
er keine Fasern vom Körper des ersten Mittelfussknochens bezieht; doch
Fig. 152. besitzt er einen medialen Kopf, dessen Fasern
’ vom lateralen Rande der Basis des ersten Mit-
telfussknochens und von der vorderen lateralen
Ecke des ersten Keilbeines, oft auch von einem
Zipfel der Sehne des M. peroneus longus und
von einem Sehnenstreif entspringen, welcher
zwischen der Basis und dern Köpfchen des er-
sten Mittelfussknochens straff ausgespannt ist 1).
Zwischen diesem medialen und dem lateralen
Kopfe communieiren die Gefässe des Fuss-
j rückens durch einen starken Ast mit dem Ge-
fässbogen der Sohle. Der vierte M. inter-
osseus dorsalis erhält zuweilen einen Zuwachs
von der Sehne des M. peroneus tertius oder
Schematische Darstellung der Mm. 7 \eyis; der dritte bezieht Fasern aus der Fuss-
interossei pedis, die Mm. inteross. 2
dors. mit einfachen, die Mm. inter- sohle von der Ursprungssehne des zweiten
osseiplantaresmitpunctirtenLinien, (der vierten Zehe angehörigen) Interosseus
es plantaris; der dritte und vierte erhalten eben-
gestellt. falls an der Fusssohle Fasern von einer Sehne,
einer Fortsetzung des Lig. calcaneo - cuboid,
plantare, an welcher theilweise auch die drei Interossei plantares und der
M. flexor und opponens digiti quinti entspringen (Fig. 151).
Ausser von dieser Sehne nehmen die Mm. interossei plantares ihren
Ursprung von der Plantarfläche des Mittelfussknochens, der die Zehe trägt,
an die sie sich inseriren.
) Theile, welchem Hyrtl und Gruber folgen, schreibt diesem Muskel nur Einen
Kopf (vom zweiten Metatarsus) zu und rechnet ihn deshalb zu den Mm, interossei plan-
tares,
Fascie der unteren Extremität. 303
In Betreff der Function dieser Muskeln ist auf das zu verweisen, was über Physiol. Be-
die entsprechenden Muskeln der oberen Extremität gesagt wurde. Die adducirende Merkung.
und spreizende Wirkung tritt am Fusse gegen die beugende noch mehr zurück,
als an der Hand. Dies geht schon aus der theilweisen Verwachsung der Ursprünge
von Muskeln hervor, die sich an die beiden Seitenränder je einer Zehe setzen,
was ohne Zweifel eine gemeinsame Action dieser Muskeln begünstigt.
Fascie der unteren Extremität.
Die Fascie der unteren Extremität entspringt zugleich mit den ober- Fascie.
flächlichen Muskeln vom Becken. An der hinteren Fläche bedeckt sie den
M. gluteus maximus in ähnlicher Weise, wie die Fascie der oberen Extre-
mität den M. deltoideus, mit verhältnissmässig dünnen und dem Muskel fest
anhängenden, die Längsaxe der Muskelbündel rechtwinkelig schneidenden
Fasern (Fig. 156); ein noch feineres Blatt, welches kaum im Zusammenhange
Fig. 153. dargestellt werden kann,
trennt den M. gluteus maxi-
mus von dem medius; dies
Blatt, dasman auchals Fas-
cie des M. gluteus med. be-
trachten kann, ist die Fort-
setzung einer sehr mäch-
tigen Fascie, die den freien
„Theil des M. gluteus med.
bekleidet.
An der vorderen Fläche
des Schenkels ist, abgese-
hen von der Fascia super-
fieialis, eine oberfläch-
liche und tiefe Fascie
zu unterscheiden; die tiefe
Fascie, oder das tiefe Blatt
der eigentlichen Schenkel-
fascie, auf welche die ober-
flächliche sich stützt, muss
zuerst beschrieben werden.
Sie nimmt als Fascie
des M. iliopsoas, Fascia
iliaca !), und des M. pecti-
IF neus, Fascia pectinea 2),
Unterer Theil der vorderen Bauchwand mit dem oberen Maren, Ursprung den
Theile des sanft gebeugten und auswärts gerollten Schen-
kels. Die oberflächliche Schenkelfascie über dem M. genannten Muskeln von
sartorius (Sar) der Länge nach ne _ a den Wirbelkörpern und
beiden Seiten zurückgeschlagen. Die Fascie des e 2
iliopsoas (/p) schräg nnaliiatenn um die Faserung Vom ! Beckenrande.. Die
dieses Muskels und den N. ceruralis (Ne) sichtbar zu Fascia iliaca ist längs
machen. Die tiefe Schenkelfascie vom Ursprunge des M. des medialen Bandes ass
peetineus (Pe) an abgeschnitten. Afl, Afm Mm. adduct.
fem. long. und magn. Ne/ N. cutaneus lateralis. Ac
Arcus eruralis. C's, Ci oberer und unterer Schenkel des - 1) Portio iliaca fasciae latae.
äusseren Leistenringes. @ Lig. Gimbernati. 1 Samenstrang. 2) Portio pectinea fasciae latae.
Innerer
Schenkel-
ring.
304 Fascie der unteren Extremität.
Muskels, den sie bedeckt, in einer fast verticalen Linie angewachsen, zuerst
an die Linea iliopectinea, so weit diese dem Darmbeine angehört, dann an
die Eminentia iliopeetinea und unterhalb derselben an die äussere Fläche
der Hüftgelenkkapsel; sie schliesst auf diese Weise medianwärts das Fach,
in welchem der M. iliopsoas nebst dem Stamm des N. cruralis enthalten ist.
Ist ein M. psoas minor vorhanden, so kreuzt seine platte Insertionssehne
unter spitzem Winkel die Faserung des medialen Kopfes des M. iliopsoas
und breitet sich in der Faseia iliaca über der Eminentia iliopectinea aus 1).
Bis zu dieser Hervorragung reicht auch lateralwärts die Fascia pectinea,
und fasst man beide Fascien, die des M. iliopsoas und pectineus im Zusam-
menhang und als Eine Fascie auf, welche die vom Becken zur Vorderfläche
des Schenkels tretenden Muskeln bekleidet, so muss man sagen, dass sie
zwei Fächer bildet dadurch, dass sie mit ihrer inneren (hinteren) Fläche
zwischen beiden Muskeln an den Rand des Beckens, entsprechend der Emi-
nentia iliopectinea, angeheftet oder an dieser Stelle mit der Beinhaut des
Beckens verwächsen ist?). Nach der entgegengesetzten Richtung, am la-
teralen Rande des M. iliopsoas und am medialen Rande des Pectineus geht
die Fascie ohne merkliche Unterbrechung dort auf die Streckmuskeln, hier
auf die Adductoren über.
Die Art, wie sich über dem vorderen Beckenrande die Bauchmuskeln
mit der Fascie des Iliopsoas und Pectineus verbinden, wurde schon oben
(S. 58 ff.) beschrieben. Mit der Fascia iliaca verschmilzt zuerst die Fascia
transversalis (Fig. 26 dann weiter nach Aussen die Sehne des M.
oblig. abd. ext. (Oae‘); die Naht, in welcher die Fascia iliaca mit der
Sehne des M. oblig. abd. ext. zusammenstösst, wird durch die Faserung
des Lig. inguinale ext. (Fig. 26.153 ie) verstärkt. An die Fascia peetinea
dagegen wächst das Gimbernat’sche Band an (S. 63).
Wir haben den Theil der Sehne des M. oblig. abd. ext., welcher sich
von der Anheftung an die Fascia iliaca an frei zum medialen Ende der
Linea iliopectinea spannt, mit dem Namen Schenkelbogen, Arcus eru-
ralis, bezeichnet. Die Oeffnung, über welche dieser Bogen sich, einer
Brücke ähnlich, wölbt, ist der innere (obere) Schenkelring, Annulus
cruralis int.?), sie wird von den Blut- und Lymphgefässstämmen des Schen-
kels ausgefüllt, welche wegen ihrer Verschiebbarkeit und wegen der Ver-
änderlichkeit ihres Volumens einen nicht immer zureichenden Verschluss
gewähren und in dem Maasse, als sie nachgeben, den Baucheingeweiden
!) Der M. psoas minor kann deshalb so präparirt werden, dass er mit einem Theile
seiner Sehnenfasern an die Eminentia iliopeetinea sich inserirt.
2) Schneidet man ausserhalb des Beckens die Fascia iliaca, etwa über dem Stamme
des N. cruralis, ein, wie in Fig. 153, und versucht man, zwischen Fascie und Muskel
medianwärts. vorzudringen, so wird der Finger durch die Anheftung der Fascie an die
Eminentia iliopectinea aufgehalten; ganz ebenso, wenn man in die eröffnete Fascia pectinea
ein- und lateralwärts vordringt. Das straffe Gewebe, welches die Fascien und die Bein-
haut an einander heftet, lässt sich auf diese Weise von der Einen und anderen Seite her
als ein sagittales Band (Lig. vaginae vasorum eruralium Seiler, Lig. iliopectineum Krause)
darstellen. Als gemeinschaftliche Anheftung der Fascia iliaca und pectinea findet es sich
bei Scarpa, Taf. XI, Fig. 2, abgebildet.
®) Annulus cruralis aut. Ann. erur. post. Lacuna vasorum cruralium. Apertura int.
canalis femoralis Langenb.
Fascie der unterenExtremität. 305
den Austritt gestatten. Als Pforte der Cruralhernien erfordert der innere
Schenkelring eine einlässlichere Betrachtung. %
Er ist elliptisch und mit dem längsten Durchmesser parallel dem Schen-
kelbogen gestellt, oder, um genauer zu sein, er gleicht einem stumpfwinke-
ligen Dreiecke mit abgerundeten Winkeln, dessen stumpfe Spitze ab- "und
zugleich rückwärts gerichtet ist. Diese stumpfe Spitze trifft auf die Emi-
nentia iliopeetinea; die beiden den stumpfen Winkel umfassenden Seiten
müssen in Gedanken auf- und vorwärts über die Fascia iliaca und peetinea
gezogen werden; die dem stumpfen Winkel gegenüberliegende längste Seite
des Dreiecks entspricht dem Schenkelbogen. Der laterale Winkel !), wel-
chen die Sehne des M. obliquus ext. da, wo sie sich von der Faseia iliaca
zu trennen beginnt, mit der letzteren umschliesst, wird durch die Ausstrah-
lung des Lig. inguinale int. laterale (S. 71) ausgerundet; der mediale Win-
kel 2) ist scharf und wird von dem untersten Theile des Gimbernat’schen
Bandes gebildet, welcher sich an die Fascia pectinea festsetzt, sich auf der-
selben zuweilen lateralwärts umbiegt und als platter Saum eine Strecke
weit verfolgen lässt (Fig. 154 @)3). Die Ebene des inneren Schenkelringes,
durch den Schenkelbogen, den Rand des Gimbernat’schen Bandes und die
Eminentia iliopectinea gelegt, ist unter einem sehr spitzen Winkel gegen
den Horizont geneigt, fast horizontal.
Die Gefässe, welche durch den inneren Schenkelring treten und unter-
halb desselben in dem Thale zwischen dem M. iliopsoas und pectineus, der
sogenannten Fossa subinguinalis, ruhen, sind die Art. und V. eruralis und
die Saugaderstämme des Schenkels. Von diesen liegt die Arterie (s. Fig.
154) im lateralen Winkel, die Vene medianwärts neben der Arterie; das
Bündel der Saugadern und Drüsen nimmt die mediale Ecke der Oeffnung
ein, in der Regel so, dass eine Saugaderdrüse den Raum zwischen der V.
cruralis und dem Gimbernat’schen Bande gerade ausfüllt. Liegt diese Drüse
nicht an der gewohnten Stelle, oder hat man sie entfernt, so sieht man die
Fascia transversalis über die Lücke weggehen und vor derselben eine ver-
änderliche Menge von festerem oder lockerem Bindegewebe und Fett, das
Septum erurale Cloquet %). Bei weitem die meisten Schenkelbrüche drän-
gen sich durch diese Lücke ) medianwärts neben der Vene vor, das Septum
erurale durchbrechend oder vor sich her schiebend; nur ausnahmsweise
1) Margo falcatus ext. Langenb.
2) Margo falcatus Lig. Gimbernati'Langenb.
®) Dieser Saum, in Verbindung mit dem zunächst an die Crista iliopeetinea grenzenden
Theile der Faseia pectinea, ist Cooper’s vielbesprochenes Lig. pubicum. Von demselben
heisst es (The anatomy of abdominal hernia. Part I, p. 8. vgl. Part, U, Taf. 2,2Rig.,2, 9):
„Das Schambein ist von einer ligamentösen Ausbreitung bedeckt, welche einen starken
Vorsprung über der Linea iliopectinea bildet und sich von der Tuberosität des Schambeins
seitwärts erstreckt. An dieselbe ist das Gimbernat’sche Band befestigt; um sie vollstän-
dig zu sehen, muss die Fascie des M. pectineus und dieser Muskel selbst entfernt werden.‘
Linhart (Ueber die Schenkelhernien. Erl. 1852. S. 3) bezieht den Namen auf die
der Fascia pectinea eingewebte Sehnenausbreitung, welche von der Eminentia iliopectinea
aus medianwärts und theils in das Lig. Gimbernati, theils in das Lig. inguinale int. laterale
übergeht.
4) Septum annuli cruralis Seiler. Septum ann. crur. interni Nuhn. LZame criblee
interne Petrequin.
5) Femoral aperture Cooper. Annulus cruralis Krause.
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthle. 3. 20
306 Fascie der@tinteren Extremität.
kommen Brüche — die man äussere nennt — vor- oder gar lateralwärts
neben der Arterie zum Vorschein. Die Gefässe umschliesst, wie überall,
Fig. 154. y
Gegend des Leisten- und äusseren Schenkelringes; von der vorderen Wand des letzteren
ist die obere Hälfte abgetragen; die verschiedenen Arten der Fortsetzung der Incisura fal-
ceiformis nach oben durch Hülfslinien angedeutet. Pe Fascia pectinea, in die Fascie des M. ab-
ductor longus (Afl) sich fortsetzend. Tf, Sar, oberflächliches Blatt der Fascie des M. ten-
sor fasciae und sartorius. Ci unterer Schenkel des Leistenringes.. @G Lig. Gimbernati.
‘il Lig. inguinale int. laterale.. 1 Art. cruralis. 2 V. crural. Die V. saphena major an
der Einmündung abgeschnitten. 3 Vasa epigastrica, ihr Verlauf an der inneren Bauch-
wand mit einer punktirten Linie bezeichnet. 4 Art. eircumfl. il. 5 Samenstrang.
6 punktirte Linie, die Stelle andeutend, an welcher auf der inneren Fläche der Bauch-
wand die Plica seminularis fasejae transv. liegt. \
eine gemeinsame Bindegewebsscheide !), welche, wie sich von selbst ver-
steht, an die Umgebungen angeheftet und durch eine Art von sagittalem
Septum ?) in zwei Fächer, für die Arterie und Vene, getheilt ist. Hinter
dem Schenkelbogen, wo medianwärts die Vasa epigastrica (Fig.154.3), late-
ralwärts die Vasa circumflexa ilium (5) im Bogen aufwärts abgehen, schickt
die Gefässscheide entsprechende Fortsätze nach beiden Seiten ab, welche
zur Verengung des Schenkelringes mit beitragen. In der Bauchhöhle liegt
vor der Gefässscheide eine Bindegewebsschichte, welche am Arcus ceruralis
mit der Fascia transversalis zusammenhängt und als eine von der vorderen
Bauchwand auf die hintere sich hinüberschlagende Fortsetzung dieser Fas-
cie angesehen werden kann.
Das oberflächliche Blatt der Schenkelfascie, wie ich es zum
Unterschiede von dem Theile der allgemeinen Fascia superfieialis, welcher
1) Vagina vasorum cruralium. Exfascia transversa Piragoff.
2) Septum vaginae vas. eruralium Linhart.
7
Fascie der unteren Extremität. 307
die Schenkelgegend bekleidet, nennen will, hat die Aufgabe, die Gebilde
zuzudecken, welche auf die Muskeln, die ihre Faseie aus dem Becken mit-
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Fascie der Vorderfläche des Schenkels, Leisten- und
äusserer Schenkelring. * Spina iliaca ant. sup. Ac Ar-
eus eruralis. Cs, Cü Crus. sup. und inf. des äusseren
Leistenringes. Sar Oberflächliches Blatt der Scheide
des M.sartorius. Tf Desgleichen des M.tensor fasciae.
1 Vordere Wand des Schenkelkanals. 2, 3 Oberes, un-
teres Horn der Tncisura faleiformis. 4 V. cruralis, die
V. saphena maj. dieht an der Einmündungsstelle abge-
schnitten.
bringen, zu liegen kom-
men. Diese Gebilde sind,
in der Richtung vom la-
teralen zum medialen
Rande gezählt, der M.
tensor fasciae, sartorius
und die Gefässstämme in
ihrer Scheide. Man kann
sich demnach das ober-
flächliche Blatt der Fascie
unter dem Bilde einer
Schürze vorstellen, welche
mit ihrem oberen Rande
an die Sehne des M. obliq.
abd. ext. von der Spina
iliaca ant.sup. an bis zum
medialen Ende des Schen-
kelbogens angeheftet ist,
sich über die genannten
- Muskeln und Gefässe hin-
abzieht und zur Seite der-
selben und zwischen ihnen
mit der tiefen Fascie zu-
sammenhängt. Insbeson-
dere bilden die Abtheilun-
gen des oberflächlichen
Blattes, welche den M.
tensor fasciae und sarto-
rius überziehen, in Ver-
bindung mit der tiefen
Fascie Fächer oder Schei-
den, welche genau nach
den Muskeln geformt sind;
das oberflächliche Blatt
der Scheide des M.tensor
faseiae fliesst mit dem tie-
fen an der nämlichen Stelle
zusammen, an welcher der
Muskel in das tiefe über-
geht; das oberflächliche
Blatt der Scheide des Sar-
torius erstreckt sich mit
diesem Muskel bis unter-
halb des Kniegelenkes. Zu
einem ähnlichen, platt comprimirten Fach, in welchem aber die Gefäss-
stämme nur locker eingeschlossen sind, verbindet sich der Theil des ober-
20*
Schenkel-
kanal.
Aeusserer
Schenkel-
ring.
308 Faseie der teren Extremität.
flächlichen Fascienblattes, welcher vor den Gefässstämmen niederhängt, mit
der tiefen Fascie (Fig.155). Dies Fach grenzt lateralwärts an die Scheide des
Sartorius, medianwärts ist es durch die Anheftung des oberflächlichen Blattes
an die Fascia pectinea begrenzt, abwärts, in der Gegend, wo der Sartorius
vor den Gefässstämmen des Schenkels vorübergeht, endet es mit einer Oeff-
nung, welche vollständig von den Gefässstämmen ausgefüllt wird, die an
eben dieser Stelle die tiefe Fascie durchbohren, um zwischen die tiefen
Muskeln einzudringen. Auf dieses Fach muss der Name Schenkelkanal,
Canalis eruralis, wenn er überhaupt einen Sinn haben soll, bezogen werden.
Der Schenkelkanal ist demnach der Raum zwischen beiden Blättern der
Schenkelfaseie, in welchem die Gefässstämme abwärts verlaufen, bevor sie
sich zwischen die Muskeln vertheilen; er hat eine obere oder Eingangs-
öffnung, den inneren Schenkelring; die eigentlich entsprechende untere oder
Ausgangsöffnung wird, da sie fest um die Gefässe schliesst, nicht weiter
beachtet und nicht benannt. Den Namen des äusseren Schenkelringes!)
hat man dagegen nach Hesselbach einer grossen ovalen Lücke in der
vorderen Wand des Kanals ertheilt, welche zu Gunsten einer in die Vena
cruralis einmündenden Hautvene, der V. saphena, angelegt ist, aber auch
den Brüchen, welche durch den inneren Schenkelring in den Schenkelkanal
hinabgleiten, den Austritt gestattet. Den grössten Theil des Randes dieser
Lücke bildet ein tiefer, halbmond- oder sichelförmiger Ausschnitt, Incisura
faleiformis. des medialen Randes des oberflächlichen Fascienblattes?); der
Ausschnitt wird zum Ringe vervollständigt durch eine in Gedanken über die
Fascia pectinea gezogene, das obere und untere Ende (Horn) des Aus-
schnittes verbindende Linie (Fig. 154. 155). Die Schärfe des Ausschnittes, die
Weite und in geringem Maasse auch die Stellung des äusseren Schenkelringes
sind verschieden. Sein längster Durchmesser ist vertical oder mit dem oberen
Ende medianwärts geneigt; sein lateraler Rand liegt auf dem lateralen Rande
der V. cruralis oder weicht mehr oder weniger lateralwärts zurück, so dass
er die Vene und selbst einen Theil der Arterie frei lässt. Oft ist es schwer,
den Rand der Ineisura faleiformis von dem Bindegewebe der Fascia super-
fieialis zu sondern; mit dem oberen Ende geht die Incisur vom unteren
Pfeiler des Leistenringes oder von der vorderen Fläche des Gimbernat’schen
Bandes, in den meisten Fällen aber von der Fascia pectinea aus, höher oder
tiefer, bald medianwärts neben dem Gimbernat’schen Bande, bald unterhalb
desselben von der vorderen Fläche des Schenkels 3). Ist das obere Horn
\) Orifice anterieur du canal crural Breschet. Lacuna externa vasorum eruralium.
Saphenous opening Gay (On femoral rupture, Lond. 1848, p- 9.). ’
”) Welches deshalb (nach Allan Burns) Processus faleciformis genannt wird. Die
Fossa ovalis aut. entspricht der lateralwärts neben der Jncisura Jeleiformis befindlichen
Vertiefung.
®) Daher schreiben sich die Verwechselungen des Gimbernat’schen Bandes und des
sogenannten Processus faleiformis. Scarpa’s Lig. triangulare Gimbernati ist das obere Horn
der Ineisura faleiformis. Ebenso erklärt Seiler das Gimbernat’sche Band für eine Fort-
setzung des Proc. faleiformis. Der Name Femoral ligament bei Hey (Practical obser-
vations in Surgery, Lond. 1803, p. 153) bezieht sich auf das obere Horn des Processus
falciformis in dem Falle, ‘wo dasselbe den inneren Schenkelring begrenzen hilft. Densel-
ben Fall haben Gay (Erklärung zu Taf. II, g) und Nuhn (Heidelb. med. Annal. Bd. XII,
p- 281) im Auge, wenn sie an dem Lig. Gimbernati, zwei Abtheilungen, eine Bauch-
und eine Schenkelportion nach Nuhn, unterscheiden.
Fascie der unteren Extremität. 309
der Inc. faleiformis neben dem Gimbernat’schen Bande befestigt, so begrenzt
es medialerseits die Oeffnung, aus welcher Schenkelhernien hervortreten ;
setzt es sich tiefer unten auf der Fascia pectinea fest, so verbirgt sich das
Gimbernat’sche Band hinter ihm; das obere Horn der Inc. faleif. bildet als-
dann eine erste, das Lig. Gimbernati eine zweite, tiefere Coulisse an der
medialen Seite der Hernie; eine dritte, lateralwärts über das Gimbernat’sche
Band vorspringende Coulisse stellt nicht selten der Schambein - Ursprung
des Lig. inguinale int. laterale (Fig. 154 tel) dar. Oft treten alle drei zu einem
einfachen Blatte zusammen, indem, wie erwähnt, die Insertion des oberen
Horns der Ineisura faleiformis auf die Vorderfläche des Gimbernat’schen Ban-
des hinaufrückt und das Lig. inguinale int. laterale sich an seinem Ursprung
von der Faseia pectinea mit der Insertion des Gimbernat’schen Bandes an
diese Fascie verwebt. Ohne Zweifel kann jede jener Coulissen, je nachdem
sie im einzelnen Falle weiter in den Schenkelring vorspringt, die Einschnü-
rung von Brüchen bedingen.
Wie die Fascia superficialis, indem sie von der Vorderfläche des Un-
terleibs zum Schenkel niedersteigt, an das Lig. inguinale ext. und den Schen-
kelbogen angeheftet ist, wurde schon bei der Beschreibung der Bauchmus-
keln erörtert; in dem Bindegewebe, welches diese Anheftung vermittelt,
verlaufen die Vasa epigastrica superfieialia von den Schenkelgefässstämmen
aufwärts zur vorderen Fläche der Bauchwand. Unterhalb der Leistenfurche
deckt die Faseia superfieialis den Theil der Schenkelgefässstämme, der im
äusseren Schenkelringe frei liegt, hüllt die Vena saphena und die übrigen
durch den Schenkelring eintretenden Gefässe nebst den zahlreichen Saug-
aderdrüsen dieser Gegend ein und ist von dem Rande der Ineisura faleifor-
mis, je nach der Schärfe desselben, mehr oder minder leicht zu lösen 1).
Wegen der Verschiedenheit der Beckenform zeigen die zum Schenkel-
ringe gehörigen Gebilde je nach den Geschlechtern verschiedene Dimensio-
nen. Der Schenkelbogen steigt bei dem Manne etwas steiler mit dem in-
neren Ende abwärts; der innere Schenkelring ist in weiblichen Körpern
weiter, der Schenkelkanal ist ebenfalls weiter, aber kürzer, der äussere
Schenkelring liegt daher dem Schenkelbogen näher. Die Entfernung seines
oberen Randes vom Schenkelbogen beträgt im Allgemeinen zwischen 3 und
18‘, die Höhe des äusseren Schenkelringes 6 bis 10’, die Länge des Ka-
nals 6 bis 15° (Cloquet).
Die Fascie des Oberschenkels ?) ist am mächtigsten an der vorderen
und lateralen Fläche, schwächer an der hinteren Fläche und sehr zart am
oberen Theile der medialen; an der vordern und lateralen Fläche besteht
sie aus zwei einander rechtwinkelig kreuzenden Faserlagen, einer äusseren,
verticalen, und einer inneren, kreisförmigen, von welchen die letztere die
stärkste ist. Eine ansehnliche Verstärkung erhält die Faseie durch die Aus-
‘strahlung der oberflächlichen Schichte der Sehne des M. gluteus maximus,
indess sie, entsprechend der Insertion der tiefen Sehnenfasern dieses Muskels
!) Der vor dem Schenkelringe ausgespannte Theil der Fascia superficialis, welcher
nach Entfernung der Gefässe und Saugaderdrüsen netzförmig durchlöchert erscheint, ist
die Lamina cribrosa s. Fascia eribriformis aut. Lamina eribrosa fasciae latae Thomson.
Septum erurale ext. Petrequin.
2) Fascia lata aut.
Ober-
schenkel.
MR
310
an 8
die
Fascie der unteren Extremität
der Hinterbacke entsteht (Fig. 156).
SIR
SIEST
ISTTIRÄÄRRÄN
= SIIIIII III
III
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III
ZI
SS
Ir
II
OÖberschenkcelfascie, hintere Fläche.
s Schenkelbein, gegen diesen Knochen herangezogen wird, wodurch
esonders beim aufrechten Stehen deutliche Grube an der Seitenfläche
Unter den Blättern, welche
die Oberschenkelfaseie zwischen
den Muskeln in die Tiefe sendet,
zeichnen sich zwei durch ihre
Stärke und durch ihren Zusam-
menhang mit dem Knochen aus,
die Zigg. intermuscularialaterale
undmediale 1). Indem sie beider-
seitshinterdermedialen und late-
ralen Portion des M. vastus sich
vorwärts wenden, verschmelzen
sie mit deren Sehnen, setzen sich
mit ihnen an die betreffende
Lippe der Crista femoris an und
begrenzen demnachmiteinander
den Raum, in welchem die Ad-
ductoren und Beugerliegen. Zu-
gleich nimmt das Lig. intermus-
culare mediale an der Bildung
des fibrösen Kanals Theil, in
welchem die Art. und Vena cru-
calis mit dem N. saphenus major,
nachdem sie den Canalis eruralis
verlassen haben, verlaufen. Je-
nerKanal ist seiner Anlage nach
und äusserlich dreiseitigprisma-
tisch (Fig. 136),im Inneren aber
durch eine dichte Bindegewebs-
lage gleichsam gefüttert und von
eylindrischem Lumen. Als hin-
tere Wand desselben dient die
Sehne, oben auch noch das
Fleisch der Adductoren, und in
dieser Wand findet sich auch der
Schlitz, durch welchen die Ge-
fässe aus dem Kanale rück wärts
aus- und in die Fossa poplitea
treten. Laterale Wand ist das Lig. intermuseulare, welches, wie erwähnt, hier
zugleich Ursprungssehne des Vastusist. Diemedialeund vordere Wandbildetder
Theil des tiefen Blattes der Schenkelfascie, welcher vor den Adductoren und
hinter dem Sartorius als hintere Wand der Scheide des letzteren hinzieht. Dies
Blatt geht nämlich von den Adductoren vor den Gefässen her zum Lig. in-
e) Günther's Lig. suspensorium ossis femoris (Chirurg. Muskellehre, S. 143) ist die
Fzscie in Verbindung mit dem von der Spina iliaca ant. sup. entspringenden Sehnenblatte,
von welchem die Muskelfasern des Tensor faseiae und Gluteus med. abgehen.
Fascie der unteren Extremität. 311
termuseulare; es verlässt die Adductoren längs des medialen Randes des
Gefäss- und Nervenbündels in einer ziemlich geraden verticalen Linie, welche
noch auf dem Fleische des Adductor long. und magnus beginnt und auf
dem unteren Schenkel des Sehnenbogens des Adductor magnus endet.
Gegen das Knie verbindet sich die Fasceie innig mit den beiden Por-
tionen des Vastus und hängt fest mit dem Bindegewebe, welches deren
Bündel sondert, zusammen. Wie die verticalen Fasern der vorderen Fläche,
gegen die Mittellinie des Schenkels convergirend, als Verstärkungsschichten
der Kniegelenkkapsel, sich an die Tuberosität der Tibia anheften und
zum Theil schleifenförmig in einander übergehen, wurde bereits in der Bänder-
lehre (S. 143) beschrieben. Weiter lateralwärts endet ein Theil der verti-
calen Fasern der Fascie I) an einem Höcker der Tibia über dem oberen
Tibiafibulargelenke (Fig. 157**). An der hinteren Fläche des Kniegelenkes
spannt sich die Fascie von den Beugemuskeln aus quer über die Fossa popli-
tea und setzt sich abwärts geradezu über die Wadenmuskeln fort (Fig. 158);
man muss diesen Theil derselben mit dem Namen eines oberflächlichen Blattes
belegen, da ein anderes, tiefes, unter (vor) den Gefässen der Kniekehlengrube
mit dem M. popliteus am Oberschenkel entspringt und sich auf (hinter) der
tiefen Schichte der Beugemuskeln bis zum Knöchelgelenk erstreckt.
Während so ein grosser Theil der Fascie ohne Unterbrechung vom
Ober- auf den Unterschenkel übergeht, treten am Unterschenkel von mehreren
Seiten neue Faserzüge hinzu, gewissermaassen zum Ersatz für die in der Um-
gebung des Kniegelenkes abgegebenen. Mit einem starken Fascikel, unter
welchem der N. peroneus durchgeht, entspringt die Unterschenkelfascie vom
Köpfchen der Fibula. Von der Sehne des Biceps, sowie medialerseits von
den Sehnen des Sartorius, Gracilis und Semimembranosus zweigen sich
Fasern ab, um sich ab- und rückwärts der oberflächlichen Fascie der Waden-
gegend beizumischen (Fig. 157). Von der vorderen und hinteren Kante der
medialen Fläche der Tibia, an welche die Fascie angewachsen ist, gehen
transversale Fasern in dieselbe über; mit der Fibula steht sie durch das Lig.
intermusculare fibulare (s. S. 273) in Verbindung. Auch am Unterschenkel
ist sie mächtiger auf der Streckseite als auf der Beugeseite.
Beim Uebertritte vom Unterschenkel auf den Fuss vereinigt sich zu-
vörderst die oberflächliche Fascie der Beugeseite mit der tiefen zu einem
einfachen Blatte, indem sie von beiden Rändern der Achillessehne, mit der
sie genau zusammenhängt, gerade vorwärts zu den Knöcheln zieht, fest aus-
gespannt über das fetthaltige Bindegewebe, welches den Raum zwischen der
Achillessehne und den Sehnen der tiefen Beuger einerseits, der Fibularmus-
keln andererseits erfüllt. Ueber und vor der Rinne des inneren und äusseren
Knöchels ist die Fascie an den Knochen angewachsen dadurch, dass eine
innere Faserlage sich ansetzt, und unmittelbar darunter neue Faserzüge ent-
springen. Sie stellen am medialen Knöchel ein fächerförmig vom Knöchel
abwärts ausstrahlendes Band dar, das Lig. laciniatum!), welches mit der
hinteren Ecke am Fersenbeine, mit dem vorderen oberen Rande an dem me-
dialen Rand des Schiffbeins befestigt ist, zwischen diesen Anheftungspunkten
V) Lig. üleo-tibiale H. Meyer.
®) Lig. laciniat. tarsi s. annulare int. aut. Innercs Zipfelband,
Unter-
schenkel.
312 Fascie der unteren Extremität.
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Fascie des Unterschenkels, Rückseite. *
Eintrittsstelle der Vena saphena minor.
Fascie des Unterschenkels, Vorderseite. pi Lig.
patellare inf. Ta Sehne des M. tibialis ant.
Edl, Ehl Sehne desM. ext. dig, long. und hall.
long. FF Fibularmuskeln. ? Lig. transversum.
er Lig. eruciat. * mediale Fläche der Tibia. **
Fasern der Oberschenkelfascie, welche sich an die
Tuberosität.d. Tibiabefestigen. *** Ausstrahlung der
SehnendesM. sartorius, gracilisu. semitendinosus.
Fascie der unteren Extremität. 315
aber continuirlich an die Fascie der hinteren Fläche des Unterschenkels, der
Fusssohle und des Fussrückens sich anschliesst. Das Lig. laeimiatum giebt
von seiner inneren Fläche zwischen Fersenbein und Knöchel Muskelbündel
zum Abductor hallueis ab; es sendet einen Fortsatz in die Tiefe zum unteren
Rande der Tibia, welcher von hinten her die Scheide für die Sehnen des
M. tibialis post. und flex. dig. comm. long. schliesst. Das vom lateralen Knöchel
zutretende Fascikel ist ein stärkeres, aber schmales, plattes, ab- und rück-
wärts gegen das Fersenbein verlaufendes Band, ‚Retinaculum peroneorum sup.,
welches mit der Rinne des lateralen Knöchels denRing, in dem die Fibular-
muskeln gleiten, schliesst (vergl. S. 279).
Auf der Vorderfläche des Unterschenkels erscheint, noch oberhalb des
Knöchels, ein Zug transversaler Fasern wie ein breites oder vielmehr hohes,
der Fascie eingewebtes Band, Lig. /ransversum eruris!), welches zwischen
der vorderen Kante der Tibia und der Vorderfläche und lateralen Kante der
Fibula verläuft, um die Fascie über den Sehnen der Streckmuskeln, die sie
niederzuhalten hat, zu verstärken (Fig. 157). Einen ähnlichen Dienst leistet
ein schmaleres und selbständigeres Band, welches unmittelbar vor dem
Knöchelgelenke schräg vorüberzieht und unpassend den Namen eines Lig.
erucialum eruris 2) führt; es hat vielmehr die Form eines A, bestehend aus
einem längeren Schenkel, der vom lateralen Fussrande zum medialen Knöchel
reicht, und einem kürzeren Schenkel, der vom medialen Fussrande entspringt
und sich an die Mitte des längeren ansetzt (Fig. 157). Richtiger zerlegt man
es in einen lateralen Schenkel und in zwei mediale, welche letzteren, der
Eine vom Knöchel ab-, der andere vom Fussrande aufsteigend, gegen den
Fig. 159. medialen convergiren
und mit ihm zusammen-
fliessen. Der laterale
Schenkel istnämlich eine
Art Schlinge, in welche
die Strecksehnen neben
einander eingeschlossen
„sind; diemedialen Schen-
kel sind platte Retina-
cula, die das obere Ende
dieser Schlinge an den
medialen Rand des Un-
terschenkels und Fusses
Ursprung des Lig. eruciat. am lateralen Knöchel tcp Lig. befestigen. Die Schlinge
talo-calcaneum post. cf Lig. calcaneo-fibulare. TA Tendo entsteht mit zwei platten
Achillis. Adbg M. abductor dig. quinti. Pel, Peb Inser- Wurzeln, die den Ur-
tionssehnen des M. peron. long. u. br. EE kuze Streck- \
muskeln der Zehen. 1, 2 Retinaculum peron. inf. beide sprung der kurzen Zehen-
Fächer geöffnet. 3, 4 oberflächl, und tiefe Wurzel des streckmuskeln zwischen
Lig. eruciat, sich fassen, einer ober-
flächlichen (Fig. 159.3.) zwischen dem Ursprunge des Retinaculum peroneorum
)) Lig. tramsv. tibiae. Lig. vaginale cruris s. lübiae,
2) Lig. eruciatum tarsi. Lig. annulare ant,
20**
Fuss.
314 Fascie der-unteren Extremität,
inf, und dem lateralen Rande der hinteren Gelenkfläche des Fersenbeins,
und einer tiefen (Fig.159.4) vom vorderen Rande dieser Gelenkfläche aus dem
Sinus tarsi. Medianwärts neben dem Ursprunge desM. extensor hallueis br.
zusammentretend, erzeugen diese beiden Wurzeln ein mächtiges Band, dessen
Fasern, indem sie wiederholt ooförmig je in eine oberflächliche und tiefe
Lage auseinanderweichen und wieder zusammenfliessen, zwei platte Ringe
darstellen, von welchen der erste die Sehnen des M. ext. dig. long. und des
M. peron. tertius, der zweite in zwei, durch ein sagittales Septum getrennten
Fächern neben einander die Sehnen des M. ext. hall. long. und des M.
tibial. ant. einschliesst ).
Jenseits des Ringes, durch den die letztgenannte Sehne gleitet, setzt
sich die Schlinge, wie erwähnt, in die zwei platten medialen Schenkel fort,
von denen der obere, in der Flucht der Schlinge, an den medialen Knöchel,
der untere unter einem spitzen Winkel ab- und zur medialen Fläche des
Schiffbeins geht. Die äussere Fläche dieses ganzen Apparates haftet an
der Fascie; seine innere Fläche ist durch ein fettreiches Bindegewebe und
durch die zum Fussrücken verlaufenden Gefäss- und Nervenstämme von der
Kapsel des Knöchelgelenks geschieden (Bdl. Fig. 139) und zu beiden Seiten
des Gefäss- und Nervenbündels durch zarte sagittale Bindegewebsblätter an
die Aussenwand der Gelenkkapsel angeheftet; so dient die Schlinge, indem
sie mit der Contraction der Streckmuskeln gehoben wird, zugleich dazu, das
Aufspringen der Strecksehnen zu mässigen, den Gefässen Luft zu schaffen
und die Kapsel von den artieulirenden Flächen der Knochen abzuheben.
Var. Das Lig. cruciatum soll zuweilen vollständig kreuzförmig werden, in-
dem der am medialen Fussrande entspringende Schenkel sich über die ne
stelle hinweg zum lateralen Knöchel fortsetzt.
Auf dem Rücken des Fusses finden sich, wie aufdem Rücken der Hand,
zwei Fascienblätter, ein oberflächliches, welches die Strecksehnen einwickelt,
und ein tiefes, welches sich von den Mittelfussknochen über die Mm. interossei
spannt und Bündeln der letzteren zum Ursprunge dient.
Die Plantarfascie ist ebenfalls im Wesentlichen der Fascie der Hohlhand
ähnlich, ebenso aus zwei, jedoch bedeutend mächtigeren Schichten, einer äus-
seren longitudinalen und einer inneren transversalen, zusammengesetzt, von
welchen die innere erst in der Nähe der Zehengelenke recht zusammen-
hängend und zwischen den auseinander weichenden Fascikeln der äusseren
sichtbar wird. Eine dem Fusse eigenthümliche Querfaserschichte liegt an
der Ferse auf der Aussenfläche der longitudinalen. Neben der eigentlichen
mittleren, der Palmarfascie entsprechenden Aponeurose, welche am Fersen-
beine entspringt und am Ursprunge mit der Sehne des M. flexor digit. brevis
untrennbar verschmolzen ist?), erhält aber am Fusse auch der Ueberzug des
M. abductor dig. quinti eine glänzende, sehnige Beschaffenheit und bildet
einen lateralen Theil der Plantarfascie, der sich gegen die Mitte der Länge
des Fusses verliert °). Beide Abtheilungen sind durch eine Furche ge-
=) Retzius Lig. fundiforme tarsi (Müll. Arch. 1841, $S. 497, Taf. XVII. Fig. 2)
entspricht der tiefen Wurzel und dem lateralen Fache dieser Schlinge.
?) Aponeurosis plantaris media aut. ”
®) Aponeurosis plantaris ext. aut.
Fascie der unteren Extremität. 315
schieden, welche dadurch entsteht, dass von der eigentlichen Plantarfascie
Bündel ein- (auf-) wärts zum Lig. caleaneoeuboid. und zur Tuberosität des
fünften Mittelfussknochens gehen (Fig. 149). Ebenso steht am "medialen
Fussrande die Plantarfascie zwischen den Sehnen der Beugemuskeln und
dem M. abductor hallueis mit Sehnenfasern des M. tibialis postieus und
also mittelbar mit Knochen der Fusswurzel in Verbindung (Bdl. Fig. 152 *).
Das Verhalten der Fascie an den Zehentarsalgelenken und an der
Beugefläche der Zehenphalangen gleicht in allen Punkten dem Verhalten
der entsprechenden Theile der oberen Extremität.
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