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Full text of "Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen"

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ig Die "Herausgabe einer Uebersetzung in lmeseideker und enger Sprache 
sc joe in B-agnsgee Sarachon wird von uns vorbehalten. 
’ el Vieweg und Sohn. 


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HANDBUCH 


DER 


ANATOMIE 


MENSCHEN. 


VON 


De. J- HENLE, 


FE 
Professor der Anatomie in Göttingen. 


® IN DREI BÄNDEN. 


ERSTER BAND. ERSTE ABTHEILUNG. 


Lg KNOCHENLEHRE. 


MIT ZAHLREICHEN IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN. 


BRAUNSCHWEIG, 


DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN. 


1855. 


HANDBUCH: 


- DER 


KNOCHENLEHRE 


DES 


MENSCHEN. 


2-D. 


VON 


Dr. J. HENLE, 


Professor der Anatomie in Göttingen. 


MIT 290 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN. 


BRAUNSCHWEIG, 


DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN. 
1,3503. 


* “ . re 


Holzschnitte 
aus dem xylographischen Atelier 
von Friedrich Vieweg und Sohn 
in Braunschweig. 


Bra p ner 
aus der mechanischen Papier-Fabrik 
der Gebrüder Vieweg zu Wendhausen 
bei Braunschweig. 


Vorrede 


Wenn zu der grossen Zahl anerkannter anatomischer Handbücher 
ein neues sich gesellt, so muss es darauf gefasst sein, mehr verwun- 
derten und fragenden Blicken, als solchen, aus welchen die Befriedi- 
gung eines „tief gefühlten Bedürfnisses“ leuchtet, zu begegnen. Ist 
es nun auch des Buches eigene Sache, sich über seine Existenz zu 
rechtfertigen, so mag es doch dem Verfasser gestattet sein, die Mo- 
tive und die aus denselben hervorgegangene Einrichtung des Unter- 
nehmens mit einigen Worten anzudeuten. 

Dass nicht das thatsächlich Neue zur Mittheilung drängte, wird 
man gern glauben. Obgleich die Meinung, dass die specielle Ana- 
tomie eine abgeschlossene Wissenschaft sei, Jahr für Jahr durch mehr 
oder minder bedeutende Entdeckungen widerlegt wird; obgleich selbst 
auf der viel begangenen Heerstrasse der Osteologie noch hier und 
da ein Fund den aufmerksamen Wanderer lohnt: so ist doch das, was 
wir hinzufügen, verschwindend klein gegen die Masse des von lange 
her Ueberlieferten. Wenn der Verfasser die Gunst, nach welcher er 
strebt, sich erwirbt, so muss er sie der Methode der Darstellung 
verdanken. 

Die Tendenz des Buches ist eine praktische. Ich verstehe aber 
unter einer praktischen Behandlung der Anatomie weder die Bevor- 
zugung der für den Arzt wichtigeren Körpertheile, noch eine gelegent- 
liche Hinweisung auf Operationsregeln und Aehnliches, sondern eine 
Weise des Vortrags, welche für alle praktischen Fälle ein Bild des 
Gesehenen in der Phantasie des Beschauers und Lesers zurücklässt. 
Auf dieser Tendenz beruht die Verwebung des Textes und der Figu- 
ren, die deshalb eine unerlässliche war, weil der Text das Auge des 
Lesers zu den abgebildeten Formen leiten will und die Abbildungen 


VI r Vorrede. e 


die im Text gegebene Anregung, beschriebene Formen sich vorzustel- 
len, unterstützen sollen. Der Text konnte deshalb weder so kurz, 
noch so an sich fasslich eingerichtet werden, als man es von Hülfs- 
mitteln des ersten Unterrichts erwartet; ich habe aber die Hoffnung, 
dass die Beschreibung in dem Maasse, wie sie das Verständniss der 
Figuren fördert, sich selbst überflüssig machen werde. 

Die Abbildungen sind um ein gutes Theil eleganter, aber nicht 
viel complieirter, als diejenigen, weiche der Verfasser seit Jahren bei 
anatomischen Demonstrationen an die Tafel zeichnet und seinen Zu- 
hörern nachzuzeichnen zumuthet. Abgesehen davon, dass diese Ein- 
fachheit der Figuren eine Bedingung war, um in der Zahl derselben 
unbeschränkt zu sein, so glaube ich dadurch auch die Auffassung des 
Wesentlichen erleichtert zu haben. Die Abbildungen der Knochen 
wollen nicht mit denen von Albin oder d’Alton verglichen werden; 
sie bescheiden sich, in malerischer Wirkung selbst hinter den Holz- 
schnitten der. englischen und französischen Taschen - Anatomien zu- 
rückzustehen. Als Muster schwebte mir der Charakter architektoni- 
scher Zeichnungen vor, welche von Licht und Schatten nur so weit, 
als zur Andeutung der Form nothwendig ist, Gebrauch machen, die 
Verschiedenheiten des Materials durch conventionelle Strichweisen 
ausdrücken, von allen Zufälligkeiten der Wirklichkeit absehen und so 
freilich gerade auf Alles verzichten, was ein Architekturbild pittoresk 
machen kann. Ebenfalls nach dem Vorbilde des Architekten habe ich 
mein Object mit Hülfe von Durchschnitten zu erläutern gesucht. Es 
ist zur ÖOrientirung in diesen Durchschnitten nicht unwesentlich, dass 
sie sich mühelos auf einander und auf die Facade beziehen lassen; 
deshalb wurde immer von Horizontalschnitten die obere, von Schnitten, 
welche den Körper in vordere und hintere Hälfte trennen (Frontal- 
schnitten), die hintere Schnittfläche abgebildet. 

Bei der Verbindung, in welcher Text und Abbildungen zu ein- 
ander stehen, wird man, wie ich hoffe, eine besondere Erklärung der 
letzteren nicht vermissen. Sie ist einigermaassen dadurch ersetzt, 
dass die Einzelheiten mit den charakteristischen Anfangsbuchstaben 
ihrer Namen bezeichnet und die Namen der Einzelheiten, welche man 
auf den Abbildungen zu suchen hat, im Texte durch den Druck aus- 
gezeichnet sind. 

Was nun die anatomische Terminologie betrifft, so bin ich mit 
dem Versuche einer Vereinfachung derselben vorangegangen, den ich 
der wohlwollenden Prüfung der Fachgenossen empfehle. Dass die 
üblichen Benennungen anatomischer Gegenstände nicht immer treffend, 
nicht immer wohllautend, öfters geschmacklos und im Allgemeinen | 


Vorrede. VII 


principlos sind, ist eine von allen Seiten eingeräumte Thatsache. Doch 
ist dies ein Uebelstand, den die Anatomie mit vielen Natur- und 
technischen Wissenschaften theilt und den, bei der Ausbildung, welche 
sie einmal erlangt hat, auch die consequentesten Neuerungen nicht 
mehr beseitigen werden. Ein Uebelstand aber, der die Anatomie 
auszeichnet, ist die Häufung gleichbedeutender Namen für dieselbe 
"Sache. In den übrigen Naturwissenschaften gilt die Synonymie als 
eine Last, deren man sich gern entledigte; sind durch Missgriffe 
einem Körper mehrere Namen zu Theil geworden, so verschwinden 
doch, sobald der berechtigte festgestellt ist, die übrigen aus dem 
Gebrauche. In anatomischen Werken aber, und zwar nicht bloss 
in gelehrten, zieht man obsolete Namen ans Tageslicht; zwei Be- 
nennungen durch ein seu zu verbinden, ist das Wenigste, was der 
anatomische Anstand erfordert, und dies geht so weit, dass die Ent- 
decker selbst ihre Neuigkeiten, wie vornehme Eltern ihre Kinder, mit 
einer Anzahl Namen ausstatten. Ich habe mich für jeden Körper- 
theil immer nur einer und derselben Bezeichnung bedient; gebräuch- 
liche Synonyme sind in Noten unter dem Text angegeben; dass un- 
gebräuchliche in Vergessenheit gerathen, wollte ich, so viel an mir 
liegt, nicht verhindern. 

Unter diesen Umständen aber musste die Wahl des beizubehalten- 
den Namens ein Gegenstand ernster Erwägung sein. Dass nicht das 
historische Princip, wie in den Naturwissenschaften, maassgebend sein 
konnte, liegt auf der Hand: die meisten ersten Namen der Dinge 
‚würden wie ganz neue klingen. Oft gab die Rücksicht auf die Kürze 
oder die Sinnigkeit der Namen den Ausschlag; Benennungen nach 
Gelehrten, wie Antrum Highmori, Canalis Fallopiae und viele andere, 
suchte ich zu vermeiden, schon aus dem Grunde, weil, wie bereits 
"Sömmerring rügt, diese Art anatomischer Ehrenzeichen nur sehr 
selten den trafen, der sie verdient hatte. 

Einer Rechtfertigung bedarf vielleicht die Unbeständigkeit im 
Gebrauche lateinischer und deutscher Kunstausdrücke. Ich bekenne, 
dass es keine unabsichtliche ist. Am wünschenswerthesten wäre mir 
die Durchführung einer neutralen und den Nationen, die sich mit 
unserer Wissenschaft beschäftigen, gemeinsamen, lateinischen Termi- 
nologie gewesen; denn ich vermag nicht, eine Bethätigung des Pa- 
triotismus darin zu erkennen, dass man fremden Völkern den Zugang 
zu dem wissenschaftlichen Erwerb des eigenen erschwert. Aber von 
dem Hepate oder den Oculis zu reden, ist selbst unter Fachmännern 
schon längst nicht mehr möglich; so wird im Allgemeinen, wie das 
Interesse an einer Sache sich verbreitet, der Trivialname unvermeid- 


VIII Vorrede. 


. 


licher, und so sind auch in diesem Buche die vielfach wiederkehren- 
den Dinge deutsch benannt. Die wahrhaften Vortheile an Präcision 
und Kürze, welche in vielen Fällen lateinische Ausdrücke gewähren, 
sollte man sich aber nicht entgehen lassen. Wo unsere Sprache schlep- 
pende zusammengesetzte Wörter bildet, während die lateinische den 
wesentlichen Theil der Bezeichnung als Beiwort zu einem Haupt-. 
wort fügt, welches allenfalls abgekürzt oder weggelassen werden 
darf, da verdient die lateinische unbedingt den Vorzug. Es giebt 
andere Mittel, die Liebe zum Vaterlande und zur Muttersprache zu 
beweisen, als die Opfer an Zeit und Zunge, die man bringt, wenn 
man z. B. statt der oder die Cruralis und statt N., A. oder V. eru- 
ralis Schenkelnerv, Schenkelpulsader und Schenkelblutader spricht 
und schreibt. 

Schliesslich habe ich noch zwei Schriften zu erwähnen, die mir zu 
spät zukamen, um die in denselben enthaltene Belehrung an geeigneter 
Stelle zu benutzen. Horner spricht sich in einer unter H. Meyer’s 
Leitung ausgearbeiteten Dissertation (Ueber die Krümmung der Wirbel- 
säule im aufrechten Stehen. Zürich 1854) ebenso wie Vrolik (siehe 
unten 9. 24) gegen die Richtigkeit der Weber’schen Durchschnitts- 
zeichnung der Wirbelsäule aus; nach Horner liegen das Atlasge- 
lenk, der Körper des neunten Brustwirbels und des dritten Kreuz- 
wirbels in einer Verticalen; in der Form der Wirbelkörper (siehe 
unten S. 32) fand Horner nirgends eine Regelmässigkeit, als an 
den unteren Lendenwirben. Während sonst überall bald hinten, 
bald vorn eine um Weniges verschiedene Höhe sich zeigte, ergab sich 
hier beständig eine stärkere Höhe vorn, eine geringere hinten. 

Aus Huschke’s Werk „Schädel, Hirn und Seele des Menschen 
und der Thiere, Jena 1854“ ist nachzutragen (zu S. 188), dass die 
Alae vomeris sich während des Wachsthums nach hinten ausdehnen: 
noch beim jährigen Kinde bedecken sie nur den vordersten Theil der 
unteren Fläche des Wespenbeinkörpers; im zwanzigsten Jahre er- 
reichen sie die Synchondrose des Hinterhaupts- und Wespenbeins 
(a. a. O. S. 7). Auf die wichtigen Beiträge zur Kenntniss der Al- 
ters-, Geschlechts- und Racenunterschiede des Schädels im Ganzen, 
welche Huschke’s Werk enthält, kann ich hier nur verweisen. 


Göttingen, Februar 1855. 


Der Verfasser. 


Einleitung 


Plan des Körpers ar Wirbelthiere, eheronehre ve Menschen > 


En kuakt, 


Die organischen Systeme 


I. Knochenlehre . 


A. Knochen des Stammes . le 
1. Wirbelsäule, Columna vertebralis 


Wahre Wirbel Bee Re ne er 


2. 
«@. Beugewirbel . 
ß. Drehwirbel 
b. Falsche Wirbel 
«. Kreuzbein, Os sacrum 
ß. Steissbein, Os coceygis 
2. Brustbein, Sternum . .. .» 
3. Rippen, Costae NE 
4. Zungenbein, Os hyoides . 
DuanScchanl Ele Re er: 
1. Hinterhauptsbein, Os oceipitis 
2. Wespenbein, Os sphenoideum . 
3. Siebbein, Os ethmoideum 
4. Stirnbein, Os frontis 
5. Schläfenbein, Os temporum 
6. Scheitelbein, Os parietale . 
7. Oberkieferbein, Os mazillae 
8. Gaumenbein, Os palatinum 
9. Thränenbein, Os lacrymale 
10. Muschelbein, Concha inferior 
11. Nasenbein, Os nai . . . » 
12. Jochbein, Os zygomaticum 2 ee 
13. Pflugscharbein, Vomer. . . » 2. 2... 
14. Unterkiefer, Mandibula 


B. Knochen der Belrsmiläten 
I. Knochen der oberen Extremität 


a. 


b. 


Knochen des Gürtels der oberen Extremität” 
1. Schulterblatt, Scapula 

2. Schlüsselbein, Olavicula . 
Oberarmknochen . 

Armbein, Zumerus . 


Seite 


c. 


Unterarmknochen 


Inhalt. 


1. Ulna, Ellenbogenbein 


2. Radius, Speiche 


d. Knochen der Hand . 


«. Handwuzelknochen, Ossa carpi 


Kahnbein, Os edlem 
Möndben, Os hunatum . : 
Pyramidenbein, Os pyramidale 
Erbsenbein, .Os pisiforme . . - 
Trapezbein, Os trapezium . 
Trapezoidbein, Os trapezoides 
Kopfbein, Os capitatum . . » 
Hakenbein, Os hamatum 


2 I Sau N 


P. Mittelhandkndchen, Ossa metacarpi . 
y. Phalangen £ 


I. Knochen der unteren Extremität . 


a. 


b. 


Knochen des Gürtels der unteren Extremität . 
IHuftbein»#Ostcoraener a ee 
Knochen des Oberschenkels 
Schenkelbein, Femur . 
Unterschenkelknochen . 
1. Patella, Kniescheibe 
2. Tibia, Schienbein . 
3. Fibula, Wadenbein 
Knochen des Fusses ; 
a. Fusswurzelknochen, Ossa tarsi 
1. Fersenbein, Culianeie . 
Sprungbein, Talus . 
Schiffbein, Os naviculare Hange 
Erstes Keilbein, Os cuneiforme primum 


Drittes Keilbein, Os cuneiforme tertium . 
Würfelbein, Os cubordeum 

8. Mittelfussknochen, Ossa metatarsi . 

y. Phalangen . 


nonpwmw 


Zweites Keilbein, Os cuneiforme secundum . 


Einleitung. 


Die menschliche Anatomie ist ein Theil der beschreibenden Natur- 
wissenschaften, ihr Object ist die Erforschung und Darstellung des Baues 
menschlicher Körper. 

Zerschneiden (ivardunew) oder zergliedern müssen wir den Leib, 
um zur Anschauung der in der Tiefe verborgenen Theile zu gelangen. 
Doch ist dieser zunächst liegende Grund nicht der einzige, der uns bei 
anatomischen Operationen leitet und die Methode der Operationen bestimmt. 
Unser Geist bedient sich jenes Mittels, um in seiner Weise sich die Aussen- 
welt anzueignen: er löst den natürlichen Verband, um das an verschiedenen 
Orten zerstreute Gleichartige zusammenzufassen, und zerlegt nach den ihm 
angebornen Kategorien das in Wirklichkeit Unzertrennliche. 

Unzertrennlich ist in der wirklichen Natur die Verbindung der Form 
und der Materie; aber man schildert Formen und verhält sich dabei gleich- 
gültig gegen die Materie, aus welcher die Form gebildet ist, und auf der 
anderen Seite beschäftigt man sich mit den Eigenschaften der Materie, un- 
bekümmert:um die Formen, welche die Natur ihr ertheilt hat. 

Aus dieser Abstraetion gehen die beiden Hauptzweige der anatomischen 
Wissenschaft hervor, die allgemeine und specielle Anatomie. Man 
behandelt organische Körper, wie Werke der Technik oder Architektur, 
zu deren Verständniss eine Einsicht erforderlich ist einerseits in die Form 
der Baustücke, andererseits in die Qualitäten der verwendbaren Materialien, 
der Holzarten, Metalle, Steine u. s. f., Kenntnisse, welche ebenfalls in 
besonderen Fächern der betreffenden Wissenschaften überliefert werden. 
Die oberflächlichste Besichtigung lehrt, dass an verschiedenen Orten oder 
in verschiedenen Theilen des thierischen Organismus Stoffe von gleichen 
Eigenschaften, wie Knochen, Muskeln, Sehnen, Nerven u. s. f. wieder- 
kehren, deren gleichförmige Bruchstücke wir nicht von einander unter- 
scheiden würden und die entweder nur durch ihre relative Lage oder durch 
die äussere Begrenzung, die ihnen vermöge ihrer Lage zukommt, von ein- 
ander abweichen. Die allgemeine Anatomie vergleicht und ordnet diese 
Stoffe; sie lehrt die Qualitäten derselben kennen, durch welche sie die 


Ein- 
theilung. 


I) 


Xu Einleitung. 


Gestalt des Organismus bestimmen helfen; sie schliesst aber in der Regel 
die Erörterung derjenigen Qualitäten nicht aus, vermittelst welcher sie in 
die Bewegungserscheinungen eingreifen, deren Quelle der Organismus ist. 

Die allgemeine Anatomie verdient diesen Namen in doppeltem Sinne. 
Nicht nur umfassen in der Regel die Gruppen der allgemeinen Anatomie, 
die Stoffe, eine Mehrheit von verschieden geformten Organen desselben 
Körpers, sondern es besteht auch zwischen Organismen verschiedener Gat- 
tung in Beziehung auf die der Untersuchung zugänglichen Eigenschaften 
der Stoffe eine grössere Uebereinstimmung als in Beziehung auf die For- 
men, so dass man bei Erforschung der Stoffe statt des menschlichen Kör- 
pers, mit wenigen Ausnahmen, thierische benutzen kann, eine Kenntniss 
der Form aber, wie sie das praktische Bedürfniss fordert, nur aus der 
Anschauung des menschlichen Körpers gewonnen wird. 

Die allgemeine und specielle Anatomie zerfallen jede in zwei Discipli- 
nen, jene wegen der Natur des Objects, diese durch die Methode 
der Darstellung. 

Die allgemeine Anatomie trennt an den Stoffen, welche die 
specielle Anatomie gleichsam als das einfache, rohe Baumaterial ihr zu 
weiterer Untersuchung überweist, in zweiter Linie Form und Materie; 
diese Stoffe interessiren, wie die Baustoffe des Technikers, ausser durch 
ihre elementare Zusammensetzung, auch durch ihr Gefüge, durch die so- 
genannte Textur, deren augenfällige Unterschiede wir mit den Namen des 
Compacten, Porösen, Faserigen, Körnigen u. s. f. bezeichnen. Aus jenen, 
auf dem Standpunkte der speciellen Anatomie einfachen Stoffen gewinnt 
die chemische Zerlegung Mischungsbestandtheile, die mechanische Zerklüf- 
tung Formbestandtheile. Die Mischungsbestandtheile fallen der orga- 
nischen Chemie, insbesondere der Zoochemie, Histochemie, 
zu; der Formbestandtheile bemächtigt sich die Histologie oder Geweb- 
lehre. Insofern sie in feinere und wenigstens zum Theil gleichartige Form- 
bestandtheile, in Kügelchen, Fasern und dergl. zerlegt werden können, er- 
halten die Stoffe, die den Organismus zusammensetzen; den Namen Ge- 
webe; insofern die Gewebe sich in eine bestimmte Form gebracht finden, 
machen sie die Organe aus. Es kann nicht fehlen, dass diese beiden 
Begriffe vielfach in einander spielen und dass, je nach der Fassung der- 
selben, die Grenzen der allgemeinen und speciellen Anatomie willkürlich 
weiter und enger gezogen werden. Ein Körpertheil, welcher isolirt be- 
trachtet, nach Form und Zusammensetzung als specifisches Organ erscheint, 
kann in einem Organ höherer Ordnung die Rolle eines Gewebtheils über- 
nehmen, wie dies z. B. bei den Drüschen der Fall ist, die in der Dicke 
einer Schleimhaut eingeschlossen sind. Da ferner die Untersuchung der 
Form und Oberfläche der Organe, je genauer sie ist, um so tiefer in den 
feineren Bau derselben einführt, während andererseits die Darstellung der 
Formbestandtheile erst dadurch vollendet wird, dass man die Art ihrer 
Zusammenfügung zu Organen nachweist: so ist begreiflich, dass sich spe- 
eielle Anatomen und Histologen häufig auf demselben Gebiete begegnen 
und dass sie nur durch die Richtung, nach welcher sie es durchmessen, 
von einander verschieden sind. Nur in dem Falle wird es beiden Theilen 
leicht, sich zu bescheiden, wenn ein Gewebe entweder in einer Zahl ver- 


u, tee 


Einleitung. XII 


schiedenartig gestalteter Organe, wie Knochen und Muskeln, oder in wech- 
selnden Verhältnissen der Lagerung, wie Gefässe und Nerven, im Organis- 
mus verbreitet ist. Hier findet der Anatom reichliche Arbeit, um die ihn 
‚der Histologe in der Regel nicht zu beneiden pflegt. Gewebe, deren Ver- 
breitungsbezirk gering oder deren Verhalten an verschiedenen Stellen gleich- 
förmig ist, wie das Gewebe vieler Drüsen, der Linse, Hornhaut oder der 
Zähne, Nägel, Haare, Cutis u. s. f,, werden von beiden Theilen mit glei- 
cher Berechtigung für sich in Anspruch genommen. 

Die zwei Diseiplinen, in welche die specielle Anatomie sich spaltet, 
sind die systematische (specielle Anatomie im engeren Sinne des Wor- 
tes) und die topographische Anatomie. In der systematischen Anato- 
mie bilden die Gewebe, in der topographischen die Körpergegenden das 
Eintheilungsprineip. Jene verfolgt die Organe in die verschiedenen Regio- 
nen des Körpers, diese verfolgt von den Regionen aus die verschiedenen 
Organe. Jene verweilt mehr bei der absoluten Form, diese bei. der rela- 
tiven Lage der Körpertheile. Es ist klar, dass die Form nicht ohne Rück- 
sicht auf die Lage beschrieben, die Lage nicht ohne Rücksicht auf: die 
Form verstanden werden kann. Die Verschiedenheit und doch so nahe 
Verwandtschaft, welche zwischen diesen beiden Methoden besteht, lässt 
sich nieht wohl anschaulicher machen .als durch Vergleichung mit den Me- 
thoden einer allgemein zugänglichen, beschreibenden Wissenschaft, der Geo- 
graphie. Auch hier verfährt man topographisch, d.h. man schildert irgend 
einen Fleck der Erde, indem man die Gebirge bezeichnet, die ihn ein- 
schliessen, die Gewässer, die ihn bespülen, u. s. f£. Aber die Namen dieser 
Gebirge und Gewässer bleiben leere Klänge, wenn nicht die systematische 
Beschreibung des Zuges und Zusammenhanges der Gebirge, der Ströme 
und Meere vorausgegangen ist, und wieder benutzt man ausgezeichnete 
und namhafte Localitäten, um in Kürze den Verlauf der Berge und Flüsse 
anzugeben. 

Das Studium der systematischen Anatomie muss dem Studium der 
topographischen vorangehen; die systematische Anatomie setzt ihrerseits 
wieder eine Kenntniss der Regionen voraus, die wir glücklicherweise zum 
grossen Theil schon aus dem gewöhnlichen Leben mitbringen. Die topo- 
graphische Anatomie, wie sie in der Reihe der anatomischen Fächer das 
letzte ist, so steht sie zugleich der praktischen Mediein am nächsten. 
Diagnostische Forschungen sowohl, wie chirurgische Eingriffe gehen von 
der Oberfläche aus, und die Fragen, welche der Praktiker an die Anatomie 
richtet, haben vor Allem den Zweck, die Oberfläche gleichsam durchsichtig 
zu machen. Aus diesem Grunde wird synonym mit topographischer Ana- 
tomie auch der Name chirurgische Anatomie gebraucht, ein Name, 
der nur den Fehler hat, zu eng zu sein, da jene Localkenntniss, die den 
Chirurgen bei der Führung des Messers und bei der Beurtheilung von 
Verletzungen leitet, auch bei der Deutung der Symptome innerer Krank- 
heiten nicht zu entbehren ist. 

Wenn es aber der topographischen Anatomie vorbehalten bleibt, die 
Stücke, in welche der Systematiker den Körper zertheilt, wieder zu einem 
Gesammtbilde zu vereinen, so darf doch auch die systematische Methode 
niemals vergessen, dass das gemeinsame Ziel aller anatomischen Studien 


Methode. 


XIV: 9 Einleitung. 


die Orientirung in dem menschlichen Körper ist, und sie muss sich 
der Mittel bewusst sein, welche zu diesem Ziele führen. 

Die Erfahrung lehrt, dass die wiederholte Anschauung sinnlicher Ob- 
jecte, auch ohne das ausdrückliche Bestreben, sich dieselben einzuprägeng 
die Phantasie mit Bildern füllt, welche zur willkürlichen Reproduction 
solcher Objecte genügen. Finden wir uns in einem bekannten Hause im 
Dunkel zurecht, messen wir ohne Aufmerksamkeit auf einer gewohnten 
Treppe die Höhe und Zahl der Schritte richtig ab, beschreiben wir aus der 
Erinnerung die Einrichtung unseres Zimmers oder die Gestalt unserer 
Freunde: so zeigen wir, dass es möglich ist, auf dem einfachen Wege 
durch das Auge in den Besitz sinnlicher Vorstellungen zu gelangen, welche 
dauerhaft und bestimmt genug sind, um die objective Wahrnehmung zu 
ersetzen. Die Erfahrung lehrt aber ferner, dass der Besitz an Vorstellun- 
gen, den wir auf diesem Wege erworben zu haben glauben, in vielen 
Fällen nur ein scheinbarer ist; dass das innere Bild in dem Augenblicke, 
in welchem wir es ans Licht zu bringen suchen, zerrinnt; dass an die Stelle 
concreter Eigenschaften ein vershewommenes Etwas getreten ist, das sich 
eben wegen seiner Verschwommenheit nicht beschreiben, sondern nur füh- 
len lässt. Jean Paul sagt (Ergänzungsbl. zur Levana, Vorrede): „Leserin 
liest gar dickste Romane durch, ohne die Namen der Helden und Neben- 
helden anders im Kopfe zu haben, als wie einen verworrenen Namenszug, 
und sie wüsste ihn nicht auszusprechen, wenn man darauf dränge.“ Viel- 
leicht haben sich auch Leser bereits auf ähnlichen Nachlässigkeiten ertappt. 
Dass man über die Farbe der Augen, über die Form der Nase nahestehen- 
der Persönlichkeiten im Unklaren sein kann, werden die Meisten schon 
erfahren haben. Man werfe die Frage auf, wie viel Füsse der Krebs, wie 
viel Zehen die Katze habe, und man wird bemerken, dass über diese und 
ähnliche Punkte in gebildeten Kreisen Meinungsverschiedenheiten bestehen. 
In den Gesichtern einer fremden Bevölkerung erkennt man eine gewisse 
Uebereinstimmung des Typus, die man an den eigenen Landsleuten ver- 
misst; Glieder Einer Familie findet man einander bis zur Verwechslung 
ähnlich und wundert sich bei näherer Bekanntschaft, wie dies möglich ge- 
wesen sei. Alles dies rührt daher, dass die Bilder, die man aus dem un- 
befangenen Verkehr mit der Aussenwelt gewinnt, nur in gröberen Umrissen 
entworfen sind und manches .feinere Detail unausgefüllt lassen. Es giebt 
bevorzugte Geister, oder, richtiger gesagt, Sinne, in welchen die Abbilder 
vorübergehender objectiver Empfindungen mit der Ausführung der Form 
und mit der Intensität der Farbe haften, wie sie die grosse Mehrzahl der 
Menschen nur an Traumbildern kennt. Nur so kann ich mir das Talent 
des Malers erklären, der aus der Erinnerung copirt, dem also das Erinne- 
rungsbild zum Analysiren Stand halten muss, wie es die Wirklichkeit thut. 
Offenbar wäre es eigentlich auch dieses Talent, die Bilder sinnlicher Ob- 
jeete ohne Weiteres in ihrer concretesten Gestalt aufzufassen und aufzu- 
bewahren, welches den Naturforscher und insonderheit den Anatomen macht. 
Da aber die von der Natur in soicher Weise Gesegneten ihre Bestimmung 
eher durch Beschäftigung mit der Kunst als mit der Anatomie zu erfüllen 
glauben, so müssen wir minder günstig organisirten Köpfe auf Umwege bedacht 
sein, auf welchen wir zu Vorstellungen von gleicher Präcision gelangen. 


Einleitung. ; XV 


Das Mittel hierzu ist die Verbindung der sinnlichen Empfindungen mit 
Begriffen, einer Art von subjeetiven Thätigkeiten, welche hier nicht und 
vielleicht nirgends näher definirt werden können und von welchen ich nur 
“ie Eigenthümlichkeit hervorhebe, dass sie jede sinnliche Empfindung, zu 
welcher sie sich gesellen, zu einer entschieden selbstbewussten machen und 

ass sie, ohne jemals den specifischen Charakter der sinnlichen Empfindung, 
der Farbe, des Tons, Geschmacks u. s. f. anzunehmen, sich doch in gleich- 
sam immer engeren Kreisen um die specifische Empfindung zusammen- 
ziehen, bis sie zuletzt zur blossen Copula werden, d. h. zu einem Bande, 
welches eine Anzahl sinnlieher Empfindungen unter sich verknüpft und auf 
ein Einfaches, von welchem sie angeregt werden, zurückbezieht. Die Be- 
griffe Körper, Thier, Säugethier, Fleischfresser, Hund, Pudel geben ein 
Beispiel jener Art von Zusammenziehung um die sinnlich wahrnehmbare 
Wirklichkeit; wenn ich aber an jene Reihe von Worten noch die Bezeich- 
nung „dieser Hund“ oder den Eigennamen eines bestimmten und bekannten 
Hundes anfüge, so nenne ich blosse Laute, Schallempfindungen, die unser 
Geist für identisch zu halten befiehlt mit der Summe sinnlicher. Eindrücke, 
zu welchen der besondere Hund Anlass giebt, Laute, die wir benutzen, 
um mit einem Schlage die Erinnerung an so viele sinnliche Eindrücke wach 
zu rufen. Man kann sich das Behalten einer Melodie erleichtern dadurch, 
dass man sich einprägt, sie gehe im Dreivierteltact, sie beginne im Auftact, 
mit ganzen oder halben Noten, Alles Begriffe, deren Kenntniss dem natur- 
wüchsigen musikalischen Gedächtniss entbehrlich ist. Die Ausdehnung und 
Begrenzung sichtbarer Objeete kann als blosse Ausfüllung eines Theiles 
des Gesichtsfeldes aufbewahrt und reproducirt werden, oder man übersetzt 
die Ausdehnung in Begriffe, wie Gross und Klein oder in Einheiten be- 
stimmter Maassstäbe und die Begrenzung in mathematische Ausdrücke. 
Wenn also, mit einem Worte, die Künstlerphantasie das Bild in seiner 
Totalität auffasst, so löst die ‚Gelehrtenphantasie dasselbe in seine Be- 
standtheile auf, macht diese Bestandtheile einzeln, indem sie sie benennt 
und ordnet und unter Verstandesbegriffe subsumirt, zum Gegenstande des 
Denkens und führt sie dergestalt, förmlich und feierlich, ins Bewusstsein 
ein, um sie endlich wieder zum Gesammtbilbe zusammenzufügen. Dieser 
Gang ist mühsam, aber’ gewährt eine gewisse Sicherheit, dass das Object 
in,all seinen Theilen verstanden und erfasst, werde; freilich führt er auch 
zu einem Abwege, vor welchem zu warnen um so weniger unterlassen 
werden darf, als im Allgemeinen eine gewisse Disposition zur Verirrung 
durch die Art unserer gelehrten Schulbildung begründet wird. 

Die Verirrung aber besteht darin, dass man unterlässt, die Begriffe, 
welche nur die Vehikel sinnlicher Anschauungen sein sollten, wieder in 
"solehe Anschauungen zurückzuübersetzen, dass man dem Gedächtniss, statt 
organischer Formen, schematische Tabellen und, statt Bilder, Namen und 
Ziffern überliefert. Es giebt unter den Lernenden Viele, welche, ohne 
eine bestimmte Vorstellung von dem mikroskopischen Ansehen menschlichen 
Blutes, danach trachten, den Begriff „Blutkörperchen“ mit dem Schall 
„Null Komma Null Null Drei“ zu assosiiren. Aber auch von den Lehren- 
den wird öfters darin gefehlt, dass sie das Bemerkenswerthe mehr aufzählen 
0% und gruppiren, als beschreiben. Die Beschreibung, darüber sind wir Alle 

ur 


xVI Bar: Einleitung. = 
einig, kann niemals die Betrachtung der Naturkörper ersetzen; sie soll 
aber nicht zu einem blossen Verzeichniss der Sehenswürdigkeiten herab- 
sinken, sondern den Beschauer zu den einzelnen Objecten begleiten und 
ihn nöthigen, Auge, Finger und Gedanken an den Formen hinzuführem 
Sie soll das räumlich fertig neben einander Bestehende zeitlich nach ein- 
ander entstehen lassen, weil sie erstens gar nicht anders kann und weil 
zweitens an einem historischen Faden die Thatsachen leichter den Ein- 
gang in eine Phantasie finden, die nicht speciell für Formen organisirt ist. 
Aber nur um dieser Vermittelung willen haben die Worte und Zeichen der 
Beschreibung eine Bedeutung. Wem das Metall der sinnlichen Vorstel- 
lungen zum Transport zu schwer dünkt, mag es in das Papiergeld der Be- 
griffe umsetzen; aber das Papier ist nicht des Aufhebens werth, wenn es 
sich nicht zu seiner Zeit wieder in Metall verwandeln lässt. Anfängern 
erlaube ich mir zur Selbstprüfung, ob ihre anatomischen Kenntnisse diese 
Bedingung erfüllen, ein Mittel vorzuschlagen: sie mögen versuchen, die 
Gegenstände aus dem Gedächtniss zu zeichnen. Was in Worten richtig 
gedacht ist, muss sich in Strichen wiedergeben lassen. Sind wir doch auch 
im gemeinen Leben jeden Augenblick bereit, wenn wir um die Lage eines 
Ortes befragt werden, unsere Auseinandersetzung mit Illustrationen, wenn 
auch allenfalls nur mit einem Spazierstock in Sand gravirt, zu begleiten! 


Plan des Körpers der Wirbelthiere, 
insbesondere 


des Menschen. 


Der Körper des Menschen, wie der Wirbelthiere überhaupt, besteht, Anima- 
auf seine Grundform zurückgeführt, aus zwei parallelen, einander in ihrer yaruatıre 
ganzen Länge berührenden, im Allgemeinen eylindrischen Röhren. Die Röhre 
eine dieser Röhren umschliesst die Centralorgane des Nervensystems, Or- 
gane, an welche vorzugsweise die Functionen des Denkens, Empfin- 
dens und Wollens, die das Thier vor der Pflanze voraus hat, gebunden 
sind; die andere Röhre schliesst die Organe für die Functionen der Ernäh- 
rung und Fortpflanzung ein, die dem Thiere und der Pflanze gemein sind. 

Man kann deshalb jene Röhre die animalische, diese die vegeta- 
tive nennen. 

Bei der dem Menschen natürlichen Haltung sind die Längenaxen beider Axen und 
Röhren senkrecht gegen die Erdoberfläche gestellt; dadurch bestimmt sich "’*" 
das Oben und Unten; die Längenaxe wird zur verticalen (oder per- 
pendiculären); Ebenen und Durchschnitte, welche parallel der Längenaxe 
durch den Körper gelegt oder gedacht werden, nennen wir verticale. Ein 
Durchschnitt, welcher, der Grundfläche parallel und senkrecht gegen die 
verticale Axe, den Körper in einen oberen und unteren Theil scheidet, 
heisst Horizontal- oder Querschnitt, die in dieser Ebene gelege- 
nen Axen heissen horizontale oder Queraxen. Die Ebene, welche 
gleichzeitig beide Röhren senkrecht in gleiche Hälften theilt und also durch 
die Linie, in der’ beide Röhren einander berühren, gelegt sein muss, wird 
die Medianebene des Körpers genannt; sie trennt rechts und links. 

Einen in dieser Ebene geführten Schnitt nennt man Medianschnitt. Durch 
die Lage der Sinnesorgane und durch die Gewöhnung, nach der von ihnen 
beherrschten Richtung zu greifen und zu schreiten, eine Gewöhnung, die 
allerdings auch durch die Mechanik der Bewegungswerkzeuge begünstigt 
wird, gelangen wir zur Unterscheidung von vorn und hinten: die ani- 
malische Röhre ist die hintere, die vegetative die vordere. Ich nenne eine 
Ebene, welche, senkrecht auf die Median- oder Verticalebene gedacht, den 
hinteren Theil des Körpers von dem vorderen trennt, Frontalschnitt 
oder senkrechten Querdurchschnitt. Von den horizontalen Axen 
soll die in der Ebene des Frontalschnittes gelegene den Namen trans- 


Henle, Anatomie. Thl I. 1 


Hauptein- 
theilung. 


2 Plan des Körpers der Wirbelthiere, insbesondere des Menschen. 
versale, die in der Ebene des Medianschnittes und der dem Medianschnitt 
parallelen Schnitte gelegene den Namen sagittale erhalten!); die von 
der vertienlen und sagittalen Axe begrenzten, der Medianebene parallelen 
Ebenen und Schnitte werde ich als sagittale bezeichnen. 

Von den populären, zur Bezeichnung der Dimensionen des Raums 
verwendbaren Ausdrücken hat nur der Begriff der Höhe einen unzweideu- 
tigen Sinn. Was man unter Länge, Breite, Dicke zu verstehen habe, ist 
willkührlich und besonders wegen der relativen Bedeutung, die diesen 
Wörtern anklebt, schwankend. Wir bedürfen derselben aber, wo wir Or- 
gane ohne Rücksicht auf ihre Lage zu den Axen des aufrecht gestellten 
Körpers zu beschreiben haben, und wir bedienen uns derselben alsdann 
gerade in dem relativen Sinne, wo Länge dem grössten und Dicke dem 
kleinsten Durchmesser entspricht. 

Am oberen Ende sind die beiden mit einander verbundenen Röh- 
ren, die animalische und vegetative, unter einem Winkel, der sich einem 

Fig. 1 rechten nähert, nach vorn umgebogen, so dass die 
Endflächen der Cylinder, welche die oberen sein 
sollten, an die Vorderfläche zu liegen kommen, 
Fig. 1. Indem sich die hintere Röhre zugleich, 
entsprechend der Anschwellung des Rücken- 
marks zum Gehirn, halbkugelförmig erweitert, 
bildet sie den Schädel?), CUranium; das obere 
Ende der vegetativen Röhre, welches bei der 
erwähnten Umbeugung an die untere Flä- 
che der animalischen gelangt, wird Gesicht, 
Facies, genannt; beide, Schädel und Gesicht, in 
Verbindung mit einander erhalten den Namen 
Kopf (Caput). Vom Schädel abwärts behält die 
animalische Röhre so ziemlich den gleichen 
Durchmesser und nur gegen das untere Ende 
verjüngt sie sich etwas; die vegetative Röhre, 
überall umfangreicher, ist unmittelbar unter dem 
Kopf am schmalsten und bildet mit dem ent- 
sprechenden Theile der hinteren Röhre den Hals, 
Collum, erweitert sich aber bald wieder zu einem 
Körper von abgeplattet eylindrischer, oben und 
unten verjüngter Gestalt, der in Verbindung mit 
dem entsprechenden Theil der hinteren Röhre 
und im Gegensatz zu Kopf und Hals, Rumpf, 

Tr Truncus, genannt wird. 

Kopf, Hals und Rumpf werden unter der 
Benennung Stamm zusammengefasst, im Gegensatz zu den Extremitä- 


Cr 


\) Die französischen Schriftsteller haben für die Axe, die ich sagittale nenne, die 
Bezeichnung ante@ro-posterieure, Der von mir gewählte Ausdruck ist den Anatomen 
von einer in der Richtung von vorn nach hinten verlaufenden Schädelnaht bereits geläufig 
und ich glaube, dass einer Verallgemeinerung desselben nichts entgegensteht. Deutsch 
liesse sich ‚die sagittale Axe nach der Analogie von senkrecht und wagerecht die 
pfeilrechte nennen. 

2) Hirnschädel. 


Plan des Körpers der Wirbelthiere, insbesondere des Menschen. 3 


ten, welche, zwei obere und zwei untere, aus den Seitentheilen des Rum- 
pfes an dessen oberer und unterer Spitze hervorwachsen, bei den nie- 
dersten Wirbelthieren und, in den ersten Stadien ihrer Entwickelung, auch 
bei den höheren in Form conischer oder abgeplatteter Zapfen, im ausge- 
bildeten Zustande als vielfach gegliederte und gegen die Spitze hin ge- 
theilte Anhänge. 

Die äusseren Theile des Stammes und die Extremitäten sind mit Be- Symmetrie 
zug auf die Medianebene des Körpers symmetrisch gebildet, d. h. die Eine 
seitliche Körperhälfte wiederholt die andere in der Weise, wie das Spie- 
gelbild einer Landschaft im Flusse das Urbild der Landschaft wiederholt: 
die in gleicher Entfernung von der Medianebene diesseits und jenseits ge- 
legenen Theile gleichen einander. Alle neben der Medianebene befindli- 
chen äusseren Organe sind demnach doppelt vorhanden oder paarig; auch 
die Organe, welche die Mitte der vorderen oder hinteren Körperwand ein- 
nehmen und nach populären Begriffen einfach oder unpaarig genannt 
werden, wie Nase, Mund, Brustbein, Harnröhre und dergl., bestehen aus 

© zwei gleichen seitlichen Hälften, und sogar an den unpaaren, fibrösen oder 
‚knöchernen Scheidewänden, welche je zwei in der Medianebene an einan- 
der grenzende Höhlen trennen, wie z. B. an der Falx cerebri, dem Pflug- 
scharbein, finden sich Spuren einer Zusammensetzung aus je zwei, mit 
den einander zugewandten Flächen verschmolzenen Blättern. 

Unter den in den Körperhöhlen gelegenen Organen sind die meisten 
von ebenso regelmässig symmetrischem Bau, wie die Körperwände, doch 
treten bei den symmetrischen Eingeweiden der vegetativen Röhre, wie bei 
den Lungen und Nieren, schon Störungen der Symmetrie bezüglich des 
Umfangs und der Lage ein, veranlasst durch die unsymmetrische Bildung 
anderer, in der gleichen Höhle eingeschlossener Eingeweide. Zu den letz- 
teren gehören das Herz nebst den grossen Gefässstämmen und der in der 
Bauchhöhle gelegene Theil des Verdauungsapparates. In der ersten An- 
lage sind aber selbst diese Organe symmetrisch und es geht die Symmetrie 
erst im Laufe der Entwickelung verloren, bei dem unpaaren Darmrohr 
durch Lageveränderungen, welche Folge der Verlängerung desselben sind, 
bei den paarigen Gefässstämmen durch theilweise und einseitige Oblitera- 
tion. Und wo nach vollendeter Reife an symmetrischen Stellen der Kör- 
perhöhlen ungleichnamige Organe liegen, stellt sich doch ein Gleichgewicht 
durch eine gewisse Aehnlichkeit des Umfanges und der Form her, wie zwi- 
schen Leber und Milz, zwischen Blinddarm und Flexura iliaca coli, zwi- 
schen dem Bogen der Aorta linker- und der Vena azygos rechterseits. 

Die wirklich symmetrischen Organe entsprechen® einander in der Re- 
gel vollkommener, als mit Rücksicht auf die grosse Zahl der Störungen, 
welchen der organische Entwickelungsprocess ausgesetzt ist, erwartet wer- 
den sollte. Es ist meistens nicht schwer, aus einer grossen Zahl von Kno- 
chen verschiedener Skelette die gleichnamigen, je einem Individuum zuge- 
hörigen, herauszufinden. Mathematisch genau aber ist in der That die 

© Symmetrie nirgends: bekanntlich sind fast alle Nasen merklich schief ge- 
stellt und nicht nur die Scheidewand der Nase, sondern auch die der Stirn- 
bein- und Wespenbeinhöhlen weicht nach der einen oder anderen Seite 
aus; es giebt kaum ein Individuum, dessen Augen mit ganz gleichen bre- 


1lE: 


4 Plan des Körpers der Wirbelthiere, insbesondere des Menschen. 


chenden Kräften begabt wären; die Rippenknorpel haften nur selten regel- 
mässig einander gegenüber aın Brustbein; die Lage der Brustwarzen des 
Mannes ist öfters, sowohl was die Höhe als die Entfernung von der Me- 
dianebene betrifft, auf beiden Seiten verschieden. Ziemlich beständig über- 
wiegen die Dimensionen der Organe der rechten Körperhälfte einiger- 
maassen die der linkend). Die vorzugsweise Uebung der rechten Seite 
mag hieran Antheil haben; aber dass man allgemein gewöhnt ist, die rechte 
Seite vorzugsweise zu üben, scheint aus einem angebornen Uebergewicht 
der rechten Körperhälfte erklärt werden zu müssen. 


Eine Verschiedenheit beider Körperhälften stellt sich bei den Embryonen der 
Wirbelthiere schon in den ersten Tagen der Entwickelung dadurch heraus, dass 
sie dem Dotter oder der Nabelblase die linke Körperseite zuwenden, womit die 
rechte von Anfang an freier wird. Mit dieser Lage hängt, wie v. Baer annimmt 
(Entwickelungsgeschichte, Bd. I, S. 51), die asymmetrische Ausbildung der Kreis- 
laufs- und Verdauungsorgane so genau zusammen, dass eine Ursache, welche jenes 
Verhältniss der Lagerung umkehrte, auch zu einer Umkehrung der genannten Ein- 
geweide (Situs inversus) Anlass geben müsste. Iın weiteren Verlaufe ist sodann 
die rechte Seite im Verhältniss zur linken insofern bevorzugt, als die Venenstimme, 
welche das Blut aus der rechten Körperhälfte sammeln, gerades Weges zur rechten 
Vorkammer des Herzens verlaufen, während das Venenblut der linken Hälfte die- 
sen Stämmen auf einem Umweg, durch quer verlaufende Aeste, zugeführt wird. 
Ueber den Einfluss dieser anatomischen Thatsache auf die relative Häufigkeit ge- 
wisser Krankheiten in der Einen oder anderen Körperseite siehe meine rat. Path. 


Ba. II, Abthl. 2, S. 136. 

Bei der Beschreibung der symmetrisch gebildeten Körpertheile macht 
sich das Bedürfniss von Ortsbezeichrungen fühlbar, wodurch das Verhält- 
niss zur Medianebene und die Entfernung von derselben für beide Körper- 
hälften zugleich ausgedrückt wird. Die hergebrachte Weise, die von 
der Medianebene nach der Einen oder anderen Seite entfernteren Punkte 
äussere, und die ihr sich nähernden innere zu nennen, kann Miss- 
verständnisse herbeiführen, weil die Begriffe innen und aussen auch mit 
Beziehung auf die Axe des Stammes und der Glieder und auf einzelne 
Körperhöhlen, ohne Rücksicht auf das Verhältniss zur Medianebene, ge- 
bräuchlich sind. Man vermeidet diese Zweideutigkeit, wenn man die ein- 
ander entgegengesetzten Seitenränder der paarigen Organe mit besonderen, 
den Regionen entsprechenden Namen belegt. So ist an jeder Kopfhälfte 
die Schläfen- und Nasenseite, an der oberen Extremität die Ulnar- und Ra- 
dialseite, an der unteren Extremität die Tibial- und Fibularseite zu unter- 
scheiden. Im Allgemeinen werde ich mich der Ausdrücke lateralwärts 
und medianwärts für die von der Medianebene abgewandte und die 
derselben zugewandte Richtung bedienen; die lateral- und medianwärts 
gewandten Flächen oder Ränder sollen laterale und mediale ?) heissen. 


!) Hildebrandt- Weber, Handbuch der Anatomie des Menschen, Braunschweig, 
1830. Bd. I, S. 122. — F. Arnold, Handbuch der Anatomie des Menschen, Freiburg, 
1844. Bd. I, S. 28. , 

?) Die übliche Adjeetivform, median und mittlere bezeichnet eine absolute Stel- 
lung im Raum. Man bedarf eines Wortes, welches die Annäherung zur Mittellinie in der- 
selben relativen Weise ausdrückt, die auch unsere übrigen Ortsbezeichnungen (vorn, 
hinten, seitlich u. s. f.) besitzen, und ich wähle dazu eine in Vergessenheit gerathene Form, 
welehe bei Solinus vorkommt und wahrscheinlich aus einer Stelle von Plinius her- 
stammt (Salmas. exereit. Plin. p. 166 D.). 


Die organischen Systeme. 5 


Bei dem physiologischen Gegensatz, in welchem die vordere und hin- 
tere Röhre zu einander stehen, ist eine Analogie ihrer Formen nicht zu er- 
warten. Eine solche besteht dennoch, bezüglich der Wände, an dem 
Scehwanzende vieler Wirbelthiere, wo der Inhalt der vorderen Röhre auf 
einen einfachen Blutgefässstamm reducirt ist und eine durch die Mitte des 
Körpers gelegte Frontalebene den letzteren ebenso in zwei gleiche Hälften 
theilt, wie die Medianebene. 

Die Vergleichung des menschlichen Stammes mit einem eylindrischen 
Doppelrohr könnte die Frage hervorrufen, ob nicht auch die einander im 
Längsdurchmesser entgegengesetzten Pole mit Beziehung auf die Queraxe 
symmetrische Bildung entdecken lassen? Schon ein Blick auf den senkrech- 
ten Durchschnitt widerlegt dies und zeigt, dass die animalische Röhre in fast 
eontinuirlichem Gange von Einem Ende zum anderen abnimmt und dass auch 
die Verengungen und Erweiterungen der vegetativen Röhre, entsprechend 
der Reihenfolge physiologisch differenter Eingeweide, eine einfache Reihe 
bilden. Statt einer symmetrischen Stellung zeigt sich in der Längsaxe des 
Körpers vielmehr eine Wiederholung gleichartiger und, wie die Platten- 
paare einer galvanischen Säule, gleichsinnig geschichteter Theile. Bei den 
Gliederthieren ist diese Anordnung schon äusserlich, an der Abtheilung 
des Körpers in Ringe, kenntlich; bei den Wirbelthieren zeigt sie sich 
äusserlich nur in den Extremitäten, von welchen die hinteren eine mehr 
oder minder genaue Wiederholung der vorderen sind. Sie entzieht sich 
dem Auge an dem von der Haut überkleideten Stamme, tritt aber wieder 
an den tieferen Schichten seiner Wände, insbesondere an den Knochen und 
Muskeln hervor. Das cylindrische Rohr zerfällt durch Verknöcherung in 
eine Anzahl auf einander geschichteter Ringe, das ceylindrische Doppelrohr 
in eine Anzahl von Doppelringen. Das Verständniss des organischen Ge- 
bäudes ist wesentlich dadurch gefördert worden, dass wir die einfachen 
Elemente, in welche der Körper gleich wie in Scheiben zerlegt werden 
kann, aufsuchen lernten und dass wir die Metamorphosen verfolgten, welche 
diese Elemente je nach dem physiologischen Bedürfniss der einzelnen Re- 
gionen erfahren. 


Die organischen Systeme. 


An jeder der beiden an einander gelötheten Röhren, deren äussere 
‚Form und Lage im Vorigen beschrieben wurde, ist Wand und Lumen 
Fig. 2. oder Höhle zu unterscheiden. Die Höh- 

; len sind gesondert; die Wände bestehen 
aus verschiedenen Schichten, deren man, 
wenn man vorerst nur den Verlauf und 
nicht das Gewebe in Betracht zieht, drei 
anzunehmen hat, eine innere, mittlere und 
äussere. Der Horizontaldurchschnitt, Fig. 2, 
zeigt, dass die inneren Schichten der Wände 
beider Röhren (durch die punktirten Linien 
angegeben) je einen selbstständigen, die 
Höhle zunächst begrenzenden Köcher dar- 


Wiederho- 
lung in der 
Längenaxe. 


Schichten. 


6 Die organischen Systeme. a 


stellen; sie werden als fibröse und seröse Hüllen der in den Höhlen ein- 
geschlossenen Eingeweide mit diesen Eingeweiden beschrieben. Die Mit- 
Fie. 3. telschichten fliessen an der Berührungsstelle 
Bar: beider Röhren zusammen, gehören also 
Fre RR theilweise beiden gemeinschaftlich an, lassen 
N sich aber noch in Gedanken in zwei selbst- 
ständige Köcher trennen. Diese Schichten 
sind es, welche sich durch ihre Härte und 
Unverweslichkeit auszeichnen und das Ske- 
lett des Stammes bilden. Die äussere 
Schicht erscheint, indem sie sich in der 
ganzen Länge des Körpers, über die Be- 
rührungsstelle beider Röhren von einer zur anderen hinüberschlägt, als ein 
einfacher, beiden iiberall gemeinschaftlicher Ueberzug, welcher durch nichts 
mehr den complieirten Bau der von ihm bekleideten Gebilde verräth. Die- 
ser Ueberzug, an die tieferen Theile locker und einigermaassen verschieb- 
bar angeheftet, an der freien Oberfläche von einer trocknen und festen 
Substanz bedeckt und durch sie gegen die Aussenwelt geschützt, ist die 
äussere Haut (Cutis). 

Die Schicht, welche am Stamm die mittlere ist, setzt sich als solide 
Axe in die Extremitäten fort, auf die auch die äussere Haut übergeht. 
Zwischen beiden verlaufen in den Extremitäten die Massen eontraetiler Fa- 
sern, welche, als Muskeln oder Fleisch, den Gliedern ihre Rundung verleihen 
und durch ihre Zusammenziehung die verschiebbaren Theile gegen einan- 
der bewegen. Auch am Stamm füllen die Muskeln hauptsächlich die Räume 
zwischen der äusseren und mittleren Schicht. 

Die Eintheilung des Stofles, welche beim Vortrage der systemati- 
schen Anatomie ganz allgemein und mit gutem Recht eingeführt ist, grün- 
det sich theils auf die Continuität der erwähnten Schichten, theils auf die 
zweifellose Gleichartigkeit der Textur und Function der unter einem Be- 
griff zusammenzufassenden Körpertheile. 


Knochen Das feste, zum Theil knorplige, grösstentheils aber knöcherne Gerüste, 
welches die Wände des Stammes stützt und die Axe der Extremitäten bil- 
det, beschreibt die Knochenlehre (Osteologie). 


2. Bänder. Das Skelett besteht aus einzelnen Stücken, welche durch weichere Sub- 
stanz, Knorpel oder Bindegewebe, mehr oder minder beweglich unter einan- 
der verbunden sind. In dem Einen Falle geht des verbindende Gewebe 
von allen Punkten der einander zugekehrten Flächen je zweier Knochen 
aus; so entsteht die Naht im weitesten Sinne des Wortes (Synarthrosis), 
in welcher die Knochen um so beweglicher sind, je mächtiger die Lage der 
Zwischensubstanz. Im anderen Falle sind die einander zugekehrten Kno- 
chenflächen ganz oder grösstentheils frei und glatt, daher über einander 
verschiebbar. Das weiche Gewebe, welches die Knochen verbindet, geht 
von den Rändern der auf einander gleitenden Flächen oder von einzelnen 
Gruben oder Vorsprüngen der letzteren aus. Eine solche Verbindung heisst 
Gelenk (Diarthrosis). In früheren Lebensaltern sind manche Knochen 
durch Naht getrennt, welche später, durch Verknöcherung der Naht, zu 


Die organischen Systeme. 7 


einem einzigen Stück verschmelzen; man kann sich ebenfalls aus der Naht, 
durch eine in entgegengesetzter Richtung fortschreitende Metamorphose 
die bewegliche Gelenkverbindung hervorgegangen denken, wenn nämlich 

Fig. 4. das Gewebe der ersteren sich vom Centrum aus 
bis auf die peripherische Schicht erweicht und 
endlich verflüssigt (Fig. 4). Die Wirbel- und 
Beckenfugen mit ihrem gallertartigen, halbflüssi- 
gen Kerne stellen eine Zwischenstufe zwischen den 
Nähten und Gelenken dar. Eine andere Art des 
Ueberganges findet sich in den Verbindungen der 
Gelenkfortsätze der Wirbel, von welchen die obe- 
ren zu Gelenken, die des Kreuzbeins zu Nähten 
werden, die endlieh noch vor vollendetem Wachsthum verknöchern. Mit 
Rücksicht auf die Bestimmung, welche im Allgemeinen die Gelenkfortsätze 
der Wirbel haben, könnte man die Verschmelzung derselben am Kreuz- 
bein eine physiologische Anchylose nennen. 

Die weichen, lediglich zur Verbindung der Knochen bestimmten Ge- 
bilde heissen Bänder; der Theil der systematischen Anatomie, welcher die- 
selben beschreibt, ist die Bänderlehre (Syndesmologie). 

Sind die Knochen durch Nähte und Gelenke gegen einander beweslich, 
so müssen sie, damit die Bewegungen wirklich werden, mit Geweben in 
Verbindung stehen, welche einer Aenderung ihres Volumen und in gewis- 
sen Richtungen einer Verlängerung oder Verkürzung fähig sind. In dem 
Organismus sind zwei Arten von Geweben verbreitet, welche dieser Antor- 
derung entsprechen. Die Gewebe der ersten Art haben vermöge einer An- 
ordnung der Moleküle, die sich auch im Tode erhält, die Eigenschaft, nach 
der Ausdehnung, wenn die ausdehnende Gewalt nachlässt, freiwillig in den 
Zustand der Verkürzung zurückzukehren, der also für sie als Zustand der 
Ruhe anzusehen ist. Die Kraft, welche sich auf diese Weise äussert, heisst 
Elastieität; sie inhärirt, in gewissem Maasse, allen Bestandtheilen des thie- 
rischen Körpers; die Gewebe aber, deren Elasticität bei Bewegungen der 
Körpertheile in Betracht kommt, sind das Knorpel- und Bindegewebe 
und das eigentlich sogenannte elastische Gewebe. Eine zweite Art ver- 
kürzungsfähiger Gewebe ist im Zustande der Ruhe ausgedehnt, bedarf be- 
sonderer Anregung, um sich zusammenzuziehen, und verliert mit dem Tode 
das Vermögen, der Anregung zu folgen. Gewebe dieser Art nennt man 
eontractile oder irritable oder schlechthin Muskeln. Sie bestehen aus pa- 
rallel geordneten feinen Fasern; ihre Zusammenziehung geschieht, wahr- 
scheinlich durch Kräuselung der Fasern, in der Richtung der letzteren, 
wobei der Umfang des Muskels in den übrigen Dimensionen zunimmt. 
Die Muskeln erscheinen in zweierlei Formen, welche bei gleicher chemi- 
scher Beschaffenheit sich sowohl durch die Gestalt der Elemente, als auch 
durch deren Anordnung unterscheiden und sich auch bezüglich ihrer Ver- 
theilung im Organismus in zwei, allerdings nicht ganz scharf begrenzte 
Gruppen trennen lassen. Die Eine Art der Muskeln, die vegetativen (orga- 
nischen, glatten), aus langgestreckten Zellen gebildet, von blasser Farbe, 
durch dünne Lagen von elastischem und Bindegewebe auf eine dem 
unbewaffneten Auge kaum wahrnehmbare Art in Bündel geschieden, ge- 


3. Muskeln. 


8 Die organischen Systeme. 


hört der Haut, den röhren- und blasenförmigen Eingeweiden und den nah- 
rungssaftführenden Canälen an und erscheint in den Wänden jener Röhren 
und Blasen als hautartig ausgebreitete Schicht. Die Fasern der anderen 
Art des Muskelgewebes, die animalischen (gestreiften oder varikösen) ha- 
ben in Masse eine rothe Farbe; sie sind zu feinen Bündeln, die feinen Bün- 
del zu stärkeren und diese wieder zu stärkeren zusammengefasst u. s. f. 
und jedes Bündel, die primitiven von einer einfachen Membran, die secun- 
dären, tertiären u. s. f. von successiv stärkeren Bindegewebshüllen umge- 
ben, so dass der faserige Bau, wenn nicht durch die feinsten, so doch durch 
die gröberen Bündel sogleich in die Augen fällt. Sie sind vorzugsweise 
zur Bewegung der Skeletttheile gegen einander bestimmt, mit welchen sie 
durch Bindegewebsstränge, Sehnen, in Verbindung stehen, erstrecken sich 
aber auch vom Skelett in die äussere Haut, von den Körperöffnungen aus 
an den röhrenförmigen Eingeweiden streckenweit nach innen und kom- 
men ausserdem, wovon später, an einem Theil des Blutgefässsystemes vor. 
Die Muskellehre (Myologie) im systematisch-anatomischen Sinne 
beschreibt die Form der animalischen Muskeln, welche mit dem Skelett un- 
mittelbar zusammenhängen, sammt ihren Sehnen und den, die grösseren 
Muskelmassen umhüllenden Bindegewebsschichten (Faseien); die Mus- 
keln, vegetative sowohl, als animalische, welehe als Schiehten in den Wän- 
den der Eingeweide und Gefässe vorkommen, werden in Verbindung mit 
diesen abgehandelt. 

4, Einge- Für das, was man unter Eingeweide versteht, eine einfache Defi- 


weide  nition zu geben, ist nicht möglich. Der Begriff umfasst Organe von sehr 
verschiedenartiger Function und Structur, ebensowohl im Inneren, als an 
der Körperoberfläche gelegene. So ist auch der Inhalt der Eingeweide- 
lehre (Splanchnologie) ein sehr gemischter, welchen wir in folgende 
Ba drei Unterabtheilungen einigermaassen zu ordnen suchen: 
| 4 2. Cutis und l. Die Haut mit ihren Fortsetzungen. Die Haut, wie sie 
deren Fort- 


\ |  setzungen. einen gemeinsamen Ueberzug über die animalische und vegetative Röhre 
bildet, so dient sie auch gleichmässig beiderlei Zwecken, dem sinnlichen 
und dem chemischen Verkehr mit der Aussenwelt. Ihre Bedeutung für die 

‚| vegetativen Functionen gewinnt aber dadurch das Uebergewicht, dass sie 
U. ; sich an den Körperöffnungen nach innen schlägt, um sich zu den Appara- 
ten der Ernährung und Fortpflanzung zu entfalten. 

( Die vegetative Röhre steht in der ersten Zeit des embryonalen Le- 

bens mit dem Dotter, Wifellus, aus dessen Hülle sie sich abschnürt, durch 
Fig. 6. einen Gang in offener Verbin- 
dung, welcher etwa von der 

Mitte ihrer vorderen Fläche sei- 

nen Ursprung nimmt und in dem 

Maasse, als der Embryo sich 

vergrössert, länger und relativ 

enger wird. Die Oeffnung des 
vegetativen Rohres, von welcher 

Mediandurchschnitt. der Gang ausgeht, ist der Nabel, 

Umbilicus, der Gang heisst 
Ductus vitello - intestinalis. 


v 


Die organischen Systeme. 9 


r 


Durch den Nabel und den D. vitello-intestinalis nimmt der Embryo die erste 
Nahrung, die ihm aus dem Dotter zukommt, in sich auf. Später, wenn der 
Gang zwischen Nabel und Dotter unwegsam wird und der Nabel sich schliesst, 
bricht die vegetative Röhre an der oberen und unteren Spitze durch und 
es bilden sich die bleibenden Oeffnungen, von welchen jede durch eine 
Brücke, die obere durch den Gaumen, die untere durch das Perinäum 
(Damm) getheilt wird (Fig. 7). An diesen Oeffnungen aber ist die Cutis 

Fig. 7. nicht durchbohrt; sie schlägt sich über die von 
ihr bedeckte Wand der vegetativen Röhre nach 
innen, hier an die innere Fläche der Röhren- 
wand, dieselbe austapezirend, befestigt, dort frei 
innerhalb der Höhle in Form von Schläuchen 
oder Blasen aufgehangen, welche nach mannig- 
fachen Verengungen und Erweiterungen, Faltun- 
gen und Verzweigungen theils blindsackig en- 
den (Athem-, Harn- und Geschlechtsorgane), 
theils an dem der Eingangsöffnung gegenüberlie- 
genden Körperende wieder in die Cutis überge- 
hen, den Körper also von einem Pol zum ande- 
ren durchziehen (Verdauungsorgane). Dabei er- 
fahren die Schichten der Cutis mannigfache Mo- 
difieationen, wodurch sich dieselbe, in mehr oder 
minder raschem Uebergang, zur Schleimhaut um- 
gestaltet, die im Allgemeinen durch die rothe 
Farbe und feuchte Beschaffenheit ihrer Ober- 
fläche ausgezeichnet und um so feiner ist, je en- 
ger das Lumen der Canäle, die sie begrenzt. Die 
letzten, feinsten und reichlich verzweigten Enden 
der Canäle, durch Bindegewebe zusammengehal- 
ten, erscheinen als drüsige Gebilde (G@landulae) ; 
die Gänge, welche die Drüsen mit dem Haupt- 
schleimhautcanal verbinden, als Ausführungs- 
gänge (Ductus excretorü). 

Kleinere Einstülpungen der Cutis, welche 
zwischen ihr und der Muskelschicht in der Körperwand liegen, werden mit 
der Cutis beschrieben, die Brustdrüse ausgenommen, die man ihrer Func- 
tion wegen zu den Geschlechtsorganen stellt. 


Wenn man die Schleimhaut als Fortsetzung der Cutis, die Ausführungsgänge 
und Drüsenröhrchen als Fortsetzungen oder Ausstülpungen der Schleimhäute be- 
schreibt, so ist dies, was hier ein- für allemal bemerkt werden möge, niemals wört- 
lich so zu nehmen, als ob bei der ersten Entwickelung ein Vorschreiten und Fort- 
wachsen in der Richtung stattgefunden habe, in welcher etwa der Beschreibende 
von einem Theile zum anderen übergeht. Die Anatomie bedient sich dieser Aus- 
drücke, wie auch der Worte Ursprung, Verlauf, Theilung, in bloss räum- 
lichem Sinne und ohne Rücksicht auf die zeitliche Beziehung, die ihnen eigentlich 
zu Grunde liegt. Die zeitliche Reihenfolge, in welcher die Organe wirklich auf- 
treten, welche wir in der Beschreibung nach einander auftreten lassen, kommt für 
unseren Zweck nicht in Betracht; doch darf man sagen, dass sie schwerlich irgendwo 
mit den Vorstellungen übereinstimmt, die wir uns zum Behufe der Auffassung der 


a 


b. Blut- 
gefäss- 
drüsen. 


c. 


Sinnes- 
apparate. 
1 


\ 


10 Die organischen Systeme. 


räumlichen An- und Unterordnung geschaffen haben. Die Körpertheile sind früher 
in ihrer äusseren Form vollendet, als in ihre verschiedenen Schichten oder Gewebe 
gesondert. Zieht sich nun, wenn diese Sonderung vollzogen ist, ein Strang oder 
Canal streckenweit hin, so kann man sich die Entstehung (desselben nicht anders 
denken, als dass in jedem Querschnitt der anfänglich gleichartigen Substanzen sich 
ein entsprechendes scheiben- oder ringförmiges Stück zur Substanz jenes Stranges 
oder Canals metamorphosirt habe. Scheint ein Strang, wie dies z. B. von den 
Nerven behauptet wird, aus den Centralorganen in peripherischer Richtung fort- 
zuwachsen, so ist ein der That nur die Metaphorphose des bereits abgelagerten 
Blastems, welche in der Richtung vom Centrum zur Peripherie forischreitet. Oft 
wachsen in dieser Art Canäle von zwei Seiten einander entgegen, um sich dann 
schliesslich in einander zu öffnen, und namentlich findet sich dies Verhältniss zwi- 
schen Drüsen und ihren Ausführungsgängen. Daher rechtfertigt es sich auch, das 
Ovarium den absondernden Drüsen beizuzählen und den Oviduct als dessen Aus- 
führungsgang zu betrachten, wenngleich die Hohlräume dieser Drüse geschlossen 
sind und sich mit dem Lumen des Oviducts nur vorübergehend in Verbindung 
setzen. 


2. Die Blutgefässdrüsen. Eine beschränkte Anzahl von Orga- 
nen ist im äusseren Ansehen den absondernden Drüsen ähnlich, unterschei- 
det sich aber von diesen in dem wesentlichen Punkte, dass sie, abgesehen 
von den Blutgefässen, entweder keine oder doch nur völlig geschlossene 
Hohlräume enthalten. Ob die Organe, welche man unter diesen Gesichts- 
punkten und unter dem gemeinsamen Namen der Blutgefässdrüsen zusam- 
menstellt (Schilddrüse, Milz, Nebennieren, Thymus), noch wichtigere, als jene 
äusseren und zum Theil negativen Eigenschaften mit einander gemein haben, 
lässt sich mittelst unseres gegenwärtigen Wissens von ihrem Bau undihrer 
Function nicht entscheiden. Jedenfalls aber ist ihre Verwandtschaft unter 
einander grösser, als die Verwandtschaft einzelner derselben zu den Orga- 
nen der Verdauung, Harnbereitung oder Athmung, welchen man sie, je nach 
ihrer Lage in der Nähe der einen oder anderen, bisher anzureihen pflegte. 


3. Die Sinnesapparate. In dem Worte Sinnesorgan liegt ein 
Doppelsinn. Wir bedienen uns desselben, um die Substanz zu bezeichnen, 
an welehe die eigenthümliche Thätigkeit des Empfindens gebunden ist, die 
Substanz, deren Reizung Veränderung der Empfindung nach sich zieht und 
deren Zerstörung die Fähigkeit, in der speeifischen Weise zu empfinden, 
aufhebt. Der Reiz, welcher die Empfindung veranlasst, kann unseren Körper 
an seiner Oberfläche treflen; damit es aber dann wirklich zur Empfindung 
komme, muss zwischen dem Gehirn und dem gereizten Punkt der Öber- 
fläche eine ununterbrochene Verbindung durch Nervenfäden bestehen. 
Diese Thatsache ist auf zweierlei Art ausgelegt worden: entweder man be- 
trachtet die Nerven als eine Art Conductoren, die den örtlichen Erfolg der 
Reizung zum Gehirne fortzupflanzen bestimmt seien, und schreibt einzelnen 
Gehirntheilen die Fähigkeit zu, ihre durch die Nerven vermittelte Erregung 
in der specifischen Form einer sinnlichen Empfindung wahrzunehmen. Oder 
man erkennt die Nervenfäden in ihrem ganzen Verlaufe bis zu ihrer Ein- 
pflanzung ins Gehirn als Träger der Kräfte, die sich in Sinnesempfindun- 
gen aussprechen, und man sieht in der Verbindung dieser Nerven und ins- 
besondere ihrer centralen Enden mit anderen Hirntheilen die Bedingung, 
an welche das Bewusstwerden des Zustandes der Sinnesnerven ge- 


Die organischen Systeme. 11 


knüpft ist. Je nachdem man die eine oder andere dieser Ansichten adop- 
tirt, fasst man als Substanz des Sinnes oder als eigentliches Organ der Sin- 
nesthätigkeit entweder ausschliesslich den Gehirntheil, von welchem man 
annimmt, dass er die Empfindungen erzeuge, oder den Nerven von seinem 
Ursprung an der Körperoberfläche bis zu seiner Endigung im Gehirn. Ge- 
wöhnlicher ist es, Sinnesorgane die mehr oder weniger zusammengesetz- 
ten Gebilde zu nennen, welche an der Körperoberfläche zunächst zur Auf- 
nahme gewisser Arten von Sinnesreizen bestimmt sind, das Auge und Ohr, 
die Nase, Zunge und Haut. Für diese werde.ich den Namen Sinnesap - 
parate gebrauchen. Der Sinn kann thätig sein nach Ausrottung oder mit 
Umgehung derselben, wie die sogenannten Hallucinationen und Träume 
von sichtbaren Gegenständen bei völlig Erblindeten, wie die in Folge von 
Hirncongestion eintretenden Sinnesphantasmen und viele ähnliche Erschei- 
nungen beweisen. Der Sinnesapparat aber hat die doppelte Bedeutung: 
1) dem Sinnesnerven Flächen zur peripherischen Ausbreitung darzubieten, 
und 2) eine für jeden Nerven besondere Art von Reizen, für welche der 
Nerv eine specifische Empfänglichkeit besitzt, zu leiten, zu concentriren 
oder nach Umständen zu mässigen. Der letztgenannte Zweck erforderte 
sehr verschiedene Einrichtungen, je nachdem Lichtstrahlen, Schallwellen, 
chemischen oder mechanischen Einflüssen der Weg zu dem Nerven gebahnt 
werden sollte. Diese Einrichtungen 'nebst der Endausbreitung der Sinnes- 
nerven, so weit sie eigenthümlich und von dem Apparat unzertrennlich 
ist, beschreiben wir in der Eingeweidelehre und weisen der Nervenlehre 
die Beschreibung des Laufes der Sinnesnerven und ihrer Ursprünge zu. 
Die Nervenlehre (Neurologie) stellt die in der animalischen 
Röhre enthaltenen Organe nebst deren Ausläufern in die Wände beider 
Röhren und in die Höhlen der vegetativen Röhre dar. Jene Organe, zu- 
sammengesetzt theils aus den mikroskopischen Nervenfäden, welche in 
Masse weiss sind, theils aus kugelförmigen Elementen, welche in Masse 
eine grauröthliche Substanz bilden, sind, wie früher erwähnt, Träger der 
Seelenthätigkeiten und der sinnlichen Empfindungen und Erreger der Mus- 
keleontraetionen. Alle diese verschiedenen Lebensäusserungen, ebenso wie 
die verschiedenen Formen der sinnlichen Empfindung haften dergestalt an 
bestimmten Gruppen von Nerven, dass die Reizung jeder Faser an jeder 
Stelle ihres Verlaufs die gleichen Reactionen hervorruft und keine jemals 
ihre Rolle mit einer anderen vertauscht. Die Gruppe von Nervenfasern, 
deren Thätigkeit den psychischen Functionen zu Grunde liegt, macht einen 
Theil des Gehirnes aus und erstreckt sich nicht über die Schädelhöhle hin- 
aus. Die empfindenden und bewegenden Nerven aber, wenn sie auch im 
Gehirn und Rückenmark mit enthalten sind und in diesen Organen (viel- 
leicht in der grauen Substanz derselben) die Quelle ihrer Kraft haben, müs- 
sen sich doch hinausbegeben zu den Oberflächen, auf welchen sie die Ein- 
drücke der Aussenwelt empfangen sollen, und zu den Muskeln, welchen sie 
die Impulse zur Zusammenziehung überbringen. Auf den richtigen Zu- 
sammenhang dieser Nerven mit den, den psychischen Functionen dienenden 
Hirntheilen kommt es sodann an, wenn eine peripherische Erregung der 
Sinnesnerven eine bewusste Empfindung, wenn ein Gedanke, der Wille, 
eine Muskelzusammenziehung veranlassen soll. Der Austritt der Nerven 


5. Nerven. 


6. 


Gelässe. 


12 Die organischen Systeme. 


aus der animalischen Röhre geschieht durch symmetrische seitliche Oeff- 
nungen in Form von symmetrischen Stämmen, mächtigen, meist aus meh- 
reren Wurzeln zusammentretenden Faserbündeln, welche sich peripherisch 
verästeln, d. h. wiederholt in feinere, eine geringere Faserzahl umfassende 
Bündel spalten. Stämme und Zweige schicken einander häufig gegenseitig 
kleinere Abtheilungen von Fasern, sogenannte Anastomosen, zu und schwel- 
len an bestimmten Stellen, zumal auf dem Wege zu den Eingeweiden, durch 
Einlagerung grauer Substanz knotenartig (zu Ganglien) an. Alles dies, 
die Form der Centralorgane, die Vertheilung der grauen und weissen Sub- 
stanz und die Faserung der letzteren, die Verzweigung und der Verlauf 
der Nerven, und die Lage und Form der Ganglien gehört in das Gebiet 
der Nervenlehre; doch verfolgt diese die Verästelungen der Nerven in der 
Regel nur bis zum Eintritt in die Organe, welchen sie Beweglichkeit oder 
eine bestimmte Art der Empfindlichkeit verleihen, und begnügt sich im 
Uebrigen mit dem allgemeinen Resultate, dass die Verästelung und die Ver- 
feinerung der Aeste, sowie der Austausch ihrer Fasern noch innerhalb der 
Muskeln und Häute fortdauert, bis aus der fortgesetzten Theilung die letz- 
ten und feinsten, nur mikroskopisch erkennbaren und nur aus wenigen Fa- 
sern bestehenden Zweige hervorgehen, deren Endigungsweise nur an weni- 
gen Stellen zuverlässig ermittelt ist. 

Ich erwähne zuletzt das organische System, welches alle übrigen durch- 
dringt und in wesentlich gleicher Anordnung in allen Körpertheilen wie- 
derkehrt, welches deshalb auch wenigstens oberflächlich gekannt sein muss, 
wenn die Beschreibung der übrigen nicht in vielen Punkten unverständlich 
bleiben soll: ich meine das System der nahrungssaftführenden Gefässe. 
Der Theil der Anatomie, welcher einlässlich von demselben handelt, ist die 
Gefässlehre (Angiologie). | 

Die Existenz der organischen Körper beruht auf einem beständigen 
Stoffaustausch mit der Aussenwelt, so dass die Materie, die eben noch Be- 
standtheil eines lebenden Wesens war, zersetzt abgegeben und, wenn das 
Leben fortbestehen soll, neue gleichartige Materie von aussen aufgenom- 
men werden muss. Dieser Austausch erfolgt auf die leichteste Weise bei 
den niedersten Thieren und Pflanzen, die entweder aus einem einfachen 
Bläschen oder, wie die Gährungspilze, aus reihenweise über einander ge- 
ordneten Bläschen bestehen. Jedes dieser Bläschen ist an jeder Stelle 
gleich fähig, die geeigneten Stofie aus dem Medium, in welchem es sich 
befindet, anzuziehen, die abgenutzten auszuscheiden. Bei den complieirte- 
ren Organismen war, abgesehen von der etwa nöthigen Vorbereitung der 
Nahrungsmittel, der Zerkleinerung und Auflösung derselben, eine Ver- 
anstaltung nöthig, damit jedes organische Element mit den frischen Nah- 
rungssäften in Berührung komme. Ganz allgemein gelangen diese daher 
bei den complieirteren Thieren in eine innere Höhle, den Verdauungscanal, 
und werden, so weit sie brauchbar sind, von da aus durch den Körper ver- 
breitet. Dies könnte nun in unmittelbarer Weise dadurch bewerkstelligt 
werden, dass der Verdauungscanal selbst Verzweigungen durch die Sub- 
stanz des Körpers sendete, in welchen der verflüssigte Nahrungsstofi' weiter 
geführt würde. Enden diese Verzweigungen blind, so wird der unbrauch- 
bare Theil der Nahrung nebst dem verbrauchten Material des Organismus 


Die organischen Systeme. 13 


durch eine rückgängige Bewegung und durch die Aufnahmsöffnung (den 
Mund) wieder ausgeworfen. Der nächste Fortschritt in der Organisation 
erfolgte sodann dadurch, dass die Canäle, welche sich durch den Körper 
ziehen, sich entweder einzeln oder wieder zu einem Canal gesammelt, durch 
mehrere Aftermündungen oder durch eine einzige nach aussen öffneten, 
wodurch die Bewegung der Nahrungsstoffe zu einer continuirlichen, den 
Körper von einem Pol zum anderen durchwandernden, werden würde. In 
der Classe der Polypen, Medusen und Helminthen kommen Arten mit einem 
durch den Körper verzweigten Verdauungscanal mit und ohne After vor, 
in welchen man die eine und andere der eben angedeuteten Formen eines 
nahrungssaftführenden Systems verwirklicht zu sehen glaubte. Ob mit 
Recht, mag dahingestellt bleiben. Manche Entdeckungen der neueren Zeit 
lassen vermuthen, dass wir unsere Kenntnisse von dem Bau jener Thiere 
zu früh für abgeschlossen gehalten haben. Jedenfalls ist bei den höheren 
Thieren der Darm, mag er einfach oder verzweigt sein, nur ein Behälter 
für die aufgenommene und verflüssigte Nahrung, aus welchem die zum 
Wiederersatz der organischen Substanz bestimmten Säfte erst in ein neues 
Röhrensystem übergeleitet werden. Dies erfolgt durch Aufsaugung (Endos- 
mose). Der Darminhalt ist für die Thiere, was der Boden für die Pflanze. 
In den Boden sind die Wurzeln der Pflanze gesenkt und in den Spitzen 
der Wurzeln beginnen die Safteanäle, geschlossen, so dass nur flüssigen und 
gelösten Stoffen der Eintritt in dieselben gestattet ist. Ebenso ist in den 
Darmwänden des Thieres ein Netz geschlossener Röhren ausgebreitet, des- 
sen Membranen nur der gelöste Theil des Darminhaltes zu durchdringen 
vermag. Die unlöslichen Bestandtheile der Nahrung, welche in der Darm- 
höhle zurückbleiben, werden als Exeremente ausgeleert; die gelösten, in 
jenes Röhrennetz aufgenommenen, bilden die allgemeine Ernährungsflüssig- 
keit des Körpers, das Blut. Und gleich dem Eintritt in dies Gefäss- 
system ist auch der Austritt der Stoffe aus demselben, zum Behuf der Aus- 
scheidung aus dem Körper, überall ein Process der Durchschwitzung ge- 
löster Materien auf Häute oder in die Höhlen drüsiger Organe, welche zum 
Theil vermöge der chemischen Eigenthümlichkeit der Gewebe, die in ihre 
Zusammensetzung eingehen, gerade die zum Auswerfen reifen Materien aus 
dem Blute an sich ziehen. 

Mit dieser vervollkommneten Einrichtung der Stoffeinnahme und Ab- 
gabe hängt noch ein anderer Fortschritt zusammen, der sich kurz und 
gleichnissweise so ausdrücken lässt, dass die Erneuerung der Nahrungssäfte 
bei niederen Organismen, wenn sie durch unmittelbare Verästelungen des 
Darms im Körper verbreitet werden, eine integrale ist, bei höheren, mit 
einem geschlossenen Gefässsystem versehenen Organismen dagegen eine 
partiale. Für einen bestimmten Bruchtheil neu eintretender, jüngerer Stoffe 
scheidet hier immer ein entsprechender Bruchtheil der ältesten aus und 
während dieser allmäligen Regeneration wird die Masse des Blutes in einer 
kreisförmigen Bahn umhergetrieben, so dass dasselbe Partikelchen wieder- 
holt zu der Stelle zurückkehren kann, von der es ausging. 

Um eine kreisförmige Bahn, wie die, in welcher das Blut sich bewegt, 
zu beschreiben, muss man willkürlich an irgend eine Stelle den Anfang 
setzen. Beim Blutgefässsystem hat sich der Ausgangspunkt ganz unge- 


14 Die organischen Systeme. 


sucht dadurch ergeben, dass alle die feinsten Röhrchen, die sich in den 
Geweben verbreiten, Zweige eines oder weniger Stämme sind und sich wie- 
der zu einem oder wenigen Stämmen vereinigen. Dem Stoffumsatz dienen 
unmittelbar nur die feinsten Röhrchen von 0,002 — 0,008° Durchmesser, 
deren Wände zugleich dünn genug sind, um die Blutflüssigkeit durchsickern 
zu lassen; man nennt sie Capillargefässe oder, weil sie überall netzför- 
mig unter einander zusammenhängen, Capillarnetze. Die Inseln fester 
Substanz in den Lücken dieser Netze, das sogenannte Parenchym, sind 
in manchen Geweben nicht breiter, als die Capillargefässe selbst, erreichen 
aber in anderen eine viel bedeutendere Ausdehnung, so dass in jedem 
Durchschnitt der Zwischenraum zwischen je zwei Röhrchen das Zehnfache 
des Durchmessers der Röhrchen betragen kann. Die Gewebe werden da- 
nach in blutreiche und blutarme unterschieden. Die Stämme und Zweige, 
in welchen das Blut den Capillarnetzen zuströmt, werden Arterien 
(Pulsadern), die Zweige und Stämme, in welchen es aus den Capillar- 
netzen abfliesst, werden Venen (Blutadern) genannt. Die Häute sämmt- 
licher Gefässe, mit Ausnahme der feinsten Capillarien. sind elastisch und 
contractil und demnach einer Veränderung ihres Kalibers fähig; an den 
einfachen Stämmen aber, die sich in die Arterien- und Venenzweige auflö- 
sen, sind die Vorrichtungen angebracht, welche die Strömung des Blutes 
und die Riehtung dieser Strömung regeln. Ich komme auf dieselben zurück. 

Vermittelst der Capillarnetze stehen nicht nur die Arterien mit ent- 
sprechenden Venen, sondern auch die arteriellen Gefässe, so wie die venö- 
sen, je unter sich in Verbindung. Es giebt ausserdem Verbindungen der 
einander benachbarten Arterienzweige diesseits und ebenso der Venenzweige 
jenseits ihrer capillaren Verästelung durch Gefässe, deren Kaliber dem Ka- 
liber der Zweige, zwischen welchen sie die Communication herstellen, ent- 
spricht. Solche Verbindungen heissen Anastomosen und, wenn sie 
reichlich und netzförmig sind, Geflechte (Plexus). 

Die venösen Gefässe sind nieht die einzigen, durch welche der Nah- 
rungssaft aus den Organen zurückgeleitet wird. Bei den Wirbelthieren 
besteht in dem Parenchym der meisten Organe neben dem Capillarnetz der 
Blutgefässe ein gröberes und wahrscheinlich ebenfalls geschlossenes Netz 
von Röhrchen, deren wesentliche Bestimmung ist, sich mit dem Safte zu 
füllen, der die Blutgefässcapillarien verlassen und sich in das Parenchym 
ergossen hat. 

In dieselben Röhrchen, die man mit dem Namen Saugadern, 
(Lymphgefässe) bezeichnet, finden dann noch andere, zufällig von aus- 
sen zugeführte Flüssigkeiten, womit die Gewebe sich tränken, ihren Weg, 
und so sind sie es auch, welche in den Darmwänden, in Berührung mit 
den neu eingeführten und verdauten Nahrungsmitteln, die Zuleitung der 
Ersatzstoffe des Blutes übernehmen. Aus den Saugadernetzen gehen ver- 
hältnissmässig feine und vielfach unter einander anastomosirende Ge- 
fässe hervor, die in der Richtung der Venen und meistens in Begleitung 
derselben aus den Organen aus- und zusammentreten und endlich, in einige 
Hauptstämme gesammelt, ihren Inhalt in die Hauptstämme der Venen er- 
giessen. 

Die Nahrungssäfte haben, wenn sie aus dem Parenehym zurückkehren, 


Die organischen Systeme. 15 


durch Abgabe einzelner Bestandtheile und durch Aufnahme anderer, die 
theils im Organismus erzeugt, theils von aussen zugeführt sind, mancherlei 
Veränderungen erfahren. Je nach der Function und dem Nahrungsbedürf- 
niss der Organe sind diese Veränderungen verschieden. Bei Vergleichung 
des Inhaltes der Arterien und Venen verrathen sie sich allgemein, mit einer 
einzigen, später zu erwähnenden Ausnahme, schon dadurch, dass das Blut, 
nachdem es die Capillarien passirt hat, dunkler geworden ist. Das Blut 
verdankt die hellrothe Farbe seinem Gehalt an Sauerstoff; die dunkle Fär- 
bung des Venenblutes rührt davon her, dass bei dem Stoffwechsel der Sauer- 
stoff theilweise verloren geht, wogegen sich das Blut mit Kohlensäure, einem 
der Zersetzungsproduete der organischen Materie, schwängert. Der Farb- 
stoff des Blutes aber, welcher durch die Einwirkung und Entziehung des 
Sauerstoffs in der angegebenen Weise verändert wird, ist in mikroskopi- 
schen Bläschen, den Blutkörperchen, enthalten, denen die Capillargefässe 
den Austritt nicht gestatten. So ist die Flüssigkeit farblos, welche zum 
Behuf der Ernährung aus den Capillarnetzen der Blutgefässe ausschwitzt, 
und ebenso farblos ist die durch den Austausch mit dem Parenchym ver- 
änderte Flüssigkeit, welche in die Netze und Stämme der Saugadern ge- 
langt. Diese Flüssigkeit ist die Lymphe; in den Saugadern des Darms 
ist sie zur Zeit der Verdauung durch beigemischtes Fett milchig-weiss und 
wird dann Chylus (Milchsaft) genannt. Die Saugadern oder Lymph- 
gefässe des Darms fiihren deshalb auch den Namen Chylusgefässe. 
Unter den Organen, deren Geschäft es ist, die verbrauchten Stoffe an 
die Aussenwelt zurückzugeben, ist eines vorzugsweise darauf eingerichtet, 
das Blut von seiner Kohlensäure zu befreien. Es ist ein bei den in der 
Luft lebenden Thieren drüsenartiges Gebilde, die Lunge, auf deren Wän- 
den das Blut in den zahlreichsten und feinsten Capillarien fliesst, nur durch 
eine äusserst dünne Substanzlage von der atmosphärischen Luft geschieden, 
welche in die Höhle des Organs vermittelst der Athembewegungen ab- 
wechselnd eingezogen und wieder aus derselben ausgestossen wird. Bei 
dieser Berührung des Blutes mit der Luft wird Sauerstoff aus der letzteren 
gegen Kohlensäure aus dem ersteren eingetauscht. In diesem Falle, dessen 
ich soeben als einer Ausnahme gedachte, geht das Blut heller roth aus 
den Capillargefässen hervor, als es in dieselben einströmte. Es giebt Thiere 
(Amphibien), in welchen sich der Lungenkreislauf zu dem allgemeinen 
nicht anders verhält, als der Kreislauf jedes anderen absondernden Organs: 
ein Ast des gemeinsamen arteriellen Stammes 
geht zur Lunge; das hellrothe Blut kehrt aus der 
Lunge zu dem allgemeinen Venenstamm zurück, 
der sich sodann geradezu in den Arterienstamm 
fortsetzt. Die Grenze zwischen beiden, das Ende 
des venösen und der Anfang des arteriellen Stam- 
mes, ist daran zu erkennen, dass zwischen beide, 
mit beiden zusammenhängend, der muskulöse 
Schlauch, das Herz, Cor, Fig. 8, eingeschoben 
ist, welcher das Blut in Bewegung setzt, wel- 
cher also von Einer Seite her den Venenstamm 
aufnimmt, nach der anderen Seite hin den Arte- 


Fig. 8. 


16 Die organischen Systeme. 


rienstamm abgiebt. Ein solches Kreislaufsystem ist ein einfaches. Das 
Blut wird allmälig von Kohlensäure gereinigt, dadurch, dass in dem 
Venenstamm immer das von allen Körpertheilen rickkehrende Blut 
gemischt und immer wieder ein neuer Theil dieses gemischten Blu- 
tes in der Lunge dem Einfluss der Luft ausgesetzt wird; gerade so 
wie das Blut in den Nieren von den Bestandtheilen, die als Urin aus- 
geschieden werden, dadurch befreit wird, dass die Nierenarterien bestän- 
dig einen Theil des Blutes zur Läuterung durch die Nieren abseits führen. 
In den meisten Wirbelthieren' und dem Menschen gewinnt die Lunge oder, 
was ihr bei Wasserthieren entspricht, die Kieme, eine hervorragendere Stel- 
lung. Hier ist es nicht mehr eine Abtheilung des Blutes, welche dem Gas- 
austausch in dem Athemorgan ausgesetzt wird, sondern die ganze Masse 
des Blutes macht, bevor sie wieder zu den anderen Körpertheilen verbrei- 
tet wird, den Weg durch die Lunge; der Stamm der Körpervene setzt sich 
statt in die Körperarterie, in eine Lungenarterie fort; erst die aus den 
Lungen austretenden Gefässe vereinigen sich wieder zur Körperarterie. 
Dem Körperkreislauf, als dem grossen, steht der Lungenkreislauf, als so- 


Fig. 9. Fig. 10. genannter kleinerKreis- 
g lauf, gegenüber. Auch 

ai) Den T : 

ni yiack dieses doppelte Gefässsy- 


stem lässt sich unter dem 
Bilde eines einfachen Krei- 
ses denken, Fig. 9, und 
kommt mit einfachem Her- 
zen, z.B. bei den Fischen, 
vor. Bei den höheren 
Wirbelthieren verdoppelt 
sich auch der bewegende 
Apparat. Der eine liegt 
zwischen Körpervene und 
Lungenarterie, der andere 
zwischen Lungenvene und 
Körperarterie; dadurch 
aber, dass die beiden Her- 
zen, Fig. 10, obgleich voll- 
kommen gegen einander 
abgeschlossen, Wand an 


Y 
$ 
S 
X 


Q 


Ap arteria pulmonalis, 
P Respirationsorgan, Vp 
vena pulmonalis, die un- 
mittelbar Körperarterie 


= = Acc Körperarterie, G = - 
ad Es IRRE Cc Körperherz. C'p Lungenherz. Wand gelagert sind, wird 


man dahin geführt, sich 
als Schema dieses Blut- 
gefässsystem zwei aneinanderstossende Kreise oder die Touren einer 8 vor- 


zustellen. 

Was den Bau der genannten Bewegungsapparate betrifft, so zeichnen 
sie sich gegen die aus ihnen hervorgehenden Arterienstämme sowohl durch 
grössere Weite, als durch beträchtlichere Stärke der Wandungen aus; diese- 
bestehen aus zahlreichen Schichten animalischer Muskelfasern, welche durch 
rhythmisch abwechselnde Zusammenziehungen und Erschlaffungen die Höhle, 
die sie umschliessen, abwechselnd enger und weiter machen. Mit jeder 


Die organischen Systeme. 17 


Verengung wird der flüssige Inhalt ausgetrieben. Damit er nicht.nach 
beiden Mündungen entweiche und nicht bei jeder nachfolgenden Erweite- 
rung von beiden Seiten wieder zurückströme, ist nichts weiter erforderlich, 


als dass die Mündungen mit Klappen versehen seien, Fig. 11, welche hier 
Big. 11. 


dem Austritt, dort dem Rücktritt wehren, die sich also 
nach der gleichen Richtung öffnen und schliessen. Sol- 
che Klappen sind an beiden sogenannten Kammern oder 
Ventrikeln des Herzens angebracht. Ausser an den 
Ventrikeln kommen bei verschiedenen Thieren noch an 
den zunächst gelegenen Theilen der venösen oder arte- 
riellen Stämme animalische, rhythmisch bewegliche Mus- 
keln vor; bei den höheren Wirbelthieren sind es nament- 
lich die venösen Gefässe, die sich jederseits vor dem Aor- 


A. Arterie. Y. Vene. ten- und vor dem Lungenventrikel, zu rhythmisch-contrac- 


tilen Säcken erweitern, Fig. 12. Dies sind die Vor- 
höfe (Adria); indem sie sich gleichzeitig mit einander 
und alternirend mit den Venfrikeln zusammenziehen, 
nehmen sie im Moment ihrer Erweiterung das Blut aus 
den hinter ihnen liegenden Venenstämmen auf, um das- 
selbe im Moment der Verengung in die Herzkammern 
zu treiben. 

Die Gefässlehre befasst sich, gleich der Nerven- 
lehre, mit der Beschreibung des Centralorgans, welches 
hier das Herz ist, und der Stämme, Aeste und Zweige 
nur bis zu dem Eintritt der letzteren in die einzelnen 
Organe. Die Verschiedenheiten, welche die Gewebe 
in Bezug auf das Verhalten der Gefässe im Parenchym 


derselben zeigen, schildert die Gewebelehre; Eigenthümlichkeiten des Ge- 
fässverlaufs in besonderen Organen kommen bei der Beschreibung der letz- 
teren zur Sprache. 


Henle, Anatomie. Thl. I. % 2 


I. Knochenlehre. 


Zahllder Die Theile des Skelettes sind nach Form und Zahl in den verschbiede- 
Knochen. non Lebensaltern verschieden. In eine gewisse Anzahl von Stücken, die 
durch Gelenke untereinander zusammenhängen, ist schon die knorpelige 
Anlage des Skeletts beim Fötus geschieden. Mit der Umwandlung des Knor- 
pels und gewisser, an den Knorpel angrenzender fibröser Gebilde!) in Kno- 
chen mehrt sich die Zahl jener Theile. Die Verknöcherung geht nämlich von 
mehreren gesonderten Punkten eines und desselben Knorpels, den sogenann- 
ten Verknöcherungspunkten, aus; es entstehen innerhalb der verknöchern- 
den Gewebe Knochenkerne, die einander entgegenwachsen, bis sie nur noch 
eine verhältnissmässig schmale Brücke unverknöcherter Substanz zwischen 
sich haben. So ist der ursprünglich einfache Knorpel in mehrere Knochen 
zerfallen, die sich bei der Maceration wirklich von einander lösen (Fig. 13). 
Der zwischen ihnen unverknöclıert gebliebene Theil der Grundlage erscheint 
nun als Naht- oder Bandmasse, Synchondrosis, während sich die unver- 
knöchert gebliebenen Knorpelschichten an den freien Enden als knorpelige 
Ueberzüge oder Gelenkknorpel, Cartilagines articulares, darstellen. 
Viele dieser Nähte und Nahtknorpel oder Nahtbänder ?) haben eine vorüber- 
gehende Existenz; sie erhalten sich nur so lange, als der Knochen im Wach- 
sen begriffen ist, werden aber, wenn derselbe seine Ausbildung erreicht hat, 


1) Die Untersuchungen über die Natur der Gewebe, aus deren Verknöcherung das 
Skelett hervorgeht, haben zu dem Resultat geführt, dass sowohl ächter Knorpel, als auch 
Faserknorpel und Bindegewebe zur Knochenbildung verwandt werden. Man darf nur das 
Kreuzbein einesErwachsenen betrachten, um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass hier ausser 
den ursprüsglich knorpeligen Wirbeln auch die faserknorpeligen Zwischenwirbelscheiben und 
selbst die fibrösen Bänder (Lig. longitudinale antieum, Ligg. interspinalia) u. s. f. knö- 
chern geworden sind. Die Bedeutung des ächten Knorpels beruht richt in seiner Ver- 
wandtschaft zur Knochenerde, denn ächte Knorpel können sich unverknöchert erhalten und 
Faserknorpel und Bindegewebe können ebensowohl typisch verknöchern , wie ächter Knor- 
pel. Der letztere findet sich als Grundlage des Skeletts, wo äusserer Druck oder der Zug 
der Muskeln eine provisorisch feste Unterstützung nöthig macht und die Grundlage der 
Knochen ist faserknorpelig oder fibrös in den Verdickungsschichten der Extremitätenkno- 
chen, in der Schädeldecke u. s. f., wo ein knorpelig-knöcherner Kern oder die Spannung 
der Theile von innen aus hinreichenden Halt gewährt. 

2) Je nachdem die Grundlage des Knochens knorpelig oder häutig ist, nähert sich 
auch die Nahtmasse, abgesehen von späteren Veränderungen, mehr dem Knorpel- oder 
* fibrösen Gewebe, 

» 


a“ 


Knochenlehre. 19 


nachträglich in die Verknöcherung mit hineingezogen, und mit Vollendung der 
Verknöcherung stellt sich die Einheit wieder her, die vor Beginn derselben 

Fig. 13. bestanden hatte. Ganz’ allgemein sind an 
den langen Knochen der Extremitäten ju- 
gendlicher Körper die Gelenk-Enden, öfters 
auch noch einzelne, dem Ansatze von Mus- 
keln dienende Hervorragungen in der Nähe 
der Gelenk-Enden von dem ceylindrischen 
Mittelstück durch eine Naht getrennt, wel- 
che später verknöchert. Die Hüftbeine zer- 
fallen durch die Verknöcherung in drei 
Theile, welche zur Zeit der Geschlechts- 
reife wieder zu Einem Stück verschmelzen. 
Im Hirnschädel, der bei den Embryonen 
der höheren Thiere, wie bei den Knorpel- 
fischen, eine einfache knorpelig - häutige 
Kapsel ist, lagert sich die Knochenmasse an 
der Basis’in Form von Kernen, an der Decke in Schuppen ab, die noch 
zur Zeit der Geburt weit aus einander stehen, aber schon nach dem ersten 
Lebensjahr zusammengerückt sind und zum Theil (wie die Stirnbeinhälften) 
schon in früher Jugend völlig in einander fliessen. 

Viele Nähte aber erhalten sich noch an dem reifen Körper und, mit 
seltenen Ausnahmen, welche man deshalb in das Gebiet der Pathologie ver- 
weist, während des ganzen Lebens. Diese Nähte verdienen, im Gegensatz zu 
den eben erwähnten vorübergehenden oder transitorischen, den 
Namen der bleibenden oder permanenten. 

Die Beschreibungen der systematischen Anatomie halten sich in der 
Regel an die Formen, welche der Körper unmittelbar nach Vollendung des 
Wachsthums darbietet; die Besonderheiten früherer Lebensalter werden als 
Entwickelungsstufen aufgefasst; die Veränderungen, die sich in reiferen 

Jahren einstellen, betrachtet man schon als Anfänge der Involution, d.h. 
der Entartung, welcher der Organismus nach seiner Blüthezeit allmälig bis 
zum Verwelken anheimfällt. Da aber jener Zeitpunkt, der uns die Normen 
liefert, nicht scharf begrenzt ist, so kann es mitunter schwierig werden, zu 
entscheiden, welche Bildung die definitive sei. Dies begegnet schon bei 
Bestimmung der Zahl der Knochen. Das Wespenbein wird oft, die Schlä- 
fenbeine werden allgemein als selbstständige Knochen gerechnet, während 
doch das Wespenbein, wie die Schläfenbeine an jugendlichen Schädeln be- 
reits mit dem Hinterhauptsbein knöchern verschmolzen sind. Das Brustbein 
zählt als Ein Knochen, obgleich die drei Theile, aus welchen es besteht, 
sich spät oder gar nicht vereinigen. Mitunter lässt man sich, und zwar mit 
vollem Recht, bei der Aufzählung der Theile des Skeletts durch die Rück- 
sicht auf die Bequemlichkeit der Darstellung leiten. So geht man bei der 
Beschreibung der Hüftknochen auf die drei Stücke zurück, die schon zur 
Zeit der Pubertät zu Einem verwachsen sind. 

Die Synarthrosen, und zwar sowohl die vorübergehenden als die blei- 
benden, erscheinen unter zwei Hauptformen: 1)als Synchondrose (Sym- 
physe) oder Syndesmose (am Schädel als Fontanelle), wenn die 


« 2 


Nähte. 


Altersver- 
schieden- 
heiten. 


230 Knochenlehre. 


knorpelige oder häutige Zwischensubstanz mächtig oder ausgedehnt genug 
ist, um für sich dargestellt zu werden. 2)"Als Naht im engeren Sinne, 
Sutura, wenn die Nahtsubstanz zwischen den einander zugewandten 
Knochenrändern nur wie ein Kitt oder Leim in unmerklich dünner Schicht 
liegt. Die Naht kommt nur an platten Knochen vor, sie ist a) eine ein- 
fache (Harmonia), z. B. die Verbindung der Nasenbeine unter einander; 
b) eine gezahnte (8. dentata s.serrata), wenn die Knochenränder, wie an 
der Schädeldecke, mit Zacken in einander greifen; e) eine Schuppen- 
naht (S. sgqueanosa), wenn ein Knochen mit zugeschärftem Rand über den 
Rand des anderen greift, wie z. B. der obere Rand des Schläfenbeins über 
das Scheitelbein. Die gezahnte Naht ist die festeste. Indem die Zacken 
gleich den Fingern der verschränkten Hände in einander greifen, machen 
sie die Verschiebung der Knochen in der der Naht parallelen Richtung un- 
möglich. Dem Auseinanderweichen der in der Naht verbundenen Knochen 
ist dadurch vorgebeugt, dass entweder die Zacken gegen die Spitze an 
Breite zunehmen, oder dass sie mit seitlichen Zähnelungen versehen sind. 
In der Richtung der Dicke an einander auf- und abwärts zu gleiten wer- 
den die Knochen dadurch verhindert, dass die Zacken und die! entspre- 
chenden Vertiefungen nicht von der ganzen Dicke des Randes ausgehen. 
Von der vollkommenst gezahnten bis zur einfachen Naht kommen übrigens 
die mannigfaltigsten Abstufungen vor und auch die Schuppennaht kann 
sich der gezahnten durch Zähnelung des übergreifenden Randes nähern. 

Verbindet eine transitorische Naht Knochenstücke von so ungleichen Dimen- 
sionen, dass Ein Stück hauptsächlich die Form des Knochens bestimmt und die an- 
deren sich zu diesem wie Anhänge, Fortsätze oder Säume verhalten, so erhält jenes 
Hauptstück den Namen Diaphyse, die anderen werden Epiphysen genannt. 
Unter Apophyse verstehen die Einen die Epiphyse nach ihrer Verschmelzung 
mit dem Hauptstück, Andere die Vorsprünge, welchen keine besonderen Kerne zu 
Grunde liegen, welche also gleichsam aus dem Körper hervorgewachsen sind. Der 
beschreibenden Anatomie genügen die Bezeichnungen Mittelstück oder Körper 
(Corpus) einerseits und Enden (Extremitates) und Fortsätze (Processus) ande- 
rerseits, und sie sind schon deshalb vorzuziehen, weil die Entwickelungsweise der 
Knochenvorsprünge nicht für alle unwidersprechlich festgestellt und vielleicht nicht 
einmal für alle Individuen genau die nämliche ist. 

Was die Formverschiedenheiten der Knochen je nach den Altersstufen 
betrifft, so soll hier im Allgemeinen nur erwähnt werden die mit der Ent- 
wicekelung der Muskelkräfte zunehmende Auswirkung der dem Muskelan- 
satz dienenden Rauhigkeiten, Leisten und Zacken, wie denn diese auch, bei 
verschiedenen Individuen verglichen, der Entwickelung des Muskelsystems 
proportional sind; ferner die Bildung und fortschreitende Ausdehnung “von 
Hohlräumen in den Knochen. Die knorpelige und häutige Grundlage der 
Knochen ist massiv ; zugleich mit der Verknöcherung beginnt, durch theil- 
weise Wiederaufsaugung der Knochenmasse, die Bildung der feinen, ana- 
stomosirenden Markcanälchen; indem mit dem Wachsen des Knochens die 
Aufsauguug fortschreitet, entstehen ansehnlichere Zellen und Höhlen , wel- 
che sich zum Theil mit Fett (Knochenmark), zum Theil, wenn sie sich in 
einen Schleimhauttraetus öffnen und selber von Fortsetzungen der Schleim- 
haut ausgekleidet werden, mit Luft erfüllen. Höhlen der letzteren Art kom- 
men bei dem Menschen und den Säugethieren nur in Schädelknochen (bei 

= 


.o 


Knochenlehre. 21 


Vögeln auch in Extremitätenknochen) vor. Die Markhöhlen sind je nach 
der äusseren Form der Knochen e@igenthümlich gestaltet. In den eylindri- 
schen Mittelstücken der Extremitätenknochen stellt sich, von einer mächti- 
gen Schicht compacter Substanz begrenzt, eine einfache, eylindrische Höhle 
her; die platten, das Nerven- und Eingeweiderohr umgebenden Knochen 
haben zwischen zwei mehr oder minder mächtigen Tafeln compacter Sub- 
stanz eine Lage schwammigen Knochengewebes, mit rundlichen, unter ein- 
ander zusammenliängenden markerfüllten Hohlräumen (Diplo&); die Gelenk- 
enden der cylindrischen Knochen und die kurzen Knochen des Stammes 
und der Extremitäten sind durchaus grosszellig, schwammig, mit einer 
Rinde versehen, die kaum mächtiger ist, als die an deren innere Fläche an- 
stossenden Blätter der schwammigen Substanz. An Uebergängen zwischen 
diesen Formen fehlt es freilich nicht; in den kleinsten Finger- und Zehen- 
knochen ist die Markhöhle durch eine Art Diplo& ersetzt; unter den platten 
Knochen sind es besonders die der Schädeldecke, dann die Rippen, an wel- 
chen die erwähnten Eigenthümlichkeiten hervortreten, indess der Bau der 
Hüftbeine sich mehr dem der rundlichen Knochen anschliesst. 

Die VWergrösserung der Markräume äuf Kosten des Knochengewebes 
macht auch noch in den späteren Lebensperioden Fortschritte. Daraus, und 
nicht aus der Vermehrung der Kalkerde gegen den Knorpel, ist die Brü- 
chigkeit der Knochen bei Greisen zu erklären. In platten Knochen kann 
die Diplo@ schwinden, so dass dann die beiden Tafeln, welche durch die 
Diplo& getrennt waren, in eine einzige zusammenfallen, 

Die Anordnung der Markräume bedingt gewisse Eigenthümlichkeiten krnän- 
der Oberfläche der Knochen. In den Röhrenknochen findet sich neben zahl- scher. 
losen, dem blossen Auge nicht oder kaum wahrnehmbaren Poren, welche in 
die Markcanälchen führen, in der Regel Eine grössere Oeffnung, das Er- 
nährungsloch, Foramen nutritium; es ist die äussere Mündung eines 
Canals, der die compacte Substanz schief nach oben oder nach unten durch- 
setzt, um Blutgefässe zur Markhöhle zu leiten. Die Oberfläche schwammi- 

r Knochen ist zu demselben Zwecke von einer Menge grösserer und klei- 
nerer, Löcher durchbohkt Die platten Knochen sind mit zerstreuten und 
um so zahlreicheren und grösseren Ernährungslöchern versehen, je mächti- 
ger im Verhältniss zu den Tafeln compacter Substanz die Diplo& wird. 


Die Eintheilung der Knochen nach ihrer äusseren Gestalt ist schon im Eintheilung. 
Vorigen gegeben. Man unterscheidet 1) eylindrische, lange oder 
Röhrenknochen, 2) platte oder breite, und 5) kurze Knochen. 
Die letzteren haben nur das mit einander gemein, dass keiner ihrer Durch- 
messer den anderen bedeutend überwiegt; im Uebrigen sind sie sehr man- 
nigfaltig, bald mehr der Kugel-, bald der Würfelform, bald einer eylindri- 
schen Scheibe sich nähernd. Cylindrisch sind, mit wenigen Ausnahmen, die 
in der Axe der Glieder gelegenen Knochen; platt sind, wie erwähnt, die 
Knochen, die an der Bildung der Körperwände Antheil nehmen; sie sind, 
die eine Fläche nach aussen, die andere nach innen gewandt, sämmtlich 
entsprechend der Form der Höhlen nach der Fläche gebogen. Die kurzen 
Knochen sind an der Stelle, wo sich die Hand an den Arm, der Fuss an 


22 ® Knochenlehre. 


- 
das Bein schliesst, ferner in der Längsaxe des Stammes, in der ganzen Be- 
rührungslinie der vegetativen und animalischen Röhre, zur Herstellung ei- 
ner Gliederung verwandt, welche durch Summirung einer Anzahl von ge- 
rinsfügigen Verschiebungen der einzelnen Theile eine ausgiebige Bewegung 
des Ganzen gestattet. 

Aus der Verschmelzung verschiedenartiger Knochen, wie sie zwischen 
den in der Axe des Stammes gelegenen kurzen Knochen und einzelnen, die 
vordere oder hintere Röhre umschliessenden platten Knochen stattfindet, gehen 
Gestalten hervor, welche in keine der oben genannten Abtheilungen passen. 
Man hat sie unter dem Namen gemischte Knochen zusammengestellt. 


Die natürliche Haupteintheilung der Knochen des Skeletts nach ihrer 
Lage ist die in die Knochen des Stammes und der Extremitäten. Fraglich 
bleibt dabei nur die Stellung einiger Knochen, durch welche die Extremi- 
täten mit dem Skelett des Stammes in Verbindung stehen, die einerseits zur 
knöchernen Umschliessung der Körperhöhlen, in deren Wand sie auch voll- 
kommen versteckt sind, mehr oder weniger beitragen, andererseits die Flä- 
chen zur Einlenkung der eigentlichen Extremitätenknochen bieten. Ich werde 
sie unter der Benennung EXtremitätengürtel in Verbindung mit den 
Knochen der Extremitäten abhandeln. Die Form des Gürtels und die Art 
seines Zusammenhanges mit dem Stamm ist je nach der auf dem Gürtel 
ruhenden Last und nach dem Mechanismus der Extremitäten ‚sehr mannig- 
faltig und so auch schon für die oberen und unteren Extremitäten des 
menschlichen Körpers verschieden. 

Fig. 14. Nebenstehende Quer- 
schnitte, von welchen Fig. 
14 in der Gegend des obe- 
ren Randes der Brust, Fig. 


15 in der Beckengegend an- 
Pe. Ci = 5 ist, in welchen 
die Knochen des Stammes 


schwarz, die des Extremitä-. 

tengürtels roth bezeichnet 

Fig. 15. sind, mögen eine vorläufige Anschauung 

von der Verbindung der Rumpf- 

und Extremitätenknochen geben. Es 

erhellt daraus, dass der Schulter- wie 

ee ey der Beckengürtel mit den Bogen des 

vegetativen Rohrs zusammenstossen, der 

Schultergürtel an einem vorderen, un- 

paaren Mittelstück dieser Bogen ein- 

gelenkt, der Beckengürtel selber die Stelle eines Theils der Bogen ver- 
tretend. 


Das vollständige trockne Skelett eines Mannes wiegt etwa 150 — 200 Unzen, 
das weibliche Skelett 100 — 150 Unzen. Wegen der Dimensionen des Skeletts 
und der Proportion seiner einzelnen Theile verweise ich auf die Handbücher von 
Hildebrandt- Weber (Bd. II, S. 39), Krause (2te Aufl. Bd. I. Theil 2, S. 224) 


Knochen des Stammes. & 23 


und Arnold (Bad. I, 8. 71). Vergl. Seiler, Anatomie des Menschen, für Künst-, 
ler und Turnlehrer. Leipzig 1850. Schmidt, Proportionsschlüssel, Stuttgart 1849. 
G. Schadow, Polyklet. Berlin 1834 (Ausführliche Darstellung der We: ehueden 
ten der Proportionen nach Lebensalter und Geschlecht). 


U 
A. Knochen des Stammes. 


In der Berührungslinie der animalischen und vegetativen Röhre liegt, A. Knochen 

als feste@Stütze und Axe des Stammes, eine ee Säule, welche stammes. 

Fig. 16, mit ihrer convexen Fläche in die Eingewei- 
dehöhle vorragt und die plane, meist sogar 
rinnenförmig ausgehöhlte Fläche der Hirn- 
und Rückenmarkshöhle zukehrt (Fig. 16). Die 
Stärke der Säule ist am beträchtlichsten in der 
Gegend, wo sich der Beckengürtel an die 
Knochen des Stammes anfügt; von da aus 
verjüngt sie sich nach unten hin rasch, nach 
oben hin allmälig und mit einigen Schwan- 
kungen, die jedoch nur den Breitendurch- 
messer betreffen. Im Profil oder ee betrachtet, zeigt sie 
Schlangenkrümmungen, welche später genauer bezeichnet werden sollen und 
von welchen es hier genüge, zu bemerken, dass in der Becken- und Brust- 
gegend, wo die vegetative Röhre allseitig knöchern umschlossen ist, die 
Convexität des Bogens sich nach hinten wendet, während in der Bauch- 
und Halsgegend, wo die Wände der vegetativen Röhre grösstentheils von 
Weichtheilen gebildet werden, die Convexität des Bogens nach vorn sieht, 
bis bei der letzten, raschen Krümmung in der Schädelbasis die hintere Flä- 
che der Säule zur oberen, die vordere zur unteren wird. 


Mit dem Beginn der Verknöcherung wird diese Säule in eine be- 
stimmte Anzahl über einander geschichteter, eylindrischer Scheiben geschie- 
den, deren Höhe in den verschiedenen Gegenden der Säule ziemlich genau 
der Dicke der letzteren proportional ist (Fig. 17 a. f. S.). Diese Scheiben 
sind die Wirbelkörper. Sie alterniren mit niedrigeren Scheiben unver- 
knöcherter Substanz, den Zwischenwirbelknorpeln, Ligg. s. Carti- 
lagines intervertebrales, welche als relativ weiche Bänder die je einander 
zugekehrten Flächen zweier Wirbelkörper an einander heften. Die grosse 
Mehrzahl dieser Synchondrosen ist permanent, nur in der Schädelbasis und 
in der Nähe des unteren Endes der Wirbelsäule verknöchern sie regelmäs- 
sig und zwischen den zwei oberen Rumpfwirbeln und dem Schädel werden 
sie durch eine Gelenkverbindung eigenthümlicher Art ersetzt... 


In der untersten Spitze des Rumpfes sind die Wirbelkörper die einzig 
knöchernen Theile. Im Uebrigen schliesst sich an dieselben, ihnen an Zahl 
entsprechend, je ein hinterer und vorderer, mehr oder minder vollständi- 
ger knöcherner Bogen oder Reif, jener die Wand der animalischen, dieser 
die Wand der vegetativen Röhre stützend. So weit die Wirbelkörper 
durch Synchondrosen oder (wie die beiden oberen Rumpfwirbel und der 
Rand des Schädels) durch Gelenke zusammenhängen, lassen jene Bogen 


a 


24 N Knochen des Stammes. 


Lücken zwischen einariler, welche durch Bänder und Muskeln ausge- 
Fig. 17), * füllt werden; so weit sind auch die Wirbel- 
körper mittelst Dehnung der Zwischenwir- 
belknorpel gegen einander verschiebbar. Wo 
aber die Synchondrosen der Wirbelkörper 
zur Zeit der Reife verknöchert gefunden 
werden, breiten sich auch die Bogenstücke 
sämmtlich oder theilweise bis zu gegenseiti- 
ger Berührung, ja bis zur Verschmelzung 
aus und bilden so sammt den Körpern dort 
den Schädel, hier das Kreuzbein. Wir be- 
schränken uns zunächst auf die Betrachtung 
der Körpergegenden, deren Wirbel verein- 
% De zelt bestehen. Allgemein sind hier, und 
% I“ zwar schon in den ersten Lebensjahren, die 
Y4 A X hinteren Bogen, sowohl die vollständigen 
1 \ als die unvollständigen, mit den Wirbelkör- 
pern knöchern verbunden; von den vorderen 
N Bogen sind die vollständigen an den Wir- 
N beikörpern eingelenkt, die unvollständigen 
\ theils an denselben eingelenkt, theils mit ih- 
N nen verschmolzen. Den Körper sammt al- 
d len continuirlich mit ihm zusammenhängen- 
N‘ den Bogentheilen nennt man Wirbel, Ver- 
> tebra. 
% Die eingelenkten vorderen Bogen zer- 


fallen, wo sie vollständig sind, in drei Stü- 
= y cke (Fig. 18); zwei sind symmetrisch, gleich 
Bz u den Hälften eines Reifs ; ihre vorderen Spi- 


= N tzen, die eine Strecke weit knorpelig sind 


verbindet das dritte, unpaare, den Wir- 


beln gegenüberliegende Mittelstück. Die 

symmetrischen seitlichen Bogentheile sind 

die wahren Rippen, Üos/ae verae: 

1 die zugehörigen Mittelstücke fliessen, in- 

AN 8 6 dem sie sich der Länge nach an einander 
Dog reihen, zu einem platten, einfachen Kno- 


Mediandurchschnitt der Knochen 
des Stammes. 


5 1) Die Wirbelsäule nach der von W. Weber u. 
2 E. Weber echanik der menschlichen Gehwerk- 
Ze zeuge. Göt 2 1836. Taf, VII.) gegebenen Abbil- 
ee Q ei die der Abdruck eines in Gyps eingeschlossenen 
und so der Länge nach durchsägten Rumpfes ist. 
Die Abbildung, welche Vrolik (Tisdschr. voor de 
wis-en natuurkundige Wetenschapen. Deel III. Am- 
sterdam 1850. Taf.I.) von der Wirbelsäule eines Rum- 
pfes liefert, welcher im gefrorenen Zustande durch- 
sägt wurde, weicht in einigen Punkten und beson- 
ders darin von der Weber’schen ab, dass die Spi- 
tze des Steissbeines etwas höher steht, als der untere 
Rand der Syncehondrose der Schambeine. 


Cy 


Knochen des Stammes. 25 


chen, dem Brustbein, Sternum, zusammen. Wahre Rippen erstre- 

cken sich, sieben an der Zahl, vom achten bis vierzehnten Wirbel; ihnen 

folgen nach unten noch fünf ähnliche, ebenso an den Wirbeln eingelenkte 

Fig. 19. Bogen (Fig. 19), zwischen welchen 

aber das Verbindungsstück ausgefallen 

ist und die sich entweder an die nächste 

obere Rippe anlegen oder (die beiden 

untersten) frei im Fleische enden. Sie 

sind um so kürzer, je weiter abwärts 

v am Stamme sie liegen, und werden von 

jenen am Brustbein anstossenden Rip- 

pen unter dem Namen falsche Rip- 

pen, ÜCosiae spuriae, unterschieden. Die sämmtlichen Rippen, wahre 

und falsche, nebst den Wirbeln, an welchen sie befestigt sind, und dem 

Brustbein setzen das zusammen, was man den knöchernen Brustkasten 
oder Brustkorb, Thorax, nennt. 


Ich habe schon erwähnt, dass keiner der vorderen Bogen, welche mit 
den Wirbelkörpern knöchern verbunden sind, vollständig ist; sie stellen | 
also, vor ihrer Verschmelzung mit den übrigen Theilen der Wirbel, fal- 
sche Rippen dar, von welchen auch die längste, beiläufig gesagt, die Länge 
der letzten beweglichen Rippe nicht erreicht. Solche mit den Wirbeln ver- 
schmolzene falsche Rippen kommen, wie sich später zeigen wird, in der 
Hals- und Lendengegend vor; an dem oberen Theil des Halses aber findet 

Fig. 20. sich, ausser Zusammenhang mit den Wirbeln, 

oh noch ein anderartiges Rudiment von vorderen Bo- 

7 gen: eine unpaare, in der Mitte der vorderen Wand 

der vegetativen Röhre gelegene Knochenplatte, mit 

einigen kurzen, paarigen, seitlichen Anhängen, wel- | 

che sich wie ein vereinzeltes Stück Brustbein mit 

den vorderen Enden einiger Rippen ausnimmt, de- 

- ren weiter rückwärts gelegene Theile verkümmert 

oder unentwickelt geblieben wären. Dies ist das 
Zungenbein, Os hyoides. 


Was nun die aus knöchern verbundenen Wir- 

beln zusammengefügten Theile des Stammskelettes 

betrifft, so wird es sich als wahrscheinlich erweisen, dass das Kreuzbein 
ausser den Körpern und hinteren Bogen auch noch Anfänge von vorderen 
Bogen enthalte und dass diese es sind, an welche zunächst der Beckengür- 
tel durch Synehondrose sich anschliesst. Viel weiter von dem Typus der 
bisher beschriebenen Knochen weichen die Knochen des Schädels ab, wel- 
che durch die Entfaltung des Rückenmarks zum Gehirn, durch die Einrich- 
tungen zur Aufnahme der am Kopfe vereinigten Sinnesorgane, durch den 
Abschluss der animalischen Röhre und endlich durch die Bereitung eines 
Zuganges zur vegetativen sehr mannigfaltige Umgestaltungen erfahren. 
Dennoch ist es, den Schädel im Grossen und Ganzen aufgefasst, sowohl bei 
Betrachtung des Längsschnittes (Fig. 17) als des umstehenden Frontal- 
schnittes (Fig. 21 auf folg. Seite) (der dem Horizontalschnitt eines Rücken- 


1. Wirbel- 
säule. 


26 Wirbelsäule. 


wirbels entspricht) nicht schwer zu erkennen, dass die Knochen der Schä- 

Fig. 21. deldecke abgeplattete und gleichsam breitgeschla- 
- gene hintere Bogen sind, und dass die Knochen 
” des Gesichts und insbesondere der Kiefer die vor- 
derenBogen des Rumpfes wiederholen. Die Stücke, 
welche die Nasenhöhle, Cavum narium, seit- 
lich begrenzen und den Öberkiefer und Gaumen 
zusammensetzen, sind von den vordern Bogen der 
Rumpfwand darin unterschieden, dass sie, obgleich 
der Ring, den sie bilden, vollständig ist, dennoch 
unartieulirt mit der Basis des Schädels zusammen- 
hängen. Auch erfolgt die Vereinigung der Sei- 
tenhälften unter sich beim Erwachsenen ohne Da- 


Mid. S 


zwischenkunft eines unpaaren, dem Brustbein und Zungenbeinkörper ver- | 


gleichbaren Mittelstücks. Dagegen erstreckt sich von der Naht, in welcher 
die beiden genannten Bogenhälften vorn und unten zusammentreten, eine 
unpaare, mediane, grossentheils knöcherne Scheidewand, Septum narium, 
vertical zur Schädelbasis, das obere Ende der vegetativen Röhre in 
zwei neben einander gelegene Canäle theilend. Einen mehr rippenähnli- 
chen Bogen stellt, abgesehen davon, dass auch hier die beiden Seitenhälf- 
ten ohne Mittelstück und sogar ohne Naht in einander übergehen, der Un- 
terkiefer, Mandibula, dar, den ich, weil er nicht in der Durchschnitts- 
ebene liegt, in Fig. 21 punktirt angedeutet habe; seine Form ist der Form 
eines Rippenpaares mehr verwandt und seine Einlenkung an den Schädel 
erinnert an das Gelenk der Rippe mit dem Wirbel. Indessen wird eine 
genauere Betrachtung des Schädels ergeben, dass auch das Kiefergelenk 
einem Wirbelrippengelenk nicht geradezu gleich zu setzen ist. 


Zum Behuf einer mehr ins Einzelne gehenden Beschreibung theilen 
wir die Knochen des Stammes folgendermaassen ein: 1) Wirbelsäule; 
2) Brustbein; 3) Rippen; 4) Zungenbein; 5) Schädel. 


1) Wirbelsäule, Columna vertebrahs 1). 


-Sämmtliche Wirbel, die unter einauder verschmolzenen des Kreuz- 
beins mit eingeschlossen, ‘in ihrer natürlichen oder in einer nach Art der 
natürlichen künstlich hergestellten Verbindung machen die Wirbel- 
säule aus. 

Die durch Synchondrose verbundenen, durch Maceration trennbaren 
Wirbel zwischen Kreuzbein und Schädel nennt man wahre Wirbel (Vv. 
verae); die Wirbel, welche zum Kreuzbein verschmelzen und die,'im Ver- 
gleich mit den übrigen, unvollständigen Wirbel unterhalb des Kreuzbeins 
fasst man unter der Benennung falsche Wirbel zusammen. Die unvoll- 
ständigen, unterhalb des Kreuzbeins gelegenen Wirbel pflegt man, obwohl 
sie gleich den wahren Wirbeln durch Synchondrosen getrennt sind, als Ab- 


1) Rückgrat, Columna spinalis, Spina dorsi. 


Wirbelsäule, 27 


theilungen eines einzigen Knochens zu betrachten, der den Namen Steiss- 
bein, Os coceygis, führt. _ 

Die Zahl der wahren Wirbel beträgt 24; davon stehen 12 mit Rippen 
in Verb’ndung und tragen zur Bildung des Brustkorbes bei; dies sind die 
Brustwirbel, Vertebrae thoracicae) ; zwischen dem obersten Brustwirbel 
und dem Schädel liegen 7, zwischen dem untersten Brustwirbel und dem 
Kreuzbein 5 Wirbel; jene werden Halswirbel, Vertebrae colli2), diese 
werden Bauchwirbel, Verzebrae abdominales 3), genannt. Falsche Wir- 
bel enthält das Kreuzbein 5, das Steissbein 4. 

Diese Zahlen sind sehr beständig; Ueberzahl oder Mangel eines Wirbels ge- 
hört, besonders in der Hals- und Brustgegend, zu den Seltenheiten; häufiger fin- 
det sich die Zahl der Bauchwirbel, am häufigsten die der Kreuzwirbel um Einen 

Fig. 22. vermehrt. Nicht selten. nimmt die Zahl der 
Wirbel in einer Abtheilung der Wirbelsäule 
auf Kosten der anstossenden Abtheilung um Ei- 
nen zu, wenn z. B. der letzte Bauchwirbel oder 
der erste Steisswirbel mit dem Kreuzbein ver- 
“wächst oder der erste Kreuzwirbel einem Bauch- 
wirbel ähnlich wird und von dem folgenden ge- 
trennt bleibt, oder wenn der erste Bauchwirbel 
eine lose Rippe trägt, u. s. f. 


v 
s & Aus dem, was oben über die Krüm- 
> 


r s x mungen der Axe des Stammes angegeben 
N‘ L wurde, ist zu entnehmen, dass die am mei- 
E sten nach vorn vorspringenden Gegenden 


Der der Wirbelsäule (Fig. 22).von Hals- und 
N Bauchwirbeln eingenommen werden, die am 
X meisten nach hinten vorspringenden von 
N Rücken- und Kreuzwirbeln. Der Ueber- 
gang der Einen Krümmung in die andere 
NN erfolgt ganz allmälig, die Grenze zwischen 
N dem letzten Bauchwirbel und dem Kreuz- 
\ bein allein ausgenommen, an welcher die 
Q bereits begonnene _Ausbeugung nach hinten 
\* plötzlich unter einem Winkel (dem Promon- 
‘ torium) steiler wird. 


m 


& Bei ruhiger Haltung des ee 3 auf- 
% rechter Stellung springt nach hinten die Syn- 
chondrose zwischen dem 6ten und dem Tten 

% Brustwirbel , nach vorn die Synchondrose zwi- 
Ss schen dem 4ten und öten Bauchwirbel am mei- 


% sten vor; der Gipfel der Convexität, welche das 
% Kreuz- mit dem Steissbein nach hinten bildet, 
gehört dem 3ten bis 4ten Kreuzwirbel an. Fällt 
man eine Verticallinie vom oberen Rande des er- 
Y sten Halswirbels auf eine die Steissbeinspitze be- 
N ® 6 ) Rückenwirbel, Vv. dorsales. 
R) 2) Nackenwirbel, Vv. cervicales. 


3) Lendenwirbel, Vo. lumbales. 


28 "Wahre Wirbel. 


rührende Horizontalebene, so liegt der Mitte jener Verticalen der I1te Brustwirbel 
gegenüber; eine von der Mitte oberen Hälfte gegen die Wirbelsäule gerichtete 
Horizontale trifft auf den unteren Rand des 3ten Brustwirbels, eine ebenso von der 
Mitte der unteren Hälfte der Verticalen gezogene Linie trifft den unteren Rand des 
4ten Bauchwirbels und also ziemlich genau den höchsten Punkt der nach vorn ge- 
richteten Convexität der Bauchwirbelgegend. 

Ausser den normalen Krümmungen in der Medianebene zeigt die Wirbelsäule 
der meisten Menschen noch geringe seitliche Biegungen, und zwar ist die nach 
binten gerichtete Convexität der Rückenwirbel meistens zugleich etwas nach rechts 
gewandt, eine Folge des Uebergewichts der Muskeln der rechten Ober-Extremität. 


a. Wahre Wirbel. 


a. Wahre Die wahren Wirbel sind einander ähnlich genug, um nach einem ge- 
Wirbel. njeinsamen Schema beschrieben werden zu können. Die Verschiedenhei- 
ten, welche sie zeigen, beziehen sich auf die Dimensionen und auf die Form. 
Die Formverschiedenheiten sind entweder wesentliche oder unwesentliche: 
vermittelst der ersteren sind die drei Abtheilungen der wahren Wirbel 
streng von einander geschieden; an ihnen ist sicher zu erkennen, welcher 
Abtheilung ein Wirbel angehört. Die unwesentlichen Verschiedenheiten 
der Form entwickeln sich in der Reihe der Wirbel allmälig; sie sind zwar, 
wenn man die mittleren Glieder aus zwei Abtheilungen mit einander ver- 
gleicht, hinreichend charakteristisch, verwischen sich aber an den Grenzen 
der Abtheilungen. Wesentlich und charakteristisch sind nur die Bildungen, 

die sich auf das Verhältniss der Wirbel zu den vorderen Bogen beziehen. 


Wir sehen dabei ab von den seltenen Fällen, wo das Rudiment des vorderen 
Bogens am siebenten Hals- oder ersten Bau:hwirbel auf Einer Seite oder auf bei- 
den durch Synehondrose an dem Wirbel befestigt ist und also einen Uebergang 
zur articulirten Rippe darstellt 


Wir haben uns indess bei der folgenden Darstellung zunächst auf die 
Reihe der Wirbel vom dritten abwärts zu beschränken. Der erste und der 
zweite Halswirbel, wenngleich in den Beziehungen, welche soeben als 
charakteristische bezeichnet wurden, den übrigen Halswirbeln gleich, sind 
doch durch andere Eigenthümlichkeiten von den übrigen Hals- und den 
beiden anderen Arten von Wirbeln weit mehr verschieden, als diese unter 
sich. “Der Grund liegt hauptsächlich in der Einrichtung der Gelenke, die 
zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel auf die Drehung um die 
Längsaxe, zwischen dem zweiten und dritten und so zwischen allen folgenden 
hauptsächlich auf die Beugung berechnet sind. Es mögen deshalb die bei- 
den ersten Halswirbel unter dem Namen Drehwirbel, die übrigen alle 
unter dem Namen Beugewirbel zusammengefasst werden. 


«. Beugewirbel. 


©. Beupe- Der Beugewirbel, welchen ich in diesem Abschnitt schlechthin Wirbel 
wirbel. nenne, besteht aus dem Körper, Corpus (Fig. 23), dessen Form im Al- 
gemeinen schon oben geschildert wurde, und dem hinteren Bogen, den man 
schlechthin Bogen, Arcus, nennt. Von der hinteren Wand des Körpers 


Wahre Wirbel. 29 


und der vorderen Wand des Bogens wird das Wirbelloch, Foramen 
vertebrale !) umgrenzt. Die Reihe der Wirbellöcher bildet den Wirbel- 
canal, Canalis vertebralis?). Der Bogen ist durchgängig an seinem Ursprung 
aus dem Körper niedriger als der Körper; dieser Ursprung liegt am oberen 
Rande des Körpers (Fig. 24); es bleibt daher unter dem Ursprung des 
Bogens ein Theil des Seitenrandes des Körpers frei, in welchen der untere 
Rand des Bogens in einer nach unten concaven Krümmung übergeht. Eine 
ähnliche, meist viel seichtere, nach oben concave Krümmung findet sich 
oben an dem Uebergange des Körpers zum Bogen, wenn der Ansatz des 
letzteren etwas unterhalb des oberen Randes des Körpers herabgerückt oder 
wenn dieser Rand an den Seiten aufgeworfen ist. 


Der vierte Brustwirbel, von unten. 


Zwei Brustwirbel, im Profil. 


Wie die Wirbelkörper durch Synchondrosen, so sind die Wirbelbogen 
durch Gelenke mit einander verbunden. Jeder Wirbelbogen hat an jeder 
Seite zwei Gelenkflächen, eine obere und eine untere, zur Articulation je 
mit dem nächst höheren und dem nächst tieferen Wirbel. Sie werden von 
Vorsprüngen getragen; welche man die oberen und unteren Gelenkfort- 
sätze, Processus arliculares supp. et inff. ?), nennt. Diese Fort- 
sätze müssen, wenn die Gelenke der Bogen den Synchondrosen der 
Körper gegenüber liegen sollen, sich beiderseits um so mehr über die Rän- 
der des Bogens und selbst des Wirbelkörpers erheben, je geringen die 
Höhe des Bogens im Vergleich zur Höhe des Körpers und je mächtiger die 
Lage des Zwischenwirbelknorpels ist. s 

Der vordere Rand des Gelenkfortsatzes, indem er nach vorn in den 
Rand des Bogens umbiegt. der seinerseits wieder, wie erwähnt, in den hin- 
teren Rand des Körpers übergeht, vervollständigt einen Ausschnitt, die 
Incisura vertebralis sup. *) et inf.?), der am oberen Wirbelrande nach 
‘oben, am unteren Rande nach unten ausgehöhlt und am oberen Rande flacher 
als am unteren ist. Beide Ausschnitte vereinigen sich, wenn die Wirbel an 


2) Rückenmarksloch, For. medullae spinalis, Apertura spinalis. 
?) Rückenmarkscanal, Can. medullae spinalis. 

®) Schiefe Fortsätze, Pr. obligu. 

*) I. v. minor. 5) I. v. major. 


30 Wahre Wirbel. 


einander gefügt und durch den Zwischenwirbelknorpel verbunden sind, zu 
einem kurzen Canal oder Loch, Zwischenwirbelloch, Foramen in- 
tervertebrale (Fig. 24), welches in das Innere des Wirbelcanals führt. 
Diese Löcher sind es, durch welche längs der ganzen Wirbelsäule die Ner- 
venstämme und Blutgefässe aus- und eintreten. 

Von der Seitenfläche der Wirbelbogen und zum Theil der Körper er- 
streckt sich seitwärts ein kürzerer oder längerer, in den verschiedenen Ar- 
ten der Wirbel verschieden gestalteter Fortsatz, der Querfortsatz, 
Processus Iransversus. Er ist Stütze der Rippe (an den Brustwirbeln) 
oder diese Stütze in Verbindung mit dem Rudiment des vorderen Bogens 
(an den Hals- und Bauchwirbeln). 

Eine Rauhigkeit, T’uberositas vertebralis m., welche hauptsächlich 
den Streckmuskeln des Rückgrats zum Ansatze dient, nimmt an den Brust- 
wirbeln (Fig. 26. Vt. 10) die hintere Fläche der Spitze des Querfortsatzes 
ein, geht an den Halswirbeln (Fig. 25) auf den unteren Gelenkfortsatz über 
und dehnt sich an den Bauchwirbeln von der Wurzel des (uerfortsatzes 
zum hinteren Rand des oberen Gelenkfortsatzes aus. Sie wird zuweilen 
schon an den unteren Brustwirbeln durch eine schief auf- und seitwärts 
laufende Furche getheilt; regelmässig scheidet sie sich an den Bauchwir- 
beln in zwei Fortsätze, von welchen man den oberen, eine Art Leiste am 
Aussenrande des oberen Gelenkfortsatzes, als Processus mamillaris, den 
unteren, eine scharfe Linie oder kurze Spitze an der Wurzel des Querfort- 
satzes, als Processus acessorius beschreibt, Fig. 26. 

Fig. 26. 


Fünfter bis siebenter Halswirbel und erster 
Brustwirbel von hinten. 


Eine von der Mitte der hinteren 
Fläche desBogens gerade nach hin- 
ten oder nach hinten und abwärts 
ragende Spitze, der Wirbeldorn, 
Proc. spinosus (Dornfortsatz), ist 
ebenfalls zur Befestigung von Mus- Zehnter bis zwölfter Brustwirbel und 
ken nd Bändern’bestinnet erster Bauchwirbel von hinten. 


Wahre Wirbel. 31 


Betrachten wir nach dieser Aufzählung der einzelnen Theile des Wir- 
bels die Modificationen, welchen ihre Gestalt je nach der Stelle, die der 
Wirbel einnimmt, unterworfen ist. 

Der Körper nimmt vom dritten Hals- bis zum letzten Bauchwir- Körper. 
bel im verticalen und sagittalen Durchmesser ebenso beständig als lang- 
sam zu (im verticalen von 14 zu 29mm, im sagittalen von 14 zu 35mm); 
auch der transversale Durchmesser wächst vom dritten Halswirbel (21mm) 
bis zum letzten Bauchwirbel (d55"m), bleibt sich aber in den mittleren Brust- 
wirbeln, vom zweiten bis achten, ziemlich gleich oder nimmt selbst vom 
zweiten bis fünften etwas ab. Die Endflächen (obere und untere) sind daher 
im Allgemeinen mit dem längsten Durchmesser transversal gestellt; nur in 
den nächst oberen Brustwirbeln wird der transversale von dem sagittalen 

Durchmesser erreicht und selbst überholt. 
Die Form der Endflächen gleicht an den 
Halswirbeln, Fig. 27, einem Oblongum mit 
abgerundeten Ecken, nähert sich an den 
oberen Brustwirbeln, Fig. 28, einem Dreieck 
mit concaver, der Wirbelhöhle zugekehrter 
Basis und mit abgestumpfter, nach vorn 
gerichteter Spitze und wird in den unteren 
Brust- und den Bauchwirbeln, Fig. 29, boh- 
nenförmig, die Convexität des vorderen 
der Concavität des hinteren Randes nahezu 
parallele Die Endflächen sind an mace- 
rirten Wirbelkörpern ringsum von einem 
wulstigen, schwach vorspringenden Rand 
umsäumt; starke leistenartige Vorsprünge 
finden sich an den Halswirbeln, und zwar 
vom oberen Rande an jeder Seite aufwärts, 
Fig. 30, vom unteren Rande vorn und hin- 
ten abwärts gerichtet, Fig. 31, so dass da- 
durch die obere Endfläche jedes Wirbels 
von Einer Seite zur andern, die untere End- 
fläche von hinten nach vorn ausgehöhlt er- 
scheint, und die gegen einander gerichte- 
ten Flächen je zweier Wirbelkörper einan- 


Vierter Brustwirbel von unten. 


Fig. 29. 


F 


Frontalschnitt der Körper Medianschnitt der Kör- 
des 4ten und öten per des 4ten u. 5ten 
Halswirbels. Halswirbels. 


Bauchwirbel von unten. 


een en 


32 Wahre Wirbel. 


der wie zwei zum Handschlag in einander gefügte Hände umfassen. 
Mit ihrer Aussenfläche vergrössert die obere seitliche Leiste der Halswir- 
belkörper die Tiefe des oberen Wirbelausschnitts und indem sie sich an 
den unteren Theil der Seitenfläche des nächst oberen Wirbels anlegt, 
trägt sie statt der letzteren zur Bildung des Zwischenwirbellochs bei 
und bewirkt, dass dieses Loch in der Halsgegend ausnahmsweise zum 
grösseren Theil von dem unteren, zum kleineren Theil vom oberen Wir- 
belausschnitt begrenzt wird. Die obere und untere Fläche je eines Wir- 
bels sind in der Hals- und Bauchgegend einander parallel, sie haben 
am letzten Bauchwirbel eine auffallende, an den Brustwirbeln eine sehr ge- 
ringe Neigung gegen einander, und zwar an dem Bauchwirbel nach hinten, 
an den Brustwirbeln nach vorn. Demnach ist nur an dem nach vorn con- 
caven Theile der Wirbelsäule, welcher zugleich der minder bewegliche ist, 
die Krümmung in der Gestalt der Wirbelknochen begründet; die nach vorn 
convexe Krümmung in der Gegend der Hals- und Bauchwirbel muss durch 
Keilform der Knorpelscheiben vermittelt sein. 


Dies ist das übereinstimmende Resultat der Messungen von W. und E. We- 
ber (a. a. O. $S. 91) und Nuhn (Untersuchungen aus dem Gebiete der Anatomie, 
Physiologie und praktischen Mediein, HeftI.Heidelberg, 1849. S. 12). Hirschfeld 
(Gaz. med. de Paris. 1849. p.490) hält indess die keilförmige Gestalt der Zwischen- 
wirbelknorpel der Hals- und Bauchgegend und die Krümmung der Wirbelsäule an 
diesen Strecken nur für Folge der Zusammenziehung der zwischen den Wirbelbo- 
gen gelegenen elastischen Bänder. Nach der Trennung der Wirbelsäule durch ei- 
nen Frontalschnitt in Körper und Bogen richte sich an den Körpern die Hals- und 
Tuendengegend gerade, während die Reihe der Bogen sich um '/, der ganzen Länge 
der Wirbelsäule verkürze. Das Letztere ist richtig, und es unterliegt keinem Zwei- 
fel, dass die elastischen Bänder der Wirbelbogen die nach vorn gerichtete Convexi- 
tät der Hals- und Bauchwirbel vermitteln helfen. Die Entfernung der Bogen aber 
genügt nicht, um diese Convexität zu ebenen, da auch das Lig longitudinale poste- 
rius sich der Streckung der Wirbelsäule widersetzt. 


Die Form der Seitenflächen der Wirbelkörper, das Wort im Ge- 
gensatz zu den Endflächen gebraucht, ergiebt sich aus der Anschauung der 
letzteren von selbst. Die Körper sind vorn und hinten abgeplattet an den 
Halswirbeln, dreiseitig prismatisch mit concaver hinterer Fläche an den 
nächst oberen Brustwirbeln, mit convexer Vorderfläche und concaver hin- 
terer Fläche versehen an den unteren Brust- und den Bauchwirbeln. _ Die 
Höhe’der hinteren Fläche übertrifft die der vorderen unmerklich an den 
Brustwirbeln; die Vorderfläche ist merklich höher als die hintere an dem 
letzten Bauchwirbel. Dabei ist die der vegetativen Höhle zugekehrte Flä- 
che jedes _Wirbelkörpers ringsum in verticaler Richtung leicht ausge- 
höhlt und die gleiche Fläche der Halswirbel durch zwei von oben nach 
unten divergirende Linien in drei Felder, ein mittleres, mehr vortretendes 
und rauheres und zwei seitliche, tiefer liegende und glatte geschieden. All- 
gemein ist die in die Wirbelhöhle schauende Fläche poröser, mit grösseren 
Ernährungslöchern versehen als die vordere. 


Als charakteristisches Merkmal tragen die Körper der Brustwirbel an 
ihrem Seitenrande die zur Verbindung mit den Rippenköpfehen bestimmten 


Wahre Wirbel. 33 


Gelenkflächen, Rippenpfannen, /'ossae costales), die sich indess, je weiter 


Seitenansicht der Brust- 
wirbelsäule. 


een um so mehr rückwärts auf die Wurzel der 
Bogen ausdehnen. Den zwölf Rippen entsprechen 
im Ganzen zwölf Gelenkflächen; diese sind aber an 
der Brustwirbelsäule dergestalt vertheilt, dass nur 
die erste, elfte und zwölfte ununterbrochen je Einem 
Wirbel angehören, zu der Bildung der zweiten bis 
zehnten dagegen immer je zwei Wirbel nebst der 
zwischen ihnen befindlichen Knorpelscheibe beitra- 
gen (Fig. 32). Demnach findet sich auf dem ersten 
Brustwirbel eine ganze Rippenpfanne am oberen, 
eine halbe am unteren Rande, auf dem zehnten eine 
halbe Rippenpfanne am oberen Rande, auf dem elften 
und zwöften je eine ganze und auf jedem der übri- 
gen Wirbel eine halbe Rippenpfanne am oberen, 
eine halbe am unteren Rande (Fossa cost. sup. 
et inf., Fig. 24). . 

Die Gelenkfläche für die erste Rippe erstreckt sich 
nicht selten mit auf den siebenten Halswirbel. 

Doch ist der Ausdruck halb hier nicht im 
streng mathematischen Sinne zu nehmen; denn er- 
stens tritt, wie erwähnt, zwischen den oberen und 
unteren Theil jeder zusammengesetzten Rippen- 


pfanne der Zwischenwirbelknorpel ein, und zweitens ist schon am dritten 
Brustwirbel der obere Theil der Gelenkfläche grösser als der untere desselben 
Wirbels, und dies Missverhältniss wächst an jedem. folgenden Wirbel, den 
endlichen Uebergang der ganzen Gelenkfläche auf Einen Wirbel vorberei- 
tend. Die ungetheilte Gelenkfläche ist kreisförmig oder oval (mit dem 
längsten Durchmesser der sagittalen Axe des Wirbels parallel) mit mehr oder 
minder, besonders am oberen Umfang, vorspringendem Rande; die Theile 
einer solchen Fläche entsprechen also einem grösseren oder kleineren Kreis- 
abschnitt. Die kleinen, dem unteren Rande der tieferen Brustwirbel zuge- 


theilten Abschnitte der Rippenpfanne sind 
abwärts geneigt und, zumal wenn der obere 
Vorsprung des Randes der Rippenpfanne 
sich stark ausprägt, schärfer gegen die Sei- 
tenfläche als gegen die untere Fläche des 
Wirbelkörpers abgesetzt (Fig. 35). 

Die zusammengesetzten Rippenpfannen bil- 


den mit ihrem hinteren Rand einen Theil des 
vorderen Randes der Zwischenwirbellöcher: die 


Frontalschnitt des fünften u. sechsten in diesen Pfannen eingelenkten Rippen müssen 
Brustwirbels mit den Köpfchen daher die Zwischenwirb her verengen und 


der Rippen. 


die Bewegungen der ersteren können nicht ohne 
Einfluss auf die in den letzteren enthaltenen 


Gefüsse und Nerven sein. So mag man es für zweckmässig halten, dass die Pfanne 


') Superficies artieulares laterales. 


Henle, Anatomie. Bd, I, 3 


Bogen. 


34 Wahre Wirbel. 


der beiden untersten, vorzugsweise frei beweglichen Rippen von den Zwischenwir- 
bellöchern weg auf die Seitenfläche der betreffenden Wirbelkörper gerückt ist. 


An den Körpern der Halswirbel wird die Stelle, welche der Rippen- 
pfanne der Brustwirbel entspricht, von der Wurzel der Querfortsätze ein- 
genommen. Deswegen scheinen, wenn man die Wirbelsäule nach Entfer- 
nung der Rippen von vorn betrachtet, die Körper der Halswirbel einen 
kleineren Cylinderabschnitt darzustellen als die Körper der Rückenwirbel. 
Ein Theil der Seitenfläche der ersteren wird durch die (@uerfortsätze 
verdeckt. 


Die Wirbelbogen haben eine im Allgemeinen den Körpern ent- 
sprechende, aber ungleichmässige Höhe. Man kann unterscheiden: die 
seitlichen Massen, von welchen jederseits die beiden Gelenkfortsätze 
und der Querfortsatz ausgehen, den Hals, welcher diese Massen jederseits 
mit dem Körper verbindet, und den hinteren Bogenabschnitt, welcher 
sie unter sich verbindet. Die Seitenmassen mit den Gelenkfortsätzen sind, 
wie erwähnt, überall die nach oben und unten am meisten hervorragenden 
Theile ; ‘die Höhe des Halses beträgt etwa 2/3 der Höhe der Wirbelkörper ; 
die hinteren Bogenabschnitte sind in der Hals- und Brustgegend den Kör- 
pern an Höhe ziemlich gleich und nur an den Bauchwirbeln ansehnlich nie- 
driger, woraus folgt, dass bei gerader Haltung die Zwischenräume der Bo- 
gen am Hals- und Brusttheil der Wirbelsäule ungefähr eben so hoch sind, 
als die Zwischenwirbelknorpel, am Bauchtheil aber höher. Was den Hals 
der Wirbelbogen betrifft, so ist der früher gegebenen allgemeinen Beschrei- 
bung nur wenig hinzuzufügen. Sein oberer Rand liegt an den Hals- und 
Brustwirbeln fast in gleicher Flucht mit dem oberen Rand des Körpers, an 
den mittleren Brustwirbeln sogar über demselben, indem er von dem nach 
oben vorspringenden Rande der Rippenpfanne ausgeht (Fig. 24), an den 
Bauchwirbeln dagegen etwas tiefer als der obere Rand des Körpers. An 
den Halswirbeln ist der Hals des Bogens schief seit- und rückwärts, an den 
Brust- und Bauchwirbeln ist er gerade rückwärts gerichtet; dadurch ist an 
den Halswirbeln, trotz der geringeren Breite des Wirbelkörpers, der Quer- 
durchmesser des Wirbellochs absolut grösser als an den Brust- und Bauch- 
wirbeln. Mit der Länge des TEEN nimmt von oben nach unten sehr 
allmälig und nur mit geringen Schwankungen die Entfernung der Bogen- 
gelenke vom Körper und der sagittale Durchmesser der Zwischenwirbellö- 
cher zu. 


Die seitlichen Massen der Wirbelbogen werden in Verbindung mit den 
Fortsätzen beschrieben, von welchen ihre äussere Fläche grösstentheils ver- 
deckt wird. 


Die hinteren Abschnitte der Wirbelbogen sind, von Einem Gelenkfort- 
satz zum anderen gemessen, am ausgedehntesten an den Halswirbeln, am 
kürzesten an den Brustwirbeln; sie sind nach der Fläche und ausserdem 
nach der Kante so gekrümmt, dass die Concavität des Bogens nach oben 
sieht und die Lücken zwischen den einzelnen Bogen halbmondförmig nach 
oben gebogene Querspalten darstellen, die aber an den Brustwirbeln gröss- 
tentheils durch den abwärts gerichteten Dorn verschlossen werden. Eine 
Ausnahme machen, nebst den letzten Brustwirbeln, die Bauchwirbel, bei 


Wahre Wirbel. 35 


welchen durch die gegenseitige Annäherung der ‚unteren Gelenktortsätze 
der untere Bogenrand in eine nach unten offenen, spitzen Winkel verwan- 


3 # delt wird, die Lücke zwischen den 
ur ‚Bogen also die Form eines Drei- 
_ Pas ‘ ecks mit nach oben gerichteter Spi- 


_Pm tze und mitunter, wenn zugleich der 
obere Rand tief eingeschnitten ist, 
eine Rautenform erhält (Fig. 54). 
So weit die Ränder der Bogen 
frei liegen, sind sie an den Halswir- 
beln scharf, an den Brust- und Len- 
u; denwirbeln zur Aufnahme der Zwi- 
schenbogenbänder rauh, selbst za- 
ckig; diese Rauhigkeit geht an den 
Brustwirbeln vom oberen Rande auf 
die hintere Fläche, vom unteren 
Dritter, u. vierter Bauchwirbel von hinten. Rande: auf die vordere Fläche des 
.  Bogens über; sie erstreckt sich am 
oberen Rand der Bauchwirbel auf den oberen Rand des Dornfortsatzes, am 
unteren Rande der Bauchwirbel auf die Vorderfläche der Gelenkfortsätze. 
Am Halse sind die Wirbelbogen mit der Vorderfläche abwärts sanft ge- 
neigt; dadurch, indem zugleich jeder Bogen gegen den nächst oberen et- 
was zurücktritt, wird der sagittale Durchmesser des Wirbeleanals nach ab- 
wärts allmälig vergrössert. In den Brust- und Bauchwirbeln stehen die 
Bogenflächen der Rückenfläche des Wirbelkörpers parallel, vertical. Die 
Vorderfläche des Bogens, die den Wirbelcanal bilden hilft, ist in den 
Brust- und Bauchwirbeln, abgesehen von den eben erwähnten Rauhigkeiten 
am unteren Rande, völlig glatt; an den Halswirbeln ist sie durch eine un- 
ter der Mitte und dem Rande parallel verlaufende Linie in ein oberes grös- 
seres und ein unteres kleineres Feld getheilt; das letztere, etwas vertiefte, 
ist von den Zwischenbogenbändern bedeckt, die sich von unten her an jene 
Linie anheften. Die Rückenfläche des Bogens ist der Länge nach durch 
den Dorn getheilt, in dessen Seitenflächen sie übergeht. 


Die Wirbeldornen sind durchgängig mehr oder weniger ab- 
wärts geneigt; die längeren mitunter auch etwas abwärts gekrümmt. Jene 
Neigung nimmt von den oberen Halswirbeln bis zum siebenten Brustwirbel 
in dem Maasse zu, dass die Dornen in der Mitte der Brustwirbelsäule ein- 
ander dachziegelförmig deeken (Fig. 24. 35); vom achten Brustwirbel an 
abwärts richten sie sich rasch wieder auf; so dass schon der Dorn des elften 
Brustwirbels ziemlich gerade nach hinten steht. Die Dornen des dritten 
bis sechsten Halswirbels sind fast gleich lang (14®m), der Dorn des sie- 
benten Halswirbels überragt aber den des sechsten um etwa die Hälfte der 
Länge des letzteren; von da an bis zum siebenten Brustwirbel nimmt die 
Länge der Dornen allmälig um so viel zu, dass sie, trotz der grösseren Nei- 
gung abwärts, gleich weit nach hinten ragen; die folgenden verkürzen sich 
wieder bis zum elften Brustwirbel, von wo an bis zum Kreuzbein sie um 
Weniges anfangs zu- und schliesslich wieder abnehmen. 

3*+ 


Dornen, 


36 Wahre Wirbel. 


. Bei natürlich aufgerichteter Wirbelsäule trifft eine vom untersten Theil der 
Spitze des siebenten Brustwirbeldorns nach vorngezogene Horizontale unter den 
oberen Rand des neunten Brustwirbelkörpers; eine ebenso von einem Bauchwir- 
beldorn gezogene Linie fällt unter den oberen Rand des nächstfolgenden Wir- 
belkörpers und, von den Halswirbeldornen, etwa auf die Mitte des nächstfolgenden 
Wirbelkörpers. 


Vom siebenten Halswirbel an sind die Spitzen der Dornen durch die Haut zu 
fühlen; der siebente Halswirbeldorn fühlt sich aber aın leichtesten heraus, weil er 
nicht nur mit der Spitze, sondern auch mit einem Theil des oberen Randes fre 
unter der Haut liegt. 


Die Dornen des dritten bis sechsten Halswirbels sind platt, deprimirt; 
die obere, von Einer Seite zur anderen gewölbte, oder durch eine Längs- 
firste getheilte Fläche geht aus der hinteren Fläche des Bogens, die untere 
in gleichem Sinne ausgehöhlte Fläche aus der vorderen Fläche des Bogens 
hervor; die Spitze ist in zwei platte, divergirende, öfters nicht ganz symmetri- 
sche Zacken getheilt (Fig. 25). Die folgenden Dornen bis zu dem des neunten 
oder zehnten Brustwirbels sind sämmtlich an der Basis dreiseitig prismatisch, 
mit zwei gewölbten oder ausgehöhlten Seitenflächen, welche oben in einer, an 
der Mitte des oberen Randes des Bogens beginnenden Firste zusammenstossen, 
und einer unteren , schwach ausgehöhlten Fläche, in welche die vordere 
Fläche des Bogens besonders an den stark abwärts geneigten Dornen, fast 
ohne Unterbrechung, übergeht (Fig. 35. 36). Inden sich die untere Fläche 


Fig. 35. Fig. 36. 


Brustwirbelbogen von vorn. 
—+- Durchschnitt des Bogenhalses, 
se 8.89. 


A. Brustwirbel von hinten, B. Frontal- 
schnitt des Wirbeldorns. 


gegen die Spitze hin zu einer Kante verschmälert, werden die Seitenflächen 
einander parallel und gewinnt der Dorn eine comprimirte Gestalt mit obe- 
rem und unterem scharfen Rande und senkrecht abgeschnittener, wulstiger, 
an einigen Wirbelm beilförmig nach unten vorspringender Spitze. Der sie- 
bente Halswirbeldorn, obgleich hinsichtlich seiner Länge, seiner prisma- 
tisch gestalteten Wurzel und ungetheilten Spitze den Brustwirbeldornen 
ähnlich, schliesst sich doch den Dornen der höheren Halswirbel dadurch an, 
dass er an der Spitze breiter ist als hoch (Fig. 25), und der erste Brust- 
wirbel bildet den Uebergang zu den folgenden durch eine, wenngleich 


Wahre Wirbel. 37 


noch ansehnlich breite, doch schon im senkrechten Durchmesser verlängerte 
Endfläche der Spitze. Die Dornen 
vom zehnten oder elften Brustwir- 
bel an abwärts sind sogleich vom 
Ursprung an platt und comprimirt, 
mit zwei seitlichen Flächen, die 
rechts und links in die hintere 
Fläche des Bogens umbiegen, mit 
zwei scharfen Rändern, einem obe- 
ren und unteren, von welchen der 
letztere oft nach unten concav 
ist, und einem verdickten, wulsti- 


gen, zuweilen durch eine seichte 
Bauchwirbel im Profil. Längsfurche getheilten hinteren 
Rande (Fig. 37). 

Häufig tragen die Dornen der Bauchwirbel an ihrer Spitze oben eine Gelenk- 
fläche, unten einen convexen Gelenkknopf, einfach oder in zwei getheilt, wodurch 
sie unter einander articuliren, Diarthrosis interspinosa Mayer (Tiedemann und 
Treviranus, Zeitschrift für Physiologie. Bd. II. p. 29. Taf. V. Fig. 1. 2.). 

Die Gelenkfortsätze ragen an allen Wirbeln über den oberen 
Rand der Wirbelbogen mehr hervor als über den unteren, weil der ab- 
wärts gekrümmte Bogen seine untere Gelenkfläche der oberen Gelenkfläche 
des nächsten Bogens gleichsam entgegenträgt; sie ragen nach oben und 
unten am stärksten hervor an den Bauehwirbeln theils wegen der Höhe der 
Zwischenwirbelbänder, theils wegen der im Vergleich zum Körper geringen 
Höhe der Bogen dieser Wirbelabtheilung. Die Form der Gelenkfortsätze 
wird hauptsächlich durch die Richtung der Gelenkflächen bestimmt, welche 
sich von oben nach unten in folgender Weise umändert. Der Schädel ar- 
tieulirt auf dem ersten Halswirbel, ler erste Halswirbel auf dem zweiten 
mit fast horizontalen Flächen; vom Gelenk des zweiten mit dem dritten 
Halswirbel an drehen sich die Gelenkflächen so um die Queraxe, dass die 
dem oberen Wirbel angehörigen nach vorn und unten, die dem unteren 
angehörigen nach hinten und oben schauen (Fig. 31), bis sie, am fünften 
oder sechsten Brustwirbel, der Frontalebene parallel zu liegen kommen, die 
dem oberen Wirbel angehörigen nach vorn, die dem unteren angehörigen 
nach hinten gerichtet (Fig. 24. 35). So erhalten sie sich bis zum Gelenk 
des zwölften Brustwirbels mit dem ersten Lendenwirbel, dessen Flächen, mit 
den vorhergehenden verglichen, um die Längsaxe rückwärts gedreht er- 
scheinen, so dass die Gelenkflächen des Brustwirbels sich lateralwärts, die des 
Bauchwirbels medianwärts kehren, und fortan, da diese Richtung in den 
folgenden Gelenken beibehalten wird, jedesmal die unteren Gelenkfortsätze 
eines Wirbels von den oberen des folgenden umfasst werden (Fig. 34). Die 
meisten dieser Gelenkflächen liegen der Medianebene fast genau parallel; 
nur an dem Gelenk des letzten Bauchwirbels mit dem Kreuzbein ist die 
obere Gelenkfläche mehr nach vorn, die untere entsprechend nach hinten 
gerichtet. 

Die Gelenkflächen der Hals- und Brustwirbel sind von nicht ganz re- 
gelmässigen, jedoch nahezu kreisrunden Contouren begrenzt und flach oder 


Gelenk- 
fortsätze. 


Querfort- 
sätze. 


38 Wahre Wirbel. 


leicht gekrümmt. Die Ebene der Halswirbelgelenke ist nach unten resp. 
vorn convex, die Ebene der Brustwirbelgelenke nach vorn concav; an je- 
dem Halswirbel sind demnach die oberen Gelenkflächen vertieft, die unte- 
ren gewölbt, an dem Brustwirbel sind, umgekehrt, die oberen Gelenkflächen 
gewölbt, die unteren vertieft. An den Bauchwirbeln findet man die lateral- 
wärts gewandten Flächen von vorn nach hinten mehr oder minder gewölbt, 
die medianwärts gewandten Flächen in derselben Richtung ausgehöhlt und 
beide meist im verticalen Durchmesser verlängert. — Was nun die Form 
der Fortsätze betrifft, welehe einen Theil dieser Gelenkflächen tragen , so 
sind die oberen an den Hals- und Brustwirbeln von vorn nach hinten com- 
primirt, mit vorderer convexer, hinterer platter und überknorpelter Fläche, 
beide Flächen nach oben und den Seiten in einen halbkreisförmigen, schar- 
fen Rand zusammenstossend, so zwar, dass an den Halswirbeln die hintere 
(Gelenk-)Fläche, vorwärts geneigt, der vertical gestellten Vorderfläche ent- 
gegenkommt, an den Brustwirbeln, umgekehrt, die Vorderfläche, rückwärts 
geneigt, sich an der vertical gestellten hinteren (Gelenk-) Fläche herauf- 
zieht. Der untere Gelenkfortsatz springt an den Halswirbeln nur wenig 
nach abwärts, hauptsächlich aber nach hinten und seitlich vor; mit dem 
oberen zusammen stellt er an jedem Wirbel eine kurze, schief abgestutzte, 
an die Seitenfläche des Bogens angewachsene Säule dar; längs dem hin- 
teren Theil des unteren Randes verläuft die oben erwähnte Muskelrauhig- 
keit (Fig. 25). Noch weniger zeichnet sich der untere Gelenkfortsatz an den 
zehn oberen Brustwirbeln aus, an welchen fast die ganze Gelenkfläche auf 
die Vorderseite des Bogens zu liegen kommt (Fig. 36). An den Bauchwirbeln 
ist die Gelenkfläche ganz auf die Gelenkfortsätze übergegangen; von die- 
sen sind die oberen seitlich zusammengedrückt, aussen rauh, innen glatt, 
die unteren dreiseitigen Pyramiden ähnlich mit nach unten gerichteter 
Spitze, die Seitenfläche glatt, die vordere und hintere Fläche rauh. Die 
unteren stehen dicht zusammen, die oberen so weit auseinander, dass ihre 
innere Fläche noch etwas weiter von der Medianebene entfernt ist als die 
Aussenfläche des unteren Fortsatzes der gleichen Seite. Die oberen Ge- 
lenkfortsätze der Bauchwirbel werden noch durch die an ihrem hinteren 
Rande gelegenen Pr. mamillares und accessorii verlängert (fig. 37). 

Die oberen Gelenkfortsätze des zwölften Brustwirbels gleichen denen 
der übrigen Brustwirbel, seine unteren Gelenkfortsätze den gleichnamigen 
Gelenkfortsätzen der Bauchwirbel. Der elfte Brustwirbel zeichnet sich hin- 
sichtlich der Stellung der Gelenkflächen nicht vor den übrigen aus, macht 
aber den Anfang mit der Bildung deutlich vorspringender unterer Gelenk- 
fortsätze. 

Unter dem Namen Diarthrosis obligqua accessoria beschreibt Mayer (a. a. O. 
Fig. 3 — 5) zwei Gelenke, welche sich zuweilen an unteren Brust- und oberen 
Bauchwirbeln finden, die Gelenkköpfe (proc. obliqui accessorü) unten, die Gelenk- 
gruben oben jederseits an der Wurzel des Dornfortsatzes medianwärts von den ei- 
gentlichen Gelenkfortsätzen. 


Die Querfortsätze stehen an den Hals- und Bauchwirbeln 
weiter nach vorn als an den Brustwirbeln; indem sie die Schlangenbie- 
gung der Wirbelsäule mitmachen, übertreiben sie dieselbe noch in der Art, 
dass eine längs ihrer Spitzen gezogene Linie am Brustkorb nach hinten, am 


Wahre Wirbel. - 39 


Hals- und Bauchtheil nach vorn steiler gekrümmt ist, als die Axe des Wir- 
belcanals. Dies ist der Erfolg einer Verschiedenheit theils des Ursprungs, 
theils der Richtung und Länge der (Juerfortsätze an den verschiedenen Ge- 
senden der Wirbelsäule. Sie entspringen an den Brustwirbeln jederseits 
zwischen dem unteren Rande der oberen und dem oberen Rande der unteren 
Gelenkfläche mit einer eylindrischen Wurzel, welche unten über dem Wir- 
belausschnitt rinnenförmig vertieft ist und mit ihrer vorderen, abgeplatteten 
Fläche in den Hals des Wirbelbogens übergeht. Der Querfortsatz des 
ersten Brustwirbels ist gerade seitwärts gerichtet (18"m lang); vom zweiten 
Brustwirbel an weichen die Spitzen der (uerfortsätze immer mehr rückwärts; 
sie nähern sich deshalb der Mittellinie und nehmen in der vorderen öder 
hinteren Ansicht der Wirbelsäule abwärts scheinbar an Länge ab (Fig. 38). 
Wirklich und rasch kürzer wird der Querfort- 
satz vom neunten Brustwirbel an,und am zwölf- 
ten, zuweilen auch schon am elften, ist er nur 
noch ein kurzer, in zwei bis drei stumpfe Za- 
cken getheilter Höcker. Die Spitzen der Quer- 
fortsätze des ersten bis zehnten Brustwirbels 
sind kolbig verdickt; sie tragen (Fig. 24. 39) 
an der Vorderseite eine kreisrunde schwach 
vertiefte, an den oberen Wirbeln abwärts, an 
den unteren aufwärts gerichtete Gelenkfläche 
zur Articulation mit den Rippenhöckern 
(Querfortsatzpfanne, Fossa trans- 
versalis), an der Rückseite die zum Mus- 
kelansatze dienende Rauhigkeit, welche sich, 
wie erwähnt, an den tieferen Wirbeln quer 
theilt und öfters so von der Spitze des Quer- 
fortsatzes abrückt, dass in der Ansicht des 
Wirbels von hinten der Rand der Pfanne für 
den Rippenhöcker seitlich unten vorspringt 
(Fig. 26). An den beiden unteren Brustwir- 
beln hat sich die Muskelrauhigkeit, in den 
Pr. mamillaris und accessorius zerfallen, an 
die Wurzel des kurzen Querfortsatzes zurück- 
gezogen; dieser ist kolbig oder spitz und 
steht mit dem Rippenhöcker nur durch ein Li- 
gament in Verbindung. 

Variet. Man findet ihn auf ein unscheinba- 
res Knötchen reducirt; der Pr. accessorius fehlt 
am elften oder zwölften Brustwirbel. Die Gelenk- 


Wirbelsäule von hinten. fläche wird schon am Querfortsatz des zehnten 
Brustwirbels vermisst. 


Um die Querfortsätze der Hals- und Bauchwirbel richtig zu verstehen, 
ist es nöthig, einen Blick auf die Verbindung der Brustwirbel mit den Rip- 
pen zu werfen. Sie wird vermittelt durch die Köpfchen und Höcker der 
Rippen (Fig. 39), von welchen sich jene an die Körper, diese an die Quer- 
fortsätze der Wirbel anlegen. Der zwischen Kopf und Höcker gelegene 


40 Wahre Wirbel. 


Hals der Rippe (Ce) begrenzt von vorm, wie der Querfortsatz von hinten, 
eine Oeffnung, welche Foramen costo - transversarium genannt werden soll. 


Fig. 39. 


4 Fünfter Halswirbel von unten. 


Brustwirbel und Rippe von unten. 


Sie wird durch Bandmasse ausgefüllt. Verschmilzt das Köpfchen einer kur- 
zen Rippe mit dem Körper, der Höcker derselben mit dem (Juerfortsatz des 
Wirbels, so entsteht die Art durchlöcherter Querfortsätze, wie sie an sämmt- 
lichen Halswirbeln, die beiden oberen mit eingeschlossen, vorkommen (Fig. 40). 
Das Foramen costo-transversarium, hier schlechthin F'or. fransversarium 
genannt, wird vom sechsten Halswirbel an aufwärts durch die zum Schädel 
aufsteigende A. und V. vertebralis ausgefüllt. Die Leiste, die dasselbe nach 
vorn begrenzt, entspringt vom Körper, die dem Querfortsatz entsprechende 
hintere Leiste entspringt am siebenten Halswirbel von der Seite des Bogens 
zwischen den Gelenkfortsätzen und rückt in den höheren Wirbeln immer 
weiter nach vorn, so dass in der Ansicht von hinten die Querfortsätze von 
den Gelenkfortsätzen fast oder völlig verdeckt werden, zumal auch die 
Grösse der ersteren in allen Dimensionen vom siebenten Halswirbel auf- 
wärts geringer wird. Gleicht das For. costo-transversarium an den Brustwir- 
beln einer länglichen Spalte, so verwandelt es sich an den Halswirbeln in 
eine kreisrunde Oeffnung, an deren Begrenzung medianwärts der Körper und 
Bogenhals des Wirbels und seitlich eine Brücke Antheil nimmt, in welche die 
Berührungsstelle zwischen dem Rippenhöcker und eigentlichen Querfortsatz 
sich auszieht. Die vordere und hintere Leiste des Querfortsatzes der Halswir- 
bel sind platt, mit den Flächen in der Frontal- 
ebene; ihre unteren Ränder verbindet die 
erwähnte, ebenfalls platte, aber mit den Flä- 
chen horizontal gestellte und nach oben aus- 
gehöhlte Brücke. So wird der Querfortsatz jen- 
seits des For. transversarium zu einer Rinne, in 
welcher der aus dem Zwischenwirbelloch aus- 
getretene Nerve ruht, und der Rand dieser Rinne 
endet vorn und hinten in eine auf- oder seit- 
wärts gerichtete Zacke, welche zur Anheftung 
von Muskeln benutzt wird (Fig. 41). 

Oefters ist das For. transversarium durch eine 


feine Knochenbrücke in eine hintere kleinere und 
vordere grössere Oeffnung getheilt. 


Fig. 41. 


Halswirbel, schief von oben 
und seitlich, 


Wahre Wirbel. 41 


Verfolgt man den (uerfortsatz von den Brustwirbein abwärts, so sieht 
man ihn am ersten Bauchwirbel plötzlich wieder eben so weit und weiter 
seitwärts reichen, als am ersten Brustwirbel; seine Länge pflegt an den fol- 
genden Wirbeln wenig zu- oder abzunehmen; seine Höhe gleicht ebenfalls 
der Höhe der Brustwirbelquerfortsätze und ist nur am fünften Bauchwirbel 
etwas beträchtlicher; er ist platt mit scharfem oberen und unteren Rande und 
grade oder schief abgestutzter, wenig verdickter Spitze, welche kaum rückwärts 
und wenig aufwärts gerichtet ist. Dieser Querfortsatz der Bauchwirbel !) 
aber entspricht dem höckerförmigen Querfortsatz der letzten Brustwirbel 
sammt einer kurzen Rippe, deren Verbindungen mit dem Wirbel in Einer 
Knochenmasse untergegangen sind. Dies ergiebt sich, ohne die Beihülfe 
der Entwickelungsgeschichte, schon aus der Form der Querfortsätze. Ihre 
dicke Wurzel entspringt von der Seitenfläche nicht nur des Bogens, son- 
dern auch des Körpers der Wirbel; sie geht mit ihrer Vorderfläche in die 
Vorderfläche des Körpers über, und eine Vertiefung auf ihrer oberen und 
unteren Fläche nimmt sich wie ein durch Knochenmasse ausgefülltes Fora- 
men costo-transversarium aus (Fig. 42. 43). Der Processus mamillaris ist 
an den hinteren Rand des oberen Gelenktortsatzes hinaufgerückt (Fig. 45); 


Fig. 42. Fig. 43. 


ee 


Zwölfter Brustwirbel mit der Rippe von. unten. 


Bauchwirbel von unten. 


der Processus accessorius dagegen zieht sich, namentlich an den tieferen 
Bauchwirbeln, als eine scharfe Leiste bis zum unteren Rande der Wurzel 
des Querfortsatzes herab. 

An den unteren Lendenwirbeln eines Skelettes finde ich die Spitzen des Pr. 
mamillaris und accessorius durch eine Knochenbrücke verbunden, so dass beide mit 
einander nur einen breiten, von einer runden Oeffnung durchbohrten Fortsatz dar- 
stellen. An einer Wirbelsäule unserer Sammlung articulirt der überknorpelte untere 
Rand der Spitze des Querfortsatzes des letzten Bauchwirbels in einer überknorpel- 
ten flachen Grube auf der oberen Fläche des Seitentheiles des Kreuzbeines. 


ß. Drehwirbel. 


Man denke sich den Körper eines gewöhnlichen Wirbels in die Breite 
stark ausgedehnt und durch zwei von vorn nach hinten gezogene Linien 


1) Processus costarius, Krause. 


ß. Dreh- 
wirbel. 


42 Wahre Wirbel. 


in drei ungefähr gleich grosse Abtheilungen geschieden, die beiden seitli- 
chen Theile (M,Fig.44) oben und unten überknorpelt und, statt durch Syn- 
chondrosen, durch Gelenke mit entsprechenden Flächen der angrenzenden 
Wirbel oder wirbelähnlicher Stücke verbunden; den mittleren Theil zer- 
fallen in eine vordere knöcherne, eine 
hintere sehnige Leiste (Aa und Z) und 
einen eylindrischen, knöchernen, ringsum 
freien Kern (D) und diesen Kern mit 
seiner unteren Fläche an die obere des 
nächst unteren Wirbelkörpers angewach- 
sen: so hat man ein Bild der Eigen- 
thümlichkeiten, die den ersten und zwei- 
ten Halswirbel vor den übrigen aus- 
zeichnen. In dem ersten Halswirbel ist 
der Körper vertreten durch den vorde- 
Atlas und. Epistr.. von oben. ren Bogen und die beiden, die Gelenk- 
flächen tragenden Seitenmassen; im 
zweiten Halswirbel geschieht der Uebergang vom Dreh- zum Beugewirbel: 
die obere Fläche seines Körpers ist mit zwei Gelenkflächen versehen, zwi- 
schen welchen der zapfenförmige Zahn, 
Dens‘) (Fig. 45), sich erhebt; nach 
unten hin aber verjüngt sich der Kör- 
per zu dem Umfange, welcher den ge- 
wöhnlichen Halswirbelkörpern zukommt, 
und die untere Fläche desselben ist 
von der unteren Fläche der folgenden 
Halswirbel nicht verschieden. Hinter 
beiden Gelenkflächen des ersten und hin- 
ter der oberen Gelenkfläche des zweiten 
Halswirbels folgt jederseits, wie hinter 
den Körpern der Beugewirbel, ein Aus- 
schnitt, der dem vorderen Rande des 
Wirbelausschnittes der übrigen wahren Wirbel entspricht; die hintere knö- 
cherne Begrenzung dieses Ausschnittes fehlt aber am ersten Halswirbel 
und am oberen Rande des zweiten, zugleich mit den Gelenkfortsätzen, die 
erst am unteren Rande des zweiten Halswirbels in der den Beugewirbeln 
des Halses eigenen Gestalt auftreten. Der Mangel der Gelenkfortsätze an 
den einander zugewandten Rändern der Bogen des ersten und zweiten 
Halswirbels bedingt, dass die Lücke zwischen diesen Bogen (wie zwischen 
dem Bogen des ersten Halswirbels und dem Hinterhaupt) breiter wird, als 
zwischen irgend welchen anderen Wirbeln; sie wird zugleich höher und 
der Zugang zur Wirbelhöhle an dieser Stelle in jeder Beziehung geräumi- 
ger durch die geringe Höhe des hinteren Bogens des ersten Halswirbels 
und durch die Abwesenheit eines Dornes. 


Aus dieser Beschreibung erhellt, dass auf die Seitenmassen des ersten Hals- 
wirbels und die Theile des zweiten, weichen die oberen Gelenkflächen angehören, 


Fig. 45. 


Epistr. von oben. 


D) Zahnfortsatz, processus odontoideus. 


Wahre Wirbel. 43 
der Name Gelenkfortsätze nicht passt, und damit hört der Widerspruch auf, 
welcher bezüglich der Austrittsstelle der Rückenmarksnerven zwischen den beiden 
oberen Wirbeln und den folgenden zu bestehen schien, wenn man angab, dass sie 
hier vor und dort hinter den Gelenkfortsätzen austreten. 


Am ersten Halswirbel, Atlas, ist der vordere Bogen, Arcus ante- 
rior, etwas niedriger, die Seitenmassen, Massae laterales, sind wenig 
höher als die Körper der regelmässigen Halswirbel; eine vom Seitenrande 
der Seitentheile abwärts gezogene Linie fällt etwa in die Mitte des Quer- 
fortsatzes des dritten Halswirbels. Der vordere Bogen hat an seiner Vor- 
derfläche zwischen zwei seichten Eindrücken einen besonders nach unten 
vorspringenden Muskelhöcker, Tuberculum anterius, diesem gegenüber 
an der hinteren Fläche eine kreisrunde, schwach vertiefte Gelenkfläche, 
Fossa art. post., welche einer ähnlichen, kaum gewölbten, an der Vorder- 
seite des Zahnes des zweiten Halswirbels entspricht. Die oberen Gelenk- 
flächen der Seitenmassen, die Hinterhauptspfannen, F'ossae art. supp., sind 
von vorn nach hinten stark, von einer Seite zur anderen* schwach ausge- 
höhlt, ohrförmig mit gegen die Medianebene concaven Rändern und gegen 
diese Ebene abfallend. Die unteren Gelenkflächen der Seitenmassen sind 
sehr wenig vertieft, fast kreisrund und steigen gegen die Medianebene sanft 
an; die Innenflächen der Seitenmassen springen gewölbt und uneben gegen 
die Wirbelhöhle vor und zeigen nahe dem oberen Rande hinter einem war- 
zenförmigen Höckerchen eine mehr oder minder tiefe Grube, in welcher das 
hinter dem Zahn verlaufende quere Band sich befestigt. 


Der hintere: Bogen, Arcus posterior, nimmt aus der hinteren Fläche 
der Seitenmassen etwa in der Mitte ihrer Höhe seinen Ursprung, anfangs 
deprimirt, die Flächen nach oben und unten, die scharfen Kanten nach in- 
nen und aussen gewandt; im weiteren Verlauf nach hinten, indem die Flä- 
chen sich verjüngen und die Kanten sich verbreitern, werden die Flächen, 
wie an den folgenden Bogen, vor- und rückwärts, die Ränder aufwärts ge- 
kehrt. Der deprimirte, nach oben zugleich etwas ausgehöhlte Theil bildet 
für Nerven und Gefässe eine Rinne, Sinus atlantis, welche von oben 
her durch die nach hinten ausgezogene Spitze des überknorpelten 'Theiles 
des Körpers überragt wird. Mitten auf der hinteren Fläche des hinteren 
Bogens, an der der Basis des Dornes in den folgenden Wirbeln entsprechen- 
den Stelle, findet sich ein kurzer Höcker oder eine verticale Leiste oder auch 
ein Grübchen mit wulstigen Rändern, das T’uberculum posterius atlantis. 
Der hintere Bogen des Atlas setzt sich hinter dem Körper’ weg in die hin- 
tere Leiste des Querfortsatzes fort, dessen vordere .Leiste aus der Vorder- 
fläche der Seitenmassen hervor- und gerade lateralwärts geht. Der Quer- 
fortsatz ist an sich stärker als an den tieferen Halswirbeln ; dies, in Ver- 
bindung mit seiner geraden Richtung und der verhältnissmässig bedeutenden 
Breite des Körpers, bewirkt, dass die Spitze desselben weiter zur Seite 
reicht, als die Spitze des Querfortsatzes der folgenden Halswirbel und mit- 
unter selbst des ersten Brustwirbels. Das Wirbelloch des Atlas erstreckt 
sich, zur Aufnahme des Zahnes, zwischen den Seitenmassen nach vorn in 
Form einer von seitlichen convexen und einem vorderen concaven Rande 
begrenzten Bucht; der zur Aufnahme des Rückenmarkes bestimmte hintere 


Atlas 


Epistro- 
pheus. 


b. Falsche 
Wirbel. 
«. Kreuz- 
bein. 


44 Falsche Wirbel. 


Theil ist breiter, aber im sagittalen Durchmesser kürzer, als in den nächst- 
folgenden Wirbeln. 

Variet. Die Hinterhauptspfanne ist durch eine quer verlaufende rauhe Rinne 
getheilt. Die eine oder andere Leiste des Querfortsatzes ist schwach oder fehlt. 
Vom hinteren Theil des Randes der Hinterhauptspfanne wölbt sich eine Brücke zur 
hinteren Leiste des Querfortsatzes oder zur Wurzel des hinteren Bogens und ver- 
wandelt den hinter dem Querfortsatzloch gelegenen Theil des Sinus atlantis in einen 
Knochencanal, durch welchen die Vertebralgefässe laufen. 

Der zweite Halswirbel, Hpistropheus (Fig. 46), ist am Körper, 
auch abgesehen vom Zahn, wie am Bogen hö- 

Fig. 46. her, als die folgenden Halswirbel. Der Körper 

s ist an seiner nach oben sich verbreiternden 
Vorderfläche mit denselben seitlichen Eindrü- 
cken und demselben dreiseitigen Mittelfelde 
versehen, wie die Beugewirbel des Halses; 
die obere Fläche setzt sich von ihrer Mitte 
aus, allmälig ansteigend, in den Zahn fort 


Fır/  E Pai und trägt zu den Seiten desselben die schwach 
2 gewölbten, seitwärts geneigten, nach vorn 
one an Prog] überhängenden Gelenkflächen, F'ossae art. 


supp., auf welchen der Atlas artieulirt. Der 

Zahn ist eylindrisch, mit kurzer, kegelförmi- 
ger Spitze, die nach vorn steiler abfällt als nach hinten; an der hinteren 
Fläche unter der Spitze breit ringförmig eingeschnürt, an der Vorderseite 
mit der bereits erwähnten Gelenkfläche, F'ossa art. ant., versehen. Der 
Bogen liegt mit seinem oberen Rande in gleicher Höhe mit dem oberen 
Rande des Körpers und zeigt statt des oberen Ausschnittes nur eine ganz 
seichte Vertiefung hinter der Gelenkfläche des Körpers; der untere Wir- 
belausschnitt ist tief und zur Seite, wie an den folgenden Wirbeln, durch 
den Gelenkfortsatz, Proc. art. inf., begrenzt. Der Querfortsatz entspringt 
mit Einer Leiste dicht unter dem oberen Rande des Körpers, mit der ande- 
ren, schwächeren, vom Bogen über dem unteren Gelenkfortsatz. Er ist kür- 
zer, mehr abwärts geneigt und minder rinnenförmig als an den folgenden 
Wirbeln. Wegen der nach oben zunehmenden Breite des Körpers stellt das 
For. Iransversarium einen auf- und seitwärts gekrümmten kurzen Canal 
dar. Der Dorn ist hoch, in zwei starke Zacken getheilt und reicht weiter 
rückwärts als an den nächstfolgenden Wirbeln. 


Die hintere Leiste des Querfortsatzes fehlt zuweilen. 


b-. Bra Ksteihe, Woche! 


«. Kreuzbein, Os sacrum. '). 


Den Namen Kreuzbein tragen die fünf, im reifen Körper unter ein- 
ander verschmolzenen Wirbel, welche dem letzten Bauchwirbel folgen. 
Diese Verschmelzung, die knöcherne Verwachsung der Synehondrosen der 


) Heiligbein, 


Falsche Wirbel. 45 


Körper und der Gelenke der Bogen, sowie die Verknöcherung der Band- 
massen, welche an anderen Wirbeln die Lücken zwischen den Bogen ausfül- 
len, ist indess nicht das einzige, für die Kreuzwirbel charakteristische 
Merkmal. Gleich den verschiedenen Arten der wahren Wirbel zeichnen sich 
auch die Kreuzwirbel durch eine eigenthümliche Anordnung der Quer- 
fortsätze aus. Hier sind sie in die Breite ausgezogen, zugleich verdickt 
und mit den Flächen, die sie einander zukehren, einander dergestalt entge- 
gengewachsen, dass »sie jenseits der Zwischenwirbellöcher in derselben 
Ebene, wie die Wirbelkörper, und gleich diesen anfangs durch Synchon- 
drosen, später durch Knochenmasse an einander haften. Die Synchondrosen 
der Körper der Kreuzwirbel sind noch nach der Verknöcherung durch Quer- 
leisten auf der Vorderfläche des Kreuzbeins angedeutet, Fig. 47; von den 
Synehondrosen der Querfortsätze aber bleibt selten eine Spur und so bilden 


Kreuzbein mit dem letzten Bauchwirbel 
von hinten. 


Kreuzbein mit dem letzten Bauchwirbel 
von vorn. 


die letzteren, unter einander zusammenhängend, die sogenannten Seiten- 
theile, Partes laterales, des Kreuzbeins, deren Grenze gegen den mitt- 
leren Theil oder Körper die vorderen und hinteren Kreuzbeinlöcher, 
Foramen sacralia antt. und poslt., Fig. 47, 48 und 49, bezeichnen. 
Die Kreuzbeinlöcher sind die Mündungen eines den Knochen gerade von 
vorn nach hinten durchsetzenden Canals, dessen Wände seitlich, oben und 
unten von den Querförtsätzen, medianwärts von den Körpern und Gelenk- 
fortsätzen gebildet werden. Die Zwischenwirbellöcher, Foramina inter- 


46 Falsche Wirbel. 


verfebralia (Fig. 49), wie überall von den Körpern und Gelenkfortsätzen 

Fig. 49. je zweier Wirbel umschlossen, 
liegen am hinteren Theil der 
medianen Wand jener Canäle; 
\_r; die Axe der ersteren trifft un- 
ter einem fast rechten Winkel 
auf die Axe der letzteren; die 
vorderen und hinteren Kreuz- 
beinöffnungen entsprechen also 
den Lücken zwischen je zwei 
Rippen an der Vorderseite und 
je zwei Querfortsätzen an der 
Rückseite, durch welche in der 
Brustgegend der Wirbelsäule 
die intercostalen Aeste der Spinalnerven nach vorn, die dorsalen Aeste 
dieser Nerven nach hinten treten. 

Die Kreuzwirbel nehmen von oben nach unten an Höhe, jedoch sel- 
ten gleichmässig, ab; meist sind die beiden oberen ziemlich gleich hoch 
(28 — 33m), die drei folgenden, einander ebenfalls ziemlich gleich, be- 
trächtlich niedriger (20® m); die Breite, zwischen den vorderen Kreuzbein- 
löchern gemessen, bleibt sich bei allen gleich (32mm). Die Kreuzbein- 
löcher liegen daher vorn und hinten in parallelen Reihen, die beiden oberen 
einer jeden Seite von grösserem Durchmesser und weiter auseinander als die 
beiden unteren; die vorderen durchgängig weiter als die entsprechenden 
hinteren; sie sind rund oder oval, die ovalen mit dem längsten Durchmes- 
ser in der Breite oder Höhe des Kreuzbeines; an der Bildung der oberen 
haben je zwei Kreuzwirbel gleichen Antheil, das dritte rückt gegen den 
oberen Wirbel auf, das vierte liegt ganz über der verknöcherten Syn- 
chondrose der zwei letzten Kreuzwirbel. Die Seitentheile verschmälern 
sich abwärts und enden höher oder tiefer am Seitenrande des letzten Kreuz- 
wirbels in einem geraden, oder nach unten convexen oder nach unten aus- 
geschnittenen Rande. In derselben Richtung verjüngt sich das Kreuzbein 
auch im Dickendurchmesser, indem die Wirbelkörper an Dicke (von 30 auf 
zum), der Wirbeleanal an Tiefe und die Dornen an Länge verlieren. Die 
Breite des Wirbelcanals wird von oben nach unten allmälig dadureb ein- 
geschränkt, dass die Wurzeln der Wirbelbogen sich der Medianebene nä- 
hern. Wie sich nun der ganze Knochen nach den Seiten und nach unten 
schaufelförmig zuschärft und zuspitzt, ist er zugleich nach Art einer Schau- 
fel doppelt in der Fläche gekrümmt, die Concavität des Breiten- und Hö- 
hendurchmessers nach vorn oder, mit Bezug auf die Lage des Kreuzbeines 
im aufrechten Körper, im oberen Theil ab-, im unteren vorwärts gerichtet. 

Die obere, bei aufrechter Körperhaltung vorwärts geneigte Fläche des 
Kreuzbeins gleicht in ihrem mittleren Theile der oberen Fläche eines 
Bauchwirbels und entspricht der unteren Fläche des letzten dieser Wirbel ; 
die Seitentheile aber kehren eine Fläche nach oben, welche, je weiter sie 
sich von der Medianebene entfernt, um so mehr im sagittalen Durchmesser 
sich ausdehnt; welche ferner, vom Gelenkfortsatz durch eine tiefe Furche 
geschieden, vor diesem Fortsatz in einer Ebene mit der Fläche des Bogen- 


Pasp Pas Fsp Pts 


Erster Kreuzwirbel, von unten. 


Falsche Wirbel. 47 


halses und Körpers liegt und noch weiter vorn bald sanfter, bald steiler in 
die Vorderfläche abfällt. Die Grenze der oberen und vorderen Fläche nimmt 
mit dem Promontorium Theil an der Begrenzung des kleinen Beckens ge- 
gen das grosse. Die untere Spitze des Kreuzbeines wird allein von der 
quer elliptischen unteren Fläche des letzten Kreuzwirbels gebildet, da we- 
der, wie erwähnt, die, Seitentheile, noch die Bogen diese Spitze erreichen. 
Die Rückenfläche des Kreuzbeines ist, so weit der Wirbelcanal ge- 
sehlossen ist, mit einer medianen Längsfirste versehen, die sieh, je weiter 
abwärts, um so weniger über das Niveau erhebt und am freien Rande ab- 
wechselnd verdickte Vorsprünge und scharfe Einbiegungen zeigt; die Vor- 
"sprünge entsprechen den Spitzen der comprimirten, abwärts geneigten Dornen, 
Processus spinosi spurü (Fig. 48. 50), die Einkerbungen dem Rande der 
verknöcherten, dünneren Bandlagen zwischen den einander zugekehrten Rän- 
dern der Dornen. Auch in der Fläche zwischen der Basis der Dornen und 
der hinteren Kreuzbeinlöcher wechseln mächtigere und glatte mit dünneren 
und unebenen Querstreifen,, jene die Bogen, diese die verknöcherten, die 
Räume zwischen den Bogen ausfüllenden Bänder. Dicht am medialen 
Rande der Kreuzbeinlöcher sitzt in Form von kurzen Zacken oder von 
platten, mitunter noch durch eine quere Naht unterbrochenen Längsleisten 
die Reihe der knöchern verbundenen Gelenkfortsätze, Proce. arliculares 
spwü. Alle diese Bildungen sind je nach den Fortschritten, welche die 
Verknöcherung in verschiedenen Individuen macht, sehr veränderlich; so ist 
auch der Bogen des unteren oder mehrerer unteren, selten sämmtlicher Kreuz- 
wirbel unvollständig, bis auf die Gelenkfortsätze geschwunden, von denen 
die untersten, die Kreuzbeinhörner, (ornua sacralia gsriftelförmig 
mit planer, überknorpelter Endfläche nach unten ragen, um mit Steissbein- 
fortsätzen von gleicher Form und Bedeutung durch Synchondrose verbun- 
den zu werden. Unter der Wurzel dieser Hörner liegt der letzte Kreuzbein- 
ausschnitt, der durch den entsprechen- 
Fig. 50 den Ausschnitt über der Wurzel der 
Steissbeinhörner zum Zwischen wirbel- 
loch ergänzt wird. Besonders rauh 
und unregelmässig sind die seitlichen 
Partien der hinteren Fläche durch die 
Anheftung der starken, das Kreuzbein 
mit den Beckenknochen verbindenden 
Bänder. Es finden sich umfangreiche 
stumpfe Hervorragungen besonders in 
der Nähe des oberen Randes, tiefe, 
durch scharfe oder stumpfe Querleisten 
geschiedene Gruben, die ihre Flächen 
theilweise seitlich wenden, oder es ist 
ein Theil der Fläche gegen die Seiten- 
ränder abgedacht und mitunter von der 
eigentlichen Rückenfläche durch mehr 
oder minder vorspringende longitu- 
dinale Kämme geschieden, welche 


entsprechend der Stelle der ursprüngli- 


Kreuzbein, im Profil. 


B. Steiss- 
bein 


Wirbel- 
canal. 


48 Wirbelsäule. 


chen Synchondrosen, erhaben und dazwischen vertieft sind, Processus 
/ransversi spurü, Fig. 49. 

Der Seitenrand des Kreuzbeins, Fig. 50, ist Sförmig geschweift, im 
oberen, nach vorn convexen Theil der Krümmung eine überknorpelte, nach 
dem Dickendurchmesser des Knochens (20"m) concave Fläche, im unteren, 
nach vorn econcav gekrümmten Theil oben wulstig und gegen die Spitze hin 
zugeschärft. _ Durch die überknorpelte Fläche, Facies auricularis, ist 
das Kreuzbein an die Beckenknochen befestigt. 


ß. Steissbein, Os coceygis '). 


Das Steissbein (Fig.51) besteht aus vier durch Synchondrose mit einan- 
der verbundenen, nicht selten mit einander knöchern verwachsenen Wirbeln, 
von welchen die beiden untersten nicht einmal Spuren von Bogen oder Fort- 
sätzen an sich tragen. Der oberste Steisswirbel ist ein im Dickendurch- 
messer abgeplatteter, gegen die untere Fläche verjüngter Wirbelkörper mit 
zwei aufwärts gerichteten, kurzen, eylindrischen Zacken, den Steissbein- 
hörnern, Cornua coccygea, welche den Kreuzbeinhörnern in der bereits 
beschriebenen Weise entgegenkommen. Sie stellen jeder den Hals und 
oberen Gelenkfortsatz eines Wirbelbogens dar. Jenseits derselben setzen 

Fig. 51. sich die Ränder und Flächen des Körpers in die drei- 
Ge seitigen Seitentheile fort, deren seitwärts gerichtete 
RR Spitze den untersten Rand des Kreuzbeins überragt, 
deren oberer, leicht vertiefter Rand mit dem unteren 
Theil des äusseren Randes des Kreuzbeins einen Aus- 
schnitt begrenzt, welcher einem seitlich unvollstän- 
dig geschlossenen vorderen Kreuzbeinloch entspricht. 
Die untere Fläche des ersten Steisswirbels (12mm 
breit) wird abermals seitlich von der oberen Fläche 
des zweiten überragt, an welchem noch Hörner und 
Seitentheile wie verkleinerte Nachbildungen der gleich- 
namigen Theile des ersten Steisswirbels angedeutet 
sind. Der dritte Steisswirbel ist ein abgeplattetes, keilförmiges Knochen- 
stück, kleiner als der zweite, der vierte von gleicher Form, kleiner, als der 
dritte, immer jedoch so, dass jeder untere Wirbel mit seiner oberen breite- 
ren Fläche jederseits über die schmale untere Endfläche des nächst oberen 
hervorsieht.e. Die untere Endfläche des vierten Steisswirbels ist uneben, 
abgerundet. 


Steissbein, von hinten. 


Der Canal, welchen die auf einander geschichteten Wirbel umschlies- 
sen, macht die Krümmungen der Wirbelsäule mit. Die vordere Wand des- 
selben bilden längs der Säule der wahren Wirbel abwechselnd die hohen . 
Knochenscheiben der Wirbelkörper und die niederen Knorpelscheiben der 
Zwischenwirbelbänder, längs dem Kreuzbein die knöchern zusammengefügten 
Körper; die seitliche und hintere Wand bilden die Wirbelbogen und die 


, y Schwanzbein, Kuckuksbein. 


Wirbelsäule. 49 


zwischen ihnen ausgespannten Bänder; oben setzt sich der Wirbelcanal 
durch das Hinterhauptsloch in die Schädelhöhle fort; unten endet er zuge- 
schärft dadurch, dass sich die Membran, welche die Stelle der Bogen der 
unteren Wirbel vertritt (Lig. sacrococcygeum), an die hintere Fläche des 
ersten Steisswirbels befestigt. Zwischen den Bogen der beiden obersten. 
Halswirbel besteht, wie zwischen dem Bogen des obersten Halswirbels und 
dem Schädel, eine einfache Querspalte; vom unteren Rande des zweiten 
Halswirbels an bis zum oberen Rande des ersten Kreuzwirbels wird diese 
Querspalte vermittelst der Gelenkfortsätze in je drei Oeffnungen getheilt, 
die paarigen Zwischenwirbellöcher jederseits vor den Gelenkfortsätzen und 
die unpaare Zwischenwirbelspalte (Fissura intervertebralis 1) zwischen den 
Gelenkfortsätzen. Am Kreuzbein ist die letztere durch Knochenmasse ver- 
schlossen; wenn aber, wie das an den unteren Kreuzwirbeln häufig und am 
ersten Steisswirbel regelmässig der’Fall ist, die Bogen unvollständig wer- 
den, so fliessen die Zwischenwirbelspalten zu Einer Längsspalte zusammen, 
und wenn die Cornua sacralia und coccygea. einander nicht erreichen, so 
vereinigen sich auch noch die letzten Zwischenwirbellöcher mit dieser 
Längsspalte zu einer gemeinsamen Lücke. 

Der Wirbeleanal hat in den verschiedenen Gegenden der Wirbelsäule 
eine verschiedene Gestalt und Weite; er ist enger in den minder bewesgli- 
chen Regionen, Brust- und Kreuztheil, weiter im Hals- und Bauchtheil. 
Im Brusttheil ist der Querschnitt desselben fast kreisrund (17 "m im 
Durchmesser); in den Hals- und Bauchwirbeln nimmt besonders die Breite 
des Canals zu und der Querschnitt wird stumpfwinklig dreiseitig, die stumpfe 
mehr oder minder abgerundete Spitze nach hinten gerichtet; im Kreuzbein 
verjüngt sich der Querschnitt des Canals im transversalen und sagittalen 
Durchmesser rasch zu einer EIS EL SEEN mit der Concavität vor- 
wärts gerichteten Spalte. 

Die Zwischenwirbellöcher und die durch dieselben verlaufenden 
Nerven und Gefässe werden in der Regel nach dem oberen der beiden 
Wirbel, von welchen sie umschlossen werden, gezählt und benannt; eine 
Ausnahme machen die Zwischenwirbellöcher am Halse, zu welchen die bei- 
den oberen Fissurae intervertebrales und zwar die Fiss. intery. zwischen 
Schädel und Atlas als erste eingerechnet werden, so dass hier jede Oeffnung 
nach dem unterhalb derselben belegenen Wirbel, die Oeffnung zwischen 
dem siebenten Hals- und ersten Brustwirbel aber als achtes Zwischenwirbel- 
loch des Halses bezeichnet wird. Wegen der besonderen Form der Zwi- 
schenwirbellöcher des Kreuzbeines verweise ich auf die Beschreibung dieses 
Knochens. Das fünfte For. interv. sacrale liegt zwischen dem Kreuz- und 
Steissbein, ein For. interv. coceygeum unter dem ersten Steisswirbel inner- 
halb des Lig. sacrococeygeum. Die eigentlichen Zwischenwirbellöcher nehmen 
von den Hals- zu den Bauchwirbeln continuirlich an Umfang zu; ihre‘ 
Lage, am Halse über den Querfortsätzen, an Brust und Bauch vor densel- 
ben, ist bei der Beschreibung der Wirbel erörtert worden. 


Zwischen- 
wirbel- 
löcher. 


Von den Zwischenwirbelspalten sind die beiden obersten breiter und Zwischen- 


höher, als die übrigen, wegen des Mangels der Gelenkfortsätze und wegen 


= 


) Foramen intervertebrale posterius. M. J. Weber. 
Henle, Anatomie. Thl. I. 4 


wirbel- 
spalten, 


2. Brust- 
bein. 


50 Brustbein. 


der geringen Höhe des Bogens des Atlas; sie sind zugänglicher, als die 
folgenden, über welche die bis zum elften Brustwirbel mehr und mehr ab- 
wärts geneigten Dornen ragen. An den unteren Halswirbeln (Fig. 25) 
sind sie noch als niedrige halbmondförmige, mit der Concavität aufwärts 
gerichtete Lücken sichtbar; an den Brustwirbeln (Fig. 35) sind sie von 
hinten her vollkommen verdeckt; vom untersten Brustwirbel an (Fig. 26.34) 
werden die Zwischenwirbelspalten durch die Aufrichtung der Dornen wie- 
der freier und gewinnen vermöge der Divergenz der unteren Gelenkfort- 
sätze die Form eines aufrechtstehenden Dreiecks mit abwärts convexer 
Basis. 


Zwischen der männlichen und weiblichen Wirbelsäule besteht bezüglich der Di- 
mensionen ein geringerer Unterschied, als man nach der Grössenverschiedenheit 
beider Geschlechter erwarten würde. Die männliche Wirbelsäule ist durchschnittlich 
etwa 1 Zoll länger (Krause, Arnold). Die Querfortsätze der Brustwirbel sind 
beim Weibe etwas mehr rückwärts geneigt, als beim Manne; der Bauchtheil der 
weiblichen Wirbelsäule ist verhältnissmässig länger; das weibliche Kreuzbein ist 
breiter und kürzer und liegt geneigter. 

Beim Neugeborenen enthält die Mehrzahl der Wirbel drei Knochenstücke, eins 
im Körper, an beiden Endflächen von Knorpel bedeckt, zwei im Bogen, welche an 
der Wurzel des Wirbeldorns zusammenstossen. Im Atlas finden sich nur diese bei- 
den Bogenstücke; sein vorderer Bogen ist noch ganz knorpelig, ebenso die drei 
letzten Steisswirbel und zuweilen alle vier. Der Epistropheus besitzt ausser dem 
Knochenlenkern des Körpers einen oder zwei dicht zusammenliegende Knochenkerne 
im Zahn; die drei oberen Kreuzwirbel haben jederseits neben dem vorderen Theil 
des Bogenstücks je einen besonderen Knochenkern. Der Kern im vorderen Bogen 
des Atlas entsteht innerhalb des ersten Lebensjahres ; die Steisswirbel verknöchern, 
zuweilen aus zwei Stücken, der Reihe nach von oben nach unten, im siebenten bis 
zwölften Jahr und zuweilen noch später. Die knöcherne Vereinigung der Bogen- 
stücke unter sich erfolgt im ersten bis dritten Jahr, zuerst an den Brust- und unte- » 
ren Hals- , dann an den Bauchwirbeln und zuletzt am Atlas. Später als unter sich 
verschmelzen die Bogentheile mit dem Körper; doch ist auch diese Verschmelzung 
im sechsten Jahr vollendet. Die Verschmelzung der Knochenkerne der Kreuzwirbel 
erfolgt früher in den unteren, als in den oberen Wirbeln und die Bogentheile ver- 
schmelzen früher mit dem Körper, als unter sich; am obersten Kreuzwirbel etwa im 
sechsten Jahre. 

Unbeständige Knochenkerne kommen hinzu am Tuberculum post. des At- 
las und in den vorderen Wurzeln der Querfortsätze der Halswirbel, besonders des 
siebenten. Um die Zeit der Pubertät finden sich unbeständige kleine Knochenkerne 
an den Spitzen der Dorn- und Querfortsätze sämmtlicher Wirbel, auch in den 
Procc. accessorii und mamillares der Bauchwirbel; beständig erhält jeder Wirbelkör- 
per zur Pubertätszeit an der oberen und unteren Fläche eine scheibentörmige Epi- 


- physe, die nach Vollendung des Wachsthums mit dem Körper verschmilzt. Am 


Kreuzbein verknöchern vom achtzehnten Jahre an und von unten herauf auch die 
Zwischenwirbelknorpel, der zwischen den beiden obersten Kreuzwirbeln im 25sten 
bis 30sten Jahre. 

Um dieselbe Zeit verwachsen gewöhnlich die beiden unteren Steisswirbel mit 
einander, später auch die höheren unter sich und mit dem Kreuzbein, häufiger bei 
Männern, als hei Frauen. 


2. Brustbein, Sternum. 


Das Brustbein ist ein platter, im Verhältniss zur Höhe (220m) schma- 
ler ME nöchen; der Länge nach (Fig. 17), abgesehen von der unteren Spitze, 


Brustbein. 51 


schwach nach vorn gewölbt; von einer Seite zur anderen auf der Innen- 
Häche schwach ausgehöhlt, auf der Aussenfläche bald gewölbt, bald und 
besonders im unteren Theile durch Auftreibung der Seitenrän- 
der ebenfalls ausgehöhlt, so dass der Querschnitt einem Menis- 
cus gleicht (Fig. 52). Der obere Rand des Brustbeines liegt 
in gleicher Höhe mit dem unteren Rande des zweiten Brustwir- 
bels, sein unteres Ende etwa dem zehnten Brustwirbel gegen- 
eg über. Das untere Ende entfernt sich weiter von der Wirbel- 
bein. Säule nach vorn, als das obere; die äussere Fläche des Kno- 
chens sieht daher nach oben, die innere nach unten. Die Dicke 

des Brustbeins ist am beträchtlichsten am oberen Rande, von da an abwärts 
bis zur Anheftung der letzten Rippe ziemlich gleich, 

Fig. 53. und nimmt unter dieser Stelle schnell bis zu völ- 
Is -  liger Zuschärfung ‘der unteren Spitze ab. Der obere 
Sn Rand (Fig. 53) ist drei Mal halbmondförmig aus- 
l geschnitten: der mittlere halbmondförmige 
Ausschnitt, Ineisura semilunaris, lässt sich frei 
unter der Haut fühlen, die beiden seitlichen und 
zur Seite geneigten Ausschnitte, Schlüsselbein- 
ausschnitte, JIneisurae claviculares, sind 
überknorpelt und articuliren mit den vorderen En- 
den der Schlüsselbeine. Sie nehmen in der Regel 
einen längeren Theil des Brustbeinrandes ein, als- 
der halbmondförmige Ausschnitt. An dem Seiten- 
rande des Brustbeins sind die sieben wahren Rip- 
pen, die oberste durch Synchondrose, die folgen- 
den durch Gelenke befestigt. Die Fläche zur Auf- 
nahme der obersten Rippe, Jneisura cost. 1, 
schliesst sich, schräg aufwärts geneigt, unmittelbar 
W 73° an den äusseren Rand des Schlüsselbeinausschnitts 

! an; die Gelenkflächen für die zweite bis sechste 

EERSENEIT VOR .KOrR:; Rippe, ebenfalls halbmondförmige überknorpelte 
Ausschnitte, aber immer kleiner und flacher, je weiter abwärts sie liegen, 
wechseln mit scharfen, eingebogenen freien Stellen des Seitenrandes, welche 
zwischen den oberen Gelenkflächen ungefähr ebenso hoch sind, als diese, 
zwischen den Gelenkflächen der unteren Rippen aber niedriger werden, so 
dass diese Gelenkflächen einander näher rücken, bis zuletzt die Gelenkflä- 
che der siebenten Rippe die der sechsten fast berührt oder wirklich mit 
derselben zusammenfliesst. Von den Synchondrosen, welche ursprünglich 
das Brustbein, der Zahl der Rippen entsprechend, quer abtheilen, erhalten 
sich im Erwachsenen zwei, die obere zwischen den Gelenkflächen der zwei- 
ten Rippen und zwar von der Mitte der einen zur Mitte der anderen, die 
untere ebenso zwischen den Gelenkflächen der siebenten Rippen. Das 
Brustbein zerfällt dadurch in drei ungleich lange Stücke, den Griff, Ma- 
nubrium, den Körper, Corpus, und den Schwertfortsatz, Processus en- 
siformis1). Am Griff findet sich nebst den Schlüsselbeinausschnitten die 


Fig. 52. 


2 


"al 


) Pr. ziphoideus. Cartilago ensij. s. ziphoidea. 
4* 


52 Brustbein. 


Grube zur Anheftung der ersten Rippe und die halbe Gelenkfläche für die 
zweite, am Körper ist die untere Hälfte der zweiten Rippe, die dritte bis 
sechste ganz und die siebente zur Hälfte eingelenkt; der Schwertfortsatz 
trägt am oberen Theil des Seitenrandes die untere Hälfte der Gelenkfläche 
der siebenten Rippe. Er bildet die kurz abgerundete oder spitz ausgezo- 
gene oder in zwei ungleiche Zacken getheilte, bald aus- bald einwärts ge- 
bogene freie untere Spitze des ganzen Knochens und ist häufiger und 
schon in früherem Alter mit dem Körper knöchern verwachsen, als der 
Griff, erhält sich aber, besonders im unteren Theile, lange und oft bis in 
das hohe Alter knorpelig. 

An beiden Nähten ist das Brustbein schmaler, als ober- und unter- 
halb derselben ; die Seitenränder des Griffes convergiren also nach unten 
und der Griff im Ganzen hat die Gestalt eines Dreiecks mit nach unten 
gewandter quer abgestutzter Spitze; genauer genommen müsste man ihn 
einem von mehr oder minder einwärts gebogenen Seiten begrenzter Zehn- 
eck vergleichen. Der Körper ist langgestreckt eiförmig, mit gezackten 
Seitenrändern, quer abgestutzter oberer und unterer Spitze, die grösste 
Breite (46”m) nahe der unteren Spitze, in der Gegend der Insertion der 
fünften Rippe. Die Breite nimmt hier, und zwar auf Kosten der Länge 
des Brustbeines, so zu, dass der Theil des Randes, welcher die Gelenkflä- - 
chen für die sechste und siebente Rippe trägt, fast abwärts gerichtet ist und 
die Insertionen dieser Rippe neben die Naht des Körpers und Schwert- 
fortsatzes zu liegen kommen. Der Schwertfortsatz hat die „grösste Breite 
bald näher dem oberen, bald dem unteren Rande. 

Die Flächen des Brustbeines sind beide von vielen feinen Furchen 
und kleinen Löchern rauh; oft finden sich Querwülste nicht bloss an der 
Stelle der Nähte, sondern auch auf dem Körper zwischen je zwei einander 
gegenübergelegenen Rippengelenkflächen. Statt continuirlich gewölbt, ist 
das Brustbein zuweilen an dem einen oder anderen jener Querwülste unter 
einem stumpfen Winkel geknickt. 


Die Verbindung des Handgriffes mit dem Körper des Brustbeines geschieht in 
der Regel durch Knorpel, selten durch Fasergewebe, noch seltener durch ein, von 
einer Synovialkapsel ausgekleidetes Gelenk (beschrieben vonMaisonneuve, Arch. gen. 
1842. Juill. p. 253). Der Brustbeinkörper behält zuweilen mehrere Nähte. Die Nähte 
können unregelmässig, einzelne Stücke auch der Länge nach getheilt sein; solche 
Nähte hinterlassen zuweilen nach der Verknöcherung Längsspalten oder (häufiger) 
rundliche Löcher, durch welche Gefässe der Aussen- und Innenfläche des Thorax 
mit einander in Verbindung stehen. Aehnliche Löcher kommen am Schwertfort- 
satz vor. An einem Brustbein der hiesigen Sammlung ist der Schwertfortsatz ein 
schmaler und dünner kreisrunder Knorpelring. Die Gelenkflächen der beiden un- 
tersten Rippen nähern sich nicht selten einander dergestalt, dass sie den Schwert- 
fortsatz vom Körper des Brustbeines abdrängen, der dann mit seiner oberen Spitze. 
an die unteren Ränder der Rippenknorpel anstösst. - 

Unter dem Namen Ossa suprasternalia beschrieb zuerst Breschet (Ann. des 
sc. nat. 2e ser. T. X. p. 91. Tab. VIU.) zwei an dem oberen Rand des Brustbeins 
durch Synchondrose befestigte Knöchelchen. Nach Luschka (Zeitschr. für wis- 
| senschaftl. Zool. Bd. IV. S. 36. Taf. II.) liegen sie, in Gestalt dem Erbsenbein 
der Handwurzel ähnlich, auf dem oberen halbmondförmigen Ausschnitt des Brust- 
‚ beingriffs, näher dem hinteren als dem vorderen Rande, an der inneren Seite des 
Sterno-Claviculargelenkes. Der Theil des Brustbeins, auf welchem die Knöchelchen 
mit planer Fläche ruhen, pflegt über das Niveau der Nachbarschaft erhoben zu sein 


Rippen. 53 
und es können solche Erhebungen am hinteren Rande des oberen Brustbeinaus- 
schnittes als Merkmale benutzt werden, dass die Ossa suprasternalia vorhanden wa- 
- ren. Zwei starke Bänder, ein vorderes und ein hinteres, befestigen die Supraster- 
nalknochen am Brustbein. Der Zwischengelenkknorpel des Sternoclaviculargelenkes 
steht durch eine feste Bandmasse mit dem äusseren.Umfang derselben in Verbin- 
dung. Das Lig. interclaviculare geht, durch ein straffes Bindegewebe von ihnen ge- 
schieden‘ über sie hinweg. Die Anwesenheit der Ossa küpräkternuke gehört zu den 
seltenen Varietäten. Analoge, regelmässige Bildungen fand Luschka bei verschie- 
denen Arten von Dasypus. 
Der Körper des Brustbeines hat beim Manne mindestens die doppelte Länge 
des Griffes; beim Weibe übertrifft der Griff an Länge die Hälfte des Körpers 
(Hyrtl, top. Anat. Bd. I. S. 348). 


Der Griff des Brustbeines enthält beim Neugeborenen meist einen Knochen- 
kern. Die Zahl der Knochenkerne im Kör per ist verschieden und vermehrt sich 
noch innerhalb des ersten Jahres; sie liegen in der Regel in einfacher Längsreihe, 
und die Nähte zwischen denselben verlaufen zwischen je zwei einander gegenüber- 


liegenden Gelenkflächen; häufig ist das eine oder andere dieser Stücke durch eine . 


Längsnaht getheilt. Zuweilen verschieben sich diese Stücke unregelmässig gegen- 
einander (Breschet, a. a. O. pl. VIII. Fig. 2. Otto, Comment. de rarioribus qui- 
busdam sceleti humani cum animalium sceleto analogüs. Wratisl. 1839. p. 19. Taf. IF. 
M. J. Weber, Commentatio anatomico-physiol. Bonn. 1848. Fig. 3 und 4 Baum- 
gärtner, Physiol. Atlas. Taf. XXXIX. Fig. 5.). Im oberen Theil des Schwert- 
fortsatzes erscheinen die Ossificationspunkte (einer oder mehrere) selten vor dem 
vierten Jahr, oft viel später oder gar nicht. Die Knochenkerne vereinigen sich, zu- 
erst die paarigen mit ihren verticalen Rändern, dann die einfach gewordenen mit 
ihren horizontalen Rändern und zwar von unten aufwärts; die letzte Quernaht des 
Körpers verschwindet erst gegen das 20ste bis 2öste Jahr. Im höheren Alter kön- 
nen Körper und Schwertfortsatz, seltener noch Körper und Griff mit einander knö- 
chern verwachsen. Die Verwachsung der letzteren kann äusserlich vollendet schei- 
nen, indess unter einer dünnen Knochenrinde die Synchondrose sich erhält. 


3. Rippen, Costae. 


Wir haben die Rippen eingetheilt in wahre (I — VII) und falsche 
v III — XID. Die falschen lassen sich weiter in zwei Abtheilungen 
scheiden: die oberen (VIII —- X) hängen noch dadurch, dass sie sich 
jede an den unteren Rand der nächst oberen Rippe anlegen, mit dem 
Brustbein mittelbar zusammen, während die untersten (XI und XII) mit 
ihren vorderen Spitzen frei enden und deshalb freie Rippen genannt 
werden mögen. 


Im ausgebildeten Zustande besteht jede Rippe aus zwei Stücken, welche 
durch die Textur und einigermaassen auch durch die Richtung verschieden 
und gegen einander abgegrenzt sind. Der hintere und grössere Theil jeder 
Rippe nämlich ist knöchern, der vordere knorpelig; der knorpelige Theil 
der Rippe heisst Rippenknorpel, Cartilago costalis, wir müssen den 
knöchernen Theil, wenn von ihm allein die Rede sein soll, mit dem Na- 
men Rippenknochen, Os costale, bezeichnen. Beide ergänzen sich, ab- 
gesehen von der ersten und den beiden untersten Rippen, zu einem mit der 
Concavität aufwärts gekehrten Bogen, welcher an jeder folgenden Rippe 
steiler, ja an den unteren oftmals einer gebrochenen Linie ähnlich wird. 


3. Rippen. 


54 Rippen. 

Der Gipfel dieses Bogens fällt an den oberen Rippen ziemlich genau mit 
der Grenze des knöchernen und knorpeligen Theils zusammen, an den 
tieferen Rippen, von der fünften an, fällt er in den knorpeligen Theil, so 
dass also der abwärts laufende Schenkel des Bogens von dem Knochen 
und einem Theil des Knorpels, der aufwärts laufende Schenkel aber nur 
vom Knorpel gebildet wird (Fig. 54). Der Knorpel der ersten Rippe 
gehört ebensowohl dem Brustbein, als der Rippe an und kann als ein 
in die Länge gezogener Nahtknorpel betrachtet werden: Für die übri- 
gen Rippenknorpel gilt dies nicht, weil sie nur dem Rippenknochen mit der 
ganzen Berührungsfläche adhäriren, mit dem Brustbein aber und die tiefe- 
ren mit einander durch eigentliche Gelenke in Verbindung stehen. 

Die Rippenknochen nehmen von dem ersten bis achten an Länge zu, 
von da an wieder ab. Die Höhe schwankt an verschiedenen Stellen einer _ 
Rippe um ebenso viel (zwischen 10 und 18=m), als an den verschiedenen 


Fig. 54. 


Fig. 55. 


FE 


1 


ar | 


Frontaldurchschnitt des Brustkorbs, 


Brustkorb, von vorn, 


Rippen. 55 


Rippen einer Seite, doch ist im Allgemeinen die erste am höchsten, die 
zwölfte in jeder Dimension schmächtiger als die übrigen und die sechste 
bis zehnte höher, als die nächst oberen. > 

Jeder Rippenknochen ist in dreifachem Sinn gekrümmt, nach der Flä- 
che, nach der Kante und um seine Längsaxe; doch herrscht bei den ver- 
schiedenen Rippen derselben Seite bald die eine, bald die andere dieser 
Krümmungen vor. Dieselben werden verständlicher werden, wenn wir zu- 
vor einen Blick auf die Gestaltung des Brustkorbes im Ganzen werfen und 
die Rippen im Zusammenhange als Theile einer continuirlichen Wand be- 
trachten, welche nur durch streifenweis abwechselnde Entwickelung von 
Knochen- und Muskelsubstanz in Rippen und in die Muskeln zerfallen er- 
scheint, welche die Räume zwischen den Rippen, die Intercostalräume, 
ausfü 

Der Brustkorb gleicht in seinem unteren Theil äusserlich einem in der 
Richtung von vorn nach hinten abgeplatteten Cylinder; nach oben wölbt 
er sich kuppelförmig zu, doch behält auch hierbei und bis an den oberen 
Rand die Vorderfläche ihre abgeplattete Form bei und wenn die Ränder 
eines Frontalschnittes (Fig. 55) symmetrische Curven beschreiben, so stellt 
sich auf dem Medianschnitt (Fig. 16) und dem oberen Theil des sagittalen 
Durchschnitts (Fig. 56) der vordere Rand kaum gewölbt, dagegen stark 


Fig. 56 '). 
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Sagittaler Durchschnitt des Brustkorbes, 3 Z. seitwärts vom Sternoclaviculargelenk. 
Ce Cartilago costalis. 


t) Nach Pirogoff, Anatome topographica Fasc, 2 A, Taf. II. Fig. 1, 


%. 


I 


56 Rippen. 


rückwärts geneigt dar. Die Stelle der eigentlichen Kuppel oder einer 
oberen Endfläche des Brustkorbes vertritt eine Oeffnung, welche hinten 
vom unteren Rand des ersten Brustwirbelkörpers, vorn vom Brustbeingriff 
und jederseits von der ersten Rippe begrenzt und durch die Eingeweide- 
und Gefässe ausgefüllt wird, die vom Hals zur Brusthöhle und umgekehrt 
verlaufen. Die von den besagten Rändern (Fig. 57) umschlossene imagi- 
näre Ebene ist fast in gleicher Flucht mit dem Brustbein gegen den Horizont 
Fig. 57. « geneigt; sie hat die 
Form eines breitge- 
zogenen Kartenher- 
zens mit nach unten 
und vorn gerichteter, 
transversal abge- 
stutzter Spitze (Fig. 
54). Die der Spitze 
gegenüber gelegene 
Einbiegung des. hin- 
teren (oberen) Ran- 
des ist breit und 
seicht; sie rührt von 
dem Vorsprung des 
Wirbelkörpers her. 
Weiter abwärts, 
wie sich die Brust- 
höhle nach vorn und 
den Seiten und ver- 
möge der Krümmung 
der Brustwirbelsäule 
anfänglich selbst nach 
hinten erweitert, bil- 
det sich zu jeder Seite 
der Wirbelsäule eine 
tiefe Rinne oder, mit 
anderen Worten, läuft 
die Seitenwand der 
Brust zuerst rück- 
wärts, bevor sie sich 
im Bogen wieder 
nach vorn und end- 
Profilansicht des Brustkorbs. lich medianwärts 
wendet. Ein Horizon- 
taldurchschnitt der Brusthöhle (Fig. 58. 59) stellt deshalb eine bohnen- 
oder nierenförmige Fläche dar, deren Einbiegung dem Vorsprung der Wir- 
belkörper entspricht, wegen der Ausbeugung der Wirbelsäule aber oft von 
der Symmetrie merklich abweicht). Die tiefe. Furche, welche jederseits 


5) Zahlreiche Horizontaldurchschnitte des Brustkastens nebst Angaben ihrer Maasse 
finden sich beiHutchinson, Von der Capacität der Lungen und von den Athmungsfune- 
tionen. Aus dem Englischen von Samosch, Braunschweig 1849. S. 42 ff. 


Rippen. 57 


neben dem Vorsprung der Wirbelsäule herabläuft, heisst Lungenfurche, 
Sulcus pulmonalis. | 
a 


-Fig! 58 "). 


Horizontalschnitt durch die Mitte des vierten Brustwirbels. Vt5 die oberen Gelenkfort- 
sätze des 5ten Brustw. C©c2 Knorpel der 2ten Rippe. 


Fig. 59 2). 
S 


Horizontalschnitt durch den siebenten Brustwirbel, nahe dem unteren Rande. YVi3 die 
oberen Gelenkfortsätze des achten Brustwirbels. 


Die untere Grenze des Brustkorbes zieht sich von dem zwölften Brust- 
wirbel jederseits längs dem unteren Rande der letzten freien Rippe hin, 
springt von der Spitze dieser Rippe aufwärts auf den unteren Rand und 
die Spitze der elften Rippe, von dieser auf die zehnte Rippe über und steigt 


!) Nach Pirogoff, Taf. III. Fig. 3. 
?) Nach Pirogoff, Taf. VIII, Fig. 3. 


58 Rippen. 


dann continuirlich in einer steilen und’nach unten schwach eonvexen Linie 
zur Naht des Brustbeinkörpers mit dem Schwertfortsatze auf, um längs dem 
Seitenrande des letzteren wieder bis zur Spitze desselben abwärts zu ver- 
laufen. 

Die eigentliche Grenze der Brusthöhle geht übrigens, wenn man dieselbe nach 
dem Ursprung des Zwerchfelles bestimmt, quer über den oberen Theil der hinteren 
Fläche des Schwertfortsatzes. Der grössere Theil dieses Knorpels und insbeson- 
dere seine Spitze ist zwischen den Muskelschichten der Bauchwand eingeschlossen. 


Die von der Spitze zur Basis zunehmende Erweiterung des Brustkor- 
bes bedingt, dass die wahren Rippen von der ersten an, wie erwähnt, län- 
ger werden, und mit der eigenthümlichen Form jener Erweiterung hängt es 
zusammen, dass die Längenzunahme von der ersten bis zur dritten Rippe 
auffallender ist als an den folgenden. Die seitliche Wölbung des Brust- 
korbes spricht sich in den meisten Rippen und insbesondere in allen den- 
jenigen, welche den unteren, mehr gleichförmig cylindrischen Theil der 
Brust umgeben, als Flächenkrümmung aus; der hintere Theil der Krüm- 
mung, mittelst welcher die Rippe zur Bildung der Lungenfurche beiträgt, 
gehört einem kleineren Halbmesser an, als der vordere. In der ersten 
Rippe aber und in dem hinteren Theil der zweiten, die in dem oberen kup- 
pelförmigen Theile des Brustkorbes liegen und demgemäss die innere Flä- 
che abwärts, die äussere aufwärts kehren, sind es die Kanten, deren Krüm- 
mung der Curve des Querschnittes des Brustkorbes entspricht, während die 
Flächen plan oder nur in der Richtung vom oberen zum unteren Rand so 
viel ausgehöhlt sind, als es die vom Frontalschnitt der Brustwand gebildete 
Curve verlangt. Krümmungen um die eigene Axe oder Torsionskrümmun- 
gen kommen, je nach der Stelle, welche die Rippe einnimmt, in verschiede- 
nen Graden und in dreierlei Formen vor. An der ersten und zweiten Rippe 
ist eine Torsion in der Art bemerklich, dass, da die Brust vorn steiler ab- 
fällt als an den Seiten, die Flächen, welche am hinteren Theile der Brust 
je nach oben und unten gerichtet sind, am vorderen Theile derselben sich 
allmälig schief je nach vorn und hinten wenden. Eine Torsion entgegen- 
gesetzter Art findet an den folgenden Rippen bis zur siebenten oder achten 
Statt: die Flächen, welche im hinteren und Seitentheile der Brust vertical 
stehen, legen sich, wie die Rippe an die Vorderseite des Thorax gelangt, 
in Uebereinstimmung mit der geneigten Lage des Brustbeins schräg mit 
dem oberen Rande nach hinten. Eine dritte Art von Torsionskrümmung 
findet sich in den untersten Rippen, deren Flächen im hinteren Theile der 
Brustwand, die innere nach oben, die äussere nach unten geneigt sind und 
sich im Verlauf nach vorn allmälig vertical richten. 

Die erste Rippe liegt mit den Flächen, die zweite theils mit den Flä- 
chen, theils mit den Kanten, die folgenden Rippen liegen mit den Kanten 
in schiefen Ebenen, welche im Allgemeinen der schiefen Ebene der oberen 
Apertur des Brustkorbes parallel, jedoch an jeder folgenden Rippe etwas 
mehr abwärts geneigt sind; daher die Zwischenrippenräume von hinten 
nach vorn an Höhe gewinnen und eine senkrechte Linie, welche von der 
vorderen Spitze der ersten Rippe zu einer durch die Spitzen der zwölften 
Rippen gelegten Horizontalebene gefällt wird, reichlich um 2 Zoll länger 
ist, als der verticale Abstand der hinteren Enden der ersten und zwölften 


Rippen. 59 


Rippe. Diese Abwärtsneigung und Divergenz der Rippen beruht auf meh- 
reren Ursachen: erstens sind schon die Wirbelkörper, an welchen die 
oberen Rippen angeheftet sind, mit den Vorderflächen nach unten gerich- 
tet; der an dem Wirbel befestigte Theil der Rippe braucht aber nur eine 
geringe Drehung mit der Vorderfläche abwärts zu machen, so verräth sich 
dies durch eine ansehnliche Senkung der vorderen Spitze. Zweitens 
liegt, zumal an den unteren Wirbeln, die Querfortsatzpfanne tiefer als die 
entsprechende Rippenpfanne; der Rippe wird dadurch von Anfang an mit 
der Richtung seitwärts auch die Richtung der Spitze nach abwärts mitge- 
theilt. Drittens hat bei allen Rippen mit vertical gestellten Flächen, also 
bei der dritten bis zwölften, auf die Lage der vorderen Spitze eine Krüm- 
mung der Kanten Einfluss. Die Kanten sind an der dritten und vierten 
Rippe seicht nach oben concav, an den folgenden bis zur zehnten immer 
zunehmend und dann wieder abnehmend gegen das Vorderende der Rippe 
abwärts gebogen. 


Man erkennt und vergleicht diese Krümmungen am besten, wenn man die Rip- 
pen neben einander, den oberen Rand gegen die Unterlage gewandt, auf eine plane 
Fläche lest: die dritte und vierte Rippe berühren die Ebene mit den beiden Enden, 
während der mittlere Theil des Randes sich wenig von derselben erhebt; ihr Rand 
beschreibt also, abgesehen von der Flächenkrümmung, einen nach oben seicht con- 
caven Bogen und steigt fast um ebenso viel, als er am Wirbelende abwärts läuft, 
am vorderen Ende wieder gegen das Brustbein auf. Von der fünften Rippe an er- 
heben alle, wenn man sie mit dem hinteren Theile des oberen Randes fest auflegt, 
den vorderen Theil dieses Randes von der Unterlage. Die fünfte verlässt die Un- 
terlage erst in der Nähe der Spitze, die sechste schon von der Hälfte ihrer Länge 
an und jede folgende bis zur zehnten um etwas früher, und so erhebt sich auch die 
vordere Spitze um so höher, je früher der Rand die Horizontalebene verlässt. Von 
der zehnten bis zur letzten Rippe nimmt diese Krümmung wieder ab. 


Die Abstände der Rippen von einander müssen wegen der von oben 
nach unten zunehmenden Höhe der Brustwirbel von oben nach unten um 
so gewisser an Höhe zunehmen, als auch die Rippenpfanne selbst an den 
Wirbelkörpern allmälig abwärts rückt. Eine Ausnahme findet an den drei 
ersten Rippen Statt, zwischen welchen die Abstände seitlich und vorn da- 
durch erweitert werden, dass je die untere Rippe auch lateralwärts abrückt. 
Ist jene Vergrösserung der Abstände nicht durchgängig an den Inter- 
costalräumen zu erkennen, so ist dies durch Schwankungen theils der 
Krümmung, theils der Breite der Rippen veranlasst. Das Auseinanderwei- 
chen der Spitzen der Rippen kommt aber jedenfalls mehr auf Rechnung der 
eben beschriebenen Krümmungen, als des Auseinanderrückens ihrer hinte- 

‚ren Anheftungen. 

Eine Linie, welche die vorderen Spitzen sämmtlicher Rippenknochen 
verbindet, zieht sich vom ersten zum zweiten medianwärts; sie weicht von 
dem zweiten zum zehnten ebenso stätig, als allmälig lateralwärts und bis 
zum siebenten zugleich vor-, von da an aber rückwärts, endlich von der 
Spitze des zehnten zur Spitze des zwölften Rippenknochens rasch zugleich 
rück- und medianwärts. 

‚Die Knorpel der wahren Rippen (Fig. 54) müssen, um an dem verhältniss- 
mässig kurzen Seitenrand des Brustbeines ihre Anheftung zu finden, bedeutend 
gegen das letztere convergiren. Von der ersten Rippe an geht der Knorpel 


60 Rippen. 


abwärts, von der zweiten fast horizontal, von der dritten zur siebenten im- 
mer steiler aufwärts, wobei der Knorpel jeder Rippe gegen den vorherge- 
henden an Länge zunimmt und jeder vom Ursprung am Rippenknochen zur 
Insertion am Brustbeine hin sich verschmälert. Durchgängig sind die Rip- 
penknorpel platt, mit schwach gewölbten Flächen, von welchen die eine 
nach vorn, die andere nach hinten sieht, und mit abgerundetem oberen und 
unteren Rande. An der sechsten und zuweilen schon an der fünften Rippe 
geht nahe an der Verbindungsnaht des Knorpels mit dem Knochen vom 
unteren Rande des ersteren ein kurzer, anfangs breiter und nach unten sich 
verschmälernder Vorsprung abwärts, welchem vom oberen Rande des fol- 
genden Rippenknorpels ein ähnlich gestalteter, nur noch niedrigerer Vor- 
sprung entgegenkommt. Die elliptischen Endflächen, womit diese beiden 
Vorsprünge einander berühren, sind an dem abwärts verlaufenden convex, 
an dem aufwärts verlaufenden concav und durch eine fibröse Kapsel zu 
einem Gelenk verbunden. Dies Gelenk kann Rippenknorpelgelenk, 
Articulatio cartilaginum costalium, die Fortsätze, welche die Gelenk- 
flächen tragen, können oberer und unterer Gelenkfortsatz, Pro- 
cessus artieularis sup. et inf., des Rippenknorpels genannt werden. Ge- 
lenke derselben Art auf ähnlichen Vorsprüngen finden sich, immer mehr 
nach den Seiten zurückweichend, zwischen den Knorpeln der siebenten und 
achten, der achten und neunten Rippe; jenseits der Gelenkverbindung ge- 
gen das Brustbein hin laufen der achte und neunte Rippenknorpel jeder in 
eine feine Spitze aus, die etwa zur Mitte der Länge des nächst oberen Rip- 
penknorpels reicht und nur durch straffes Bindegewebe an denselben befe- 
stigt ist. Der Knorpel der zehnten Rippe legt sich mit einer ähnlichen 
Spitze, ohne Artieulation, an den neunten Rippenknorpel an. Die Knorpel 
der freien Rippen sind kurz, ebenfalls zugespitzt und in gleicher Flucht mit 
den Rippenknochen gelegen. 

An jeder- Rippe unterscheidet man von dem Mittelstück oder Kör- 
per, Corpus, das hintere oder Wirbel - Ende, Extremitas posterior 
und das vordere Ende oder die Spitze, Extremitas anterior. 

Fig. 60. Das hintere Ende reicht ' 
von dem Köpfchen, welches 
an den Wirbelkörper anstösst, 
bis zum Höcker, der an den 
Querfortsatz befestigt ist. Es 
Sei Ci ist von cylindrischer oder 
prismatischer Gestalt, hat an 
den zehn oberen Rippen fast: 
die gleiche, der Länge des 
Fig. 61. Wirbelquerfortsatzes entspre- 
= chende Länge und wird erst 
an den beiden freien Rippen 
kürzer. Köpfchen, Capi- 
fulum, heisst der äusserste, 

Dieselbe Ton Een etwas angeschwollene Theil 

(Fig. 60), welcher die senk- 
recht abgestutzte und überknorpelte, an der zweiten bis zehnten Rippe von 


Ses CCs Cpt 


A 


- Vierte Rippe von vorn. 


Rippen. 61 


einer Querleiste, der Crista capituli, durchzogene Endfläche trägt. Diese 
Endfläche artieulirt in der. Rippenpfanne und wird durch die Querleiste in 
zwei Felder, ein oberes, aufwärts geneigtes, und ein unteres, abwärts ge- 
neigtes, geschieden, welche den beiden, zu einer Rippenpfanne zusammen- 
tretenden Gelenkflächen je zweier Wirbel entsprechen. DerHöcker, Tu- 
berculum, ist an der ersten und zweiten Rippe ein vorspringender Winkel 
des hinteren Randes, an den übrigen Rippen eine platte Hervorragung der 
hinteren Fläche oder, an den mittleren Rippen, des unteren Theils der hinte- 
ren Fläche. Er besteht an den zehn oberen Rippen aus zwei durch eine ab- 
und seitwärts laufende Furche getrennten Erhabenheiten (Fig. 61). Die 
den Köpfehen näher und nach unten gelegene, den unteren Rand der Rippe 
überragende Erhabenheit trägt eine rundliche, bei der natürlichen Lage 
der Rippe schräg aufwärts gerichtete, schwach gewölbte Gelenkfläche 
von etwas geringerem Umfange als die Querfortsatzpfanne des Wirbels, an 
welchem sie eingelenkt ist. Die andere, seitlich und oben gelegene und 
besonders an den fünf bis sechs oberen Rippen stark ausgeprägte Erhaben- 
heit, Tub. s. s., ist kegelförmig oder abgeplattet, bald glatt, bald rauh und 
ragt neben der Spitze des Querfortsatzes, mehr oder minder genau an diese 
sich anschliessend, nach hinten (vergl. $. 40. Fig.39). An der elften und zwölf- 
ten und zuweilen schon an der zehnten Rippe ist der Höcker eine niedere 
Rauhigkeit oder auch nur eine schiefe Leiste, dem Köpfchen näher gerückt. 
Der zwischen Köpfchen und Höcker befindliche Theil des Wirbel-En- 

des der Rippe ist der Rippenhals, Collum costae. Er ist an der ersten 
Rippe in demselben Sinne, wie der Körper dieser Rippe abgeplattet, mit 
rauhem hinteren Rande; indem an der zweiten Rippe dieser rauhe hintere 
Rand höher wird, erhält der Hals derselben eine dreiseitig prismatische 
Gestalt. Der Sagittalschnitt zeigt ein mit der Spitze nach vorn gerichte- 
tes, spitzwinkliges Dreieck. Einem dreiseitigen Prisma ähnlich ist der 
Hals auch an den folgenden Rippen, nur dass die längeren Seiten nach 
vorn und hinten schauen und, auf dem Sagittalschnitt, die Spitze des Drei- 
ecks nach oben gerichtet ist. Häufig erhebt sich, besonders an den mittle- 
ren Rippen, der obere Rand des Halses und des anstossenden Theiles des 
Körpers zu einem-breiten, platten, nach oben convexen Kamme, Crista 
colli sup., welcher zur seitlichen Begrenzung des Zwischenwirbelloches 
beiträgt und den aus dieser Oeffnung austretenden Theilen eine Art Rück- 
lehne bietet. Dadurch, dass die Vorderfläche des Kammes 


Fig. 62. gegen die des Rippenhalses mehr oder minder rasch zu- 
A Bes rückweicht, bildet sich am oberen Rippenrande eine seichte 
Sei- Furche, Sulcus costalis sup., welche sich jenseits des 

Höckers bald in den oberen Rand des Rippenkörpers ver- 
© liert. Im Uebrigen ist die vordere Fläche des Rippenhal- 
© Sei ses glatt, die hintere rauh und um so tiefer von oben nach 


unten ausgehöhlt, je mehr der Kamm des Halses entwi- 
ekelt ist. Die untere Fläche des Halses ist eine, besonders 
Verticaler Durch- am vorderen Rande scharfkantige Hohlkehle, welche sich 
schnitt einer rechten an dem Körper geradezu fortsetzt, aber dadurch als 
a ee Furche, Suicus cost. inf., auf die Vorderfläche des Kör- 
ER pers gelangt, dass sich der hintere Rand der Hohlkehle 


en 


62 Rippen. 


ähnlich wie der obere Rand des Rippenhalses, in einen glatten, aber nach 
unten convexen Kamm verlängert (CUrista colli inf.), der sich erst 'ge- 
gen das vordere Drittel des Rippenkörpers in den unteren Rand verliert 
(Fig. 63). Dieser Kanım ist Ursache, dass die Rippe in ihrem mittleren 


Fig. 63. Fig. 64. 


Ä g°“ 
Sei— 


Verticaler Durchschnitt einer rechten Querschnitt der vierten Rippe. 
Rippe, A. des Halses, B. des Körpers. 


Theile höher erscheint, als in der Nähe des vorderen und hinteren Endes; 
der Gipfel seiner nach unten gerichteten Convexität, der oft statt eines 
Bogens einen stumpfen Winkel darstellt oder selbst in ein Knötchen ausge- 
zogen ist, rückt an jeder Rippe, von der zweiten an, allmälig weiter seit- 
wärts; an.ihm endet eine über die hintere Fläche der Rippe schräg ab- und 
seitwärts laufende rauhe Linie, welche, aber nur auf der Aussenfläche der 
Rippe, die bogenförmige Krümmung derselben in «der Art unterbricht, dass 
der hintere Theil gegen den seitlichen durch einen stumpfen Winkel, An- 
gulus costae, abgesetzt erscheint (Fig. 64). Die Reihe der Rippenwinkel 
(Fig. 65) bildet die seitliche Begrenzung einer Längs-Furche, welche in 
der Medianebene durch die Wirbeldornen geschlossen wird und zur Auf- 
nahme der Streckmuskeln des Rückgrates dient. 


Der Winkel fehlt an der ersten und zweiten Rippe oder fällt, wie man 
sich ausdrückt, mit dem Höcker zusammen. An der ersten Rippe 
(Fig. 66) findet sich dagegen meistens ein eigenthümliches Höckerchen, am 
oberen Rande unweit der vorderen Spitze, T'uberc. scaleni, welches das 
seitliche Ende der Insertion des M. scalenus ant. bezeichnet, und dahinter 
eine geglättete und etwas vertiefte Stelle, NSulcus subelaviae, auf wel- 
cher, bei ihrem Austritt aus dem Brustkorbe, die Art. subsclavia ruht. Die 
zweite Rippe (Fig. 67) ist ausgezeichnet durch eine vom Höcker aus über 
den nach oben gekehrten hinteren Theil der äusseren Fläche sich erstre- 
ckende, den Bändern parallel verlaufende scharfe Linie, welche diese Fläche 
in eine lateral- und eine medianwärts gewandte Abdachung scheidet und 
etwa in der Mitte der Länge der Rippe sich gegen eine ansehnliche Rau- 
higkeit (für den Ursprung des M. serratus ant.)- am unteren Rande dieser 
Rippe hinzieht. 


Am vorderen Ende sind die meisten Rippen sowohl im senkrechten, 
als im Diekendurchmesser etwas aufgetrieben, was um so mehr auffällt, 
wenn sie, wie dies häufig der Fall ist, eine kurze Strecke vor dem Ende 
eingeschnürt erscheinen. Die Endfläche, die den Rippenknorpel aufnimmt 


Rippen. , 63 


ist rauh, vertieft, elliptisch, nähert sich aber an der zweiten und an den un- 
tersten Rippen zuweilen mehr der Kreisform. 


Fig. 65. 


\ Fig. 66. 
er 


Erste Rippe von oben. 


Fig. 67. 


Zweite Rippe von oben. 


Brustkorb von hinten. 


Von der Vermehrung der Zahl der Brustwirbel und Rippen, die auf Kosten 
der nächsten Hals- und Bauchwirbel dadurch erfolgt, dass der sonst mit dem Wir- 
bel verschmolzene Querfortsatz als ein selbstständiger Knochen erscheint, war schon 
bei der Beschreibung der Wirbelsäule die Rede. Ueberzählige Rippen dieser Art 
kommen nach Gruber (Neue Anomalien. Berl. 1849. $.7) bei Individuen zwischen 
10 und 16 Jahren in jedem dritten bis vierten Falle vor, häufiger unten als oben. 
Selten trägt ausser dem ersten auch der zweite Bauchwirbel statt des Querfortsatzes. 
eine falsche Rippe. Einmal (Cru veilhier) war der Querfortsatz des ersten Bauch- 
wirbels normal und die Querfortsätze des zweiten bis vierten Bauchwirbels waren 
Rippen ähnlich. Die Varietät findet sich häufiger symmetrisch, als einseitig Trägt 
der siebente Halswirbel die überzählige Rippe, so endet dieselbe entweder frei oder 
sie artieulirt mit der ersten Brustrippe (Meckel’s Archiv. Bd.I. S. 642. Taf. VI. 
Fig. 36. Knox, Lond. med. gaz 1843. Novbr. p. 136) oder hängt durch Knorpel 
oder Band mit dem Brustbein zusammen (Sömmerring).. Selten ist eine wirk- 
liche Vermehrung der rippentragenden Wirbel, noch seltener eine Verminderung auf 


4. Zungen- 
bein. 


64 N Zungenbein. 


elf. Einmal sah Gruber eine überzählige freie Rippe auf Einer Seite am unteren 
Rande der Spitze des Querfortsatzes des zweiten Brustwirbels eingelenkt. 

Eine Articulation je zweier Rippen an ihrem hinteren Ende findet sich an einem 
Präparat unserer Sammlung. Vom vorderen Rande des Halses geht, dem Höcker 
gegenüber, von der fünften Rippe schräg abwärts ein platter Fortsatz, 4 Linien 
breit, am freien Rande verdickt und quer abgestutzt. Derselbe articulirt in einem 
Kapselgelenk .mit einem ähnlich gestalteten, von der sechsten Rippe vor- und aufwärts 
entgegenkommenden Fortsatz. Eine unvollkommen gebildete erste Rippe, die nur 
im hinteren Theil knöchern, im vorderen grösseren Theile ligamentös ist, beschreibt 
Struthers (Monthly Journ. 1853. Oct. S. 292). Oft ist die zwölfte Rippe unge- 
wöhnlich klein. 

Der Knorpel der ersten Rippe kann mit dem Brustbeingriff mittelst einer Kap- 
selmembran articuliren (Gruber); der Knorpel der achten Rippe kann das Brust- 
bein erreichen. Das vordere Ende des Rippenknochen ist zuweilen gabelförmig 
getheilt und geht in zwei Knorpel über, die sich entweder wieder vereinigen oder 
gesondert ans Brustbein befestigen. Umgekehrt setzen sich mitunter zwei Rippen 
mittelst eines gemeinschaftlichen Knorpels ans Brustbein. 

Am weiblichen Thorax ist die Flächenkrümmung des’ hinteren Theils der Rippe 
stärker, dagegen die Kantenkrümmung (nachunten) schwächer, als beim Mann; die 
erste und zweite Rippe sind absolut länger (Meckel). 

Zur Pubertätszeit entstehen an. Köpfchen und Höcker der Rippe besondere 
Knochenkerne, welche bald mit dem Körper verschmelzen. Die Epiphysen der Hö- 
cker fehlen den zwei unteren Rippen. Im höheren Alter verknöchern häufig die 
Rippenknorpel, zuerst an der Oberfläche und vom Brustbeinende aus. 


4. Zungenbein, Os hyoides. 


Das Zungenbein (Fig.68.69) liegt, bei rückwärts gebeugtem Kopf leicht 
durch die Haut fühlbar, an der Grenze zwischen der verticalen Vorderwand 
des Halses und dem horizontalen Boden der Mundhöhle. Das unpaare Mit- 
telstück desselben, der Körper, Basis, ist platt, 12” hoch und etwas 
mehr als doppelt so breit, von einer Seite zur an- 
deren und von oben nach unten gewölbt. Die letz- 
tere Wölbung ist die stärkere und so beträchtlich, 
dass die obere Hälfte der Vorderfläche, welche 
durch eine quere Firste von der unteren Hälfte 
geschieden ist, m@hr auf- als vorwärts sieht und 
die Concavität der hinteren Fläche die Finger- 
2 spitze aufnimmt. Der obere Rand ist eben, der 

Zungenbein von vorn. untere, in der Mitte dem oberen parallel, steigt an 
den Seiten schräg zum Seitenrande des Körpers 
. auf, der ihm, etwas aufwärts geneigt, unter einem 

stumpfen Winkel entgegenkommt. 

Die Vorderfläche des Körpers wird ausser durch die erwähnte Quer- 
firste noch durch eine mehr oder minder deutliche‘ mediane Firste getheilt, 
wodurch vier Felder oder Gruben entstehen, in welchen Muskeln sich be- 
festigen. 

Mit dem Seitenrande des Körpers sind jederseits zwei Bogenstücke 
verbunden, das Eine, längere, durch Synchondrose, das andere, kürzere, 
durch ein Gelenk; das erstere verwächst häufig, das letztere nur ausnahms-. 
weise knöchern mit dem Körper. 


Zungenbein. 65 


Die grösseren Bogenstücke oder Hörner, Cornua majora, schliessen 
sich so an den Körper an, dass sie die von demselben begonnene Krüm- 
mung nach hinten, nur steiler, fortsetzen. Mit ihrem vorderen Rande ent- 
sprechen sie dem Seitenrande des Körpers, ihr oberer und unterer Rand 
geht continuirlich oder nur durch eine geringe Einschnürung abgesetzt aus 
dem gleichnamigen Rand des Körpers hervor, die Flächen des Körpers 
gehen in die der Hörner über, doch drehen sich die letzteren alsbald so 
um ihre Längsaxe, dass die äussere Fläche aufwärts, die innere abwärts 
gerichtet wird, und gegen die hintere Spitze verjüngen sie sich, nähern 
sich der eylindrischen Form und enden je in ein eylindrisches Knöpfchen. 

Die kleinen Hörner, Cornua minora, sitzen mit, kreisförmigen Ge- 

lenkflächen (3"m im Durchmesser) auf der Vorder- 

Fig. 69. fläche der Naht der grossen Hörner und des Zun- 
genbeinkörpers, näher dem oberen Rande, als dem 
unteren. Sie sind weizenkorn- oder birnförmig, 
meistens nur wenig höher, als dick, zuweilen aber 
in schlanke, zugespitzte Säulchen bis zur halben 
Zungenbein, Profil. Länge der grossen Hörner und mehr verlängert, 

schief seit- und rückwärts gerichtet. 


Das grosse Horn des Zungenbeins kann ebenfalls mit dem Körper durch Ge- 
lenk verbunden sein. Manche halten dies für die Regel. 

Von der Spitze der kleinen Hörner erstreckt sich das Lig. stylo-hyoid. zum 
Griffelfortsatz des Schädels. Indem die Verknöcherung dieses Bandes vom Zun- 
genbein aufwärts fortschreitet, verlängern sich die kleinen Hörner des letzteren ; 
vom Schädel aus gewinnt öfters auf Kosten des Lig. stylo-hyoid. der Griffelfortsatz 
eine ungewöhnliche Länge. Seltener enthält das Band ein von dem kleinen Horn 
und dem Griffelfortsatz gesondertes, rundliches Knorpel- oder Knochenstück. Noch 
seltener ist das ganze Band vom Schädel bis zum Zungenbein knöchern, so dass 
der Griffelfortsatz und das kleine Horn in Eine Knochenstange zusammenfliessen, 
die das Zungenbein mit dem Schädel verbindet. 

Beim Neugebornen ist das Zungenbein noch grösstentheils knorplich , auf die- 
selbe Art, wie beim Erwachsenen, abgetheilt, mit Knochenkernen im Körper und den 
grossen Hörnern. Die kleinen Hörner bieiben am längsten knorplich und sind es 


oft noch im Erwachsenen. 


5. Schädel, 


Der Schädel besteht aus der eiförmigen Kapsel, welche das Gehirn 
enthält und welche, ausgenommen die Communicationsöffnung mit der Wir- 
"belhöhle und die Lücken zum Durchtritt von Gefässen und Nerven, naclı 
allen Seiten vollkommen geschlossen ist, und aus den Bogen, die den ober- 
sten Theil der Eingeweideröhre umgeben. Gemeinschaftlich tragen diese 
Bogen und jene Kapsel an der Grenze, wo sie einander berühren, zur Bil- 
dung von Gruben und Canälen für die Apparate der höheren Sinne bei. 

Eine Anzahl theils paariger, theils unpaarer Knochen setzen dies com- 
plieirte Gerüste zusammen. Sie stehen mit einander grösstentheils durch 
sehr feste, zackige; schuppige oder einfache Nähte in Verbindung, von wel- 
chen manche schon zur Zeit der Reife, manche erst im höheren Alter , die 


Henle, Anatomie. Thl. I. P) 


meinen 


Er 


Ds 


Muri 


Schädel 


66 Schädel. 


einen gewöhnlich, die anderen selten durch Verknöcherung der Zwischen- 
substanz verwischt werden. Nur an Einer Stelle jederseits am Boden des 
Hirnschädels (zwischen dem Felsentheil des Schläfenbeins und dem Hinter- 
haupts- und Wespenbein) ist eine etwas ansehnlichere, unregelmässige Kno- 
chenlücke durch Knorpel ausgefüllt; nur Ein Knochen, der Unterkiefer, ist 
durch Gelenke mit den übrigen verbunden. 

An dem Rande einiger der Oeffnungen, wodurch Canäle, die im Schä- 
del verlaufen, nach aussen münden, sind zur Verlängerung dieser Canäle 
(Nase, Ohr, Tuba) Knorpelröhren angefügt, welche, streng genommen, wie 
die Rippen und Gelenkknorpel, den Theilen des Skeletts zugezählt werden 
müssten, gewöhnlich aber bei den betreffenden Sinnesorganen abgehandelt 
werden. Es lässt sich dies einigermaassen damit rechtfertigen, dass man ge- 
wöhnt ist, den knöchernen Schädel, nach der Maceration, ohne jene knor- 
plichen Anhänge zu sehen und daher auch die letzteren bei allen Messun- 
gen und Vergleichungen der Schädel ausser Acht zu lassen. Für die Auf- 
fassung des Zusammenhanges der Schädelknochen unter sich ist die nähere 
Kenntniss der knorplichen Anhänge, wegen ihrer Lage an den äussersten 
Grenzen des Schädels, erlässlich. 

Man theilt die Kopfknochen ein in die Knochen des eigentlichen Schä- 
dels und des Gesichts. Zu jenen rechnet man alle, welche zum Verschluss 
der Schädelkapsel beitragen; die meisten derselben, namentlich die an der 
Basis gelegenen, gehen zugleich in die Bildung des Gesichtsschädels ein. 
Die Gesichtsknochen aber nehmen an der Zusammensetzung des Hirnschä- 
dels nicht Theil und sind von der Schädelhöhle aus nicht sichtbar. 

Zu den eigentlichen Schädelknochen gehören: 

a. Unpaare. 
1. Hinterhauptsbein, Os occipiis, O. 
2. Wespenbein, Os sphenoideum, 8.1). 
3. Siebbein, Os ethmoideum, F.. 2). 
4. Stirnbein, Os frontis, F. 

b. Paarige. 
5. Schläfenbeine, Ossa temporum, T.. 
6. Scheitelbeine, Ossa parietalia, Pr. 3). 

Zu den Gesichtsknochen zählt man: 

a. Paarige. 
7. Oberkieferbeine, Ossa mazillae, M&. *). 
8. Gaumenbeine, Ossa palatina, P\. 
9. Thränenbeine, Ossa lacrymalia, L. 5). 
10. Muschelbeine, Conchae inferiores, Ü. 9). 


‘) Keilbein, Flügelbein, Os sphecoideum , vespiforme, cuneiforme, alare. Ich un- 
terdrücke den gebräuchlicheren Namen Keilbein, weil derselbe an Fusswurzelknochen ver- 
geben ist. 

2) Riechbein, Os cribriforme. 

°) Seitenwandbeine, Ossa dregmatis, Ossa verticis. 

*) Maxilla superior, Os mazillare superius. 

>) Nagelbeine, Ossa unguis. 

°) Untere Muscheln, Ossa turbinata, spongiosa, 


Schädel. 67 


1i. Nasenbeine, Ossa nasi, N. 1). 
12. Jochbeine, Ossa zygomatica, Z. 2). 
b. Unpaare: 
13. Pflugscharbein, Vomer, V. 
14. Unterkieferbein, Mandibula, Md. 3. 
Hinterhaupts- und Wespenbein werden , Ph sie nach der Pubertät mit einander 
verschmelzen, von Manchen als Ein Knochen unter dem Namen Grundbein, 


Ds basilare, beschrieben. 
Zuweilen findet sich die Zahl der Knochen des Schädels durch abnorme Nähte 


oder durch längeres Bestehen von Nähten, welche in früher Jugend normal sind, 
vermehrt. Ich werde diese Varietäten nach der Beschreibung der regelmässigen 
Zusammensetzung des Schädels anführen. 


Ueber die Stellung der genannten Knochen und den Antheil, welchen 
die einzelnen an der Zusammensetzung des Ganzen haben, wird es leich- 
ter sein, sich zu orientiren, wenn wir der speciellen Beschreibung dersel- 
ben eine Totalansicht des Schädels und seiner Höhlen vorausschicken. 


Nennt man den Hirnschädel eiförmig, so ist zuerst hinzuzufügen, dass Hirnschäde 
er mit dem spitzeren Ende nach vorn, mit dem breiteren nach hinten ge- 
kehrt ist, so zwar, dass der. grösste Breitendurchmr. y (140®m im Lichten) 
den längsten, vom unteren Rande der Stirn zum vorragendsten Theil des 
Hinterhauptes gerichteten oder sagittalen Durchmesser « (170 mm) .an der 
Grenze des hinteren und mittleren Drittels schneidet (Fig. 70 und 71). 


Fig. 71. 


Mediandurchschnitt des Hirnschädels. Horizontaldurchschnitt des Hirnschädels, 


Wenig weiter nach vorn fällt auch die grösste Höhe des Hirnschädels, 
wenn man nämlich die Höhe durch senkrecht auf die Längenaxe gezogene 
Linien bestimmt. Bei natürlich aufrechter Haltung des Kopfes ist der 


2) Ossa nasalia. 
2) Wangenbeine, Ossa jugalia, malaria. 
®) Unterkinnlade, Mazilla inferior, Os maxillare iny. 
5 * 


68 Schädel. 


längste Durchmesser des Schädels unter einem Winkel von etwa 20 Grad 
gegen den Horizont geneigt.. 

Sodann wird die Regelmässigkeit der Eiform vielfach gestört, theils 
durch begrenzte Vorsprünge und Vertiefungen, theils durch Kanten, welche, 
gerade oder gebogen, über längere Strecken der Oberfläche hinziehen und, 
in Verbindung mit einer mehr der minder beträchtlichen Abplattung der 
Oberfläche, stellenweise den Schädel einem von planen Wänden umschlos- 
senen Körper ähnlich machen. An diesen Vorsprüngen und Kanten bethei- 
ligen sich entweder beide Flächen in gleichem Sinne, so dass einem Vor- 
sprung der äusseren Fläche eine Vertiefung der inneren und umgekehrt 
entspricht; sie nehmen sich alsdann wie getrieben aus; oder die Vor- 
sprünge undKanten sind nur gleichsam auf die eine Fläche aufgesetzt, die 
Vertiefungen in die eine Fläche eingegraben und die Schädelwand wird 
durch jene verdickt, durch diese verdünnt. Wird sie verdickt und weichen 
die äussere und innere Tafel auseinander, so nimmt entweder die diploeti- 
sche Substanz an Mächtigkeit zu oder sie schwindet völlig und es treten 
an ihre Stelle die früher erwähnten, einfachen oder von dünnen Knochen- 
plättchen durchsetzten Höhlen, welche sich von der animalischen Röhre 
aus mit Luft füllen (Stirn- und Wespenbeinhöhlen, Zellen des Warzenfort- 
satzes u. 8. f.). 

Die Mächtigkeit der Schädelwand beträgt an den Stellen von mittle- 
rer Stärke 3 — 4mm; an Stellen, wo die äussere oder innere Wand 
Vorsprünge bildet, erreicht sie das Doppelte, an Stellen, wo sich lufthaltige 
Räume zwischen beiden Platten befinden, das 6 — 7fache jener Stärke 
und mehr. 

Eine fast continuirliche Kante zieht sich, im Allgemeinen horizontal 
verlaufend, äusserlich um den unteren Theil des Hirnschädels und scheidet 
“die grösstentheils plane untere Fläche, Basis, von der mehr gewölbten 
Schädeldecke. . Der Verlauf dieser Kante ist folgender: Von einem hinten 
. in der Mittellinie gelegenen, 
platten oder stachelförmigen 
Vorsprung des Hinterhaupts- 
beins, Profuberantia occi- 
pilalis est., geht sie nach je- 
der Seite in abwärts gekrümm- 
tem Bogen, als Linea nuchae 
superior !), auf den Rand ei- 
nes stark nach unten vorsprin- 
genden Muskelfortsatzes, des 
Processus masloideus, über. 
Vor diesem Fortsatz, iiber der 
äusseren Ohröffnung, Porus 
acust. esck., und dem Unter- 
kiefergelenk, setzt sie sich in 
Profilansicht des Hirnschädels ohne Jochbogen. die Wurzel des Jochbogens, 

Arcus zygomaticus , fort, 


Fig. 72. 


) L. semicircularis sup. ossis occipitis. 


Schädel. 69 


welcher deprimirt, mit der oberen Fläche aus der Seitenfläche, mit der un- 
teren Fläche aus der Grundfläche des Schädels entspringt und erst im wei- 
teren Verlauf eine Torsion erfährt, wodurch die eine Fläche lateral-, die 
andere medianwärts gewandt wird. Vor der Wurzel des Jochbogens er- 
scheint die Grenze zwischen der Seiten- und Bodenfläche des Schädels 
wieder als scharfe Kante, und zwar in Ziemlich gleicher Flucht mit der 
Wurzel des Jochbogens. Wir nennen sie hier Urista infratemporalis 
und werden sie bei der Beschreibung des Wespen- und Schläfenbeins wie- 
der zur Sprache bringen. Durch die hohe vordere Insertion des Jochbo- 
gens unterbrochen, tritt die Fortsetzung jener Kante als scharfer oberer 
Rand der Augenhöhle, Margo supraorbilalis , auf das Gesicht über und 
kommt mit der.gleichnamigen Kante der anderen Schädelhälfte in der Na- 
senwurzel, Radix nasi, zusammen. 


An der Schädeldecke sind die Seitenflächen abgeplattet und gegen 
die gewölbte obere Fläche 
abgegrenzt durch eine der 
Curve, welche der obere 
Rand des Mediandurchschnit- 
tes des Schädels beschreibt, 
fast parallel verlaufende Li- 
nie, Linea temporalis \) 
(Fig. 72 u. 73). Unterhalb 
dieser Linie liegt die Schlä- 
fenfläche, Planum tempo- 
rale; den in der Mitte zwi- 
schen beiden Schläfenlinien 
gelegenen gewölbten Theil 
kann man im weiteren Sinne 
des Worts Scheitel, Vertex?), nennen; im engeren Sinne bedeutet Schei- 
tel die mittlere und höchste Region dieses Gewölbes, während der nach 
vorn gegen die Nasenwurzel abfallende Theil als Stirn, /'rons, der hin- 
tere Abhang als Hinterhaupt, Occiput, unterschieden wird. Stirn und 
Scheitel gehen an dem knöchernen Schädel ohne deutliche Grenze in ein- 
ander über (in der äusseren Haut macht die Behaarung die Grenze); zwi- 
schen Hinterhaupt und Scheitel ist die Grenze nicht selten durch eine Ver- 
tiefung bezeichnet, welche einer Knochennaht entspricht und durch die Vor- 
ragung des Hinterhauptsbeins über die Scheitelbeine erzeugt wird. Die 
Zusammensetzung des Schädels aus zwei symmetrischen Hälften ist äusser- 
lich längs der Stirn"und dem Scheitel öfters durch eine schwache Kante 
oder eine leichte Vertiefung angedeutet. 


Frontaldurchschnitt des Hirnschädels. 


Von diesen Flächen und ihren Kanten ist an der Innenseite des Schä- 
dels nichts zu sehen, ausser der Andeutung einer medianen Scheidewand 
an dem vorderen und hinteren Ende der Basis und an der Decke der Schä- 


\) L. semicircularis oss. parielalis. 
2) Sinciput. 


= 
70 Schädel. 


delhöhle (Fig. 74 und 75) und ausser einer Querfurche , Suleus trans- 
versus, längs dem hinteren Theil der Grenze zwischen Basis und Decke. 


Ansicht der Schädelhöhle von innen. Basis. 


Von dem vordersten Theil der Basis erhebt sich jene Scheidewand in Gestalt 
eines niedrigen, comprimirten , dreiseitigen Vorsprunges, der Orista galli 
des Siebbeins; an der Decke erscheint sie von dem vorderen Rande der- 
selben ansteigend und durch eine Grube gegen die Crista galli abgesetzt, 
als niedrige Firste, die sich aber schon auf der Mitte der Stirn in zwei 
Lippen spaltet und so in eine Rinne, Suleus saygittalis, verwandelt, wel- 
che längs der Mittellinie des Scheitels weiter zieht, hinten in jene Quer- 
furche einmündet und unterhalb der Querfurche wieder als Firste, Oristu 
oceipitalis interna, bis zum Rande des Hinterhauptslochs herabläuft. 
Von der Crista galli und dieser Längsfirste und Furche ragt senkrecht, von 
der Querfurche wagerecht eine fibröse Scheidewand in die Schädelhöhle 
vor, jene zwischen die beiden Seitenhälften des Gross- und des Klein- 
hirns, diese zwischen das Grosshirn und das Kleinhirn. In den Furchen, zwi- 
schen dem Knochen und der Anheftungsstelle jener fibrösen Scheidewände, 


Schädel. 71 


ruhen die wichtigsten Blutleiter (Sinus membranae durae) , häutige Ca- 
näle, in welchen das Venenblut aus dem Gehirn und den Schädelknochen 
sich sammelt. Der scharfe Winkel, unter welchem am oberen Rande der 
Augenhöhle die Stirn äusserlich in die Schädelbasis umbiegt, ist durch 


Fig. 75. 


Ansicht der Schädelhöhle von innen. Decke. 


Auseinanderweichen der beiden Platten des Stirnbeins inwendig ausgegli- 
chen und abgerundet; ebenso geht, wie der Frontaldurchschnitt, Fig. 73, 
zeigt, an der Innenseite der Schläfenfläche, die Aushöhlung der Seitenwand 
ununterbrochen in die des Bodens und der Decke über. 

Dagegen finden sich auch auf der, im Allgemeinen glatten und glän- 
zenden inneren Tafel (Zamina vitrea) des Schädels Unebenheiten und 
Kanten, welche nach innen vorspringen, ohne äusserlich angedeutet zu sein. 
Ueberall, mit Ausnahme des mittleren Theils der Grundfläche, verlaufen 
krummlinige Vorsprünge, Juga cerebralia, welche in die Furchen der Ge- 
hirnwindungen passen, zwischen den diese Windungen aufnehmenden Ver- 
tiefungen, den Impressiones digitatae. Zahlreiche, tiefere und seichtere ver- 
zweigte Furchen (Fig. 75) bezeichnen den Verlauf der Gefässe an der 
Aussenseite der fibrösen Haut, welche dem Schädel als Periost und zugleich 
dem Gehirn als Umhüllung dient. Im Grunde dieser Furchen liegen Rei- 
hen feiner Poren für die in die Substanz des Knochens tretenden Gefäss- 


“ 


Schädel- 


72 Schädel. 


ästehen; die Furchen selbst gehen von Canälen der Schädelwand aus, 
durch welche die Gefässstämme von aussen in die Schädelhöhle geführt 
werden. Häufig kommen bei Erwachsenen an der Schädeldecke neben der 
Längsfurche unregelmässige Gruben vor, in welchen Auswüchse von der 
äusseren Fläche der fibrösen Hirnhaut, die sogenannten pacchionischen 
Drüsen, liegen. 2 

Die Grundfläche des Schädels, von innen betrachtet (Fig. 76), zeigt 


uben, . - > R 
& zwei quer verlaufende Kanten, welche in der Mitte am stärksten hervorra- 


gen und gegen die Seitenwände sich verlieren, welche ferner in der Mitte 


” 


Ansicht der Schädelbasis von innen, 


einander näher liegen als seitwärts, wo die vordere nach vorn, die hintere 
nach hinten ausweicht. Sie theilen die Schädelbasis in drei Gruben, die 
man als hintere, mittlere und vordere Schädelgrube, Fossa eranii ant., med. 
und post., unterscheidet. In der hinteren Schädelgrube liegt die grosse Oeff- 
nung, welche aus der Wirbelhöhle in die Schädelhöhle führt, F'oram. oc- 
cipitale, Die Wölbung hinter dieser Oeffnung lässt sich, wie erwähnt, einem 


» 


Schädel. 73 


ausgedehnten und abgeplatteten Wirbelbogen vergleichen. In dem vor dem 
Hinterhauptsloch gelegenen Theil der hinteren und in den beiden vorderen 
Schädelgruben wird die Mitte von einer Längsreihe wirbelkörperartiger, 
aber schon zur Zeit der Reife untrennbar verbundener Knochenstücke, den 
Körpern des Hinterhaupts- und Wespenbeins, eingenommen; ihnen zur Seite 
liegt in der hinteren und mittleren Schädelgrube rechts und links in eben- 
falls longitudinaler, jedoch unregelmässiger Reihenfolge eine Anzahl von 
Oeffnungen für Gefässe und Nerven; sie sind den Zwischenwirbellöchern 
der Wirbelsäule analog, doch ist diese Aehnlichkeit nur oberflächlich, weil 
die Löcher den Zwischenräumen weder von Körpern noch von Bogen ge- 
nau entsprechen. Die vordere Schädelgrube wird von der mittleren ge- 
schieden in der Mitte durch einen dem Wespenbeinkörper angehörigen, platt 
aufliegenden Saum, Limbus sphenoidalis; daneben durch die rückwärts 
ragenden Procc. clinoid. anter., in welche jener Saum übergeht, und wei- 
ter seitwärts durch den ausgeschweiften Rand der Orbitalflügel des Wes- 
penbeins, Alae orbilales, welcher von der Spitze des Proce. clinoid. ant. 
ausgeht, um sich in der Seitenfläche des Schädels zu verlieren. Die vordere 
Schädelgrube ist flach; die Durchtrittsstellen des ersten Nervenpaares, F'o- 
ramina cribrosa, nehmen in derselben einen schmalen Längsstreif jeder- 
seits neben der Crista gallı ein. 

Die mittlere Schädelgrube, von vorn her durch den eben beschtie- 
benen hinteren Rand der vorderen Schädelgrube überragt, grenzt sich gegen 
die hintere ab mittelst einer Firste, welche in der Mitte als querer, vorwärts 
geneigter Kamm, Sattellehne, Dorsum sellae, des Wespenbeins, stark 
vorragt und von der Wurzel dieses Kammes seit- und rückwärts auf eine 
Kante, Angulus superior, der Schläfenpyramide und schliesslich von dieser 
auf den oberen Rand der Querfurche übergeht, die, wie erwähnt, Basis und 
Decke der Schädelhöhle von einander scheidet. Zur Seite des Fusses der 
Sattellehne ist eine Aushöhlung, durch welche die mittlere mit der hinte- 
ren Schädelgrube communieirt, durch welche namentlich die Nervenstämme 
nach vorn verlaufen, die in der hinteren Schädelgrube aus den Oentralorga- 
nen hervortreten und erst in der mittleren die Schädelhöhle verlassen. 


Nicht selten wird diese Aushöhlung theilweise gedeckt durch Zacken, welche 
von der Spitze der Schläfenpyramide aufwärts, von der Spitze des Dorsum ephippii 
rück- und abwärts ragen. Sie sind als Verknöcherungen des Tentorium cerebelli zu 
betrachten, welches von der Sattellehne zur oberen Kante des Schläfenbeins hinüber- 
gespannt ist (s. Wespenbein). 


Die Reihe der Löcher, welche aus der mittleren Schädelgrube nach 
aussen führen, beginnt neben dem Limbus sphenoidalis mit dem Canalis 
oplicus (für die Art. ophthalmica und den zweiten Hirnnerven); nur durch 
ein dünnes Stäbchen von ihm getrennt, in der Ansicht von oben durch den 
hinteren Rand des Orbitalflügels verdeckt, folgt die Fissura orbitalis 
sup., eine am medianen Ende abgerundete, nach der Seite hin sich ver- 
schmälernde und zuspitzende Querspalte, durch die am medialen Theil (der 
seitliche, spaltförmige ist durch eine Verbindung der harten Hirnhaut mit 
der Beinhaut der Augenhöhle verschlossen) die V. ophthalmica cerebralis, 


1) Cam. condyloideus post. 


74 Schädel. 


der N. IL, IV., VI. und der erste Ast des N. V. treten. Hinter dieser 
Spalte, allmälig von der Mittellinie seitwärts weichend, folgen hintereinan- 
der: der Can. rolundus (für den zweiten Ast des N, V.), das Foramen 
ovale (für den dritten Ast desselben), das Foramen spinosum für die 
Vasa meningea) und medianwärts neben den beiden letzteren das Fora- 
men lacerum, von einem Faserknorpel ausgefüllt, den nur wenige feine 
Gefäss- und Nervenästchen durchsetzen. Gerade.über diesem Faserknorpel 
liegt die Hauptarterie des Gehirns, Carotis int., nachdem sie an der Spitze 
der Pyramide des Schläfenbeins aus dem Can. caroticus hervorgetreten und 
bevor sie an der Seitenfläche des Wespenbeins aufwärts geht. 

In der hinteren Schädelgrube liegen die Austrittsöffnungen in einer 
der Queraxe fast parallelen, nur wenig rück- und medianwärts geneigten 
Reihe neben oder vielmehr über einander in der medianwärts geneigten 
Ebene, welche von der oberen Kante der Schläfenpyramide gegen das Hin- 
terhauptsloch abfällt: zu oberst der Porus acust. int. (für die Vasa au- 
ditiva und den N. VII.u. VIII.), darunter das F'oramen jugulare, durch 
Vorsprünge des einen oder anderen der dasselbe begrenzenden Knochen in 
einen seit- und rückwärts gelegenen geräumigen Theil (für die V. jugularis) 
und einen median- und vorwärts gelegenen engeren Theil (für die N. IX., 

X und XI und den Sinus petros. inf.) geschieden; endlich, dem Rande 
des Hinterhauptslochs zunächst und etwa über der Mitte des Gelenkhöckers 
des Schädels, der Canalis hypoglossi (N. XIL) 2. 

Einige andere, minder beständige Oeffnungen, welche Communications- 
ästen zwischen äusseren und inneren Venen (Emissaria) den Durchtritt ge- 
statten, kommen an der Basis, den Seitenwänden und an der Decke des 
Hirnschädels vor. Zu diesen gehört der Can. condyloideus 2), dessen in- 
nere Mündung in der hinteren Schädelgrube medianwärts vom Foramen 
Jugulare sichtbar ist. 

Aussentläähe Die Aussenseite der Grundfläche des Schädels (Fig. 77) ist zunächst 
ee in zwei Regionen, eine hintere und eine vordere, zu scheiden, von welchen, 
wenn man sie auf die Gegenden der Wirbelsäule zurückführt, jene der 
Wirbelfurche, diese der Vorderfläche der Wirbelkörper entspricht. Weil 
einerseits die Wirbelhöhle, wo sie sich zur Schädelhöhle erweitert, nach 
hinten vorspringt und andererseits die Vorderfläche der animalischen Röhre 
sich an der Uebergangsstelle zum Schädel unter einem rechten Winkel nach 
vorn umbeugt, kommen beide Regionen in Eine und zwar in eine abwärts 
gerichtete Ebene zu liegen. Die Grenze zwischen beiden bildet eine 
schwach nach vorn convexe Linie, welche vom vorderen Rande des F'o- 
ramen occipitale jederseits vor dem Gelenkhöcker, mittelst dessen der 
Schädel auf dem Atlas artieulirt, Proc. condyloideus, vorüberführt und 
von da auf einem Querwalle (Proc. jugularis des Hinterhauptsbeins) 
seit- und rückwärts zu dem Warzenfortsatze (Proc. mastoideus) läuft. Auf 
der Fläche, welche hinter dieser Linie, zwischen ihr, der oberen Nacken- 
linie des Hinterhauptsbeins und den Warzenfortsätzen eingeschlossen ist — 
wir wollen sie die Nackenfläche des Schädels nennen —, finden alle 
von Rippen, Dornen und Querfortsätzen aufwärts zum Schädel verlaufenden 


\) Can. condyloideus ant. ?) Can. condyloideus post, 


Schädel. 75 


Muskeln ihre Anheftung. Der Theil der Schädelbasis, weleher vor der 
beschriebenen Linie liegt, ist zunächst wieder in zwei Felder, ein hinteres 
Fig. 77. 


| 
Poe Fo 


Basis des Schädels von aussen ; Gaumenflügel des Wespenbeins (Ppt) an der Basis quer 
abgesägt. Cr. äussere Mündung des Can. rotundus. Pae. Aeussere Mündung des Gehör- 
gangs. (ca. Eingang des Can. caroticus. 


und ein vorderes, einzutheilen. Das hintere Feld stellt einen queren, in 
der Mitte schmalen, nach den Seiten sich vor- und rückwärts ausbreitenden 
Gürtel dar, welcher dem Umfang der mittleren Schädelgrube ungefähr 
gleichkommt. Der mittlere Theil desselben, vor dem Rande des Hinter- 
hauptslochs, dient Muskeln zur Insertion, welche an der Vorderfläche der 
Hals- und oberen Brustwirbel entspringen. Zur Seite liegt der Knochen, 
weleher das Gehörorgan einschliesst — die Pyramide, Pyramis, des Schlä- 
fenbeins —, die Gelenkfläche für den Unterkiefer, F'ossa mandibularis, 
und vor beiden eine Ebene, die sich-seitlich bis an die Orösta infratem- 
poralis erstreckt und das Dach einer nach unten offenen Grube bildet, wel- 
che von den den Unterkiefer bewegenden Muskeln grösstentheils ausge- 
füllt wird. Ich nenne diese Grube Unterschläfengrube, Fossa infra- 
temporalis, das ganze Feld mag mit dem Namen „Mittlerer Gürtel 


Gesichts- 
schädel. 


76 Schädel. 
der Schädelbasis“ bezeichnet werden. Das vordere Feld ist in sei- 
nem mittleren Theil Decke der vegetativen Röhre, an den. Seiten theils 
Decke, theils Seitenwand der Augenhöhlen. Zwischen der horizontalen 
Platte, welche die Decke der Augenhöhle bildet, und der vertical gestellten, 
vor- und medianwärts schauenden Wand, welche die Augenhöhle seitlich be- 
grenzen hilft, liegt die obere Augenhöhlenspalte, Fissura orbitalis sup. 
Gegen den mittleren Gürtel der Basis grenzt sich das vordere Feld ab: in 
der Mitte durch das T'uberculum pharyngeum, einen etwa 12mm yor dem 
Rande des Hinterhauptslochs auf dem wirbelkörperartigen Knochen der 
Schädelbasis vorspringenden Höcker, an welchen die Mitte des oberen Ran- 
des der hinteren Wand des Schlundkopfes befestigt ist. An den Seiten ist 
die Grenze zwischen dem mittleren Gürtel der Schädelbasis und der Sei- 
tenwand der Augenhöhlen bezeichnet durch einen dem Temporalflügel des 
Wespenbeins angehörigen scharfen Kamm, Crista orbitalis, dem wir als 
oberem Rand der unteren Augenhöhlenspalte bei Beschreibung der Augen- 
höhle wieder begegnen werden. Zwischen dem Tuberceulum pharyngeum 
und diesem Kamme läuft die Grenze längs dem medianen und vorderen 
Rande der Wurzel der Gaumenflügel, Processus pterygoidei, des Wes- 
penbeins hin. ; 

Gehen wir zum Gesichtsschädel über, so erkennen wir als dessen 


Fig. 78. 


Frontaldurchschnitt des Schädels durch den dritten Backzahn. 
1 Schädelhöhle. 2 Augenhöhlen. 3 Nasenhöhlen. 4 Kieferhöhlen, 5 Mundhöhle, 


Schädel. 77 


Grundlage die in den Wänden des horizontalen Endstücks des vegetati- 
ven Rohres eingeschlossenen Knochenplatten (Fig. 79). Indem der vor- 
dere Theil dieses Rohres durch eine horizontale Scheidewand quer abge- 
theilt und die obere Abtheilung wieder durch eine mediane Scheidewand 
der Länge nach halbirt wird, entstehen drei Canäle, zwei obere, Symme- 
trisch und Wand an Wand an der Basis des Schädels in sagittaler Rich- 
tung verlaufend, und ein dritter unpaarer, in gleicher. Richtung unterhalb 
der beiden oberen. Der untere, unpaare Canal ist die Mundhöhle; die 
beiden oberen, paarigen sind die Nasenhöhlen; die Wand, welche die 
Nasenhöhlen von einander trennt, heisst Nasenscheidewand, Septum 
narium; sie wird (Fig. 80) von einer perpendiculären Platte des Sieb- 


Fig. 80. 


Mediandurchschnitt des Schädels links neben der Nasenscheidewand, 


* Knorpel der Nasenscheidewand. 


beins, vom Pflugscharbein und nach vorn von einer Knorpelplatte gebil- 
det. Die zwischen den Nasenhöhlen und der Mundhöhle verlaufende ho- 
rizontale Wand heisst Gaumen, Palatum; zu ihrer Bildung tragen Ober- 
kiefer und Gaumenbein bei. Nach aussen (vorn) öffnet sich die Mund- 
höhle durch den Mund und am Schädel durch die Kieferspalte; die Ein- 
gänge der Nasenhöhlen, die Nasenöffnungen oder Naslöcher, erscheinen 
am skelettirten Schädel als einfache Oeffnung, weil der knorpelige Theil 
der Nasenscheidewand fehlt und die knöcherne nicht bis an die Oberfläche 
reicht. Die Oeffnung (Fig. 81 a. f. S.) wird Apertura pyriformis genannt. 
Nach innen (hinten) münden die Nasenhöhlen oberhalb des Gaumens 
und die Mundhöhle unterhalb desselben in die Vorderwand des oberen 


78 Schädel. 


Theiles des Schlundes oder des Schlundkopfes. Die hinteren Mündungen 
der Nasenhöhle werden Choanen genannt; sie werden medianwärts 


Ansicht des Schädels von vorn, 


durch den scharfen hinteren Rand der Nasenscheidewand, unten durch den 
scharfen hinteren Rand des Gaumens begrenzt. Die Stelle des lateralen 
Randes nimmt eine Grube, F'ossa pterygoidea (Fig. 80.82), ein, welche, 
nach hinten offen, von zwei rückwärts divergirenden verticalen Platten um- 
fasst wird. Die Platten sind Theile des Gaumenflügels des Wespenbeins, 
zwischen die sich nur am unteren Ende ein kleiner Fortsatz des Gaumen- 


beins eindrängt. Die Grube wird ausgefüllt von einem Muskel (M. ptery- _ 


goid. int.), der sich von da zum Unterkiefer begiebt. Die Einmündung 
der Mundhöhle in den Schlund erfolgt durch eine kreisförmige Oeffnung, 
eine Art von Engpass, Isthmus faueium, welchen aber nebst dem Gaumen 
nur Weichtheile, die Zunge am Boden der Mundhöhle und die an den 
Seitenwänden der letzteren vorspringenden Gaumenbogen, umgrenzen. 
Zwischen Mund- und Nasenhöhlen besteht eine Communication durch 
den Can. ineisivus, welcher in der Nasenhöhle doppelt, dicht dies- und jen- 
seits der Scheidewand beginnt und mit einer unpaarigen Oeffnung, Aper- 
fura inf. can. incis. (Fig. 82), hinter den vordersten Zähnen ausmündet. 
Die Nasenhöhlen sind von den vorderen bis zu den hinteren Oeffnun- 


N 


Schädel. 19 


gen ringsum von festen, im vorderen Theile knorplichen, im hinteren 
Theile knöchernen Wänden umschlossen. Der knöcherne Apparat. der 


Fig. 82. 


Ansicht des Schädels von hinten bei auf die Brust geneigtem Kinn. 


Mundhöhle besteht aus zwei nach vorn convexen, einander nahezu paralle- 
len, platten Bogen, deren einander zugekehrte Ränder die Zähne tragen. 
Der obere Bogen ist mit dem vorderen und Seitenrande des Bodens der 
Nasenhöhlen verwachsen und seine innere Fläche geht eontinuirlich in die 
untere Fläche des Gaumens über. Der untere Bogen ist gegen den oberen 
und somit gegen den ganzen Schädel beweglich und artieulirt an dem 
letzteren mittelst eines jederseits senkrecht aufsteigenden Fortsatzes, des 
Unterkieferastes, Ramus mandibulae, welcher da die Gelenkgrube 
an der Grenze zwischen der Schläfen- und Grundfläche .des Schädels an- 
gebracht ist, mit der Aussenfläche in der Fortsetzung der Schläfenfläche 


Nasenhlıöle. 


80 Schädel. 


liegt, mit der Innenfläche eine unvollständige äussere Begrenzung de 
Unterschläfengrube bildet. , 

Jede Nasenhöhle stellt in dem grössten Theile ihrer Länge einen vier- 
seitigen Canal mit abgerundeten Ecken dar (Fig. 84), dessen Höhe die 
Breite bedeutend übertrifft. Von den vier Wänden, welche den Canal 
umgeben, stehen die Median- und Seitenwand vertical und einander pa- 
rallel, wenn man von einigen Vorsprüngen der Seitenwand nach innen 
und von den häufigen Unregelmässigkeiten in der Stellung der Nasen- 
scheidewand absieht, welche bald nach der rechten, bald nach der linken 
Nasenhöhle ausgebogen ist. Die Breite der Nasenhöhle ist demnach überall 
ziemlich die gleiche (15mm), die Höhe aber ist in verschiedenen Regio- 
nen verschieden und dies rührt, da die unterste Wand oder der Boden eben 
und fast horizontal ist, von Ungleichheiten der oberen Wand oder der 
Decke her. Die grösste Höhe (45”"M) besitzt die Nasenhöhle im mitt- 


Fig. 83. 


Seitenwand der Nasenhöhle. 


leren Theile ihrer Länge, wo sie durch eine dünne, vorn von den Aesten 
des Riechnerven durchbohrte Knochenplatte, Lamina cribrosa des Sieb- 
beins, von der Schädelhöhle geschieden ist und auch von diesem Theile 
der Decke ist nur ein schmaler Streifen (2 bis 3mm) zunächst der media- 
nen Wand frei, während seitlich eine zellige Knochenmasse, das Labyrinth 
des Siebbeins, Labyrinthus, von der Decke herabragt und den oberen 
Theil der Nasenhöhle bis zur Seitenwand ausfüllt (Fig. 83. 84). Weiter rück- 
wärts, so weit die Nasenhöhle unter der mittleren Schädelgrube liegt, wird 
die Höhe der ersteren um die Höhe des wirbelkörperartigen Knochens die- 
ses Theils der Schädelbasis — des Wespenbeinkörpers — beeinträchtigt. 
Indess kommt diese Raumbeschränkung dadurch wieder der Nasenhöhle 
zu Gute, dass sich im Wespenbeinkörper zwei geräumige, durch eine me- 
diane Scheidewand getrennte Höhlen bilden, welche durch eine Oeffnung 
in der vorderen Wand dieses Knochens jede mit Einer Nasenhöhle in Ver- 


Schädel 81 


bindung stehen. Dies sind die Wespenbeinhöhlen, Sinus sphenoi- 
dales. Durch eine ähnliche Öeffnung in der Gegend der Nasenwurzel 
hängt jede Nasenhöhle mit der Stirnhöhle, Sinus frontalis, zusammen, 
einer Höhle, welehe sich zwischen den aus einander weichenden Platten 
der vorderen Wand des Schädels befindet und mehr oder minder weit in 
der Decke der Augenhöhle nach hinten erstreckt. Jenseits dieser Stelle 
nach vorn, von der Nasenwurzel an, hört die Decke der Nasenhöhle auf, 
Boden der Schädelhöhle zu sein; sie geht selbständig, mit freier, oberer 
Fläche als sogenannter Rücken der Nase weiter, neigt sich aber zugleich 
stark abwärts und diese Richtung verfolgen die am Rande der knöchernen 
Nasenöffnung anhaftenden Nasenknorpel so weit, dass das Dach bis zur 
Ebene des Bodens der Nase niedersteigt und die Eingänge der Nasen- 
höhlen in den Boden derselben, vor dem knöchernen Gaumen, zu liegen 
kommen. An der Seitenwand der Nase sind in ziemlich gleichen Entfer- 
nungen über einander ‘drei 
knöcherne Klappen, die Na- 
senmuscheln, Üonchae, 
befestigt, welche pultdach- 
förmig schräg abwärts in die 
Höhle vorspringen und sich 
mit dem freien Rande wieder 
lateralwärts umrollen. Die 
unterste dieser Muscheln, (on- 
cha inf., Fig. 82, ist ein selbst- 
ständiger Knochen, die obe- 
ren, Concha superior und 
media, sind Theile des Laby- 
rinths des Siebbeins. Der an- 
geheftete Rand sämmtlicher 
a Muscheln verläuft ziemlich 
genau sagittal, der freie ge- 
bogen, so dass jede in der 
Mitte ihrer Länge die grösste 
Höhe hat; an Länge übertrifft 
jede untere die nächst obere. 
Jede Muschel bildet mit ihrer 
ceoncaven Fläche die Decke, 
mit ihrer convexen Fläche den 
Boden eines Ganges, der den 
Frontaldurehschnitt des Schädels durch den dritten grössten Theil der Nasenhöhle 


Baal: in sagittaler Richtung durch- 
1. Schädelhöhle. 2. Augenhöhlen. 3. Nasenhöhlen. „ FAR 
4. Kieferhöhlen. 5. Mundhöhle. setzt. Man zähltsolcher Gänge 


(Nasengänge) drei, den 
untersten, Meatus nariım 
inf., zwischen dem Boden der Nasenhöhle und der unteren Muschel, den 
mittleren, M. n. med., zwischen der unteren und mittleren, den obersten, 
M.n. sup., Fig. 83, zwischen der mittleren und oberen Muschel. „Be- 
deckt von den Muscheln, in der Seitenwand der Nasenhöhle, liegen die 


Henle, Anatomie. Thl. 1. ” 6 


Augen- 
höhle. 


82 Schädel. 


Oeffnungen, durch welche die Zellen des Labyrinths, die Stirnhöhle und 
einige andere noch zu erwähnende Höhlen und Canäle der Gesichtsknochen 
mit der Nasenhöhle communiciren. Medianwärts öffnen sich die Nasen- 
gänge durch weite Spalten in den Theil der Nasenhöhle, der ununter- 
brochen von der Decke bis zum Boden reicht und den man den gemein- 
schaftlichen Nasengang nennen könnte. Ein Loch in der lateralen 
Wand der Nase, Foramen sphenopalatinum (Fig. 83), setzt die Nasen- 
höhle mit der Fossa sphenomaxillaris und weiter mit der Fossa infratem- 
poralis in Verbindung (s. unten). 

An die Nasenhöhlen schliessen sich jederseits die Augenhöhlen an, 
und der obere Theil der Seitenwand der Nase, an welchen von innen das 
Labyrinth sich lehnt, ist zugleich mediale Wand der Augenhöhle. Sie 
stösst mit der Decke der Augenhöhle unter einem stumpfen Winkel zu- 
sammen, in welchem im Hintergrunde der Augenhöhle der Ausgang des 
Canalis opticus und weiter nach vorn und vor einander die Foramina 
ethmoidalia liegen, jenes zum Eintritt des Sehnerven, diese zum Aus- 
tritt von Gefässen und Nerven aus der Augenhöhle bestimmt. Der untere 
Theil der Seitenwand der Nase dagegen wird, mit Ausnahme des in das 
Gesicht ragenden, knorplichen Theils, durch einen Anbau, den Oberkiefer- 
körper, verdeckt, welcher fast so weit als die Decke der Augenhöhle seit- 
wärts vorspringt und mit seiner oberen, etwas abwärts geneigten Wand 
den Boden der Augenhöhle bildet. Dieser Anbau ist hohl, im Frontal- 
schnitt dreiseitig mit nach unten gerichteter, stumpfer Spitze; seine obere 
Wand, in sagittaler Richtung vom Canalis infraorbilalis durchzogen, 
ist dreiseitig, ebenso der Querschnitt oben dreiseitig, unten halbkreisförmig 

2 Fig. 85. mit seitwärts gerichteter Spitze oder Con- 
vexität. Die Höhle heisst Kieferhöhle, 
Sinus mawillaris V); sie steht mit der Nasen- 
höhle und zwar mit dem mittleren Nasen- 
gange durch eine weite Oeffnung der Wand, 
welche beiden gemeinschaftlich ist, in Ver- 
bindung. Der verschmälerte Boden der 
Kieferhöhle liegt mit dem Gaumen in glei- 
cher Höhe und über dem Seitentheile des 
Zahnrandes, Processus dentalis, des 
Oberkiefers (Fig. 84). 

Der Winkel, unter welchem die obere 
in die vordere Wand der Kieferhöhle um- 
biegt, macht einen Theil des unteren vor- 
deren Randes der Augenhöhle aus (ver- 
gleiche Fig. 81). Von ihm steigt eine 
Kante gegen die Nasenwurzel auf, die vor- 
Frontaldsrähschnitt ls Chir Gere Grenze einer perpendiculären Rinne 
schädels vor dem ersten Backzahn. bildend, welche abwärts in einen cylindri- 

= en en schen Canal übergeht. Die Rinne ist die 
Thränengrube, F'ossa lacrymalis 


” 
D) Antrum Highmori. 
e 


Schädel. 83 


(Fig. 85, 86); der Canal heisst Thränencanal, Canalis lacrymalis; er 
läuft zwischen Kiefer- und Nasenhöhle herab, um sich in die letztere unter- 
halb der unteren Muschel zu öffnen; durch die Schleimhaut, womit er aus- 
gekleidet ist, hängt der Schleimhautüberzug der Nasenhöhle mit der Schleim- 
haut der Augenlieder zusammen. 

Der Eingang in den Thränencanal unterbricht auf eine kurze Strecke 
den Zusammenhang der medialen Wand und des Bodens der Augenhöhle. 
Uebrigens, wenn man den Körper des Oberkiefers als einen Anbau an der 
Seitenwand der Nase bezeichnet, versteht es sich schon, dass die der Augen- 
höhle zugekehrte Seitenwand der Nase continuirlich auf die der Augenhöhle 
zugekehrte obere Wand der Kieferhöhle übergeht. Dieser Uebergang erfolgt 
so allmälig, dass die mediale und untere Wand der Augenhöhle nur Eine 
schiefe oder schwach ausgehöhlte Ebene bilden. Dem Unteraugenhöhlenrande 
gegenüber, im Hintergrunde der Augenhöhle, erfolgt der Uebergang der 
oberen Fläche des Oberkieferkörpers in die hintere Fläche desselben mittelst 
einer scharfen oder etwas abgerundeten vor- und seitwärts verlaufenden 
Kante; diese Kante macht den unteren Rand der Fssura orbitalis inf. 
aus, deren oberen Rand ich als Grenze des mittleren Gürtels der Schädel- 
basis und der Decke der Augenhöhle bereits erwähnte. Die Spalte führt 
aus der Augenhöhle zur Basis des Schädels und insbesondere zur Unter- 
schläfengrube. 

So weit die Augenhöhle von den Wänden der Schädel-, Nasen- und 
Kieferhöhle begrenzt wird (Fig. 86),. kann man ihre Form einem Trichter 


Fig. 86. Fig. 87. 


Ansicht des Gesichtsschädels, ohne Joch“ Die Gesichtsknochen mit dem Jochbein, in 
bein, von vorn, das Gesicht um Weniges gleicher Stellung. 
nach links gestellt. 


oder einer vierseitigen hohlen, mit der Spitze rückwärts gerichteten Pyra- 
mide vergleichen, aus welcher am unteren Theile der lateralen Wand ein 
schmaler, nach hinten zugespitzter Längsstreifen ausgeschnitten worden. 
Die dadurch entstandene Spalte würde am vorderen breiteren Ende offen 
sein, wenn sie nicht durch den vorüberziehenden Rand einer Knochenplatte 


6* 


Jochbogen. 


84 Schädel. 


abgeschlossen würde, die sich ober- und unterhalb der Unteraugenhöhlen- 
spalte an die Wand der Augenhöhle anlegt und diese Höhle seitlich ver- 
grössern hilft. Diese Knochenplatte ist das Jochbein oder vielmehr der 
Orbitaltheil, Pars orbitalis, des Jochbeins. Der Augenhöhle mit der 
Einen Fläche zugewandt, geht sie mit der anderen in die Schläfenfläche 
des Schädels über, welche dadurch nach vorn über den Hirnschädel hin- 
aus vergrössert, zugleich aber rinnenartig nach der Seite umgebogen wird, 
Fig. 88, eine Beugung, an welcher auch die anstossenden, die Schädel- und 
Augenhöhle seitlich begrenzenden Knochenwände (Stirnbein, Wespenbein- 
flügel und Oberkiefer) Antheil nehmen. 


Ich nehme als Regel den Fall an, wo das Jochbein an der Bildung der Fiss. 
orb. inf. Theil nimmt. Diese Regel ist nicht ohne häufige Ausnahmen (s. Jochbein). 


Die auf die eben beschriebene Weise entstandene flache Rinne wird 
vertieft und erhält eine Seitenwand durch die Anfügung des vorderen 
Endes des Jochbogens oder der Wangenplatte, Pars malaris, des 
Jochbeins. 

Der Jochbogen geht aus der Verbindung dieser Platte mit einem Fort- 
satz des Schläfenbeins, Processus zygomalicus, hervor. Er entspringt, 

Fig. 88. wie bereits erwähnt, platt (depri- 
mirt) aus dem hinteren Theile ‘der 
unteren Kante der Schläfenfläche 
über der Oeffnung des knöchernen 
Gehörganges, läuft anfänglich, an 
der unteren Fläche zur Aufnahme 
des Gelenkkopfes des Unterkiefers 
ausgehöhlt, seitwärts, wendet sich 
weiterhin, zugleich mit einer Dre- 
hung um die eigene Axe, wodurch 
die obere Fläche zur medialen wird, 
nach vorn und erreicht in einer 
seitwärts convexen Krümmung wie- 
der die Seitenwand des Gehirn- 
und Gesichtschädels. In der Nähe 
des hinteren Ursprungs ist der 
Jochbogen niedrig (7®”) ;allmälig 
wächst, im Verlauf nach vorn, 

Horizontaldurchschnitt des Gesichtsschädels, seine Höhe auf etwa das Doppelte ; 
durch den vorderen Theil des Jochbogens. dann, während der untere Rand 

f Sntäche der Gaumentigt, Pop Tabere-jy gleicher Flucht bis zum Ober- 
kiefer fortschreitet, biegt der obere 

Rand im rechten Winkel aufwärts um und wird zum hinteren Rande einer 
Platte, welche hoch genug ist, um sich längs des ganzen Seitenrandes der 
Augenhöhle anzulegen, Fig. 89. Die Vereinigung des Jochbogens mit der 
Seitenwand der Augenhöhle erfolgt unter einem spitzen Winkel, dessen nach 
vorn gelegener Scheitel scharf, dessen rückwärts schauende Oeffnung da- 
gegen abgerundet ist. Oberhalb des seitlichen Augenhöhlenrandes geht 
die Aussenfläche des Jochbogens in die Stirn, unterhalb dieses Randes 


Schädel. 85 
geht sie in die Gesichtsfläche des Oberkiefers über; oben, wo der Joch- 
bogen sich mit dem Hirnschädel verbindet, setzt sich sein vorderer Rand 


Fig. 89. 


Ma 


Schädel im Protil. 


in den oberen Rand der Augenhöhle, sein hinterer Rand in den Anfang 
der Schläfenlinie fort; unten, wo der Jochbogen sich an den Gesichts- 
schädel anschliesst, unterbricht die Insertion desselben die halbkreisförmige 
Krümmung der Oberkieferfläche und theilt diese jederseits.in ein vorderes 
und ein hinteres Feld. Das hintere Feld bildet die vordere Wand der 
Unterschläfengrube, deren anderweite Begrenzungen sogleich aufgezählt 
werden sollen. Eine Hervorragung des unteren Randes des Jochbogens 
nahe vor seinem Anschluss an den Oberkiefer wird Wangenhöcker, 
Tuber zygomaticum, genannt. 

Die Unterschläfengrube liegt unter dem Seitentheile des mitt- 
leren Gürtels der Schädelbasis, vor- und medianwärts vom Unterkiefer- 
gelenk. Von der Schläfengrube ist sie durch die Wurzel des Jochbogens und 
weiter vorwärts durch die Unterschläfenfirste, Urista infralemporalis, 
geschieden (Fig. 88, 90). Indem diese Firste, von der Gegend der Wurzel des 
Jochbogens schräg median- und vorwärts auf dem Schläfen- und Wespen- 


Unterschlä- 
fengrube. 


Spheno- 
maxillar- 
grube. 


86 Schädel. 


bein zur F'issura orbil. inf. läuft, macht sie die laterale, dann die 
vordere Grenze der knö- 

Fig. 90. chernen Decke der Unter- 

+ Foi Tsp Cri schläfengrube aus; an ihrem 
vorderen Ende, dicht hinter 
der Fissura orbit. inf., findet 
sich ein wulst- oder zacken- 
oder kammförmiger Vor- 
sprung, T'uber culum spi- 
nosum; von ihm aus geht 
ein Muskel quer zum Proc. 
condyloideus des Unter- 
kiefers herüber. Der vor- 
deren Grenze der Decke 
der U ıterschläfengrube pa- 
LH rallel wird die hintere durch 
die Fissura sphenopetrosa, 
eine Spalte zwischen dem 
Wespenbein und der Py- 
ramide des Schläfenbeins, 
bezeichnet, an welcher die 


Profilansicht des Gesichtsschädels mit geringer Drehung Später, S. 90, zu erwähnende 
um die verticale Axe nach rechts und um die sagittale knorpliche Tuba verläuft. 
Axe mit der linken Hälfte aufwärts. Der Jochbogen und 
Unterkiefer entfernt. } f Schnittflächen des Jochbogens. 


Evv 
Pptoın 


Fism 


wl- 


Hart vor dieser Spalte, mit 
dem längsten Durchmesser 
parallel derselben, liegt das 
F'oramen ovale, dahinter das F'oramen spinosum und hinter diesem 
ragt mehr oder minder weit eine Zacke, der Wespenbeinstachel, 
Spina angularis, herab. Medianwärts verschmälert sich die obere 
Wand der Unterschläfengrube und biegt sanft in die mediale Wand dieser 
Grube um, welche durch die laterale Platte des Proc. pterygoideus ge- 
bildet wird. Von der vorderen Begrenzung der Unterschläfengrube, durch 
den Oberkieferkörper, war soeben die Rede. Ueber demselben eommunieirt 
sowohl die Schläfengrube als die Unterschläfengrube durch die Fissura 
orb. inf. mit der Augenhöhle; seitlich an dem Oberkiefer und unter 
dem Wangenhöcker vorbei gelangt man aus der Unterschläfengrube auf die 
Vorderfläche des Gesichts. Als laterale Wand der Unterschläfengrube dient 
vorn der Jochbogen, weiter rückwärts der Unterkieferast; nach unten und 
hinten ist die genannte Grube am knöchernen Schädel offen (vgl. Fig. 82), 
sie wird aber bis auf einige schmale Spalten durch die Muskeln verschlossen, 
welche vom Gaumenflügel des Wespenbeins zum hinteren Rande des Unter- 
kieferastes treten. ; 

Indem der Gaumenflügel des Wespenbeins, schräg ab- und vorwärts 
gerichtet, sich mit dem vorderen Rande allmälig dem Oberkiefer nähert 
und endlich mit dem unteren Theile des vorderen Randes fest an denselben 
anlegt, entsteht zwischen ihm und dem Oberkiefer, an der Grenze der me- 
dialen und vorderen Wand der Unterschläfengrube, eine dreiseitige, mit 
dem längsten Durchmesser vertical und mit der Spitze abwärts gerichtete 


Schädel. 87 


Spalte, die Fissura sphenomastllaris, Fig. 90; sie führt in eine enge, 
medianwärts von der Unterschläfengrube gelegene Höhle, die Fossa 


Fig. 91. 


Seitenansicht des Schädels, insbesondere der die Fossa sphenomaxillaris umgrenzenden 

Theile. X Schnittfläche der Decke der Augenhöhle. 7t Schnittflächen, wodurch der 

Temporalfligel des Wespenbeins von dem Körper dieses ‚Knochens getrennt wurde. 

1. Can. opticus. 2. Mediale Begrenzung der Fissura orbitalis sup. 3. 4. Foramina ethmoi- 
dalia ant. und post. 5. Eingänge der Cann. alveolares posteriores. 


sphenomaxillaris, von welcher aus durch verschiedene Oeffnungen und 
Canäle der zweite Ast des Trigeminus und die Art. und V. maxillaris int. ihre 
Zweige verbreiten. Eine dünne, dem Gaumenbeine angehörige Knochenplatte 
schliesst, dem Eingange gegenüber, die Fossa sphenomaxillaris gegen die 
Nasenhöhle ab, in der Nähe des oberen Randes von dem bereits erwähnten 
Foramen sphenopalatinum durchbrochen, welches Gefässe und Ner- 
ven zur Nasenhöhle durchtreten lässt. Am oberen, schwach abwärts ge- 
neigten Theile der hinteren Wand der Sphenomaxillargrube liegt der Aus- 
gang des Canals, Canalis rotundus, durch welchen der zweite Ast des 
Trigeminus aus dem Schädel hervordringt; es repräsentirt dieser Theil der 
hinteren Wand, insofern er die Schädelhöhle von der Sphenomaxillargrube 
scheidet, gewissermaassen die obere Wand oder Decke der letzteren. Etwas 


Gehör- 
apparat. 


88 Schädel. 


ab- und medianwärts findet man die vordere Apertur des Can. Vidianus, 
welcher die Wurzel des Gaumenflügels sagittal durchsetzt und der Spitze 
der Schläfenpyramide gegenüber an der Schädelbasis ausmündet. An der 
Vorderseite, wo der Oberkiefer die Sphenomaxillargrube begrenzt, bietet 
sich über dem Rande dieses Knochens ein Ausgang durch die Fissura orbi- 
talis inf. in die Augenhöhle dar. Am unteren Ende setzt sich von der 
Stelle, wo der Gaumenflügel an den Oberkiefer sich anlehnt, zwischen 
Gaumenflügel, Oberkiefer und Gaumenbein ein weiterhin mehrfach getheil- 
ter Canal, Canalis pterygopalatinus, abwärts fort, um sich an der hin- 
teren seitlichen Ecke der unteren Gaumenfläche zu öffnen. 

Gleich der Augenhöhle wird auch die zur Aufnahme des Gehörorgans 
bestimmte Höhle zum 'Theil unmittelbar von der Basis des Hirnschädels, 
zum Theil von Knochenplatten, die dem vegetativen Rohre angehören, ge- 
bildet, so dass die Schädelbasis zugleich die Decke, die dem vegetativen 
Rohre angehörigen Knochen den Boden dieser Höhle darstellen und in den 
Seitenwänden der letzteren die Knochen der animalischen und vegetativen 
Röhre einander begegnen. Die den Gehörapparat umschliessenden Kno- 
chen setzen, mit einigen Zuthaten, welche später einzeln namhaft gemacht 
werden sollen, die Pyramide des Schläfenbeins zusammen. Wir versuchen, 
um die Gestalt dieses Skeletttheils verständlicher zu machen, zuerst die 
Grundform des Gehörapparates zu construiren. Derselbe besteht aus zwei 
Haupttheilen, dem Labyrinth (Fig. 92, 1) und dem Zuleitungsrohr 
(23321, 2''). Das Labyrinth ist mit Wasser, das Zuleitungsrohr mit Luft erfüllt. 
Von dem Labyrinth genüge es, zu bemerken, dass es eine in der Dicke 
der Wand der Schädelbasis eingeschlossene Höhlung ist, gemodelt nach 
der Form häutiger, gleichfalls wasserhaltiger Bläschen und Röhrchen, die 
in dem Wasser desselben aufgehängt sind und die Endausbreitung des Hör- 
nerven tragen. Von der Schädelhöhle her führt zum Labyrinthe ein Canal, 
Meatus acust. int., welcher vom Stamme des Hörnerven ausgefüllt wird; 
in der äusseren Wand des Labyrinths sind zwei rundliche Knochenlicken, 
über welche Membranen hingespannt sind, sogenannte Fenster, die in 
das Lumen des Zuleitungsrohres schauen. Das Zuleitungsrohr lässt sich 
als eine Ausstülpung des Schlundkopfes (3) betrachten, welche aus dem 
obersten Theile der lateralen Wand hervor- und dann dicht unter der 
Schädelbasis und an der äusseren Wand des Labyrinths vorüber rück- und 
seitwärts geht, um sich zwischen dem Warzenfortsatz und dem Unterkiefer- 
gelenk an der Seitenfläche des Schädels zu öffnen. Die Schleimhaut des 
Schlundes würde sich auf diese Weise bis in die äussere Haut des Ohres 
und so weiter fortsetzen, schlösse nicht in der Nähe der äusseren Oeffnung 
eine häutige Scheidewand, Paukenfell (*) , den äusseren oder lateralen 
Theil dieses Rohres gegen den inneren oder medialen Theil hermetisch ab. 
Der laterale Theil, von einer blinden Einstülpung der äusseren Haut aus- 
gekleidet, ist der äussere Gehörgang (2); er ist, vom äusseren Ohre an 
gerechnet, eine Strecke knorplich, dann knöchern und verläuft im Allge- 
meinen in einer transversalen Richtung. Der mediale Theil, in welchen 
ein gleichfalls blinder Fortsatz der Schleimhaut des Schlundes sich hinein- 
zieht, biegt allmälig in eine Richtung um, welche zwischen der trans- 
versalen und sagittalen ungefähr die Mitte hält. Er zerfällt in zwei 


Schädel. . 89 


nicht scharf gegen einander abgegrenzte Abtheilungen, Paukenhöhle (2’) 
und Tuba (2°). Die dem Paukenfell zunächst gelegene, geräumigere Ab- 


Fig. 92. 


Transversaler Durchschnitt des Gehörapparates. 1. Gehörlabyrinth. 2. Aeusserer Gehör- 

gang. 2’ Paukenhöhle. 2” Tuba. 3. Schlundkopf. * Paukenfell; von demselben aus geht 

eine punktirte Linie zu einem der Fenster des Labyrinths, die Lage der Gehörknöchelchen 

bezeichnend. 4. 4. Knorpel des äusseren Ohrs und Gehörganges 5. 5. Knorpel der Tuba. 

Fmd. Gelenkgrube des Unterkiefers. C'ca. Canalis earotieus. f Durchschnitt des Proc. 
pterygoid. des Wespenbeins. }} Durchschnitt des Warzenfortsatzes. 


theilung ist die Paukenhöhle; ihre laterale Wand ist das Paukenfell; dem 
Paukenfell gegenüber, am medialen, wegen der Krümmung des Canals zu- 
gleich nach vorn gerichteten Ende verjüngt sie sich zur Tuba. In die hin- 
tere Wand der Paukenhöhle, welche aber wegen der erwähnten Krümmung 
mehr lateral- als vorwärts gewandt ist, öffnen sich die Fenster des Laby- 
rinths. Von dem Mittelpunkte des Paukenfells zu dem obersten dieser Fen- 
ster verläuft (durch eine punktirte Linie angedeutet) eine Kette kleiner, 
unter einander artieulirender Knöchelchen (Ossieula auditus), deren Be- 
schreibung ich für die Splanchnologie verspare. Durch eine seitwärts von 
den Fenstern befindliche weite Oeffnung der hinteren Wand tritt die Pau- 
kenhöhle mit einer Höhle des Warzenfortsatzes, Antrum mastloiderm, 
und den leeren Zellen desselben in der nämlichen Weise in Verbindung, 
wie die Nasenhöhle mit den Aushöhlungen des Stirnbeins und Wespenbein- 
körpers. Die mediale, resp. vordere engere und röhreniförmige Abtheilung, 
die Tuba, ist wie der äussere Gehörgang halb knorplich, halb knöchern; 
knöchern an der der Paukenhöhle zugekehrten Seite, knorplich am unteren, 
dem Schlunde zunächst gelegenen Theile. 


90%, Schädel. 


Die knorplich-knöcherne Wandung des eben beschriebenen Zuleitungs- 
rohres gleicht in ihrer ganzen Länge einer Dachrinne oder einer cylindri- 


Fig. 93. 


Schläfen- 
pyramide. 


Pyramide des rechten Schläfenbeins mit den knorplichen Anhängen, von unten, die me- 

diale Wand der knorplichen Tuba mit dem unteren Rande medianwärts umgebogen. 

+ Durchschnitt des Pr. pterygoid. }f Durchschnitt des Pr. styloideus. 1. Knorplicher 

Gehörgang. 2. Knorpel der Tuba. Pc. Gelenkfortsatz des Hinterhauptes. Prm. Proc. 

mastoideus. md. Gelenkgrube des Unterkiefers. Fov. For. ovale. Fs. Foramen spino- 
sum. Sa. Spina angularis des Wespenbeins. 


schen Röhre, aus deren Wand ein schmaler oder breiter Längsstreifen aus- 
geschnitten ist. An dem knorplichen Theile der Tuba fehlt die vordere 
und untere Wand, an dem Knorpel des äusseren Gehörganges ein Streif 
der oberen Wand. So weit die Rinne knöchern ist, ist sie von unten her 
theilweise bis zu völliger Verschmelzung an die Schädelbasis angelöthet, 
doch wird auch hier am vorderen und hinteren Rande die Anfügungsstelle 
durch schmale, spaltförmige Vertiefungen bezeichnet. 

Ich habe von einigen Zuthaten gesprochen, welche, indem sie sich an 
die eben beschriebenen Knochentheile anlehnen und mit denselben ver- 
wachsen, die Pyramide des Schläfenbeins vervollständigen. Dahin gehö- 
ren: 1) Die knöchernen Wände, welche den Canal der Carotis, (un. ca- 
rolicus, umschliessen. Dieser Canal beginnt medianwärts neben dem vor- 
deren Ende der knöchernen Tuba und läuft erst aufwärts, dann mit einer 
Biegung, der knorplichen Tuba parallel, vor- und medianwärts, so dass 
der Eingang in der Flucht der Schädelbasis horizontal, der Ausgang an 
der Spitze der Pyramide vertical gerichtet ist. Der Ausgang sieht dem- 
nach gegen die Seitenwand des Körpers des Hinterhauptsbeins. Zwischen 
der Spitze der Pyramide, dem Körper des Hinterbauptsbeins und dem hin- 
teren Rande des Temporalflügels des Wespenbeins bleibt eine grosse, un- 
regelmässige, von Faserknorpel ausgefüllte Lücke, F'oramen lacerum, in 
welcher sich die beiden Spalten begegnen, welche vor und hinter der 
Spitze der Pyramide verlaufen, die Fissura sphenopetrosa, in welcher die 
Tuba ruht, zwischen der Spitze der Pyramide und dem Temporalflügel, 
und die Fissura pelrobasilaris zwischen der Spitze der Pyramide und 


Hinterhauptsbein. 91 


dem Hinterhauptsbeine. Die letztere verbindet das F'or. /acerum mit dem 
For. jugulare. 2) Der Griffelfortsatz, Proc. styloideus (+}); dies 
ist der mehr oder minder weit abwärts verknöcherte obere Theil des Auf- 
hängebandes des Zungenbeins, welcher mit der unteren Wand der Pauken- 
höhle, an die er befestigt ist, verschmilzt. Der Stelle, von welcher aussen 
der Griffelfortsatz abgeht, entspricht innen ungefähr der Knochenfalz, in 
welchen das Paukenfell eingefügt ist. 

Ein Ausschnitt am lateralen Theile des hinteren Randes der Pyramide 
umgrenzt mit einem entsprechenden Ausschnitt am Hinterhauptsbeine das 
For. jugulare, und ein Vorsprung in jedem dieser beiden Ausschnitte 
trennt das Foramen jugulare unvollkommen in zwei Oeffnungen, die hintere 
für die V. jugularis, die vordere für die Nerven (8. oben). Von dem For. 
jugulare ist die äussere Mündung des Canalis hypoglossi nur durch 
eine schmale Knochenbrücke geschieden. Dicht am hinteren Rande des 
Foramen jugulare, in der Pyramide des Schläfenbeins und unmittelbar hin- 
ter der Basis des Griffelfortsatzes, liegt das F'oramen stylomasloideum, 
aus welchem der siebente Hirnnerv hervortritt. 


1. Hinterhauptsbein, Os occipitis. 


Das Hinterhauptsbein nimmt den hinteren Theil der Grundfläche und 
die hintere Wand des Schädels ein, das Hinterhauptsloch, Foramen 
oeeipitale 1) allseitig umschliessend. Ein schwammiges, wirbelkörperartiges 
Stück (Fig. 94), welches von vornher das Hinterhauptsloch begrenzt, wird 
Körper, Corpus 2), genannt; eine vom hinteren Rande des Hinterhaupts- 
loches sich rück- und aufwärts erstreckende, nach aussen gewölbte, nach 
oben zugespitzte Platte heisst Schuppe, Sguama 3). Zwischen Körper 
und Schuppe liegt jederseits, in beide ohne scharfe Begrenzung übergehend, 
der Seitentheil, Pars lateralis +), welcher den auf der Gelenkfläche des 
Atlas articulirenden Gelenkhöcker trägt. 

Der Körper des Hinterhauptsbeins ist es, in welchem hauptsächlich 
die mehrerwähnte Umbeugung der Axe der Wirbelsäule aus der verticalen 
in die horizontale Richtung geschieht. Dieses Knochenstück würde dem- 
nach, wenn es im Uebrigen die Gestalt eines regulären Wirbelkörpers hätte, 
von einem solchen doch darin abweichen, dass die Endflächen nicht pa- 
rallel, sondern fast rechtwinklig gegen einander geneigt, d. h. die untere 
horizontal, die obere und nunmehr vordere nahezu vertical ständen. Statt 
der unteren Endfläche aber besitzt der Körper des Hinterhauptsbeines 
einen scharfen Rand, der, ebenso wie der obere Rand des vorderen Bo- 
gens des Atlas, gekrümmt und an diesen durch ein Band befestigt ist. Von 
jenem Rande aus gehen die innere und äussere oder die der Hirn- und 
der Eingeweidehöhle zugewandten Flächen beide schräg aufwärts, aber die 


I) F. occip. magnum. 

2) Zapfentheil, Basis, Pars basileris. 
8) Pars occipitalis. 

%) Pars condyloidea, jugularis. 


1. Hinter- 
hauptsbein. 


Körper. 


92 | % Hinterhauptsbein. 


innere Fläche steiler als die äussere, wobei also der Knochen an Höhe zu- 
nimmt und eine vordere Endfläche gewinnt, welche, so lange sie überhaupt 


Fig. 94. 


Mediandurchschnitt des Hinterhauptsbeins. 


noch von der entspre- 
chenden des Wespen- 
beins geschieden wer- 
den kann, fast vier- 
seitig (Fig. 95 u. 96) 
und etwa um die 
Hälfte breiter als 
hoch ist (21: 13m). 
Gleich der Durch- 
schnittsfläche werden 
auch die Seitenflä- 
chen nach vorn all- 
mälig höher, doch ist 
nur die vordere Hälfte 
derselben frei (an die 


hintere fügt sich der Seitentheil); sie geht in die untere Fläche des Kör- 
pers mit einem abgerundeten Rande über; die Kante, in welcher sie mit 
der oberen Fläche des Körpers jederseits zusammenstösst, ist ein scharfer, 
vorspringender Saum, an den eine ähnliche Kante der Schläfenpyramide 
sich anlehnt. Die obere und untere Fläche verschmälern sich nach vorn; 
die obere ist glatt, die untere rauh; die obere ist von Einer Seite zur an- 


Fig. 95. 


Hinterhauptsbein, von vorn. 


deren ausgehöhlt, die 
untere schwach gewölbt. 
Nur dicht am _ Seiten- 
rande fällt die obere 
Fläche (Fig. 95) wieder 
seitwärts ab, eine Fur- 
che, Semisulcus pe- 
frosus inf., bildend, 
die sich noch nach hin- 
ten auf den: Seitenrand 
der Pars lateralis ver- 
folgen lässt und durch 
das anstossende Schlä- 
fenbein zu einer tiefen 
Rinne vervollständigt 
wird; die Rinne nimmt 
einen Blutleiter, den Si- 
nus petr. inf., auf. Die 
untere Fläche (Fig. 96) 
ist ausgezeichnet durch 
ein medianes Knötchen, 
Tuberculum pharyn- 


geum }), welches einige Linien vor dem Hinterhauptsloche liegt und sich 


ı) Spina s. Crista pharyngea s. basilaris. 


Hinterhauptsbein. 93 


gegen dasselbe oder gegen den vorderen Rand des Knochens oder nach 
beiden Richtungen öfters in eine schwache Firste fortsetzt. An das Knötchen 
Fig. 9%. heftet sich die Spitze eines 

in der Mitte der hinteren 
Wand des‘Schlundes gele- 
nen Sehnenstreifens, der Li- 
nea alba pharyngis. Es 
dient demnach, die Grenze 
zu bezeichnen, von welcher 
aus nach vorn die Schädel- 
basis Decke der Rachen- 
höhle wird. Eine Quer- 
leiste, welche sich jeder- 
seits, in einiger Entfernung 
seitlich vom Tub. phar. be- 
ginnend, aufden Seitentheil 
erstreckt, dient einem Mus- 
kel (Rect. cap. ant. min.) 

Hinterhauptsbein, von unten. 2 zum Ansatz. 
Die Schuppe kehrt 
den mittleren, tief ausgeschnittenen und wulstigen Theil ihres vorderen 


"Schuppe. 


Randes dem Hinterhauptsloche zu; die Seitenränder gehen von der oberen ' 


Spitze erst divergirend ab- und lateralwärts, wenden sich dann unter einem 
sehr stumpfen Winkel (Seitenwinkel) medianwärts, bis sie wieder unter 
einem stumpfen, nach aussen offenen Winkel in den Seitenrand der Pars 
lateralis übergehen. Der oberhalb des Seitenwinkels gelegene Theil des 
Seitenrandes verbindet sich in einer scharfgezackten Naht mit dem Scheitel- 
bein; unter dem Winkel ist der Rand mit schwächeren Zacken versehen 
und mit dem hinteren Rande des Warzentheils des Schläfenbeins zusammen- 
gefügt. In der Naht zwischen dem Hinterhaupts- und Schläfenbeine oder in 
dem Warzentheile des Schläfenbeins liegt das Foramen mastoideum 
(siehe Schläfenbein). 

Die Grenze der Hinterhaupts- und Nackengegend ist auf der äusseren 
Fläche der Schuppe (Fig. 97) durch eine von dem Einen Seitenwinkel 
zum anderen oder etwas unterhalb derselben sich erstreckende, aufwärts 
convexe Bogenlinie, die obere Nackenlinie, Linea nuchae sup. ), 
bezeichnet, welche in der Regel durch eine mediane Einkerbung mehr oder 
weniger tief getheilt ist. Ueber oder in der Einkerbung ist die Hinter- 
hauptsschuppe verdickt, auch wohl in einen Höcker oder eine platte abwärts 
gerichtete Spitze ausgezogen, Profuberanlia ?) occip. ext.; von da aus 
bis herab zum Rande des Hinterhauptsloches erstreckt sich eine mediane 
Firste, Lin. nuchae mediana 3). Etwa in der Mitte zwischen der oberen 
Nackenlinie und dem Rande des Hinterhauptsloches verläuft die untere 
Nackenlinie, Lin. nuchae infer.*), an manchen Schädeln ziemlich 


») L. semicircularis sup. aut. 
?) Spina. 
3) Crista oceipialis. %) L. semicircularis inf. 


94 - Hinterhauptsbein. 


regelmässig der oberen parallel, an anderen winklig oder unterbrochen. 
An die mediane Nackenlinie setzt sich das Nackenband, an die gebogenen 
Nackenlinien und die 
Fläche zwischen den- 
selben setzen sich die 
Muskeln des Nackens 
fest. 

Die innere Ober- 
fläche der Schuppe 
(Fig. 95 und 96) ist 
durch zwei parallele, 

eine Furche ein- 
schliessende Firsten, 
welche in der Höhe 
des Seitenwinkels 
oder dicht über dem- 
selben fast horizontal 
gehen, im ein oberes 
und unteres Feld ge- 
theilt, von denen jenes 
dem Schädeldach, 
dieses der hinteren 
Hinterhauptsbein, von hinten. Schädelgrube ange- 
hört. Senkrecht auf 
diese Querfurche, Sule. transversus, steht im oberen Felde eine seich- 
tere Furche, Swlc. sagillalis, im unteren ein einfacher Kamm, Crista 
occipit. int., der aber bald in zwei, das Hinterhauptsloch umfassende und 
längs dem Rande desselben sich verlierende Schenkel aus einander weicht. 
Wo die obere verticale Furche auf die Querfurche trifft, biegt sie sich 
meistens in die rechte Hälfte der letzteren um. Die Kreuzungsstelle der 
Furchen und Firsten ragt, der äusseren Protuberanz gegenüber oder etwas 
tiefer als diese, in Form eines platten oder theilweise scharfen Wulstes, 
Protuberantia occ. int., nach innen‘ vor )). 


In den Feldern oder Gruben über der Querfurche liegen die hinteren Spitzen 
der Hemisphären des Grosshirns, in den unteren Feldern das Kleinhirn. Hier, zu 
beiden Seiten der Crista occ. int., ist die Mächtigkeit des Knochens am geringsten. 
In der Längsfurche selbst ruht der Sinus sagittalis sup., in der Querfurche jeder- 
seits ein Sinus transversus, von denen gewöhnlich der rechte stärker ist und den 
Sinus sagittalis aufnimmt. Abweichungen von diesem Verlaufe der Blutleiter be- 
dingen Varietäten der Gestalt der inneren Oberfläche der Schuppe. Die Furchen 
sind tiefer oder seichter oder fehlen theilweise. Auch die untere Firste kann fur- 
chenartig werden und am Hinterhauptsloche in eine Furche (Sulcus marginalis 
for. magni) übergehen, die den hinteren Rand dieses Loches. halbkreisförmig 
umgiebt (Barkow, anatom. Abhandlungen. Breslau 1851. S. 1. Taf. I. Fig. 1)- 
Die Schuppe ist in seltenen Fällen der Länge nach, häufiger transversal getheilt 
(Meckel. Otto, De rarioribus quwibusdam sceleti humani cum animalium sceleto 


U) Die von der Protub. int. ausgehenden kreuzförmigen Furchen werden die Eminentia 
cruciata des Hinterhauptsbeins genannt. 


Hinterhauptsbein. 95 


analogüs. Wratisi. 1839. p. 11); in einem von Otto (a. a. O. Fig. 1) beobachte- 
ten Falle trug ihre Spitze einen zungenförmigen, zwischen die Scheitelbeine ein- 
geschobenen Fortsatz. 

Die Seitentheile des Hinterhauptsbeines gehen platt und breit aus Seitentheile 
der Schuppe hervor und fügen sich, hoch und schmal, an den Körper an. 
Die Abnahme der Breite erfolgt rasch durch einen tiefen, abgerundeten 
Ausschnitt des Seitenrandes, Drosselausschnitt, Ineisura jugularis 
(Fig. 95), welcher den hinteren und medialen Rand desForamen jugulare) 
ausmacht. Bis zu diesem Ausschnitt ist der laterale Rand des Seitentheiles 
mit dem Schläfenbeine zusammengefügt, und zwar hinten mit dem Warzen- 
theile durch eine schwachzackige Naht, eine unmittelbare Fortsetzung der 
Naht, welche zwischen der Schuppe. des Hinterhauptsbeins und dem Warzen- 
theil besteht; vorn mit der Pyramide des Schläfenbeins durch eine bald 
nach der Pubertät verknöchernde Synchondrose, Synchondrosis pelro- 
. occipilalis (Fig. 95 und 96), deren Berührungsflächen spitzwinklig drei- 
seitig, mit aufwärts gerichteter Spitze, am Hinterhauptsbeine schwach con- 
vex, am Schläfenbeine schwach concav, dort auf-, hier abwärts geneigt 
sind. An der Incisura jugularis selbst ist der Rand scharf. Das zunächst 
hinter dem querverlaufenden Theile des Jugularausschnittes gelegene Stück 
des Hinterhauptsbeins heisst Drosselfortsatz, Processus jugularis. 
Die äussere Fläche desselben ist ein transversaler Wulst, der dem M. rect. 
cap. lateralis zum Ansatz dient (Fig. 97 *); die innere glatte Fläche wird 
durch eine quere Firste (Fig. 95 und 96 **), die gegen den Seitenrand hin 
zur oberen Spitze der Synchondrosis petro-oceipitalis ansteigt, in zwei Fel- 
der geschieden. Das hintere Feld, indem es sich auch nach hinten gegen 
die Schuppe durch eine stumpfe, schräg median- und vorwärts laufende 
Kante .absetzt, erscheint als breite Furche, zur Aufnahme des vorderen 
Endes des Sin. transversus; das vordere Feld, steil abwärts zum Rande 
des Foramen jugulare abfallend, stützt die hintere Wand des Anfanges der 
V. jugularis. Am medialen Ende der Firste, welche diese beiden Flächen 
trennt, oder in der einen oder anderen dieser Flächen findet sich die innere 
Mündung eines Canals, Canalis condyloid. 2) (Fig. 95), welcher in schrä- 
ger Richtung rück - und abwärts den Knochen durchsetzt und sich in einer 
Grube hinter dem Gelenkhöcker, Fossa condyloidea (Fig. 97), nach 
aussen Öffnet. 

Er fehlt nicht selten. In demselben liegt ein Communicationsast des Sin. transv. 
mit den äusseren Venen des Schädels (Emissarium). In einem Präparate unserer 
Sammlung geht der Canal von der inneren Mündung an vor- und medianwärts in 
den sogleich zu beschreibenden Canal des Hypoglossus. 

Die Verbindung zwischen der Schuppe und dem seitlich an dieselbe sich 
anschliessenden Proc. jugularis einerseits und dem Hinterhauptskörper ande- 
rerseits bewerkstelligen zwei Knochenleisten, von denen die eine in aufwärts, 
die andere in abwärts convexem Bogen verläuft (Fig. 96). Sie fassen einen 
Canal zwischen sich, den Can. hypoglossi?), welcher in schräger Rich- 


l) F. lacerum posterius. 
2) Foramen condyl. post. aut. 
®) Foramen condyl. ant. aut. 


96 Hinterhauptsbein. 


tung seit- und vorwärts den N. hypoglossus aus der Schädelhöhle führt. 
Die Divergenz beider Leisten ist, neben ihrer nach vorn hin wachsenden 
Mächtigkeit, Ursache der Höhenzunahme, welche die Seitentheile in ihrem 
Anschluss an den Körper erfahren. Von diesen Leisten entspricht ‘die un- 
tere, zugleich der Mittellinie nähere dem seitlichen, gelenktragenden Theile 
des Körpers eines Drehwirbels. Ihre untere Fläche vermittelt die Artieu- 
lation mit dem Atlas. Die Gelenkflächen sind, gleich denen des Atlas, 
länger als breit und mit den vorderen Spitzen gegen einander geneigt; sie 
sind aber zugleich mit den Flächen etwas von einander ab- und seitwärts 
gekehrt, indem der mediale Rand tiefer steht als der laterale. Im Frontal- 
schnitt sind sie schwach convex, dergestalt, dass die Convexitäten beider 
Flächen in Einem flachen Kreisbogen .zu liegen scheinen; eine stärkere 
Wölbung besitzen sie in der Richtung von vorn nach hinten. Indem die 
hintere Spitze in eine Grube, die Fossa condyloidea, eingelassen, die vor- 
dere dagegen durch einen abwärts gerichteten Vorsprung, den Gelenk- 
fortsatz, Proc. condyloideus (Fig. 96 und 97), abwärts geschoben ist, 
kommen beide, die vordere und hintere Spitze, bei ruhiger aufrechter Hal- 
tung des Schädels in eine horizontale Ebene zu liegen, indess eine durch 
das Hinterhauptsloch und den Körper des Hinterhauptes gelegte Ebene 
schräg ansteigt. Medianwärts gehen die Gelenkfortsätze in den vorderen 
Rand des Hinterhauptsloches über und bilden mit demselben einen con- 
tinuirlichen Bogen, welcher die Lücke zwischen Hinterhaupt und Atlas 
von oben her begrenzt. 

Ueber die eben beschriebene untere Leiste ist die obere und zugleich 
mehr seitlich gelegene gleich einem Brückenbogen hinübergespannt, in der- 
selben Weise, wie zuweilen am oberen Rande des Atlas eine Knochen- 
brücke von der Seitenmasse zum hinteren Bogen verläuft. Von der 
Aussenfläche der Schädelbasis gesehen, scheidet jene Brücke die äussere 
Mündung des Can. hypoglossi (Fig. 96) von dem Foramen jugulare. An 
der Seite, welche sie dieser Oeffnung zuwendet, zieht sich von hinten her 
in Form einer Firste der Rand des Foramen jugulare, von vorn her die 
Spitze der rauhen Seitenfläche des Körpers herauf. In der Regel springt 
diese Spitze (Fig. 96 ***) seitlich vor in Form eines Fortsatzes I), welcher 
sich genau an die Schläfenpyramide anlegt und das For. jugulare von vorn- 
her begrenzt. Die Firste, welche den Rand des Foramen jugulare bildet, 
trägt dicht hinter dem vorderen Ende ein Knötchen, zuweilen auch einen 
kurzen Stachel, Processus intrajugularis ossis occipitis 2), wodurch sie 
das Foramen jugulare in einen hinteren grösseren Abschnitt (für die V. 
Jugularis) und einen vorderen kleineren für die Nerven quertheilen hilft. 
Die Furche des Sinus petrosus inferior geht vor diesem Knötchen oder 
Stachel abwärts und das Ende des Sinus petrosus liegt demnach mit den 
Nerven in der vorderen Abtheilung des For. jugulare. Die untere Fläche 
des Brückenbogens, welche sich dem Canal des Hypoglossus zuwendet, ist 
glatt, ausgehöhlt, der Eingang in diesen Canal öfters durch ein feines 
Knochenstäbchen der Länge nach getheilt. Die obere Fläche ist aus- 


') Proe. jugularis accessorius M. J. Weber, Proc. J. anterior Gruber. 
2) Proc. jugularis medius Gruber. 


Wespenbein. 97 


gezeichnet durch eine seichte Querfurche, welche den Verlauf der Nerven 
andeutet und durch eine verdickte und rauhe Stelle, T’ubere. jugulare )) 
vor dieser Querfurche, welche den auf dem Hinterhauptskörper ruhenden 
Hirntheilen zur seitlichen Stütze dient. 


Var. Die Gelenkflächen des Hinterhauptsbeins sind, gleich denen des Atlas, 
durch eine Rinne quergetheilt. — Zwischen dem Gelenkfortsatz und der Jugular- 
öffnung verläuft ein vom scharfen Rand der letzteren mehr oder minder gedeckter 
Gefässcanal. Schultz, Bem. über den Bau der Menschenschädel. Petersb. 1852. 8. 15. 
Taf. I. Fig.5. An drei Schädeln beobachtete Dieterich (Beschreibung einiger Ab- 
normitäten des Menschenschädels. Basel 1842. S.8. Fig. 1) am vorderen Rande des 
For. occipitale eine Gelenkgrube zur Aufnahme des Zahnes des zweiten Halswirbels. 
Gruber (Neue Anomalien. Berl. 1849. S. 4) sah eine Gelenkfläche am hinteren 
Rande des Hinterhauptsloches und den vorderen Rand rinnenförmig vertieft zur Auf- 
nahme des vorderen Bogens des ersten Halswirbels. Ein cylindrischer medianer 
Fortsatz oder zwei Fortsätze neben einander mit überknorpelter unterer Fläche 
kommen am vorderen Rande des Hinterhauptsloches vor Zur Articulation mit dem 
Atlas (Meckel, dessen Archiv Bd. I. S. 644. Taf. VI. Fig. 37. Dieterich, a.a. O. 
Gruber, a.a. O. S. 3). Neben dem Proc, jugularis findet sich ein überknor- 
pelter Fortsatz, Processus paramastoideus, der mit dem Querfortsatze des ersten 
Halswirbels artieulirt (Dieterich, a. a. O. Fig. 5. Mayer, N. Untersuchungen 
aus d. Gebiete der Anatomie und Physiol. Bonn 1842. S. 19. Patruban, Prager 
Vierteljahrsschr. 1848. Bd. I. S. 36. Taf. I. Fig. 5. 6. Gruber, a. a. O. S. 4). 

Von der lateralen Spitze der Firste, welche den Sulcus transversus von vorn- 
her. begrenzt, geht ein Knochenplättchen rückwärts, um diese Furche zu über- 
wölben (Gruber, a. a. O. S. 5). Der Processus jugularis ist von einem Emissa- 
rıum durchbohrt (ebendas.). 


In der Form gleicht das Hinterhauptsloch dem For. vertebrale des 
ersten Halswirbels. Es ist elliptisch, mit dem längsten Durchmesser (30"m) 
sagittal gestellt, die vordere Abtheilung von beiden Seiten her aussen durch 
die Gelenkfortsätze, innen durch die Tubercula jugularia eingeengt. 


Beim Neugebornen besteht das Hinterhauptsbein aus vier, durch Synchondrose 
zusammengefügten Stücken, dem Körper, der Schuppe und den beiden Seiten- 
theilen. Die paarigen Seitenstücke entsprechen aber nicht dem Theile des Knochens, 
der beim Erwachsenen Seitentheil genannt wird, indem einerseits die Naht zwischen 
den Seitenstücken und dem Körper beim Neugebornen durch die Gelenkhöcker geht 
und der Körper die vordere Spitze der letzteren trägt, andererseits die Naht zwi- 
schen Seitenstücken und Schuppe fast in gleicher Flucht mit dem hinteren Rande 
des Hinterhauptsloches liegt, das letztere also beim Neugebornen seitlich fast allein 
durch die Seitenstücke begrenzt wird. Die Schuppe ist von der Spitze aus senk- 
recht und von der Mitte des Seitenrandes aus transversal mehr oder minder tief 
eingeschnitten, Einschnitte, welche sich mitunter in Form feiner Fissuren ziemlich 
lange erhalten. Im zweiten bis vierten Jahre verbinden sich die Seitentheile mit der 
Schuppe, ein bis zwei Jahre später mit dem Körper. — Bevor das Hinterhaupts- 
bein mit dem Wespenbeine verschmilzt, bilden sich an beiden Flächen der Syn- 
chondrose platte Knochenscheiben, ähnlich denjenigen auf den Endflächen der 
Wirbelkörper. 


2. Wespenbein, Os sphenoideum. 


Es besteht aus einem unpaaren, würfelförmigen Mittelstück, dem Kör- 
per, dessen hintere Fläche an die Vorderfläche des gleichnamigen Stückes 
des Hinterhauptsbeins stösst und im Erwachsenen mit demselben verschmilzt, 


l) Proc. anonymus. 
Henle, Anatomie. Thl. I. 


1 


2. Wespen- 
bein, 


a. Körper 


obere 
Fläche 


98 Wespenbein. 


und aus den symmetrischen Seitentheilen. Der Körper zeigt in den ersten 
Lebensjahren und zuweilen noch später die Spuren der Zusammensetzung 
aus zwei hinter einander gelegenen und durch Synchondrose verbundenen 
Stücken von fast gleicher Grösse; er stellt also zwei an den Berührungsflä- 
chen verschmolzene Wirbelkörper dar. Die Seitentheile sind jederseits drei 


platte, fügelförmige Fortsätze, zwei horizontal, der dritte vertical mit ge- 


ringer Neigung des unteren Endes nach vorn gestellt. Die horizontalen ver- 
halten sich zum Körper wie Anfänge von Wirbelbogen; sie gehören, so 
lange der Wespenbeinkörper sich in zwei zerlegen lässt, der eine dem vor- 
deren, der andere dem hinteren Körper an; der horizontale Fortsatz des 
vorderen Körpers, in allen Dimensionen der kleinere, wird Orbitalflügel, 
Ala orbitalis %), der von dem hinteren Wespenbeinkörper ausgehende hori- 
zontale Fortsatz wird Temporalflügel, Ala temporalis2), genannt. Die Spalte 
zwischen beiden ist die obere Augenhöhlenspalte, Fissura orbita- 
lis sup. 2). Der verticale Fortsatz lässt sich einem Rippenrudiment ver- 
gleichen, welches, an dem Körper und dem Temporalflügel entspringend, in 
der Seitenwand der Choane abwärts zum Gaumen geht. Er führt den Na- 
men Gaumenflügel, Proc. pterygoideus ?). 
Der Wespenbeinkörper wendet die obere Fläche der Schädel- 
Fig. 98. höhle, die untere der Nasenhöhle zu; in 
die letztgenannte Höhle schaut auch die 
vordere Fläche, während die hintere, wie 
erwähnt, an den Körper des Hinterhaupts- 
beins stösst. Die lateralen Flächen sind fast 
ganz durch die Wurzeln der horizontalen 
Fortsätze eingenommen und verdeckt. Die 
hintere Fläche ist stark abwärts geneigt 
(Fig. 98), die vordere ist es ebenfalls in gerin- 
Mediandurchschnitt des Wespenbeins. gerem Grade, wenn man absieht von einem 
Ors Crista sphenoid. Rs Rostr. sphenoid. medianen vorspringenden Kamm, der diese 
Fig. 99. Fläche theilt. Durch die 
Convergenz der hinteren 
und vorderen Fläche nach 
unten erhält der Körper 
die Keilform, derentwegen 
man ihn mit dem Schluss- 
stein eines Gewölbes ver- 
glichen hat. 

Die obere Fläche des 
Wespenbeins wird durch 
zwei quer verlaufende Vor- 
ragungen in drei Felder 
abgetheilt, von welchen das 
mittlere die Art von Isth- 
Wespenbein von oben. Pca Proc. elinoideus ant. mus: darstellt, welcher die 


Crs 


S' Ala parva, Proc. ensiformis, >) Ala magna, Ala lateralis. 
®) Fissuras sphenoidalis. ') Ala descendens s. palatina. 


Wespenbein. 99 


beiden Seitenhälften der mittleren Schädelgrube verbindet, das vordere und 
hintere Feld demnach je der vorderen und hinteren Schädelgrube angehö- 
ren. Das mittlere Feld nimmt etwa die Hälfte, das vordere und hintere 
Feld je ein Viertel des sagittalen Durchmessers der ganzen Fläche (34m) ein. 
Die vordere Vorragung, Limbus sphen. m., ist in ihrem mittleren Theile 
einem feinen, platt aufliegenden Saume ähnlich, der sich zuweilen kaum 
merklich gegen die Fläche absetzt; um so auffallender wird sie nach den 
Seiten, wo der hintere Rand des Saumes sich aus dem transversalen Ver- 
lauf im Bogen rückwärts wendet, um in die hintere Spitze des Orbitalfüü- 
gels überzugehen. Die Fläche vor dem Limbus 1) ist glatt, mit einer leise 
angedeuteten medianen Firste, einer Art Vorläufer der Crista galli; nach 
den Seiten setzt sich diese Fläche ununterbrochen ’in die obere Fläche der 
Orbitalflügel fort; ihr vorderer Rand, welcher ebenfalls eontinuirlich in den 
vorderen Rand der Orbitalflügel übergeht, ist mit dem hinteren Rand des 
Stirnbeins und der Siebbeinplatte in mehr oder minder zackiger Naht ver- 
bunden, selten einfach transversal, meistens in eine einfache oder getheilte 
mediane Spitze vorspringend. 

Das mittlere Feld der oberen Wespenbeinfläche in Verbindung mit 
der Hervorragung, durch welche es von dem hinteren Felde geschieden 
wird, gewährt das Bild eines Sattels mit Knopf und Lehne 2), in 
dessen Vertiefung oder Sitz ein drüsenartiger Anhang der Hirnbasis, die 
Hypophyse, ruht. Der Sattelknopf, Tuberculum sellae 3), ist ein 
Querwulst dicht hinter und unter dem Limbus; wie dieser zieht er sich 
seitlich in einen platten Fortsatz, Radix inf. alae orbitalis, aus, der, an 
die untere Fläche des Orbitalflügels stossend, die Austrittsöffnung des N. 
opticus und der Art. ophthalmica, Can. opficus %), umschliessen hilft. Je 
nach der Entfernung des Sattelwulstes von dem Limbus, je nachdem der 
letztere nach hinten vorspringt und der erstere sich erhebt, entsteht zwi- 
schen beiden eine flachere oder tiefere, schmalere oder breitere Querfurche, 
Sulcus opticus, welche seitwärts zu dem Can. optieus führt und dem 
Chiasma der Nn. optiei zur Anlehnung dient. 


Var. Nicht selten folgt hinter dem Sattelknopf eine zweite seichtere und 
schmalere Querfurche, die den vorderen Theil eines kreisförmigen, die Hypophyse 
umgebenden venösen Sinus aufnimmt. Der niedere Wulst, welcher diese Furche 
von der dahinter befindlichen Grube trennt und der Synchondrose der beiden ur- 
sprünglichen Wespen! einkörper entspricht, steigt zuweilen an jeder Seite zu einem 
stumpfen oder spitzen Knötchen, dem Proc. clinoideus med., auf. Der Proc. clin. 
med. kann sich zu einem Stäbchen verlängern, das sich, gleich der unteren Wurzel 
des Orbitalflügels, an die untere Fläche der hinteren Spitze dieses Flügels anlegt. 
Es entsteht dadurch, von dem Can. opticus durch die untere Wurzel des Orbitalflü- 
gels geschieden, ein ähnlicher, kürzerer Canal, Foramen carotico-clinoideum, an wel- 
chem die Carotis int. auf- und dann rückwärts läuft. 

Mitten zwischen 'beiden Proce. clinoid. med. liegt eine feine Oeffnung (oder meh- 
rere), wodurch Gefässe ins Innere des Knochens treten. 


D) Jugum sphenoidale. 

2?) Sella turcica, ephippium. 
®) Sattelwulst, Tab. ephippü. 
2) Foramen opt. 


Seiten- 
flächen, 


100 . Wespenbein. 


Die tiefste Stelle des Sattels, Hypophysengrube, Fossa hypho- 
physeos, ist in sagittaler wie in transversaler Richtung concav, gegen die 
Seitenfläche des Wespenbeinkörpers jederseits durch eine sagittale, sehr 
stumpfe , selten rinnenförmige Kante undeutlich abgesetzt. Die Sattel- 
lehne, Dorsum sellae !), von welcher sie nach hinten begrenzt wird, ist 
ein starker, von der ganzen Breite des Körpers sich erhebender und vor- 
wärts geneigter, im sagittalen Durchmesser comprimirter Kamm mit paral- 
lelen oder aufwärts convergirenden Seitenrändern und wulstigem, horizon- 
talem oder leicht concavem oberen Rand. Auf seine glatte Voorderfläche 
setzt sich die Aushöhlung des Sattelsitzes fort; seine hintere Fläche ?), eben 
oder leicht von einer Seite zur anderen ausgehöhlt und rauh, liegt in Einer 
Flucht mit der oberen Fläche des Körpers des Hinterhauptsbeins. Die Naht 
zwischen beiden ist oft noch im Erwachsenen durch eine Rauhigkeit ange- 
deutet. Die oberen Ecken der Sattellehne sind jede in einen kurzen, plat- 
ten, kolbigen oder knopfförmigen Fortsatz, oder auch in eine ab- und rück- 
wärts ragende Spitze verlängert, Proc. elinoideus post. 

Die Form der Proce. clinoidei post. ist verschiedenartig und öfters sehr un- 
regelmässig, was seinen Grund ohne Zweifel darin hat, dass sich Verknöcherungen 
der harten Hirnhaut auf dieselben auflagern und mit ihnen verschmelzen. Die Ver- 
schmelzung ist mitunter unvollkommen und man findet Knochenspitzen und Plätt- 
chen durch eine mehr oder minder deutliche Naht an den Proc clinoid. post. ange- 
fügt. Ein solches Plättchen von ungewöhnlicher Grösse (Y, Zoll lang, 3 — 4! 
breit) hat Gruber (Abhandl. aus der menschlichen und vergleichenden Anatomie. 
Petersburg 1852. S. 1. Fig. 1 — 3) aus dem Schädel eines 30 — 40jährigen Man- 
nes beschrieben. Vergl. Schultz, a. a. O. S. 18. 

Am Fuss der Sattellehne ragt jederseits ein schmales, rückwärts ge- 
bogenes Plättchen (Fig.99 *) vor, welches mit der Spitze der Schläfenbein- 
pyramide zusammenstösst 3); es bildet die laterale Wand einer Rinne, 
durch welche die in der Naht zwischen dem Körper des Hinterhauptsbeins 
und der Schläfenpyramide befindliche Furche (des Sinus petrosus inf.) mit 
der Hypophysengrube in Verbindung steht. In anderen Fällen ist der Fuss 
der Sattellehne verschmälert und unter ihm zieht eine breite Furche, Fort- 
setzung des Sule. petr. inf., zur Seitenläche des Wespenbeinkörpers. 

Wenden wir uns zur Betrachtung dieser Seitenfläche (Fig. 100), 

Fig. 100. so finden wir einen grossen Theil derselben, 

Ri wie erwähnt, durch die Wurzeln der Orbital- 
und Temporalflügel eingenommen. Indem die 
ersteren an der vorderen oberen Ecke, die 
letzteren weiter hinten in der Nähe des unte- 
ren Randes ihren Ursprung nehmen, bleibt 
vorn der untere, hinten der obere Theil der 
Seitenfläche frei. Der unterhalb der Orbital- 
flügel gelegene Theil der Seitenfläche fällt fast 
perpendiculär ab; er bildet den medialen Rand 
Seitenansicht des Wespenbeinkör- der Fissura orbitalis sup. und inferior, und 
pers, Orbital- und Temporalfügel ist eine kurze Strecke weit im Hintergrunde 

an den Wurzeln abgesägt. 

Ra, Rm, Rp, Wurzeln des Tem- 


poralllügels. Cr, Can. rotundus. )) D. ephippüi. 2) Clvus; Cl. Blumenbachü. 
®?) Proc. basilaris Sue. Proc. occipitalis Loder. 


Wespenbein. m 101 


der Augenhöhle an deren medialer Wand sichtbar; der hinter den Orbital- 
flügeln und oberhalb der Temporalflügel befindliche Theil der Seiten- 
fläche des Wespenbeinkörpers ist sanft geneigt, näher der horizontalen als 
der verticalen Stellung; er zeigt vorn, neben dem Sattelknopf, einen mehr 
oder minder tiefen Eindruck, Impressio carotica, welcher die letzte, nach 
vorn convexe Krümmung der Carotis aufnimmt und hinten (Fig. 99), ne- 
ben der Sattellehne, eine breite Furche, Sulcus caroticus, in welcher 
dieselbe Arterie gleich nach ihrem Eintritt in die Schädelhöhle ruht. Diese 
Furche zu vertiefen und gegen den Temporalflügel abzugrenzen, erhebt 
sich längs dem lateralen Rande derselben ein saum- oder zungenförmiges, 
nach innen umgerolltes Plättchen, Lingula sphenoidalıs. 


Sömmerring fand bisweilen statt der Lingula ein völlig abgesondertes, in 
der harten Hirnhaut liegendes Knochenstückchen. 


An der unteren Fläche des Wespenbeinkörpers (Fig. 101) unterschei- 


Fig. 101. 


Wespenbein von unten. Die Proc. pterygoidei an der Wurzel abgesägt. 
7 Schnittfläche derselben. 


det. man ein unpaares mittleres Feld von den paarigen Seitenfeldern, wel- 
che letztere wieder durch eine vom lateralen zum medialen Rande schräg 
rückwärts verlaufende Furche in eine vordere und hintere Abtheilung ge- 
schieden werden. Das Mittelfeld gleicht der Vorderfläche eines schmalen 
Wirbelkörpers; es ist von einer Seite zur anderen convex, glatt, nach vorn 
verschmälert und meist ausgezeichnet durch eine tiefere oder seichtere 
Querspalte oder eine rundliche Grube in der Nähe des vorderen Randes, 
Ueberbleibsel einer Synchondrose der beiden Wespenbeinkörper des Fötus. 
Die hintere Abtheilung des Seitenfeldes, Processus vaginalis, ist von 
dem Mittelfeld, dem sie ihre schmalste Seite zuwendet, durch eine tiefe 
Furche abgesetzt. Sie wird in Verbindung mit dem Gaumenflügel näher 
beschrieben werden, von welchem aus sie sich über die untere Fläche des 
Körpers herüberzulegen scheint; die vordere Abtheilung des Seitenfeldes 


untere 
Fläche. 


vordere 
Fläche, 


a 


102 Wespenbein. 


gehört der Wespenbeinmuschel, Concha sphenoidalis !), an, einem 
dünnen, blasig aufgetriebenen Knochenplättchen, von etwa dreieckiger Form, 
dessen nach hinten gekehrte Spitze sich zwischen das Mittelfeld und den 
Pr. vaginalis einschiebt, dessen Basis nach vorn gerichtet und an der Vor- 
derfläche des Wespenbeinkörpers aufwärts gebogen ist. Wenn der Wes- 
penbeinkörper, der in den ersten Lebensjahren noch aus schwammiger 
Substanz besteht, hohl geworden ist, bildet die Wespenbeinmuschel den 
Boden und den untersten Theil der vorderen Wand dieser Höhle; noch 
zur Pubertätszeit ist sie von den übrigen Theilen des Wespenbeinkörpers 
durch eine Naht geschieden. Später tritt an die Stelle dieser Naht eine 
lineare Furche, die sich nur selten ganz verwischt. 

Die vordere mediale Ecke jeder Wespenbeinmuschel biegt in einen 
platten, beilförmigen Fortsatz um, dessen Flächen sich in eine der Median- 
ebene parallele Lage begeben; die entsprechenden Fortsätze beider Seiten 
stossen mittelst einer verticalen Naht vor dem vorderen verschmälerten 
Ende des Mittelfeldes in der Medianebene zusammen. Auch diese Naht 
schwindet zur Zeit der Reife, indessen die zusammenstossenden Kanten sich 
in einen platten Kamm mit scharfem und unebenem Rande verlängern, der, 
einem comprimirten Schnabel ähnlich, nach unten und vorn vorspringt, 
Rostrum sphenoidale, und sich niedriger in der Mitte der vorderen Fläche 
heraufzieht, Ü'rista sphenoidalis (Fig. 102). Das Mittelfeld der unteren 
Fläche wird fast ganz (nur ein schmaler Streifen längs dem hinteren Rande 
bleibt frei) durch die Anheftung der knöchernen Nasenscheidewand, insbe- 
sondere des oberen, breiten Randes des Vomer, verdeckt. In eine Furche 
dieses Randes passt das Rostrum sphenoidale. Ueber den Seitenrand der 
Wespenbeinmuscheln erstreckt sich mehr oder minder weit medianwärts die 
Platte des Gaumenbeins, welche die mediale Wand der Fossa spheno- 
maxillaris ausmacht. 

Die vordere Wand des Wespenbeinkörpers (Fig. 102) ist, wie er- 
wähnt, abwärts ge- 
neigt, so dass sie mit 
der unteren Wand in 
einer stumpfen, meist 
abgerundeten Kante 
zusammenstösst. Mit 
denseitlichenWänden 
und mit der oberen 
Wand vereinigt sie 
sch in zackigen, mehr 
oder minder vorsprin- 
genden Kanten, an 
welche das Stirnbein, 
Siebbein und dieGau- 
menbeine sich anfü- 
gen. Ist sie vollstän- 
dig und regelmässig, 


Fig. 102. 


® _Wespenbeinkörper von vorn. Vergl. S. 110. 


!) Ossiculum Berlini, Cornu sphenoidale , Wespenbeinhorn oder Tute, Der Name 
Corau ist unpassend und verdankt seinen Ursprung einem Missverständniss. Bertin 


» “Wespenbein. 108 


so zeigt sie an jeder Seite der Crista sphenoidalis eine grosse, kreisrunde oder 


ovale, scharfrandige Oeffnung (von 6%” Durchm.), die sich‘in der Nasenhöhle, 


hinter den oberen Zellen des Labyrinths verbirgt. Diese Oeffnung, Fo- 
ramen sphenoidale, entsteht dadurch, dass vom vorderen Rande der 
oberen Wand des Wespenbeinkörpers eine Platte mit ausgeschnittenem 
Rand dem vorderen, aufwärts gerichteten Rande der Wespenbeinmuscheln 
entgegenwächst. Häufig ist die vordere Wand unvollständig und demge- 
mäss das Foramen sphenoidale unregelmässig, weit und gerissen. Vor den 
lateralen Theil desselben legen sich alsdann, als Stellvertreter der vorderen 
Wand, oben die hinteren Siebbeinzellen, unten ein Fortsatz des Gaumen- 
beins. Häufiger verwachsen die Ränder der ebengenannten Knochentheile 
mit der vorderen Wand des Wespenbeinkörpers, so dass beim Zerlegen der 
Schädelknochen die letztere zerbricht und theilweise den ersteren folgt. 

Die hintere Fläche des Wespenbeinkörpers (Fig. 110) ist vierseitig, mit 
abgerundeten Ecken, rauh und von tiefen Furchen durchzogen. Neben der 
unteren Ecke und über der Wurzel der Gaumenflügel ist jederseits der Sul- 
cus caroticus und am Seitenrande der letzteren die Lingula sichtbar. 

Die Höhlen des Wespenbeinkörpers, Sinus sphenoidales, entwickeln 
sich durch Aufsaugung der ursprünglich spongiösen Substanz des Knochens 
in der Richtung von vorn nach hinten; sie haben daher eine je nach dem 
Lebensalter der Individuen verschiedene Tiefe. Eine perpendiculäre, nicht 
immer genau mediane und nicht immer ebene Scheidewand, die sich eben- 
falls mit den Jahren verdünnt, Septum sphenoidale, grenzt in Einer Flucht 
mit der Nasenscheidewand den rechten und linken Sinus sph. gegen einan- 
der ab. Oft ragen von dieser Scheidewand, wie von den übrigen Wän- 
den, kurze Zacken oder Plättchen in das Innere der Höhle und theilen sie 
in Zellen ab. 

Var. Sehr- selten fehlt das Septum sph. Häufiger weicht es so weit aus der 
Medianebene, dass die Eine Höhle sich auf Kosten der anderen bedeutend verklei- 
nert. — Das Foramen sph. ist auf eine schmale, seitwärts gerückte Spalte redu- 
cirt, die von dem Labyrinth des Siebbeins überragt wird. — Die Wespenbeinhönle 
dehnt sich abwärts in die Wurzeln der Gaumenflügel aus. 

Die Orbitalflügel sind platte und horizontale Auswüchse des 
vorderen Theils der oberen Seitenkante des Wespenbeinkörpers (Fig. 105). 
Ich habe schon erwähnt, dass die obere Fläche und der vordere Rand des 
Körpers ununterbrochen in die entsprechenden Theile des Orbitalflügels 
übergehen und dass der hintere Rand dieses Flügels mit dem Limbus sphenoi- 
dalis zusammenhängt. Man kann das zunächst an den Körper anstossende, 
von parallel verlaufenden Rändern eingeschlossene Stück des Orbitalflügels als 
. eine, und zwar als obere Wurzel des Flügels betrachten; als zweite, untere 
Wurzel tritt das ebenfalls bereits erwähnte Plättchen, Aad. inf., hinzu, 
welches, neben dem Sattelwulst, von der Seitenwand des Körpers seitwärts 
und im Bogen aufwärts abgeht, die eine Fläche nach oben und etwas nach 
vorn, die andere nach unten und hinten gerichtet, mit scharfem Hinter- und 


(Hist. de Vacademie royale d. sciences de lannde 1744. Paris 1748, p. 298) wählte für die 
von ihm beschriebenen Knöchelchen dıe Benennung Cornets wegen ihrer Aehnlichkeit mit 
den Muscheln (Corneis) des Siebbeins. 


hintere 
Fläche, 


Wespen- 
beinhöhlen, 


b. Orbital 
flügel, 


104 Wespenbein. ; ni 


wulstigem Vorderrande. Beide Wurzeln schliessen mit der Seitenwand des 
„Körpers den vor- und lateralwärts verlaufenden, eylindrischen und nach 
Fig. 103. vorn trichterförmig sich 
erweiternden Can. optieus 
ein; die untere Wurzel des 
Orbitalflügels scheidet den 
Canal von der Fissura or- 
bitalis sup. 

Von der Vereinigungs- 
stelle beider Wurzeln oder 
vom Seitentheil des hinte- 
ren Randes des Can. opt. 
ragt frei nach hinten in 
die Schädelhöhle ein plat- 
ter, dreiseitiger. Fortsatz 
mit abgerundeter und et- 
was verdickter Spitze, der 
Processus clinoid. ant., dessen medialer Rand gerade von vorn nach hin- 
ten, dessen lateraler Rand von der Spitze an schräg vor- und seitwärts läuft, 
um in den ausgeschweiften hinteren Rand des Orbitallügels überzugehen. 
Der mediale Rand des Proc. clinoid. ant. ist zuweilen der Länge nach ge- 
furcht zur Aufnahme der Art. ophthalmica, die sich an denselben anlehnt. 

Seitwärts läuft der Orbitalflügel in eine mehr oder minder fein ausge- 
zogene, nach der Kante rückwärts gekrümmte Spitze aus, die sich hinter 
den oberen Rand des Temporalflügels zurückzieht. Entweder legt sie sich 
dicht an diesen an oder sie bleibt von ihm durch einen schmalen Zwischen- 
raum getrennt und diesen Zwischenraum füllt der hintere Rand des Augen- 
höhlentheils des Stirnbeins aus, mit dem sich sowohl der Orbital- als der 
Temporalflügel verbinden. Von den Flächen des Orbitalflügels ist die 
obere in der Schädelhöhle als hinterer Theil des Bodens der vorderen 
Schädelgrube sichtbar; die untere, in welche die Seitenfläche des Wespen 
beinkörpers umbiegt, gehört theils der Decke der Augenhöhle, theils der 
Schädelhöhle an. Von der Insertion der unteren Wurzel an läuft nämlich 
über diese Fläche in lateraler Richtung eine sehr stumpfe Kante, welche 
die eigentliche obere Begrenzung der Fissura orbitalis sup. ausmacht 
(Fig. 107 ***), was vor dieser Kante liegt, sieht in die Augenhöhle; der 
hinter der Kante befindliche Theil der unteren Fläche des Orbitalflügels 
liegt in der Schädelhöhle und stellt mit der seitlichen Spitze des Flügels 
einen saumartigen Vorsprung des Bodens der vorderen Schädelgrube über 
die mittlere dar. 


Var. Der Orbitalflügel erhält eine dritte Wurzel durch Verschmelzung des 
Pr. clinoid. med. mit der Spitze des Pr. clinoid. ant., wovon bereits die Rede war- 
Selten erreicht diese Spitze den Pr. elinoid. post. und verschmilzt auch mit diesem, 
Ein Präparat unserer Sammlung zeigt in dem Orbitalflügel einen geräumigeu Sinus, 
der sich vor der vorderen Wand des Körpers direct in die Nasenhöhle öffnet. 


a Die Temporalflü gel des Wespenbeins nehmen ihren Ursprung vom 
“ hinteren und unteren Theil der Seitenfläche des Körpers mit einer Haupt- 
und zwei Nebenwurzeln (Fig. 104, 105). Die Hauptwurzel, Radix me- 


Wespenbein von oben. 


» Wespenbein. 105 

dia alae temp., ist platt, deprimirt, — mit dem längsten Durchmesser sa- 

gittal; ihre Mächtigkeit nimmt von vorn nach hinten etwas zu, ist aber 

Fig. 104. nicht genau bestimmbar, weil an ihre untere 

Fläche ein Theil des Gaumenflügels anstösst. 

Mit dem vorderen Rande schräg vorwärts, mit 

dem hinteren Rande schräg rückwärts verlau- 

Cr  fend, entfaltet sie sich fächerförmig zu einer 

Platte, welche, aufwärts gekrümmt, ihre con- 

Rp _cave (innere) Fläche der Schädelhöhle zuwen- 

det und mit ihrer convexen Fläche aussen an 

der Basis und Seitenwand des Schädels sicht- 
bar wird. 2 

Von den Nebenwurzeln muss die eine 

vordere, Rad. ant. alae temp., die andere 

hintere, Rad. post. alae temp., genannt 


Ri 


Seitenansicht des Wespenbeinkör- 
pers, Orbital- und Temporalflügel 


an den Wurzeln abgesägt. werden. Die vordere entspringt platt und 
gleichfalls deprimirt, mit scharfem Hinter- 
Fig. 105. i und abgerundetem V order- 


rande über dem vorderen 
Viertel der Hauptwurzel. 
Indem sie sich brücken- 
förmig auf die Innenfläche 
der Hauptwurzel herüber- 
schlägt, um sich in diese 
Fläche zu verlieren, ver- 
wandelt sie eine über der 
Hauptwurzel von hinten 
nach vorn verlaufende Rin- 
ne in einem Canal mit hin- 
terer und vorderer runder 
Wespenbein von oben. Orbitalflügel abgesägt. Oeffnung. Dies ist der 

Can. rotundus ), wel- 

chen der zweite Ast des Trigeminus benutzt, um die Schädelhöhle zu ver- 
lassen. Wie der Can. opticus durch die untere Wurzel des Orbitalflügels, 
so wird der Can. rotundus durch die vordere Wurzel des Temporalflügels von 
der Fiss. orbitalis sup. geschieden. Die hintere Nebenwurzel ist ein com- 
primirtes, dickeres oder dünneres Plättchen, welches an der Seitenfläche des 
Körpers zwischen der Hauptwurzel des Temporalflügels und der Lingula ent- 
springt und, parallel dem hinteren Rande der aus der Hauptwurzel hervor- 
gehenden Platte, hinter dieser und in geringer Entfernung von ihr (3wm) 
seit- und rückwärts verläuft. Ihre in allen Dimensionen verjüngte Spitze 
verschmilzt mit der hinteren Spitze der erwähnten Platte; vorher zieht sich 
ein plattes Stäbchen mit nahezu vertical gestellten Flächen von der Vor- 
derfläche der hinteren Wurzel an den hinteren Rand der Platte herüber. 
Durch das Stäbchen von einander getrennt, entstehen zwei Oeffnungen: die 
Eine, der Mittellinie nähere, grösser, oval, mit dem längsten Durchmesser 
parallel dem hinteren Rande des Temporalflügels, die andere, weiter seit- 


1) For. rotundums, Can. mawillar. sup. 


“ 
106 Wespenbein. 


und rückwärts gelegene, kleiner und kreisrund. Jene ist das Foramen 
ovale, durch welches der dritte Ast des Trigeminus aus der Schädelböhle 
austritt, diese das F'orumen spinosum, durch welches die Vasa menin- 
gea media verlaufen. Medianwärts vom Foramen spinosum schickt die 
hintere Wurzel häufig ein dünnes horizontales Plättchen (Lamina spheno- 
petrosa) nach hinten ab, welches mit seinem hinteren Rande an den oberen 
Rand der vorderen Mündung des Can. musculo-tubarius des Schläfenbeins 
stösst und so in die knöcherne Decke dieses Canals übergeht. 

Ziemlich beständig findet sich die hintere Wurzel an ihrer Abgangsstelle vom 
Körper in verticaler Richtung von einem oder einigen Canälchen, Canalicui sphe- 
noidales, oder einer Längsspalte durchsetzt, wodurch sie den Anschein gewinnt, als 
ob sie selbst wieder aus der Verschmelzung von zwei hinter einander gelegenen 
Wurzeln hervorgegangen wäre. 

Häufig ist die hintere Wurzel unvollkommen ; sie erscheint in Gestalt eines 
kurzen, zungenförmigen Plättchens; dann ist das Foramen ovale am hinteren Rande 
offen. Oder das Foramen ovale ist vollständig, aber das Foramen spinosum media- 
lerseits nicht geschlossen. Doch kommt seitwärts neben dem unvollständigen oder 
auch vollständigen Foramen spinosum öfters noch ein vollständiges innerhalb der 
hinteren Spitze des Temporaltlügels vor. 

Medianwärts neben dem Foramen ovale und spinosum ist der Temporalflügel 
zuweilen in schräger Richtung von einem engen auf- und rückwärts verlaufenden 
Canälchen durchzogen, dem Can. innominatus Arnold, in welchem der N. petr. su- 
perf. min. liegt, wenn er nicht, was häufiger vorkömmt, durch die Fissura spheno- 
petrosa geht. 

In einiger Entfernung seitwärts von der lateralen Spitze der Fissura orbitalis 
sup. findet sich mitunter ein Canälchen, welches den 'Temporalflügel von der Schä- 
del- zur Orbitalfläche durchsetzt und Zweige der Vasa meningea aus der Schädel- 
höhle zur Augenhöhle treten lässt (Albin, Tabb. ossium. Taf. V. Fig. 6. 7. U.). 


Wir haben an dem Temporalflügel zunächst eine innere, concave und 
eine äussere, convexe Fläche unterschieden. Der Rand, in welchem diese 
beiden Flächen sich vereinigen, geht mit mehreren benachbarten Knochen 
Verbindungen ein und ändert, abgesehen von der Flächenkrümmung des 
Flügels, in seinem Verlaufe zu wiederholten Malen theils in Winkeln, theils 
in Bogen seine Richtung. Berücksichtigt man nur die schroffen,, winkligen 
Umbeugungen des Randes, so erkennt man an demselben fünf Abtheilun- 
gen, von welchen zwei vorwärts, zwei rückwärts gewandt sind undEine, die 
schmalste, seitwärts oder, wegen der Flächenkrümmung des Flügels, aut- 
wärts sieht. Von den beiden nach vorn und nach hinten gerichteten Ab- 
theilungen des Randes ist je die dem Körper zunächst gelegene scharf und 
frei; die weiter seitlich gelegenen verbinden sich, die vordere, Margo 
frontalis (Fig. 106), mit dem Stirnbein und, wenn er so weit vorwärts 
reicht, mit dem vorderen Rand des Orbitalflügels, die hintere, Margo 
temporalis '), mit der Schläfenschuppe; der schmale Seitenrand des 
Temporalflügels, M. parietalis, stösst an das Scheitelbein. 

Der freie Theil des vorderen Randes (Fig. 106 **) begrenzt von unten 
die Fissura orbitalis sup. So weit er, dem Körper zunächst, von der vor- 
deren Wurzel des Temporalflügels gebildet wird, läuft er gerade seitwärts, 
dann wendet er sich in einer geraden oder convexen Linie nach oben und 


) Incisura temp. Margo semilunaris. 


Wespenbein. 107 


zugleich nach vorn, um in einem stumpfen Winkel in den frontalen Rand 
überzugehen. Dieser verläuft im Bogen erst seit-, dann rückwärts; er ist 

Fig. 106. breit, eine horizontale, rau- 
he, dreiseitig stumpfwinke- 
lige Fläche. Der stumpfe 
Winkel ist nach vorn ge- 
richtet und entspricht dem 
oberen Ende einer Firste, 
welche die Aussenfläche 
des Flügels senkrecht theilt. 
Der parietale Rand geht, 
wenn er deutlich ausge- 
prägt ist (oft redueirt er 
sich auf eine Einkerbung 
zwischen dem vorherge- 

Wespenbein von oben. Örbitalflügel abgesägt. henden und dem folgen- 

den Rand), unter einem 
stumpfen Winkel vom frontalen Rande ab und gerade oder wenig ab- 
wärts geneigt von vorn nach hinten; er ist von der äusseren gegen die 
innere Fläche des Knochens abgeschrägt und legt sich schuppenförmig 
über den unteren Theil der äusseren Fläche des Scheitelbeins, oft auch 
des Stirnbeins. Der temporale Rand, unter einem rechten oder spitzen 
Winkel gegen den parietalen abgesetzt, läuft in einem Viertelskreis erst me- 
dian-, dann rückwärts und zugleich, mit der Flächenkrümmung des Flügels, 
von der Seitenwand des Schädels zur Basis desselben. Er ist breit, von der 
parietalen Ecke an zunehmend zackig und in der Art schuppenförmig, dass 
an dem in der Seitenwand des Schädels gelegenen Theile die innere Flä- 
che über die äussere, an dem in der Basis gelegenen Theile die äussere 
Fläche über die innere hervorragt. So muss die Schläfenschuppe, welche 
sich, entsprechend zugeschärft, mit diesem Rande des Temporalflügels ver- 
bindet, an der Seitenwand des Schädels ihn decken, an der Schädelbasis 
aber von ihm: getragen werden. 

Der Uebergang des temporalen Randes in den freien und glatten, me- 
dian- und vorwärts gerichteten Theil des hinteren Randes erfolgt unter einem 
spitzen Winkel, welcher zwischen die Schuppe und Pyramide des Schläfen- 
beins einspringt. Von diesem Winkel ragt abwärts die Spena angularis ) 
(Vergl. Fig. 77. 88. 93), eine stumpfe oder spitze Zacke oder auch eine 
scharfkantige, mit der scharfen Kante parallel dem hinteren freien Rande 
des Flügels verlaufende Gräte. Sie scheidet an der Schädelbasis die Unter- 
kieferpfanne von der Rinne, in welcher die knorpliche Tuba liegt, und hat 
das For. spinosum vor- und medianwärts neben sich. 


Var. Vor der grätenförmigen Spina angularis und in gleicher Flucht mit ihr 
liegt an der unteren Fläche der zwischen For. spinosum und ovale befindlichen 
Brücke eine zweite, ähnlich gestaltete Gräte; beide schicken sich von ihren einan- 
der zugewandten unteren Ecken spitze Fortsätze entgegen, die einander erreichen 


) Sp. sphenoidalis. — Ala parva Ingrassiae wird die grätenartige Spina angularis ge- 
nannt, die sich einem schmalen, abwärts gerichteten Flügel vergleichen lässt. 


108 Wespenbein. 


oder nicht und ein vollständig oder unvollständig geschlossenes rundes Loch von 
der Weite des Foramen spinosum umgeben, welches in einer verticalen Ebene ge- 
rade unter dem Eingange des F. spinosum gelegen ist und wahrscheinlich von der 
Art. meningea media durchsetzt wird an der Stelle, wo sich diese Arterie nach oben 
krümmt, um in die Schädelhöhle einzutreten. 

Seitlich von der eben erwähnten vorderen Gräte und parallel derselben, gerade 
hinter dem lateralen Rande des For. ovale, findet sich zuweilen noch eine Spitze 
oder Gräte, die in Verbindung mit jener eine gegen das For. ovale verlaufende 
3mm breite Furche begrenzt. 

Der freie hintere Rand des Temporalflügels wird ganz oder doch zum 
grössten Theil von der hinteren Wurzel desselben gebildet. Er begrenzt 
von vorn mit dem dem Körper zunächst gelegenen Theile das Foramen la- 
cerum, weiter nach der Seite hin die enge Fissura spheno -petrosa und 
macht die vordere Wand der zur Aufnahme der 'Tuba bestimmten Rinne 
aus, deren hintere Wand von der Schläfenpyramide gebildet wird. 

Die innere Fläche des Temporalflügels ist einfach, glatt oder mit 
leichten, den Gehirnwindungen entsprechenden Eindrücken, zuweilen auch 
mit einer vom C. rotundus zum For. ovale verlaufenden Furche versehen. 


Fig. 107. 


Temporalflügel von aussen. C'v Can. vidianus. *** vgl. S. 104, 


Die äussere Fläche ist in vier Felder getheilt durch zwei über die Mitte 
der Fläche hinziehende Firsten, eine von horizontalem, die andere von 
verticalem Verlauf, welche einander demnach fast rechtwinkelig kreuzen 
und mittelst der Durchkreuzung theilen, so dass die verticale Firste in 
eine obere und untere, die horizontale in eine laterale und mediale Ab- 
theilung zerfällt. Ich werde die obere Abtheilung der verticalen Firste 
Crista zygomalica nennen, die untere Abtheilung dieser Firste 
Crista spheno-mazillaris; die laterale Abtheilung der horizontalen 
Firste ist schon als Crösta infratemporalis ) hervorgehoben wor- 
den; die mediale Abtheilung der horizontalen Firste soll COrösta 
orbitalis genannt werden. Am stärksten springt, besonders im unteren 
Theil, die Crista zygomatica vor. In ihrem Laufe nach unten, parallel dem 
unteren Rande der Fissura orbit. sup., schräg rück- und medianwärts ge- 
richtet, scheidet sie die Aussenfläche des Temporalflügels, bis zur Kreu- 
zungsstelle mit den horizontalen Firsten, in eine median- oder vorwärts ge- 


U) Crista alae magnae aut, 


N VE GE 


Wespenbein. 109 


wandte Fläche, die in der Seitenwand der Augenhöhle liegt, Flacies or- 
bilalis, und eine lateralwärts gewandte Fläche, die der Schläfengrube an- 
Fig. 108. gehört, F'acies temporalis. Die Crista zygomatica 
trägt zur Vergrösserung sowohl der Orbital - als der 
Temporalfläche bei; die. Orbitalfläche aber setzt sich in 
gleicher Flucht auf die Crista fort, während die Tempo- 
ralfläche beim Uebergang auf die letztere rinnenförmig 
vor- und dann seitwärts umbiegt. Der freie Rand der 
Crista zygomatica ist zackig und verbindet sich mit 
dem Rande des Jochbeins, auf welches jene beiden Flä- 
chen, die eine in fortgesetzt gerader, die andere in fort- 
gesetzt concaver Richtung, weiter sich erstrecken (s. 
Horizontaldurchschnitt Fig. 108). 
des Temporalilügels. Zu der unteren Spitze der Crista zygomatica geht 
als unterer Rand der Temporalfläche die Crista infra- 
temporalis gerade oder in einem aufwärts convexen Bogen, die Crista or- 
bitalis, welche den unteren Rand der Orbitalfläche und den oberen Rand 
der Fissura orbit. inf. bildet, in einer fast ganz geraden Linie, jene ziem- 
lich genau sagittal, diese nur wenig von dem oberen (Stirnbein-) Rande 
der Orbitalfläche divergirend. Die Crista infratemporalis erreicht indess in 
der Regel nicht genau die Ecke, in welcher die Crista zygomatica und 
orbitalis sich verbinden; dicht hinter dieser Ecke endet sie in einer kurzen, 
stumpfen oder spitzen, abwärts ragenden Zacke, Tuberculum spinosum, 
von welcher sich eine Kante entweder medianwärts zur Crista orbitalis 
oder abwärts zur Crista spheno-maxillaris fortsetzt. 

Die Crista spheno-maxillaris ist eine stumpfe Kante, welche im Bogen 
erst median-, dann abwärts und schliesslich auf den Gaumenflügel übergeht 
und den hinteren Rand der Fissura spheno-maxillaris bildet. Die zur Seite 
neben und hinter ihr und unterhalb der Crista infratemporalis gelegene 
Fläche des Temporalflügels, F'acies infratemporalis, ist, als Decke der 
Unterschläfengrube, ein Theil der Grundfläche des Schädels. Die median- 
wärts von der Crista spheno-maxillaris und unterhalb der Crista orbitalis 
befindliche Fläche, Facies sphenomasxillaris, liegt in der Frontalebene, 
gegen die Orbitalfläche etwas zurückweichend; sie ist schmal und verschmä- 
lert sich noch nach unten, wo sie auf die Vorderfläche des Gaumenflügels 
übergeht. Von der Augenhöhle aus ist sie als hintere Wand der Fossa 
spheno-maxillaris sichtbar; mitten in derselben befindet sich die äussere 
(vordere) Mündung des Can. rotundus. 

Der Gaumenflügel entspringt mit zwei Wurzeln, einer lateralen, a. Gaumen 
perpendieulären und einer medialen, schräg abwärts an die laterale heran- ""**' 
tretenden, mit der medialen längs der unteren Fläche des Seitentheils des 
Körpers, mit der lateralen längs der unteren Fläche der Hauptwurzel des 
Temporalflügels. Indem beide Wurzeln dicht neben einander liegen und 
alsbald zusammenfliessen, schliessen sie in Gemeinschaft mit dem Körper 
einen engen, cylindrischen, sagittal verlaufenden Gang ein, den Can. vi- 
dianus ), der mit der vorderen Mündung (Fig. 109 a. f. S.) in die Fossa 


) Can. pterygoideus, recurrens. 


110 Wespenbein. 


spheno -maxillaris, mit der hinteren Mündung gerade unterhalb der 
Lingula in das Foramen lacerum sieht (Fig. 110). Vergleicht man den 

Fig. 109. Gaumenflügel einer Rippe, 
so entspricht seine mediale 
Wurzel dem Kopf und 
Hals, seine laterale Wur- 
zel dem mit einem kurzen 
Querfortsatz verschmolze- 
nen Höcker der Rippe, und 
der Can. vidianus einem 
Foramen costo - transver- 
sarium. 

Die laterale Wurzel 
ist die stärkere; sie hat eine 
vordere Fläche, welche 
Hp Shp Fip ohne Unterbrechung aus 
der Fac. spheno-maxillaris 
des Temporalflügels hervor- 
geht, und eine Seitenfläche, 
in welche ebenso die Facies 
infratemporalis dieses Flü- 
gels umbiegt. Die mediale 
Wurzel ist dünn, am vor- 
deren Rande sogar scharf; 
hinten ist sie, neben dem 
Ausgang des Can. vidia- 
nus, in eine stumpf-kegel- 
förmige Spitze ausgezogen; 
von ihrer der Nasenhöhle 
zugekehrten Fläche geht 
ein Plättchen, Processus 
vaginıdlis 1), aus, welches 
dicht unter dem Körper, 
mit seinen Flächen der unteren Fläche des Körpers parallel, mehr oder 
minder weit medianwärts vorspringt und von unten her den Falz begrenzt, 
in welchen der obere Seitenrand des Vomer eingefügt ist. Die untere 
Fläche dieses Plättchens hat dicht am Ursprung eine seichte Grube 2), in 
welcher einer der Gaumenmuskeln befestigt ist. 


Wespenbein von vorn. 


Wespenbein von hinten. 


Var. Der Proc. vaginalis hat an seiner unteren Fläche eine Längsrinne, dem 
Can, vidianus parallel, zuweilen dürch ein feines Plättchen, welches unterhalb des 
Proc. vaginalis von der medialen Wurzel entspringt, zum Canal geschlossen. 

Der vierseitige Knochentheil, welcher aus der Vereinigung beider 
Wurzeln hervorgeht, zeigt schon am Ursprung die hintere Fläche rinnen- 
förmig ausgehöhlt. Indem nun diese Aushöhlung nach abwärts sich rasch 
oder allmälig weiter vertieft, gewinnt der Gaumenflügel das Ansehen einer 


1) Proc. ad vomerem. 
2) Fossa navicularis Cruveilhier. 


Wespenbein. s 111 


Zusammensetzung aus zwei perpendieulären, nach vorn convergirenden und 
an den vorderen Rändern mit einander verbundenen Platten. Auch diese 
Verbindung hört ungefähr in der Mitte der Höhe des Gaumenflügels auf: 
beide Platten trennen sich und weichen auseinander, mit ihren vorderen, 
rauhen Rändern eine dreiseitige Spalte, Fissura plerygoidea !), begren- 
zend, in die ein Fortsatz des Gaumenbeins passt. Im Verein mit der nach 
hinten gerichteten Concavität dieses Fortsatzes schliessen die einander zuge- 
wandten Flächen der Platten des Gaumenflügels, die F'ossa plerygoidea ein. 
Ihrer Stellung nach müssen die Platten des Gaumenflügels mit dem Na- 
men der medialen und lateralen, Lamina medialis und lateralis, 
bezeichnet werden (Fig. 111). Die mediale Platte liegt mit ihren Flächen pa- 
rallel der Medianebene, die laterale ist unter 
einem spitzen Winkel gegen die mediale geneigt. 
Die laterale macht der hinteren Theil der me- 
dialen Wand der Unterschläfengrube aus; die 
mediale liegt im hinteren Theile der Seitenwand 
der Nasenhöhle. Die laterale Platte übertrifft 
die mediale im sagittalen Durchmesser, ragt 
dagegen minder weit abwärts als diese; der 
hintere Rand beider Platten ist frei, einfach 
er concav oder durch mehr oder minder vorsprin- 
Fastzontalskhnits.der Ganmenfiügel, gende Spitzen unterbrochen, deren sich Eine, auf 
Pl. Gaumenbein. Mk. Oberkiefer- welcher der untere Rand der knorplichen Tuba 
bein. V. Pflugscharbein. ruht, regelmässig in der Mitte der Höhe des me- 
dialen Flügels, eine oder zwei unbeständig am 
lateralen Flügel finden. Mit ihren Vorderrändern fassen beide Platten bis 
zu ihrer Trennung die Vorderfläche des Gaumenflügels ein. Ausserdem 
begrenzt der vordere Rand der lateralen Platte, eine Fortsetzung der Crista 
spheno-maxillaris des Temporalflügels, bis zu seiner Verbindung mit dem 
Gaumenbein von hinten her den Eingang in die Fossa spheno-maxillaris, 
der vordere Rand der medialen Platte fügt sich an die in der Seitenwand 
der Nase gelegene Platte des Gaumenbeins und wird von der letzteren zum 
Theil nach der Nasenhöhle hin bedeckt. 

Von der Vorderfläche des Gaumenflügels wurde bereits erwähnt, dass 
sie, So weit sie der lateralen Wurzel angehört, eine Fortsetzung der Sphe- 
no-Maxillarfläche des Temporalflügels ist, in welcher die vordere Mündung 
des Can. rotundus liegt. Median- und etwas abwärts vom Can. rotundus 
öffnet sich in der Vorderfläche des Gaumenflügels der. vidische Canal. 
Weiter nach unten verschmälert sich diese Fläche und endet spitz über dem 
Anfang der Fissura pterygoidea oder geht in eine schmale Rinne über, wel- 
che sich noch eine Strecke weit auf dem rauhen Vorderrand der einen oder 
anderen Platte hinzieht und von den Rinnen des Gaumen- und Oberkiefer- 
beins zum Canal ergänzt wird. Dies ist der Canalis pterygo-palatinus; die 
Rinne, Suleus plerygopalalinus ?), beginnt zuweilen schon unter der 
Ausmündung des Can. vidianus, seitlich begrenzt von einer verticalen 


I) F. pterygo-palatina. Incisura pt. 
2) 8. pterygoideus M. J. Weber. 


112 . Wespenbein. 


Kante, welche von der vorderen unteren Ecke des Wespenbeinkörpers 
herabsteigt (Fig. 109). 

Vom unteren Rand der medialen Platte des Gaumenflügels geht nach 
unten der Hamulus pterygoideus aus, ein eylindrischer oder von den 
Seiten comprimjrter, hakenförmig rück- und seitwärts gekrümmter Fortsatz, 
der an der lateralen Seite durch eine tiefe, von vorn nach hinten verlau- 
fende Rinne, Sulcus hamuli pt. (Fig. 109), gegen den die Fossa ptery- 
goidea begrenzenden Theil der Platte abgesetzt ist. Die Rinne liegt nur 
wenig tiefer als der untere Rand der lateralen Platte; der Hamulus springt 
um 4 bis 9mm über dieselbe abwärts vor und kann selbst den Zahnrand des 
Oberkiefers überragen. 

Var. Die Fossa pterygoidea ist durch unregelmässige Leisten abgetheilt; zu- 
weilen im oberen Theile flach, mit einer seichten Rinne versehen, Sulcus tubae, 
welche die Tuba aufnimmt Die laterale Fläche der lateralen Platte ist ebenfalls 
durch Leisten und Vertiefungen uneben. 

Der vordere Rand der lateralen Lamelle trägt kurze, stumpfe oder spitze, zu- 
weilen hakenförmig aufwärts gekrümmte Zacken,, auf welchen die Gefässe ruhen, 
welche von der Seite her in die Fossa spheno-maxillaris eintreten. Die Zacken am 
hinteren Rande der lateralen Platte gewinnen eine ungewöhnliche Ausdehnung- 
Eine derselben, welche etwa von der Mitte dieses Randes ausgeht, reicht zuweilen 
(nach Gruber unter 13 — 14 Schädeln Einmal) bis an die Spina angularis , mit 
welcher sie sich verbindet (Dieterich, a. a. O. Fig. 1, a). Es geschieht dies 
durch Verknöcherung eines Bandes, Lig. pterygo-petrosum Civinini (Schmidt’s 
Jahrb. Bd. XXIII. 5.277), welches von jener Zacke zur Spina angularis hinüberge- 
spannt ist. Selten entspringt höher oben noch ein kleinerer Fortsatz, der sich mit 
der Brücke zwischen jenem unteren Fortsatz und der Spina angularis oder auch nur 
mit dem einen dieser beiden Knochentheile verbinden kann (Theile-Sömmer- 
ring, Muskellehre, S. 68. Gruber, Bulletin de la classe physico-mathemat. de 
lacademie des sciences de St. Petersbourg. T. VIII. Nr. 24). 

An Negerschädeln sind die Gaumenflügel stärker, weiter von einander entfernt 
und mit dem unteren Ende mehr nach vorn geneigt, als an kaukasischen. Der Win- 
kel, welchen sie mit der Basis des Hinterhauptsbeins bilden, beträgt nach Betz 
(Zeitschr. für rat. Med. N. F. Bd. II. S. 54) bei wohlgeformten kaukasischen Schä- 
deln 70 bis 80°; bei einem Negerschädel betrug er 93°; an den Schädeln von Ma- 
laien, Kalmucken und Peruanern schwankte er zwischen 85 und 90°. 

Das Wespenbein des Neugebornen besteht aus drei oder vier durch Synchon- 
drose verbundenen Stücken. Ein Stück bildet der vordere Wespenbeinkörper mit 
den Orbitalflügeln, ein zweites der hintere Körper, der aber oft mit dem vorderen 
bereits verschmolzen ist; die beiden 'Temporalflügel sind immer gesondert und 
wachsen erst im Verlauf des ersten Jebensjahrs an den Körper an. Die Naht zwi- 
schen Körper und Temporalflügel verläuft sagittal, seitlich neben der anfänglich noch 
sehr stumpfen Lingula sph. Der Gaumenflügel hängt durch seine laterale Wurzel 
mit dem Temporalfligel zusammen; die mediale Wurzel desselben steht anfangs 
mit ihrem ganzen oberen Rande frei; dann legt sie sich mit dem vorderen Theil 
dieses Randes an die laterale Wurzel an und ist mit dieser verschmolzen, bevor 
der Temporalflügel mit dem Körper verschmilzt. Die hintere Wurzel des Tempo- 
on ist zur Zeit der Geburt noch kurz, das For. ovale am hinteren Rande 
offen. 

Die Wespenbeinmuscheln entstehen im Laufe des ersten bis zweiten Lebensjah- 
res als dünne, etwa kreisförmige Plättchen auf der abwärts geneigten Vorderfläche 
des Wespenbeinkörpers, platt auf der dünnen Decke aufliegend, welche die spon- 
giöse Substanz dieses Knochentheils nach aussen begrenzt. Allmälig gewinnen sie 
in den nächsten Jahren die Form, die sie am reifen Knochen zeigen, sie entwickeln 
die quere Kante, welche die untere Fläche des Wespenbeinkörpers von der vorderen 


Siebbein. 113 


scheidet, und schicken einander die Fortsätze entgegen, die sich in Gestalt des Rostr . 


sphen. in der Mittellinie vereinigen, indess unter ihnen nicht bloss die Decke des ur- 
sprünglichen Körpers, sondern auch dessen spongiöse Substanz schwindet Der 
Anfang einer Höhlenbildung im Wespenbein ist schon im dritten Lebensjahre 
gemacht. Der obere Theil der vorderen Wand des Körpers entwickelt sich gleich- 
zeitig mit der Wespenbeinmuschel aus einem ähnlichen Knochenplättchen, dessen 
Ränder aber früh mit den Rändern der oberen und Seitenflächen des Körpers ver- 
wachsen. Die Verwachsung der Wespenbeinmuscheln mit dem Körper erfolgt erst 
zwischen dem zehnten bis fünfzehnten Jahre. Nach dem zwanzigsten obliterirt die 
Naht zwischen Wespen- und Hinterhauptsbein (s. oben). 

Der Winkel, welchen die Gaumenflügel mit dem Körper bilden, beträgt beim 
Neugeborenen 110 — 115° beim Greise, nach dem Ausfallen der Zähne, 90 — 100° 
(Betz). 


3. Siebbein, Os ethmoideum. 


Die Grundlage des Siebbeins ist eine horizontale, in der Mitte der 
vorderen Schädelgrube vor dem Wespenbeinkörper gelegene Platte, Sieb- 
platte, Lamina cribrosa, welche zugleich Boden der Schädelhöhle und 
Decke der Nasenhöhle ist. Sie wird in zwei gleiche Seitenhälften getheilt 


Fig. 112. durch eine der Regel nach verticale, 
Cgr häufig aber etwas schräg gestellte 
A ich 


Platte, die zum kleineren Theil auf- 
wärts in die Schädelhöhle, zum grös- 
seren Theil abwärts in die Nasen- 
höhle ragt und mit ihrem oberen 
Theile, Hahnenkamm, Ürista 
galli, in der unvollkommenen me- 
dianen Scheidewand der Schädel- 
höhle, mit dem unteren Theile, der 
perpendieulären Platte, La- 
mina perpendicularis, in der Na«- 
senscheidewand liest. Am Seiten- 
Frontaldurchschnitt des Siebbeins. CZf Cellu- rande der Siebplatte hängt jederseits 
lae front. Cns Concha sup. Cnm Concha 4,5 Labyrinth, Labyrinthus, ein 
media. Pa Proc. uneinatus. 
zelliger, aus feinen Lamellen zusam- 
mengesetzter, etwa vierseitig prismatischer Körper, welcher den oberen 
Seitentheil der Nasenhöhle einnimmt und mittelst seiner perpendieulären 
Seitenwand, Papierplatte, Lamina papyracea'!), den grösseren hin- 
teren Theil der medialen Wand der Augenhöhle ausmacht. 
Die Siebplatte (Fig. 113 a. f. S.) ist länglich vierseitig, gegen den vorde- 
ren Rand verschmälert, im sagittalen Durchmesser etwa doppelt solang als im 
transversalen am hinteren Rande. Dieser Rand ist mit dem vorderen Rande 
des Wespenbeinkörpers in einer einfachen Naht zusammengefügt, oft auch 
von dem letzteren etwas überragt und demselben entsprechend ausgeschnit- 
ten. Mit den vorderen und den seitlichen Rändern passt die Siebplatte in 
einen Ausschnitt des Stirnbeins; gegen die seitlichen Ränder krümmt sie 
sich aufwärts, um in die Wölbung überzugehen, womit die Seitentheile 
der vorderen Schädelgrube über die Augenhöhle hingespannt sind. Die 


Lpe Cam 


ı) Os planum. 
Henle, Anatomie. Thl, I, 8 


3. Siebbein 


Siebplatte 


Crista galli. 


114 Siebbein. 


Fläche der Siebplatte ist ausgezeichnet durch eine Menge feinerer und wei- 
terer Poren, Foramina eribrosa, welche ordnungslos zu beiden Seiten der 
Crista galli zerstreut liegen, meist zahlreicher im vorderen als im hinteren 
Fig. 113., Pa Theile der Platte. Dicht an der Crista 
_%s galli und am Seitenrande der Sieb- 
platte führen sie in kurze, enge Ca- 
nälchen, welche sich längs der Lamina 
perpendicularis und der medialen Wand 
Le des Labyrinthes hinziehen; längs der 
AR Mitte jeder Seitenhälfte der Siebplatte 
Pa sind sie einfache Löcher, durch breite 
\ oder schmale Brücken von einander 
Cl geschieden, oft zu mehreren im Boden 
seichter Grübchen vereinigt, oft, und 
namentlich in der Nähe des vorderen 
Randes, zu schmalen Längsspalten zu- 
sammengeflossen. 
Alle diese Oeffnungen werden von 

Aestchen des N. olfactorius durch- 
setzt, mit Ausnahme der vordersten jederseits (Fig. 113 *), welche häufig 
von dem Sieb- und Stirnbein gemeinschaftlich gebildet wird und dem N. 
ethmoidalis den Durchtritt aus der Schädel- in die Nasenhöhle gestattet. 
Oft grenzt ein feiner und niedriger Kamm, dicht am Seitenrande der Sieb- 
platte und diesem parallel verlaufend, eine Rinne für den N. ethmoidalis 
von der eigentlichen Siebplatte ab. 

‘ DieCrista galli, von der Seite betrachtet, ähnelt einem rechtwinke- 
ligen, ungleichseitigen Dreieck, welches mit der längeren Kathete auf der Sieb- 
platte aufgewachsen, mit der kürzeren nach vorn gerichtet ist. Die längste 

Fig. 114. Seite steigt entweder continuir- 
lich vom hinteren Rande der 
Siebplatte an oder erhebt sich 
von der Fläche der letzteren 
aus einer anfänglich niederen 
und stumpfen medianen Kante. 
Die längste Seite und der ober- 
ste Theil der vorderen, sowie 
der Winkel, in welchem diese 
beiden zusammenstossen, bil- 
den den freien Rand der Crista 
galli; hier ist sie dünn und 
Siebbein, Profilansicht, das linke Labyrinth entfernt. SCharf; nach unten und be- 

Ens, Cnm Concha sup. und media. sonders gegen den unteren 

Theil des vorderen Randes, 

der sich an das Stirnbein anlegt, nimmt sie an Mächtigkeit zu. Die 
Seitenflächen werden gewölbt und schliessen spongiöse Substanz oder 
eine Höhle ein; der vordere Rand ist breit und rauh. Seine Breite wird 
zunächst unter der Spitze noch vergrössert durch einen Jjederseits vor- 
und aufwärts abgehenden, kurzen, platten Fortsatz, Processus ala- 


N 
Siebbein von oben. C/If Cell. front. 


Siebbein. 115 


ris 2), der sich an das Stirnbein anlegt (Fig. 113 und 114). Die Rinne zwi- 
schen diesen beiden Fortsätzen umschliesst, in Verbindung mit einer medianen 
Furche des Stirnbeins, einen eylindrischen, nach unten verjüngt und blind 
zulaufenden Canal, Foramen coecum; häufig ist das Foramen coecum in 
dem Stirnbeine allein enthalten; der vordere Rand der Crista galli zeigt 
alsdann statt einer medianen Furche eine schwache Firste, mit welcher es 
in einer Rinne des Stirnbeins befestigt ist. 

Das Foramen coecum wird in der Regel von einem Bindegewebestrang, welcher 
sich in die Falx cerebri fortsetzt, ganz ausgefüllt. Zuweilen jedoch findet man im 


Grunde desselben noch eine feine Oeffnung (nach M. J. Weber in der Regel zwei), 
die zu Gefässcanälen des Proc. nasalıs des Stirnbeins führt. 


Unterhalb des Abganges der Procc. alares setzt sich der vordere Rand Lamina 
der Crista galli, allmälig wieder verschmälert, in den vorderen Rand der Pa 
Lamina perpendicularis fort. Die Grenze beider wird, ausser durch die 
Kreuzung mit der Siebplatte, auch durch die veränderte Richtung des Ran- 
des angezeigt, der sich, wo er auf die perpendiculäre Platte übergeht, unter 
einem stumpfen Winkel vorwärts wendet, entsprechend der Neigung des 
Nasenrückens, an dessen Mitte er sich von innen, längs der Naht der Nasen- 
beine, anlegt. Im Ganzen dem vorderen Rande parallel, jedoch oft un- 
regelmässig ausgeschnitten, oder in einer gebrochenen Linie mit nach vorn 
offenem, stumpfem Winkel verläuft der hintere scharfe Rand der Lamina 
perpendieularis, der sich mit dem oberen, kürzeren Theile an die Crista 
sphenoidalis, mit dem unteren, längeren Theile auf den Vorderrand des 
Pfiugscharbeins fügt. Der untere Rand der L. perpend. geht entweder 
dem oberen, an die L. eribrosa angehefteten parallel oder convergirt nach 
vorn mit demselben. Er ist diek, wulstig und rauh und begrenzt von oben 
den Knorpel der Nasenscheidewand. Die Form der von diesen vier Rän- 
dern umschlossenen Lam. perpendieularis ist die eines mehr oder minder 
regelmässigen verschobenen Rechtecks. Im Allgemeinen dünn, verdickt 
‘sich die Platte in der Nähe des oberen, des vorderen und des unteren Ran- 
des. Nahe am oberen Rande ist sie in senkrechter Richtung von Furchen 
und feinen Canälchen durchzogen, in welchen, wie erwähnt, die Zweige 
des N. olfactorius herablaufen. 

Die Labyrinthe des Siebbeins ragen zuweilen über den unteren Labyriuthe. 
Rand der Lamina perpendicularis vor und verstecken denselben; häufiger 
erreichen sie ihn nicht. Ihre Höhe beträgt 23"m (etwas mehr als die Hälfte 
der grössten Höhe der Nasenhöhle), ihr sagittaler Durchmesser 92”, die 
Breite eines Labyrinths 16"m. Ein Gang von etwa 4" Breite trennt die 
mediale Wand jedes Labyrinths von der Lam. perpendieularis (Fig. 112). 
Die Form, Grösse und Zahl der Zellen des Labyrinths unterliegt vielen 
individuellen Verschiedenheiten, ebenso die Art ihrer Verbindung; es giebt 
Zellen, welche die halbe Höhe und Breite des Labyrinths einnehmen, und 
andere von einigen Millimetern Durchmesser; die Communication findet 
bald durch weite Oeffnungen, bald durch schmale Spalten Statt; häufig 
zeigt sich die eine oder andere Zelle blasig aufgetrieben auf Kosten der 
benachbarten, deren Wände dann nach innen gewölbt erscheinen. 


) Hamulus frontalis. 
8* 


116 Siebbein. 


Alle Siebbeinzellen öffnen sich unmittel- oder mittelbar auf der media- 
len Fläche oder am medialen Rande der unteren Fläche des Labyrinths. 
Nach allen übrigen Seiten sind sie an dem vollständigen Schädel ge- 
schlossen. Integrirender Bestandtheil des Siebbeins und mit den Wänden 
der Zellen untrennbar verschmolzen ist aber nur die erwähnte Lam. pa- 
pyracea. welche gegen die Augenhöhle den grössten Theil der Zellen ab- 
schliesst. Vor ihr an der lateralen Fläche des Labyrinths, dann an der 
oberen, hinteren und unteren Fläche desselben sieht man Zellen, von wel- 
chen einzelne in allen, andere in vielen Siebbeinen offen stehen und ihren 

Fio. 115. Verschluss durch die benach- 

o' . 
[0 barten Kopfknochen, wie durch 
Deckel, erhalten. Das Ver- 
hältniss zu diesen Deckkno- 
chen ist verschieden, indem 
die Zelle zum grösseren Theil 
bald in dem Siebbein, bald 
im Deckknochen enthalten ist. 
Manche Zellen erhalten eine 
doppelte Aussenwand, indem 
sie mit ihrer dem Siebbein 
eigenthümlichen Lamelle sich 
unmittelbar an benachbarte 
Pu | Com Knochenplatten anlegen; zu- 
Cim weilen ersetzen auch die Aus- 
Seitenansicht des Siebbeins. Cnm Concha media. senwände von Siebbeinzellen 

Pu Proc, uncinatus. a 

zum Theil die Lamellen ande- 
rer, anstossender Knochen, z. B. die vordere Wand des Wespenbeinkörpers. 

Die Zellen, welche die Lamina pap. schliesst, heissen eigentliche Sieb- 
beinzellen, Cell. ethmoidales ; die übrigen werden je nach den Deekknochen 
benannt, durch welche sie vervollständigt werden. Vor den Cell. ethmoi- 
dales liegen die Cell. lacrymales '), welche, in gleicher Flucht mit der 
Lamina papyracea, das Thränenbein und von vorn her der Stirnfortsatz 
des Oberkieferbeins zudeckt. Zeigen sich an der hinteren Fläche des La- 
byrinths offene Zellen, so erhalten sie ihre hintere Wand und einen Theil 
ihrer Seitenwände durch das Gaumenbein, Cell. palatinae, und, über 
demselben, durch den Wespenbeinkörper, Cell. sphenoidales. Ueber 
die an der oberen Fläche des Labyrinths sich öffnenden Zellen, Cellulae 
frontales, legt sich das Stirnbein, von dessen längs der Ineisura ethmoi- 
dalis gelegenen Zellen die vorderste in die Stirnhöhle führt. Endlich kom- 
men am lateralen Theile der unteren Fläche des Labyrinths zuweilen un- 
vollständige Zellen vor, Cellulae masillares, die von dem Oberkiefer- 
beine ergänzt werden. Häufiger ruht das Labyrinth mit einem glatten, 
schräg lateralwärts gerichteten Seitentheile seiner unteren Fläche auf einer 
entsprechend geneigten Fläche am medialen Rande der Orbitalfläche des 
Oberkieferbeins. 


Die Lamina papyracea ist in der Regel länglich vierseitig, die längste 


[@! 
= 
17 


I) (Cell. orbitariae. 


Siebbein. 117 


Seite sagittal, häufig aber mit abgerundeten Winkeln und mannigfach ge- 
zackten und gebogenen Rändern versehen. Mit diesen Rändern stösst sie 
an die aufgezählten Deckknochen der Siebbeinzellen, vorn an das Thränen- 
bein, oben an das Stirnbein, hinten an den Körper des Wespenbeins, unten 
an den Körper des Oberkiefers.. An ihre hintere, untere Ecke, bald mehr 
dem unteren, bald mehr dem hinteren Rande entlang, fügt sich, zwischen 
Wespen - und Oberkieferbein, der Proc. orbitalis des Gaumenbeins. 

Var. Die Lamina papyracea ist durch eine perpendieuläre Naht in zwei Plat- 
ten getrennt, von welchen die vordere, kleinere, dem hinteren Thränenbeine man- 
cher Säugethiere verglichen werden kann. 

. In der Naht zwischen der Lamina papyracea und dem Stirnbein finden 
sich die beiden Foramina ethmoidalia (11/;wm Durchm.), das eine (F. e. ant.) 
in der Nähe der vorderen, das andere (F. e. post.) dicht an der hinteren 
Ecke der L. papyracea. Sie werden durch Ausschnitte der beiden zusam- 
menstossenden Knochen gebildet oder gehören Einem derselben, am häufig- 
sten dem Stirnbein allein an. Von der Ineisura ethmoidalis der Lam. pa- 
pyracea, wenn eine solche vorhanden ist, geht eine mehr oder minder tiefe 
Furche (Fig. 116 **) mehr oder minder weit medianwärts über die obere 
Fläche des Labyrinths, welche vom Stirnbein so zum Can. ethmoidalis er- 
gänzt wird, dass das mediale Ende dieses Canals zuweilen ganz im Stirn- 
bein verläuft. 

Der Can, ethmoidalis ant., welcher nebst den gleichnamigen Gefässen den 
N. ethmoidalis zur Schädelhöhle führt, ist sehr beständig. Dagegen fehlt nicht 
selten der Can. ethm. post., in welchem Vasa ethm. post. zu den Siebbeinzellen 
und zur Schädelhöhle verlaufen. Statt des hinteren For. ethm. oder neben dem- 
selben kömmt zuweilen ein mittleres vor, welches ebenfalls den Eingang eines in 
die Schädelhöhle einmündenden Canals darstellt. 

Die Platte, welche die mediale Wand des Labyrinths bildet 1), ist eigen- 
thümlich rauh durch zahlreiche, meist schief ab- und rückwärts verlaufende 
gerade und gebogene Furchen, durch Grübchen und feinere und gröbere 
Poren, worunter hier und da ein grösseres, scharfrandiges Loch, und durch 
die zwischen den Furchen und Oeffnungen vorspringenden Spitzen und 

Leistchen. Ihr vorderer Rand _ ist 

scharf und in seiner oberen Hälfte mit 

dem Proc. nasalis des Oberkieferbeins 

und der medialen Fläche des Thränen- 

Uns heins verbunden, in der unteren Hälfte 
dagegen frei und concav oder gerade 
und dann schräg ab- und rückwärts 
gerichtet. Ihr hinterer Rand ist tief 
Cnm eingeschnitten durch eine Spalte, welche 
von der medialen Fläche des Labyrinths 
aus horizental bis fast an die laterale 
Siebbein von der Seite, das linke Laby- Oberfläche desselben vordringt und die 
ns Bam. nervenf; entfernt, nn en sa des Labyrinths quer in 
zwei Theile von fast gleicher Höhe scheidet. Der obere Rand dieser Spalte 


Fig. 116. 


\) Lamima concharum 


118 Siebbein. 


ist nicht nur scharf, sondern meist auch in einen abwärts ragenden Saum 
verlängert, der den Zugang zur Spalte verengt. Die Spalte (Fig. 116) ist 
der obere Nasengang, Meat. nar. sup., der überhängende Rand der- 
selben ist die obere Muschel, Concha sup. !). In den oberen Nasen- 
gang, versteckt durch die obere Muschel, münden mit einer oder mehreren 
runden oder querspaltförmigen Oeffnungen die Zellen des hinteren oberen 
Viertels des Labyrinths, namentlich die Cellulae palatinae und sphenoidales. 
Der untere Rand der medialen Wand des Labyrinths stösst mit dem 
vorderen in einem rechten oder stumpfen Winkel zusammen und verläuft 
von vorn nach hinten gerade oder wenig abwärts geneigt und zugleich mit 
einer schwachen Convexität. Dieser Rand ist ausserdem seitwärts umge- 
rollt oder auch in eine scharfe Kante seitwärts umgebogen. Die Fläche 
“ zunächst über demselben ist gegen die Nasenscheidewand hin gewölbt und 
geht mittelst dieser Wölbung in den horizontalen Boden des oberen Nasen- 
ganges über. Die Platte, die diesen Boden bildet und sich dann abwärts 
und endlich wieder seitwärts umrollt, wird mittlere Muschel, Concha 
media, genannt. Sie überwölbt den mittleren Nasengang, welchem zum 
Boden die obere Fläche der unteren Muschel dient, eines selbständigen und 
mit dem Oberkieferbeine durch Naht verbundenen, im Uebrigen aber ganz 
nach Art der mittleren Muschel gestalteten Knochens. Unter der letzteren 
finden sich vorn die Mündungen zunächst der vorderen Siebbeinzellen, mit 
welchen die Stirnhöhlen und die in der unteren Hälfte des hinteren Theiles 
des Labyrinths gelegenen Zellen in Verbindung stehen. Nach hinten ist 
die mittlere Muschel über die übrigen Theile des Labyrinths hinaus in eine 
Spitze verlängert, deren lateraler Rand sich an eine Firste des Gaumen- 
beins anlegt. Längs dem freien Rande ist sie in der Regel verdickt und 
in einer dem Rande parallelen Richtung von weiten Canälen durchzogen, 
welche von Bindegewebe und Gefässen erfüllt werden. 


Var. Der lateralwärts umgerollte Rand der mittleren Muschel geht weit auf- 
wärts und die Muschel scheint in eine knöcherne Blase oder Tasche umgewandelt, 


zu welcher nur ein enger Zugang von oben an der dem Labyrinth zugewandten 
Seite bleibt. 


Gedeckt von der mittleren Muschel, findet sich im mittleren Nasengange ein 
kleinerer, muschelartig umgerollter Fortsatz, den Eingang der Kieferhöhle von 
oben überwölbend. Die Siebbeinzellen öffnen sich oberhalb dieses Fortsatzes; der 
Proc uncinatus (s. unten) liegt unterhalb desselben. 

An einem Siebbein unserer Sammlung fehlt die obere Muschel; die mediale 
Platte des Labyrinths ist eine perpendiculäre, am unteren Rande umgerollte Platte, 


an deren hinterem Rande nur ein abwärts geneigter, spitzer Fortsatz die Stelle der 
oberen Muschel bezeichnet. 


Häufig findet sich über der oberen Muschel eine vierte, von ähnlicher Form, 
aber kleinere, Concha Santoriniana. 

Wo der vordere Rand der medialen Wand des Labyrinths in die mitt- 
lere Muschel übergeht, entwickelt sich von jenem Rande und den Wänden 
der vorderen Siebbeinzellen ein platter und sehr dünner Fortsatz, Proc. 
uncinalus?) (Fig. 112. 115—117), welcher weiter lateralwärts liegt als die 


5) Os turbinatum s. spongiosum sup. — Concha Morgagniana, 
) Proc. hamatus; Proc. unc. oder ham, major. 


“ u 
i * 


“ 
Stirnbein. 119 
Muschel, übrigens in gleicher Höhe mit der letzteren oder um Weniges tiefer 
Fig. 117. und dem unteren Rande derselben ziemlich 
Le parallel ab- und etwa bis unter die Mitte des 


Labyrinths rückwärts läuft. Seine beiden 
Flächen liegen sagittal, seine Ränder sind 
einfach oder zackig, das freie, etwas ange- 
schwollene hintere Ende läuft in kurze 
Spitzen, zuweilen in eingerollte Plättehen 
aus. Der Proc. uncinatus legt sich vor die 
weite Lücke der Nasenwand des ÖOber- 
kieferbeins, die in die Kieferhöhle führt, 
und begrenzt mit seinem oberen Rande die 
Communicationsöffnung der Kiefer- und 
Nasenhöhle. Das untere Ende desselben 
stösst mit dem Proc. ethmoid. der unteren 
Muschel zusammen. 


Siebbein von unten. 


Als Proc. uncinatus minor wird bei Albin, 
Sömmerring, Meckel und M. J. Weber 
ein breites und kurzes, seitwärts umgebogenes Plättchen beschrieben, welches von 
der vorderen, unteren Ecke der Lam. papyracea ausgeht. Es hängt zuweilen mit 
der Wurzel des Proc uncinatus ınaj. zusammen, wird von dem Thränenbein be- 
deckt oder stösst an den oberen Rand des Oberkieferbeins und wird nicht leicht 
völlig vermisst. Doch lässt es sich immer als ein unvollständiges Deckstück der 
untersten Cellulae lacrymales oder der vordersten Cellulae maxillares betrachten und 
scheint mir deshalb einen besonderen Namen nicht zu verdienen. 

Beim reifen Fötus sind nur die beiden Labyrinthe des Siebbeins knöchern, aber 
von sehr geringem transversalen Durchmesser; bis zum vierten oder fünften Jahre 
vergrössern sie sich durch Ausdehnung der Zellen und zwar hauptsächlich in me- 
dialer Richtung. Die Verknöcherung des unpaaren Theils des Siebbeins beginnt 
erst im sechsten Lebensmonat oder noch später, und zwar von der Crista galli an 
abwärts. Im zweiten bis dritten Jahre sind die Labyrinthe mit dem mittleren Theile 
verwachsen. Unentschieden ist noch, ob die Siebplatte, bevor die Verschmelzung 
der einzelnen Stücke zu einem Knochen vollendet ist, mit den Labyrinthen oder 
mit der Crista galli und der Lamina perpendicularis verbunden ist. Gegen die 
letztere, allgemein angenommene Ansicht hat M. J. Weber sich erklärt. 


4. Stirnbein, Os frontis. 


Das Stirnbein stellt, von innen betrachtet, einen Hohlkugelabschnitt 4. stirnbein . 
dar und schliesst von vornher die Schädelkapsel allseitig, einen schmalen 
Ausschnitt in der Mitte des Bodens, J/neisura ethmoidalis, ausgenommen, 
welchen die Siebplatte ausfüllt. Es reicht indess an der Schädeldecke 
weiter rückwärts als an der Basis, so dass eine durch den hinteren Rand 
desselben gelegte Ebene in einem Winkel von 60° gegen den Horizont ge- 
neigt ist. In Verbindung mit der Siebplatte gleicht der hintere Rand des 
Stirnbeins einem Kreisbogen oder einer mit dem längsten Durchmesser quer 
gestellten Ellipse, die in ihrem unteren Theile abgeflacht und zu beiden 
Seiten neben dem hinteren Rande der Siebplatte sogar etwas aufwärts ge- 
bogen ist, entsprechend der Wölbung des Daches der Augenhöhle. Oben 


Aeussere 
Fläche, 


’ vn Fir 


120 Stirnbein. 


und seitlich steht der hintere Rand des Stirnbeins mit den Scheitelbeinen, 
Fig. 118. unten von der Stelle an, wo 
er sich abzuflachen beginnt, 
mit dem Wespenbein in Ver- 
bindung. Oben ist er stark 
und zackig und nimmt nach 
(crunten hin an Mächtigkeit all- 
mälig ab. 

Die innere Oberfläche 
des Stirnbeins zeigt die gewöhn- 
lichen Gehirn- und Gefäss- 
eindrücke; die Gehirneindrücke 
und die dieselben trennenden 
Leisten am stärksten ausge- 
prägt am Boden, die Gefäss- 
eindrücke an der Seitenfläche. 

Stirnbein von innen. Der schmale Rand, welcher 
die Incisura ethmoid. von vorn 
begrenzt, ist, wenn er gemeinschaftlich mit dem vorderen Rande der Crista 
galli das Foramen coecum bildet, in senkrechter Richtung tief gefurcht; 
schliesst er aber das Foramen coecum ganz ein, so ist er unterhalb des 
Eingangs in diesen Canal glatt oder mit einer nur linearen senkrechten 
Rinne versehen. An eine kleine, plane, kaum rauhe Fläche (Fig. 118*) zu 
jeder Seite jener Furche (oder der hinteren Wand des For. coecum) lehnen 
sich die Proce. alares der Crista galli. Ueber dem Rande des For. eoecum 
beginnt, senkrecht ansteigend, die Crösta frontalis, ein scharfer, selten 
auf der Schneide gefurchter Kamm, welcher mehr oder minder weit (bis 
zu S®M) in die Schädelhöhle vorspringt und nach längerem oder kürzerem 
Verlaufe in zwei Lippen aus einander weicht, die, sich allmälig abflachend, 
den Sulcus sagittalis ) (4”m breit) begrenzen. Längs dem letzteren 
finden sich die unbeständigen Eindrücke pacchionischer Drüsen. 

An der äusseren Fläche des Stirnbeins (Fig. 119) ist, wie schon bei 
der allgemeinen Beschreibung des Schädels angegeben wurde, Decke und 
Boden bestimmter von einander geschieden, als an der inneren Fläche. Die 
Grenze ist durch drei nach oben convexe Bogen, zwei seitliche symme- 
trische und einen mittleren, unpaaren, bezeichnet. Die seitlichen Bogen 
sind die Öberaugenhöhlenränder, Margines supraorbitales, Kanten, 
mit welchen die perpendiculäre, die Stirngegend einnehmende Platte in 
die horizontale obere Wand der Augenhöhlen umbiegt. Der mittlere Bo- 
gen, Margo nasalis, ist der vordere Rand einer rauhen Fläche, welche 
an der Bildung des Daches der Nase Antheil nimmt und am unversehrten 
Schädel durch die Anfügung der Nasenbeine und der Stirnfortsätze der 
Oberkieferbeine verdeckt ist. 

Die Supraorbitalränder sind nach oben und zugleich nach vorn con- 
vex; sie sind, je näher den Schläfen, um so schärfer und um so mehr 
überhängend; in der Nähe der Nase runden sie sich ab, so dass der Ueber- 


Y) Sulcus frontalis. / 


" x 
Stirnbein. 121 


gang aus der Augenhöhle in die Stirn und in die Wölbung, womit mei- 
stens die letztere über 
die Nasenwurzel vor- 
ragt, sanfter wird. Meist 
steht das nasale Ende 
merklich tiefer als das 
temporale. Ein flacher 
Ausschnitt, Jneisura 
supraorbilalis, wel- 
chen der Supraorbital- 
rand in der Nähe seines 
nasalen Endes (25mm 
von der Medianebene) 
zeigt, geht in der Re- 
gel an seinem lateralen 
Rande scharf aus dem 
Supraorbitalrande her- 
vor und an dem media- 
Stirnbein von vorn. len Rande abgerundet in 
den letzteren über; doch 
ist öfters auch der mediale Rand der Incisura supraorb. durch eine spitze, 
quer vorspringende Zacke bezeichnet, und nicht selten verbindet sich diese 
Zacke mit einer ähnlichen an der lateralen Ecke der Ineisura supraorb. zu 
einer Knochenbrücke, die den Einschnitt zu einem Canal (Can. supraorb.) 
umwandelt, dessen Eingang in der Decke der Augenhöhle hinter dem 
Supraorbitalrande, dessen Ausgang (For. supraorb.) an der Stirn über 
dem Süpraorbitalrande sich findet. 

Durch die Incisura oder das Foramen supraorbitale kommen die Vasa supra- 
orbit. und der N. frontalis und supraorbit. aus der Augenhöhle zur Stirn. Oft ist 
der Canal von Anfang an oder am Ausgange durch eine schmale oder breite Brücke 
in zwei neben oder über einander liegende Canäle getheil. Vom Grunde der In- 
eisur oder von der oberen Wand des Canals führt zuweilen ein For. nutritium in 
das Stirnbein. 

Zuweilen besteht ausser dem Can. resp. der Incisura supraorbitalis und seit- 
wärts von derselben ein Canal vom Verlauf und Durchmesser des Can. supraorbi- 
talis, dessen Mündungen aber sowohl an der Stirn wie in der Decke der Augen- 
höhle weiter vom Rande des Knochens entfernt liegen. 


Der Nasenrand ist steiler vorwärts und etwas steiler aufwärts gebogen 
als der Supraorbitalrand. Er ist aber kürzer als dieser (die Länge der 
Sehne des Mg. nas. verhält sich zur Länge der Sehne des Mg. supraorbit. 
‘etwa wie 2 : 3) und reicht nicht so weit aufwärts. 

Der perpendiculäre, oberhalb der Mgg. supraorbit. und der Ineisura 
nasalis gelegene Theil des Stirnbeins, Stirnplatte, Pars perpendieu- 
laris 1), zerfällt durch zwei nahe am Seitenrande aufwärts verlaufende 
Kanten in drei Felder, ein grosses, unpaares, mittleres, F'acies frontalis, 
und zwei kleine, seitliche, F'acies temporales. Jenes umfasst die ganze 
Breite der Stirn und reicht in den vorderen Theil des Scheitels hinauf; 


\) P. ascendens, P. frontalis s. s. 


Perpen- 
dieulärer 
Theil. 


Horizon- 
taler Theil. 


122 Stirnbein. 


diese gehören jederseits dem vorderen Theile der Schläfenfläche an. Die 
Kante, welche Stirn- und Schläfenfläche trennt, ist das vordere Ende der 
Schläfenlinie I). Sie geht nach unten in seitwärts concavem Bogen auf 
den oberen Rand des Jochfortsatzes, Proc. zygomaticus ?) (Fig. 119, 120), 
über, eines seit- und abwärts vorragenden Fortsatzes von dreiseitig pris- 
matischer Gestalt, auf welchen ich zurückkomme. 

Die Stirnfläche (Fig. 119) zeigt zunächst über jedem Supraorbitalrande 
eine Wölbung, Arcus supereciliaris, welche von der Nasenwurzel aus seit- 
wärts und aufwärts, sich allmälig über den Mg. s. o. erhebend, verläuft und 
gegen die Schläfenlinie hin verflacht. Durch diese Wölbung erhält das Stirn- 
bein über den Augenhöhlenrändern eine bedeutende Mächtigkeit; doch ist 
der Superciliarbogen oft nur die dünne äussere Wand einer Höhle, der 
Stirnhöhle, Sinus frontalis (Fig. 122), welche sich von der Nasen- 
höhle aus zwischen die äussere und innere Knochentafel des Stirnbeins er- 
streckt. Die beiden Supereiliarbogen stossen über der Nasenwurzel zu- 
sammen oder werden, was häufiger der Fall ist, durch ein flaches Feld 
von der Breite des Nasenrückens, die @/abella, von einander geschieden. 
Ueber dem Arcus superciliaris und ungefähr an der Stelle des Uebergangs 
der eigentlichen Stirn- in die Scheitelgegend, gleich weit entfernt von der 
Mittellinie und der Schläfenlinie, findet sich eine zweite, einer flachen Beule 
ähnliche Wölbung, welche man Stirnhöcker, Tuber frontale, nennt. 
Die Mittellinie der Aussenfläche des verticalen Theiles des Stirnbeins ist 
oft, jedoch nur in wenig auffallender Weise bezeichnet durch eine Furche 
auf der Glabella und weiter hinauf durch eine Kante, welche zwischen den 
Stirnhöckern am stärksten ist. 

Die Furche und die Kante sind Ueberbleibsel einer Naht, Sutura frontalis, 
welche sich beim Erwachsenen zuweilen vollständig, zuweilen nur im untersten 
Theile der Stirnplatte erhält. 

Der horizontale Theil der Aussenfläche des Stirnbeins zerfällt 
in den Nasentheil (Pars nasalis) und die Augenhöhlentheile oder Flächen 
(Plana orbitalia) 3). Der Nasentheil liegt, wie sich von selbst versteht, 
unpaar zwischen den paarigen Augenhöhlentheilen; seine Grenze gegen 
die Augenhöhlenfläche ist jederseits eine scharf vorspringende Linie, Margo 
naso-orbitalis (Fig 120), welche, sagittal und gerade oder mit geringen 
Excursionen auf- und abwärts gebogen, von dem Winkel, in welchem der 
Supraorbital- und Nasenrand der Stirnplatte zusammenstossen, bis an den 
hinteren Rand des Knochens verläuft. Wenn sich der vordere Endpunkt 
dieser Linie an dem isolirten Stirnbein wegen der Abrundung des nasalen 
Endes des Supraorbitalrandes nicht mit völliger Schärfe bestimmen lässt, 
so ist er dagegen, so lange das Stirnbein mit den Nachbarknochen in Ver- 
bindung steht, durch das obere Ende des vorderen Randes der Thränen- 
grube hinlänglich gerau bezeichnet (vgl. Fig. 81, 89). 

Der Naso-Orbitalrand ist an der inneren Wand der Augenhöhle sicht- 
bar, wo er in einer Naht mit dem oberen Rande zuvorderst des Stirnfort- 


») Linea semicircularis. ®) Proc. malaris s. Jugalis. 

3) Die Pars orbitalis aut. entspricht dem von mir sogenannten Planum orbitale nebst 
dem anstossenden zelligen Theile der Pars nasalis. Der letztere wird jener Auffassung 
zufolge als innerer Rand der Orbitalplatte beschrieben. 


Stirnbein. 123 


satzes des Oberkiefers, dann des Thränenbeins und dahinter der Papier- 
Fig. 120. platte des Siebbeins zu- 
sammenstösst. In dem mit 
der Papierplatte verbun- 
denen Theile des Randes 
kommen die Ausschnitte, 
die zur Bildung der Fo- 
ramina ethmoidalia beitra- 
gen, oder über dem Rande 
die Foramina elhmoi- 
dalia ant. und post. vor, 
von welchen bei der Be- 
schreibung des Siebbeins 
Stirnbein von unten. Ft Fossa trochlearis. (S. 117) die Rede war. 


Der Nasentheil des Stirnbeins hat die Form eines mit der Convexität Nasentheil 
nach vorn gerichteten und nach hinten lang ausgezogenen Hufeisens. Von 
den zwei Rändern, innerhalb welcher die hufeisenförmige Fläche beschlos- 
sen ist, ist der innere identisch mit der schon erwähnten Ineisura ethmoi- 
dalis, welche die Siebplatte einfasst; der äussere wurde ebenfalls als Nasen- 
rand mit seinen Fortsetzungen, den Naso-Orbitalrändern, bereits beschrie- 
ben. Der innere Rand bildet vorn einen etwas flacheren Bogen als der 
äussere, oder, mit anderen Worten, die Ränder stehen vorn weiter von 
einander ab als an den Seiten, und in einzelnen Fällen rücken sie einander, 
je weiter nach hinten, um so näher. 

Die beiden seitlichen, gerade verlaufenden Partien des Nasentheils 
haben ein von dem mittleren, bogenförmigen Stücke wesentlich verschie- 
denes Ansehen. Jene sind die schon bei Gelegenheit des Siebbeins be- 
sprochenen Deckel der Stirnbeinzellen des Labyrinths. Sie stellen eine 
von dünnen Platten begrenzte, hinten flache und nach vorn allmälig sich 
vertiefende longitudinale Rinne dar, die durch perpendieuläre, der Frontal- 
ebene parallele Scheidewände mehr oder minder regelmässig in eine Reihe 
vierseitiger Zellen abgetheilt wird. Von der vordersten dieser Zellen aus 
erstreckt sich zwischen die Tafeln der Stirn- und der Augenhöhlenplatte 
die Stirnhöhle; die Aushöhlung schreitet mit den Jahren bis zu einer indi- 
viduell variirenden Grenze auf-, seit- und medianwärts fort; medianwärts 
erstreckt sie sich von beiden Seiten her auch über der mittleren Partie des 
Nasentheils der Norm gemäss bis zur Meuianebene und lässt nur eine 
dünne Scheidewand, Septum frontale, zwischen beiden Sinus übrig, die 
indess häufig nicht ganz median gestellt ist. 

Von den Forr. ethmoidalia aus gehen Rinnen oder Canäle Für den N. 
und die Vasa ethm. schräg median- und vorwärts, die Rinnen in der Decke, 
die Canäle innerhalb des angewachsenen Randes der Scheidewände der 
Cellulae frontales. 

Die mittlere, gebogene Partie des Nasentheils ist eine sehr rauhe, 
schräg nach unten und hinten abfallende Fläche, deren hinterer Rand in 
einen, der Wurzel des Nasenrückens entsprechend gewölbten Fortsatz, den 
Nasenfortsatz, Processus nasalis o. fr., ausläuf. Form und 
Dimensionen dieses Fortsatzes, den man als den wesentlichen Theil der 


124 Stirnbein. 


über den Boden der Hiirnte hinaus verlängerten Decke des vegetativen 
Rohrs betrachten muss, sind sehr veränderlich. Wo er am vollkommen- 
sten entwickelt ist, nimmt er mit seinem Ursprunge den ganzen vorderen 
Rand der.Ineisuraethmoid. ein; er ist von da in einem zur Stirnplatte 
stumpfen Winkel ab- und vorwärts gerichtet, an der gewölbten Aussenfläche 
rauh, an der concaven ı Innenfläche glatt, am vorderen (unteren) freien Rande 
scharf, längs der Mitte der oberen Fläche mit einer stumpfen, längs der 
Mitte der unteren Fläche mit einer scharfen perpendiculären Kante ver- 


Fig. 121. x sehen. Mittelst eines senkrecht gegen den Nasen- 
rt rücken geführten Querschnittes getheilt, giebt er 
7 Mx das Bild eines Kreuzes mit rückwärts gekrümmten 


3 Seitenschenkeln. Die rauhe Fläche des Nasentheils 
Malz Pn und die Aussenfläche des Nasenfortsatzes dienen in 
as der Mitte den Nasenbeinen (N), seitlich den Stirn- 
(A ——E fortsätzen des Oberkieferbeins (Mx) zur Befestigung, 

| \ in der Art, dass diese platten Knochentheile mit 
| ihren zackigen hinteren und wegen der Neigung des 
de des Pr. nasalis Nasenrückens aufwärts gerichteten Rändern in_die 
des Stirnbeins. rauhe Fläche des Nasentheils eingreifen und mit 
ihren unteren, rückwärts schauenden Flächen anfänglich auf der gewölbten 
Fig. 122. Aussenfläche des Nasenfortsatzes ru- 

hen. Die stumpfe mediane Kante die- 
ser Fläche springt in die Naht der 
Nasenbeine vor. Die Innenfläche des 
Nasenfortsatzes begrenzt oben von 
vornher das For. coecum (wenn 
an der Bildung desselben das Sieb- 
bein Theil nimmt), dient mit ihrer 
medianen Längsfirste dem oberen 
Theile des vorderen Randes der La- 
mina perpendicularis des Siebbeins (Z) 
zur Anheftung und deckt zu den Sei- 
ten der Nasenscheidewand die Nasen- 
höhle und zuweilen auch. noch, wenn 


len des Labyrinths.. Die Varietäten 
der Form des Nasenfortsatzes beruhen 
nun auf einem Uebergewicht der Ent- 
wickelung bald des platten Theiles, 
bald der medianen Kanten, insbesondere der unteren. Im ersten Fall stellt 
er eine plane und dünne, von einer Seite zur anderen gewölbte, scharfran- 
dige Lamelle, im anderen einen seitlich comprimirten, spitzen Stachel dar )). 
Die Uebergänge zwischen diesen Extremen ergeben sich von selbst. 
Augenhöh- Die Augenhöhlenfläche des Stirnbeins (Fig. 123) ist concav von 
Ientheile. Hiner Seite zur anderen und, in schwächerem \ Maasse, von vorn nach hinten; 


Pn E "Fre 


Mediandurchschnitt des Stirnbeins mit dem 
Nasenbein und Siebbein. 


') Spina nasalis aut. Die Alae spinae nasalis M, J. Weber entsprechen dem pla- 
nen Theil des Nasenfortsatzes bei stark vorspringenden medianen Kanten, 


sie breit genug ist, die vorderen Zel-. 


N 


Stirnbein. 125 


hinter dem, wie erwähnt, stark überhängenden lateralen Theil des Supra- 
orbitalrandes hat sie eine meistens kaum merkliche, seichte Grube, Fossa 
lacrymalis, welche die Thränendrüse aufnimmt, und in gleicher Höhe hinter 
Fig. 123. dem nasalen Ende des Su- 
praorbitalrandes einen tie- 
Ft feren, aber minder umfang- 
reichen Eindruck, F'ossa 
trochlearis, in welchem 
die Schlinge befestigt ist, 
77 durch die die Sehne des M, 
\ oblig. oeuli sup. läuft. An 
A der Stelle der Fossa tro- 
ENZW CN F 5 
ar = chlearis findet sich zuwei- 
len, zur Anheftung der ge- 
Fep nannten Schlinge, ein kur- 
zer, spitzer Stachel, Spina 
trochlearis. Im Uebrigen ist 
die Augenhöhlenfläche glatt und eben, unregelmässig vierseitig. Von ihren 
Rändern ist der vordere, der sie gegen die Stirnplatte, und der mediale, der 
sie gegen den Nasentheil absetzt, bereits beschrieben; der’hintere Rand ist 
dem Supraorbitalrande fast parallel und mit dem vorderen Rande des Or- 
bitalflügels des Wespenbeins durch die Naht verbunden, die in der Augen-, 
wie in der Schädelhöhle sichtbar ist; er ist aber schmaler, als der Supra- 
orbitalrand, da der laterale Rand der Orbitalfläche sich auf dem Weg von 
vorn nach hinten der Medianebene nähert. An den lateralen Rand schlies- 
sen sich die Knochen an, welche mit ihren medianwärts gewandten verti- 
calen Flächen die Augenhöhle seitlich begrenzen und dieselbe von der 
Schläfengrube abschliessen, zuvorderst die Orbitalplatte des Jochbeins, da- 
hinter der Temporalflügel des Wespenbeins. Seitlich von diesem Rand fin- 
den sich die rauhen, theilweise zackigen Flächen, mit welchen entsprechende 
Flächen der beiden genannten Knochen sich verbinden: dem hinteren Rande 
des Stirnbeins zunächst eine stumpfwinkelig dreiseitige, mit dem stumpfen 
Winkel vorwärts gerichtete Fläche, mittelst welcher das Stirnbein auf dem 
oberen Rande (Mg. frontalis) des Temporalflügels ruht; vorn eine schma- 
lere, rauhere, ebenfalls dreiseitige, aber spitzwinkelige und mit der Spitze 
rückwärts gerichtete Fläche, mit welcher sich das Stirnbein auf den oberen 
Rand des Jochbeins stützt; zwischen den einander zugekehrten Spitzen die- 
ser beiden Flächen ein scharfer Rand, der etwa dem mittleren Drittel des 
lateralen Randes der Orbitalfläche entspricht, und von dem oberen Rande 
der Crista zygomatica des Temporalfligels und der Augenhöhlenplatte des 
Jochbeins eingenommen wird, mehr von der einen oder anderen, je nach- 
dem die Seitenwand der Augenhöhle zum grösseren Theil vom Joch- oder 
Wespenbein gebildet wird. 

Die rauhe Fläche, welche zur Verbindung mit dem Jochbein dient, 
ist etwas lateralwärts gerichtet; sie ist die Endfläche eines dreiseitig pris- 
matischen Vorsprungs, dessen schon oben gedacht wurde und welcher als 
Proc. zygomat. beschrieben wird. Auf die Vorderfläche dieses Fortsatzes 
setzt sich die Vorderfläche des Stirntheils, auf seine untere Fläche die Or- 


Mn 


Stirnbein von unten. Ft Fossa trochlearis. 


Jochfort- 
satz. 


5. Schläfen- 
bein. 


126 Schläfenbein. 

bitalfläche ohne ur, fort; seine obere, Fläche geht in einem 
sanften Bogen aus der Schläfenfläche, sein oberer Rand ebenso aus der 
Schläfenlinie des perpendieulären Theils des Stirnbeins hervor. 

Zwischen dem hinteren und dem lateralen Rande der Orbitalfläche, mit anderen 
Worten, zwischen der Insertion des Orbital- und Temporalflügels an das Stirnbein 
bleibt mitunter eine kleine Strecke des Randes der Orbitalfläche frei, welche ebenso 
oft in gleicher Flucht mit dem hinteren, als mit dem lateralen Rande erseheint und 
an der Begrenzung der Fissura orb. sup. Antheil nimmt. Durch eine unbeständige 
Oeffnung im Orbitaltheil tritt eine Vene aus der Schädel- in die Augenhöhle, welche 
durch die Naht zwischen Stirn- und Wespenbein wieder in die Schädelhöhle zu- 
rückkehrt. Schultz, a. a. O. S. 27. 

Das Stirnbein besteht beim Neugeborenen noch aus zwei syınmetrischen Hälften. 
Die mediane Naht, in welcher diese beiden Hälften aneinandergefügt sind, ist an- 
fangs einfach, ‘wird später zackig und verschwindet gewöhnlich gegen Ende des 
zweiten Lebensjahres. Die Stirnhöhlen entwickeln sich nicht vor dem zweiten Jahre, 
nehmen von da an langsam an Ausdehnung zu und scheinen sich auch nach voll- 
endeter Reife noch zu vergrössern. 


5. Schläfenbein, Os temporum. 


Das Schläfenbein füllt jederseits an der Seitenwand und Basis des 
Schädels die Lücke zwischen dem Hinterhaupts- und Wespenbein aus. So 
weit es an der Seitenwand des Schädels erscheint, ist es, abgesehen von den 
aus der äusseren Fläche hervorgehenden Fortsätzen, platt mit schwach con- 
vexer Aussen- und concaver Innenfläche. Das an der Basis gelegene Stück 
ist einem Prisma oder einer liegenden Pyramide ähnlich, welche mit der 
Grundfläche seit- und etwas rückwärts, mit der Spitze median- und vor- 
wärts gerichtet, im medialen (vorderen) Theile massiv, im lateralen (hinte- 
ren) Theile von einer weiten Höhle quer durchzogen ist, deren Eingang, der 
Porus acusticus ext. 1), sich in der Grundfläche der Pyramide, an der Sei- 
tenwand des Schädels findet. 

Fig. 124. An dem platten Theil des Kno- 

chens unterscheidet man zwei Abthei- 

_ lungen, eine vordere, Schuppen- 
!PFtneil oder Schuppe, Pars squa- 
mosa s. Squama, von welcher in der 
Nähe des unteren Randes der Joch- 
fortsatz, Processus zygomali- 
ceus, seinen Ursprung nimmt, und eine 
hintere und kleinere, den Warzen- 
theil, Pars mastoidea ?), dessen äus- 
Ri Pt sere Fläche fast ganz durch den 
Warzenfortsatz, Proc. mastoi- 
deus ?) , eingenommen wird (Fig. 
Linkes Schläfenbein, von der Seite, bei einer 124). Beide Abtheilungen sind am 
geringen Drehung des Schädels um die sa- oberenRand des Knochens durch eine 
gittale Axe mit der linken Fläche aufwärts. Einbiegun 8, in welcher ihre econvexen 


») P. auditorius ext. 2) Zitzentheil, Pars mamillaris. 
2) Zitzenfortsatz, Proc. mamillaris. 


Schläfenbein. 127 


oberen Ränder einander begegnen, Ineisura parielalis, gegen einander 
abgegrenzt; am unteren Rande geht der Warzen- in den Schuppentheil mit- 
telst einer bogenförmig aufwärts gewölbten Platte über, welche den oberen 
Theil des Eingangs in den äusseren Gehörgang und die obere Wand des 
letzteren bildet. Diese Platte, wiewohl sie an dem vollendeten Schläfenbein 
mit demselben Rechte dem Warzen-, wie dem Schuppentheil zugerechnet 
werden kann, erweist sich doch bei ihrem ersten Auftreten als ein Bestand- 
theil der Schuppe und soll deshalb in Verbindung mit dieser beschrieben 
werden. Im Uebrigen scheiden sich Schuppen- und Warzentheil auf der 
Aussenfläche des Schläfenbeins durch eine bald nur schwache, bald wulstige 
Firste, die sich von der Ineisura parietalis schräg vorwärts gegen den 
Jochfortsatz erstreckt und das hintere Ende der Schläfenlinie darstellt. Auf 
der Innenfläche des Knochens setzt sich häufig eine Spalte (Fig. 135), wel- 
che den Schuppentheil von der Pyramide trennt, zwischen dem ersteren 
und dem Warzentheil bis zur Ineisura parietalis fort, entweder als Spalte 
oder in Form einer seichten, linearen Furche oder einer Reihe punktförmi- 
ger Oeffnungen. 


Der an der Basis gelegene, pyramidenförmige Theil, Pyramide, be- 
steht aus zwei, ganz unabhängig von einander sich entwickelnden Stücken, 
dem Felsentheil, Pars pelrosa, und dem Paukentheil, Pars 
Iympanica )). 


Am Felsentheil unterscheiden wir zunächst den massiven, aus be- 
sonders fester Substanz gebildeten Körper von dem dünnen, plattenartigen 
Fortsatz, Paukendecke, Tegmen tympani?), der von der Einen Kante 
desselben ausgeht. Der Körper ist ein vierseitiges, mit der Einen, schräg 
abgestutzten Endfläche auf dem vorderen unteren Theil der inneren Fläche 
des Warzentheils aufgewachsenes Prisma, dessen Längsaxe, wie bereits von 
der Pyramide im Ganzen angegeben wurde, vor- und medianwärts und 
zwar so verläuft, dass die Fortsetzungen der Längsaxen beider Felsentheile 
einander unter einem stumpfen Winkel in der Gegend des hinteren Randes 
der Nasenscheidewand schneiden würden. Von den vier Kanten des pris- 
matischen Körpers liegen je zwei und zwei einander gegenüberstehende die 
einen in der verticalen, die anderen in der horizontalen Ebene, sie sind 
demnach als obere (s), untere (Ü), vordere (a) und hintere (p) zu 
bezeichnen (Fig, 125, 126, 127 a.f.S.). Von den vier Seitenflächen schauen 
zwei, die in der oberen Kante zusammenstossen , in die Schädelhöhle; die 
Eine, die von der oberen Kante schräg vorwärts abfällt, nennen wir in- 
nere vordere (ia), die andere, die von der oberen Kante schräg rück- 
wärts abfällt, innere hintere (£p) Fläche. Zwei Flächen liegen an der 
Aussenseite der Grundfläche des Schädels; eine äussere hintere (ep); 
der inneren vorderen parallel, liegt frei, eine äussere vordere (ea), der 
inneren hinteren parallel, ist theils durch den Schuppen-, theils durch den 


!) Ich gebrauche den Namen Felsentheil in einem engeren, als dem üblichen Sinne. 
Die Meisten nehmen Felsentheil und Pyramide synonym und begreifen unter beiden Be- 
zeichnungen den Paukentheil mit; Arnold aber, welcher den Paukentheil vom Felsentheil 
trennt, rechnet zu dem letzteren auch den Warzentheil. 

2) Processus tympani s. Tegmentum tympani. M. J. Weber. 


128 Schläfenbein. 


den Paukentheil verdeckt und macht die 


Parallele Durchschnitte des Schläfenbeins in einer auf die 
Längsaxe der Pyramide senkrechten Richtung. Fig. 125 vor 
dem vorderen Rand des äusseren Gehörgangs. Fig. 126 vor 
dem Griffelfortsatz. Fig. 127 vor dem Eingang des Can. carot. 
Pst Proc. styloideus. Crp Crista petrosa. Miy Margo tym- 
panicus squamae. Ama Antr. mastoideum. (af Can. facialis. 
Cvt Cavum tympani. Cca Can. carot. Cm Canalis musculo- 

tubarius. Stu Septum tubae, 


hintere Wand der Pauken- 


höhle aus. Durch die 
Convergenz der Längs- 
axen der Felsentheile 
nach vorn sind aber 
die vorderen Flächen an 
der Innen- und Aussen- 
seite des Felsentheils zu- 
gleich lateralwärts, die 
hinteren Flächen an der 
Innen- und Aussenseite 
zugleich medianwärts 
gewandt. 

Keine dieser Flächen 
ist gegen die Flächen des 
Warzentheils, an welche 
sie stossen, bestimmt 
abgegrenzt; höchstens 
könnte man den vorderen 
Rand des Suleus sinus 
transversi, wovon Spä- 
ter, als laterale Grenze 
zwischen der inneren 
hinteren Fläche des Fel- 
sentheils und der Innen- 
fläche des Warzentheils 
betrachten. Mit dem 
Schuppentheil steht der 
eigentliche prismatische 
Körper des Felsenbeins 
in gar keiner Berührung, 
vielmehr bleibt, da der 
letztere sich von sei- 
nem Ursprung am War- 
zentheil an immer mehr 
von der Schuppe me- 
dianwärts entfernt, zwi- 
schen dem Felsentheil 
und der Schuppe eine 
Lücke, die nur durch 
eine dünne und durch- 
scheinende Platte von 
oben her zugedeckt wird. 
Diese Platte — das be- 
reits erwähnte T'’egmen 
lympani — ist ein Fort- 
satz des Felsentheils, von 
dessen vorderer Kante 


Schläfenbein. 129 


sie ausgelit, so dass ihre obere Fläche mit der inneren vorderen Fläche des 
Felsentheils in Einer Flucht liegt, ihre untere Fläche dagegen rechtwinkelig 
gegen die Paukenhöhlenfläche des Felsentheils geneigt ist. Der vordere 
Rand dieser Platte legt sich an den Schuppentheil an, anfangs, d. h. mit 
dem lateralen Theil (Fig. 125) an die innere Fläche der Schuppe, wei- 
ter medianwärts (Fig. 126) an den unteren Rand derselben. Die Stelle der 
Verbindung wird erkannt an einer Fissur, der Fissura pelro-sguamosa, 
welche sich von dem lateralen Ende aus häufig eine Strecke weit verwischt, 
am medialen Ende aber immer deutlich und wenn auch eng, doch durch- 
gängig ist. Sie hat einen im Ganzen bogenförmigen und nach vorn con- 
vexen, dabei fein gezackten oder wellenförmigen Verlauf. 

Der Paukentheil gleicht einer kurzen und weiten, mit der 
Längsaxe transversal 
gestellten und oben 
offenen Röhre, wel- 

che mit den etwas ein- 
gerollten oberen Rän- 
dern an den Warzen- 
und Schuppentheil so 
angefügt ist, dass der 
Ausschnitt zwischen die- 
sen beiden zur ellipti- 
schen Oeffnung, Porus 
acuslicus ext., und 
die concave Platte der 
Schuppe, die ich als 
obere Wand des Gehör- 
gangs bezeichnete, zum 
Theil des linken Schläfenbeins, wie Fig. 124. Mty Mg. tympan. elliptischen Canal er- 
gänzt wird. Der Ein- 

Fig. 129 gang der Röhre ist wulstig und 

zur Anheftung des knorpeligen 
Gehörgangs rauh, die Ausmün- 
dung gegen die Paukenhöhle hin 
so schräg abgestutzt, dass die vor- 
dere Wand fast doppelt so lang 
ist, als die hintere (vgl. Fig. 148). 
Die hintere Wand der Röhre lehnt 
sich an den Warzenfortsatz und 
ist äusserlich von demselben durch 
eine Spalte, Flssura Iympa- 
nico-masloidea ') geschieden, 
in welcher sich die feinen Mün- 
dungen des Can. mastoideus fin- 
Dasselbe, ohne den Paukentheil. + Schnittfläche, den. Die vordere Wand ist frei, 
wodurch der Paukentheil entfernt wurde. begrenzt von vorn und unten den 

| äusseren Gehörgang und weiter 


Fig. 128. 


Fps 
Cea 


1) Fissura petroso-mastoidea. 
Henle, Anatomie, Thl. T, ) 


a. Schup- 
pentheil. 


130 Schläfenbein. 


medianwärts die Paukenhöhle und den Can. musculo-tubarius !) und endet, 
allmälig verjüngt, mit gerade abgestutztem Rande unter dem medialen 
Ende der Paukendecke. Von dem Boden der Röhre, in welchem die In- 
nenflächen der vorderen und hinteren Wand in einander umbiegen, ragt 
aussen eine scharfe Kante, die Urista petrosa, abwärts, die mit der un- 
teren Kante des Felsentheils untrennbar verwächst; der obere Rand der 
vorderen Wand ist vom Porus acust. ext. an eine kurze Strecke mit dem 
Schuppentheil verschmolzen, dann weiter medianwärts an die untere Fläche 
der Paukendecke gefügt und vom vorderen Rande der letzteren so über- 
ragt, dass zwischen beiden eine Spalte bleibt, die Fissura pelro-tympa- 
nica?), welche an dem medialen Ende häufig verwächst, am lateralen Ende 
aber weit und wegsam bleibt und von der Schädelbasis ins Innere der 
Paukenhöhle führt. Mit der äusseren vorderen Wand des Felsentheils um- 
schliessen die lateralen Ränder der Paukendecke und des Paukentheils die 
dreiseitige Mündung des Can. musculo-tubarius (Fig. 127). Von den 
Canälen, welche die massive Substanz des eigentlichen Felsentheils 
durchziehen, liegt der ansehnlichste (5 bis 6mm im Durchmesser) an der 
Vorderseite des medialen, über die Schuppe hinaus sich erstreckenden 
Theils desselben; dies ist der (un. caroticus. Der Eingang in den- 
selben ist auf der hinteren unteren Fläche des Felsentheils hinter dem 
medialen Ende der Vorderwand des Paukentheils. In einem Viertelkreis 
aufsteigend, würde er an der Spitze der Pyramide münden, wenn nicht mei- 
stens die vordere und obere Wand des Canals, wie durch Abnutzung, de- 
fect wären und die eigentliche Mündung desselben mit der Lücke dieser 
Wand zu einer langen und breiten Spalte zusammenflösse. Da die vordere 
Wand des Felsentheils zugleich hintere Wand der Paukenhökle ist und da 
der Eingang in den carotischen Canal sich hinter der medialen Mündung 
des Can. musculo-tubarius befindet, so folgt, dass die Paukenhöhle und der 
Can. musc.-tub. einerseits und der Can. carot. andererseits eine Strecke 
weit Wand an Wand liegen. Namentlich ist es nur eine dünne Platte, wel- 
che den aufsteigenden und den Anfang des liegenden Theils des Can. carot. 
von der Paukenhöhle und dem Can. musculo-tubarius scheidet (Fig. 127). 
Der Sehuppentheil, für sich betrachtet, hat ungefähr die 

Fig. 130 Form einer kreisförmigen Scheibe, 

aus deren unterem Rande mittelst 
zweier in einem stumpfen oder abge- 
Ipr rundeten Winkel convergirender Li- 
nien ein Stück ausgeschnitten ist. Er 
wird demnach eingefasst von einem 
Bogen, welcher mehr als drei Vier- 
teln eines Kreises entspricht, und von 


rz” 

\) Ich wähle diesen Namen, um nicht von 
RS einer knöchernen Tuba im engeren und wei 
Pt Pr teren Sinne reden zu müssen. Die Tuba im 

weiteren Sinne dieses Worts ist durch eine 
quere Scheidewand in den Canal des M. ten- 
Linkes Schläfenbein, von der Seite, bei einer ”sor tympani und die eigentliche Tuba getheilt. 
geringen Drehung des Schädels um die sa- 2?) Fissura Glaseri. 
gittale Axe mit der linken Fläche aufwärts, 


SE 


Schläfenbein. 131 


den geraden odeı schwach nach oben convexen, den Ausschnitt begrenzen- 
denLinien. Die vordere dieser Linien ist auf der Aussenfläche des Schläfen- 
beins als oberer Rand der Frssura pelro-squamosa (Fig. 131) sichtbar und 
Fig. 131. weiter aufwärts durch 
die Verwachsung der 
Schuppe mit dem obe- 
ren Rand der vorderen 
Platte des Paukentheils 
verdeckt. Die den Aus- 
schnitt von der hinteren 
Seite begrenzende Linie 
ist im Grunde des äusse- 
ren Gehörgangs als me- 
dialer Rand der oberen 
Wand des genannten 
Ganges sichtbar. Dieser 
Rand (ich werde ihn den 
Margo Iympanicus des 
Schuppentheils nennen) 
Theil des linken Schläfenbeins, wie Fig. 130. ist in der Regel etwas un- 
eben und vorn und hin- 
ten durch die Anlagerung des rinnenförmigen Paukentheils überragt; er dient 
dem Paukenfell zur Anheftung. Der bogenförmige Theil des Randes des 
Schuppentheils (Fig. 130) zieht aus der Tiefe des äusseren Gehörgangs nach 
hinten längs der Grenze zwischen Schuppen- und Warzentheil zur Jneisura 
parietalis, an welcher er frei wird; er ist zunächst der Ineisura parietalis 
eine kurze Strecke zackig, dann im grössten Theil seiner Länge auf Kosten 
der inneren Fläche zugeschärft, am vorderen unteren Theil wieder dick und 
zackig und hier auf Kosten der äusseren Fläche schräg abgeschnitten. Mit 
dem hinteren und oberen Theil dieses Bogens setzt sich das Scheitelbein 
in Verbindung und der zugeschärfte Rand des letzteren wird vom Rand 
der Schläfenschuppe äusserlich überdeckt. Der vordere und untere Theil 
des bogenförmigen Randes der Schläfenschuppe fügt sich an den entspre- 
chend gebogenen Rand des Temporalflügels des Wespenbeins so an, dass 
oben die Schläfenschuppe, unten der Temporalflügel an der Aussenfläche 
des Schädels weiter vorragt. 

Die Flächen der Schuppe sind sowohl von oben nach unten, als von 
vorn nach hinten gekrümmt, die äussere convex, die innere concav; in bei- 
den Richtungen entspricht die Krümmung der inneren Fläche einem klei- 
neren Radius, als die der äusseren, wodurch es geschieht, dass der Knochen 
in der Mitte am dünnsten ist und gegen die Ränder an Mächtigkeit zu- 
nimmt. Die Krümmung von vorn nach hinten ist im Ganzen schwächer 
als die von oben nach unten; die letztere nimmt abwärts dergestalt zu, 
dass der untere Theil der Platte an der Schädelbasis und an der Decke 
des äusseren Gehörgangs fast horizontal zu liegen kommt. Wie bei allen 
Knochen, welche zugleich an der Bildung der Schädeldecke und Basis An- 
theil nehmen, erfolgt auch an der Schuppe des Schläfenbeins der Ueber- 
gang der Seiten- in die Grundfläche innen sanft und im Bogen, aussen 


9* 


Innere 
Fläche. 


Aeussere 
Fläche. 


132 Schläfenbein. 


schroff und mittelst einer vorspringenden Kante. Der oberhalb der Kante 
gelegene Theil ist so geneigt, dass die Schuppen beider Schläfenbeine so- 
wohl mit den vorderen, als mit den unteren Rändern convergiren. 

Die innere Oberfläche der Schuppe (Fig. 132) ist durch die Anheftung 
der Pauckendecke (F'ps) in ein oberes 
und ein unteres Feld getheilt; das obere 
bei Weitem grössere, gehört der Seiten- 
wand der mittleren Schädelgrube an; 
das untere sieht in die Paukenhöhle und 
bildet in Verbindung mit dem Pauken- 
fell deren vordere Wand. Der der Schä- 
delhöhle angehörige Theil der inneren 
Oberfläche der Schuppe zeigt ausser den 
Eindrücken der Hirnwindungen und den 
scharfen Vorsprüngen zwischen denselben 
eine tiefe Gefässrinne (**) für die Vasa 
meningea media, welche an der vorde- 
Schuppentheil von innen. + Schnittfläche, Yen unteren Ecke entsteht, in der Nähe 
wodurch der Warzentheil abgetrennt ist. dessworderen Bandes er 

meist höher oder tiefer eine horizontal 
rückwärts ziehende Zweigfurche abgiebt. 

Die Kante, welche an der äusseren Fläche des Schuppentheils die Sei- 
ten- und Grundfläche von einander scheidet, beginnt über dem Porus acust. 
ext. und läuft von da an fast horizontal nach vorn; aus ihr, und zwar aus 
ihrem mittleren Theil geht der Jochfortsatz hervor, anfänglich platt, depri- 
mirt, seitwärts gerichtet und dann, mit einer Torsion um seine Axe, wo- 
durch er eine comprimirte Gestalt annimmt, im Bogen nach vorn sich wen- 
dend (Fig. 133 und 134). Der der Schuppe zunächst gelegene deprimirte 


Fig. 133. Fig. 134. 


Jm 
Rechtes Schläfenbein von unten ohne den Dasselbe mit dem Paukentheil. Tt Tegmen 
Paukentheil. 7 Schnittfläche, wodurch der UyIUDADI: Sao Suleus art. oceip. Im In- 
Paukentheil entfernt wurde. +7'Schnittfläche eisura mastoidea. 

des Griffelfortsatzes. 


Theil, den man als Wurzel des Jochfortsatzes betrachten kann, ist dreisei- 
tig mit seitwärts gerichteter Spitze. Sein hinterer Rand geht, aus der 
Linea temporalis hervor, schräg seit- und vorwärts in den oberen Rand 


Schläfenbein. 133 


des comprimirten Theils des Joehfortsatzes über; sein vorderer Rand ist 
concav, wird einerseits zum unteren Rand des comprimirten Theils des 
Jochbogens und setzt sich andererseits auf der Schläfenschuppe nach vorn 
als eine stumpfe Firste fort, welche, wenn das Schläfenbein mit dem Wes- 
penbein verbunden ist, auf die Crista infratemporalis des Temporalflügels 
stösst und als Cr?sta infratemporalis des Schläfenbeins bezeichnet wer- 
den mag. Die Seitenfläche der Schuppe über dem Ursprung des Jochbo- 
sens und über dieser Crista infratemporalis gehört der Schläfenfläche des 
Schädels an und geht mittelst einer Aushöhlung in die obere und etwas 
vorwärts geneigte Fläche der Wurzel des Jochfortsatzes über; sie ist be- 
sonders im vorderen unteren Theil mit seichten Eindrücken versehen, die 
den gröberen Abtheilungen der Bündel des M. temporalis entsprechen, und 
durch eine Gefässfurche ausgezeichnet, welche die Art. temporalis media 
aufnimmt, hinter der Wurzel des Jochfortsatzes über dem Rande des Porus 
acust. ext. beginnt und meist einfach, selten nach vorn verzweigt gerade 
oder leicht geschlängelt aufwärts zieht (Fig. 130). 

Der unter dem Ursprung des Jochbogens und unter der Crista infratem- 
poralis an der Grundfläche des Schädels gelegene Theil der Schläfenschuppe 
befindet sich mit der unteren Fläche der Wurzel des Jochbogens in gleicher 
Flucht und ist durch einen queren Kamm (Fig. 133 k), an den sich der 
obere Rand der vorderen Platte des Paukentheils anlegt, in eine hintere Re- 
gion, die Decke des äusseren Gehörganges, und eine vordere Region, wel- 
che hauptsächlich der Articulation mit dem Unterkiefer dient, geschieden. 
Der eigentliche Rand des Porus acust. ext. ist öfters noch bezeichnet durch 
ein mehr oder minder scharfes und horizontales oder nach dem Umfang des 
Gehörgangs gekrümmtes Leistehen (Fig. 134 !) und darüber durch einen 
seichten Eindruck oder ein spaltförmiges von einem Fortsatz der Beinhaut 
ausgefülltes Grübchen. Die vordere Abtheilung der Basalfläche der Schuppe 
gewinnt in Verbindung mit der Wurzel des Jochbogens die Form eines 
verschobenen Rechtecks, wovon die Eine, meist längere Diagonale sagittal 
liest, die andere kürzere von der Queraxe des Schädels nur wenig, und 
zwar mit dem medialen Ende nach hinten abweicht. Es kann in drei 
Felder eingetheilt werden, welche in der Richtung von hinten nach vorn 
sich folgendermaassen an einander schliessen: 1) das hintere Feld, dreisei- 
tig mit nach hinten gerichteter und meist quer abgestutzter Spitze, ist eine 
seicht von hinten nach vorn ausgehöhlte und mit einem dünnen Knorpel- 
überzug bekleidete Gelenkfläche, die F'ossa mandibularis!), die sich seit- 
wärts bis an den Rand der Wurzel des Jochbogens erstreckt, medianwärts 
von der Frssura pelro-squamosa begrenzt wird. Vor der Fossa man- 
dib. liegt 2) ein querer oder schwach nach vorn gebogener Wulst, dessen 
Dimensionen denen der Fossa mandibularis ungefähr gleichen, dessen trans- 
versaler Durchmesser aber nach vorn abnimmt; es ist das T'uberculum 
articulare, auf welches beim Oeffnen des Mundes der Gelenkkopf des 
Unterkiefers zu stehen kommt. Die hintere Wand dieses Tuberculum fällt, 
wenn man den Schädel von unten her betrachtet, mehr oder minder steil 
gegen die Fossa mandibularis ab; vorn reicht es bis zum vorderen Rande 


) Fossa artieularis mazillae inferioris. 


134 Schläfenbein. 


der Wurzel des Jochbogens und nach beiden Seiten grenzt es sich durch 
convergirend vorwärts verlaufende rauhe Linien ab, welche von der Anhef- 
tung der Gelenkkapsel des Unterkiefers herrühren. Vor dem Tubereulum 
artieulare liegt 3) eine mit der Spitze vorwärts gerichtete dreiseitige Flä- 
che, H'acies infratemporalis, welche mit der Facies infratemporalis des 
Temporalflügels des Wespenbeins das Dach der Unterschläfengrube aus- 
macht. Sie ist von wechselndem Umfang, fliesst häufig mit dem Tubere. 
articulare zusammen, ist aber meistens von demselben durch eine vom vor- 
deren Rande der Wurzel des Jochfortsatzes quer herüberziehende Kante 
deutlich geschieden. 

An dem Jochfortsatz haben wir die Wurzel von dem eigentlichen Bo- 
gentheil unterschieden. Die Wurzel biegt in den Bogen um, indem sich 
ihre Flächen verschmälern und zugleich die obere medianwärts, die untere 
lateralwärts richten. Der Uebergang der oberen Fläche der Wurzel in die 
innere des Bogens erfolgt allmälig; der Uebergang der unteren Fläche der 
Wurzel in die äussere des Bogens ist schroffer und durch die rauhe, nach 
unten gekrümmte Linie bezeichnet, die das Tubereulum artieulare lateral- 
wärts begrenzt. In der Regel stellt sich auch die laterale Fläche des Bo- 
gens früher perpendieulär als die mediale, und der Bogen erscheint eine 
Strecke weit dreiseitig prismatisch, indem sich am vorderen Rande des Tu- 
berceulum artieulare zwischen die laterale und mediale Fläche eine untere 
Fläche einschiebt, welche bald in den unteren Rand des Bogens aufgeht. 
Die Länge des Jochfortsatzes ist verschieden, doch überragt sein vorderes 
Ende meistens den vorderen Rand der Schuppe. Seine Höhe und Mäch- 
tigkeit nimmt gegen das vordere Ende etwas zu. Der vordere Rand ver- 
läuft schräg von oben und vorn nach hinten und unten und ist stark 
zackig, zur Verbindung mit dem hinteren Rande des Pr. temporalis des 
Jochbeins. 


Var. Von dem vorderen Rand der Schuppe geht ein platter Fortsatz zwischen 
dem Wespenbein und dem Scheitelbein zum hinteren Runde des Stirnbeins, das 
Scheitelbein von der Berührung mit dem Wespenbein ausschliessend (Chizeau s. 
Meckel, Path. Anat. Bd. I, S. 341. Dieterich, a. a. O. S. 9. — Einmal auf 50 
bis 60: Gruber, Abh. aus der menschl. und vergleichenden Anatomie. Petersburg 
1852. S. 6. 114. Fig. 4). Ein Fall beidseitig in der hiesigen Sammlung. Diese 
Anomalie entsteht dadurch, dass ein an der vorderen unteren Spitze des Scheitel- 
beins gelegener Nahtknochen, welcher ziemlich häufig vorkommt , statt mit der un- 
teren Spitze des Scheitelbeins oder mit dem oberen Rande des Temporalflügels 
vielmehr mit der Schläfenschuppe verschmilzt. 

Der Schuppentheil ist durch eine quereNaht getheilt (Meckel, Path. Anat. Bd. 
I, S. 339. Gruber, a. a. O. S. 114). 

Die Schuppe ist von einer Oeffnung durchbohrt, durch welche ein Zweig der 
Art. mening. media aus der Schädelhöhle in die Schläfengrube tritt (Gruber, a.a.O. 
S. 126) Ein Fall in der hiesigen Sammlung. Dicht über dem hinteren Rande der 
Wurzel des Jochbogens liegt in einem Schläfenbein der hiesigen Sammlung die Oeff- 
nung (ImmDarchm.) eines Canals, welcher schrig vorwärts durch die Schuppe in die 
Schädelhöhle führt. 

Die gewöhnlich sehr geringe Neigung der Queraxe des Tuberculum artieulare 
mit dem medialen Ende rückwärts kann so stark werden, dass die Queraxen der 


Tubercula beider Seiten einander unter einem Winkel von weniger als 90 Grad 
schneiden. 


Schläfenbein. 135 


Der Warzentheil ist eine aussen convexe, innen concave Platte, 
mächtiger als die Schuppe, aber kleiner und von sehr unbeständiger Form. 
im Allgemeinen kreisförmig oder oval, mit mancherlei Einkerbungen und 
winkeligen Ausbiegungen des Randes. Unten greift er fast ebenso weit als 
die Schuppe an die Basis des Schädels herum, reicht aber in der Seiten- 
wand des Schädels minder hoch hinauf. Vorn fliesst er mit dem Schuppen- 
und Felsentheil zusammen ; der obere und hintere Theil des Randes ist an 
dem isolirten Schläfenbein frei. 

Wie sich der Warzentheil gegen den Schuppentheil abgrenzt, wurde 
bereits angegeben. Der freie Rand des Warzentheils geht von der Ineisura 
parietalis an erst etwas aufwärts und dann gerade oder im Bogen nach 
hinten, biegt aus dieser Richtung abgerundet oder im Winkel nach unten 
und endlich, ebenfalls abgerundet oder im Winkel, nach vorn um. An der 
Ineisura parietalis und einer kleineren oder grösseren Strecke hinter der- 
selben steht er, auf Kosten der äusseren Fläche schräg abgeschnitten, mit 
dem Scheitelbein, von da an bis zum Anschluss an den Felsentheil mit dem 
Hinterhauptsbein in Verbindung durch Nähte, welche grösstentheils stark- 
gezackt und nur gegen das untere Ende einfach sind, an welchem sie auch 
nicht selten verwachsen. 

An der Aussenfläche des Warzentheils (Fig. 133.134) geht nach unten 
der Fortsatz ab, von welchem er den Namen trägt. Der Warzenfortsatz 
ist im Allgemeinen kegelförmig mit abwärts gerichteter Spitze. Doch ist die 
Spitze abgerundet, die laterale Fläche stärker gewölbt als die mediale, so 
dass der Kegel von den Seiten zusammengedrückt, jaan der medialen Flä- 
che mitunter eingedrückt erscheint und einen schneidenden Rand erhält, 
welcher nur hinten eine schräge, vorn dagegen eine fast perpendiculäre 
Richtung hat. Die Höhe des Warzenfortsatzes wird etwas, vergrössert da- 
durch, dass sich längs der Wurzel desselben an der medialen Fläche eine 
tiefe Rinne, die Incisura mastoide:, hinzieht; medianwärts ist diese Rinne 
durch einen dem Warzenfortsatz parallelen, aber niedrigen scharfen oder 
stumpfen Kamm eingefasst. In ihr ist der hintere Bauch des M. digastrieus 
befestigt. Längs der medialen Seite des Kamms verläuft eine von der Art. 
oceipitalis herrührende Furche, Suuleus arteriae occipitalis. Im Uebrigen 
ist sowohl die Höhe, als das Ansehen der Oberfläche des Warzenfortsatzes 
sehr verschieden. Er ist rauh, mit Muskeleindrücken, Gefässöffnungen, un- 
regelmässigen Furchen und selbst kurzen zackigen Vorsprüngen versehen 
oder glatt, blasenartig aufgetrieben und durchscheinend, und verräth im 
letzteren Falle schon äusserlich die grosszellige Beschaffenheit seiner Di- 
plo&, deren Hohlräume sich in die Paukenhöhle öffnen. Oft ist der War- 
zentheil in der Nähe des oberen oder hinteren Randes von einem engeren 
oder weiteren Canal oder von mehreren Canälen durchbohrt, oder es wird 
ein solcher Canal durch die Vereinigung entsprechender Ausschnitte im 
Warzentheil des Schläfenbeins und Hinterhauptsbein gebildet, ein Canal, 
welcher den Knochen schräg ein-, vor- und abwärts durchsetzt und innen 
am hinteren Rande des sogleich zu erwähnenden Sulcus sinus transversi 
ausmündet. Es sind dies die Zoramina mastoidea, durch welche Arterien- 
zweige zur Dura mater treten und der Sinus transversus mit äusseren 
Schädelvenen anastomosirt. 


b. Warzen- 
theil. 


Aeussere 
Fläche. 


136 : Schliäfenbein. 


innere Durch eine scharf vorspringende Kante, die von der oberen Kante des 
as: Fig. 135. Felsentheils fast horizontal und 
mit gegen die Schädelhöhle ge- 
richteter Concavität auf den 
Warzentheil sich fortsetzt, ist die 
innere Oberfläche des letzte- 
ren in ein kleineres oberes und 
ein grösseres, unteres Feld ab- 
getheilt (Fig. 135). Das obere 
Feld bildet die hintere laterale 
Ecke der mittleren Schädelgrube ; 
es liegt fast horizontal und in 
einer Ebene mit der oberen 
Fläche des Felsentheils, in die 
es ohne Unterbrechung übergeht, 
Rechtes Schläfenbein von innen. + Sehnittiläche, während es von der innerenFlä- 
durch welche die Pyramide abgetrennt ist. che der Schuppe häufig, wenn- 
“Grenze des Schuppen- u. Warzentheils. gleich nieht beständig, durch die 
Spuren der oben erwähnten 
Spalte (*) getrennt ist. Das untere Feld liegt vertical, am unteren und 
hinteren Rande medianwärts umgebogen, und nimmi. die vordere laterale 
Ecke der hinteren Schädelgrube ein. Es ist ausgezeichnet durch eine breite 
Furche, Swlcus sinus Iransversi 1), welche am oberen Rande des Kno- 
chens genau unter der die beiden Felder scheidenden Kante beginnt, eine 
kurze Strecke weit dieser Kante paraliel läuft, dann aber von derselben 
im Bogen ab- und medianwärts zum unteren Ende des freien Knochenran- 
des ablenkt. Die Furche beherbergt einen Theil des Sinus transversus, der 
von der Querfurche der Hinterhauptsschuppe auf den Warzentheil über- 
geht, um von diesem wieder auf den Proc, jugularis des Hinterhauptsbeins 
zurückzukehren. 
Var. Das For. mastoideum kann eine bedeutende Weite erreichen und für das 
Foramen jugulare vicariiren. 
Die Aussenfläche des Warzenfortsatzes ist durch eine unregelmässige, zackige, 
im Ganzen perpendiculäre Furche getheilt, welche einer ehemaligen Spalte zwischen 
Schuppen- und Warzentheil entspricht. 


Hyrtl gedenkt eines Schläfenbeins, an welchem hinter und über dem äusseren 
Gehörgang eine kreisrunde, 3 Linien weite Oeffnung in die Trommelhöhle führt. 


e. Pyramide. An der Pyramide haben wir vier Kanten und vier Flächen zu un- 
terscheiden, welche den oben näher bezeichneten Kanten und Flächen des 
Körpers des Felsentheils entsprechen und zum Theil identisch sind. So 
sind (Fig. 136 u. 137) die hintere innere und die hintere äussere Fläche 
der Pyramide, sowie die obere und die hintere Kante derselben, Theile 
des Körpers des Felsentheils, welcher auch allein die Spitze der Pyra- 
mide darstellt. Dagegen ist die vordere innere Fläche der Pyramide nur 
in ihrer hinteren Hälfte vom Körper des Felsentheils, in der vorderen 
Hälfte von der Paukendecke gebildet und die vordere äussere Fläche der 
Pyramide ist identisch mit der vorderen Wand des Paukentheils bis zu der 


!) Fossa sigmoidea aut, 


Schläfenbein. 137 


Stelle, wo Pyramide und Schuppe in einem Winkel auseinanderweichen, 
der die hintere, die Spina angularis tragende Ecke des Temporalflügels 
aufnimmt. Die Richtung dieser vorderen äusseren Fläche der Pyramide ist 
im Allgemeinen die nämliche,, wie die der entsprechenden, hinter ihr ver- 
steckten Wand des Felsentheils, doch ist sie überall mehr gegen den Hori- 
zont geneigt und entfernt sich, je näher dem lateralen Rand (dem Porus 
acust. ext.) um so mehr auch nach vorn von dem Felsentheil. Die untere 
Kante der Pyramide geht aus der Verschmelzung einer Firste, die der 
unteren Fläche des Paukentheils angehört, mit der eigentlichen unteren 
Kante des Felsentheils hervor. Die vordere Kante der Pyramide endlich 
ist, so weit dieselbe mit der Schuppe in Verbindung steht, aus dem vor- 
deren Rande der Paukendecke und dem oberen Rande der Vorderwand 
des Paukentheils so zusammengesetzt, dass längs der medialen Hälfte des 
Paukentheils (Fig. 137) die beiden genannten Ränder unter sich und der 
überragende derselben mit dem Rande der Schuppe zusammenstossen , wei- 


Fig. 136 


Fig. 137 


Parallele Durchschnitte des Schläfenbeins in einer auf die Längsaxe der Pyramide 
senkrechten Richtung. Fig. 136 vor dem vorderen Rand des äusseren Gehörgangs. 
Fig. 137 vor dem Griffelfortsatz. Vergl. S. 128. 


ter lateralwärts hingegen (Fig. 136) der Rand der Paukendecke und des 
Paukentheils auseinanderweichen, jener aufwärts, dieser abwärts und beide 
zugleich vorwärts auf die Fläche der Schuppe, die sich auf diese Weise ge- 
wissermaassen zwischen die beiden genannten Knochenränder einzudrängen 
scheint. 

Ich gehe zu einer näheren Betrachtung zuvörderst der Kanten und 
Flächen der Pyramide über, um sodann auf die Wände der Höhle, welche 
von dem Pauken- und Felsentheil umschlossen wird, zurückzukommen. 
Die im Körper des Felsentheils enthaltenen Höhlungen des Labyrinths er- 
wähne ich nur soweit, als sie die Gestalt der Oberfläche des Knochens 
bestimmen. 


Kanten. 


138 : Schläfenbein. 


Die obere Kante der Pyramide (Fig. 140. s) von sanft wellenförmi- 
gem Verlauf, ragt frei in die Schädelhöhle ; sie setzt sich, wie oben erwähnt 
wurde, nach hinten auf den Warzentheil und von da weiter auf den oberen 
Rand der Querfurche der Hinterhauptsschuppe fort, trägt zur Abgrenzung 
der hinteren gegen die mittlere Schädelgrube bei und ist in ihrer ganzen 
Länge zur Aufnahme des Sinus petrosus sup. gefurcht. Die untere Kante, 
Crista petrosa (Fig. 138), ist ein scharfer, mehrmals ausgerandeter, zuwei- 
len auch in Zacken und Spitzen verlängerter Kamm, der von der Fissura 
/ympamico-masloidea an, sich an der vorderen Fläche des Proc. styloidens 

dicht vorüberzieht und nach vorn hin ver- 

liert. Die vordere Kante der Pyramide 
ist mit dem unteren Rande des Schup- 
pentheils in der eben angegebenen Weise 
Cea verbunden. Die Frssura petro-squa- 
mosa und pefro-tympanica verlaufen 
dicht neben einander und medianwärts 
nur wenig divergirend, durch ein schma- 
les, unregelmässiges Knochenplättchen 
Ds getrennt, welches sich wie die Schneide 

Tu eines von oben her zwischen den Rand 
Tt der Schuppe und des Paukentheils her- 
abgesenkten Keils ausnimmt. Dies Kno- 

Rechtes Schläfenbein von unten, der au ie or au u Fame 
Schädel um seine sagittale Axe mit der des Schuppentheils abwärts verlängerte, 
linken Seite aufwärts gedreht. Vgl. S. 141. vordere Rand des Teymen iympant. 
Ueber die Fissuren hinaus setzt sich der 

obere Rand der vorderen Wand des Paukentheils medianwärts noch eine 
kleine Strecke weit in Form einer rauhen Fläche fort, an welche sich die 
Basis der Spina angularis mit einer entsprechenden Fläche anlehnt. Sodann 
fällt der obere Rand des Paukentheils gegen die untere Kante in einem 
perpendieulären und rauhen, nicht selten abwärts in eine platte Zacke ver- 
längerten Rande ab, hinter welchem die vordere untere Fläche des eigent- 
lichen Felsentheils, als Spitze der Pyramide, zum Vorschein kommt. An 
dieser Spitze ist die untere Kante, wie erwähnt, nur schwach angedeutet, 
die vordere Kante aber, die vom Ende des angewachsenen Randes der Pau- 
kendecke sich medianwärts fortsetzen sollte, ist in der Regel ganz unschein- 
bar, so dass die vordere innere und vordere äussere Fläche des Felsentheils 
zu Einer convexen Fläche zusammenfliessen und die Pyramide gegen die 
Spitze einem dreiseitigen Prisma ähnlich wird. Die hintere Kante der 
Pyramide (Fig. 139 und Fig. 142 p) beginnt am unteren Ende des 
freien Randes des Warzentheils als hinterer Rand der dreiseitigen 
Fläche, durch welche das Schläfenbein an die Seitenfläche des Proces- 
sus jugularis des Hinterhauptsbeins angefügt ist; sie geht dann anfangs 
scharf und allmälig stumpfer mehrfach ausgebogen oder ausgezackt vor- 
wärts und steigt zuletzt schräg zur oberen Kante (Fig. 142) auf, um sich 
mit ihr an der Spitze des Felsentheils unter einem spitzen Winkel zu ver- 
binden. Der laterale scharfe Theil der hinteren Kante ist in der Schädel- 
höhle als vorderer Rand des Foramen jugulare sichtbar. Durch einen Vorsprung 


Fig. 138. 
Fps Cit 


Schläfenbein. 139 


oder Stachel, Processus infrajugularis partis petrosae, wird er, gleich der 


Fig. 139. 


Rechtes Schläfenbein von unten, der 
Schädel um seine sagittale Axe mit 
der rechten Seite aufwärts gedreht. 


Ineisura jug. des Hinterhauptsbeins, in zwei 
Concavitäten, Incisura jugul. lateralis u. 
medialis (ant. und post.), geschieden. Der 
mediale, stumpfere Theil der Kante geht 
entlang der lateralen Kante des Hinter- 
haupts- und des hinteren Theils des W espen- 
beinkörpers. Zwischen diesen Knochen einer- 
und der Pyramide andererseits bleibt eine 
enge und unregelmässige, von Faserknorpel 
oder von einer Reihe platter Knöchelchen 
ausgefüllte Spalte, Fissura petrobasilaris 
(Fig. 93); sie verläuft, von der Schädel- 
höhle aus betrachtet, im Grunde einer 
Rinne, welche in der Regel zum grösseren 
Theile vom Hinterhaupts- und Wespenbein, 
zum kleineren vom Felsentheil gebildet wird 
und den Sinus petrosus inf. enthält. 


Var. In der Fissura petrobasilaris kommt vor dem Foramen jugulare ein run- 


des Loch vor, von Ausschnitten 


des Schläfen- und Hinterhauptsbeins begrenzt, 


in welchem abgesöndert der Sinus petr. inf. verläuft. 

An der vorderen inneren Fläche der Pyramide ist der massive 
Theil von dem unterhöhlten und über die Paukenhöhle zur Schuppe her- 
übergespannten T'egmen Iympani schon dem äusseren Ansehen nach, 


Fig. 140. 
Fps 


Linkes Schläfenbein von oben, der 

obere Theil der Pars squamosa u. 

mastoidea durch einen horizontalen 
Schnitt entfernt. 


D) Jugum petrosum. 


vermöge der Durchsichtigkeit des letzteren, 
leicht zu unterscheiden. Im medialen Theil 
dieser Fläche (Fig. 140), wo die Flissu- 
ra petro - squamosa deutlich zu werden 
beginnt, setzt sich die Paukendecke ge- 
wöhnlich auch gegen die Oberfläche des 
Felsenbeinkörpers durch eine Längsfurche, 
oder eine unregelmässige Längsspalte, oder 
auch nur durch eine veränderte Neigung 
der Oberfläche (Fig. 137) ab. Dem Fel- 
sentheil allein gehört eine Wölbung, Himi- 
nentia arcualıa)), an, die sich an der 
Grenze des lateralen und mittleren Drittels 
desselben rechtwinkelig auf dessen Längs- 
axe von der oberen Kante gegen die vor- 
dere erstreckt; sie rührt her von dem vor- 
deren perpendieulären Bogengang des La- 
byrinths, welcher hier bis nahe unter die 
Oberfläche des Knochens tritt. Etwas nä- 
her der Spitze der Pyramide und dicht ne- 
ben der Paukendecke findet sich, von 
einem unebenen Rande überragt, eine 


Flächen, 
vordere 
innere 


Vordere 
äussere 
Fläche. 


140 Schläfenbein. 

spaltföormige Oeffnung, Hiatus Canalis facialis ), zu welcher von der 
Spitze der Pyramide her und parallel der Längsaxe derselben eing 
seichte gerade Furche führt. In der Furche liegt der N. petrosus superf. 
maj.; durch die Oeffnung tritt er in einen Canal, der ebenfalls ganz inner- 
halb des Felsentheils eingeschlossen ist und nach kurzem geraden Verlauf 
mit dem Canalis facialis, wovon später, zusammenmündet. Die der Spitze 
der Pyramide zunächst gelegene Partie der vorderen inneren Fläche ist 
dicht unter der oberen Kante eingedrückt, zur Aufnahme des Stammes des 
N. trigeminus (Impressio trigemini); nach unten, über dem carotischen 
Canal, ist sie vom Rande der medialen Oeffnung dieses Canals aus mehr 
oder minder tief ausgebuchtet. Die Paukendecke hat, für sich betrachtet, 
ungefähr die Gestalt eines mit der Basis an den Felsentheil gefügten stumpf- 
winkeligen Dreiecks mit abgestutzten Winkeln; sie ist über der eigentlichen 
Paukenhöhle am breitesten und verschmälert sich lateral- und medianwärts 
über den Zellen des Warzenfortsatzes und über dem Can. musculo-tubarius. 
Der mediale schmalere Theil ist meistens vom Körper des Felsentheils durch 
eine der Längsaxe des letzteren parallele Spalte geschieden, welche sich zu- 
weilen bis an den Hiatus Can. facialis erstreckt; er ist vom freien Rande 
aus mehrfach eingekerbt, wie gesplittert; der Eine dieser Splitter tritt durch 
seinen freien Rand mit einem platten Fortsatz der hinteren Wurzel des Tem- 
poralflügels in Verbindung. Zwischen den Splittern oder in dem Winkel 
zwischen der unteren Fläche der Paukendecke und der vorderen unteren 
Fläche des Felsentheilkörpers, mittelst eines longitudinalen Leistchens von 
dem Lumen des Can. musculo-tubarius geschieden, verläuft parallel dem 
Suleus n. petr. superf. maj. ein feines Canälchen, der obere Theil des Can. 
tympanicus, dessen Eingang (Aperltura sup. Can. tympaniei) sich nahe 
an dem Hiatus Can. fac. und gewöhnlich in gerader Richtung vor demsel- 
ben befindet. Auch zum Eingang in dieses Canälchen führt öfters eine 
feine, dem Suleus n. petr. superf. maj. parallele Furche; in dieser Furche 
und durch das Canälchen verläuft der N. petr. superf. min. 


Ausser den benannten Erhabenheiten, Furchen und Löchern zeigt die vordere 
innere Fläche der Pyramide noch unbeständige Gehirneindrücke, Gefässrinnen und 
Foramina nutritia. Der Can. n. petr. sup. maj. bietet zahlreiche Abweichungen dar: 
häufig ist die obere Wand desselben unvollständig oder fehlt und die entsprechende 
Furche ist im letzteren Fall offen bis an den Can. facialis. Oft ist der Hliatus Can. 
fac. durch eine Knochenbrücke perpendiculär getheilt. Nach der Ap. sup. Can. 
tympanici sucht man an manchen Schläfenbeinen vergeblich, der entsprechende 
Nerv muss hier entweder durch den Hiatus ©. fac. oder durch die Tuba eintreten. 
In anderen Schläfenbeinen kommen um die Ap. sup. Can. tympanici feine Oeffnun- 
gen vor, welche Arterienzweige in die Gehörhöhle und zunächst in den Can tens. 
tymp. (s. unten), oder in den Can. n. petr. superf. maj. führen. Der Suleus sin. 
petr. sup. verläuft, statt in der oberen Kante, neben derselben über die vordere in- 
nere Fläche der Pyramide. 

Ueber die Impressio trigemini ragt von deren medialem Rande ein stachelför- 
miger, kurzer Fortsatz seit- und rückwärts. 


Die vordere äussere Wand der Pyramide ist, so weit sie dem Pau- 


\) Hiatus canalis Fallopiae. Apertura spuria C. F. 


Schlätenbein. 141 


kentheil angehört, im oberen Theil nach vorn gewölbt, unten nach vorn 
coneav; sie ist glatt oder von feinen Gefässrinnen und Ernährungslöchern 
rauh, mächtig oder dünn und stellenweise durchscheinend (Fig. 141). Vor 
dem medialen Rande des Paukentheils 
mündet der Can. musculo-tubarius. 
Wo neben diesem Rande die entspre- 
chende Fläche des Felsentheils zu Tage 
Cca kommt, hat die letztere noch eine an- 
sehnliche Höhe, verjüngt sich aber ge- 
gen die Spitze der Pyramide. Sie liegt, 
an der Aussenfläche der Schädelbasis 
j sichtbar, dicht hinter dem freien hinteren 
N Rande des Temporalflügels, demselben 
lu parallel und gegen ihn geneigt und be- 
\rt grenzt so von hinten her die Fissura 
spheno-petrosa, eine schmale und gerade, 
von Faserknorpel ausgefüllte Spalte, wel- 
Bu a Sr che, von aussen betrachtet, den tiefsten 
der linken Seite aufwärts gedreht. Theil der Rinne ausmacht, in welcher 
die knorpliche Tuba eingebettet ist. Der 
von dem Tegmen tympani überdeckte laterale Theil der vorderen äusseren 
Wand des Felsentheils trägt etwa in der halben Höhe des Can. musculo- 
tubarius ein horizontales, aufwärts concaves Plättchen, Sep/um tubae, wel- 
ches in selteneren Fällen die gegenüberstehende Wand erreicht, gewöhnlich 
aber durch einen fibrösen Streifen ergänzt wird und auf die eine oder an- 
dere Art den Can. musculo-tubarius in zwei übereinander gelegene Canäle 
scheidet. Der untere dieser Canäle, dessen Wände von Schleimhaut aus- 
gekleidet werden, ist die knöcherne T'uba. der obere, Can. tensoris tym- 
pani ), wird vom M. tensor tympani ausgefüllt. Das Septum tubae ver- 
liert sich medianwärts auf der vorderen Wand des carotischen Canals; von 
dem lateralen Ende in der Paukenhöhle wird später die Rede sein. Die 
Wand, die den Can. tensoris tympani vom carotischen Canal scheidet, be- 
steht nicht selten aus zwei Lamellen, welche eine sehr dünne Lage diplo&- 
tischer Substanz zwischen sich schliessen. Zwischen beiden Lamellen oder 
in der Dicke der Wand, wenn sie massiv ist, läuft ein feines Canälchen in 
einer dem Can. tensoris tympani parallelen Richtung; wir nennen es nach 
dem Nerven, der in demselben eingeschlossen ist und welcher aus der Pau- 
kenhöhle vorwärts zu dem die Carotis umspannenden Nervengeflecht geht, 
Can. n. petr. prof. minoris. Die laterale Mündung dieses Canals liegt 
in der medialen oberen Ecke der Paukenhöhle oder in der Tuba dicht un- 
terhalb des Septum derselben; die mediale Mündung findet sich in der vor- 
deren Wand des Can. caroticus, entweder gerade auf dem Rande derselben, 
oder an ihrer inneren oder äusseren Fläche; im letzteren Fall läuft der aus 
dem Canal hervorgetretene Nervenzweig in einer Furche der Aussenfläche 
dieser Wand bis zur medialen Oeffnung-des Can. caroticus weiter. (Vergl. 
Fig. 146 A*.) 


Fig. 141. 
Fps Ctt 


Fim Crp Fpt 


1) Semicanalis T. t. — Sulcus musculosus. 


% 


142 Schläfenbein.. 


_ Var. Oft ist die vordere Wand des äusseren Gehörorganes in einer kleineren 
oder grösseren Ausdehnung durchbrochen. Cassebohm, Tract. de aure humana. 
Hal. 1734. p. 28. Taf. I, Fig. 2r‘. Dieterich a.a. O.S. 10, Fig. 1 bb. 


Hintere, in: Auf der hinteren inneren Fläche der Pyramide (Fig. 142) zeichnet 
nereFläche. sich etwä&.in der Mitte ihrer Länge und etwas näher der oberen Kante, 
als der unteren eine weite, rundliche oder 
Fig. 142. quer - elliptische Oeffnung mit überhän- 
gendem und abgerundetem oberen Rande 
aus, der Porus acust. int., von welcher 
aus ein Canal, 6"Wm Jang, in fast genau 
transversaler Richtung ins Innere des 
Knochens führt; der Canal ist der innere 
Gehörgang, Meat. acust. int.!), zur 
Aufnahme des N. facialis und acustieus 
und der Art. auditiva int. bestimmt. Der 
auf den ersten Blick anscheinend blinde 
Grund desselben?) ist durch eine queren 
Arnold Ijın Vorsprung in eine obere und untere 
Ä i j Grube, jede dieser Gruben wieder durch 
a Sen En einen niedrigen Wulst perpendiculär in 
Gesicht stark nach rechts und zugleich eine mediale und laterale getheilt. Die 
abwärts. P77. Proc. intrajugularis. Jjl. beiden unteren Gruben und die laterale 
Jim. Ineisura jug. later. und med. - > x 
obere sind nur von sehr feinen Löchern 
siebförmig durchbohrt, durch welche die 
Nerven- und Gefässzweige zum Labyrinth treten; die mediale und zu- 
gleich mehr nach vorn gelegene obere Grube setzt sich in den Can. n. 
facialis fort. 
Seitwärts vom Porus acust. int. und näher der oberen Kante des Fel- 
sentheils findet sich eine blinde, einer eingezogenen Narbe ähnliche, von 
der Spitze der Pyramide her zugängliche Vertiefung (***), eine unvollständig 
ausgefüllte Grube unter dem oberen perpendiculären Bogengang. Noch 
weiter seitwärts, etwa in der Mitte zwischen dem Porus acust. int. und dem 
Rande des Suleus sinus transv. und in gleicher Höhe mit dem ersteren 
verläuft in verticaler oder schräger Richtung eine von einem scharfen Rand 
verdeckte und von der Grundfläche der Pyramide her zugängliche Spalte, 
die 4pertura externa aquaed. vestibuli, durch welche die harteHirnhaut 
gefässhaltige Fortsätze zur Beinhaut des Labyrinths schickt. So weit der 
untere Rand dieser Fläche die Fissura petrobasilaris begrenzen hilft, streicht 
dem Rande entlang eine Furche, deren obere Kante so sehr vorragt, dass 
die Höhlung der Furche medianwärts und: theilweise sogar abwärts sieht. 
Wir nennen sie Semisuleus pelr. inf. Mit der gleichbenannten Furche 
des Hinterhauptsbeins setzt sie die bei der Beschreibung des Hinterhaupts- 
beins erwähnte tiefe Rinne zusammen, welche den Sinus petr. inf. trägt. 


Var. Der überhängende obere Rand des Porus acust. int. ist medianwärts, 
seltener rückwärts in eine stumpfe oder scharfe Zacke verlängert (Crista tentorii 


I) Canalis communis nervorum auditus. 
Septum meat. acust, 


Schläfenbein. 143 
M: J. Weber), welche in das Tentorium vorspringt und dem Sinus petrosus sup. 
zur Unterlage dient. “ 

Die hintere äussere Fläche der Pyramide ist unregelmässig, durch 
Gruben, Oeflnungen und Fortsätze ausgezeichnet (Fig. 143). Wir thei- 

len dieselbe, der leichteren Uebersicht we- 
Fig. 143. gen, durch drei senkrecht auf die Längs- 
axe der Pyramide geführte parallele Linien 
in vier Zonen, von welchen jede folgende me- 
dianwärts und zugleich etwas nach vorn 
von der vorhergehenden liegt. Die Dimen- 
sionen dieser Zonen sind an manchen Schlä- 
fenbeinen einander ziemlich gleich, doch 
kann sich jede auf Kosten der angrenzen- 
den vergrössern. Die in derselben Zone 
hinter einander gelegenen Theile kommen, 
wegen der Neigung der ganzen Fläche, je 
weiter nach hinten um so höher und um so 
näher der Medianebene zu liegen. 

Die erste Zone, vom Proc. mastoid. 
an gerechnet, wird in ihrer hinteren Hälfte 
von der etwas vertieften und überknorpelten 
Fläche, Synchondr. pelro-occipil. einge- 
nommen, durch welche das Schläfenbein 
mit dem Hinterhauptsbein zusammengefügt 
ıst und später verschmilzt. Aus der vorde- 
ren Hältfte dieser Zone ragt der Griffelfort- 
satz, Proc. stylotideus, hervor, ein eylindri- 
scher, stellenweise comprimirter, gerader oder 
schwach gekrümmter Stift von sehr verän- 
derlicher Länge, mit der Spitze ab-, vor- 
und wenig medianwärts gerichtet. Seine 
Basis ist vorn und seitlich von der Crista 
petrosa, wie von einer Scheide umsäumt 

Rechtes Schläfenbein von unten, und meistens auch nach den anderen Seiten 
der Schädel um seine sagittale Axe E © . B 
mit der rechten Seite aufwärts gedr. VOR einem Graben, in welchem sich feine Er- 
nährungslöcher befinden, und einem niedrigen 
Wall!) umgeben. Seitlich von der Basis des 
Griffels, in einer Vertiefung, die sich rück- und seitwärts in die Incisura 
mastoidea fortsetzt, liegt das For. siy.omasloideum, die äussere Oeflnung 
des Can. facialis und Eintrittsstelle der Art. stylomastoidea. 


Die zweite Zone ist in ihrem ganzen Umfange oder doch bis in die 
Nähe des vorderen Randes glatt und vertieft, eine weite Grube, F'ossa jugu- 
laris, mit scharfen Rändern oder, in der natürlichen Lage des Schläfenbeins, 
eine Kuppel, die sich über den oberen und vorderen Theil des Ursprungs 
der V. jugularis an der Schädelbasis wölbt. Ueber die Mitte dieser Grube 


!) Vagina proc. styloidei, 


Hintere 
äussere 
Fläche. 


144 Schläfenbein. 


zieht, parallel der Längsaxe der Pyramide, eine seichte Furche, Swleus r. 
auricul. vugi, und am seitlichen Ende dieser Furche, dicht am Rande der 
Fig. 144. Fossa jugularıs, liegt eine feine Oeffnung, 
die in den Can. mastoideus führt. Dieser 
Canal, zur Aufnahme des genannten R. aur. 
vagi bestimmt, verläuft durch die Dicke des 
Felsentheils, dann an der Grenze des Fel- 
sen- und Warzentheils in transversaler und 
etwas aufwärts convexer Richtung und in 
zwei AbtheilungeMfvon welchen die erste 
(mediale) von der Fossa jugularis bis in 
den Can. facialis, die zweite (laterale) vom 
Can. facialis bis zur Fissura tympanico-ma- 
stoidea reicht, in welcher er, gegen das Ende 
meistens gabelig getheilt, mit zwei feinen 
Oeffnungen mündet. F 

In der dritten Zone ist die vordere Hälfte eine grosse, kreisrunde 
Oeflfnung, der Eingang des Can. caroficus : die hintere Hälfte nimmt eine 
trichterförmige, dem Abdruck einer flachen, dreiseitigen Pyramide ähnliche 
Grube ein, aus deren Spitze eine rundliche Oeffnung zum Aquaeductus 
cochleae führt (Ap. ext. Ag. c.), der, gleich dem Aquaeductus vestibuli, die 
Verbindung der äusseren Beinhaut mit der Beinhaut des Labyrinthes vermit- 
telt. Ein scharfer Kamm scheidet die Fossa jugular. von dem Eingange des 
Can. earoticus, ein stumpferer Kamm, der sie von der Apertura ext. aquae- 
ductus cochleae scheidet, stösst mit seinem hinteren Ende aufden Proe. in- 
frajugularis (Fig. 143) des hinteren Randes der Pyramide. Dicht vor der 
Mitte dieses Kamms und genau am hinteren Rande des For. caroticum liegt 
flach oder in einem seichten Grübchen 2) die feine Apert. inf. Can. tympaniei. 
die den gleichnamigen Nervenast (vom N. glossopharyngeus) auf- und seit- 
wärts in die Paukenhöhle führt. Eine noch etwas feinere Oeffnung findet 
sich, von dem Eingange des Can. caroticus aus sichtbar, in der hinteren Wand 
des aufsteigenden Theils des letzteren; von ihr geht ein Canälchen aus, 
welches in ziemlich gleicher Richtung mit dem Can. tympanicus die dünnere 
oder dickere Knochenwand zwischen Paukenhöhle und Can. caroticus durch- 
setzt. Die Oeffnung und das Canälchen heissen nach dem Nervenzweig, 
den sie einschliessen F'or. und Can. carolicolympanieus. 

Die vierte Zone entspricht in ihrer vorderen (lateralen) Hälfte, die sich 
gegen den medialen, gewöhnlich etwas ausgeschnittenen Rand hin zuschärft, 
dem Boden des carotischen Canals, in der hinteren (medialen) Hälfte der 
massiven Spitze der Pyramide; sie ist unregelmässig, rauh, von einer Masse 
feiner Ernährungslöcher durchbohrt; der massive Theil, der sich übrigens 
auch bezüglich seiner inneren Textur der spongiösen Knochensubstanz nä- 
hert, ist öfters von tiefen Furchen oder Gruben durchzogen, die von Fort- 
setzungen des Faserknorpels, welcher das For. lacerum schliesst, ausgefüllt 
werden. Gegen den vorderen Rand glättet sich dieser Theil der vorderen 
unteren Fläche allmälig und biegt ebenso allmälig in die vordere innere Flä- 


Fst 


\) Fossula petrosa. 


Schläfenbein. 145 


che des Felsentheils um, die die Furche zur Aufnahme der knorplichen 
Tuba von hinten her begrenzt. 


Var. Der Proc. styloideus besteht aus zwei oder selbst mehreren, durch Syn- 
chondrose verbundenen Abtheilungen. 

Neben den feinen Mündungen des Can mastoideus in der Fissura tympanico-ma- 
stoidea, neben der Apertura inf. can. tympanici und dem Aquaeductus cochleae kom- 
men Ernährungslöcher vor, von welchen die betreffenden Oeffnungen manchmal 
schwer zu unterscheiden sind. Von dem einen oder anderen der in der Fissura tyın- 
panico-mastoidea befindlichen Löcher geht zuweilen ein feines Canälchen aus, das in 
der Tiefe des knöchernen Gehörganges ausmündet. Statt eines N. und Can. caro- 
tico-tympanicus finden lich: selten zwei feinere. Auch aus der Fossa jugularis 
fuhren mitunter feine Löcher gerade aufwärts in die Paukenhöhle. 


Die Höhle desGehörapparats, welche das Schläfenbein von einer Gehörhönle 
Seite zur anderen durchzieht, hat, im Grossen und Ganzen betrachtet, die Form 
eines liegenden Y; der Theil der Höhle, welcher dem Fuss des Y entspricht, 
ist parallel der Längsaxe des Felsentheils median- und vorwärts, die bei- 
den divergirenden Schenkel sind neben einander, jedoch nicht in ganz glei- 
cher Höhe, seit- und rückwärts gerichtet (Fig. 145). 

Fig. 145. Der Vorsprung, an welchem 
sich der einfache Canal in zwei 
Arme bricht, wird vomMargo !ym- 
panicus des Schuppentheils und 
von der convexen Aussenfläche des 
Warzenfortsatzes mit der daran 
lehnenden Wand des Paukentheils 
gebildet. Der. Schenkel, welcher 
unter dem Paukenrand des Schup- 
pentheils und längs der Aussen- 
fläche des Warzenfortsatzes ent- 
schiedener transversal verläuft, ist 
der äussere Gehörgang, Meatus 
acust.ext.,.der einfache Canal in 
Verbindung mit dem anderen me- 
Rechtes Schläfenbein, Horizontaldurchschnitt der dialen und mehr in der Flucht des 


Pyramide. } Horizontaldurchschnitt der vorderen einfachen Canals gelegenen Schen- 


Wand des Paukentheils. /a. Gehörlabyrinth. | Er ? i - 
Tt. Untere Fläche des Tegmen tympani. Stu. kel stellt die Höhle des mittleren 
Septum tubae. Cca. Untere Fläche der obe- Ohrs dar. 


sen Wand des Cam. carot. Die Höhle des mittleren Ohrs zer- 

fällt, wie schon bei der allgemeinen 

Beschreibung des Schädels angegeben wurde, in drei nur unvollkommen 
gegen einander abgegrenzte, neben oder hinter einander gelegene Abthei- 
lungen. Die mittlere Abtheilung, welche sich der Einmündung des äusse- 
ren Gehörgangs gerade gegenüber befindet, ist diePaukenhöhle, Cavum 
Zympani; aus ihr geht vor- und medianwärts der Can. musculolubarüus, 
rück- und lateralwärts das Antrum mastoideum hervor. Die Paukenhöhle 
und der Can. musculo-tubarius haben im Wesentlichen die gleiche Form 
und Begrenzung. Die Grundform beider Höhlen: ist die eines dreiseitigen 
Prisma, mit einer hinteren Wand, einer dachförmig geneigten oberen und 


Henle, Anatomie. Thl. I. 10 


146 Schläfenbein. 


einer schräg aufsteigenden vorderen oder unteren Wand (vgl. Fig. 125 — 
127). Die hintere Wand ist identisch mit derjenigen Fläche des Felsentheils, 
die ich die äussere vordere genannt habe: sie ist also etwas abwärts und 
stark lateralwärts gerichtet. Die obere Wand haben wir als Paukendecke 
beschrieben, sie scheidet das mittlere Ohr von der Schädelhöhle. Die vor- 
dere Wand, ebenfalls stark zur Seite gekehrt, ist zum Theil identisch mit 
der vorderen äusseren Wand der Pyramide und gehört, so weit sie den 
Can. musculo -tubarius begrenzt, dem Paukentheil des Schläfenbeins an. 
Wo nun aber die vordere Wand dieses Knochentheils auf ihrem Weg von 
der Mündung der Tuba zum Porus acust. ext. aus der diagonalen Richtung 
in die eigentlich laterale übergeht und vordere Wand des äusseren Gehör- 
gangs wird, da wird die Stelle einer vorderen Wand der Paukenhöhle durch 
eine Membran, das Paukenfell, vertreten, die in gleicher Flucht mit dem 
Paukenrand der Schuppe und mit der medialen Wand des Paukentheils von 
jenem zu diesem herübergespannt ist. Eine schmale und seichte Furche, 
Sulcus tympanicus (Fig. 146B), zwischen zwei parallelen, feinen 
Fig. 146 A. 


tr 


Fig. 146B. 


Pyramide des linken 
Schläfenbeins, in den 
Felsen- und Pauken- 
theil zerlegt; der Fel- 
sentheil von der vor- 
deren äusseren Fläche, 
der Paukentheil, um- 
gelegt, von der ange- 
wachsenen Fläche. + 
correspondirende 
Schnittflächen des Fel- 
sen- und Paukentheils. 
Tr Schnittfläche, durch 
welche dieSchuppe ab- 
getrennt ist. T£. Teg- 
men tympani. * Mün- 
dung des Can. n. petr. 
prof. min. vgl. S. 141, 


Leistchen, bezeichnet auf der inneren Fläche der vorderen Wand des Pan- 
kentheils die Einfügungsstelle des Paukenfells. Sie steigt auf der vorde- 


Schläfenbein. 147 


ren Platte des Paukentheils ziemlich in der Mitte zwischen dem lateralen 
und medialen Rande derselben senkrecht herab und auf der hinteren Platte 
des Paukentheils unmittelbar am lateralen Rande derselben wieder hinauf. 

In mancherlei Weisen wird die eben dargestellte Grundform gestört. 
Die Decke der Paukenhöhle ist von sehr verschiedener Mächtigkeit und 
öfters an ihrer unteren Fläche mit einer Lage zelliger Knochensubstanz be- 
kleidet. Der Uebergang der hinteren Wand zur vorderen geschieht in der 
Paukenhöhle und selbst im Anfang der Tuba mittelst einer Aushöhlung, 
die man als untere Wand oder Boden der Paukenhöhle unterscheiden könnte. 
Auch diese Wand ist meistens mit zahlreichen feinen Zellen) besetzt. Be- 
sonders reich an Unebenheiten von verschiedener Bedeutung ist aber die 
hintere Wand der Paukenhöhle und des Can. museulo-tubarius. 

Was an dieser Wand zuerst in die Augen fällt, ist etwas über der 
Mitte ihrer Höhe das Vorhofsfenster, F'enes/ra veslibuli?), eine glattran- 
dige, halb-ovale oder nierenförmige, mit dem längsten Durchmesser (3mm) 
parallel der Längsaxe der Pyramide und mit dem convexen Rande nach 
oben gestellte Oeffnung, welche, wie das sogleich zu beschreibende schne- 
ckenfenster, in die Höhle des knöchernen Labyrinthes führt. Das Vorhofs- 
fenster liegt im Grunde einer mehr oder minder tiefen, trichierförmigen 
Grube, nach verschiedenen Seiten von verschiedenen Wülsten überragt. 
Quer über den oberen Rand desselben zieht ein halbeylindrischer Wulst, 
von einer dünnen Knochenplatte gebildet, welcher sich gegen die laterale 
Grenze der Paukenhöhle etwas abwärts senkt und in der Basis des Felsen- 
'theils verliert. Es ist die Vorderwand des queren Theils des Can. facialis. 

Fast beständig findet sich in dieser Wand, zunächst der lateralen Grenze der 
-Paukenhöhle, eine ovale, mit dem längsten Durchmesser parallel der Längsaxe des 
Canals gestellte Veffnung, die aber nur in ‚macerirten Knochen wegsam und am 
frischen Präparate vollständig von fibröser Haut geschlossen ist. 

Die Stelle des Knies des Can. facialis liegt etwa um die Länge des 
Vorhöfsfensters medianwärts von der medialen Spitze des letzteren; über 
dieser Spitze aber ist der Wulst des Can. facialis durch das laterale Ende 
des Uun. fensoris tympani verdeckt. Das Septum tubae setzt sich nämlich 
von der hinteren Wand des Can. musculo-tubarius in gerader Richtung oder 
kaum ansteigend auf die hintere Wand der Paukenhöhle fort. Schliesst es 
len Can. tensoris tympani vollständig, so geht sein vorderer Rand von der 
Vorderwand des Can. musculo - tubarius allmälig an die Decke desselben 
und endlich nach oben umgerollt an die hintere Wand der Paukenhöhle 
über und lässt an der Spitze des Canals nur eine kleine Lücke zum Aus- 
tritt der Sehne des M. tens. tymp. übrig. Ist aber der vordere Rand des 
Septum tubae, wie dies die Regel ist, frei, so biegt er an der bezeichneten 
Stelle iiber dem ovalen Fenster in einem kurzen Bogen um in ein ähnliches, 
nur schmaleres und mit dem freien Rande abwärts geneigtes Plättchen, 
welches oberhalb des Septum tubae und parallel demselben eine kurze 
Strecke gegen die mediale Mündung des Can. museulo-tubarius zurückläuft. 
Der umgebogene Theil des Plättchens, welches den Can. tensoris tympani 


\ 


N Cellulae tympanicae. 
?) Fen. owalis. F. semiovalis. M. J. Weber. 3 


10* 


148 Schläfenbein. 


blindsackig abschliesst, wird Proc. cochleariformis genannt. Die Oeff- 
nung, aus welcher die Sehne des Tensor tympani hervortritt, hat in diesem 
Falle nur zur Hälfte einen knöchernen, zur anderen Hälfte einen fibrösen Rand. 

Auf der anderen Seite, lateral- und etwas abwärts von der lateralen 
Spitze des Vorhofsfensters und dicht vor dem Anfang des perpendiculären 
Theils des Canalis facialis, löst sich von der unregelmässig zelligen Wand 
derPaukenhöhle ein kegelförmiger Vorsprung ab, die Kminentia stapedü)), 
dessen Spitze, von einer feinen Oeffnung durchbohrt, in gleicher Höhe mit 
dem unteren Rande des Vorhofsfensters liegt und mit diesem durch ein 
feines Stäbchen (von 11/gmm Länge) verbunden ist (Fig. 147). Das Kegelchen ist 


hohl und umschliesst den M. stapedius, dessen Sehne durch die feine Oefl- 
nung an der Spitze austritt, indess durch eine Communicationsöffuung der 
Basis mit dem Can. facjalis ein Zweig des N. facialis zu dem Muskel ge- 
langt. ’ 

Am unteren Rande des Vorhofsfensters endlich beginnt eine Wölbung, 
Promontorium, welche sich ab- und medianwärts ausbreitet und nach diesen 
Richtungen sanft senkt, lateralwärts aber steil und wie abgeschnitten mit 
einerFläche abschliesst, welche gegen die Basis der Pyramide schaut. In dieser 
Fläche liegt das bereits genannte Schneckenfenster, F'enestra cochleae?), 
rundlich, mit einem Durchmesser, welcher dem kleineren Durchmesser der 
Fen. vestibuli ungefähr gleichkommt, mit glatten, etwas wulstigen Rändern, 
gerade unterhalb der Fen. vestibuli, durch eine Brücke von etwa 2 mm Höhe 
von derselben geschieden. 

Das Promontorium ist die Wand der untersten Windung der Schnecke 
des Labyrinths und demnach eine Tafel der compacten Substanz, welche 
nach allen Seiten dasLabyrinth begrenzt. Es ist glatt und glänzend, jedoch 
durchzogen von einigen dicht unter der Oberfläche verlaufenden Canälchen, 
welche meistens in grösseren Strecken durch Schwinden der dünnen Knochen- 
decke sich in Furchen umgewandelt zeigen. Unter diesen Furchen oder Canäl- 
chen ist das ansehnlichste ein Theil des Can. fympanieus (in welchem der 


)) E. pyramidalis s. papillaris. 
®) Fen. zotunda. 


Schläfenbein. 149 


N.petrosus sup. min. und derN. tympanicus glossopharyngei in einander über- 
gehen). Der Can. tympanieus läuft von der oberen Oeffnung auf der vorderen 
inneren Wand der Pyramide (S. 140) an lateralwärts, erst eine kurze Strecke 
der Längsaxe der Pyramide parallel, dann hinter dem Can. tensoris tym- 
pani, oder in einer Furche der hinteren Wand des letzteren steiler abwärts 
und gelangt unter dem Proc. cochleariformis, nahe an der medialen Spitze 
des Vorhofsfensters, in die Paukenhöhle. Weiter geht er als Canal oder 
Rinne in einer geraden oder gebrochenen und mit dem Scheitel median- 
wärts gerichteten Linie auf dem Promontorium nach unten und verlässt die 
Paukenhöhle wieder durch ein Canälchen des Bodens derselben, welches 
unterhalb des Schneckenfensters beginnt und medianwärts absteigend mit 
der Ap. inf. can. tympanici (S. 144) mündet. 

Etwa von der Mitte des Paukenhöblentheils des Can. tympanicus, bald 
von Einem Punkte, bald gesondert, gehen zwei oder drei Furchen in media- 
ler Richtung ab, Nervenzweige zu oder von dem N. tympanieus führend. 
Die obere Furche (Suleus n.petr.prof. min.) setzt sich sanft ansteigend bis 
in die Tuba fort und geht an dem medialen Ende der letzteren in den 
gleichnamigen Canal (S. 141) über. Die untere Furche oder die beiden 
unteren, Sulei carofico-tympanici, gehen gerade oder leicht gebogen ab- 
wärts und stossen auf die Foramina carotico-tympanica in der Wand des 
Can. caroticus. 

Noch sind zwei Oeffnungen in der Paukenhöhle zu erwähnen, die Ein- 
und Austrittsstelle der Chorda tympani, welche beide dicht hinter dem An- 
heftungsrande des Paukenfalls liegen. Die Eintrittsstelle oder die Apertura 
/ympanica Can. chordae (Fig. 148) findet sich am seitlichen unteren 
Rande des Paukenfells und am Boden. der Paukenhöhle in der Ecke, welche 
die hintere Wand der Paukenhöhle mit der vorderen bildet; die Austritts- 
stelle ist die Fissura petro-tympanica, hinter dem medialen oberen Rande 
des Paukenfells, in der Ecke, in welcher die hintere und die obere Wand 
der Paukenhöhle zusammenstossen. 

Die Paukenhöhle verjüngt sich nach vorn zum Can. musculo-tuba- 
rius durch Verschmälerung und gegenseitige Annäherung ihrer drei Wände. 
Indem die Decke an Breite abnimmt, rücken die hintere und vordere Wand 
näher zusammen; indem die obere Wand sich zugleich mit dem vorderen 
Rande etwas abwärts neigt, dagegen die Neigung der vorderen Wand ge- 
ringer wird, und endlich die hintere Wand entsprechend der Wölbung des 
Can. caroticus gewölbt vorspringt, wird der sagittale Durchmesser des Can- 
musculo-tubarius noch mehr beeinträchtigt. Die Höhe desselben aber min- 
dert sich theils durch eine geringe Senkung der Decke, theils und in be- 
deutenderem Grade durch Aufsteigen des Bodens von der Stelle an, wo der 
Boden des mittleren Ohrs zugleich laterale Wand und Decke des Can. ca- 
roticus ist. 

Die dritte am meisten seit- und rückwärts gelegene Abtheilung des mittleren 
Ohrs, das Antrum mastoideum (Fig. 148), ist eine unregelinässig geformte 
Höhle mit zelligen Wänden, deren’ Decke eine unmittelbare Fortsetzung der 
Decke der Paukenhöhle ist, deren seitwärts gerichtete hintere Wand, gleich 
der entsprechenden Wand der Paukenhöhle, von dem Felsentheil gebildet 

‚wird, deren vordere medial gerichtete sehr unregelmässige Wand aber dem 


150 Schlätfenbein. 


Zitzentheil angehört. Es ist eine Höhle, welche die an den Warzentheil 
angewachsene Basis der Pyramide und den Warzentheil selbst unterminirt und 
nach unten mit den Zellen des Warzenfortsatzes in Verbindung tritt. Mit 
der Paukenhöhle commünieirt sie durch eine weite Oeffnung, deren unterer 
Rand etwa in gleicher Höhe mit dem Vorhofsfenster liegt. Der Boden der 
Paukenhöhle steigt also ebenso, wie medianwärts gegen den Eingang der 
Tuba, so lateralwärts gegen den Eingang des Antrum mastoideum auf. 

Can. facialis. Hinter der Paukenhöhle verläuft der Can. facialis (Fig. 148). Aus 
dem Grunde des Meat. acust. int. geht er, von der Richtung dieses 
Canals etwas nach vorn abweichend, eine kurze Strecke weit fort und biegt 
dann rasch und fast rechtwinkelig nach hinten um. Die Umbeugungsstelle, 
Genu Can. facialis ist es, wo sich der Can.nervipelr.superf. maj. mit dem 
Can. facialis vereinigt. Nach der Vereinigung läuft der letztere anfangs in 
der Flucht des ersteren und über dem Vorhofsfenster lateralwärts; allmälig 
aber wendet er sich im Bogen nach unten, um an der äusseren hinteren 
Fläche des Felsentheils, am F'oramen stylomastoideum auszumünden. Dicht 
hinter dem Knie eommunieirt der N. faeialis durch ein enges und kurzes 
Canälchen mit dem Can. tympanicus. In der vorderen, der Paukenhöhle 


Pyramide wie Fig. 146. Das Tegmen tympani entfernt, 7 Schnittfläche desselben. Durch 
einen weiter nach hinten geführten Schnitt ist ein Theil der Pars mastoidea entfernt, der 
Can. facialis und das Antr. mastoideum (Ama) geöffnet. 


zugekehrten Wand.des Can. facialis ist unweit der äusseren Mündung ein 
enges Loch sichtbar, derEingang des eben so engenC’un.chordae, der sich 
unter spitzem Winkel vom Can. facialis abzweigt und vor- und aufwärts 
durch die Dicke des Felsentheils zur Paukenhöhle verläuft, in deren laterale 
untere Ecke er sich an der eben angegebenen Stelle öffnet. 5 — 6" über 
dem Foramen stylomastoideum liegen einander gegenüber in der Wand des 
Can. facialis die feinen Löcher, durch welche der N. auricularis vagi aus 
der ersten Abtheilung des Can.mastoideus in die zweite übertritt (S. 144). 

Var. Das Foramen stylomastoideum ist von unbeständigen, feinen Ernährungs- 
löchern umgeben. Eine grössere Oeffnung finde ich an zwei Schläfenbeinen unse- 


rer Sammlung, 3 mm Jateralwärts neben dem F. stylomastoideum, Eingang eines 
Canälchen, welches ip der Paukenhöhle an der Stelle des Can. chordae mündet. Es 


Schläfenbein. 151 


scheint demnach, dass der Ursprung der Chorda tympani vomN. lacialis ausserhalb 
des Can. facialis fallen kann. 


Einige Monate vor der Geburt besteht das Schläfenbein noch aus drei geson- 
derten, theils häutig, theils knorplich mit einander verbundenen Theilen, der Schuppe, 
dem Paukentheil und der Pyramide, welche ohne Unterbrechung in den Warzentheil 
übergeht. Zur Zeit der Geburt hängen diese drei Stücke in der Regel schon knö- 
chern, jedoch theilweise noch leicht trennbar zusammen. Am festesten ist die Ver- 
bindung des Paukentheils mit der Schuppe; die Nähte zwischen dem Schuppen- und 
Paukentheil einerseits und der Pyramide andererseits sind aber überall noch sichtbar 
und meist sind es nur vereinzelte schmale Knochenbrücken, mittelst welcher beide 
Theile an einander haften und zwar die Schuppe an dem dem späteren Warzentheil ent- 
sprechenden Stück und der Paukentheil an dem Rande des Felsentheils, der später 
zur Crista petrosa wird Die Verknöcherung macht ohne Regel bald in der ersten, 
bald in der zweiten der genannten Nähte raschere Fortschritte. Mit dem ersten 
Lebensjahre pflegt sie vollendet zu sein, doch kann sich ausnahmsweise die Naht 
zwischen Schuppen- und Warzentheil länger erhalten, und zwischen dem vorderen 
Theile des unteren Randes der Schuppe und der Paukendecke besteht sie, wie er- 
wähnt, während des ganzen Lebens. 

Der Schuppentheil ist beim Neugeborenen platter, als beim Erwachsenen, gegen 
den unteren Rand nur wenig medianwärts umgebogen; der Jochfortsatz geht. unter 
einem spitzen Winkel fast gerade nach vorn ab; seine bogenförmige Gestalt gewinnt 
er erst mit der Entwickelung des Musc. temporalis. 

Der Paukentheil des Neugeborenen ist ein platter, an seiner inneren Fläche zur 
Aufnahme des Paukenfells gefakzter, fast zum vollständigen Ring nach oben umge- 
bogener Knochenstreif, mit dem hinteren Ende an einen Fortsatz der Schuppe und 
an den Warzentheil befestigt, darunter, wo er auf den Felsentheil übergeht, über 
eine Grube hingespannt, aus welcher der noch völlig knorpliche Griffelfortsatz her- ° 
vorragt. Der vordere Theil des Rings steigt von der unterenKante des Felsentheils 
schräg auf zur Schuppe und wächst mittelst des oberen Endes ebenfalls an dersel- 
ben fest. Da der abwärts ragende Theil der Paukendecke, der sich im Erwachsenen 
zwischen den unteren Rand der Schuppe und den oberen Rand des Paukentheils 
einschiebt, den letzteren beim Neugeborenen noch nicht erreicht, so fliesst die Fissura 
petroso-tympanica mit dem Can. musculo-tubarius zusammen. (Zur späteren 'Tren- 
nung beider trägt auch der lange Fortsatz des Hammers bei, welcher in der Fissura 
petroso-tympanica liegt und mit den Wänden derselben verschmilzt.) — Zur Zeit 
der Geburt ist der Porus acust extern. noch identisch mit dem Paukentellfalz; ein 
knöcherner Gehörgang ist nicht vorhanden. Derselbe bildet sich in den ersten Le- 
bensjahren durch Ansatz neuer Knochenmaterie am seitlichen (hinteren) Rande, be- 
sonders des vorderen Theils des Paukenringes; doch erfolgt dieser Ansatz oft unregel- 
mässig, in Gestalt platter Vorsprünge von einzelnen Gegenden des Randes, und es 
entstehen so die Lücken in der vorderen Wand des knöchernen Gehörgangs, von 
welchen oben S. 142 die Rede war. 

Der Unterkiefer articulirt beim Neugeborenen in einem sehr seichten, kreisför- 
migen Grübchen an der Wurzel des Jochfortsatzes. Wie sich der Schuppentheil 
nach unten und der Jochfortsatz bogenförmig lateralwärts wölbt, wächst die Grube 
im transversalen Durchmesser. Sie vertieft sich zugleich durch die Ausbildung der 
vorderen Wand des Gehörgangs und des Tuberculum articulare. 

Der Felsentheil ist anfangs genauer nach der Form des Labyrinths und insbe- 
sondere der Bogengänge modellirt; eine tiefe, nur von Knorpel ausgefüllte Grube, 
die freilich auch im Erwachsenen nicht ganz ausgeglichen wird, findet sich, mit me- 
dianwärts gerichteter Oeffnung, unter dem oberen vorderen Bogengang. 

An dem Warzentheil entsteht erst einige Zeit nach der Geburt die Andeutung 
eines Warzenfortsatzes, doch hat im zweiten und dritten Jahre der Proc. und die 


152 Schläfenbein. 


Incisura mastoidea die dem reifen Zustand entsprechende Grösse. Zellig und luft- 
haltig wird der Warzenfortsatz aber erst gegen die Zeit der Pubertät oder noch 
später. 

Der Griffelfortsatz verknöchert zum Theil von der Basis aus, zum Theil von 
der Spitze aufwärts. Bevor beide Verknöcherungen einander begegnen, steht also 
die verknöcherte Spitze durch Synchondrose mit dem Schläfenbein in Verbindung. 

In der Fissura petro-basilaris findet sich ein oder eine Reihe platter Knochen, 
welche längs dem Rande des Felsentheils vom For. jugulare bis zur Spitze des Fel- 
sentheils reichen. Sie füllen am knöchernen Schädel die Spalte nicht aus, sondern 
liegen beweglich in derselben und gehen daher bei der Maceration gewöhnlich ver- 
loren. Am festesten haftet der der Spitze des Felsentheils zunächst gelegene Theil, 
ein meist selbstständiges, platt linsenförmiges mit den Flächen horizontal gelegenes 
Knöchelchen, welches mit einer rauhen Fläche in einem Grübchen des Felsenbeins 
ruht und von dem vorspringenden Rande dieses Grübchens festgehalten wird '). 
Die weiter hinten in der Fissura petro-basilaris gelegenen Knochenscheiben sind mit 
den rauben Flächen nach der Krümmung dieser Spalte gebogen, am oberen Rande 
scharf, am unteren gleich der unteren Fläche der Pyramide warzig und porös. Diete- 
rich, welcher sie unter dem Namen Os raphogeminans ossis petrosi beschreibt, Gruber 
(Bulletin de la classe physico-math. de Pacad. des sciences de Petersb. T. XI.S.557) u. 
Schultz (a. a. ©.S.29) stellen sie mit den Nahtknochen zusammen, gleich welchen sie 
zuweilen frei bleiben, zuweilen verwachsen, und zwar entweder mit der Pyramide oder 
mit dem Wespenbein. Mir scheinen sie eher dieBedeutung von Epiphysen zu haben. 
Sie entstehen erst zur Zeit der Pubertät, das Knöchelchen der Felsenbeinspitze aus- 
genommen, welches Meckel und Zinn schon an Kinderschädeln fanden, und sie 
verwachsen, allerdings zuweilen erst im späten Alter, mit dem Felsenbein. So ist es 
wenigstens in der grossen Mehrzahl der Fälle; nur einmal fand ich den hinteren 
Theil desKnochens der Fissura petro-basilaris mit dem Körper des Hinterhauptsbeins 
und an demselben Schädel, auf der anderen Seite, zugleich mit dem Hinterhaupts 
bein und der Pyramide verschmolzen. 


1) Dieses Knöchelchen ist deshalb auch von mehreren Beobachtern erwähnt und unter 
dem Namen des Cortesischen oder Riolanischen Knöchelchen in den Handbüchern einge- 
führt worden. Den ersten dieser Namen trägt es mit Unrecht, Cortese (Miscellaneo- 
rum medicinalium decades denae. Messanae 1625. p. 17) spricht von kleinen, sesamarti 
gen Knochen im Sinus cavernosus, und zwar innerhalb der Arterien. Er sagt: Revolutio 
arteriarum, in quarum cavitate ossicula duo reperiuntur, und weiter: Non solum in hac 
parte arteriae ossicula in se continent, verum eliam in alüs, naturae providentia, um nämlich 
die Arterien offen zu erhalten. Es ist unmöglich, diesen Worten ‘eine andere Deutung 
zu geben, als ihnen bereits Morgagni (De sed. et caus. morb. epist. III. $. 22) ge- 
geben hat, dass sie sich nämlich auf Verknöcherungen der Hirnarterien beziehen. Bes- 
ser passt die kurze Beschreibung von Riolan (Osteologia. Paris 1613. p. 462), wo 
von einem Knöchelchen die Rede ist, forma seminis.citrulli, in cavitate magni illius forami- 
nis exterioris, quod subit penetratque carotis. Auch Winslow (Exposition anatomique 
de la structure du corps humain. Paris 1732. T. I. p. 335), Meckel (De quinto pare 
nervorum. Gotting. 1748. p. 21) und Zinn (Observationes quaedam botanicae et anato- 
micae. Gotting. 1753. p. 40) scheinen die vordere Spitze der erwähnten Knochen- 
reihe vor sich gehabt zu haben; Winslow’s sesamartiges Knöchelchen liegt nämlich zwi- 
schen der Spitze des Felsenbeins und der oberen Oefinung des carotischen Canals, das von 
Meckel und Zinn erwähnte Knöchelchen in dem Theile der harten Hirnhaut, welcher 
‚ die obere Spitze des Felsenbeins bekleidet, zwischen dem Stamm des Trigeminus und dem 
Sinus cavermnosus. Caldani, dessen Beobachtungen (Opusc. anatomica. Pataw. 1803. p. 
44. Taf. II. Fig. 1.2) man mit denen von Cortese, Riolan u. s. w. zusammenzustellen 
pflegt, handelt von einem platten Knöchelchen an der Aussen- (lateralen) Seite der Ar- 
terie, welches durch feine Fäden der harten Hirnhaut mit den darunter gelegenen Knochen 
verbunden sei, zuweilen sich bis zum Process. clinoid. post. erstrecke und ihm unter 10 
Schädeln 6 Mal begegnet sei. Es mögen ihm demnach Fälle wie die oben nach Sömmer- 
ring erwähnten vorgelegen haben, wo die Lingula sphenoidalis als selbständiger Knochen 
bestand, und andere, wo mit dem Proc. clinoid. ein rück- und abwärts gerichteter Fort- 
satz verbunden oder verwachsen war (S, 100). 


TER 


Scheitelbein. 153 


6. Scheitelbein, Os parietale. 


Die Scheitelbeine, platt, vierseitig, nach dem verticalen und sagittalen 
Durchmesser des Schädels gewölbt, nehmen die hinteren ?2/; der Scheitel- 
gegend und des oberen Theils der Seitenwände des Schädels ein, mit der 
hinteren unteren Ecke bis nahe an die Schädelbasis herabreichend (Fig. 89). 
, Sie verbinden sich 
mit einander in 

einer medianen 
zackigen Naht, 
Scheitelnaht, 
Suturaparietalis!), 
welche von der 
Mitte des hinteren 
Randes der Stirn- 
beinschuppe zur 
Mitte des oberen 
Randes der Hin- 
terhauptsschuppe 
reicht. Der Rand, 
an welchem beide 
Scheitelbeine zu- 
sammenstossen, 
wird Scheitel- 
rand, Margo 
parietalis ?), ge- 
nannt. Von dem 
vorderen und hin- 
teren Ende des 
Scheitelrandes ge- 
‘ hen unter nahezu 
rechten Winkeln und einander ziemlich parallel die Ränder ab, mittelst de- 
ren sich das Scheitelbein vorn an das Stirnbein, hinten an das Hinterhaupts- 
bein anschliesst. Beide weichen in ihrem Verlaufe abwärts etwas nach 
vorn ab, und zwar der hintere Rand stärker als der vordere, wodurch der 
untere Rand, der seinerseits wieder dem oberen parallel geht, gegen den 


Linkes Scheitelbein von aussen. 


letzteren um Weniges verkürzt erscheint. Der vordere Rand, Mg. fron- 


talis 3), ist mit dem hinteren Rande des Stirnbeins bis zur Begegnung mit 
dem Temporalflügel des Wespenbeins in einer Naht, Kronennaht, Su- 
tura coronalis, verbunden, welche, so weit sie quer über die eigentliche 
Decke des Schädels verläuft, stark zackig, unterhalb der Schläfenlinie aber 
mehr schuppenförmig ist, so zwar, dass der von innen zugeschärfte Rand 


!) Pfeilnaht, Sut. sagittalis. 
?) Mg. superior, sagittalis 
®) Mg. coronalis 


6. Scheitel- 
bein. 


154 Scheitelbein. 


des Scheitelbeins den Rand des Stirnbeins deckt. Der hintere und wegen 
der Flächenkrümmung des Scheitelbeins abwärts gerichtete Rand dieses 
Knochens, Mg. ocei- 
pilalis, kommt mit 
dem oberen Rand der 
Hinterhauptsschuppe 
in einer sehr tief ge- 
zackten und mit zahl- 
reichen Nebenzacken 
versehenen Naht, der 
Hinterhauptsnaht 
Sutura  oceipitalis 1), 
‚zusammen. Am Sei- 
tenwinkel der Hinter- 
hauptsschuppe setzt 
sich das untere Ende 
dieser Naht in ‚fast 
gerader Richtung in 
die Naht zwischen der 
Hinterhauptsschuppe 
und dem hintern 
Rechtes Scheitelbein von- innen. Rande des Warzen- 
theils des Schläfen- 
beins fort, indess der 
hintere Rand des Scheitelbeins abgerundet oder in einem stumpfen Winkel 
in den unteren Rand dieses Knochens umbiesgt. 

Der untere Rand, Mg. sphenotemporalis 2), besteht aus drei, im Verlauf 
und theilweise auch in der Form verschiedenen Abtheilungen. Die vor- 
derste Abtheilung, Mg. sphenoidalis >), die‘in horizontalem oder schräg 
nach hinten absteigendem Verlauf nur eine kurze Strecke einnimmt, ist auf 
Kosten der äusseren Fläche schräg abgeschnitten und verbirgt sich hinter 
dem oberen Rande des Temporalflügels des Wespenbeins. Die mittelste 
Abtheilung, Mg. sgquamosus, welche sich über mehr als die Hälfte der 
Länge des ganzen Randes erstreckt, ist in gleicher Weise und nur noch 
schräger zugeschärft, zugleich aber concav ausgeschnitten und durch radial 
gegen den Ausschnitt gestellte Längswülste ausgezeichnet. Sie ist von dem 
oberen Rande der Schläfenschuppe bedeckt: und mit demselben in einer 
Schuppennaht (Sutura squamosa 8. s.) vereinigt. Die hinterste Abtheilung 
des unteren Scheitelbeinrandes (Mg. masloideus *) ist dick, grobzackig, 
gerade oder leicht auf- oder abwärts gebogen und ruht auf dem oberen 
Rand des Warzentheils des Schläfenbeins. Die stumpfe Ecke, an welcher 
der Mg. squamosus des Scheitelbeins in den Mg. mastoideus desselben 
Knochens übergeht, springt in die Ineisura parietalis des Schläfenbeins ein. 


Ni 


Mi 


RE 
a 


My 


I) 8. lambdoidea. 

2) Mg. temporalis aut. 

?) Sie wird als quer abgestutzter vorderer unterer Winkel des Scheitelbeins unter dem 
Namen Ang. sphenoid. beschrieben. 

*) Ang. mastoideus aut. 


Scheitelbein. 155 


Die vier Winkel des Scheitelbeins können als oberer vorderer !) und 
oberer hinterer?), unterer vorderer und unterer hinterer Winkel unterschieden 
werden. 

Die innere, concave Fläche des Scheitelbeins (Fig. 150) ist mit den- 
selben Eindrücken der Hirnwindungen und der pacchionischen Drüsen ver- 
sehen, wie die innere Fläche des Stirnbeins.. Voın vorderen unteren Win- 
kel aus verästelt sich die tiefe, zuweilen im Anfange zu einem Canal ge- 
schlossene Furche, in welcher die Vasa meningea media liegen. Meistens 
geht weiter nach hinten eine zweite, feinere, ebenso verästelte Furche von 
der Schläfenschuppe auf das Scheitelbein über. Längs dem Margo parie- 
talis zieht sich eine hier und da unterbrochene Furche, Semisuleus sa- 
gillalis, hin, welche erst durch die Verbindung beider Scheitelbeine voll- 
ständig wird; sie setzt sich nach vorn in den Sulcus sagittalis des Stirn- 
beins, nach hinten in den Suleus sagittalis des Hinterhauptsbeins fort und 
dient, wie diese, zur Aufnahme des gleichnamigen Blutleiters. Eine kleine 
geneigte Fläche ?) an der hinteren unteren Ecke (Fig. 150 *) vervollstän- 
digt von oben her den Sulcus sin. transversi an der Stelle, wo er von der 
Hinterbauptsschuppe auf die Innenfläche des Warzentheils übergeht. 

Ueber die Aussenfläche des Scheitelbeins (Fig. 149) verläuft die 
Sehläfenlinie in einem Bogen vom vorderen Rande an (etwa am oberen 
Ende des unteren Viertels desselben beginnend) zum Winkel zwischen dem 
Mg. squamosus und mastoideus. Sie erhebt sich mehr oder weniger gegen 
den Scheitel aufwärts, ist bald nur leise angedeutet, bald scharf und selbst 
wulstig; die Fläche unter ihr, Planum temporale%), flach oder gewölbt, 
sticht öfters durch Glätte und Glanz gegen die Scheitelfläche des Scheitel- 
beins ab, die durch eine Masse feinster Gefässlöcher ein mattes Ansehen 
gewinnt. Hinter der Mitte des Mg. squamosus steigt die rinnenförmige 
Spur der Art. tempor. media aufwärts.. Ueber der Schläfenlinie, in der 
Mitte zwischen dem vorderen und hinteren Rande des Scheitelbeins, aber 
dem unteren näher als dem oberen, liegt der Scheitelhöcker, Tuber pa- 
rielale. eine platt kegeiförmige Hervorragung. Dicht am Mg. parietalis 
und in geringer Entfernıng (20"m) vom hinteren oberen Winkel findet sich 
öfters eine runde, die Dicke des Scheitelbeins durchsetzende Oeffnung, 
Foramen parietale, in welcher ein Emissarium liegt. 

Das Scheitelbein ist zuweilen durch eine Naht in eine obere und Rn, Hältte 


getheilt (Sömmerring in Tiedemann und Treviranus’ Zeitschr. Bd. I. S. ı. 
Taf. . Gruber, Abhandl. aus der menschl. und vergl. Anat. S. 113). 

Die Verknöcherung des Scheitelbeins, welche strahlenförmig von einem Punkte, 
dem Scheitelhöcker, ausgeht, lässt zur Zeit der Reife noch an allen vier Ecken 
Lücken zwischen dem Scheitelbein und den angrenzenden Knochen übrig, die so- 
genannten Fontanellen, Fonticui, auf welche ich später zurückkomme. 

Verlaufen die Vasa meningea media in einem Canal des Scheitelbeins, so kann 
im höheren Alter die äussere Wand dieses Canals durch Abnutzung schwinden 
(Hyrtl, Topogr. Anat. Bd. I S. 16). 


2) A. frontalis. 

?) A. occipitalis. 

9) Sulcus tramsversus. 
*) Pl. semicirculare, 


156 Oberkieferbein. 


7. Oberkieferbein, Os masillae. 


ee? Das Oberkieferbein, Fig. 151, der ansehnlichste Theil des Gesichts 
und die eigentliche Grundlage desselben, besteht aus dem Körper und vier 
Fortsätzen. Der Körper ist ein kurzer, aufrecht gestellter, hohler Halb- 
eylinder, die obere Endfläche im Boden 
der Augenhöhle, die untere Endfläche in 
der Höhe des Gaumens gelegen, die con- 
vexe Seitenwand nach aussen gerichtet, die 
plane nach innen gegen die Nasenhöhle 
und mit der unregelmässigen Oeffnung ver- 
sehen, durch welche die eigene Höhle des 
Oberkieferbeins (Kieferhöhle, Sinus 
mazillarıs ) mit der Nasenhöhle commu- 
nieirt. Von den Fortsätzen ragt der eine, 
|pa  Stirnfortsatz, Processus fronlalis 2), 
\ längs dem medialen Rande der Augenhöhle 
und als Seitenwand des Nasengewölbes 
zum Stirnbein empor. Der zweite, Joch- 
fortsatz, Processus zygomatico- 
Rechtes Oberkieferbein von vorn. orbifalis 3), erhebt sich seitlich von der 
Seitenwand des Körpers, indem er diese 

in eine vordere, dem Gesichte, und eine 

hintere, der Unterschläfengrube angehörige Hälfte scheidet, und legt 
sich mit einem medialen Vorsprung seines oberen Randes wieder über 
den Körper herüber, so dass er den Seitentheil des Bodens der Augen- 
höhle und die Decke eines Canals darstellt, der als Can. infraorbitalis be- 
schrieben werden wird. Der dritte Fortsatz, Zahnfortsatz, Processus 
dentalis *), ist ein niedriger, verhältnissmässig dieker Bogen, mit einer 
äusseren und einer inneren Fläche, die aus den entsprechenden Flächen 
des Körpers geradezu hervorgehen, und einem unteren freien Rande, in 
welchem die Wurzeln der Zähne stecken. Medianwärts ragt dieser Fort- 
satz über den Körper des Oberkiefers bis zur Mittellinie und bis zur Be- 
gegnung mit dem gleichnamigen Knochentheil der anderen Seite vor, mit 
dem er sich in einer medianen, sagittalen Naht verbindet. Er bildet auf 
diese Weise den vorderen Theil des Gaumengewölbes und den unteren 
Rand des Eingangs der Nasenhöhle (vergl. Fig. 81). Der vierte Fortsatz, 
Gaumenfortsatz, Processus palatinus (Fig. 152), ist eine horizon- 
tale Platte, welche von dem vorderen Theile der Nasenfläche des Körpers 
an der Grenze zwischen dem Körper und dem Alveolarfortsatz median- 
wärts abgeht. Er erreicht mit seinem medialen Rande die Mittellinie, mit 


= 
2 


1) Antrum Highmori. 

2) Pr. nasalis. 

®) Pr. malaris s. jugalis s. zygomaticus aut. Der Orbitaltheil des von mir sogenannten 
Pr. zygomatico-orbitalis wird als ein Theil des Körpers beschrieben. 

#) Pr. alveolaris, 


Oberkieferbein. 157 


seinem vorderen Rande den hinteren Rand des freien Theiles des Alveo- 
5 larfortsatzes, mit dem er in der Regel bis auf 
Fig. 152. Se > : ® : . 
: einige leise Spuren einer Naht verschmilzt; sein 
Re a hinterer Rand stösst an den Vorderrand der hori- 
| zontalen Platte des Gaumenbeins, welche, in glei- 
cher Fiucht mit dem Gaumenfortsatz des Ober- 
kiefers, das Gaumengewölbe nach hinten ab- 
schliesst. 

Die Grenzbestimmungen zwischen Körper und 
Fortsätzen sind meistens willkürlich; die Flächen 
gehen von dem einen zu dem anderen ohne Un- 

Linkes Oberkieferbein terbrechung über und nur an wenigen Stellen 

von hinten. führt eine Naht oder die Spur einer solchen zu 
einer schärferen Scheidung. 

Den Körper begrenzen dünne Wände, an welchen zunächst mit 
Rücksicht auf ihr Verhältniss zur Kieferhöhle eine äussere und innere 
Fläche unterschieden werden muss. Wir beginnen mit der Betrachtung der 
äusseren Flächen dieser Wände. Die äussere Fläche der vorderen Wand oder 
die Gesichtsfläche des Oberkiefers (Fig. 151) ist zur Seite gerichtet und 
glatt, erscheint aber von oben nach unten und von einer Seite zur anderen 
etwas ausgehöhlt, weil der Zahnfortsatz, in welchen sie sich nach unten 
fortsetzt, sowie der Stirnfortsatz, in welchen sie auf- und medianwärts, 
und der Processus zygomatico-orbitalis, in. welchen sie auf- und lateral- 
wärts übergeht, sämmtlich nach vorn vortreten. Die tiefste Aushöhlung, 
Fossa mazillaris), liegt ziemlich in der Mitte der Vorderwand des 
Oberkieferbeins, gleich weit vom ÖOrbital- und Alveolarrande entfernt. 


Gerade über dieser Grube, &”m unterhalb des Infraorbitalrandes, findet. 


sich das F'oramen infraorbitale, die vordere Mündung des gleichnami- 
gen Canals, der am hinteren Rande des Bodens der Augenhöhle seinen 
Anfang nimmt. Das Foramen infraorbitale ist am oberen Rande scharf; 
von dem medialen Theile seiner Peripherie geht mehr oder minder schräg 
medianwärts, seltener schräg lateralwärts hinauf zum Infraorbitalrande 
eine feinzackige oder einfache Naht, welche häufig bis auf eine sehr feine 
Linie oder Furche geschwunden, zuweilen auch ganz verwischt ist. Was 
lateralwärts von dieser Naht liegt, ist Processus zygomatico-orbitalis; me- 
dianwärts stellt die vordere Wand des Oberkieferbeins, indem sie mit der 
oberen Wand in einer scharfen Kante fast rechtwinklich zusammenstösst, 
auf der kurzen Strecke bis zur Wurzel des Stirnfortsatzes den Infraorbital- 
rand dar; an ihrem medialen Rande verbindet sich die vordere mit der 
medialen Wand in einer stumpfen oder scharfen Kante, welche an der 
Begrenzung der Nasenöffnung Antheil nimmt. 

Var. Der Infraorbitalcanal ist an seiner Ausmündung durch eine verticale 
Brücke getheilt oder öffnet sich mit mehreren gesonderten Miindungen ins Gesicht. 
Als Spur der ehemaligen Trennung des Os incisivum vom Öberkieferkörper will 


Arnold, in höchst seltenen Fällen, eine Linie vom zweiten Schneidezahn bis über 
den Rand der Nasenöffnung gesehn haben. 


1) F. canina. 


Körper. $ 


Gesichts- 
fläche. 


Infratempo- 
ralfläche. 


Orbital- 
fläche. 


158 Öberkieferbein. 


Die Aussenfläche der hinteren Wand des Öberkieferkörpers oder die 
Infratemporalffäche ist weniger seitwärts gewandt als die vordere; sie 
ist von einer Seite zur anderen gewölbt und geht mittelst dieser Wölbung 


Fig. 158. continuirlich in die Nasenfläche über; nach unten, 

Sui gegen den Alveolarfortsatz, nimmt sie um We- 
SZ u Trp - » = - = E 

en niges an Breite ab. Die obere mediale Ecke, in wel- 


cher die hintere, die mediale und die obere Wand 
zusammenstossen, ist schräg abgestutzt mittelst 
einer dreiseitigen, die Spitze abwärts kehren- 
den, etwas rauhen und scharfkantigen Fläche, 
an welche sich der Orbitalfortsatz des Gau- 
menbeins lehnt; ich werde sie T'rigonum pa- 
latinum nennen. Unten ist die zunächst an 
Linkes Oberkieferbein von die Nasenfläche stossende Region der Infra- 
hinten. Sz Spina zygomatica. temporalfläche durch eine vertiefte oder vor- 
springende, auf die Nasenfläche sich  fort- 

setzende rauhe Stelle 1) ausgezeichnet, die sich mit dem Proc. pyrami- 
dalis des Gaumenbeins in Verbindung setzt. Mit dem glatteren Theile 
zwischen dieser Rauhigkeit und dem Trigonum palatinum bildet der ab- 
gerundete mediale Rand der hinteren Wand die vordere Grenze der Fissura 
spheno-maxillaris, indess der scharfe und nach der Schläfe abhängige obere 
Rand dieser Wand zwischen dem Trigonum palatinum und dem Proc. zy- 
gomatico-orbit. von unten her die Fissura orbit. inf. begrenzt. Seitwärts 
ist die Grenze der Infratemporalfläche gegen den Proc. zygomatico-orbita- 
lis häufig durch eine perpendiculäre Furche bestimmt, welche oben die 
grösste Tiefe hat und nach abwärts sich verliert. Was nun die Infra- 


-temporalfläche selbst betrifft, so ist sie meistens in der oberen Hälfte glatt, 


nur von einer mehr oder minder schräg aufsteigenden Depression durch- 
zogen, welche sich vom freien Theile des medialen Randes zu einer halb- 
kreisförmigen Einkerbung in der Mitte des oberen Randes begiebt. Diese 
Einkerbung ist der Eingang des Suleus infraorbilalis der Orbitalfläche, 
weleher den N. und die Vasa infraorbitalia aufnimmt; in der genannten 
Depression ruht der aus der Sphenomaxillargrube hervorgehende Nerv. 
In der unteren Hälfte pflegt die Infratemporalfläche rauher zu sein von 
feinen Poren und Gefässrinnen, und in der Mitte ihrer Höhe zeigt sie eine 
oder mehrere, den Knochen schief ab- und seitwärts durchbohrende Oeff- 
nungen oder Canäle, Canales alveolares postt., zu welchen und an 
welchen vorüber in der nämlichen Riehtung ab- und seitwärts flachere oder 
tiefere Furchen führen, N. und Vasa alveolaria supp. postt. enthaltend. 

Zuweilen- findet sich noch ein Canalıs alveolaris höher oben, seitlich neben dem 
Eingang in den Suleus infraorbitalıs. 

Die Aussenfläche der oberen Wand oder die Orbitalfläche des 
Oberkieferkörpers ist vorwärts und in noch stärkerem Maasse lateralwärts 
geneigt; ihre mediale Hälfte liegt im Boden der Augenhöhle frei; der late- 
rale, abhängigere Theil verbirgt sich, um den Boden des Infraorbitaleanals 


») Unter Tuber s. Tuberositas mazillae wird von Manchen diese Rauhigkeit, von den 
Meisten die ganze untere Hälfte der Infratemporallläche verstanden. 


Öberkieferbein. 159 


zu bilden, unter dem Proc. zygomatico-orbitalis, und kann erst in Verbin- 
dung mit diesem beschrieben werden. Der mediale Rand der Infraorbital- 
furche im Hintergrunde der Augenhöhle und weiter vorn eine Naht, welche 
nur selten gänzlich schwindet, Sufura infraorbilalis, scheiden die freie 
und völlig glatte Fläche, Planum orbitale, von der ganz oder theilweise 
bedeckten, die ich das Planum infra- 
orbitale nennen werde. Der vordere 
Rand des Planum orbitale, welcher 
demselben mit der Gesichtsfläche ge- 
meinsam ist, der hintere Rand, wo- 
durch es mit der Infratemporalfläche 
zusammenstösst, die hintere mediale 
Ecke, welche durch das Trigonum pa- 
latinum schräg abgeschnitten ist, sind 
schon im Vorhergehenden beschrieben. 
So bleibt nur der mediale Rand zu be- 
trachten übrig. Derselbe besteht aus 

Linkes Oberkieferbein, Seitenansicht. zwei ziemlich gleich langen Abtheilun- 
SkSuturalongit. imperf. ClaCristalaer.ant: gen, welche, je von der hinteren und 
SlSuleus lacrymalis. MlMargo laerymalis. Yorderen Ecke an einander entgegen 
und dabei sanft auf- und medianwärts verlaufend, in einem stumpfen Win- 
kel oder in einer platten Zacke, Angulus ethmolacrymalis , zusammen- 
treffen. Die hintere Abtheilung ist mit der-Papierplatte des Siebbeins ver- 
bunden; sie ist uneben, fein gezackt oder mehr oder minder tief gekerbt; 
die vordere Abtheilung hat mitunter eine kurze Strecke weit vom Angulus 
ethmolaerymalis an die nämliche Beschaffenheit; gewöhnlich ist sie ganz 
glatt. Ein schwacher Vorsprung theilt sie in zwei Concavitäten, von wel- 
chen die hintere in der Regel den längeren Theil des Randes einnimmt, 
die vordere tiefer ausgeschnitten ist. Auf den hinteren Theil stützt sich 
der untere Rand des Thränenbeins; der vordere Theil, welchen man In- 
eisura lacrymalis nennen kann, trägt den unteren Rand des Hamulus 
laerymalis (s. Thränenbein) oder begrenzt frei von der Seite her den obe- 
ren Eingang des Thränencanals. Das Verhältniss des Oberkiefers zu die- 
sem Canal wird später dargestellt werden. 


Var. Eine Zacke steigt von diesem Rande hinter dem hinteren Rande der 
Papierplatte des Siebbeins zum Stirnbein auf (Gruber, Abh. aus der menschl. 
und vergleichenden Anatomie. S.51). An einem Botokudenschädel, in der Samm- 
lung des hiesigen physiolog. Instituts, findet sich in der Naht zwischen Sieb- und 
Oberkieferbein, gerade unter dem For. ethmoidale ant., eine grosse Oeffnung (3mm), 
welche aus der Augenhöhle direct in die Nasenhöhle führt. 


Die äussere Fläche der medialen Wand oder die Nasenfläche des Nasenfläche 
Öberkiefers hat den oberen Rand mit der Orbitalfläche, den hinteren Rand 
mit der Infratemporalfläche, den vorderen Rand mit der Gesichtsfläche 
gemein; nach unten geht sie zuvorderst sanft ausgehöhlt auf die obere 
Fläche des Zahnfortsatzes, weiter hinten ebenso auf die obere Fläche 
des Gaumenfortsatzes, und mit dem hintersten Drittel gerade abwärts auf 
die innere Fläche des Zahnfortsatzes über. Sie ist von einer Lücke, dem 


160 Oberkieferbein. 


Hiatus mazillarıs }), durchbrochen, welche über ein Viertel undmanchmal 
fast die Hälfte der ganzen Wand einnimmt und einen halbkreis- oder ei- 
Fig. 155 oder bohnenförmigen Umfang hat. Mit 
dem oberen und hinteren Theile ihres 
Randes beschreibt diese Lücke einen im 
Allgemeinen dem oberen und hinteren 
Rande der ganzen Nasenfläche paral- 
lelen, jedoch steileren und auf dem 
Wege von vorn nach hinten und unten 
sich allmälig von diesem Rande ent- 
fernenden Bogen. Der vordere Rand 
der Lücke geht in gerader oder in vor- 
oder rückwärts gebogener Linie von 
Rechtes Oberkieferbein von innen. der Mitte der vorderen, mit dem Thrä- 
Ce Crista ethmoid. Ct Crista turbinalis. nenbein verbundenen Abtheilung des 
J Ineisura lacr. Mi Margo lacrym. oberen Randes schräg ab- und rückwärts. 
Im ganzen Umkreise der Oeffnung ist 
die Wand dünn und scharf abgeschnitten mit Ausnahme einer kurzen Strecke 
am oberen Ende des vorderen Randes, wo sie mitunter gleichsam nach 
vorn umgeklappt erscheint oder mit dem concaven hinteren Rande eines 
schmalen, halbmondförmigen Plättchens verwächst, welches zur Bildung 
der medialen Wand des Thränencanals beiträgt und Lunula lacrymalis 
genannt werden soll. 

Der vor dem Hiatus maxill. gelegene Theil der Nasenfläche ist gegen 
die Nasenhöhle frei,. nur von der Schleimhaut überzogen, glatt und eben; 
der über, hinter und unter dem Hiatus maxill. gelegene Theil dieser Fläche 
ist von den benachbarten Knochen bedeckt, uneben und stellenweise rauh. 


Die Grenze beider Theile ist zuweilen vom Rande der Kieferhöhle abwärts 
schroff durch einen Absatz bszeichnet, welcher dadurch entsteht, dass der hintere, 
von der perpendiculäven Platte des Gaumenbeins bedeckte T'heil um die ganze 
Mächtigkeit dieser Platte unter das Niveau des vorderen freien Theils zurückweicht 


Ueber dem Hiatus maxill. ist die Fläche aufwärts geneigt und beson- 
ders gegen den hinteren Rand hin in flache oder tiefe Zellen abgetheilt, 
welche, wie bei der Beschreibung des Siebbeins angegeben wurde, die 
unteren Zellen des Labyrinths dieses Knochens schliessen. Die Fläche hin- 
ter dem Hiatus maxill. ist,von längeren Gefässfurchen durchzogen und mit 
feinen Grübchen und Vorragungen versehen; sie dient der dünnen ver- 
ticalen Platte des Gaumenbeins zur Unterlage. Weiter abwärts, unterhalb 
des Hiatus maxillaris und hinter dem hinteren Rande des Gaumenfortsatzes 
findet sich ein auffallend rauhes Feld, gewöhnlich von einer flachen, schräg 
ab- und vorwärts laufenden Furche, Swlcus pterygopalatinus, getheilt; 
in die Rauhigkeit greift eine rauhe Fläche des Gaumenbeins ein; die Furche 
schliesst sich durch eine Rinne des Gaumenbeins zum Canal (Can. pterygo- 
palatinus). 


\) Apertura sinus max. aut. Unter diesem Namen verstehe ich den Eingang, wie er 
sich an dem ungetrennten Schädel darstellt. 


Oberkieferbein. 161 


Die untere Wand des Körpers des Oberkieferbeins ist nach unten 
durch den Ansatz des Zahnfortsatzes gedeckt. 

Die Kieferhöhle entspricht in ihrer Form ziemlich genau der äus- Kieferhöhle. 
seren Form des Knochens; doch erstreckt sie sich mitunter in die Basis des 
Proc. zygomatico-orbitalis und frontalis. Auch gehen, von der Kieferhöhle 
aus betrachtet, die Wände des Oberkieferkörpers sämmtlich abgerundet in 
einander über. Der Boden ist durch einige niedere Querleisten unvollkom- 
men in Fächer abgetheilt. Von der Mitte der Decke an zieht sich zur Ge- 
gend des Foram. infraorbitale in der vorderen Wand ein halbeylindrischer, 
nach vorn, wie er sich tiefer herabsenkt, auch an Breite zunehmender 
Wulst, die untere Wand des Canalis infraorbitalis. An der inneren Flä- 
che der hinteren Wand verlaufen, von der inneren Mündung der Canales 
oder Foramina alveolaria aus, schmale, zuweilen verzweigte Furchen 
schräg absteigend oder sanft abwärts gebogen nach vorn. Oft sind sie un- 
deutlich, und zwar aus zweierlei Ursachen ; dort werden sie zu seicht, hier 
ziehen sie sich ganz oder stellenweise als Canäle in die Dieke der Knochen- 
wand zurück. Oft sieht man von denselben feine, lineare Gefässrinnen 
abwärts gehen und sich verästeln. Die eine oder andere jener Furchen / 
setzt sich in der Regel, als Furche oder Canal, Suleus s. Can. alveolar. ant., 
auf die Innenfläche der vorderen Wand bis an den Boden des Can. infra- 
orbitalis fort und steht mit den Lumen des letzteren durch eine spaltförmige 
Oeffnung in Verbindung. Zweige der im Infraorbitaleanal enthaltenen Ner- 
ven und Gefässe gehen durch diese Oeffnung herab in die Wand oder auf 
die Innenfläche der Kieferhöhle und kommen schlingenförmig mit den 
durch die For. alveol. postt. eintretenden Nerven und Gefässen zusammen. 

Der Stirnfortsatz, von der vorderen oberenEcke des Körpers platt En 
und etwas nach hinten gekrümmt emporsteigend, hat eine äussere, Ge- ) 
sichts,- und eine innere, der Nasenhöhle zugekehrte Fläche; die äussere 
Fläche geht aus der vorderen Fläche des Körpers unmittelbar hervor, neigt 
sich aber unter einem spitzeren Winkel gegen die Medianebene;; die innere 
Fläche ist eine Fortsetzung der medialen Fläche des Körpers. Die Flächen 
des Fortsatzes verjüngen sich nach oben; an Dicke aber nimmt er zu ge- 
gen den oberen Rand, welcher quer abgestutzt und zackig mit dem rauhen 
Theil der Pars nasalis des Stirnbeins in der früher ($S. 124) beschriebenen 
Weise zusammenstösst. Von dem oberen Rande an geht der vordere zuerst 
ab- und etwas vorwärts, und ist, so weit er diese Richtung einhält, mit dem 
lateralen Rande des Nasenbeins verbunden; sodann, etwa in der Höhe des 
tiefsten Theils des Augenhöhlenrandes, wendet er sich scharf und frei unter 
einem stumpfen, gewöhnlich abgerundeten oder abgestutzten Winkel rück- 
und etwas seitwärts, um sich in den Rand des Oberkieferkörpers fortzu- 
setzen, welcher die knöcherne Nasenöffnung begrenzt. Der hintere Rand 
des Nasenfortsatzes (Fig. 155) beginnt oben abgerundet, weicht aber bald 
in zwei scharfe Kanten auseinander, welche eine Hohlkehle zwischen sich 
schliessen, die, je weiter abwärts, um so mehr an Tiefe und Breite zunimmt. 
Diese Hohlkehle, Thränenfurch e, Swle. lacrym., ist die vordere Hälfte der 
Thränengrube, f'ossa lacrymal.; sie schaut nach hinten, jedoch so, dass 
ihre mediale Kante etwas weiter rückwärts vorspringt als die laterale. Die 
letztere, Crista lacrymal. ant., ist als vorderer Rand des Sulcus lacry- 


Henle, Anatomie, Thl, I. 11 


162 Oberkieferbein. 


malis freil)und geht, einfach ausgeschweift oder in eine niedrige, platte Zacke 
erhoben, nach unten in die obere vordere mediale Ecke des Oberkieferkör- 
pers, einerseits also in den Infraorbitalrand, andererseits in die Ineösura 
lacrymalis über. Die mediale Kante der Hohlkehle, Mg. lacrymalis, 
setzt sich weiter nach unten auf der Nasenfläche des Oberkieferkörpers 
fort; oben, so weit sie über den Körper des Oberkiefers hervorragt, stösst 
sie im Grunde der Thränengrube mit dem vorderen Rande des Thrä- 
nenbeins zusammen ; unten, wo sie, den Schädel im Proiil betrachtet, hin- 
ter dem medialen Rande der Orbitalfläche des Oberkiefers verschwindet, 
krümmt sie sich von vorn- 
her der Lunula lacrymalis 
entgegen (Fig. 156) und 
verbindet sich mit dem 
vorderen Rande der letz- 
teren entweder direct oder 
durch Vermittlung eines 
zwischen beiden empor- 
steigenden platten Fortsa- 
tzes (Proc. lacrymalis) der 
unteren Muschel. Schliess- 
lich läuft sie zum Theil 
abwärts in die Nasenfläche 
des Körpers aus, zum Theil 
biegt sie etwa in der hal- 


Transversaldurchschnitt des rechten Oberkieferbeins, dicht ben Höhe der Apertura 
unter der oberen Wand. 1. Thränengrube 2. Kiefer- 
höhle. 3. Can. infraorbitalis. 


pyriformis fast rechtwinke- 
lig nach vorn um in eine 
vor- und wenig abwärts bis 
zum vorderen Naseneingange verlaufende Rauhigkeit, Orista turbinalis 2), 
an die der vordere Theil des oberen Randes der unteren Muschel sich an- 
heftet (Fig. 155). Auf der äusseren Fläche des Stirnfortsatzes bemerkt man 
zwischen unbeständigen feinen Gefässfurchen eine bogenförmig vor der 
Crista lacrymalis vom oberen zum unteren Ende derselben verlaufende line- 
are Rinne, Sufura longitudınalis imperfecta Weber, die Spur einer 
Naht, welche die frühere Abgrenzung eines zweiten vorderen Thränen- 
beins bezeichnet (Fig. 154). 

In dieser Naht kommen mitunter tiefe Gruben und Ernährungslöcher, auch Oeff- 
nungen vor, welche in die Nasenhöhle führen (Schultz,a.a.0.p.39. Taf. XI. Fig.1). 
Rosenmüller (Partium externarum oculi humani descr. Lips. 1797. p- 17) sah zwei- 
mal den Theil des Stirnfortsatzes, der an der Bildung der Thränengrube Theil hat, 
abgetrennt, nur durch Harmonie mit dem Oberkieferbein verbunden. 

Ziemlich beständig findet sich im unteren, breiteren Theil der Gesichtsfläche 
des Stirnfortsatzes ein weites Foramen nutritium, welches in einen mehrere Linien 
langen, in der Dicke des Knochens abwärts verlaufenden Canal führt. 

Die innere Fläche des Stirnfortsatzes ist mit zahlreichen, feinen, meist 
aufwärts verzweigten Gefässfurchen und etwa in der Mitte zwischen der 

') Der Name Crista lacrymalis wird von Manchen der medialen Kante der Hohlkehle 


oder auch dem ganzen, nach hinten abstehenden Plättchen ertheilt. 
2) Cr. turb. inf. aut. 


Oberkieferbein. 163 


Crista turbinalis und dem oberen Rande mit einer stumpfen, der Crista tur- 
binalis parallel verlaufenden Erhabenheit versehen. An diese, die Crista 
ethmoidalis 1) (Fig. 155), fügt sich der untere Rand der vorderen Spitze 
des Geruchs-Labyrinths, welcher weiter hinten sich in die mittlere Muschel 
und den Proc. unecinatus theilt. Von der Fläche über der Crista ethmoidalis 
trägt der vordere Theil mit den Nasenbeinen zur Bildung der Decke des 
Nasengewölbes bei; der hintere Theil ist mehr rückwärts gewandt, zuwei- 
len von schwach vorspringenden Leisten in Zellen getheilt, und schliesst mit 
dem Thränenbein die vorderen Siebbeinzellen. 

Der Processus zygomatico-orbitalis entspringt dreiseitig pris- 
matisch aus der Aussenfläche des Körpers; von den drei Seitenflächen die- 
ses Prisma ist die eine, auf- und medianwärts gerichtet, laterale Wand des 
Can. infraorbitalis; sie geht in der ganzen Länge dieses Canals aufwärts ge- 
rollt aus dem Boden desselben hervor und wölbt sich sogleich wieder median- 
wärts als Decke über denselben (Fig. 156). Die beiden anderen Flächen con- 
vergiren nach unten zu einer stumpfen, concaven, seitwärts stark vorsprin- 
genden Kante; sie sind Fortsetzungen, die eine der vorderen, die andere der 
hinteren Fläche des Oberkieferkörpers, jene vor- und abwärts, diese rück- 
und abwärts über die Flächen, mit welchen sie zusammenhängen, herüber- 
gebogen; die hintere Fläche zugleich auffallend glatt, die vordere öfters 
mit einer Muskelrauhigkeit gerade über dem For. infraorb. versehen. Die 
freie Endfläche des kurzen Prisma liegt wegen des starken Vorsprungs der 
unteren Spitze mehr gegen den Horizont geneigt, als die Fläche des Kör- 
pers, welche den Fortsatz trägt; jene ist nach jeder Dimension grösser, als 
die an dem Oberkieferkörper angewachsene Grundfläche, besonders aber 
überragt sie die letztere im Querdurchmesser mittelst ihrer lateralen Spitze 
und mittelst einer Platte, in welche die, dieser Spitze gegenüberliegende 
Kante sich medianwärts verlängert (Fig. 157). Diese Platte, die ich die 
Lamina orbitalis des Proc. zygomatico-orbitalis nennen werde, ist die 

Decke des Can. 
Fig. 157. infraorbitalis, er- 
streckt sich aber, 
je näher der vor- 
deren Oeffnung 
desselben, um so 
weiter median- 
wärts über ihn 
hinaus, und nimmt, 
während sie am 
hintern Rande pa- 
pierdünn ist, nach 
vorn wie an Breite, 
Linkes Oberkieferbein ; der Proc. zygomatico-orbitalis mittelst eines so auch allmälig 
schrägen, vom Can. infraorbitalis aus seit- und abwärts geführ- an Mächti ekeit zu. 


ten Schnittes abgetrennt. Po Planum orbitale.. Pi Planum 
infraorbitale. Sna Spina nasalis ant. Ihre obere Fläche 


ist in gleichem Ni- 


') Crista turbin. sup. Crista transversa. 


ı1* 


Proc. zygo- 
matico-or- 
bitalis. 


164. Oberkieferbein. 


veau mit dem Planum orbitale des Oberkieferkörpers; demnach geht der 
Canal. infraorbitalis, je weiter nach vorn, um so weiter unter dieses Niveau 
herab und die Distanz zwischen dem Mg. infraorbitalis und dem Foramen 
infraorbitale wird durch die Dicke des vorderen Randes der Lamina or- 
bitalis bestimmt. 

Mit der oben erwähnten Endfläche des Proc. zygomatico-orbitalis hängt 
die obere Fläche der Lamina orbitalis ununterbrochen zusammen. Zwar 
ist die obere Fläche des Proc. zygomatico - orbitalis, die Lamina orbitalis 
mit eingerechnet, deutlich in zwei Felder geschieden, ein seitliches, dreisei- 
tiges, schr rauhes und zur Seite geneigtes Feld, T'uberositas zygomalica, 
auf welchem das Jochbein ruht, und ein mediales, vierseitiges und glattes, 
mehr horizontal im Boden der Augenhöhle gelegenes Feld. Allein die 
Grenze beider Felder, eine in sagittaler Richtung gerade oder lateralwärts 
convex verlaufende Linie, liegt ganz oder grösstentheils seitwärts vom Üa- 
nalis infraorbitalis, fällt also noch in das Gebiet des eigentlichen Processus 
zygomaticus, und zieht sich nur am vorderen Rande zuweilen über das Fo- 
ramen infraorbitale weg und selbst bis zum medialen Rande der Lamina 
orbitalis medianwärts hin, in welchem Falle die Lamina orbitalis durch das 
Jochbein von dem Antheil an der Bildung des Mg. infraorbitalis völlig aus- 
geschlossen wird. 

Wegen der mannigfaltigen Varietäten in der Bildung dieses Randes verweise 
ich auf die Beschreibung des Jochbeins. 

An der hinteren oberen Ecke endet die 'Tuberositas zygomatica mit 
einer platten, aufwärts ragenden Zacke, Spina zygomalica, welche mit 
ihrem stumpfen, etwas concav.n, medialen Rande den unteren Theil der la- 
teralen Begrenzung der Fissura orbitalis inferior abgiebt. An die vordere, 
rauhe Fläche dieser Zacke legt sich das Jochbein in der Regel so an, dass 
es über ihr und bis zur Crista zygomatica des Wespenbeins mit einem klei- 
nen Theil seines Randes die Begrenzung der Fissura orbitalis infer. über- 
nimmt; die hintere Fläche der Spina zygomatica (Fig. 154) ist platt und 
geht in die glatte hintere Fläche des Processus zygomatico-orbitalis und 
des Oberkieferkörpers über, von welchem letzteren sie indess, meistens noch 
eine Strecke weit durch eine perpendiculäre Furche oder eine Art Ein- 
schnitt geschieden ist. Zuweilen läuft der Can. infraorbitalis dieht neben 
und sogar unter dem Ursprung der Spina zygomat., und die Platte, die den 
Canal deckt, schliesst sich unmittelbar an diese Spina an; häufiger ist der 
Boden der Augenhöhle von der Wurzel der Spina zygomatica bis zum Ein- 
gang des Can. infraorbitalis eine einfache Platte, und es bleibt sogar der 
hinterste Theil des Can. infraorbit. ungedeckt, eine offene, oder nur unvoll- 
ständig vom lateralen Rande her überwölbte Rinne. Erst in einiger Ent- 
fernung vom Eingang, zuweilen erst in der Hälfte seiner Länge erhält er 
eine vollständige Decke durch die Lamina orbitalis, welche oben glatt, un- 
ten, entsprechend der Furche der oberen Fläche des Oberkieferkörpers rin- 
nenförmig ausgehöhlt und gegen den Oberkieferkörper durch eine unregel- 
mässig wellenförmige oder zackige Spalte, die obenerwähnte Sutura infra- 
orbitalis, abgesetzt ist, die früh obliteriren, sich aber auch noch in hohem 
Alter ganz oder theilweise wegsam erhalten kann. Bleibt sie wegsam, so 
geht die im Boden der Augenhöhle befindliche Naht in die $. 157 beschrie- 


Oberkieferbein. 165 


bene, vom Foramen infraorbitale zum Mg. infraorbitalis aufsteigende Naht 
über. Der Abstand des Foramen infraorb. vom unteren Augenhöhlen- 
rande längs dieser Naht giebt ein Maass der Höhe oder Mächtigkeit, wel- 
che die Lamina orbitalis des Proc. zygomatico-orbitalis am vorderen Rande 
erreicht, jedoch kein vollständiges. Denn es ragt von diesem Rande me- 
dianwärts neben dem Foram. infraorbitale ein platter, mitunter spitzer und 
bis Sem Janger Zahn (Fig. 157 *) nach unten, der zwischen zwei Lamellen 
der Vorderwand des Oberkieferkörpers wie in einer Tasche aufgenommen 
und demnach von der einen dieser Lamellen von vornher bedeckt wird )). 


Var. Vom medialen Rande der Spina zygomatica geht abwärts zum Rande 
des Oberkieferkörpers eine platte Brücke. Es entsteht dadurch ein Loch nach vorn 
und unten von dem lateralen Ende der Fissura orbitalis inferior, durch welches eine 
erst innerhaib der Augenhöhle von der A. infraorbitalis abgehende Alveolaris oder 
Buccinatoria wieder aus der Augenhöhle austritt. Die untere Spitze des Pr. zygoma- 
tico-orbital. ragt zuweilen lateralwärts weit über den Wangenhöcker hinaus und ver- 
tritt demnach einen Theil des unteren Randes des Jochbeins. In einem von Diete- 
rich (a. a O. S.10. Fig.4) beschriebenen Falle setzte sich diese Spitze längs dem 
ganzen unteren Rand des Jochbeins bis an den Jochfortsatz des Schläfenbeins fort. 

Der Zahnfortsatz zeigt auf der unteren freien Fläche, welche man 
äuch den Zahnrand, Margo dentalis 2), nennt, die weiten Mündungen 
von acht tiefen, sich trichterförmig verjüngenden, von dünnen Rändern 
eingefassten und durch dünne Scheidewände von einander getrennten Gru- 
ben (Fig. 158). Diese Gruben, Alveoli, dienen zur Aufnahme der Zahn- 
wurzeln; gleich den Zähnen 
nehmen sie im Allgemeinen 
von vorn nach hinten an Um- 
fang zu; die fünf hinteren, 
für die Backzähne, sind in der 
Tiefe mehrfächerig und häufig 
im Grunde, gegen die Kie- 
ferhöhle hin, durchbrochen ; 
in den übrigen enthält der 
Grund je eine feine Oeffnung 
oder mehrere, dicht neben ein- 
ander, durch welche die Zahn- 
‘nerven und Gefässe zur Spitze 
der Zahnwurzel treten. Von 
den Scheidewänden -steht die 
vorderste der Medianebene fast parallel; die hintersten stehen parallel 
der Frontalebene und die zweite und dritte oder nur die zweite haben 
eine schräge, den Uebergang vermittelnde Stellung. Auf der äusseren oder 
Gesichtsfläche des Zahnfortsatzes erkennt man perpendiculäre, den Zahn- 
fächern entsprechende Erhabenheiten 3); seine innere Fläche ist rauh, po- 


Pzo 


Oberkieferbeine von unten. 


") Um diese eigenthümliche Anordnung zu sehen, muss man an einem Oberkieferbein, 
an welchem die Sutura infraorbitalis wegsam ist, ein feines Uhrfedersägeblatt in den In- 
fraorbitaleanal einführen und den Proc. zygomatico-orbit. durch einen schräg ab- und seit- 
wärts geführten Schnitt vom Körper trennen. Der beschriebene zahnartige Fortsatz lässt 
sich alsdanz mit Leichtigkeit aus seiner Tasche herausheben, 

?) Mg. alveolaris, ») Juga alveolaria. 


Zahn- 
fortsatz. 


166 -Oberkieferbein. 


rös; hinten, wo sie direct in die Nasenfläche des Körpers sich fortsetzt 
und an der Bildung der rauhen Fläche, an die das Gaumenbein sich an- 
legt, Theil nimmt, steht sie perpendiculär; sie erhält aber, je weiter nach 
vorn, um so mehr die Neigung nach unten, um sanft in die untere Flä- 
che des Gaumenfortsatzes überzugehen. Als Grenzmarke zwischen beiden 
Fortsätzen findet sich regelmässig am medialen Rande der unteren Fläche 
und in geringer Entfernung (8””) vom Zahnrande ein halbkreisförmi- 
ger Ausschnitt, Ineisura ineisiva, der sich mit dem entsprechenden Aus- 
schnitt des Knochens der anderen Seite zu einer in der mediansagittalen 
Naht der beiden Oberkieferbeine gelegenen, unpaaren Oeffnung, F'oramen 
incisivum }), verbindet; sodann, an jüngeren Schädeln beständig, aber 
auch an älteren häufig, vom hinteren Rande dieser Oeffnung ausgehend, 
eine feine Naht oder Furche, Sufura incisiva, welche dem Zahnrande 
parallel seit- und rückwärts läuft und etwa der Scheidewand der Alveolen 
des dritten und vierten Zahns gegenüber endet. Seltener erhält sich im 
Erwachsenen die Spur eines noch beim Neugeborenen normalen Theils die- 
ser Naht, welcher von dem eben bezeichneten Ende vorwärts zur Scheide- 
wand der Alveolen des zweiten und dritten Zahns geht. 

Die obere Fläche des Zahnfortsatzes, so weit sie am Boden der Na- 
senhöhle frei liegt, ist glatt, etwas nach hinten abhängig und von einer 
Seite zur anderen ausgehöhlt, indem sie am lateralen Rande ausgerundet 
in die Nasenfläche des Körpers, und am medialen Rande ebenso auf einen 
aufwärts vorspringenden und mitunter selbst seitwärts übergebogenen 
Kamm, Semicrista incisiva 2), sich fortsetzt. Auf dieser Fläche liegt an 
der Grenze zwischen dem Zahn- und Gaumenfortsatz dicht an der Se- 
micrista ineisiva eine runde Oeflnung, Apertura sup. Can. incisivi, und 
auch von dieser sieht man, wiewohl seltener als an der unteren Fläche, die 
Sutura incisiva in Form einer Rinne oder eines feinen Spalts quer herüber 
und zuweilen noch an der medialen Wand des Körpers eine Strecke weit 
hinaufgehen (Fig. 155). An der lateralen Wand des Can. ineisivus, auf 
welchen ich sogleich zurückkomme, verläuft eine perpendiculäre Rinne, 
welche die medialen Enden der Sutura incisiva der unteren und oberen Flä- 
che des knöchernen Gaumens mit einander verbindet, zuweilen auch bis zu 
einer geringen Tiefe als verticaler Spalt in den Knochen eindringt. 

Die mediale Fläche des -Zahnfortsatzes, welche sich in einer Flucht 
vom unteren Rande dieses Fortsatzes bis zum oberen Rande der Semi- 
cerista nasalis erstreckt, ist rauh, von dünnen Blättern der Höhe nach durch- 
zogen, mittelst welcher die Fortsätze von beiden Seiten in einander grei- 
fen. Dicht unter dieser Fläche verläuft der Can. ineisivus , von der obe- 
ren Mündung an ab- und etwas vorwärts, nur von einem dünnen Plättchen 
medianwärts gedeckt, welches den unteren Rand der Fläche nicht erreicht 
und meistens an dem einen Oberkieferbein höher oben endet als an dem 
anderen. An dem einzelnen Oberkiefer ist der Can. ineisivus von der Stelle 
an, wo dieses Plättchen endet, eine medianwärts offene Furche; liegen die 


2) F. palatinum anterius. 


°) So nenne ich die jedem Knochen zugehörige Hälfte der durch Vereinigung beider 
Knochen entstehenden Crista ineisiva (nasalis aut.). 


Oberkieferbein. 167 


Öberkieferbeine in ihrer natürlichen Verbindung an einander, so vereini- 
gen sich diese beiden Furchen zu dem unteren, einfachen Theil des Can. 
Fig. 159. _ ineisivus und die Plättchen zu der medianen 
Scheidewand, welche den Canal nach oben in ei- 
nen rechten und linken Arm trennt (Fig. 159). 
Die Semicristae beider Oberkiefer bilden, zusam- 
mentretend, die mediane Crista ineisiva;, ihre 
divergirenden oberen Ränder tragen den unteren 
Rand des Knorpels der Nasenscheidewand. An 
den hinteren steil abfallenden Rand der Crista in- 
eisiva stösst die vordere, untere Ecke des Pflug- 
scharbeins; vorn, gegen den Naseneingang, senkt 
sich die Semicrista sanft zum Boden der Nasen- 
Frontaldurchschnitt des Gau- höhle herab und ragt über denselben vor in Form 
2 en einer spitzen dreikantigen Zacke, auf welche die 
mediale und die obere Fläche des Proc. alveo- 
laris gerade und die Gesichtsfläche seit- und abwärts umgebogen übergehen. 
Beide Zacken, mit den medialen Flächen zusammengefügt, bilden den vor- 
deren Nasenstachel, Spina nasalis anl. (Fig. 157). 


Der hintere Rand des Zahnfortsatzes ist eine Wölbung, mittelst wel- 
cher die äussere und innere Fläche dieses Fortsatzes abgerundet in einan- 
der übergehen. Auf diese Wölbung setzt sich die Rauhigkeit des Oberkie- 
ferkörpers, welche zur Befestigung des Gaumenbeins bestimmt ist, mehr 
oder minder weit abwärts fort und es bleibt demnach unterhalb der Anhef- 
tung des Gaumenbeins ein höherer oder niedrigerer Theil des hinteren 
Randes frei; derselbe ist durch Muskelansätze uneben. 


Rosenmüller (Diss. de singularibus et nativis ossium c. h. varietatibus, 
Lips. 1804, p. 14) giebt die Beschreibung und Abbildung eines Falls, wo die Sutura 
incisiva sich an der medialen Wand des Oberkieferkörpers und weiter an dem 
Stirnfortsatz hinaufzieht, an dem letzteren als eine, auch auf der Gesichtsfläche des- 
selben sichtbare Spalte. So weit die Spalte auf der Gesichtsfläche des Stirnfortsat- 
zes verläuft, hat sie die nämliche Richtung, wie die oben erwähnte Spur der Ab- 
trennung eines vorderen Thränenbeins. 


Der Can. ineisivus ist von sehr wechselnder Weite; die mediale Scheidewand 
desselben endet bald hoch oben, bald reicht sie bis zur unteren Mündung; die Zahl 
der Mündungen kann sich auf mehrfache Weise vervieltältigen. Scarpa (Anatom. 
annotat. Lib. II. p. 75) schildert als normale Form diejenige, wo vor und hinter 
der Scheidewand der eigentlichen Cann. ineisivi und in der sagittalen Gaumennaht 
je ein unpaares Canälchen liege, beide feiner, als die Cann. incisivi, das vordere 
noch feiner als das hintere. Sie seien insbesondere zur Aufnahme der Nn. naso- 
palatini bestimmt, und zwar in der Regel das vordere Canälchen zur Aufnahme des 
linken, das hintere des rechten Nerven. Unter 46 ohne Wahl untersuchten Fällen 
habe ich 16 Mal den Can. ineisivus so getroffen, wie er oben beschrieben wurde, 
unten einfach und oben durch eine mediane Scheidewand getheilt, häufig jedoch die 
linke und rechte Abtheilung von verschiedener Weite. Einmal war der obere Theil 
des Canals unwegsam, von den Eingängen am Boden der Nasenhöhle war nichts zu 
sehen ; am Gaumen fand sich eine, in zwei blinde Löcher führende Grube. In den 
übrigen Fällen war die Gaumenmündung des Can. incisivus in drei oder vier, ein- 
mal in fünf Oeffnungen getheilt. Am häufigsten (17 Mal) bestand in der Mitte vor 


Gaumen- 
fortsatz. 


168 Oberkieferbein. 


den beiden regelmässigen Canälen ein unpaarer, medianer, auf die Nasenscheide- 
wand stossender und demnach blinder Gang, der einem Ernährungsgefäss diente. 
Seltener (3 Mal) kam ein solcher Gang hinter den Mündungen des Can. ineisivus 
vor. In anderen Fällen verdreifachte sich die Gaumenmündung durch eine frontal 
oder sagittal gestellte Scheidewand des einen der beiden regelmässigen Canäle und 
zwar bald des rechten, bald des linken. Vier Gaumenöffnungen entstehen entweder 
durch eine derartige Theilung beider Canäle oder durch Theilung des einen bei 
gleichzeitiger Anwesenheit eines blinden Ernährungsloches. Oft stehen die Gaumen- 
mündungen symmetrisch im Dreieck oder im Kreuz, indess die Canäle unsymme- 
trisch, zwei in die eine, einer in die andere Nasenhöhle führen. 


Der Gaumenfortsatz (Fig.158) ist am vorderen Rande auf die an- 
gegebene Weise vom Zahnfortsatz geschieden, am hinteren, quer oder unre- 
gelmässig wellenförmig verlaufenden Rande auf Kosten der oberen Fläche 
schräg zugeschärft und mit der horizontalen Platte des Gaumenbeins in ei- 
ner Art Schuppennaht, Sutura palatina transversa, verbunden. Seine obere 
Fläche ist glatt und gleich der oberen Fläche des Zahnfortsatzes, deren 
Fortsetzung sie ist, von einer Seite zur anderen ausgehöhlt; doch ist der 
mediale Rand der oberen Fläche des Gaumenfortsatzes nur wenig aufge- 
worfen und die mediale Fläche dieses Fortsatzes fast um die Höhe der 
Crista ineisiva niedriger als die mediale Fläche des Zahnfortsatzes, mit 
welcher sie den blätterigen Bau gemein hat. Die Plattenform des Pro- 
cessus palatinus erlaubt, diese mediale Fläche auch als verdickten, 
medialen Rand zu betrachten. Die Naht, in welcher die medialen 
Flächen oder Ränder von beiden Seiten zusammenkommen, ein Theil 
der Sutura palatina sagittalis, bildet gegen die Nasenhöhle einen hö- 
heren oder niederen, öfters zweilippigen Vorsprung, Crista nasalis, auf 
welchem der vordere Theil des unteren Randes der Pflugschar ruht. Die 
untere Fläche des Gaumenfortsatzes ist rauh, von vielen Ernährungslöchern 
durchbohrt, und öfters mit einer in sagittaler Richtung etwas geschlängelt 
und näher dem lateralen als dem medialen Rande verlaufenden, nach vorn 
sich verlierenden seichten Furche versehen, an welcher, besonders im hinte- 
ren Theil, bald median-, bald lateralwärts niedere Kämme oder Spitzen 
vorragen. In dieser Furche liegen die Vasa und N. pterygo-palatina. 


Das Oberkieferbein des Neugehornen fällt durch seine verhältnissmässig geringe 
Höhe auf, bedingt durch die mangelhafte Entwickelung des Zahnfortsatzes, der um 
diese Zeit nur die Kronen der Zähne, später die viel längeren Wurzeln derselben 
einschliesst. Die Kieferhöhle ist besonders im verticalen und transversalen Durch- 
messer sehr seicht; ihr Boden liegt in gleicher Höhe mit dem unteren Rande des 
Hiatus maxillaris; ihre Decke reicht lateralwärts noch nicht bis zum Boden des 
Can. infraorbitalis. Von den Vorragungen an der Vorderfläche des Kiefers, welche 
den Alveolen entsprechen, ist besonders die des dritten Zahns deutlich und stark 
gewölbt. Die Sutura infraorbitalis ist zur Zeit der Geburt eine wegsame Spalte ; 
dem Fortsatz, welcher sich vom Proc. zygomatico-orbitalis über den Suleus infraor- 
bitalis des Oberkieferkörpers medianwärts herüberlegt, um mit seinem unterer Rande 
den oberen Rand des Foramen infraorbitale zu bilden, begegnet ein lateralwärts vor- 
ragender, schräg abgestutzter Fortsatz des Körpers anfünglich in einer einfachen, ab- 
und medianwärts verlaufenden Naht, bald aber wächst an der Vorderfläche vom 
Rande des letzteren Fortsatzes eine dünne Platte über den Rand des ersteren late- 
ralwärts hinaus. Die Spur der Verbindung beider Fortsätze ist auf der Gesichts- 
fläche des Kiefers nicht selten schon im ersten Lebensjahre verwischt; auf der Or- 
bitalfläche erhält sie sich länger. 


Oberkieferbein. 169 


Die Sutura ineisiva ist beim Neugebornen sowohl an der Gaumen- wie an der 
Nasenfläche sehr deutlich; der Can. ineisivus ist medianwärts offen; die Wand, die 
später den oberen Theil desselben nach dieser Seite schliesst, entsteht aus dünnen 
und niedrigen Plättchen, welche vom vorderen Rande der Furche rückwärts, vom 
hinteren Rande vorwärts wachsen. 

In der Ineisura lacrymalis des Oberkieferbeins und auf dem unterhalb derselben 
gelegenen Theil der medialen Fläche, welche die seitliche Wand des Thränencanals 
ausmacht, bildet sich häufig ein besonderes Knöchelchen, zuerst von Rousseau 
(Ann. des sc. natur. T. XVII. 1829. p. 86. pl. 5 A) unter dem Namen Os lacry- 
male ext. oder unguis minor, dann von Gruber (Bulletin physico - mathematique 
de lacademie des sciences de Petersbourg. T. VIII. 1850. Nro. 13) unter dem Na- 
men eines Os canalis naso-lacrymalis beschrieben. Es besteht im vollkommensten 
Zustand aus zwei, unter einem rechten Winkel verbundenen, dünnen Plättchen, von 
welchen das eine horizontal am Boden der Augenhöhle, an der Grenze zwischen 
dem Körper und dem Stirnfortsatz des Oberkieferbeins liegt, das andere, verticale, 
in den Thränencanal mehr oder minder weit hinabragt, mit quer abgestutztem oder 
lancettförmig zugespitztem Ende. Die Mächtigkeit beider Plättchen ist verschieden ; 
meistens liegen sie papierdünn und flach auf den Wänden des Oberkieferbeins, öf- 
ters sind sie mit convexen und rauhen, selbst zackigen Flächen in Vertiefungen des 
Oberkiefers eingesenkt; nur ein Mal sah ich das Os lacrymale ext. in eine entspre- 
chende Lücke des Oberkiefers eingelassen, so dass die Naht nicht nur auf der Or- 
bital- und Nasenfläche , sondern auch von der Kieferhöhle aus sichtbar war. Die 
horizontale Platte, mehr oder minder weit lateralwärts und zuweilen»auch über den 
Infraorbitalrand ins Gesicht vorragend mit zackigem oder abgerundetem Rande, ver- 
hält sich zur verticalen wie der einseitige und platt geschlagene Kopf eines Nagels. 
Die Kante, in welcher das horizontale und verticale Plättchen zusammenstossen, kann, 
gleich der Incisura lacrymalis selbst, einen Theil des oberen Randes des Thränen- 
canals bilden, oder sie ‚wird von diesem Rande abgedrängt durch den Hamulus la- 
erymalis, der sich mit seinem unteren Rande an jene Kante anlegt, oder durch einen 
dem Hamulus lacrymalis entgegenkommenden Fortsatz des Stirnfortsatzes des Ober- 
kiefers oder durch beide. Im letzteren Fall (dem von Rousseau abgebildeten) 
liegt die horizontale Platte wie ein Nahtknochen im Boden der Augenhöhle lateral- 
wärts vom Eingang des Thränencanals. Die horizontale Platte kann fehlen oder 
auf einen schmalen Saum redueirt sein, mit welchem das verticale Plättchen gleich- 
sam am Rande des Thränencanals aufgehängt ist. 

Das äussere Thränenbein verwächst im reiferen Alter mit dem Oberkiefer, sel- 
tener mit dem eigentlichen Thränenbein. Es scheint sich erst längere Zeit nach 
der Geburt zu entwickeln. In Kinderschädeln geht vom Rande der Incisura lacry- 
malis eine sagittale Spalte tief abwärts zwischen die Knochenlamellen, welehe die 
mediale Wand des Oberkieiers bilden, eine Spalte, wodurch die innere, die Lunula 
lacrymalis tragende Lamelle eine Strecke weit vom übrigen Knochen abgelöst er- 
scheint. Vielleicht hat Gruber diese Lamelle mit dem äusseren Thränenbein ver- 
wechselt, wenn er behauptet, das letztere schon bei 6- und 7monatlichen Embryonen 
gesehen zu haben. 

Fallen im höheren Alter die Zähne aus, so schwinden die Alveolen theils durch 
Ausfüllung mit Knochensubstanz, theils durch Abnutzung. 


8. Gaumenbein, Os palatinum. 


Das Gaumenbein besteht aus zwei dünnen, vierseitigen, im rechten 
Winkel zusammengefügten Platten, von welchen die eine, horizontale, 
Pars horizontalis \), den hinteren Theil des Gaumengewölbes bildet, die 
andere, verticale, Pars perpendicularis ?), vom lateralen Rande der 


D) P. palatina. 2) P. nasalis. P, ascendens. 


8. Gaumen- 
bein, 


170 - Gaumenbein. 


horizontalen an, längs der Nasenfläche der medialen Wand des Oberkiefers 
aufsteigt. Von der hinteren Ecke der Kante, in welcher die horizontale 
und verticale Platte zusammenstossen, geht rückwärts 
der Proc. pyramidalis ab und legt sich in die Inci- 

Ip sura pterygoidea (des Gaumenflügels des Wespenbeins). 
Nach oben, etwas unter dem Niveau des Bodens der 

| Augenhöhle, theilt sich die perpendiculäre Platte des 
S\Ps Gaumenbeins mittelst‘eines tiefen, fast kreisförmigen 
Ausschnittes, Incisura palatina, in einen vorderen 
und einen hinteren Fortsatz. Jener, der Processus 
orbitalis, liegt auf dem Trigonum palatinum des 
Oberkiefers; dieser, Processus sphenoidalis , setzt 
„) pı, Sich mit dem Körper des Wespenbeins in Verbindung. 
Die beiden Flächen der horizontalen Platte 
des Gaumenbeins sind Fortsetzungen der Flächen des 

a Gaumenfortsatzes des Oberkieferbeins: die obere gehört 
dem Boden der Nasenhöhle an und ist wie die Fläche 
des Gaumenfortsatzes, als deren Verlängerung sie er- 
scheint, glatt und von einer Seite zur anderen ausge- 
höhlt; die untere oder Gaumenfläche ist ebener 
usa glatter als die Gen aache des Gaumenfortsatzes und nur längs dem 
Seitenrande vertieft von einer an der hinteren lateralen Ecke befindlichen 
ovalen und mit dem längsten Durchmesser in sagittaler Richtung gestellten, 
seitwärts nicht immer ganz geschlossenen Oeffnung an, dem Floramen 
pterygopalatinum (Fig. 161), auf welches ich zurückkomme. Die Vertie- 
fung ist der Anfang der Furche für die Vasa 
und N. pterygo-palatina, deren bei Beschrei- 
bung des Gaumenfortsatzes des Oberkiefers 
gedacht wurde. Der vordere Rand der hori- 
zontalen Platte ist mit dem hinteren Rande 
des Gaumenfortsatzes des Oberkiefers in der 
schon bei diesem Knochen beschriebenen que- 
ren Gaumennaht vereinigt; der hintere Rand 
der horizontalen Platte ist concav, am media- 
len Theile scharf, am lateralen Theile in ei- 
nen abwärts ragenden Kamm umgebogen, 
welcher quer hinter dem erwähnten For. 
pterygo-palatinum auf den Proc. pyramikalis 
übergeht und die hintere Wand einer niederen trichterförmigen Höhle 
bildet, in deren Spitze jene Oeffnung sich befindet. Mit dem verdickten und 
besonders nach oben aufgeworfenenmedialen Rande liegt diePars horizont. in 
der sagittalen Gaumennaht, setzt in der Nasenhöhle die Crista nasalis der 
Gaumenfortsätze des Oberkieferbeins fort und stützt so den hinteren Theil 
des unteren Randes der Pflugschar; mit dem lateralen Rande biegt sie in 
den perpendiculären 'Theil und zunächst in die mediale Wand des Canalis 
pterygo-palatinus um. Die Spitze, in welcher der concave hintere Rand 
mit dem lateralen zusammenstösst, setzt sich in den Proc. pyramidalis fort ; 
die Spitze an der vom medialen und hinteren Rande gebildeten Ecke tritt 


Fig. 160. 


Horizontate 
Platte. 


Das linke Gaumenbein 
von hinten. 


Rechtes Gaumenbein von unten. 


Gaumenbein. 171 


mit der entsprechenden des gleichnamigen Knochens der anderen Seite zu 
der platten und meist abgerundeten Spina nasalis post. zusammen. 

Die perpendiculäre, mit dem oberen Ende rückwärts geneigte 
Platte des Gaumenbeins deckt den hinteren Theil der medialen Wand des 
Oberkiefers dergestalt, dass sie nach hinten diesen Knochen in sagittaler 
Richtung, je näher dem oberen Rande, 
um so weiter überragt und sich in der 
Regel auch nach vorn über den Hiatus 
maxillaris hinaus erstreckt. Ihr hinterer 
Rand legt sich an den vorderen Rand des 
Gaumenflügels des Wespenbeins und deckt 
ihn von der Nasenseite her; ihr vorderer 
Rand ist senr dünn und uneben; nicht 
selten sendet er etwa von der Mitte 
seiner Höhe einen platten, ebenfalls sehr 
dünnen Fortsatz, Nasenfortsatz, Proc. 
nasalis, nach vorn, der sich mit dem 
unteren Rande an den unteren Rand des 
Hiatus maxillaris fügt, mit der vorderen 
abgerundeten Spitze den vorderen Rand 
dieser Lücke erreicht und so, von unten 
auf, einen Theil derselben schliesst. 


Fig. 162, 


Rechtes Gaumenbein, mediale Fläche. 


Die Verbindung des Fortsatzes mit der betreffenden Wand des Oberkiefers ge- 
schieht entweder in einfacher oder schuppenförmiger Naht und im letzteren Fall 
häufig so, dass die Spitze des Fortsatzes auf die laterale Fläche der Oberkieferwand 
tritt, dieselbe also nach der Kieferhöhlenseite eine Strecke weit bedeckt. Vergl. 
Schultz, a. a. O. p. 51. 


Die mediale Fläche der perpendiculären Platte des Gaumenbeins (Fig. 
162) hat zwei parallele, sagittale, mit der hinteren Spitze wenig abwärts 
geneigte Firsten, die Eine etwa in der Mitte ihrer Höhe, die andere am obe- 
ren Ende unmittelbar unter oder etwas über dem Ausschnitt, welcher den 
Proe. orbitalis und sphenoidalis trennt. Die untere Firste, Crista furbi- 
nalis), dient, wie die gleichnamige Firste des Oberkieferbeins, der unteren 
‘Muschel zur Befestigung; mit der oberen Firste, Orösta elhmoidalis 3), 
welche meist nur im vorderen Theil des Knochens deutlich ist, verbindet 
sich der laterale Rand der Siebbeinplatte, welche die hinteren Zellen des 
Labyrinths von unten schliesst und sich medianwärts in die mittlere Mu- 
schel fortsetzt. 

- Die laterale Fläche der perpendiculären Platte (Fig. 163) ist in vier 
perpendiculäre Felder oder Streifen getheilt. Das hinterste Feld ist von un- 
beständiger Breite, nicht selten auf einen schmalen Saum redueirt, mässig 
rauh, an die mediale Fläche der Gaumenflügel gefügt. Das zweite Feld, 
von hinten an gerechnet, ist glatt, und im oberen Theile, wo es die mediale 
Wand der Fossa sphenomaxillaris darstellt, lach; abwärts wandelt es sich 
in eine Furche, Sulcus pterygopalatinus um, welche seicht beginnt und 


!) Cr. turbin. inf. aut. 
2) Cr. turbin. sup. aut, 


Perpendi- 
culäre 
Platte. 


172 Gaumenbein. 


nach unten dadurch an Tiefe zunimmt, dass: sich vom vorderen und hinte- 
ren Rande Kämme !) erheben, und je weiter nach unten, um so weiter ein- 
ander entgegen über die Furche herüberbiegen, zuweilen bis zur wirklichen 
Vereinigung, ja bis zur Verschmelzung über derselben. Beide Kämme sind 
an ihrer medialen, dem Sulcus pterygo-palatinus zugekehrten Fläche glatt, 
an ihrer lateralen Fläche rauh, und es setzt sich die Rauhigkeit des hinte- 
Fig. 163. ren Kammes auf die laterale Fläche des Pro- 
j cessus pyramidalis, die Rauhigkeit des vorderen 
Kammes auf das dritte Feld der perpendi- 
culären Platte fort. Indem sich sodann diese 
rauhe Fläche, sowie die rauhe Fläche des 
Processus pyramidalis an die entsprechen- 
den Rauhigkeiten des Oberkieferkörpers 'anle- 
gen, fügen sich die zwischen den Rauhigkeiten 
befindlichen Rinnen, der Sulcus pterygo-palati- 
nus des Oberkiefers und des Gaumenbeins, zum 
Canalis pterygo-palatinus an einander. Je näher 
der unteren Oeffnung, um so grösser wird der 
Antheil, welchen das Gaumenbein an der Bildung 
Linkes Gaumenbein, laterale des Canals nimmt; die untere sagittal- ovale 
m Oeffnung selbst, das For. pterygo-palatinum, 
ist zu seinem grössten Theil und, wenn die 
perpendiculären Kämme unten zusammentreten, ringsum vom Gau- 
menbein eingefasst; eine feine Naht, Fortsetzung der queren Gaumen- 
naht, läuft im letzteren Falle an der lateralen Seite desselben hin. Höher 
oder tiefer im Suleus pterygo-palatinus findet man zwei Löcher (selten drei 
oder vier, noch seltener nur ein einziges), welche in Zweigcanäle des Can. 
pterygo-palatinus, die unter zpitzen Winkeln abwärts abgehenden ('anales 
palatini posteriores führen. 

Var. Zuweilen öffnet sich in den Can. pterygo-palatinus ein Canälchen, welches 
die perpendiculäre Platte in schräg von der medialen zur lateralen Fläche absteigen- 
der Richtung durchsetzt. Auch gerade nach vorn in die horizontale Platte des Gau- 
menbeins tritt ein Canälchen aus dem Can. pterygo-palatinus ein. 


Das vorderste Feld der perpendiculären Platte, von sehr wechselnder 
Form und Ausdehnung, ist glatt, schaut in die Kieferhöhle und setzt sich 
in die laterale Fläche des Nasenfortsatzes, wenn ein solcher vorhanden ist, 

ohne Unterbrechung fort. 
Proc. py- Der Pr. pyramidalis sitzt in Form eines Steuerruders am hinteren 
ramidalis. Rande der perpendiculären Platte, ein rechtwinkeliges Dreieck, die Eine 
Kathete mit diesem Rand verwachsen, die andere in der Flucht des unteren 
Randes der perpendiculären Platte, die schwach ausgehöhlte Hypothenuse 
rück- und aufwärts gerichtet. Der Fortsatz entspringt dünn von der per- 
pendiculären Platte, verdickt sich aber gegen die freien Ränder und zwar 
vorzugsweise nach der lateralen Fläche hin, so dass diese Fläche von der 
lateralen Fläche der perpendieulären Platte unter einem stumpfen Winkel 


») Orista longitudinalis ant. und post. 


Gaumenbein. 173 


lateralwärts abweicht (Fig. 160.161). Die Verdiekung beginnt mit dem den 
Suleus pterygo -palatinus 
von hinten her begrenzen- 
den Kamme ; mit der bereits 
erwähnten, vom Rande 
dieses Kammes auf die 
laterale Fläche des Proc. 
pyramidalis sich erstrecken- 
den Rauhigkeit legt sie 
sich an die rauhen Stellen 
der medialen Wand und 
des hinteren Randes des 
Körpers und des Zahnfort- 
satzes des Oberkiefers ah; 
weiter rückwärts ragt ein 
kleiner glatter Theil dieser 
ah e Fläche (Fig. 163.164 p) frei 
aumen nebst den die Choanen begrenzenden Knochen .. . > 
von unten. Ppt. Processus pterygoidei. über den hinteren Rand 
des Oberkiefers nach hinten. 
Die mediale Fläche des Pr. 
pyramidalis ist fast ganz 
von einer tiefen und rauhen Rinne (Fig. 160—162*) eingenommen, welche 
den vorderen Rand der medialen Platte des Gaumenflügels des Wespen- 
beins umfasst. An diese Rinne stösst, schon dem hinteren Rande des Proc. 
pyramidalis angehörig, die glatte, ausgehöhlte, dreiseitig spitzwinkelige und 
mit der Spitze nach oben gerichtete Fläche, welche in der Fissura ptery- 
goidea zwischen den auseinanderweichenden Platten des Gaumenflügels im 
Grunde der Fossa pterygoidea zum Vorschein kommt (ebend. **). Weiter 
seitwärts folgt die rauhe Rinne, in welche der vordere Rand der latera- 
len Platte des Wespenbeinflügels eingefügt ist (160. 161. 163. ***). Die oben 
erwähnten Canales palatini post., welche, vom Sulcus pterygo-palatinus aus, 
in der Dieke des Proc. pyramidalis abwärts laufen, münden in der Regel 
mit zwei Oeffnungen, F'oramina palalina posleriora, neben einander 
auf dem unteren, wulstigen Rand dieses  Fortsatzes, auf und hinter dem 
Kamme, der in transversaler Richtung hinter dem Foramen pterygo-palati- 
num verläuft. 


Grösse, Zahl und Form dieser Canäle und Löcher sind veränderlich. Zuweilen 
wird der am meisten seitlich gelegene Can. palatinus post. gleich dem Can. ptery- 
go-palatinus von Rinnen des Gaumen- und Oberkieferbeins zusammengesetzt. 

Von den beiden vom oberen Ende der perpendiculären Platte aus- 
gehenden Fortsätzen ist der vordere seitwärts gekrümmt, um auf dem 
Körper des Oberkiefers zu ruhen, der hintere im Bogen medianwärts ge- 
richtet, um längs der medialen Wurzel des Gaumenflügels sich an die un- 
tere Fläche des Wespenbeinkörpers anzulegen (Fig. 160. 164). 

Der Proc. orbitalis ist eine dreiseitige hohle Pyramide, die Spitze 
seit- und vorwärts, die der Grundfläche entsprechende Seite median- und 
etwas rückwärts gewandt; die Stelle der Grundfläche nimmt ganz oder 
grösstentheils eine weite Oeffnung ein, die in die trichterförmige Höhlung 


Proc. 
orbitalis, 


174 Gaumenbein. 


der Pyramide führt (Fig. 162); der Rand der Oeffnung liegt in gleicher 
1 Flucht mit dem hinteren oberen zel- 
ligen Theil der Nasenfläche des Ober- 
kiefers und verbindet sich mit dem 
Rande der Siebbeinzelle, welche der 
Proc. orbitalis von der Seite her zu 
schliessen bestimmt ist. Was von der 
Grundfläche des Proc. orbitalis hin- 
ter dieser Oeffnung übrig bleibt, legt 
sich vor die laterale untere Ecke der 
vorderen Wand des Wespenbeinkör- 
pers und trägt, wenn diese Wand un- 
vollständig ist, zur Schliessung der 
Wespenbeinhöhle bei. Von den drei 
in der Spitze der Pyramide zusam- 
menstossenden, dreiseitigen Seitenflä- 
chen ist die Eine, vor- und abwärts 
geneigt, mit dem Trigonum palatinum 
Linkes Gaumenbein von der Seite, im Zu- des Oberkieferkörpers verbunden; 
at ei uk ne die zweite, horizontale, nimmt in der 
lenplatte des Stirnbeins. ff Durchschnit- Höhe der Orbitalfläche des Oberkie- 
tene Wurzeln des Temporalflügels. ZLpa. fers die hintere mediale Ecke des 
Tamm ee hen meinatus Bodens der Augenhöhle ein; sie stösst 

an ihrem medialen Rande in einer 

Naht zusammen mit dem hinteren 
Theil des unteren Randes der Papierplatte des Siebbeins und reicht eine 
kurze (zuweilen eine längere) Strecke weit zwischen dem hinteren Rande 
der Papierplatte und dem vorderen Rande des Wespenbeinkörpers an der 
medialen Wand der Augenhöhle empor. Die dritte Fläche steht, an die 
Infratemporalfläche des Oberkiefers sich anschliessend, perpendieulär und 
macht den oberen Theil der vorderen Wand der Fossa sphenomaxillaris 
aus. Diese Fläche ist von oben nach unten ausgehöhlt und bildet so den 
Anfang der Rinne, die auf der Infratemporalfläche des Oberkiefers weiter 
zum Can. infraorbitalis führt; sie ist ferner von einer Seite zur andern con- 
cav und wendet sich mit dem medialen Rande rückwärts, um sich an die 
laterale Fläche des Wespenbeinkörpers anzuschliessen. Die Kante zwi- 
schen den beiden letztgenannten Flächen (Fig. 165 k) ist der hinterste 
Theil des unteren Randes der Fissura orbitalis inf. 

Der Orbitalfortsatz des Gaumenbeins ersetzt demnach genau die Ecke, 
welche an der Vereinigungsstelle der Orbital-, Nasal- und Infratemporal- 
fläche dem Oberkiefer fehlt und verliert in dem Maasse an Umfang, als der 
Oberkiefer nach dieser Seite hin vollständiger wird. Andererseits wechselt 
die Ausdehnung des Orbitalfortsatzes gegen das Siebbein, indem die von 
beiden Knochentheilen gemeinschaftlich gebildeten Zellen zum grösseren 
Theile bald dem einen, bald dem anderen angehören. So findet sich der 
Orbitalfortsatz bald auf ein flaches, gegen das Siebbein nur leicht ausge- 
höhltes Plättchen redueirt, bald zu einem tiefen Trichter mit einem von 
flachen Zellen umgebenen Eingang verlängert. 


Fig. 165. 


Gaumenbein. 175 


Var. Der Orbitalfortsatz des Gaumenbeins reicht dem hinteren Rande der 
Papierplatte des Siebbeins entlang und vor dem vorderen Rande des Wespenbeinkör- 
pers bis zum Stirnbein hinauf (Gruber, Abh. S.4). Die Zelle des Orbitalfortsatzes 
ist gegen das Siebbein geschlossen und öffnet sich dagegen in die Kieferhöhle 
(M. J. Weber). 

Der Proc. sphenoidalis ist ein kleines, medianwärts gebogenes 
und zugleich rückwärts gelehntes Plättchen, mit sagittal abgestutztem 
Rande. Dieser Rand ist breit und abgeplattet, oder scharf, und unter der 
unteren Wand des Wespenbeinkörpers so herübergebogen (Fig. 164), dass 
er den vorderen seitlichen Theil dieser Wand verstärkt oder, vor dem Pro- 
cessus vaginalis der medialen Wurzel des Gaumenflügels, den vordersten 
Theil des Falzes zur Aufnahme des oberen Randes der Pflugschar bilden 
hilft. 

Der Ausschnitt zwischen den beiden obenbeschriebenen Fortsätzen be- 
grenzt mit der unteren Fläche des Wespenbeinkörpers, an welche die beiden 
Fortsätze sich anlegen, eine runde, zuweilen unregelmässige Oeffnung, F'or. 
sphenopalatinum, die Communicationsöffnung zwischen der Fossa spheno- 
maxill. und der Nasenhöhle (Fig.165). Der Antheil des Wespenbeins wird 
um so geringer, je mehr sich die gegen einander gekehrten Ränder des Gau- 
menbeins einander zuneigen, und nicht selten wird das Wespenbein ganz 
ausgeschlossen durch einen verschiedentlich gestalteten leisten - oder blatt- 
förmigen oder schnörkelartig geschwungenen Fortsatz, welchen der Proc. 
orbitalis von der hinteren oberen Ecke an zum Vorderrande des Processus 
sphenoidalis rückwärts sendet. 

Var. Das Foramen sphenopalat. ist durch ein feines Knochenplättchen ge- 
theilt, welches zwischen den Wurzeln des Proc. orbit. und sphenoid. horizontal hin- 
gespannt ist. — Das Gaumenbein des Neugebornen ist von dem des Erwachsenen 
besonders durch die verhältnissmässig geringe Höhe der verticalen Platte und durch 
die mangelhafte Entwickelung des Orbitalfortsatzes, der ein solides dünnes Plättchen 
darstellt, unterschieden. 


9. Thränenbein, Os laerymale. 


Das Thränenbein ist ein im Wesentlichen vierseitiges Knochenplätt- 
chen, seitliche Decke der vorderen Siebbeinzellen, in die Lücke gefügt, wel- 
che vorn von der medialen Kante der Thränenfurche des Stirnfortsatzes 
des Oberkiefers, hinten vom vorderen Rande der Papierplatte des Sieb- 

Fig. 166. beins, oben und unten von den medialen Rändern 
der Orbitalplatten des Stirnbeins und des Oberkiefer- 
körpers eingefasst wird. Die Ränder verlaufen gerade 
oder fein gezackt (Fig. 166); mitunter wird die 
vierseitige Form durch grössere und unregelmässige 
Biegungen besonders des hinteren Randes alterirt; 
der untere Rand ist in der Regel länger als der 
obere und convex. Der obere, vordere und hintere 
ae hg Rand sind mit den Knochen, an welche sie angrenzen, 

Be : durch einfache Nähte verbunden; nur der untere Rand 


Proc. 
sphenoida- 
lis. 


9. Thrä- 
nenbein. 


176 Thränenbein. 


ruht, so weit er mit dem Oberkiefer in Verbindung steht, meistens mit- 
telst einer breiteren, schräg ab- und medianwärts gerichteten Lippe auf 
der im entsprechenden Sinne abgeschrägten Kante des genannten Knochens. 

Auf der äusseren Fläche des Thränenbeins verläuft in vertiealer Rich- 
tung, mit dem oberen Ende ein wenig nach vorwärts geneigt, eine scharfe 
Kante. Crista lacrym. post., die sich von oben nach unten allmälig 
mehr über die Fläche erhebt und am unteren Ende in eine dünne, haken- 
förmig nach vorn gekrümmte Spitze, Hamulus lacrymalis, ausgeht. 
Durch diese Kante wird die Fläche getheilt in ein hinteres, breiteres und 
ein vorderes, schmaleres Feld. Das hintere Feld ist flach und bildet den vor- 
dersten Theil der medialen Wand der Augenhöhle ; das vordere Feld, Sul- 
cus lacrymalis (Fig. 166), ist in einem stumpfen. Winkel gegen das hintere 
vorwärts gerichtet, von einer Seite zur anderen ausgehöhlt, und legt sich mit 
seinem vorderen Rande an den hinteren Rand der gleichnamigen Rinne des 
Stirnfortsatzes des Oberkiefers, um in Verbindung mit dieser die Thränen- 
grube, F'ossa lacrymalis zu bilden (Fig. 167). Unten trifft die Crista 


Fig. 167. 


Das linke Thränenbein, in Verbindung mit dem Siebbein und Oberkieferbein. Der 
Schädel um seine sagittale Axe mit der linken Gesichtshälfte abwärts gedreht. Lpa. La- 
mina papyracea des Siebbeins. Prl. Proc. lacrymalis des Muschelbeins. Pf. Proc. fron- 

talis. Ola. Crista lacrymalis ant. des Oberkieferbeins. 


lacrymalis post. auf die hintere Ecke der Incisura laerym. (des Oberkie- 
fers); der Hamulus laer. verläuft mit seinem unteren Rande auf dieser In- 
eisur, je nach seiner Länge, mehr oder minder weit vorwärts. Der untere 
Rand der Thränenfurche des Thränenbeins dagegen ist von der hinte- 
ren Ecke der Incisura laerymalis in einem medianwärts convexen Bogen 
zum medialen Rande der Thränenfurche des Oberkieferbeins hinüberge- 
spannt. Indem die parallel ab- und seitwärts verlaufenden Cristae 
lacrymales des Oberkieferbeins und des Thränenbeins an ihrem unte- 
ren Ende durch Vermittelung des oberen Randes des Hamulus und 


Muschelbein. > 177 


allenfalls der Ineisura laerymalis in einander umbiegen, stellen sie eine 
langgestreckte Ellipse und den oberen Rand eines cylindrischen Canals 
dar, zu welchem der Zugang durch einen spitzwinkelig gegen die Axe 
und von der medialen abwärts zur lateralen Wand geführten Schnitt ge- 
wonnen scheint. Die Thränengrube ist die mediale Wand dieses Canals, 
so weit sie durch den besagten Schnitt sichtbar geworden. Die mediale 
Wand des eigentlichen Thränencanals ist 
demnach die gerade Fortsetzung der Thrä- 
nengrube, nur dass für den Suleus lacr. 
des Thränenbeins, vom unteren Rande des 
letzteren an, die Lunula lacrym. des Ober- 
kieferbeins und ein Fortsatz des Muschel- 
beins (Prl, Fig. 167) eintreten, dessen Be- 
schreibung im nächsten Abschnitte folgt 1). 
Die dem Labyrinth zugekehrte Flä- 

che des Thränenbeins (Fig. 168) hat in 
der Regel eine der Crista und öfters auch 
Rechtes Thränenbein in Verbindung mit dem Hamulus laerymalis der Aussenseite 
dem Oberkieferbein, mediale Fläche. entsprechende verticale Vertiefung, und 
Zu. Lunula lacrymalis. Ct. Crista is} durch horizontale oder schräge Leist- 

turbinalis des Oberkiefers. x = 
chen in flache Zellen abgetheilt. 


Das Thränenbeın bietet zahlreiche Varietäten dar. Es ist von feinen Canälen 
durchzogen (Schultz a. a. O. p. 42. Taf. IV. Fig. | — 4), häufig von grösse- 
ren oder kleineren Oeffnungen durchbrochen, und die Zahl der Löcher kann 
so gross werden, dass nur eine Art Netz zarter Knochenleistchen übrig bleibt. 
Es kann der Quere und der Länge nach durch Nähte getheilt oder mit der Papier- 
platte des Siebbeins verwachsen, endlich durch Ausdehnung des Oberkiefer- oder des 
Siebbeins oder beider theilweise oder völlig verdrängt sein. An einem Schädel (Italiener) 
des hiesigen physiol. Instituts findet sich ein Thränenbein von nur 4mm jm sagittalen, 
&mm jm verticalen Durchmesser hinter der Thränengrube , welche allein dem Stirn- 
fortsatz des Oberkiefers angehört. In einem von Gruber beschriebenen Falle 
(Müll. Arch. 1848. S. 412. T. XIV) wird das Thränenbein ersetzt durch Fortsätze 
des Stirnbeins und Oberkieferkörpers, welche zwischen dem Stirnfortsatz des Ober- 
kiefers und der Papierplatte des Siebbeins einander in der medialen Wand der Au- 
genhöhle begegnen. 


10. Muschelbein, Concha inferior. 


Die Muschelbeine bestehen aus dem Körper und drei Fortsätzen. Kör- 
per und Fortsätze sind dünn und platt. Der Körper ist uneben, einer Mu- 
schel oder einem mit den Seitenrändern eingerollten Myrtenblatt vergleich- 
bar. Mit dem längsten Durchmesser (40 ””) parallel der sagittalen Axe des 
Schädels, liegt er in der Seitenwand der Nasenhöhle, die convexe Fläche 
auf-, die concave abwärts gekehrt, eine Spitze nach vorn, die andere nach 


!) Der unterste Theil des Suleus lacr. des Thränenbeins, welcher sich mitunter dem 
Muschelbein entgegen abwärts verlängert, wird als Proc. nasalis s. laerymalis des Thrä- 
nenbeins aufgeführt. 


Henle, Anatomie, Thl. I. 12 


10. Mu- 
schelbein. 


Körper. 


Proc. 
lacrymalis. 


178 ; Muschelbein. 


hinten gerichtet (Fig. 169). Die vordere Spitze ist in der Regel abgerun- 
Fig. 169. det oder abgestutzt, die hintere 
Th ape länger ausgezogen. Von den Rändern 

des Muschelbeinkörpers ist der Eine 
an die Knochen der lateralen Wand 
der Nasenhöhle befestigt, der andere 
weiter median- und abwärts gelegene 
springt frei in die Nasenhöhle vor. 
Der befestigte Rand ist scharf, der 
freie wulstig. Die Flächen gleichen 
denen der Siebbeinmuscheln: die con- 
vexe ist, besonders in der Nähe des 
unteren Randes, mit mehreren, unter- 
Rechtes Muschelbein, in Verbindung mit dem brochenen, theilweise von dünnen Plätt- 
Oberkiefer- und Gaumenbein, mediale Flä- chen überbrückten, der Länge nach 
che. Hm En ne Lu Lunula verlaufenden Furchen versehen, wel- 
RE che durch niedere Kämme und Spitzen 

von einander geschieden sind; die concave Fläche ist in der Regel glatter ; 
beide sind, gleich dem wulstigen Rande, siebförmig von einer Masse feiner 
Poren durchlöchert. Je nachdem die Wölbung des Muschelbeinkörpers 
schwächer oder stärker ist, ragt er entweder, wie ein Dach schräg median- 
wärts abfallend, über den Boden der Nasenhöhle, oder er geht aus der ho- 
rizontalen Lage des lateralen Theils medianwärts im Bogen in die verticale 
über, rollt sich auch wohl mit dem freien Rande wieder lateralwärts um 
und macht so mit seiner convexen Fläche den Boden des mittleren, mit der 

concaven die Decke des unteren Nasengangs ans. 

Der angewachsene oder lateraleRand des Muschelbeins ist in drei Ab- 
theilungen geschieden. Die vordere, von vorn nach hinten schräg aufstei- 
sende Abtheilung ist mit der Crista turbinalis des Oberkieferbeins, die 
hintere, von vorn nach hinten schräg absteigende mit der gleichnamigen 
Crista des Gaumenbeins verbunden; die mittlere Abtheilung ist zwischen 
beiden Kämmen frei an der medialen Wand des Oberkieferbeins, welche 
hier theils zurückweicht, theils durchbrochen ist, hingespannt. Von die- 
ser Abtheilung gehen die Fortsätze aus. Wir haben an derselben wieder 
zwei Abtheilungen zu unterscheiden: die vordere, kürzere, reicht vom hin- 
teren Ende der Crista turbinalis des Oberkiefers bis an den vorderen Rand 
des Hiatus maxillaris; sie setzt sich aufwärts in ein quer abgestutztes 
Plättehen, den Proc. lacrymalis 2), fort, welcher, zwischen das un- 
tere Ende des medialen Randes des Suleus lacrymalis und die Lunula la- 
erymalis des Oberkieferbeins eingeschoben, oder auch, von der Nasenseite 
ber den einen oder anderen dieser Knochentheile deckend, dem unteren 
Rand des Thränenbeins begegnet und demnach, je weiter das Thränenbein 
herabragt, um so niedriger und unscheinbarer wird. Der Proc. lacrymalis 
des Muschelbeins wendet die mediale, etwas rauhe Fläche der Nasenhöhle, 
die laterale, schwach eoncave und glatte Fläche der Thränengrube zu; die 


Prı 


2 


') Hamulıs palatinus. ?) Processus nasalıs, 


Mnschelbein. 179 


quere Naht, in welcher er mit dem Thränenbein zusammenstösst, liegt in der 
medialen Wand des Thränencanals (Fig. 167); die stumpfwinkliche Kante, an 
welcher die laterale Fläche des Proc. laerym. in die concave Fläche des Mu- 
schelbeinkörpers ausbiegt, begrenzt den Ausgang des genannten Canals (vgl. 
Fig. 85). Die hintere, längere Abtheilung des freien Theiles des lateralen 


Randes des Muschelbeinkörpers läuft horizontal über den unteren Theil des 


Hiatus maxill. vom vorderen zum hinteren Rande desselben und schickt auf- und 
abwärts platte Fortsätze, welche sich vor diese Oeffnung legen, um sie ge- 
gen die Nasenhöhle hin zu verengen oder abzuschliessen. Der abwärts ge- 
richtete Fortsatz, Pr. ma.xillaris, ein Theil der lateralen Wand des unteren 
Nasenganges, schliesst den unterhalb des Muschelbeins befindlichen Theil 
des Hiatus maxill. vollständig; es ist ein’halbmondförmiges oder vierseiti- 
ges Plättchen, welches sich mit seinem freien Rande entweder auf den 
Rand der genannten Oeffnung stützt oder den letzteren bald an der media- 
len, bald an der lateralen Fläche etwas überragt (Fig. 170, 171). Deckt 
Fig. 170. die perpendiculäre Platte des Gaumenbeins oder ein 
Pr Proc. nasalis derselben einen Theil des Hiatus 
N maxill., so tritt der Proc. maxill. des Muschelbeins 
auch mit diesen Theilen des Gaumenbeins in Ver- 
bindung, und wird um so kleiner, je enger der 
Pın — Hiatus maxillar. an sich ist und je mehr er durch 
das Gaumenbein verengt wird. Der Fortsatz, der 
ui rer r ein, laterale _ 1 dem oberen Rande des Muschelbeinkörpers 
Bet aufsteigt, um zur Schliessung des über dem latera- 
len Rande des Muschelbeins in den mittleren Nasengang sich öffnenden 
Theils des Hiatus maxillaris beizutragen, Pr. elhmoidalis, ist von sehr 
wechselnder Grösse und Gestalt. Er entsteht in einiger Entfernung hinter 
dem Thränenfortsatz, geht schräg oder im Winkel gebogen nach vorn und 
vereinigt sich mittelst eines abgestutzten Randes mit dem ab- und rück- 
wärts gekehrten unteren Rande des Pr. uncinatus des Siebbeins (Fig. 
171). Er ist meistens schmal, oft aber auch breit genug, um mit dem hin- 
Fig. 171. teren Rande sich an den a Rand 

Pu der Kieferhöhle anzulegen. Häufig sieht 

man ihn von. rundlichen Oeffnungen 
durchbrochen, in feine Zacken ausgezo- 

pe gen. Zwischen ihm und dem Thränen- 
21 fortsatz kommen manchmal noch mehrere 
pı kleinere, spitze oder blattförmige Neben- 
fortsätze vor, welche alle unter sich und 

mit dem Processus uneinatus durch eine 

ı  fibröse Membran verbunden sind, so dass 
2 der Zugang von der Nasen- zur Kiefer- 
2 i .. höhle nur oberhalb des Proc. ethmoidalis 

Linkes Oberkieferbein mit dem Sieb-, Ä y 
Gaumen- und Muschelbein; die Seiten- der Muschel und hinter dem Proc. unci- 

wand der Kieferhöhle weggenommen. natus des Siebbeins offen bleibt. 


Das Muschelbein des Neugebornen ist in keinem wesentlichen Punkt von dem 
des Erwachsenen verschieden. Nicht selten verwächst es im reiferen Alter mit dem 


Oberkieferbein. 
12? 


Proc. 
maxillaris, 


Proc. 
ethmoidalis 


180 Nasenbein. 


1l. Nasenbein, Os nası. 


i1. Nasen- Die Nasenbeine füllen, in einer medianen Naht an einander gefügt, 
bein die Lücke aus, welche in der Decke der Nasenhöhle zwischen den media- 
len Rändern der Stirnfortsätze des Oberkieferbeins und dem Nasentheil des 
Stirnbeins übrig bleibt (Fig. 172). Mit ihren Flächen jederseits in die 
Flächen des genannten Fort- 
satzes übergehend, bilden sie 
den Rücken und einen Theil 
der Seitenwand der knöcher- 
nen Nase. Ihr hinterer oder, 
bei der geneigten Lage der 
Nasendecke, oberer Rand 
setzt sich gegen das über- 
hängende Stirnbein, als Na- 
senwurzel, ab; ihr vorderer, 
breiterer Rand ist am knö- 
chernen Schädel frei, leicht 
gekerbt, scharf, ein Theil 
; der Apertura pyriformis und 

2 Epe B F R 
Rechtes Nasenbein in Verbindung mit dem Sieb-, Stirn- mu Dnge Tlucht u 


und Oberkieferbein, von vorn. Lpe. Lamina perpendi- freien Rande des Stirnfort- 
eularis fdes Siebbeins.. Pr. Processus nasalis des satzes des Oberkieferbeins. 


Burspeins An ihn ist die knorpliche 
Stütze des vorderen (unteren) Theils des Nasenrückens befestigt. 

Jedes Nasenbein ist eine vierseitige Platte, mit geradem medialen und 
gegen das vordere Ende schräg lateralwärts abweichendem und auf Kosten 
der vorderen Fläche schräg zugeschärftem lateralen Rande. Die Flächen 
nehmen somit gegen den freien Rand an Breite zu. Sie sind von Einer 
Seite zur anderen die äusseren convex, die inneren concav, und zwar ent- 
spricht die Concavität der inneren einem kleineren Radius, als die Convexi- 
tät der äusseren, weil der mediale Rand nach innen aufgeworfen ist und 
einen Vorsprung in die Nasenhöhle bildet, welcher, zusammen mit dem 
entsprechenden Vorsprung des anderen Nasenbeins, einen einfachen oder 

Fig. 173. zweilippigen medianen Kamm darstellt. Dieser Kamm 

» ruht auf dem oberen (vorderen) Rand der knöchernen 
Scheidewand der Nase, und zwar auf dem medianen obe- 
ren Kamm des Nasenfortsatzes des Stirnbeins und weiter 
vorn auf der perpendiculären Platte des Siebbeins. In 

. der Richtung von der Wurzel zum vorderen Rand ist die 
Rechtes Nasenbein . 5 i 
vom medialen Rand. Innere Fläche des Nasenbeins gerade oder leicht concav, 

der Wurzel zunächst, wo sie den Nasenfortsatz des Stirn- 
beins deckt, eine grössere oder geringere Strecke weit rauh, im Uebrigen glatt 
und von einigen longitudinalen Furchen durchzogen, von welchen die tiefste 
und dem lateralenRande zunächst gelegene, Sulcus elhmoidalis, Fig. 173, 
zur Aufnahme des N. ethmoid. dient. Die äussere Fläche des Nasenbeins 
ist, abgesehen von einigen Ernährungslöchern und sehr feinen Gefässrinnen, 


Nasenbein. 181 


glatt, und von der Wurzel zum vorderen Rande erst concav, dann convex. 
Indem sich gegen die Nasenwurzel hin die äussere Fläche des Knochens 
von der inneren allmälig entfernt, nimmt er in dieser Richtung an Mäch- 
tigkeit und besonders sein medialer Rand an Höhe zu. Dieser Rand ist, 
zur Verbindung der Nasenbeine unter sich, feinblätterig, oft an dem einen 
Nasenbeine gewölbt, am anderen entsprechend vertieft. Der hintere Rand 
ist eine rauhe, zackige Fläche, auf die oben (8. 124) beschriebene Weise 
mit dem Nasentheil des Stirnbeins verbunden. 

Die Form der Nasenbeine ist sehr grossen individuellen Schwankungen 
unterworfen. Ihre Breite wechselt um das Vierfache; die breiten liegen 
mit dem grössten Theile ihrer Fläche bald vor-, bald seitwärts gewandt, 
wodurch der Nasenrücken platt oder scharf wird. Wie sehr der Winkel, 
den ihre Gesichtsfläche mit der Stirn bildet, variren kann, lehrt schon die 
Betrachtung lebender Köpfe. 


Oft sind die Nasenbeine ungleich, das Eine auf Kosten des anderen vergrössert. 
Einen Fall, wo das linke Nasenbein sich mit einem queren Fortsatz zwischen das 
Stirnbein und das rechte Nasenbein eindrängt, bildet d’Alton ab (Handb. der 
menschl. Anat. Bd. I. S. 40). Aehnliche Fortsätze kommen an der oberen lateralen 
Ecke der Nasenbeine vor, wo sie sich zwischen das Stirnbein und den Stirnfortsatz 
des Oberkieferbeins erstrecken. Der hintere (obere) Theil der Naht beider Nasen- 
beine kann zackig sein oder obliteriren. Verwachsung dieser Naht in der ganzen 
Länge ist selten. Diese Verwachsung, die an Affenschädelbildungen erinnert, ist 
kein Racenkennzeichen; denn es kommen kaukasische Schädel mit verschmolzenen 
Nasenbeinen und äthiopische mit sehr schön ausgebildeten und gesonderten Nasen- 
beinen vor. Merkwürdig aber ist es, dass Mangel und die auffallendste Verkümme- 
rung der Nasenbeine verhältnissmässig häufig an Schädeln fremder Racen beobach- 
tet worden ist. Das hiesige physiologische Institut besitzt aus der Blumenbach’- 
schen Sammlung den Schädel eines Negerkindes, an welchem jede Spur einer Ab- 
‚trennung der Nasenbeine von den Stirnfortsätzen der Oberkieferbeine fehlt, die 
letzteren also die Stelle der ersteren mit vertreten. Dieselbe Anomalie, an euro- 
päischen Kinderschädeln, ist von Köhler (Beschreibung der physiol. und pathol. 
Präp. in der Sammlung des Hrn. Loder, Leipzig 1795, S. 124) und einseitig von 
J. F. Meckel (Beitr. zur vergl. Anatomie, Bd.I. Hft. 2. Leipz. 1809. S. 54) notirt. 
An dem Schädel eines Kindes und eines Weibes beobachtete sie Sandifort 
(Observationes anatomico- path. Lib- II. p. 130; IV. p. 136). An einem Javanesen- 
schädel der Blumenbach’schen Sammlung reichen die Stirnfortsätze des Ober- 
kiefers medianwärts so weit vor, dass sie zwischen den oberen Theilen ihrer me- 
dialen Ränder nur eine schmale Spalte lassen, die sich abwärts erweitert; in der 
Spalte liest ein plattes Knochenstück von verschoben rhombischer Form, unzer- 
trennlich mit der vorderen Kante der Lamina perpendicularis des Siebbeins ver- 
wachsen, höher als breit, einen spitzen Winkel aufwärts gegen den Rand des Stirn- 
beins, den anderen, minder spitzen Winkel jenem gegenüber frei nach unten, die 
beiden stumpfen Winkel seitwärts gerichtet. Die Breite der transversalen Diagonale 
dieses Knochenstücks zwischen den stumpfen Winkeln beträgt 6Gmm. — An einem 
Kafferschädel derselben Sammlung wird ein noch engerer Raum zwischen beiden 
Stirnfortsätzen des Oberkiefers durch ein noch schmaleres, längliches und plattes, 
aber selbstänuiges Knochenstück und durch einen vom Stirnbein herabragenden und 
abwärts zugespitzten Fortsatz ausgefüllt, der sich zwischen den rechten Rand des 
eben erwähnten Knochenstücks und den Stirnfortsatz des Oberkiefers eine Strecke 
weit eindrängt. Die Blutgefässe des Gesichts stehen mitunter mit denen der Na- 
senhöhle durch Löcher der Nasenbeine in Verbindung. 

Unter dem Namen Ossa internasalia beschreibt Mayer (Archiv für phy- 
siol. Heilk. 1849. S. 235) Knochen, welche, ganz oder theilweise mit einander ver- 


182 Jochbein. 


wachsen, in dem dreieckigen Ausschnitt des Randes der Nasenbeine, im oberen 
Winkel der Apertura pyriformis, auf der vorderen Spitze der Lamina perpendicu- 
Jaris des Siebbeins liegen; sie haben die Grösse etwa eines halben Silbergroschens 
und kommen unter hundert Schädeln zwei bis drei Mal wohl entwickelt vor. In 
der Regel verwachsen sie im späteren Alter, vom vierzigsten Jahre an; an dem 
Schädel eines Neugeborenen erscheinen sie bereits in dem Knorpel der Lamina 
perpendieularis hinter der Nasenspitze. (Mayer betrachtet diese Knochen als Ana- 
loga der Rüsselknochen mancher Säugethiergattungen.) 


12. Jochbein, Os zygomaticum. 


12. Joch- Das Jochbein muss man sich zusammengesetzt denken aus zwei, unter 
beit einem spitzen Winkel (60 — 70°) und mit halbmondförmig ausgeschnitte- 
nen Rändern zusammengefügten Platten. Die scharfe Kante, welche durch 
die Zusammenfügung beider Platten gebildet wird, ist die untere Hälfte 
des lateralen und die laterale Hälfte des unteren Randes der Augenhöhle, 
«verläuft demnach im Bogen erst ab-, dann median- und zugleich vorwärts. 
Von den Platten macht die eine, Orbitalplatte, Pars orbitalis, den vor- 
deren Theil der lateralen Wand und des Bodens der Augenhöhle aus; die 
andere, Wangenplatte, Pars malaris, deckt von der Seite her den vor- 
Fig. 174. deren Theil der Schläfengrube. Die 
Orbitalplatte ist spitzwinklich drei- 
seitig mit abwärts gerichteter Spitze, 
die Wangenplatte unregelmässig 
vierseitig. Beide Platten stehen 
mit dem grössten Theile ihrer Flä- 
chen vertical, und zwar in einer 
diagonalen, die Mitte zwischen der 
frontalen und sagittalen haltenden 
Richtung, die Orbitalplatte von der 
semeinschaftlichen vorderen Kante 
median-, die Wangenplatte lateral- 
wärts verlaufend. Nur die untere 
4 Ar Spitze der Orbitalplatte biegt in 
die horizontale, die obere vordere 
Gesichtsschädel von vorn. Foi Fissura orbit. Ecke der Wangenplatt® in eine 
inf. Pz Proc. zygomat. des Schläfenbeins. mehr der frontalen sich nähernde 
Stellung um. Die Orbitalplatte zeigt sich demnach, wenn man den 
Schädel von vorn betrachtet, von oben nach unten ausgehöhlt, die Wangen- 
Pr platte von hinten nach vorn schwach gewölbt. Die Orbitalplatte wendet ihre 
vordere Fläche der Augenhöhle’ zu; die vordere Fläche der Wangenplatte 
gehört dem Gesichte an; die hinteren Flächen beider Theile sehen in die 
Schläfengrube und stellen, indem sie ausgerundet in einander übergehen, 
eine einzige verticale und gerade nach hinten gerichtete Hollkehle dar, 
welche die Schläfengrube von vorn abschliesst und sich aufwärts auf die 
hintere Fläche des Jochfortsatzes des Stirnbeins, abwärts auf die hintere 
Aushöhlung des Proc. zygomatico -orbitalis des Oberkieferbeins fortsetzt. 
Orbital- Ich habe die Orbitalplatte des Jochbeins einem spitzwinklichen 
Dreieck verglichen. Die schmale, dem spitzen Winkel gegenüberliegende 


Jochbein. 183 


Seite ist ein horizontaler, zackiger Rand !), am medialen Ende scharf, gegen 
Fig. 175. das laterale an Mächtigkeit (im sagittalen Durchmesser) 
Czt zumehmend, in gleicher Flucht oder etwas tiefer 
als der Stirnrand des Temporalflügels des Wespen- 
beins gelegen. Auf ihn stützt sich der Jochfortsatz des 
Stirnbeins. Von den beiden langen, den spitzen Win- 
kel einschliessenden Seiten ist die laterale der Augen- 
höhlenrand, die mediale ein grösstentheils oder in der 
ganzen Länge zackiger Rand. Der hintere, verticale 
techtes Jochbein von Theil dieses Randes (Fig. 175 *) ist an die Urisla 
a. um zygomalica des Temporalflügels des Wespenbeins der- 
rechts gedreht, gestalt angefügt, dass die beiden Flächen dieses Flügels, 
welche die Crista zygomatica scheidet, durch die Orbital- 
und Temporälfläche des Jochbeins geradezu verlängert 
werden (Fig. 176). Der vordere, horizontal verlaufende 
Theil desselben Randes (Fig. 175***) stösst am Boden 
der Augenhöhle in einer Naht mit der Lamina orbitalis 
des Proc. zygomatico -orbitalis des Oberkieferbeins zu- 
sammen. Zwischen jenem, mit dem Wespenbein, und 
diesem, mit dem Oberkieferbein verbundenen Theil ist 
der Rand (**) in der Regel eine kurze Strecke frei 
und scharf, vertical vom oberen zum unteren Rande 
Horizontalschnitt des der Fissura orbit. inf. hinübergespannt. Häufig kommen 
Jochbeins in Verbindung „per das Wespen- und Oberkieferbein einander am 
mit dem Temporalflügel „ . 2 a : 
des Wespenbeins.: Feo Seitenrande der Fiss. orbit. inf. so entgegen, dass sie 


Facies orbit. Fet Fa- das Jochbein vom Antheil an der Bildung dieser Oeff- 
eies temporalis. 


Fig. 176. 


nung ausschliessen. $ 


Nach Gruber’s Untersuchungen an 120 Schädeln (Abhandl. aus der menschl. 
u. vergleichenden Anatomie, Petersburg 1854, S. 116) ist das Jochbein ebenso oft 
von der Fissura orbit. inf. ausgeschlossen, als es an derselben Antheil nimmt. Die 
Ausschliessung geschieht nicht nur durch Fortsätze, welche Oberkiefer und "T’em- 
poralflügel einander entgegensenden, sondern auch durch Nahtknochen, einen oder 
mehrere, welche am lateralen Ende dieser Fissur zwischen den genannten Knochen 
und dem Jochbein liegen. Froment (Fech. sur plusieurs points d’anatomie, Paris 
1854, p. 55) sah die Theilnahme des Jochbeins an der Fissur unter 375 Schädeln 
105 Mal auf beiden Seiten und 87 Mal auf Einer Seite. Von den Fällen, in wel- 
chen das Jochbein ausgeschlossen war, war 28 Mal auf beiden Seiten und 31 Mal 
auf Einer Seite die Verbindung des Wespen- und Oberkieferbeins durch einen Naht- 
knochen bewerkstelligt. Ausserdem constatirte Froment, dass die Häufigkeit der 
Verbindung des Wespen- und Oberkieferbeins mit dem Alter zunimint. 

Nicht selten legt sich das Jochbein von vorn her so über die Spina zygomatica 
des Oberkieferbeins, dass beide mit einander, das Jochbein vorn, das Oberkiefer- 
bein hinten, den lateralen Rand der Fissur bilden. 


An der unregelmässig vierseitigen Wangenplatte ist die dem Orbi- 
talrande gegenüberliegende untere Kante frei und wulstig und verläuft ge- 
rade oder schwach nach unten gekrümmt mit mässiger Steigung rück - und 
lateralwärts. Sie geht hinten in den unteren Rand des Jochfortsatzes des 
Schläfenbeins, vorn in die untere Kante des prismatischen Proc. zygomatico- 


) Proc. frontalis aut. 


E 


Wangen- 
platte. 


DS 


184 Jochbein. a 


orbitalis des Oberkieferbeins über, in die letztere mit einer stumpfwinklichen 
Knickung, Wangenhöcker, Tuberosilas malarts. Fig. 177, deren Scheitel 
abwärts gerichtet ist und entweder genau dem Ende der Naht beider Kno- 
chen entspricht oder auf den einen oder anderen derselben rückt. Die 
ganze Kante ist von Muskelansätzen 
rauh und diese Rauhigkeit greift als 
schmaler oder breiter Saum auf die 
äussere Fläche der Wangenplatte über- 
Der vordere und hintere Rand 
der Wangenplatte haben eine einiger- 
maassen parallele, schräg von oben 
und vorn nach hinten und unten ge- 
neigte Richtung, doch ist in der Re- 
gel der vordere Rand noch etwas mehr 
gegen den Horizont geneigt als der 
hintere, um so mehr, je länger die 
vordere Spitze ausgezogen ist, in wel- 
cher dieser Rand mit dem medialen 
Rande der Pars orbitalis zusammen- 
Linkes Jochbein, fast Profil. stösst. Er ist gerade oder unregel- 
mässig wellenförmig gebogen, schwach 
zackig und in seiner ganzen Länge mit dem vorderen Rande des Proc. 
zygomatico -orbitalis des Oberkiefers verbunden. 


Fig. 177. 


Die Länge der vorderen oberen Spitze des Jochbeins !') und damit der Antheil, 
welchen das Jochbein an der Bildung des Infraorbitalrandes nimmt, ist grossen in- 
dividuellen Schwankungen unterworfen. Als Regel kann gelten, dass die Spitze des 
Jochbeins gerade oder etwas medianwärts über dem For. infraorbitale endet. Steigt 
sodann, wie dies ebenfalls Regel ist, die Naht vom Foramen zum Mg. infraorbitalis 
ebenso schräg medianwärts auf, so folgen in dem letztgenannten Rande von der 
Schläfen- zur Nasenseite einander Jochbein, Proc. zygomatico - orbitalis, Oberkiefer- 
körper, endlich Crista lacrymalis des Stirnfortsatzes des Oberkiefers. Hat die Spitze 
des Jochbeins die gewöhnliche Länge, steigt aber die Naht vom For. zum Mg. in- 
fraorbitalis lateralwärts auf, so wird der Proc. zygomatico-orbitalis von der Bil- 
dung des Mg. infraorbitalis ausgeschlossen und die Spitze des Jochbeins reicht 
auf den oberen Rand des Oberkieferkörpers hinüber. Nun kann die Naht vom For. 
zum Mg. infraorbitalis so sehr lateralwärts vordringen, dass der Körper des Ober- 
kiefers vom Mg. infraorbitalis ausgeschlossen wird. Die Spitze des Jochbeins kann 
dabei die gewöhnliche Länge behalten. Endlich kann sich auch diese Spitze so 
verlängern, dass sie über den Proc. zygomatico-orbitalis und den Körper des Ober- 
kiefers weg die Crista lacrymalis erreicht. 

Die Zahl der Varietäten wird noch vermehrt durch die Existenz von Schalt- 
knochen in der Naht des Proc. zygomatico-orbitalis und des Körpers des Oberkiefers. 

Zuweilen springt die Gesichtsfläche der vorderen Spitze des Jochbeins wulstig 
über die Gesichtsfläche des Oberkieferbeins vor und in der Naht finden sich tiefe 
Gruben und Ernährungslöcher. 


Der hintere Rand der Wangenplatte hat zwei Abtheilungen. Der 
obere, längere, S- oder ziekzackförmig gekrümmte Theil ist frei, oben 
wulstig, abwärts, je mehr die Schläfengrube sich neben ihm vertieft, um 
so schärfer. Die untere rückwärts verlaufende Krümmung der Sförmigen 


D) Proc. maxillaris aut. 


Jochbein. 185 


Linie geht unter einem stumpfen Winkel über in den unteren, schräg ab - 
und rückwärts gerichteten und stark gezähnelten Theil des hinteren Ran- 
des, welcher sich mit dem Jochtortsatz des Schläfenbeins in Verbindung 
setzt. Die durch die Einbiegung des hinteren Randes abgesetzte rückwärts 
vorragende Platte, welche in dem erwähnten zackigen Rande endet, wird 
Schläfenfortsatz, Proc. temporalis, des Jochbeins genannt. 

Die laterale Fläche der Wangenplatte ist glatt, in verschiedenem 
Grade gewölbt. Von der medialen Fläche (Fig. 178) ist der grössere, 

Fig. 178. hintere Theil ebenfalls glatt und tritt mit 
Eat dem verticalen Theile der hinteren Fläche der 

Ezf Orbitalplatte in der beschriebenen Weise zu 
einer Concavität zusammen. Der vordere 
Theil ist rauh in einer dreiseitigen Fläche, 
deren Basis sich längs dem horizontalen 
Theile der Orbitalplatte hinzieht, deren 
Spitze mit der vorderen unteren Ecke der 
Wangenplatte zusammenfällt. Diese Rau- 
higkeit, welche sich auf die untere Fläche 
der Orbitalplatte fortsetzt, entspricht in ihrer 
Form genau der Form der rauhen End- 
fläche des Proc. zygomatico - orbitalis, auf welcher sie ruht. 

Das Jochbein wird von zwei Canälen durchzogen, welche die Bestim- 
mung haben, Nerven- und Gefässäste aus der Augenhöhle einerseits auf 
die Wange, andererseits in die Schläfengrube zu leiten. Die Nervenäste 
sind, wie überall, die beständigeren, ein N. zygomatico -facialis und ein 
N. zygomatico-temporalis vom N. zygomaticus !) des zweiten Astes des 
Trigeminus. Die betreffenden und gleichbenannten Canäle, Can. zyg0- 
matico - facialis und Can. zygomatico-temporalis, gehen von der 
Örbitalfläche aus, der eine in transversaler Richtung, etwas nach vorn und 
wenig nach unten abweichend zur Gesichtsfläche, der andere rück- und 
auf- oder abwärts zur Schläfenfläche. Die Eingänge ?) liegen auf der 
Orbitalfläche ungefähr im Niveau der Fissura orbit. inferior, der Ausgang 
des Can. zygomatico-facialis 3) findet sich auf der Gesichtsfläche nahe 
(5 — 8m) unter dem Orbitalrande, in gerader Linie über dem Wangen- 
höcker; der Ausgang des Can. zygomatico -temporalis #) liegt in der obe- 
ren Hälfte der Schläfenfläche, bald dem unteren, bald dem oberen Rande 
näher. Nicht selten erfolgt die Theilung des N. zygomaticus in seine bei- 
den Aeste erst innerhalb des Jochbeins. Dann ist Eine orbitale Mündung 
beiden Canälen gemein, der Can. zygomatico-facialis liegt in der Flucht 
des gemeinsamen Anfanges, und der Can. zygomatico-temporalis geht unter 
einem spitzen Winkel rück- und medianwärts von demselben ab. 

Es giebt noch andere zahlreiche Varietäten der beschriebenen Canäle. Die 
Ausgangsöffnungen beider können sich vervielfältigen; die des (’an. zygomatico- 
temporalis stehen alsdann über einander, die des Can. zygom.-fac., 2—4, in einem 


Pam 
Rechtes Jochbein von innen. 


1) N. subcutaneus malae aut. 

2) Foramen zygom. orbitale Krause, F. z. sup. Weber, F. z. int. Arnold. 

3) Foramen zygom. faciale Krause, F. z. ant. Weber, F. z. ext. Arnold. 

4) For. zygom. int. Meckel, F. z. temp. Krause, F. z. post. Weber und Arnold, 


Can. 
zygon.-fac. 
u. zygom.- 

tempor. 


186 


lem Orbitalrande concentrischen Bogen. 


Pflugscharbein. 


In einem Falle sah ich zwei Cann. zygo-. 


matico-facial. sich gegen die Mündung zu einem einfachen Canal vereinigen. Beide 
Canäle kommen doppelt, der Can. zygomat.-temporalis auch dreifach vor, oder es 
bestehen neben dem vom Can. zygomatico-fac. sich abzweigenden Can. zygomatico- 


temp. noch zwei besondere. 


Der Eingang des Can. zygomatico-temporalis rückt 


medianwärts in die Naht zwischen der Pars orbitalis des Jochbeins und der Crista 
zygomatica des Temporalflügels; sehr selten versetzt er sich auf die letztgenannte 
Crista. Hier erscheint der Can. zygomatico-temp. als einfaches Loch der Orbital- 
platte, dort durchzieht er den verticalen Theil dieser Platte von unten nach oben. 
Zuweilen geht ein Canal, der in dieser Richtung aufsteigt, an der oberen Ecke des 
Jochbeins statt auf die Schläfenfläche, auf die Gesichtsfläche über. Auch findet man 
die Pars malarıs am oberen Theile des hinteren Randes in transversaler Richtung 


von einem Canälchen durchsetzt. 


Zuweilen führen auf der Orbital- und Schläfen- 


fläche längere Furchen zu den Oeffnungen oder von ihnen weg. Variabel und in 
keinem bestimmten Verhältniss za einander sind auch die Durchmesser der Oeff- 
nungen (bis zu 3mm), Selten fehlt der Can. zygomatico-temporalis, noch seltener 
der Can. zygomatico-facialis. 

Jochbeine, durch eine horizontale Naht getheilt, bilden Sandifort (a. a. O. 
Lib. III. p. 113. Taf. VII, Fig. 7) und Schultz (a. a. O. p. 57. Tat. II. Fig. 3) 
ah. Der dem Oberkiefer zunächst gelegene Theil des Jochbeins kann eine Höhlung 
(bis zu Bohnengrösse) enthalten, die sich mit der Kieferhöhble in Verbindung setzt 
Mayer in Schmidt’s Jahrb. Bd XXX. S. 12). 


13. Pflugscharbein, Vomer. 


13. Pflug- Das Pflugscharbein ist der hintere Theil der Nasenscheidewand, eine 
aufrecht in der Medianebene stehende, aber meistens nach der einen oder 
anderen Seite ausweichende, vierseitige Platte. Sie verbindet sich (Fig. 179) 
durch den oberen Rand mit der Schädelbasis und insbesondere mit der 


scharbein, 


Fig. 179. 


Knöcherne Scheidewand der Nase von der 
linken Seite. Zp Lamina perpendicularis 


des Siebbeins, 


Ci Crista ineisiva, 


unteren Fläche des Wespenbein- 
körpers, durch den unteren Rand 
mit der Crista nasalis der Ober- 
kiefer- und Gaumenbeine, durch 
den vorderen Rand mit der per- 
pendiculären Platte des Siebbeins 
(Lp) und weiter abwärts mit dem 
Knorpel der Nasenscheidewand ; 
der hintere Rand steht frei zwi- 
schen beiden Choanen. Der 
obere und der hintere Rand 
einerseits und der vordere und 
untere andererseits sind von fast 


gleicher Länge; die letzteren bei- 


den länger als die ersteren; der _ 
obere steigt von hinten nach vorn 
schräg auf, der hintere, meistens 
schwach concav, schräg ab, der 
untere Rand, ebenfalls schwach 
concav, liegt horizontal oder 


mit dem hinteren Ende kaum merklich höher als mit dem vorderen; der 


Pflugscharbein. 187 


vordere Rand ist dem hinteren parallel oder etwas mehr gegen den Hori- 
zont geneigt. Der obere und hintere Rand verbinden sich in einem spitzen 
Winkel, der obere 

Fig. 180. Fig. 181. und vordere, so- 

wie der hintere 
und untere unter 
stumpfen Win- 
keln; die Spitze, 
in welcher der 
vordere und un- 
tere Rand zusanmı- 
menstossen soll- 
ten, ist vertical 
abgestutzt oder 


Ptlugscharbein von vorn 


Knöcherne Nasenscheidewand von hinten. an durch’einen Aus: 
+ Schnittfläche des Körpers, ff des i NE ar 
Temporalfiügels des Wespenbeins. schnitt auf die hintere Ecke der Crista 
Fov Foramen ovale. ineisiva aufgepasst. Das Pflugschar- 


bein ist am hinteren Rande und am 
hinteren Theile des unteren Randes 
am dünnsten; vor- und aufwärts nımmt es an Dicke zu und am oberen 
Rande legt es sich in zwei Blätter, Alae vomeris (Fig. 180—182), aus ein- 
ander, die, unter stumpfem Winkel gegen einander geneigt, eine Rinne !) 
einschliessen, welche zur Aufnahme des Wespenbeinschnabels bestimmt ist. 
Die Vförmig divergirenden hinteren Ränder dieser Rinne sind wulstig und 
abgerundet, die lateralen Ränder scharf, zwischen die untere Fläche des 
Wespenbeinkörpers und die Procc. vaginales des Gaumenflügels wie ein- 
gefalzt, weiter vorn an den Rand des 
Wespenbeinfortsatzes des Gaumenbeins ge- 
lehnt oder von ihm getragen (Fig. 182). 
Die Rinne vertieft sich nach vorn in dem 
Maasse, als die Spitze des Wespenbein- 
schnabels vorspringt und schliesst sich ent- 
weder über dem letzteren zu einer Art von 
Tasche, oder sie läuft offen, schmal und 
tief, von zwei sehr zarten Blättern ein- 
gefasst, längs dem ganzen vorderen Rande 
oder längs dem grössten Theile desselben 
herab. Sie wird dann von dem Scheide- 
..  wandknorpel ausgefüllt; die perpendiculäre 
Decke der Nasenhöhle von unten. Platte des Siebbeins stützt sich asymmetrisch 

f Horizontalschnitt des Vomer. S 2 = . 

+ Schnittfläche der Gaumenflügel. auf eins der Blätter (gewöhnlich auf das 
Pv Proc. vaginalis des Gaumenflügels. rechte) und drängt dasselbe aus dem Loth 
Ps Proc. sphenoidalis des Gaumenbeins. lateralwärts, so dass dieNaht sich in Form 

einer stumpfwinkeligen Kante nach der 
einen (meist der linken) Nasenhöhle ausbiegt. Das andere Blatt ragt an 
dem macerirten Schädel frei empor, ist aber oft unvollständig. 


Fig. 182. 


1) Incisura vomeris. 


14. Unter- 
kiefer. 


188 Unterkiefer. 


Au der unteren Fläche des Wespen- und über der Rinne des Pflug- 
scharbeins verläuft ein medianer Canal (Fig. 180, 182 *), welcher Blutgefässe 
zwischen die Platten des Pflugscharbeins und weiter nach vorn zum Knor- 
pel der Nasenscheidewand führt. Neben demselben und in gleicher Rich- 
tung kommt häufig jederseits ein Canal vor, zwischen dem Wespenbeinkörper, 
der Wurzel des Proc. vaginalis und dem lateralen Rande der Ala vomeris, 
ein Canal, durch welchen Blutgefässe von der Basis des Schädels vorwärts in 
die spongiöse Substanz des Wespenbeinkörpers oder in die Wespenbeinhöhlen 
oder, in selteneren Fällen, in die Nasenhöhle treten (Fig. 182 **). Ein zweiter 
paariger und ebenfalls sagittaler Canal !) liegt unterhalb des vorigen, um 
Weniges lateralwärts und mit der hinteren Mündung (Fig. 182 ***) weiter 
vorn; die obere Wand desselben wird vom Keilbeinkörper, die untere vom 
medialen Rande des Proc. sphenoid. des Gaumenbeins in Verbindung mit 
dem lateralen Rande der Ala vomeris gebildet. Durch ihn gelangen Ge- 
fäss- und Nervenästchen aus der Nasenhöhle und zwar von der Gegend 
des For. sphenopalatinum zur oberen Wand des Schlundkopfs. Man kann 
diese Canäle C©. vomerobasilares nennen und nach ihrer Lage als medianen, 
lateralen oberen und lateralen unteren unterscheiden. , 

Jeder dieser Canäle kann fehlen; der mediane Canal fehlt im höheren Alter 
gewöhnlich oder ist obliterirtt (Tourtual, Rhein.-westfäl. Correspondenzbl. Bd. IV. 
Nr. 10, 11.) Der laterale untere Canal verläuft häufig zwischen Gaumen- und 
Wespenbein allein. Er kann mit dem Can. vidianus communiciren. 

Die Flächen des Pflugscharbeins sind in der Regel glatt. Eine seichte, 
meistens kaum bemerkbare Furche zieht auf beiden Flächen von der Ge- 
gend der hinteren oberen zur vorderen unteren Spitze. Sie rührt vom 
N. nasopalatinus her. 

Das Pflugscharbein besteht beim Neugeborenen aus zwei dünnen Blättern, 
welche nur am unteren und hinteren Rande mit einander verwachsen sind oder in 
einander umbiegen und einen platten, in die knorpelige Scheidewand der Nase sich 
fortsetzenden Knorpel umgeben. Völlig verwachsen diese Platten erst gegen die 
Zeit der Pubertät. Im reifen Alter verschmilzt das Pflugscharbein mit der perpen- 
dieulären Platte des Siebbeins. 


14. Unterkiefer, Mandibula. 


Der Unterkiefer ist ein halbelliptischgebogener, platter Knochen, wel- 
cher den unteren Theil der Vorderfläche und den hinteren Theil der Seiten- 
flächen des Gesichtes einnimmt. Seine Flächen haben eine von der ver- 
ticalen nur wenig und zwar in der Art abweichende Stellung, dass die 
äussere Fläche etwas aufwärts, die innere abwärts gewandt ist. Von den 
Rändern ist der untere abgerundet, wulstig, überall durch die Haut zu 
fühlen; er bezeichnet die Grenze der Unterkiefer- und Unterkinngegend. 
Der obere Rand trägt in seinem mittleren Theile die Zähne; hinter dem 
letzten Zahn jederseits erhebt sich‘ etwa von dem hinteren Drittel jeder 
Seitenhälfte ein platter Fortsatz, dessen fast sagittal gestellte, nur wenig 
mit dem hinteren Rande lateralwärts ausweichende Flächen aus der inne- 


I) Canaliculus pharyngeus Arnold. 


Unterkiefer. 189 


ren und äusseren Fläche des zahntragenden Bogens unmittelbar hervor- 
gehen. Diese Fortsätze heissen Aeste, Ramid); im Gegensatz zu den- 
selben nennt man den mitt- 
leren bogenförmigen Theil des 
Unterkiefers den Körper ?). 
Der der hinteren unteren Ecke 
zunächst gelegene Theil des 
Knochens, welcher durch eine 
in Gedanken vom vorderen 
Rande des Astes abwärts und 
vom oberen Rande des Kör- 
pers rückwärts gezogene Linie 
begrenzt wird, kann ebenso- 
wohl zum Körper wie zum 
Aste gerechnet werden. Ihn 
dem Aste zuzurechnen, scheint 
aber deshalb natürlicher, weil 
sich vom vorderen Rande des 
Astes eine Kante auf die Vor- 
derfläche des Körpers eine 
Strecke weit schräg abwärts fortsetzt, die den Ast gegen den Körper ab- 
grenzt. Der untere Rand des Astes liegt nach dieser Vorstellung in der 
Flucht des unteren Randes des Körpers. Die abgerundete Ecke, mit wel- 
cher der untere Rand in den hinteren Rand des Astes unter einem stumpfen 
Winkel übergeht, heisst Unterkieferwinkel, Anyulus mandibulae. 
Am oberen Rande ist der Ast durch einen bogenförmigen Ausschnitt, 
Incisura mandibulae 3), in zwei Fortsätze getheilt; der hintere Fort- 
- satz, Gelenkfortsatz, Proc. condyloideus (Pc) articulirt mit der Pfanne des 
Schläfenbeins; der vordere, Proc. coronoideus (Pco) *). ist ein Muskel- 
fortsatz, welchen die Sehne des M. temporalis umfasst. 

An dem Körper des Unterkiefers ist der obere oder Zahnrand, 
Limbus alveolaris, mit Fächern zur Aufnahme der Zahnwurzeln in gleicher 
Zahl und Form, wie die beiden Oberkieferbeine, versehen, nur dass die 
Alveolen der Schneidezähne, wie diese Zähne selbst, im Unterkiefer klei- 
ner sind als im Oberkiefer. Damit hängt zusammen, dass der Rand des 
Unterkiefers, so weit er die Schneidezähne trägt, einen flacheren Bogen 
bildet als der entsprechende Rand des Oberkiefers, und hinter den letzte- 
ren zurückweicht; ja dass, wenn die Eckzähne und deren Fächer vortreten, 
der Zahnrand des Unterkiefers statt eines Bogens eine gebrochene Linie 
darstellt, transversal im mittleren Theile und unter einem stumpfen Winkel 
in die Seitentheile übergehend. Der untere Rand 5), wegen der erwähnten 
Neigungen der Flächen vor den oberen vortretend, ist demselben im 


Unterkiefer im Profil. 


2) Rami perpendiculares seu adscendentes. 

?) Ramus horizontalis. 

®) I. semilunaris s. sigmoidea. 

*) Von xogwvn, Krähe, nicht von corona, daher unrichtig mit Kronenfortsatz 
übersetzt. 

5) Basis. 


Körper 


190 Unterkiefer. 


Uebrigen parallel, zwischen den Eekzähnen transversal, dann im Bo- 


Fig. 184. 


Tme Fa 


Unterkiefer von unten. 


gen rück- und seitwärts 
gewandt. Während aber 
der obere Rand in einer 
horizontalen Ebene liegt, 
steigen die Seitentheile 
des unteren Randes nach 
hinten sanft aufwärts. 
Der Unterkiefer wird da- 
durch in der Gegend der 
Schneidezähne höher als 
an den Seiten; der Win- 
kel, mit welchem der mitt- 
lere transversale Theil in 
die Seitentheile übergeht, 
ist am unteren Rande des 
Kiefers auffallender und 
öfters durch ein vor- 
springendes, schmaleres 
oder breiteres Knötchen, 
Tuberculum mentale, 


noch mehr markirt. Dem Zahnrande zunächst zeigt die äussere und in 
schwächerem Maasse die innere Fläche am deutlichsten an den Schneide- 
und Eekzähnen die den Zahnfächern entsprechenden Wölbungen, Juga 
alveolaria. Diese Wölbungen bewirken, dass, so weit die Schneidezähne 


Fig. 185. 


Unterkiefer von vorn. 


reichen, der obere 
Theil der äusseren 
Fläche sich im Ver- 
gleich zur unteren 
mehr gerade stellt 
und selbst nach vorn 
überhängt. Dadurch 
wird die Vorderfläche 
von oben nach unten 
concav und die. Con- 
cavität wird mitunter 
noch tiefer durch ein 
wulstartiges Vortre- 
ten des unteren Ran- 
des. Sie wird aber 
in der Mitte des Un- 
terkiefers _unterbro- 
chen und in zwei 
Gruben, Kinngruben, 
Fossae mentales, ge- 


schieden durch die Protuberantia mentalis »), einen dreiseitigen. Vor- 


') Crista mentalis ext., Spina m. e., Tuberculum m. e. 


Unterkiefer. 191 


sprung, dessen Basis mit dem transversalen Theile des unteren Randes 
zusammenfällt, dessen stumpfe oder lang ausgezogene Spitze sich in 
der Mittellinie mehr ‚oder minder weit zwischen die Juga alveolaria 
der Schneidezähne erhebt. Ausserdern ist die Mittellinie durch eine sehr 
feine lineare Furche, eine Spur der Zusammensetzung des Unterkiefers aus 
zwei seitlichen Hälften bezeichnet, welche sich vom Zahnrande abwärts, 
selbst bis auf die Protuberantia mentalis erstreckt. Unter dem zweiten 
Backzahn und in der Mitte der Höhe des Unterkiefers liegt das Floramen 
mentale !), der Ausgang eines Canals, der sich von dem, den Unterkiefer 
der Länge nach durchsetzenden Can. alveolaris abzweigt und Nerven und 
Gefässe ins Gesicht führt. In der Gegend des vierten Backzahns erhebt 
sich die schiefe Linie, Linea obligua 2), welche, wie erwähnt, rück- und 
aufwärts in den vorderen Rand des Astes übergeht. 

Die innere Fläche des Unterkiefers (Fig. 186) steht im Allgemeinen der 
äusseren parallel. Durch eine Kante aber, welche dem M. mylohyoideus zum 
Ansatze dient und mehr oder minder vorspringend vom hintersten Backzahn 
bis zur Mittellinie verläuft, erhält der obere Theil der inneren Fläche eine 

} { mehr verticale oder gar eine 
Fig. 186. aufwärts schauende Rich- 

tung, wogegen der unter 
der Kante befindliche Theil 
sich stärker abwärts neigt. 
Da ferner jene Kante, die 
Linea mylohyoidea, auf 
ihrem Wege nach vorn je- 
derseits schräg vom oberen 
zum unteren Rande des 
Kiefers herabsteigt, so ist 
der mit der Aussenfläche 
convergirende, abwärts ge- 
neigte Theil der inneren 
Fläche um so niedriger, je 
Rechte Hälfte des Unterkiefers von innen. näher der Mittellinie, und 

am Kinn fällt er fast mit 

dern unteren Rande zu- 

sammen. Die Fläche unter der Linea mylohyoidea ist noch durch eine 
Furche, Silleus mylohyoideus , unterbrochen, welche vom Aste auf den 
Körper übergeht, sich in der Gegend der Eckzähne verliert und den N. 
und die Vasa mylohyoidea beherbergt. Auf dem Ast beginnt sie zuweilen 
als Canal, auf dem Körper wird sie bald sehr seicht; in der Gegend des 
letzten Backzahns ist sie gleich weit vom unteren Kieferrand und der Linea 
mylohyoidea entfernt; nach vorn nähert sie sich, wie die Lin. mylohyoidea, 
aber in minder schrägem Verlauf, dem unteren Rande des Unterkiefers. 
Unter der Linea mylohyoidea liegen am transversalen Theile des Randes 
unmittelbar neben einander zwei, die Fingerspitze aufnehmende Eindrücke, 


") F. mazillare ant. 2) L. 0. externa. 


Aeste. 


Proc, coro- 
noideus. 


192 Unterkiefer. 


Fossae digastricae, in welchen die vorderen Bäuche der Mm. digastriei 
sich befestigen ; darüber eine mediane Zacke oder Firste, welche, aufwärts 
zuweilen in zwei getheilt, unter der Mitte der Fläche endet. Es ist die 
Spina mentalis !), die Anheftungsstelle der Mm. geniohyoidei und dar- 
über der Mm. genioglossi; neben derselben findet sich jederseits eine flache 
Grube (Fig. 186 *),. in welcher der Vorderrand der Gland. sublingualis 
ruht 2). Vom oberen Ende der Spina mentalis geht zuweilen eine sehr 
feine mediane Furche, wie auf der Aussenfläche, zur Scheidewand der 
beiden mittelsten Schneidezähne. 

Der Ast des Unterkiefers ist auf der äusseren Fläche mit schräg ab - 
und rückwärts verlaufenden Streifen und breiten Furchen, den Abdrücken 
der Bündel des Masseter,. versehen, gegen den Winkel rauh, über dem- 
selben und dem zunächst liegenden Theile des hinteren und unteren Ran- 
des etwas vertieft, so dass der Rand nach aussen umgebogen erscheint. 
Aehnliche schräge, nur meistens stärkere Leisten und Eindrücke finden 
sich, von der Insertion des M. pterygoideus int. herrührend, an der inneren 
Fläche des Unterkieferwinkels. In der Höhe des Zahnrandes und ziemlich 
in der Mitte zwischen ihrem hinteren und vorderen Rande besitzt diese 
Fläche eine (3mm) weite Oeffnung, Foramen mandibulare 3), durch 
welche die Nerven und Gefässe der Zähne in den Can. mandibularis *) ein- 
treten. Den medialen Rand dieser Oeffnung bildet ein scharfes, aufwärts in 
eine abgerundete Spitze verlängertes Plättchen, Lingula mandibulae; 
dasselbe wird von dem Lig. laterale internum umfasst und setzt sich ab- 
wärts in den vorderen Rand des Sulcus mylohyoideus fort; beginnt aber 
der Sulcus myloh. als Canal, so bedeckt die Lingula den Ursprung dessel- 
ben aus dem Can. mandibularis. 

Der Proc. coronoideus, in welchen der vordere Rand des Astes 
aufsteigt, ist von sehr verschiedener Form; er ist bald etwas höher, bald 
etwas niedriger als der Gelenkfortsatz, meistens aber mit diesem von glei- 
cher Höhe; er ist, wie der ganze Ast, mehr oder minder rückwärts geneigt, 
in verschiedenem Grade sichelförmig rückwärts gebogen, das obere Ende 
spitz oder abgerundet, vertical oder zur Seite geneigt, die Höhe des Fort- 


‚satzes kürzer oder länger als der sagittale Durchmesser seiner Basis. Er 


ist an der Spitze ganz platt oder schon von der Spitze an auf der inneren 
Fläche gewölbt. Regelmässig entwickelt sich weiter abwärts auf der Innen- 
fläche neben dem vorderen Rande eine Kante, welche im Bogen erst ab-, dann 
vorwärts verläuft, sich dabei allmälig von dem vorderen Rande zurückzieht 
und auf der Innenfläche des Körpers am letzten Backzahn endet (Fig. 186). 
Der Raum zwischen dem vorderen Rande des Proc. coronoideus und dessen 
Fortsetzung, der Linea obliqua einerseits und der eben beschriebenen Kante 
andererseits, ist eine nach unten und vorn sich verbreiternde und vertie- 
fende, schliesslich den Zahnrand umfassende Hohlkehle. Sie ist durch eine 
schwache Firste getheilt, welche von ihrem hinteren Rande zum äusseren 
Rande der Alveole des letzten Backzahns und oft noch eine kurze Strecke 


1) Sp. m. interna. 

®) Fossa mylohyoidea M. J. Weber. 
®) F. alweolare inf., F. mazillare post. 
*) C. mazillaris inf., C. alveolaris inf. 


Unterkiefer. > 193 


vor diesem her verläuft. Die Firste kann Urisia buceinaloria genannt 
werden, da ein Theil der Fasern des M. buceinator von ihr entspringt. 

Der Gelenkfortsatz endet in einen elliptischen, flach gewölbten, von 
einer sehr dünnen Knorpellage bekleideten Kopf, dessen grösster Durchmesser 
(16®m) fast transversal, mit dem medialen Ende wenig rückwärts abwei- 
chend, gestellt ist. Die hintere Fläche des Fortsatzes, dreiseitig mit aufwärts 
gerichteter Basis, geht aus dem hinteren Rande des Astes hervor, der sich 
fächerförmig, jedoch mehr median- als lateralwärts ausbreitet; an seine 
Vorderfläche zieht sich, gegen den lateralen Rand der Gelenkfläche, der 
scharfe Rand der Incisura mandib. herauf. Medianwärts von dieser Kante 
ist die Vorderfläche etwas ausgehöhlt, zuweilen rauh, von der Anheftung 
des M. pterygoideus ext. Die Gelenkfläche greift auf der vorderen Seite 
weiter herab als auf der hinteren und ist gegen jene schärfer abgesetzt als 
gegen diese. 


Unter den mannigfaltigen Formverschiedenheiten des Gelenkfortsatzes ist wohl 
die seltenste die, dass die Gelenkflächen mit den transversalen Axen nach vorn 
convergiren. Oft verjüngt sich der sagittale Durchmesser gegen den lateralen oder 
medialen Rand. Zuweilen ist die Gelenkfläche auffallend nach Einer Seite abhängig 
oder halbmondförmig, die Concavität nach vorn, oder Sförmig gebogen. 


Der Unterkiefer enthält eine feinzellige Diploe zwischen compacten 
Tafeln, die an der äusseren Seite mächtiger sind als an der inneren und 
die verhältnissmässig grösste Mächtigkeit an den Rändern und den Aesten 

haben. Der Can. 

Fig. 187. mandibul. durch- 
B c zieht den Knochen 
ziemlich genau in 
der Richtung des 
Sule. mylohyoi- 
deus, am Körper 
also viel näher 
dem unteren Rand 
als dem oberen; 
er liegt der inne- 
ren Oberfläche nä- 


her als der äusse- 

Verticale Durchschnitte der rechten Unterkieferhälfte, A hinter dem ren. Jenseits des 
letzten Backzahn, B vor dem dritten Backzahn, C' vor dem ersten AR des Sei 
Backzahn. Lim Linea mylohyoidea. Sansn des, DEI- 
tenzweiges, der 


sich am For. men- 
tale öffnet, verringert sich sein Lumen plötzlich um mehr als die Hälfte 
(vergl. Fig. 187 B C). Seine obere Wand ist sehr porös, regelmässigere 
Zweigeanälchen sind aber nur im mittleren Theile des Unterkiefers zu fin- 
den, wo sie im rechten Winkel abgehen und zwischen den Alveolen gegen 
den freien Rand der Septa der Schneidezähne aufsteigen. 


Cmd 


Beim Neugeborenen besteht der Unterkiefer aus zwei seitlichen, durch eine 
mediane Synchondrose verbundenen Hälften. Die Verknöcherung der Synchondrose 
beginnt selten vor der Geburt, meistens bald nach derselben und zwar von meh- 
reren Punkten aus. Ein linsenförmiges plattes Knochenscheibehen entsteht dicht 


Henle, Anatomie. Thl. I, 13 


Proc. con- 
dyloideus. 


Can. man- 
dibularis, 


Nähte. 


194 Nähte. 


vor. der Endfläche jeder Unterkieferhälfte, mit den Flächen parallel dieser Endfläche 
und gleich dem Knochenkern einer Epiphyse in der Tiefe des Knorpels; ein un- 
paariger oder zwei dicht zusammenstossende paarige Knochenstreifen finden sich 
oberflächlich am unteren Rande des Knochens und dem diesem Rande zunächst 
liegenden Theile der vorderen Fläche in der Gegend der nachmaligen Protuberantia 
mentalis. Die zwei tiefen, linsenförmigen Epiphysen verbinden sich unter einander 
zu einem unpaaren, eiförmigen Stück, dann verwachsen sie mit den Unterkiefer- 
hälften und mit der oberflächlichen Epiphyse des Kinns; im dritten bis vierten 
Monat ist diese Verwachsung meistens schon so weit vollendet, dass keine Spur 
der Nähte mehr sichtbar ist, indess die Naht am Zahnrande des Kiefers sich, wie 
erwähnt, oft bis ins reife Alter erhält’). 

Im Uebrigen zeichnet sich der Unterkiefer des Säuglings vor dem des Erwach- 
senen aus durch die geringe Höhe der Aeste und durch den stumpfen Winkel, in 
welchem Körper und Aeste zusammenstossen. Statt des Foramen mandibulare fin- 
den sich zwei (selten drei) Oeffnungen, von welchen die eine zu einer Furche am 
Boden der hinteren Backzähne, die andere in den eigentlichen Can. mandibularis 
führt. Die weiteren Formveränderungen stehen mit dem Durchbruch und Wechsel 
der Zähne in zu genauem Verband, als dass hier darauf eingegangen werden 
könnte. Im hohen Alter schleifen sich, wenn die Zähne verloren gegangen sind, 
die Alveolarränder ab, die Aeste erhalten wieder eine mehr geneigte Stellung und 
der Körper, einem rippenartigen Bogen ähnlich, tritt bei geschlossenem Munde mit 
seinem mittleren Theile über den Rand des Oberkiefers hinauf. 


Wir schliessen die Beschreibung des Schädels mit der Darstellung der 
Nähte, in welchen die denselben zusammensetzenden Knochen an seiner 
Oberfläche zusammenstossen. 

An der Schädeldecke verlaufen zwei Nähte hinter einander und ein- 
ander einigermaassen parallel, die vordere zwischen dem hinteren Rande des 
Stirnbeins und dem vorderen der Scheitelbeine, die hintere zwischen dem hin- 
teren Rande der Scheitelbeine und der Hinterhauptsschuppe (vgl. Fig. 74,75). 
Jene wird Kronennaht, Sutura coronalis 2), diese wird Lambdanaht, 
Sutura lambdoidea 3), genannt. Die Kronennaht hat auf dem Scheitel eine 
genau transversale Richtung, weicht aber, indem sie sich an der Seiten- 
wand des Schädels und in der Schläfengrube herabzieht, nach vorn ab; 
die Lambdanaht ist eine gebrochene Linie, deren Schenkel in einer Ebene 
liegen, welche zwischen der frontalen und horizontalen ziemlich die Mitte 
hält. Den Scheitel dieser gebrochenen Linie und die Mitte der Kronen- 
naht verbindet die mediane Scheitelnaht, Sutura parietalis #). 

Die Kronen- und Lambdanaht treffen je mit ihrem unteren Ende in der 
Seitenwand des Schädels auf eine Naht, welche im Allgemeinen der Scheitel- 
naht parallel, jedoch in schlangenförmigen Krümmungen auf- und abgeht 
(Fig. 72). An derselben nimmt von oben her das Stirn- und Scheitelbein, 
von unten her das Jochbein, der Temporalflügel des Wespenbeins und die 
Schläfenschuppe Theil. Sie beginnt, in der Höhe der Nasenwurzel, am 


') Die oberflächlichen Epiphysen. wurden zuerst von Meckel beobachtet und von 
M. J. Weber für eine constante Durchgangsbildung erklärt. Den Zahnrand erreichen 
diese Zwischenknochen nicht, haben an der Bildung der Alveolen der Schneidezähne keinen 
Antheil und es ist deshalb nicht statthaft, sie, wie Dieterich (a. a. O. S. 18) und 
Arnold (Lehrb. der Physiologie Bd. II. S. 1261) gethan, den Zwischenkieferbeinen des 
Oberkiefers an die Seite zu stellen. 


2) 8. fronto - pavietalis. ®) 8. oceipito-parietalis, occipitalis. *) 8. sagittals. 


Nähte. 195 


äusseren Rande der Augenhöhle mit der Naht zwischen Stirn- und Joch- 
bein (Sutura zygomatico-frontalis), setzt sich in aufwärts convexem Bogen 
längs dem oberen Rande des Temporalflügels, zwischen diesem und zuerst 
dem Stirnbein, dann dem Scheitelbein fort, geht dann in einem zweiten 
längeren und stärker aufwärts gekrümmten Bogen zwischen dem Scheitel- 
bein und der Schläfenschuppe (Suzura squamosa), endlich wieder in kurzem 
niedrigen Bogen zwischen Scheitelbein und Warzentheil nach hinten. Das 
Ende der Kronennaht fällt demnach etwa auf die Mitte des oberen Randes 
des Temporalflügels; das Ende der Lambdanaht fällt auf die hintere obere 
Ecke des Warzentheils des Schläfenbeins und theilt sich in zwei Schenkel, 
von welchen der eine (S. parieto-mastoidea) nach vorn in die eben beschrie- 
bene sagittale Naht der Seitenwand des Schädels umbiegt, indess der an- 
dere (S. oceipito-mastordea) fast in der Flucht der Hinterhauptsnaht und 
nur wenig rückwärts abweichend zwischen Hinterhauptsbein und Warzen- 
theil seinen Weg zur Schädelbasis fortsetzt. 

Die Nähte der Schädeldecke sind sämmtlich gezalınt, mit groben 
Zacken an der Aussenfläche, fein wellenförmig an der Innenfläche des 
Schädels. Die gröbsten Zacken mit zahlreichen Nebenzacken hat die Hin- 
terhauptsnaht. Die sagittale Naht der Seitenwand ist, so weit das Wespen- 
bein und die Schläfenschuppe betheiligt sind, Schuppennaht, dergestalt, 
dass die Knochen der Seitenwand die der Decke umfassen. Nur in der 
Sutura parieto-mastoidea tritt das umgekehrte Verhältniss ein und wird 
das Schläfenbein von der Ecke des Scheitelbeins äusserlich überragt. 

Indess die sagittale Naht der Seitenwand von oben her die Kronen- 
und Lambdanaht aufnimmt, sendet sie nach der entgegengesetzten Richtung 
abwärts zur Schädelbasis drei Nähte ab, zwei im vorderen Theil der 
Schläfenfläche, eine hinter dem Warzenfortsatz. Die vorderste dieser 
Nähte, Sutura spheno-zygomatica, verläuft zwischen der Orbitalplatte des 
Jochbeins und dem Wespenbeinflügel fast vertical und stösst auf die ab- 
gerundete laterale Spitze der Fissura orbitalis inf. Indem diese Fissur 
median- und abwärts in die Fissura spheno-maxillaris umbeugt und von der 
unteren Spitze der letzteren die Naht zwischen dem Gaumenflügel des Wespen- 
beins und dem Proc. pyramidalis des Gaumenbeins ihren Ursprung nimmt, 
entsteht ein Bild (Fig. 90), wie wenn auf der Landkarte ein Fluss in einen 
See über- und wieder aus demselben hervorgeht, und lässt sich die untere 
Naht als eine mittelbare Fortsetzung der oberen betrachten. Die zweite 
von der sagittalen Seitennaht abwärts laufende Naht, Sutura spheno-tempo- 
ralis, geht im Bogen zwischen Temporalflügel und Schläfenschuppe abwärts 
und über die Infratemporalfirste rückwärts, um an der Schädelbasis zwi- 
schen dem Unterkiefergelenk und der Spina angularis auf einer transver- 
salen Naht, auf welche ich zurückkomme, zu enden. Die dritte Naht 
ist die bereits erwähnte Sutura oceipito-mastoidea; sie zieht sich an der 
Schädelbasis medianwärts vom Proc. mastoideus und styloideus fast gerade 
nach vorn zum For. jugulare; der vorderste "Theil derselben ist die Syn- 
chondrosis petrobasilaris. 

Ausser den Nähten, welche von der Seitenwand des Schädels auf die 
Basis übergehen und abgesehen von den frühzeitig verknöchernden queren 
Synehondrosen zwischen den Körpern des Hinterhaupts- und Wespenbeins, 


13 


196 Nähte. 


besitzt die Schädelbasis (Fig. 77) zwei parallele, in der Richtung der Axe 
der Schläfenpyramide schräg median- und vorwärts laufende Nähte, welche 
man freilich nicht als Nähte, sondern als Spalten aufzuführen gewöhnt ist, 
mit Unrecht, da sie an dem frischen Schädel ganz und gar von Knorpelmasse 
ausgefüllt sind. Die Hauptmasse dieses Knorpels liegt im For. lacerum; 
von da aus erstreckt sich die eine hintere Naht, Sutura (Fissura) pe- 
trobasilaris, zwischen Schläfenpyramide und Hinterhauptsbein zur lateralen 
Spitze des For. jugulare; die andere, vordere, Sutura (Fissura) spheno- 
petrosa, verläuft zwischen Schläfenpyramide und Temporalflügel und setzt 
sich über der medialen Mündung der knöchernen Tuba noch eine Strecke 
weit in der Decke derselben fort, während an der Schädelbasis in der glei- 
chen Flucht die Fissura petrosquamosa und petrotympanica auftreten. 
‘ Wegen der Nähte am Gaumen verweise ich auf S. 170. 

Im Gesicht (Fig. 81) findet sich die transversale Naht der Nasenwurzel, 
die sich jederseits in die Augenhöhle fortsetzt, zwischen Stirnbein einerseits 
und Nasenbeinen und Stirnfortsätzen des Oberkiefers andererseits; von der 
Mitte derselben abwärts eine mediane Naht zwischen den Nasenbeinen und 
zwischen den Zahnfortsätzen der Oberkieferbeine, der medianen Naht der 
Nasenbeine fast parallel die Naht zwischen Nasenbein und Stirnfortsatz des 
Oberkiefers jeder Seite, endlich etwa von der Mitte des unteren Bandes der 
Augenhöhle schräg seit- und abwärts zum Wangenhöcker die Naht zwi- 
schen Joch- und Oberkieferbein, Sutura zygomatico-mazillaris. Häufig 
geht von der letzteren oder medianwärts neben ihr vom Augenhöhlenrande 
zum For. infraorbitale die dem Oberkiefer angehörige Sutura infraorbitalis 
herab. 

Die Art, wie die Knochen, welche die Augenhöhle begrenzen , zusam- 
mengefügt sind (Fig. 81, 86, 87), lässt eine gewisse Symmetrie nicht ver- 
kennen. Vier Nähte laufen sagittal, ungefähr je an der Grenze der oberen, 
unteren, medialen und lateralen Wand. Die obere und untere Wand sind 
durch ziemlich entsprechende quere Nähte, die mediale und laterale Wand 
ebenso durch verticale Nähte abgetheilt. Die transversale Naht der Decke der 
Augenhöhle befindet sich zwischen Stirnbein und Orbitalflügel des Wespen- 
beins und grenzt von der Decke ein kleines dreiseitiges Feld im Hinter- 
grunde der Augenhöhle ab; die transversale Naht des Bodens verläuft 
zwischen Öberkiefer und Proc. orbitalis des Gaumenbeins, ein ebenfalls 
dreiseitiges, nur noch kleineres Feld im Hintergrunde der Augenhöhle ab- 
grenzend. Gegen die mediale Wand setzt sich die vom Stirnbein gebildete 
Decke durch eine Naht ab, welche längs dem Stirnfortsatz des Oberkiefers, 
dann dem 'Thränenbein, dann der Papierplatte des Siebbeins hinzieht; die 
Grenze gegen die laterale Wand bildet eine Naht, welche zwischen Stirn- 
und Jochbein beginnt, sich dann zwischen Stirnbein und Temporalflügel 
fortsetzt und in der Spitze der Fissura orbitalis sup. endet. An der Naht, 
welche die untere und mediale Wand scheidet, betheiligen sich von unten 
her Oberkiefer- und Gaumenbein, von oben her Thränen- und Siebbein; 
zwischen der unteren und lateralen Wand erstreckt sich, vom lateralen 
Ende der Fissura orbitalis inf. beginnend, die Sutura zygomatico-maxillaris. 
Die laterale Wand wird an der Grenze des vorderen und mittleren Drittels 
perpendiculär getheilt durch die Naht zwischen Orbitalflügel una Jochbein ; 


Nahtknochen. 197 


die mediale Wand wird an der entsprechenden Stelle ebenfalls perpendicu- 
lär getheilt durch die Naht zwischen Thränen - und Siebbein, ferner, dicht 
am vorderen Rande der Augenhöhle, durch die im Grunde der Thränen- 
grube verlaufende Naht zwischen Stirnfortsatz des Oberkiefers und Thränen- 
bein, und im Hintergrunde der Augenhöhle durch die Naht zwischen Sieb- 
bein und Wespenbeinkörper. Den Boden der Augenhöhle theilt in zwei 
seitliche Hälften die Sutura infraorbitalis zwischen dem Körper und dem 
Proc. zygomatico-orbitalis des Oberkieferbeins. 

Im Inneren der Schädelhöhle sind an der Decke und in den beiden 
hinteren Abtheilungen des Bodens dieselben Nähte wie an der Aussenfläche 
sichtbar; in der vorderen Schädelgrube kommen die Nähte zwischen der 
Siebplatte des Siebbeins, dem Stirn- und Wespenbein hinzu (Fig. 74). 

Die mannigfaltigen Varietäten der Schädelknochen haben, wie sich von selbst 
versteht, Varietäten der Nähte im Gefolge. Doch giebt es eine Art von Varietäten, 
bei welchen die abweichende Form der Naht als das Wesentliche sich aufdrängt 
und die damit verbundene Abweichung in der Form der Knochen als etwas Secun- 
däres aufgefasst wird. Es kann — am häufigsten geschieht dies in der Lambda- 
naht — eine einzelne Zacke oder eine Anzahl von Zacken von einem der mit ein- 
ander verbundenen Knochen sich ablösen, ringsum abgrenzen und so gleichsam 
eine Insel in der Naht bilden. Die von einer abnorm getheilten Naht inselartig 
umschlossenen Knochen werden Nahtknochen, Ossa suturarum '), genannt. 

Der Begriff der Nahtknochen ist übrigens in doppelter Beziehung schwankend. 
Erstens ist es willkürlich, ob wir einen Knochen, z. B. den oberen Theil einer 
durch quere Naht in zwei Stücke zerfallenen Hinterhauptsschuppe, als selbststän- 
digen Nahtknochen oder als Theil des Knochens, von welchem er abgelöst ist, be- 
. trachten wollen. Zweitens haben die Nahtknochen mitunter nur eine vorüber- 
gehende Existenz, verschmelzen später mit dem einen oder anderen der Knochen, 
zwischen welche sie eingefügt sind, und gehören also eigentlich in das Gebiet der 
Epiphysen, wie der Knochen der Fissura petrobasilaris (S. 152), das äussere Thrä- 
nenbein (S. 169) u. a. Unzweideutig sind die Nahtknochen, welche in den Bereich 
der beiden die Naht begrenzenden Knochen eingreifen, als ob jeder der letzteren 
seinen Beitrag zu dem einfachen, eingeschalteten Stück abgegeben hätte. 

Eine besondere und seltene Art abnormer Nähte umschreibt Knochenstücke, 
welche eher den Namen Schalt- als Nahtknochen, nach der oben gegebenen 
Definition, verdienen würden. Es sind meist nur kleine, in der Continuität eines 
Knochens eingesprengte, also von einem und demselben Knochen ringsum umgebene 
Stücke. Am häufigsten finden sich dergleichen im Warzentheil des Schläfenbeins , 
sie kommen innerhalb der Zacken des Randes eines Schädelknochens und sogar 
innerhalb eines Nahtknochens vor. r 

Mit Rücksicht auf ihre Mächtigkeit lassen sich zwei Arten von Nahtknochen 
unterscheiden. Es giebt 1) oberflächliche, in Vertiefungen der eigentlichen Schädel- 
knochen gleichsam nur eingelegte, und zwar ebensowohl an der äusseren Oberfläche, 
welche nicht bis an die Glastafel reichen, wie an der inneren Oberfläche, welche 
von aussen nicht wahrnehmbar sind. 2) Durchgreifende, durch deren Entfernung 
die Schädelwand eine Lücke bekommt. Die letzteren sind fast immer keilförmig, 
gegen die innere Oberfläche verjüngt. Der Anschein von Nahtknochen der ersteren 
Art entsteht zuweilen dadurch, dass an schuppenförmigen Nähten neben dem Naht- 
rande Stifte des tieferen Knochens in Löchern des oberflächlichen aufgenommen 
werden (Schultz, a a. O. 8. 9). 

Nahtknochen kommen symmetrisch vor, doch ist dies nicht die Regel. Die 
Form ihrer Ränder richtet sich nach der Form der Knochen, welche sie vertreten; 

!) Schaltknochen, Zwickelbeine, Nahtdoppler, Ossa intercalaria, epactalia, triquetra, 
Wormiana, raphogeminantia. 


Naht- 
knochen. 


Unter- 
schiede der 
Racen, 


198 Nahtknochen. 


in den zackigen Nähten des Schädels sind sie aussen Zackig, innen fein wellen- 
förmig, zwischen den Gesichtsknochen sind sie glattrandig. Ihre Grösse wie ihre 
Zahl ist sehr veränderlich, die Grösse vom Punktförmigen bis zu einem Durch- 
messer von mehreren Zollen. Die grösste Zahl kleiner Nahtknochen findet man 
mitunter in der Lambdanaht. 

In den meisten Nähten des Schädels und Gesichts hat man Nahtknochen beob- 
achtet, am häufigsten, wie erwähnt, in der Lambdanaht, wo bald ein unpaariger, 
medianer, eckiger Knochen die Spitze des Hinterhauptsbeins vertritt, bald zackige 
Knöchelchen in den Schenkeln der Naht reihenweise geordnet sind. Seltener sind 
die Nahtknochen in der Kronen-, noch seltener in der Scheitelnaht. Sehr oft findet 
sich ein länglicher, mit dem längsten Durchmesser sagittal gestellter Nahtknochen 
am unteren vorderen Winkel des Scheitelbeins; indem derselbe mit der Schläfen- 
schuppe verwächst, bildet er die oben (S. 134) erwähnte Zacke derselben, die sich 
zwischen Scheitelbein und Temporalflügel einschiebt. Eben so gewöhnlich ist an 
der Stelle, wo der hintere untere Winkel des Scheitelbeins mit dem Hinterhaupts- 
bein und dem Warzentheil des Schläfenbeins zusammentrifft, ein Nahtknochen oder 
eine Anzahl derselben, die sich auf Kosten bald des einen, bald des anderen der 
genannten Knochen entwickeln. Zwischen Scheitelbein und Schläfenschuppe, dem 
ganzen oberen Rande der letzteren entlang, wurde zuweilen ein mehrere Linien 
hoher Nahtknochen beobachtet, so dass die Schuppennaht doppelt vorhanden schien. 
In der Grube, welche in der Schädelhöhle hinter dem Jochfortsatz des Stirnbeins 
oberhalb der Verbindung des letzteren mit dem Temporalflügel liegt, vor oder 
hinter der queren Naht zwischen Siebbein, Stirnbein und Wespenbein, sowie neben 
der sagittalen Naht zwischen Stirn- und Siebbein kommen bei jungen Subjecten 
zahlreiche kleine, durch verschiedenartig angeordnete Linien umschriebene Plättchen 
vor (Gruber, Abh. S. 114). Statt der Knochenspitzen, welche vom Hinterhaupts- 
oder Schläfenbeine aus das Foramen jugulare quertheilen, findet sich ein besonderes 
Knöchelchen, Ossieulum jugulare Gruber (Bulletin de lacademie de St. Peters- 
bourg, T. XI. p. 93). 

Uster den Nähten des Gesichts bieten die der Augenhöhle am häufigsten Naht- 
knochen dar und hier wieder vorzugsweise die Naht, in welcher Orbitalflügel, Ober- 
kiefer und Jochbein einander vor dem lateralen Rande der Fissura orbit. inf. be- 
gegnen. Einen Nahtknochen in der Decke der Augenhöhle zwischen dem Wespen- 
bein, Sieb- und Stirnbein hat Czermak (Zeitschr. für wissensch. Zool. Bd. Ill. 
S. 27. Taf. II) unter einigen hundert Schädeln fünf Mal angetroffen. Erwähnung 
verdient noch wegen der häufigen Anwesenheit feiner Nahtknochen die Sutura 
ineisiva. Vergl. Sandifort, Observat. anatomico-pathol. Lib. III. p. 103. Lib. IV 
p. 134. Rosenmüller, De singularibus et nativis ossium c. h. varietatibus. Lips. 
1804. p. 11. Jung, Animadv. de ossibus generatim et in specie de ossibus rha- 
phogeminantihus. „Basil. 1827. 

Man hat vielfach nach Charakteren an dem Schädel gesucht, mittelst welcher 
die Racen des Menschengeschlechts gesondert und unterschieden werden sollten. 
Solche Charaktere sind nicht in eigentlichen Varietäten der Form der Kopfknochen 
zu finden; wenigstens ist bis jetzt noch jede Varietät, welche als Eigenthümlichkeit 
einer fremden Race angesehen worden war, bei einheimischen Schädeln wieder- 
gesehen worden, und es könnte sich höchstens fragen, ob Varitäten, wie Verschmel- 
zung der Nasenbeine, gewisse Nahtknochen und dergl., bei einer Race relativ vor- 
wiegen. Die Racenkennzeichen bestehen nur in Verschiedenheiten der Proportion, der 
Neigung und Krümmung der einzelnen Elemente des Schädel. Man hat dieselben 
auf einen mathematischen Ausdruck zu bringen gesucht durch Vergleichung der 
Winkel, welchen die Stirnebene mit der Schädelbasis oder dem Gaumen oder einer 
durch beliebige Punkte des Schädels gelegten Ebene bildet, oder durch Vergleichung 
gewisser Axen des Schädels oder des Flächenraumes, welchen am Mediandurch- 
schnitt des Schädels die Hauptabtheilungen einnehmen. Solche Proportionen kön- 
nen, ihrer Natur nach, keine scharfen Grenzen zwischen den einzelnen Typen bil- 
den, Auch hat die Erfahrung gelehrt, dass kein einfaches Verhältniss zur Bezeich- 


Fontanellen. 199 
& 


nung dessen hinreicht, was für die verschiedenen Typen charakteristisch ist. Zu 
dem Ende schlägt Retzius (Müll. Arch. 1845, S. 84) die Combination zweier Mo- 
mente vor, der Schädelform und der Stellung der Kiefer. Er unterscheidet lang- 
köpfige Formen (mit vorwiegendem sagittalen Durchmesser) und kurzköpfige, Doli- 
chocephali und Brachycephali, und unter diesen wieder Formen mit geraden und mit 
vorstehenden Kiefern, Orthognathi und Prognathi. 

Bei Vergleichung der menschlichen und thierischen Schädel fällt das relative 
Uebergewicht des Hirn- über den Gesichtstheil beim Menschenschädel auf. Ob bei 
den Menschenracen, die man als höhere und niedere einander entgegenstellt, ein 
ähnlicher Unterschied bestehe, haben Tiedemann (Das Hirn des Negers, Heidel- 
berg 1837, S. 21) und Morton (Edinb.. new philosoph. Journ. 1850. Jan.) durch 
Messungen der Capacität des Hirnschädels verschiedener Stämme zu entscheiden 
gesucht. Nach Tiedemann ist die mittlere Capacität des Neger- und Europäer- 
schädels nicht verschieden, nur kommen ‘die höchsten Extreme häufiger bei dem 
etzteren vor; nach Morton’s Durchschnittszahlen ist das Negerhirn um 9" Cub. 
kleiner als das der germanischen Völkerschaften; allein diese Durchschnittszahlen 
verdienen nur geringes Vertrauen, weil Morton unterliess, männliche und weib- 
liche Schädel zu sondern. 

Der weibliche Kopf ist im Allgemeinen kleiner als der männliche, der Hirn- 
schädel aber im Verhältniss zum Gesichtsschädel grösser. Ebenso sind die Augen- 
höhlen des weiblichen Schädels verhältnissmässig grösser, alle übrigen Höhlen und 
Canäle aber minder geräumig, der Unterkiefer enger gekrümmt. Der Schädel des 
Neugeborenen hat im sagittalen Durchmesser (von der Nasenwurzel zur Spitze der 
Hinterbauptsschuppe) 120mm, im transversalen Durchmesser (von einem Scheiiel- 
beinhöcker zum anderen) 90mm und ungefähr eben so viel im verticalen Durch- 
messer. Die Knochen der Schädeldecke, die im Erwachsenen durch zackige Nähte 
in einander greifen, sind mit glatten oder schwach gekerbten Rändern versehen 
und durch fibröse Substanz, eine Fortsetzung der Bein- und harten Hirnhaut, zu- 
sammengehalten, welche eine geringe Verschiebung gestattet: Dabei treten, wenn 
der Druck in der Richtung des sagittalen Durchmessers wirkt, Hinterhaupts- und 
Stirnbein unter den Rand der Scheitelbeine. Dieselbe fibröse Substanz füllt die 
eben erwähnten Knochenlücken an den Winkeln der Scheitelbeine, die Fontanellen 
(Fonticuli) aus. Von diesen Fontanellen sind die oberen, am vorderen und hinte- 
ren Ende der Scheitelnaht befindlichen unpaar; man kann sie als Fontanellen 
schlechtkin oder als Medianfontanellen bezeichnen und zwar als vordere !) und 
hintere 2). Die an den unteren Winkeln gelegenen Fontanellen nennt man Seiten- 
fontanellen, Fonticuli laterales, und unterscheidet ebenfalls eine vordere °) und 
hintere ‘). Die vordere Medianfontanelle ist vierseitig, von der Gestalt eines Papier- 
drachen, den stumpfen, von den vorderen Rändern der Scheitelbeine eingefassten 


Winkel rückwärts gerichtet, den spitzen Winkel nach vorn, mehr oder minder tief 


zwischen die beiden Stirnbeinhälften eindringend. Die hintere Medianfontanelle hat die 
Form eines kleinen, stumpfwinkeligen Dreiecks, dessen Basis von’ der Spitze des 
Hinterhauptsbeins gebildet, dessen stumpfer Winkel von den Scheitelbeinen ein- 
geschlossen wird. Die vordere Seitenfontanelle ist eine längliche, mit dem längsten 
Durchmesser sagittal gestellte Spalte, vorn vom Stirnbein, oben vom Scheitelbein, 
unten vom oberen Rande des Temporalflügels, hinten von der Schläfenschuppe be- 
grenzt. Die hintere Seitenfontanelle, zwischen dem Warzentheil des Schläfenbeins, 
dem hinteren unteren Winkel des Scheitelbeins und dem Hinterhauptsbein, ist von 
unregelmässiger Form, medianwärts in die Spalte zwischen der Schuppe und dem 
Seitenstück des Hinterhauptsbeins, öfters auch in die Querspalte der Hinterhaupts- 
schuppe (S. 97) verlängert. Nicht selten setzt eine streifenförmige Knochenlücke 
zwischen dem unteren Rande des Scheitelbeins und dem oberen Rande des Schläfen- 


I) Grosse, vierseitige oder Stirnfontanelle, Fonticulus anterior, major , quadrangularis. 
®) Kleine, dreiseitige, Hinterhauptsfontanelle, Font. posterior, minor, triangularis, 
®) Keilbeinfontanelle. *) Font. Casseri, Warzenfontanelle, 


2 


des Ge- 
schlechts, 


des Alters. 


Fonta 
nellen, 


B. Knochen 
der Extre- 
mitäten. 


Gürtel, 


200 ” Knochen der Extremitäten. 


beins die vordere und hintere Seitenfontanelle mit einander in Verbindung. Kurze 
Zeit nach der Geburt schliesst sich die hintere Median- und die vordere Seiten- 
fontanelle. Die vordere Medianfontanelle erhält sich bis zum Anfang und zuweilen 
selbst bis ans Ende des zweiten Jahres. 

Zugleich mit der Ausbildung der Nähte entstehen an der inneren Oberfläche 
der Schädelknochen die den Gefässen und den Wölbungen der Gehirnoberfläche 
entsprechenden Eindrücke. 

Im höheren Alter findet häufig eine Obliteration der Nähte Statt, welche von 
der inneren Tafel gegen die äussere fortschreitet, zuerst gewöhnlich in der Scheitel- 
naht, dann in der Kronen- und Hinterhauptsnaht. Uebrigens gehören auch früh- 
zeitige Verknöcherungen sämmtlicher Nähte, noch in den Jahren des Wachsthums, 
nicht zu den Seltenheiten (Sandifort a. a. O.). Durch vorzeitige Verknöcherung 
der einen oder anderen Naht wird der Schädel verhindert, sich gleichmässig aus- 
zudehnen; es entstehen abnorm spitze oder im sagittalen Durchmesser verlängerte 
oder assymmetrische Schädelformen, je nachdem der Absatz neuer Knochenmaterie 
zuerst an den transversalen Nähten oder an der sagittalen beeinträchtigt ist (vergl. 
Virchow, Verh. der physikal.-medicin Gesellsch. in Würzburg. Bd. II. S. 238)- 


B. Knochen der Extremitäten. 


Jede Extremität besteht aus dem Gürtel und der eigentlichen Glied- 
maasse ($. 22). 

Den Gürtel der obe- 
ren Extremität setzen 
zwei Knochen zusammen, 
das Schulterblatt, 
Scapula, ein breiter, 
dreiseitiger, auf der hin- 
teren Fläche des Brust- 
korbes platt aufliegen- 
der Knochen, und das 
Schlüsselbein, Üla- 
vieula, der eylindrischen 
Gestalt sich nähernd und, 
einer Strebe gleich, zwi- 
schen der lateralen Ecke 
des Schulterblattes und 
dem _Schlüsselbeinaus- 
schnitt des Brustbeins 
befestigt. Den Gürtel 
der unteren Extremität 
bildet im Ewachsenen 
jederseits ein einziger 
Knochen, das Hüft- 

"bein, Os coxae, des- 
sen obere, den untersten 
Theil der Seitenwand des 


+ ; Rumpfes stützende Hälfte 


breit und platt ist, dessen 
unteren Extremität. untere Hälfte, in dem 


Skelett des Rumpfes mit dem Gürtel der oberen und 


Knochen der Extremitäten 201 


abwärts geneigten untersten Theile der Vorderwand des Rumpfes gelegen, 
aus ebenfalls platten, aber verhältnissmässig schmalen, eine ovale Oeffnung 
umschliessenden Knochenleisten besteht. 

Bis gegen die Zeit des Zahnwechsels ist das Hüftbein (Fig. 189) 
aus drei durch Synchondrose verbundenen Stücken zusammengesetzt, eins, 


Fig. 189. 


Linke obere und untere Extremität, Profilansicht. Vgl. S. 202 und 205. 


Os ilium, für die breite, obere Hälfte, zwei, welche, Halbringen ähnlich, 
die ovale Oeffnung der unteren Hälfte einfassen, M ischi und Os pubis. 
Da nun auch am Schulterblatt ein Fortsatz sich befindet, der Processus 
coracoideus, welchen man als das verkümmerte und mit dem Schulter- 
blatt verwachsene Rudiment eines bei Vögeln und Reptilien selbständigen 


Glied- 
maassen. 


202 Knochen der Extremitäten. 


dritten Knochens des oberen Extremitätengürtels ansehen kann: so würden 
die beiden Extremitätengürtel einander bezüglich der Zahl und einiger- 
maassen auch der Form ihrer Bestandtheile entsprechen. Darin aber wei- 
chen sie von einander ab, dass in der Oberextremität nur das Schulter- 
blatt, in der unteren alle drei Knochen an der Bildung der Gelenkpfanne 
für die Gliedmaassen Antheil nehmen, ferner dass die Gürtel der unteren 
Extremität unmittelbar, die der oberen durch Vermittelung des Brustbeins 
in der Mittellinie zusammenstossen. 

Die Gliedmaassen sind aus einer grösseren Zahl zum Theil eylindri- 
scher, zum Theil kurzer Knochen zusammengefügt und lassen sich in Ab- 
theilungen zerlegen, welche gleicherweise, jedoch nicht ohne bedeutende Ver- 
schiedenheiten, in der oberen und unteren Extremität wiederkehren. Die 
oberste Abtheillung — Oberarm, Oberschenkel — bildet ein einziger, 
verhältnissmässig starker und langer eylindrischer Knochen ( Humerus, 
Femur ): in der zweiten Abtheilung — Unterarm, Unterschenkel— 
liegen zwei ähnliche, etwas kürzere Knochen neben einander, der Länge nach 
durch eine fibröse Haut, Zwischenknochenhaut, Membrana interossea, 
an einander geheftet. An der oberen Gliedmaasse trägt das obere Ende des 
stärkeren dieser Knochen, der Ulna, einen aufwärts ragenden Fortsatz, 
Olecranon, welcher der Sehne der Streckmuskeln zur Insertion dient; an 
der unteren Gliedmaasse ist der gleichbedeutende Fortsatz ein besonderer 
scheibenförmiger Knochen, Kniescheibe, Patella, nur durch Bandmasse 
mit dem betreffenden Röhrenknochen, Tdia, verbunden. Am Bein artieulirt 
nur dieser stärkere Knochen, am Arm articuliren beide mit dem unteren Ende 
des einfachen Knochens der ersten Abtheilung. Die dritte Abtheilung — 
Hand, Fuss — zerfällt wieder in drei Unterabtheilungen. Die erste — 
Hand- und Fusswurzel — enthält eine Anzahl kurzer, in Querreihen ge- 
ordneter Knochen ; in der zweiten Unterabtheilung — Mittelhand, Mittel- 
fuss — liegen eylindrische Knochen, der Zahl der Finger oder Zehen ent- 
sprechend, neben einander, am oberen, und, mit Einer Ausnahme (Daumen), 
am unteren Ende durch Bänder an einander befestigt, mit Zwischenräumen, 
welehe von Muskeln ausgefüllt werden. Die dritte Unterabtheilung machen 
die Finger und Zehen aus, je vier aus drei cylindrischen Gliedern, ein 
äusserster — Daumen, Grosszehe (Pollex, Hallux) — aus zwei Gliedern 
gebildet. Finger und Zehen werden von der Daumen - und Grosszehenseite 
an gezählt. Die Länge der Glieder der einzelnen Finger und Zehen nimmt 
im Allgemeinen von der Wurzel der Hand und desFusses gegen die Spitze 
der Gliedmaasse ab; eine Ausnahme machen die kleineren Zehen, deren 
letztes Glied das vorletzte an Länge übertrifft. Die cylindrischen Knochen 
der Finger- und Zehenglieder heissen Phalangen; wir nennen die Knochen 
der ersten Glieder Grundphalangen, die der zweiten Glieder Mittel- 
phalangen, die der dritten Endphalangen!). Dem Daumen und der 
Grosszehe fehlt die Mittelphalange. Dagegen besitzen sie beide je zwei 


scheibenförmige Knöchelchen, Sesambeine, an dem lateralen und me- 
€ 


) Chaussier’s Bezeichnung Phalange, Phalangine und Phalamgette für das erste 
dritte Glied giebt dem Namen Phalange einen doppelten, engeren und weiteren Sinn, 
e Endphalangen werden auch Nagelglieder genannt, 


Knochen der Extremitäten. 203 


dialen Rande der Beugeseite des Gelenks des Mittelhand- (Fuss-) Knochens 
mit der Grundphalange. 

Ausnahmsweise kommen einzelne Sesambeine an dem entsprechenden Gelenke 
des zweiten und fünften Fingers (Zehe) und an dem Gelenke zwischen Grund- und 
Mittelphalange des Daumens und der Grosszehe vor. 

Das Gelenk, in welchem die Gliedmaassen mit dem Gürtel artieuliren, 
ist ein Kugelgelenk, und zwar trägt der Knochen der Gliedmaasse (Arm- 
und Schenkelbein) den kugeligen Gelenkkopf, Condylus. indess die ent- 
sprechende Gelenkhöhle den Knochen des Gürtels angehört. Diese Höhle 
schaut lateralwärts; der Kugelabschnitt, der sich in derselben bewegen soll, 
muss demnach mit seiner gewölbten Oberfläche medianwärts gerichtet sein; 
er muss, da die ruhende Extremität mit der Längsaxe vertical am Leibe 
herabhängt, am oberen Ende der medialen Fläche des cylindrischen Kno- 
chens angebracht sein. Hier steht er auf einem, am Schenkel ansehnlichen, 
am Arm kaum angedeuteten, zunächst hinter dem Rande des Gelenkkopfes 
gleichsam eingeschnürten, cylindrischen Vorsprung, dem Hals, dessen 
Längsaxe die Längsaxe des Gliedes unter einem stumpfen Winkel schneidet. 

Die Gelenke der Gliedmaassenknochen unter sich sind grösstentheils 
Winkelgelenke, d. h. Gelenke, in welchen der convexe Kopf einen liegen- 
den Cylinderabschnitt darstellt und sich in einer entsprechenden Aushöh- 
lung um seine Längsaxe dreht, was eine Bewegung der articulirenden 
Knochen auf- und abwärts in einer Ebene, eine Streckung und Beugung 
zur Folge hat. Selbst wo die kugelförmige Gestalt der Flächen eine 
Axendrehung gestatten würde, wie in den Gelenken der Mittelhandknochen 
ınit der Grundphalange, ist die Bewegung durch die Bänder auf Streckung 
und Beugung eingeschränkt. Ausnahmen machen: das Gelenk zwischen 
beiden Vorderarmknochen, worauf ich zurückkomme, ferner die sattel- 
förmigen Gelenke der Hand- und Fusswurzel mit den Knochen der Mittel- 
hand und des Mittelfusses; endlich die straffen Gelenke der Hand- und 
Fusswurzelbeine unter sich, welche aus Flächen von verschiedener Gestalt 
gebildet sind und geringe Verschiebungen in verschiedenem Sinne gestat- 
ten. Uebrigens sind auch die Winkelgelenke nicht alle gleich genau und 
in vielen derselben hat der Gelenkkopf Spielraum genug, um sich, wie 
z. B. der Fuss im Knöchelgelenk, nach verschiedenen Richtungen in seiner 
Pfanne schräg zu stellen. | 

Im Allgemeinen gehört bei den Winkelgelenken der Extremitäten dem 
höheren Knochen der Gelenkkopf, dem tieferen die Pfanne an, so dass 
also der beweglichere Theil nieht in, sondern auf dem minder beweglichen 
articulirt. Das Umgekehrte findet in den Gelenken des Unterarms mit der 
Hand, des Unterschenkels mit dem Fusse Statt. 

Die Ortsveränderungen, zu welchen die im Winkelgelenk beweglichen 
Glieder befähigt sind, werden, wie erwähnt, Beugung und Streckung ge- 
nannt. Gestreckt heissen Glieder, wenn sie eine gerade Linie aus- 
machen; durch die Beugung wird die gerade Linie in eine gebrochene ver- 
wandelt. Dies Kriterium reicht indess nicht überall aus; denn es giebt 
Gelenke, wie z. B. das Knöchelgelenk der Hand und des Fusses, in wel- 
chen die Knochen nach zwei entgegengesetzten Richtungen aus der gerad- 
linigen Lage in die gebrochene ausweichen. Dadurch, dass beide Be- 


204 Knochen der Extremitäten. 


wegungen gebrochene Linien erzeugen, hört die eine nicht auf, sich zu 


Fig. 190. 


der anderen als deren Gegensatz zu verhalten, und wenn wir die eine als 
Beugung betrachten, kann uns die andere nur als Uebermaass der Streckung 
erscheinen. Was nunmehr Beugung, was übermässige Streckung sei, dar- 
über lassen wir die Analogie entscheiden. An der oberen Gliedmaasse ist 
die Wahl nicht schwer; Beugung ist hier die Bewegung, welche die Fin- 
ger gegen die Hohlhand einschlägt, die Vorderfläche des Unterarms gegen 
die gleichnamige Fläche des Oberarms heraufführt, consequenter Weise 
also auch die Bewegung, durch welche die Hohlhand sich der Vorder- 
fläche des Unterarms nähert. Hängt der Arm mit vorwärts gerichteter 
Hohlhand herab, so ist, entsprechend den Flächen des Rumpfes, die ganze 
hintere Fläche Rücken - oder Streckseite, die ganze vordere Fläche Beuge- 
seite. Die untere Gliedmaasse richtet die Streckseite des Kniegelenks 
nach vorn, der Zehengelenke nach oben; darüber, dass die obere, ge- 
wölbte Fläche des Fusses dem gewölbten Rücken der Hand, die untere 


Knochen der Extremitäten. 205 


oder Hohlfläche (Sohle, Planta) der vorderen oder Hohlfläche (Vola) 
der Hand entspreche, kann nach der Configuration der Knochen und 
Muskeln kein Zweifel obwalten. Dann aber ist die Bewegung im Knöchel- 
gelenk, durch welche die Zehenspitzen gegen das Schienbein geho- 
ben werden, Streckung, die Hebung der 
Fig. 191. Ferse Beugung. Die Haltung des Fusses 
beim aufrechten Stehen ist schon Ueber- 
streckung und bei der äussersten Beugung 
erreichen wir es kaum, die Beugefläche 
des Fusses und Unterschenkels in eine 
Ebene zu bringen. Bei dieser Haltung 
aber, in welcher der Fussrücken vorwärts 
und die Sohle rückwärts sieht. ist die 
ganze Vorderfläche der unteren Glied- 
maasse Streckseite, die hintere Fläche 
Beugeseite. 


Diese Auffassung steht im Widerspruch mit 
der Sprache des gemeinen Lebens und sogar 
mit der gangbaren anatomischen Terminologie, 
wonach „den Fuss strecken“ so viel heisst, als 
die Spitze desselben abwärts gegen den Boden 
bewegen. Wir schmeicheln uns auch nicht, 
dass wissenschaftliche Bedenken mächtig genug 
sein werden, die populäre Ausdrucksweise um- 
zugestalten. Der Nachtheil des Widerspruchs 
aber wird aufgewogen durch die Vortheile, 
welche die consequentere Verfolgung der 
Analogie bei der Beschreibung der Knochen 
und insbesondere der Muskeln gewährt. 


Dadurch, dass die obere und untere Extremität ihre Streck- und 
Beugeseite von einander abwenden, die obere sich im Ellbogen nach hin- 
ten, die untere im Knie nach vorn beugt, machen sie eine Ausnahme von 
dem Gesetz der gleichsinnigen Anordnung der in der Längsaxe des Kör- 
pers einander wiederholenden Theile (S. 5) und zeigen vielmelir eine Ten- 
denz zur Symmetrie, die sich, wenn man beide Extremitäten in der Seiten- 
ansicht oder wenn man die Vorderfläche der einen mit der hinteren Fläche 
der anderen vergleicht, selbst in untergeordneten Einzelheiten nicht ver- 
läugnet. So ist der Hals des Schenkelbeins vom Körper dieses Knochens 
an etwas nach vorn, der gleichnamige Theil des Oberarms in gleichem 
Maasse rückwärts gerichtet. Von den zwei starken Muskelfortsätzen, 
“welehe am oberen Ende des Arm- und Schenkelbeins, gegenüber der Ver- 
bindung des Halses mit dem Körper, hervorragen, steht am Schenkelbein 
der kleinere, Trochanter minor, hinter dem grösseren, Tr. major, 
am Armbein dägegen der kleinere, T’uberculum minus, vor dem grösse- 
ren, T’ub. maj. Die unteren Gelenkhöcker des Armbeins sind nach vorn, 
die des Schenkelbeins nach hinten umgebogen. @lecranon und Patella, 
welche einander entsprechen, liegen jenes an der hinteren, diese an der 
“ vorderen Seite des betreffenden Gelenks. Von den beiden Röhrenknochen 


Analogie 
der oberen 
und unte- 
ren Glied- 
maasse. 


® 
206 Knochen der Extremitäten. 
des Unterarmes ist der mediale, Ulna, schwach rückwärts convex, am 
Unterschenkel zeigt der mediale Knochen, Tbia, eine schwache Wöl- 
bung nach vorn; der laterale Knochen, Radius, F'ibula, ist dort in der 
Nähe des vorderen Randes, hier in der Nähe des hinteren Randes des 
medialen Knochens eingelenkt. 


Diese ausnahmsweise Symmetrie erstreckt sich indess nicht auf das 
untere Ende der Gliedmaasse. In dem Verhältniss der Hand zum Fuss 
stellt sich die regelmässige, gleichsinnige Anordnung wieder her und darauf 
beruht ein auffallender Mangel an Uebereinstimmung zwischen beiden 
Extremitäten, dass nämlich der Daumen der Hand unter dem lateralen 
Knochen des Unterarms oder an dem Radialrande der Hand, der Daumen 
des Fusses dagegen unter dem medialen Knochen des Unterschenkels 
oder am Tibialrande des Fusses liest. Man wird diese Verschiedenheit 
am leichtesten dadurch verständlich machen, dass man sich die Aufgabe 
stellt, mittelst einer Operation an der oberen Extremität den Uebergang 
aus der symmetrischen Anordnung (des Armes und Beines) in die gleich- 
sinnige (der Hand und des Fusses) zu bewerkstelligen. Das Einfachste 
wäre alsdann, die Hand aus ihrem Gelenke zu lösen und sie, um ihre 
Längsaxe gedreht, so wieder einzusetzen, dass der Rücken derselben in 
eine Flucht mit der Beugeseite, die Vola in eine Flucht mit der Streckseite 
des Armes zu liegen käme. Die Natur erreicht dasselbe, indem sie den 
Vorderarmknochen eine Einrichtung giebt, vermöge welcher das untere 
Ende des Radius und mit ihm die Hand sich über die Vorderfläche des 
unteren Endes der Ulna weg medianwärts herumzuwälzen vermag. Sie 
stellt so aus der symmetrischen Haltung, wobei die Handfläche vorwärts 
gerichtet ist, aus der sogenannten Supination, jeden Augenblick die 
gleichsinnige Haltung, die sogenannte Pronation, her. Sollen aber die 
Hand in der Pronation und der Fuss einander decken, sollen ihre Daumen- 
und Kleinfingerseiten einander entsprechen, so musste der Daumen der 
supinirten Hand an dem dem Daumenrande des Fusses entgegengesetzten 
Rande sich befinden. 


Um Hand und Fuss mit einander zu vergleichen, muss man sie also 
so neben einander stellen, als ob man die Hand zur Nachahmung des vier- 
füssigen Ganges benützte. Die Verschiedenheiten,' welche man hierbei 
gewahrt, scheinen auf den ersten Blick wesentlicher, als sie wirklich sind. 
Zwar zählt man an der Fusswurzel sieben, an der Handwurzel acht Kno- 
chen; allein von den Knochen der Handwurzel liegt einer, -das Erbsen- 
bein (3°), nicht in der Reihe und ist nur als ein selbständig gewordener 
Fortsatz des Knochens zu betrachten, auf dessen Volarfläche er eingelenkt 
ist. Der analoge, aber angewachsene Fortsatz der Fusswurzel ist der 
Proc. calcanei des Fersenbeins (III), welcher freilich durch. seine Grösse 
und seine Verlängerung über das Knöchelgelenk hinaus nach hinten dem 


Fusse eine eigenthümliche und von der Form der Hand sehr abweichende 
Gestalt verleiht. 


Die Knochen der Handwurzel liegen in zwei Reihen, die der Fuss- 
wurzel am Kleinzehenrande in zwei, am Grosszehenrande in drei Reihen. 
Bei näherer Betrachtung löst sich auch diese Differenz auf und es wird 


“. 


Knochen der Extremitäten. & 207 


leicht, die einzelnen Hand- und Fusswurzelknochen auf dasselbe Schema 
zu beziehen. Es besteht nämlich an der Handwurzel eine erste Reihe aus 
drei Knochen — das Erbsenbein zähle ich aus dem eben angeführten 


Fig. 193. 


I 
"il 


Bei! Baal a  EE 
2 Me2 Meg M 


M 
i 


c4 Mec5 


Handwurzel von der Beugeseite. 
Me Mittelhandknochen. 


Grunde nicht mit —, welche mit 
einander einen platten Bogen dar- 
stellen, dessen eonvexe Seite zur 
Artieulation mit den Vorderarm- 
knochen bestimmt ist. Die Con- 
cavität dieses Bogens wird aus- 
gefüllt und ein gerader Rand der 
Handwurzel gegen den zweiten 
bis fünften Finger hergestellt, 
durch eine zweite, ebenfalls aus 
ter Stücken gebildete Reihe, wel- Fusswurzel von der Beugeseite. Mi Mittel- 
che demnach einem stumpfen, von Do; 

der Volar- gegen die Dorsalfläche 

zusammengedrückten, mit der Spitze schulterwärts gerichteten Kegel eleicht. 
Ein siebenter, würfelförmiger Knochen ist an der Daumenseite, gemäss 
dem Winkel, welchen die Längsaxe des Daumens mit der Längsaxe der 
ganzen Extremität bildet, in einen rechtwinkeligen. Ausschnitt der ersten 
und zweiten Reihe so eingeschoben, dass die Diagonalen seiner vorderen 
und hinteren Fläche mit der Längs- und Queraxe der Hand parallel stehen ; 
die eine, der transversalen Diagonale entsprechende Ecke ist demnach ge- 
rade auf die Spalte zwischen der ersten und zweiten Reihe gerichtet und 
die Artieulationsflächen mit der ersten Reihe und der Mittelhand, welche 
bei supinirt hängendem Arme horizontal liegen sollten, sind ab- und 
lateralwärts geneigt. Die Knochen der ersten Reihe sind, von der Dau- 
men- gegen die Kleinfingerseite gezählt: Kahnbein (1), Mondbein (2), 
Pyramidenbein (3) mit dem Erbsenbein (3°); in der zweiten Reihe fol- 
‚gen einander in der gleichen Richtung: Trapezoidbein (4), Kopfbein (5) 
und Hakenbein (6); der Handwurzelknochen des Daumens, den man eben- 


2308 P - Knochen der Extremitäten. 


“sowohl in der ersten wie in der zweiten Reihe mitzählen kann, ist das 

Trapezbein (7)D). Eine Unregelmässigkeit aber ist noch hervorzuheben 
gleichsam im Gefolge der schrägen Stellung des Trapezbeins: dass nämlich 
der an das Trapezbein anstossende Knochen, das Trapezoidbein, während 
es mit seiner unteren Fläche einen wesentlichen Theil der Basis des er- 
wähnten Kegels bildet, doch mit der lateralen und oberen Fläche an der 
Wölbung des Kegels nicht continuirlich Theil nimmt und in die Concavität 
der ersten Reihe nicht mit eingeht. Vielmehr ist seine obere Fläche in 
gleicher Flucht mit der oberen Fläche des Trapezbeins schräg median- 
und abwärts abgeschnitten und stösst medianwärts vom Trapezbein auf die 
lateral- und abwärts gewandte Gelenkfläche des Kahnbeins. 

Var. Einen neunten Handwurzelknochen zwischen dem Trapezoid- und Kopf- 
bein erwähnt Salzmann vgl. Haller, disp. anat. Vol. VI. p. 691. Sömmer- 
ring beobachtete eine Verschmelzung des Mond- und Pyramidenbeins. 

Der aus den drei Knochen der ersten Reihe gebildete Bogen der Hand- 
wurzel kehrt am Fuss mit derselben Knochenzahl wieder. Aber wie im Knie- 
gelenk das obere Ende der Tibia durch seine Ausbreitung die Fibula von 
der Articulation mit dem Schenkelbein abdrängt, so bemächtigt sich am 
Knöchelgelenk das Sprungbein (II), der mittlere Knochen der Reihe, für 
sich allein der Verbindung mit den Knochen des Unterschenkels.. Es 
schiebt sich gleichsam zwischen seinen Nebenknochen hervor und herauf; 
es richtet die Fläche, die seinem Nachbar zur Kleinzehenseite zugekehrt 
sein sollte, abwärts, die Fläche, die dem Nachbar zur Grosszehenseite zu- 
gekehrt sein sollte, vorwärts und schliesst sich, indem es sich zwischen 
beide Nachbaren zurückzieht, von der Articulation mit der zweiten Reihe 
der Fusswurzelknochen aus. Offenbar ist das Sprungbein der dem Mond- 
bein analoge Knochen; der Knochen, welcher vor ihm liegt und, nach 
Analogie der Hand, daumenwärts neben ihm liegen sollte, das Schiffbein 
(II), entspricht dem Kahnbein; der unterhalb des Sprungbeins gelegene 
Knochen, Fersenbein (III) mit dem Fersenfortsatz (III/), entspricht, wie 
bereits erwähnt, einem mit dem Erbsenbein verschmolzenen Pyramidenbein. 
Die rechtwinkliche Stellung der Längsaxe des Fusses gegen die Längsaxe 
des Unterschenkels, welche für den Fuss im Vergleich zur Hand charakte- 
ristisch ist, kann man sich so zu Stande gekommen denken, dass bei an- 
fänglich hängendem Fuss die Ueberknorpelung sich von der oberen Fläche 
des Sprungbeins nach vorn auf die Rückenfläche herabgezogen habe. 

In der zweiten Reihe der Fusswurzelknochen liegt zunächst an der 
Kleinzehenseite ein ährlicher, aus drei Knochen gebildeter, nur minder 
regelmässiger Kegel, wie in der Hand, ebenso mit der Spitze in die Con- 
cavität der ersten Reihe eindringend und auf der Grundfläche die Gelenk- 
flächen für die vier äusseren Mittelfussknochen tragend. Das Trapezoid- 
bein findet sich in dem zweiten Keilbein (IV), das Kopfbein in dem dritten 
Keilbein (V), das Hakenbein in dem Würfelbein (VI) wieder, und die 
Aehnlichkeit beschränkt sich nicht auf die Stellung, sondern lässt sich auch 


!) Ich habe den Namen Pyramidenbein, Trapezoid- und Trapezbein den Vorzug ge- 
geben vor den bei uns mehr eingebürgerten Namen „dreiseitiges, grosses und kleines viel- 
winkeliges Bein“, weil sie in der Anwendung bequemer sind. 


Schulterblatt. . 209 


in der Form der Knochen nachweisen mit dem Unterschiede, dass in der 
Hand das Kopfbein, im Fuss das Würfelbein die Spitze des Kegels aus- 
macht und dass die Gelenkfläche, welche in der Hand an der unteren 
Fläche des Mondbeins liegt, im Fusse dem Schiffbein mit übertragen ist. 
Die Rolle des Trapezbeins übernimmt unter den Fusswurzelknochen. das 
erste Keilbein (VII); da aber die Grosszehe den übrigen nicht entgegen- 
gestellt wird und ihre Längsaxe von der Längsaxe des Fusses nur wenig 
abweicht, so stehen auch Flächen. und Ränder des ersten Keilbeins den 
entsprechenden Flächen und Rändern der. übrigen Knochen der zweiten 
Reihe mehr parallel und das erste Keilbein schliesst sich natürlicher an die 
zweite als an die erste Reihe der Fusswurzelknochen an. 

Bezüglich der Proportionen besteht zwischen Hand und Fuss der Un- 
terschied, dass an der Hand jede folgende Abtheilung die vorhergehende 
an Länge übertrifft, indess an der unteren Extremität die Zehen von dem 
Mittelfuss, der Mittelfuss von der Fusswurzel an Länge übertroffen wer- 
den. Unter den Fingern ist der mittlere, unter den Zehen die zweite am 
längsten. 


l. Knochen der oberen Extremität. 


a. Knochen des Gürtels der oberen Extremität. 


1. Schulterblatt, Scapula D. 


Das Schulterblatt ist ein platter und sehr dünner, schwach nach hin- 
ten gewölbter Knochen, dessen Tafeln nur in der Nähe der Ränder Diploe 
einschliessen. Es hat die Form eines spitzwinklichen Dreiecks mit wenig 
gekrümmten Seiten, die schmalste Seite nach oben, den spitzesten Winkel 
nach unten, etwas mehr als doppelt so hoch (170mm) als am oberen Rande 
breit. Die Winkel sind demnach als unterer, oberer medialer und oberer 
lateraler, die Ränder als oberer, medialer und lateraler zu bezeichnen. Die 
Flächen sind eine hintere, convexe ?) und eine vordere, concave 3). We- 
gen der gewölbten Form des Riickens, an dessen Seitentheilen das Schulter- 
blatt liegt, ist aber die vordere Fläche zugleich median- und etwas ab- 
wärts, die hintere Fläche lateral- und etwas aufwärts gekehrt. In ruhiger 
Haltung des Armes reicht das Schulterblatt vom ersten Intercostalraum bis 
zur siebenten Rippe oder bis zum Zwischenraum der siebenten und achten. 
Sein medialer Rand ist von den Spitzen der (@uerfortsätze ungefähr eben 
so weit entfernt, als die Spitzen der Querfortsätze von den Dornen. Der 
Mittelpunkt des Oberarmgelenks steht in gleicher Höhe. mit dem unteren 
Rande des vierten Rückenwirbels. 

Der mediale Rand (Basis) des Schulterblattes ist gegen das obere und 
untere Ende stärker als in der Mitte; er stellt eine schwach eonvexe oder 


D) Omoplata. 2) Superf. dorsalis. ®) Superf. costals. 
Henle, Anatomie. Thl. T. 14 


I. Obere 
Extremität. 
a. Gürtel, 
1. Schulter- 
blatt. 


210 ® Schulterblatt. 


eine gebrochene Linie dar, welche bis zur Grenze des oberen und zweiten 
Viertheils median - und vom zweiten Viertel an lateralwärts von der Ver- 
ticalen abweicht, so dass bei ruhiger Haltung des Armes der untere Win- 
kel meist etwas weiter als der mediale obere von der Mittellinie des 
Rückens entfernt ist. Der Winkel, welchen der mediale Rand mit dem 
oberen bildet, ist bald stumpf und abgerundet, bald spitz; je spitzer er ist, 
um so schräger abwärts und um so tiefer ausgeschnitten verläuft der obere 
Rand von der medialen zur lateralen Ecke. Der untere Winkel ist ab- 


Fig. 194. 


Pe, Fan Fig. 195. 


sm Ts 


R 


Linkes Schulterblatt von der 
Linkes Schulterblatt von vorn. lateralen Kante. sm Oberer 
- medialer Winkel. 


gerundet. Von ihm aus geht der laterale Rand gerade oder wellenförmig 
in einer die Mitte zwischen der transversalen und verticalen haltenden 
Richtung aufwärts; bei starken Körpern springt er zunächst dem unteren 
Winkel convex oder in Form einer platten, stumpfen Zacke vor und ver- 
grössert so die Fläche, von welcher an der Rückseite der M. teres maj. seinen 
Ursprung nimmt (Fig. 195, 196 {mj). Weiter hinauf wird er breiter und 
durch einen niedrigen, aber scharfen Kamm (*) der Länge nach getheilt 
in einen halbeylindrischen Wulst (tm), welcher die hintere Fläche säumt 
(Ursprungsstelle‘des M. teres minor), und eine Rinne (**), welche, wie sie 
aufwärts an Breite und Tiefe zunimmt, sich allmälig mehr auf die vor- 
dere Fläche wendet, von der sie durch eine stumpfe Kante geschieden ist. 

Die Stelle des oberen lateralen Winkels vertritt der Gelenkknopf, 
Condylus scapulae, mit der lateral- und vor- und etwas aufwärts ge- 
richteten Gelenkgrube, Cav. glenoidea, für den Oberarm. Die Gelenk- 
grube ist im Verhältniss zum Armbeinkopf klein; sie ist flach, eiförmig mit 
nach oben gerichteter Spitze und am vorderen Rande unter der Spitze leicht 
eingebogen (Fig. 195). Ihre Höhe beträgt 40"m, ihre grösste Breite (in sa- 
gittaler Richtung.) 30"m. Zu dieser Mächtigkeit verdickt sich das Schulter- 


u 


Schulterblatt. 311 


blatt, indem seine vordere Fläche allmälig und eben, seine hintere Fläche 
mittelst eines aufgeworfenen und rauhen Randes an den Rand der Gelenk- 
grube herantrit. Der zunächst hinter diesem aufgeworfenen Rande ge- 
legene, leicht eingeschnürte Theil wird Hals, Collum scapulae, genannt. 
Die Einschnürung vertieft sich am unteren Rande des Gelenkknopfes zu 
einem Grübchen und wird um so auffallender, weil gerade unter derselben 
ein Höcker, Tuberculum infraglenoidale, vorragt, worin der eben er- 
wähnte Kamm des lateralen Randes endet. Von dem Höcker, aus dem Grüb- 
chen und vom Rande des Gelenkknopfes vor dem letzteren nimmt der lange 
Kopf des Extensor triceps seinen Ursprung. Am oberen Rande der Öber- 
armpfanne, gerade über der Spitze derselben, findet sich ein Eindruck oder 
eine kleine Rauhigkeit, Tuberculum supraglenoidale, die Ursprungs- 
stelle des langen Kopfes des M. biceps. Unmittelbar neben derselben erhebt 
sich vom oberen Rande des Schulterblattes ein starker und platter, haken- 
förmiger Muskelfortsatz, Schulterhaken, Proc. coracoideus \). Er 
steigt eine kurze Strecke gerade auf, mit Flächen, welche in der Flucht 
der Flächen des Schulterblattkörpers liegen, und biegt dann so um, dass 
seine Flächen nahezu horizontal, die obere zugleich etwas medianwärts, 
die untere lateralwärts zu liegen kommen. Der Uebergang der vorderen 
Fläche in die untere ist sanft und glatt; der Uebergang der hinteren in 
die obere ist durch einen quer über den Fortsatz ziehenden rauhen Wulst 
bezeichnet. Mit der Flächenkrümmung ist eine Krümmung der Kante ver- 
bunden, wodurch der anfangs parallel dem längsten Durchmesser der Ge- 
lenkpfanne sich erhebende Fortsatz fast rechtwinkelig in eine Richtung 
umlenkt, welche einem auf den Mittelpunkt der Pfanne gefällten Loth pa- 
rallel geht; oder wodurch er, das Schulterblatt in seine natürliche Lage 
gedacht, Sich aus der anfänglich median- und vorwärts aufsteigenden 
Richtung lateral- und vorwärts wendet. Bei der Drehung des Fort- 
satzes verringert sich die anfängliche Breite desselben (27”m) fast um die 
Hälfte; seine platt abgerundete Spitze steht in gerader Linie über dem 
unteren Rande der Gelenkpfanne. 

Der verticale Theil des Schulterhakens scheint am medialen Rande 
höher als am lateralen, weil sein medialer Rand geradezu in einen 
mehr oder minder tief halbkreisförmigen Ausschnitt des oberen Randes des 
Schulterblattes übergeht. Dieser Ausschnitt, Incisura 2) scapulae, über 
welchem Nerven und Gefässe von der seitlichen Halsgegend zur Rücken- 
fläche des Schulterblattes verlaufen, ist durch ein Querband überbrückt, 
welches theilweise oder ganz verknöchern kann und dann den Ausschnitt 
in eine kreisförmige Oeffnung verwandelt. 

Die Vorderfläche des Schulterblatts ist vom medialen Rande her 
eine Strecke weit durch (drei bis vier) leistenartige, gegen den Gelenk- 
knopf convergirende Vorsprünge getheilt. Auf der Mitte der Höhe des 
Gelenkknopfes verliert sich die oben erwähnte stumpfe Kante, welche die 
Furche des lateralen Randes von der Vorderfläche scheidet. Eine unter 
dem oberen Winkel bogenförmig vom oberen zum medialen Rande ver- 


!) Rabenschnabelfortsatz, Schulterschnabel. Proc. rostriformis, unciformis. 2) Lunula 
scapulae. Incisura scapularis, swprascapularis , semilunaris. 


4* 
14 s 


912 Schulterblatt. 


laufende Linie rundet den ausgehöhlten Theil der vorderen Fläche, die 
Fossa subscapularis, aufwärts ab und trennt von derselben ein drei- 
seitiges, planes oder sogar gewölbtes Feld (s), auf dessen Rand sich die 
oberen, starken Bündel des M. serratus anticus befestigen. Eine nicht 
ganz so regelmässige Linie rundet die Fossa subscapularis gegen die untere 
Spitze und gegen ein rauhes Feld (s') ab, dessen Rand den unteren Zacken 
desselben Muskels zum Ansatze dient. Die untere Spitze des oberen und 
die obere Spitze des unteren Feldes stehen mitunter durch eine feine, längs 
dem medialen Rande herablaufende Furche (s‘) in Verbindung, welche 
die zarte Sehne des mittleren Theiles des M. serratus aufnimmt. 

Die hintere Fläche des Schulterblatts theilt ein Kamm, welcher von 
der Grenze des obersten und zweiten Viertels des medialen Randes fast 
quer und nur wenig ansteigend gegen den Gelenkknopf verläuft, in ein 
oberes kleineres und ein unteres grösseres Feld. Dieser Kamm, Schulter- 
kamm, Spina scapulae !), gleicht, für sich betrachtet, einem stumpfwink- 
lichen Dreieck, dessen eine Spitze sich in einen platten Fortsatz, Schulter- 
ecke, Acromion ?), auszieht (vgl. Fig. 198). Mit einem der Schenkel, die 
den stumpfen Winkel einschliessen, ist es auf dem Schulterblattkörper auf- 
gewachsen; der andere, den stumpfen Winkel einschliessende Schenkel 
erhebt sich von der Fläche des Körpers in der Nähe des Schulterhalses 

. und etwa der Mitte der Höhe 

Fig. 196. des Gelenkknopfes gegenüber als 

freier, seitlicher Rand des Kam- 
mes; er ist diek, abgerundet, 
schräg vor- und seitwärts ge- 
neigt, etwas concav; sanft aus- 
gehöhlt geht er an der Basis in 
die hintere Fläche des Gelenk- 
knopfes über und bildet mit dem 
aufgeworfenen Rande desselben 
eine Art breiter Furche, längs 
welcher die ober- und unterhalb 
des Kammes gelegenen Felder 
mit einander communiciren. Dem 
stumpfen Winkel gegenüber liegt 
der hintere, freie Rand des Kam- 
mes. Er entsteht am medialen 
Rande des Knochens aus einem 
kleinen, dreiseitigen Felde, wel- 
ches die Spitze seitwärts wendet, 
zuerst scharf, plattet sich im Auf- 
steigen ab, so dass er nach oben 
und unten die Flächen des Kammes überragt (Fig. 197), verschmälert sich 
dann in der Regel noch ein Mal, um schliesslich in die breite obere Fläche 
des Acromion überzugehen. Der platte Theil des Randes ist rauh und 
der Länge nach durch eine schwache Firste getheilt. Mit den Flächen 


Linkes Schulterblatt von hinten. 


D) Schultergräte. ?) Schulterhöhe, Grätenecke, Proc. acromialis. 


%* 


Schulterblatt. 213 


steht der Schulterkamm gegen die Fläche des Schulterblattkörpers geneigt, 

Fig. 197. , 80 dass die obere Fläche des Kammes unter etwas we- 
niger, die untere unter etwas mehr als einem rechten 
Winkel in die hintere Fläche des Schulterblatts übergeht. 
In Verbindung mit den Flächen des Kammes, in welche 
sie sich ohne Unterbrechung fortsetzen, stellen die beiden 
Felder der hinteren Fläche des Schulterblatts offene Gru- 
ben dar, die Flossa supraspinata und Fossa infra- 

- spinata, welche von den gleichnamigen Muskeln aus- 
gefüllt werden. 

Das Acromion ist ein platter, breit und abgestumpft 
sichelförmiger Fortsatz mit stumpfen Rändern, der mit 
seinen Flächen den Flächen des Schulterblattes parallel 
liegt und nur mit der oberen Spitze sich vorn überbeugt. 
Seine hintere Fläche, die allmälig zur oberen wird, ent- 
steht, wie erwähnt, aus dem hinteren Rande des Schul- 

} terkammes; seine vordere, an der Spitze abwärts ge- 
Sagittaler Durch- E = . ee ne N 
schnitt des linken neigte Fläche geht durch eine Art fächerförmiger Aus- 
Schulterblattes.. breitung aus dem lateralen Rande des Schulterkammes 

Fs Fossa sub- hervor. Der untere Rand des Acromion, der bei der 
scapularis. Ei B - - 

Krümmung der Spitze zum lateralen wird, ist stark con- 
vex, uneben und ragt gleich einem Dach über den Armbeinkopf vor; der 
obere und an der Spitze des Fortsatzes mediale Rand ist glatter und trägt 
hinter dieser Spitze zur Articulation mit dem Schlüsselbein eine flache, 
elliptische Gelenkfläche, F'acies articularis acromi (Fig. 194, 196), 
länger als hoch, deren Höhe der Dicke des Fortsatzes gleichkommt. Er- 
nährungslöcher finden sich, ausser am Condylus, in der Fossa supraspinata 
oder infraspinata in der Nähe des Kammes. 


Fssp 


Var. Nicht selten zeigt der laterale Rand und die hintere Fläche unterhalb 
des Condylus den rinnenförmigen Eindruck der Art. eircumflexa scapulae. Hyrtl 
gedenkt einer grossen Oeffnung in der Fossa infraspinata. Die Epiphyse des Acro- 
mion kann sich getrennt erhalten, durch Synchondrose oder selbst durch ein wahres 
Gelenk (R. Wagner, Cruveilhier) an den Schulterkamm befestigt. 

Beim Neugebornen ist der Schulterhaken, das Acromion und ein Theil zunächst 
der Basis knorplich. Der Schulterhaken erhält einen Knochenkern schon im ersten 
Jahre, welcher auf den oberen Theil des Condylus hinabreicht, und ist im fünfzehnten 
Jahre mit dem Schulterblatt verwachsen. Schon früher hat sich ein Knochenkern 
in der Basis des Acromion gebildet und im fünfzehnten Jahre erscheint ein zweiter; 
der einen grösseren oder kleineren Theil der Spitze desselben einnimmt, ferner um 
dieselbe Zeit ein Knochenstreif längs der Basis des Schulterblattes und ein Kern 
im unteren Winkel. Die Verschmelzung dieser Epiphysen vollendet sich erst zur 
Zeit der völligen Reife, im zweiundzwanzigsten bis fünfundzwanzigsten Jahre. Der 
convexe Rand des Schulterhakens geht, nach Sharpey, zuweilen aus einer be- 
sonderen Epiphyse hervor, 


2. Schlüssel- 
bein. 


214 Schlüsselbein. 


2. Schlüsselbein, Clavieula. 


Ein schlank S-förmig gebogener Knochen, welcher am oberen Rande 
des Thorax zwischen dem Acromion und dem Schlüsselbeinausschnitt des 
Brustbeins in einer diagonalen, die Mitte zwischen der transversalen und 
sagittalen haltenden Richtung so befestigt ist, dass sein mediales vorderes 
Ende etwas tiefer steht als das lateral-hintere. Sein mediales Ende kreuzt 
sich unter spitzem Winkel mit dem vorderen Ende der ersten Rippe; das 
mittlere Drittel des Schlüsselbeins liegt vor dem ersten Intercostalraume. 
In Verbindung mit dem Schulterkamme und dessen Fortsetzung, dem 
Acromion, bildet das Schlüsselbein einen nur von der Haut bekleideten, 
überall durchfühlbaren Gürtel, welcher die Wölbung, womit der Hals sich 
zum Rumpf erweitert, ringsum bis in die Nähe der Wirbelsäule unterbricht. 
Die aufwärts gekehrte und nur wenig nach aussen abhängige Fläche dieses 


Fig. 198. 


Thorax mit dem linken Schulterblatt und Schlüsselbein und dem Armbeinkopf von oben. 

Vi1l Obere Fläche des ersten Brustwirbels. Fssp Fossa supraspinata. S Spina scapulae. 

4A Acromion. Pc Proc. eoracoid. C'p Caput humeri. Tmj Tuberc. majus. 7m Tubere 
minus des Armbeins. 


Gürtels ist platt, sie hat die grösste Breite über dem Arm und verschmälert 
sich gegen Brust und Rücken; sie gewinnt die grösste Breite durch eine 
Ausladung des lateralen Randes, gegenüber einem spitzen und schnabel- 
förmig nach vorn gekrümmten Winkel, womit der mediale Rand von hin- 
ten nach vorn umbiegt. Von der Spitze dieses Winkels fast gerade nach 
vorn geht die Spalte, welche das Gelenk zwischen Acromion und Schlüssel- 


% 


Schlüsselbein. 215 


bein bezeichnet. Der laterale Rand, über dem Armbeinkopf in sagittaler 
Richtung abgestutzt, läuft von da aus an die Vorder- und Rückseite in 
S-Biegungen von symmetrischer Gestalt, nur dass die Biegung des Schulter- 
kammes kürzer und verhältnissmässig steiler ist als die in der Vorderrand 
des Acromion sich fortsetzende entsprechende Biegung des Schlüsselbeins. 
Denkt man sich das Schlüsselbein in der Mitte seiner Länge getheilt, 
so erhält man zwei, in entgegengesetztem Sinne schwach gebogene Stücke, 
und zwar ist die dem Brustbeine zunächst liegende oder sternale Hälfte 
vorwärts convex, die an das Schulterblatt stossende oder acromiale Hälfte 
vorwärts concav. Der Bogen der acromialen. Hälfte gehört in der Regel 
Fig. 199. einem kleineren Radius an als der Bogen der 
5 % g sternalen Hälfte. In der Mitte ist das Schlüs- 
: selbein eylindrisch, jedoch von oben nach un- 
ten comprimirt. Gegen das sternale Ende ver- 
diekt es sich allmälig und wird dreiseitig pris- 
matisch, indem die obere Fläche sich abplattet 
Sagittale Durchschnitte ds und aus der Mitte der unteren eine Kante her- 
Schlüsselbeins, senkrecht auf die vorgeht. Seltener kommt an der Vörderseite 
Längsaxe = des aeromialen En- ine vierte Kante hinzu, welche durch die 
des, y des Körpers, z des ster- P: R N 
nalen Endes, nach den Linien Ansätze des M. pector. maj. und sternocleido- 
x, y, z, Fig. 200. mastoideus erhoben wird. Gegen das acro- 
miale Ende gewinnt der Knochen breitere Flä- 
chen, schärfere Ränder, im Ganzen also eine mehr platteForm. Die ster- 
nale, schwach überknorpelte Endfläche ist von vorn nach hinten gewölbt, un- 
regelmässig dreiseitig, den spitzesten Winkel nach unten und hinten gerichtet; 
sie überragt am hinteren und noch mehr am oberen Rande die Gelenkfläche 
des Brustbeins, mit welcher sie artieulirt (vergl. Fig. 188). Das acromiale 
Ende hat eine plane, elliptische, seitwärts schauende Gelenkfläche, welche 
gleich der Gelenkfläche des Acromion im sagittalen Durchmesser länger 
ist als im verticalen. In der Nähe des sternalen Endes hat die untere 
Kante eine breite, bald hervor- 
ragende, bald vertiefte Rauhigkeit, 
Tuberositas costalis !), zur In- 
sertion des Lig. costo-claviculare; 
eine ähnliche Rauhigkeit, Tube- 
rositas scapularis, findet sich 
an der unteren Fläche in der Nähe 
des acromialen Endes; in dersel- 
ben befestigt sich das Lig. coraco- 
elaviculare. Zwischen beiden Rau- 
higkeiten verläuft der Länge nach 
eine seichte Furche (sc), in welcher 
Rechtes Schlüsselbein von unten. der M. subelavius haftet. Nicht 
selten ist der vordere und hintere 
Rand vom acromialen Ende vorwärts eine Strecke weit rauh von der An- 
heftung dort des M. deltoideus, hier des M. cucullaris. ®Der Markcanal 


Fig. 200. 


') Tuberositas claviculae, 


b. Ober- 
arm. 
Armbein, 


216 Armbein. 


des Schlüsselbeins ist klein; öfters tritt spongiöse Substanz an die Stelle 
desselben. Ein oder zwei Ernährungslöcher finden sich an der hinteren 


Fläche. 


Das Schlüsselbein bewegt sich zuweilen mittelst überknorpelter Flächen auf 


der ersten Rippe oder auf dem Schulterhaken (Gruber, Neue Anomalien, 8. 7). 
Der laterale Theil des Schlüsselbeins kann durch einen Fortsatz des Schulterblattes 
vertreten sein (Martin, s. Meckel, Anat. $. 200). 

Gewöhnlich ist das rechte Schlüsselbein stärker und mehr gekrümmt als das 
linke. Beim Weibe sind die Schlüsselbeine in der Regel minder kantig und weniger 
gekrümmt als beim Manne. 

Das Schlüsselbein entwickelt sich aus Einem Knochenpunkte. Im fünfzehnten 
bis achtzehnten Jahre tritt eine Epiphyse in Form einer dünnen Lamelle am Sternal- 
ende hinzu, welche einige Jahre später mit dem Körper verwächst. 


b. Oberarmknochen. 


Armbein, Humerus 1). 


Das Armbein ist ein Röhrenknochen mit verdickten, articulirenden 
Enden, leicht gekrümmt, die Convexität gegen den Rumpf gerichtet. Das 
obere Ende ist ein kuglicher, das untere ein querliegend cylindrischer Ge- 
lenkkopf; das Mittelstück (Körper) ist demgemäss in der Nähe des oberen 
Endes cylindrisch, in der Nähe des unteren Endes abgeplattet. 

Um mich nicht von dem populären und ärztlichen Sprachgebrauche 
zu entfernen, beschreibe ich die Knochen des Armes in der Lage, in wel- 
cher die Handflächen gerade nach vorn gewandt sind. Es darf aber nicht 
unerwähnt bleiben, dass diese Haltung eine unnatürliche ist. Sich selbst 
überlassen, befindet sich am Lebenden der herabhängende Arm in mässiger 
Pronation; der Daumenrand der Hand liegt nach vorn und die Hand- 
flächen liegen in Ebenen, welche fortgesetzt nahe vor der Vorderfläche 
des Körpers einander schneiden würden. Dabei ist der Oberarm so ge- 
stellt, dass die obere Gelenkfläche mehr rück- als medianwärts gewandt 
und die Längsaxe des unteren eylindrischen Gelenkkopfes näher der sa- 
gittalen Richtung ist als der transversalen. Die Flächen der Hand, des 
Vorderarmes und des unteren Theiles des Oberarmes müssten demnach 
eigentlich als mediale und laterale, die Ränder als vorderer und hinterer 
unterschieden werden. 

Der obere Gelenkkopf des Armbeins, Capu£ humeri, ist kuglich; der 
Rand des überknorpelten Theiles ist eine ziemlich regelmässige Kreislinie; 
eine durch dieselbe gelegte Ebene macht mit dem Horizont einen Winkel 
von etwa 40% 2). Der grössere, untere Theil des Randes ruht auf einem 


\) Oberarmbein, Os humeri, Os brachiü. 2) Genauere Angaben über Form und 
Maasse der Gelenkflächen behalte ich mir für die Bänderlehre vor, da sie erst im 
Zusammenhange mit der Beschreibung der Bänder und nur durch die unmittelbare 


Nebeneinanderstellung der mit einander articulirenden Flächen ein praktisches Interesse 
gewinnen. 


a N 


Armbein. 217 


halbeylindrischen, sanft ausgeschweiften Vorsprung (Fig. 201 — 203), den 
er überragt; der obere Theil des Randes ist mittelst einer schmalen und 
seichten Furche gegen die sogleich zu beschreibenden Höcker abgesetzt 


Fig. 201") Fig. 202. 


Fig. 203. 


Armbein von vorn, von hinten, Profil. 


und so der Kopf ringsum von einer Einschnürung, dem sogenannten Hals, 
Collum 2), umgeben. 


I) Die abgebildeten Extremitätenknochen gehören sämmtlich der rechten Glied- 
maasse an. 2) Auch anatomischer Hals genannt, zur Unterscheidung vom Hals im 
Sinne der Chirurgen, wonach die Höcker noch mit zum Halse gerechnet werden, 


218 


Armbein. 


Den seitlichen Umfang des oberen Endes des Armbeins zunächst dem 
Kopf nehmen zwei Höcker ein, ein grösserer und ein kleinerer, T'uber- 


Fig. 204. 


Tmj c1 Cp 


pnı 


culum maj.‘) und T. minus 2), durch eine 
(10mm breite) im oberen Theile überknorpelte 
Rinne, Swlcus interlubercularis 3), von 
einander getrennt. Der grössere dehnt sich 
von der seitlichen Fläche noch etwas auf die 
hintere aus (bei ruhendem Arme liegt er ge- 
rade nach vorn); der kleinere befindet sich in 
der Mitte der vorderen Fläche (bei ruhendem 
Arme am medialen Rande). Der kleinere ist 
ein einfacher, abwärts zugespitzter Vorsprung 
mit einem, dem Rande des Gelenkkopfes pa- 
rallel ab- und medianwärts laufenden Kamm, 
an den sich von oben her der M. subscapu- 
laris ansetzt. Der grössere Höcker wird ver- 
mittelst einer queren, stumpfen Kante in eine 
obere, glatte und eine seitliche, durch Gefäss- 


Y--- -------- -löcher und Rinnen rauhe Fläche geschieden ; 


Armbein von vorn. 


die obere Fläche ist in drei neben einander 
liegende Facetten, Impressiones, von ziemlich 
gleicher Ausdehnung abgetheilt, in welchen 
drei von der hinteren Fläche der Scapula ent- 
springende Muskeln haften (Fig. 203). 

Vom grösseren Höcker zieht sich, als 
lateraler Rand des Sulcus intertubercularis, 
eine Linie, Spina tuberculi majoris, herab, 
welche an der Grenze des obersten und zwei- 
ten Viertels des Armbeinkörpers mit einer 
rauhen Fläche (pm), der Insertionsfläche des 
M. pectoralis major, endet. In gleicher 
Höhe endet mit einer ähnlichen Rauhig- 
keit (ld), für die Insertion des M. latissi- 
mus dorsi und teres major, eine vom kleine- 
ren Höcker als medialer Rand des Sulcus in- 
tertubereularis herablaufende Linie, Spina 
tuberculi minoris. Die Spina tuberculi ma- 
Joris aber setzt sich ununterbrochen oder nach 
kurzer Unterbrechung abwärts fort zuerst am 
Vorderrande einer rauhen Fläche (d), auf wel- 


cher der M. deltoideus zwischen den Ursprüngen des Brachialis int. endet, 
wendet sich sodann von der Mitte der Höhe des Oberarms an als stumpfe, 
gegen das Ellenbogengelenk mehr und mehr verflachte Kante, Angulus 
anlerior , auf die Mitte der Vorderfläche des Armbeins, die sie in eine 


") T. anterius Meckel, posterius Weber-H., externum. 2) T. posterius Meckel, 


anterius Weber-H., internum. 


®) Sulcus bicipitalis, Semicanalis humeri, 


. 


a 


Armbein. 219 


lateral- und eine medianwärts abhängige Fläche theilt. In der Höhe, in 
welcher diese Kante auf die Vorderfläche tritt, beginnen auch die gegen 
s das untere Ende divergirenden 
Fig. 205. Kanten, welche die beiden vor- 
deren Flächen von der Rücken- 
(®) fläche des Arms scheiden. Die 
Mol: laterale, Angulus lateralis, 
n nimmt ihren Anfang hinter der 
Deltoideus-Rauhigkeit; sie ist 
Querschnitte des Armbeins nach den Linien &, %, % von derselben durch eine Furche 
Bine 202 (Fig. 202 *) geschieden, die 
- sich im Absteigen von der hin- 
teren auf die laterale Fläche des Armbeins herumwindet !), und tritt wie 
ein scharfer, etwas ausgehöhlter Saum neben der vorderen lateralen Fläche 
hervor. Die mediale Kante, A. med., entsteht vor einer kleinen Rauhig- 
keit (ec), welche von der Insertion des M. coracobrachialis herrührt; sie ist 
überall minder scharf, biegt aber am unteren Ende weiter von der Längs- 
axe des Knochens ab. Die von diesen beiden Kanten eingefasste hintere 
Fläche ist glatt, im oberen Theile noch etwas gewölbt, im unteren platt 
und in der Nähe des unteren Endes sogar von einer Seite zur anderen 
vertieft (Fig. 205 2). 


Das Haupternährungsloch des Armbeins, in einen abwärts gerichteten 
Canal führend, findet sich in der Regel auf oder dicht vor der medialen 
Kante, nicht weit unterhalb der Insertion des M. coracobrachialis; doch 
kommt es auch an der äusseren Kante und auf der Rückenfläche vor. 


Gegen das untere Ende verbreitert sich das Armbein, und zwar, wie 
aus dem Gesagten hervorgeht, mehr gegen den medialen als gegen den 
lateralen Rand. Die Ausladung des medialen Randes kommt aber nicht 
dem Gelenkkopf zu Gute, sondern gehört fast ganz einem von vorn nach 
hinten platten, am Rande abgerundeten und abgestumpften Fortsatz, dem 
medialen Knorren, Epicondylus medialis 2), an, mit rauher Vor- 
derfläche, von welcher eine Anzahl Muskeln der Beugeseite des Vorder- 
arms entspringen, und glatter, zunächst dem Gelenk etwas eingedrückter 
hinterer Fläche, in deren Vertiefung, Sulcus ulnaris, der N. ulnaris 
herabläuft (Fig. 202). Die laterale Kante endet, vorwärts umbiegend, auf 
einem ähnlichen, nur viel stumpferen Fortsatz, dem lateralen Knorren, 
Epicondylus lateralis 3), von dessen Vorderfläche und unterem Rande 
Muskeln der Streckseite des Unterarms ihren Ursprung nehmen. 


Der überknorpelte Theil des unteren Endes des Armbeins, Processus 
cubitalis, bildet zunächst dem medialen Rande einen rollenartigen Gelenk- 
kopf, Trochlea %), auf welchem die Ulna artieulirt; die Rolle wird er- 


») Gouttiere de torsion der französ. Schriftsteller. Dieser Rinne folgt der N. radiahs 
mit der Art. profunda brachü. ?) Nebenhöcker, Condylus iniernus, flexorius aut. No- 
dus int. s. flexoriuss Arn. Die Benennung Epicondylus rührt von Chaussier- her. Sie 
wird sich vielleicht am ehesten Eingang verschaffen, weil sie der bei uns gebräuch- 
lichen, allerdings unpassenden, am ähnlichsten klingt. 3) Condylus s, Nodus externus, 
extensorius, ) Rotula, 


220 Armbein. 


zeugt durch einen Kugel- und einen liegenden abgestumpften Kegelabschnitt, 
und zwar liegt der Kugelabschnitt dem medialen Rande zunächst und reicht 
weiter abwärts als der Kegelabschnitt; die medianwärts gewandte Schnittfläche 
des ersteren beträgt ?/, einesKreises; die Stelle des vierten Viertels nimmt der 
Knorren ein, der sich von oben her etwas über den Mittelpunkt der Fläche 
hinaus erstreckt. Der Kegelabschnitt, mit der abgestumpften Spitze an die 
Kugelfläche anstossend und in dieselbe übergehend, reicht an der hinteren 
Fläche weiter hinauf als der Kugelabschnitt und endet lateralwärts mit 
scharfem überragenden Rande; an der vorderen Fläche ist er durch eine Ein- 
schnürung abgesetzt gegen das Köpfchen, Capilulum )), ein flaches Kugel- 
segment auf der Vorderfläche des vorwärts umgebogenen lateralen Drittels 
des Armbeins, welches zur Articulation mit dem Radius bestimmt ist. 
Ueber den beschriebenen Gelenkköpfen liegen stumpfwinklich drei- 
seitige, mit der stumpfen Spitze aufwärts gekehrte Gruben, die breiteste 
Fig. 206. und tiefste, F'ossa olecrani?), an der hinteren 
Fläche des Knochens, eine schmalere und seich- 
tere, F'ossa ant. mj., an der vorderen Fläche 
über der Trochlea, die kleinste, F'ossa ant. 
min., an der vorderen Fläche über dem Capi- 
tulum. Die der Basis entsprechende Seite dieser 
Dreiecke setzt, ohne überknorpelt zu sein, die 
Krümmung der Gelenkköpfe fort und nimmt bei 
äusserster Beugung und Streckung die vorderen 
und hinteren Ränder der Gelenkflächen der Vor- 
derarmknochen auf. Zwischen der hinteren Grube 


Sagittalschnitt des unteren & 5 . 2 
ne des Armbeins mit dem und der vorderen grösseren bleibt nur eine dünne 


oberen Ende der Una. „ Knochenwand (Fig. 206), die zuweilen völlig 
durchbrochen erscheint. 


Aus der medialen vorderen Fläche des Armbeins, etwa 40mm oberhalb des vor- 
deren Randes der Trochlea erhebt sich zuweilen ein von vorn nach hinten platt- 
gedrückter und hakenförmig abwärts gekrümmter Fortsatz von 3 — 13mm Länge, 
Proc. supracondyloideus Otto. Der Erste, welcher dieses Fortsatzes gedenkt, ist 
Tiedemann; er bildet ihn (Tabb. arteriarum 1822. Taf. XV. Fig. 3) als einen 
„ungewöhnlichen Knochenauswuchs‘“ ab, an welchem ein ungewöhnlicher Theil des 
M. pronator teres entspringt, indess hinter ihm eine abnorm von der A. brachialis 
abgehende Interossea zum Vorderarm herabläuft. Das Armbein, der Proc. supra- 
condyloideus und ein Band, welches von dem letzteren zum medialen Epicondylus 
verläuft, umschliessen eine ovale Oeffnung. Otto (De rarioribus sceleti h. cum ani- 
malium sceleto analogüs. p. 25. Taf. I. Fig. 10, 11) gewann dem Proc. supracondy- 
loideus ein höheres Interesse ab, indem er auf die Analogie dieser Oeffnung mit 
dem Can. supracondyloideus mancher Säugethiere hinwies. Seitdem wurde der ge- 
nannte Fortsatz vielfältig beschrieben und abgebildet, von Quain (The anatomy of 
arteries in the human body. Lond. 1840. Taf. 36. Fig. 3), Knox (Edinb. med. and 
surg. Journ. 1841. p. 125), Wilbrand (Ueber einen Proc. supracondyloideus hu- 
meri und femoris. Giessen 1843), Tiedemann (Supplementa ad tabulas arteriar. 
Heidelb. 1846. Taf. 47. Fig. 1, 2), Struthers (Monthly Journ. 1848. Oct. p. 265), 
Gruber (N. Anomalien, S. 8. Taf. VII) und Barkow (Anatom. Abhandl. S. 7. 
Taf. I. Fig. 1). Nach Gruber ist der Proc. supracondyloideus immer bedingt 


N) Eminentia capitata, Tuberculum. Eminentia trochlearis Loschge. Rotula M.J. Weber. 
?) Fossa posterior. Sinus maximus. 


Unterarmknochen. 921 


durch die von Tiedemann erwähnte Anomalie im Ursprung des M. pronator 
teres. Art. brachialis und N. medianus treten immer durch die elliptische Lücke, 
welche von dem’ anomalen Muskelbauch und dem Knochenfortsatz begrenzt wird. 
Unter den von Barkow beobachteten Fällen ist einer, in welchem ein Proc. supra- 
condyloideus (lateralis) von der lateralen Kante des Armbeins abgeht, in der- 
selben Höhe, wie sonst der Proc. supracondyloideus (medialis) und von ähnlicher 
‚ Form. 

Zur Zeit der Geburt sind die Enden des Armbeins in der Regel noch voll- 
ständig knorplich. Nach Meckel kommt jedoch im Köpfchen des unteren Endes 
eine Verknöcherung vor, welche entweder selbstständig oder vom Körper aus sich 
entwickle. Gegen das Ende des ersten Lebensjahres erhält der Armbeinkopf, etwas 
später der grössere Höcker (nach B&eclard auch der kleinere) einen besonderen 
Knochenkern. Im fünften Jahre sind Kopf und Höcker zu einer Epiphyse ver- 
bunden, welche aber erst im zwanzigsten Jahre mit dem Körper verschmilzt. Im 
unteren Ende entstehen die Knochenkerne später, im Köpfchen gegen Ende des 
zweiten Jahres, im medialen Epicondylus im fünften Jahre, in der Trochlea im 
zwölften Jahre, im lateralen Epieondylus im dreizehnten bis vierzehnten Jahre. 
Bald darauf verbinden sich die Knochenkerne des Cubitalfortsatzes und des lateralen 
Epicondylus erst unter einander und dann mit dem Körper des Knochens; im acht- 
zehnten Jahre etwa ist auch der mediale Epicondylus mit dem übrigen Knochen 
verschmolzen. 


ce. Unterarmknochen. 


Die Mittelstücke oder Körper der Unterarmknochen sind in ihrer gan- 
zen Länge durch eine Membran, das Zwischenknochenband, Lögamentum 
interosseum !), verbunden, welche eine Scheidewand zwischen den Mus- 
keln der vorderen und der hinteren Fläche des Unterarmes darstellt und 
an beiden Flächen, gleich den Knochen, von Muskelursprüngen eingenom- 
men wird. 

Man kann die Knochen als die verdickten und verknöcherten Seiten- 
ränder des Zwischenknochenbandes oder Knochen und Zwischenknochen- 
band mit einander als einen der Länge nach rinnenförmig vertieften und 
im mittleren Theile häutigen Rahmen betrachten, der dem Unterarm zum 
Gerüste dient. Jeder Knochen ist dreiseitig pris- 
matisch; an beiden ist der Rand, mit welchem sie 
an das häutige Zwischenstück stossen, Zwischen- 
knochenrand, ÜUrisia interossea, vorzugs- 
weise scharf; jeder derselben hat eine schräg ge- 
gen diesen Rand abfallende vordere und hintere 
Fläche, beide der Länge nach ausgehöhlt, jedoch 

ee laleckaibt derstniter- die vordere tiefer als die hintere. Die dem Zwi- 
armknochen mit dem Lig. schenknochenrande gegenüberliegende Fläche, an 
interosseum. der Ulna die mediale, am Radius die laterale, 

ist glatt und schwach gewölbt; sie ist an der 

Ulna durch schärfere Kanten gegen die vordere und hintere Fläche ab- 
gesetzt, als am Radius. Längs der ganzen Ulna und an der unteren Hälfte 


D) Membrana interossea, 


c. Unter 
arm. 


1. Ulne. 


232 Blna, 


des Radius ist sie durch die Haut zu fühlen und nur in der oberen Hälfte 
des Radius durch Muskeln versteckt. 

Da beide Unterarmknochen sich am oberen und unteren Ende gegen 

» einander neigen, um mit einander zu articu- 
Fig. 208. liren, so hat der Zwischenraum zwischen bei- 
Fsi den eine nach oben und unten zugespitzte 
Form. Die Breite des Zwischenraumes wird 
gegen die Mitte der Höhe des Unterarmes 
noch vergrössert durch eine besonders am 
-TY Radius merkliche Seitwärtskrümmung des 
Mittelstückes und von der Mitte des Unter- 
armes an abwärts durch Verjüngung der 
Ulna. i 
In geringem Grade sind beide Unter- 
armknochen, die Ulna mehr als der’ Radius, 
auch nach vorn gebogen. Die Foramina 
nutrifia führen in beiden Knochen in schräg 
aufsteigende Canäle; sie liegen in beiden 
meistens in ziemlich gleicher Höhe, und zwar 
in der Mitte oder am unteren Ende des obe- 
ren Drittels am einen oder anderen Rande 
der vorderen Fläche. 

An den Gelenkenden compensiren Ra- 
dius und Ulna einander; die Ulna trägt vor- 
zugsweise zum Ellenbogengelenk, der Radius 
zum Handgelenk bei. 


2 1. Ulna, Ellenbogenbein 2). 


Die Ulna ist, von vorn betrachtet, schlank 
S-förmig gebogen, indem sie sich oben me- 
dial-, unten lateralwärts zur Seite neigt. 
Nahe unter dem oberen Ende springt nach 
vorn ein kragsteinähnlicher Fortsatz mit schar- 
fem Rande vor, der Proc. coronoideus 
ulnae ; seine vordere, abwärts geneigte, vier- 
seitige Fläche ist eine Fortsetzung der Vorderfläche des Körpers der Ulna; 
die Stelle des Ueberganges ist. durch eine bald erhabene, bald vertiefte 
räuhe Stelle, Tuberosilas ulnae, die Anheftungsstelle des M. brachialis 
int., bezeichnet. Von den dreiseitigen Seitenflächen des Proc. coronoideus 
geht die mediale (Fig. 209) ununterbrochen aus der medialen Fläche des 
Körpers der Ulna hervor; die laterale entsteht (Fig. 210) mit abwärts ge- 
richteter Spitze erst gegen das obere Ende des Körpers der Ulna, zwischen 
dessen vorderer und hinterer Fläche. Ihr oberer Theil ist überknorpelt, 
in verticaler und sagittaler Richtung schwach ausgehöhlt, eine sichelför- 
mige, mit der Spitze vor- und aufwärts gerichtete Gelenkfläche, Sinus 


Unterarmknochen in Verbindung, 
von vorn. 


Y) Elle, Cubitus, Focile majus. 


Ulna. 223 


lunatus ulnae %), längs welcher bei den Drehungen des Radius der Seiten- 
rand des Köpfchens dieses Knochens sich bewegt. Der Theil der Ulna, 


Fig. 209. Fig. 210. Fig. 211. 


Oberes Ende der Ulna von hinten. 


welcher über den Proc. co- 
ronoideus hervorragt, wird 
Ellenbogenfortsatz, 
Olecranon 2), genannt. 
Er ist vierseitig, die» vor- 
dere Fläche breiter als die 
hintere und die Seiten- 
flächen demgemäss von hin- 
ten nach vorn divergirend. 
Die hintere Fläche (Fig. 
211) ist ein langgezogen- 
spitzwinkliches Dreieck, mit 
dem spitzen Winkel nach 
Ulna im Profil, Fig. 209 von der medialen Seit, unten zwischen die me- 
Fig. 210 von der lateralen Seite. diale und hintere Fläche 

des Körpers eingeschoben 

und mit der dem spitzen Winkel gegenüberliegenden Seite stark nach oben 
gewölbt. Von der Kante, welche diese Fläche medianwärts begrenzt (wi), 
entspringt der M. ulnaris internus; an die laterale Kante derselben (ag) be- 
festigt sich der M. anconaeus quartus. Ihr obererRand begrenzt von hinten 
die schräg nach hinten abfallende obere Fläche des Olecranon und zunächst 
die den hinteren Theil dieser Fläche einnehmende Insertionsrauhigkeit (ef) 
des Extensor triceps ?). Die vordere Fläche des Olecranon, mit dem obe- 
ren Rande vorn überhängend, und die obere Fläche des Proc. coronoideus, 
mit dem vorderen Rande aufwärts gebogen, bilden in Verbindung mit ein- 
ander eine tief ausgehöhlte, im sagittalen Durchschnitt halbkreisförmige, 
auf der Trochlea des Armbeins articulirende Gelenkfläche, Fossa sigmoi- 
dea *%). Doch ist der dem Olecranon angehörige Theil dieser Fläche von 


\) Fossa s. Cavitas s. Incisura semilunaris s. sigmoidea minor. *) Processus anconaeus, 
®) Tuberositas olecrani. ®) F. sigmoidea major s. semilunaris major. 


224 Radius. 


dem dem Proc. coronoideus angehörigen durch tiefe Einbuchtung der Seiten- 
ränder und durch eine quer über die Gelenkfläche verlaufende, rauhe 
Furche abgegrenzt. Unter rechtem Winkel wird diese Furche gekreuzt 
von einer stumpfen Hervorragung, die mit einer Einbiegung des oberen 
Randes in der Mitte desselben beginnt und auf einem Vorsprunge des vor- 
deren Randes endet (Fig. 208). Mit dem lateralen Rande stösst der dem 
Olecranon angehörige Theil der Fossa sigmoidea unmittelbar an den oberen 
Rand des Sinus lunatus (Fig. 210). 

Das untere Ende der Ulna ist ein besonders in der Richtung gegen 
den Radius verdicktes Köpfchen, Capilulum ulnae, mit kreisrunder, über- 
knorpelter, unebener und schwach eingedrückter Endfläche. Mit dieser ver- 
bindet sich im stumpfen Winkel der untere Rand einer halbmondförmigen 
Gelenkfläche, Cörcumferentia articularis ulnae, gegen welche der 
Zwischenknochenrand des Körpers sich verflacht und welche die dem Ra- 
dius zugewandte Hälfte des Randes des Köpfchens einnimmt. Der Mitte 
dieser Gelenkfläche gegenüber liegt hinten am medialen Rande des Köpf- 
chens ein kurzer, cylindrischer, stumpfer, über die Endfläche vorspringen- 
der Fortsatz, Processus siyloideus ulnae, auf welchen die mediale Fläche 
des Körpers der Ulna übergeht. Eine seichte Furche scheidet ihn von der 
vorderen, eine tiefe von der hinteren Fläche der Ulna. In der tiefen Furche 
gleitet die Sehne des Ulnaris externus. An dem Fortsatz ist ein Band der 
Handwurzel befestigt. 

Sömmerring gedenkt, nach Chenal, eines Sesambeines über dem Olecra- 
non, und, nach eigener Beobachtung, eines Sesambeines an der Spitze des Proc. 
coronoideus. 

Die Verknöcherung der beiden Epiphysen der Ulna beginnt erst gegen das 
sechste Lebensjahr. Am oberen Ende des Olecranon entsteht ein Knochenkern 
oder mehrere (der Proc. coronoideus ossificirt vom Körper aus); die untere Epi- 
physe stellt das Köpfchen dar, Die obere Epiphyse vereinigt sich mit dem Körper 
gegen das fünfzehnte bis sechzehnte, die untere erst gegen das zwanzigste Jahr. 


2. Radius). 


Auch der Radius ist einigermaassen S-förmig gekrümmt, nur dass die 
obere, mit der Convexität gegen die Ulna schauende Biegung unverhält- 
nissmässig kurz ist im Vergleich zur unteren, lateralwärts convexen. 

Das obere Ende, Capilulum, ist eine niedere cylindrische Scheibe, 
welche die Eine Endfläche frei nach oben kehrt. Diese Fläche ist über- 
knorpelt, leicht eingedrückt, auf dem Köpfchen der Ulna um ihren Mittel- 
punkt beweglich. Die Seitenfläche des Cylinders steht an ihrer medialen 
Hälfte vertical und ist von einem Knorpel überzogen, der mit dem Knorpel- 
überzug der Endfläche continuirlich zusammenhängt, ÜCörcumferenlia 
articularis rad; an der lateralen Hälfte ist sie rauh, etwas wulstig und 
abgeschrägt. Das Köpfchen sitzt auf einem engen, gleichfalls eylindrischen 
Halse, Collum radi, in welchen der überknorpelte Theil mit einem schar- 


2) Speiche, Armspindel, Zocile minus. 


Radius. 225 


fen Rande, der rauhe Theil sanft, aber tiefer ausgeschweift übergeht. Die 
Grenze des Halses gegen den Körper ninmt eine elliptische, mit dem läng- 
sten Durchmesser parallel der Längsaxe des Armes gestellte, stark vor- 


Unterarmknochen in Verbindung, von vorn. Radius, von der Rückseite 


springende, rauhe Fläche ein, Tuberosifas radii, welche unter der Mitte 
des überknorpelten Theiles der Seitenfläche des Köpfchens steht, nur wenig 
tiefer als die Tuberosität der Ulna. Sie dient der Sehne des Biceps zur 
Befestigung. An der Tuberosität beginnt die lateralwärts convexe Krüm- 
mung des Radius; von ihr aus erhält auch der Körper die dreiseitig pris- 
matische Form, und zwar dadurch, dass von der Tuberosität drei Kanten 
ausgehen, die Eine, schärfste, gerade abwärts, als Zwischenknochenkante, 
und, von ihr anfangs divergirend, die beiden anderen, stumpfen Kanten, 
welche die laterale Fläche des Knochens von der vorderen und hinteren 
Fläche scheiden. Auf der lateralen findet sich etwa in der Mitte ihrer 
Höhe eine Rauhigkeit, die Insertionsstelle des M. pronator teres (Fig. 213 pt). 
Gegen das untere Ende nimmt der Radius an Umfang zu. Die Zwi- 
schenknochenkante verbreitert sich zu einem dreiseitigen Felde, welches 
über dem unteren Rande die halbmondförmige, mit der Concavität abwärts 
Henle, Anatomie, Thl, I, 15 


® 


226 Radius. 


gerichtete Gelenkfläche, Sinus lunatus radü »), trägt, mittelst welcher 
der Radius auf dem unteren Ende der Ulna rotirt; am gegenüberliegen- 
den Rande geht die Kante zwischen der vorderen und 
lateralen Fläche in einen stumpf abgerundeten und über 
den unteren Rand des Knochens hervorragenden Fort- 
satz, Processus s!yloideus radü, über. Die rauhe Sei- 
tenfläche dieses Fortsatzes ist von der glatten und etwas 
ausgehöhlten Vorderfläche durch eine scharfe Leiste ge- 
trennt (Fig. 212), setzt sich aber ohne bestimmte Grenze 
in die laterale Fläche fort, welche ihrerseits wieder mit- 
telst eines schärferen Vorsprungs sich von der hinteren 
Fläche scheidet (Fig. 213). Dem letztgenannten Vorsprung 
parallel und in geringer Entfernung neben demselben ver- 
Unteres Ende des Tz ft auf der hinteren Fläche ein niedrigerer und kürzerer 
Radius, mediale > 
Fläche. Kamm; beide gemeinschaftlich begrenzen die Rinne (epl), in 
welcher die Sehne des M. extensor poll. long. gleitet, eine 
Rinne, die sich flacher gegen den unteren Theil der Zwischenknochenkante 
schräg hinüberzieht. Durch mehrere stumpfe Erhabenheiten ist auch die 
laterale Fläche mit der zugehörigen Fläche des Proc. styloid. unvollkom- 
men der Länge nach in Furchen geschieden. Die Erhabenheiten und 
Kämme sind. sämmtlich zur Anheftung fibröser Scheidewände bestimmt, 
welche zur Fascie des Handgelenks aufsteigen und die Fächer abtheilen, 
in welchen die Sehnen der Streckmuskeln der Hand und der Finger gleiten. 
Die überknorpelte Endfläche des Radius, deren medialer Rand mit 
dem unteren Rande der Rotationsgelenkfläche zusammenfällt, ist in hori- 
zontaler und sagittaler Richtung concav, dreiseitig, in eine auf den Proc. 
styloideus übergehende Spitze ausgezogen, durch eine feine sagittale Furche 
Fig. 215. oder Kante getheilt in ein vierseitiges und ein drei- 
seitiges Feld, jenes mit dem Mondbein, dieses mit 
dem Kahnbein der Handwurzel artieulirend. Der 
sagittale Durchmesser des vierseitigen Feldes ist un- 
gefähr gleich dem transversalen des dreiseitigen. 
Vor der Gelenkfläche liegt, zur Befestigung der 
Ulna und Radius in Ver- Bänder, eine schräg rück- und abwärts gerichtete, 
bindung, von unten.  pauhe, dreiseitige Fläche (Fig. 212, 215 *), mit der 
Basis am Proc. styloideus, mit der Spitze gegen den Ulnarrand des 
Knochens. 


Fig. 214. 


Der Radius hat. zur Zeit der Geburt noch völlig knorpliche Enden. Die Ver- 
knöcherung reicht aufwärts bis an den Rand des Köpfchens, abwärts endet sie mit 
einer rauhen Fläche etwa in der Gegend der Wurzel des Proc. styloideus. Die 
flıchen Knorpelscheiben der Enden verknöchern erst längere Zeit nach der Geburt; 
zuerst (nach dem zweiten Jahre) die untere, gegen das funite Jahr die obere. 
Die Verbindung der oberen Epiphyse mit dem Körper erfolgt vor Vollendung des 
Wachsthums, die Verbindung der unteren im achtzehnten bis zwanzigsten ‚Jahre. 


!) Tneisura semilunaris. 


ilandwurzelknochen. 227 


d. Knochen der Hand. 


@. Handwurzelknochen, Ossa carpi. 


Die Knochen der Handwurzel stehen in zwei Reihen, in welchen sie 
mit dem Unterarm und der Mittelhand und unter sich artieuliren; an jedem 
ist die Volar- oder Hohlhandfläche und die Rückenfläche frei; ausserdem 
sind frei je die Daumen - und Kleimfingerflächen der Knochen, welche 
an der Daumen- und Kleinfingerseite zu äusserst liegen. Alle übrigen 
Flächen sind durch Zusammenstossen mit benachbarten Knochen verdeckt. 
Sie sind wesentlich Gelenkflächen und überknorpelt; doch sind ausnahms- 
weise auch Abtheilungen der Flächen, mit welchen je zwei Knochen ein- 
ander berühren, zur Verbindung beider mittelst straffer Bandmasse benutzt 
und deshalb rauh. Solcher völlig oder grossentheils überknorpelter Ge- 
lenkflächen unterscheidet man an dem einzelnen Knochen vier, eine la- 
terale oder Daumenfläche und eine mediale oder Kleinfingerfläche I) zur 
Verbindung mit den Nebenknochen derselben Reihe, und eine obere und 
untere Fläche 2). Durch die oberen Gelenkflächen artieuliren die Knochen 
der ersten Reihe mit dem Unterarm, die der zweiten Reihe mit der ersten; 
dureh die unteren Gelenkflächen artieuliren die Knochen der erstesı Reihe 
mit der zweiten, die Knochen dör zweiten Reihe mit der Mittelhand. Der 
Handwurzelknochen des Daumens, das Trapezbein, gehört diesen Bestim- 

Fig. 216%. mungen zufolge zur zweiten Reihe; aber 
wegen seiner schrägen Stellung (s. oben) 
ist seine obere Gelenkfläche zugleich 
kleinfingerwärts und die gegenüberlie- 
gende um eben so viel daumenwärts 
gekehrt. 

Die Knochen der ersten Reihe, das 
Erbsenbein nicht mitgerechnet, sind als 
Theile eines Reifes, der die Convexi- 
tät seiner Fläche gegen den Unter- 
arm und die Convexität seines Ran- 
des gegen den Rücken wendet, mehr 
Frontaldurchschnitt der Handwurzelknochen oder minder deprimirt und in sagittaler 
in Verbindung mit den unteren Enden der an transverealer Richtung RE 
Unterarmknochen und den oberen Enden 3 

der Mittelhandknochen. S Kahnbein, Fläche gebogen. Die Krümmung der 
L Mondbein, Py Pyramidenbein, Tr Tra- oberen, convexen Fläche gehört einem 
Beeheirt, ERDE: pibe grösseren Radius an als die der unte- 

i ren, concaven; die obere Gelenkfläche 

zieht sich gegen den Rücken der-Hand weiter hinab als gegen deren Volar- 


fläche; die Rückenfläche der Knochen der ersten Reihe ist deshalb allgemein 
® 


!) Auch ulnare und radiale. Die Bezeichnungen Daumen- und Kleinfingerflächen 
haben den Vorzug, für die einander entsprechenden Flächen und Ränder der Hand und 
des Fusses gleichmässig zu passen. 2) Brachiale und digitale. 3) Nach Günther, 
Das Handgelenk. Hamb. 1841. Taf. VII. Fig. 5 


15* 


d. Hand. 
«a. Hand- 
wurzel. 


228 Handwurzelknochen. 


minder hoch als die Hohlhandfläche (Fig. 217). Eigenthümlich gestaltet sich 
das Kahnbein dadurch, dass es neben der unteren und kleinfingerwärts ge- 
wandten Gelenkfläche, die zur Vervollständigung des ge- 
nannten Reifes dient, noch eine schräg daumenwärts ge- 
richtete Fläche zur Articulation mit dem Trapezbein trägt. 
Doch sind, einigermaassen symmetrisch, auch die mit ein- 
ander articulirenden Flächen der am Kleinfingerrande gele- 
genen Knochen der ersten und zweiten Reihe so gekrümmt, 
dass der dem Kleinfingerrande zunächst gelegene Theil der 
Gelenkfläche des Pyramidenbeins convex, des Hakenbeins 
concav ist (Fig. 216). 

In der zweiten Reihe, in welcher die Knochen, ab- 
gesehen vom Trapezbein, einen abgeplatteten Kegel dar- 
stellen, sind die unteren Gelenkflächen fast plan, die obe- 
ren, namentlich des Kopf- und Hakenbeins, stark convex, 
1 in der Weise, dass dem Hakenbein der kleinfingerwärts 

Kr abhängige Theil, dem Kopfbein der Gipfel und der dau- 
en ch menwärts abhängige Theil der Gelenkfläche angehört. 
wurzel durch das Die Wölbung der Handwurzel im Ganzen vom 
Mondbein Z und Kleinfinger- zum Daumenrande, an der Rückenfläche 
Kopfbein €’ mit dem - - en 
Radius und dem (Convex, an der volaren concav, bedingt eine keilför- 
dritten Mittelhand- mige Gestalt der die Handwurzel zusammiensetzenden 
ee Knochen, eine Abnahme des transversalen Durchmessers 
nschelinke: von der Rücken- gegen die Volarfläche. Eine solche 
findet bei den Knochen der zweiten Reihe regelmässig 
Statt; unter den Knochen der ersten Reihe findet sie sich aber nur an den 
beiden äussersten, und auch hier nur wenig markirt, indess der mittlere 
Knochen, das Mondbein, an der Rückenfläche sogar schmaler ist, als an der 
volaren. Der Hauptgrund der concaven Form der Volarfläche der Hand- 
wurzel liegt in den Vorsprüngen der äussersten Knochen des Daumen- und 
Kleinfingerrandes, den sogenannten KEminentiae carpi. Es sind vier, in 
jeder Reihe und an jedem Rande zwei, die des Kleinfingerrandes die stärk- 
sten. Die obere Hervorragung des Kleinfingerrandes ist das auf dem 
Pyramidenbein articulirende Erbsenbein, P%, die untere Hervorragung dessel- 
ben Randes ein hakenförmig lateralwärts umgebogener, comprimirter Vor- 
sprung, Uncus !), von welchem das Hakenbein den Namen trägt. Die 
obere Hervorragung des Daumenrandes ist ein platter Höcker des Kahn- 
beins, Tuberosilas oss. scaph.; die untere Hervorragung desselben Ran- 
des ist eine der Längsaxe des Armes parallel und demnach über die Vor- 
derfläche des Trapezbeins in diagonaler Richtung verlaufende, comprimirte, 
stumpfe Leiste, Tuberos. oss. frapez. (Fig. 218, vergl. Fig. 192). An den 
Hohlhandvorsprüngen ist das Lig. carpi volare proprium, ein starkes Quer- 
band, befestigt; über die hohle Vorderfläche der Handwurzel brückenför- 
mig hingespannt, schliesst dasselbe einen Ring, in welchem die Sehnen 
der Fingerbeuger und die Gefässe und Nerven der Hohlhand gleiten. 


!) Proc. uncinatus, hamatus, 


Kahnbein. 229 


l. Kahnbein, Os scaphoideum 3) 8. " 


Die volare, im Ganzen etwas medianwärts gewandte Fläche (Ah) des ı. Bu 
Kalınbeins gleicht einem spitzwinklichen Dreieck mit gekrümmten Seiten, 
einer oberen, einer unteren lateralen und unteren medialen. Die kürzeste 
ist die untere laterale Seite; sie läuft, schwach convex, in schräger Richtung 
median - und abwärts. Von ihren Endpunkten gehen die beiden längeren 
Seiten, die obere flach S-förmig gebogen, die untere einfach aber tief concav, 
median- und aufwärts, um sich in einem spitzen Winkel zu vereinigen. Die 
Gegend zunächst der lateralen Ecke tritt in Form der bereits erwähnten Tu- 


Fig. 218. 


Handwurzelknochen von der Volarseite, das Erbsenbein vom Pyramidenbein getrennt und 
zur Seite gerückt; s obere Fläche, i untere Fläche, d Daumenfläche, %k Kleinfingerfläche, 
h Hohlhandfläche. 


berosität (7s) um so mehr hervor, als die Mitte der Volarfläche durch eine 
abwärts laufende breite Furche vertieft ist. Die obere Fläche des Kahn- 
beins ist in der medialen, aufwärts convexen Hälfte (s) überknorpelt, eine 
dreiseitige, nach hinten (vgl. Fig. 223) überhängende Gelenkfläche mit abge- 
rundeten Winkeln und aufgeworfenem hinteren Rande; die laterale, aufwärts 
concave Hälfte (s’) ist rauh und geht ohne bestimmte Grenze in die Rinne und 
Tuberosität der vorderen Fläche über. Der überknorpelte Theil der oberen 
Fläche bewegt sich in dem lateralen, dreiseitigen Felde der Endfläche des 
Radius; der rauhe Theil der oberen Fläche liegt der Vorderfläche des Proc. 
styloideus radii gegenüber und nimmt die von dem letzteren ausgehenden Bän- 
der auf. Die untere Fläche zerfällt in zwei, unter einem rechten Winkel 
in einer gemeinsamen Kante zusammenstossende Gelenkflächen, eine me- 
diale und eine laterale. Die mediale (?), zur Articulation mit dem Kopf- 


V) Schiffbein, Os navieulare, 


2. Mond- 
bein. 


230 Mondbein. 


bein bestimmt, verläuft längs dem unteren medialen Rande der Vorder- 
fläche, von unten audyzuerst medianwärts, dann abwärts und zugleich mit 
einer geringen Torsion vorwärts schauend; die laterale, zur Articulation 
mit dem Trapez- und Trapezoidbein bestimmte Fläche () zieht sich, etwas 
lateralwärts gerichtet, an der Rückseite des Knochens herauf; sie ist drei- 
seitig, eine Spitze nach unten, die eine Seite identisch mit der unteren. 
lateralen Seite der Vorderfläche des Knochens, die andere, wie bemerkt, 
identisch mit der hinteren Kante der medialen unteren Gelenkfläche, die 
obere Kante fast horizontal (Fig. 223). Die eigentliche dorsale Fläche 
des Kahnbeins ist auf eine schmale rauhe Rinne reducirt, die sich zwischen 


Fig. 219. 


Händwurzelknochen von der Volarseite, das Erbsenbein vom Pyramidenbein getrennt und 
zur Seite gerückt; s obere Fläche, ö untere Fläche, d Daumenfläche, %k Kleinfingerfläche, 
h Hohlhandfläche. 


dem unteren Rande der oberen Gelenkfläche und dem oberen Rande der 
lateralen unteren Gelenkfläche hinzieht. Die Stelle der Daumenfläche 
(d) vertritt eine rundliche stumpfe Spitze, in welcher die lateralen Ecken 
der beschriebenen Flächen zusammenstossen; die Kleinfingerfläche (k) 
ist ein niederer, ‘von zwei aufwärts convexen Linien begrenzter, theil- 
weise überknorpelter Streifen, der sich an das Mondbein lehnt. 


2. Mondbein, Os lunatum )) L. 


Das Mondbein ist ungefähr eben so hoch als breit; sein sagittaler 
Durchmesser ist der längste, länger am unteren Rande als am oberen. Die 
Flächen sind sämmtlich vierseitig, die volare und dorsale verschobenen 
Rechtecken ähnlich, mit schräg auf- und medianwärts gerichteten seitlichen 
Rändern. Die volare ist breiter als die dorsale. Die obere Fläche, dau- 


») Os semilunare, 


Pyramidenbein. Erbsenbein. Trapezbein. 231 


menwärts abhängig, gewölbt und nach hinten verjüngt, articulirt auf dem 
medialen, vierseitigen Felde der unteren Gelenkfläche des Radius; die 
untere, concave Gelenkfläche ruht grösstentheils auffdem Kopfbein; durch 
eine nahe am medialen Rande verlaufende sagittale Kante ist ein schmales 
Feld abgegrenzt, welches mit dem Hakenbein articulirt (Fig. 216, 223). 
Die Daumenfläche ist im oberen Theile rauh und hat längs dem unteren 
Rande eine halbmondförmige Gelenkfläche, wodurch sie mit dem Kahnbein 
articulirt; die Kleinfingerfläche, kaum gewölßs ist überknorpelt zur 
Articulation mit dem Pyramidenbein. 


Var. Man findet statt der oberen Fläche einen scharfen, gewölbten Kamm, 
in welchem die Daumen - und Kleinfingerfläche zusammenstossen. 


3. Pyramidenbein, Os pyramidale ) Py. 


Dieser Knochen gleicht einer dreiseitigen, liegenden Pyramide. Die 
hintere Fläche ist es, welche fehlt oder statt welcher eine schmale Rinne 
den hinteren Rand der oberen vom hinteren Rande der unteren Fläche 
scheidet. Am Kleinfingerrande kommen die drei übrigen Flächen in eine 
stumpfe Spitze zusammen. Die Daumenfläche, welche die Basis der Py- 
ramide darstellt und an das Mondbein stösst, ist wenig vertieft und nähert 
sich der vierseitigen Form dadurch, dass der Rand, welcher ihr mit der 
oberen Fläche gemeinschaftlich ist, in einem steilen Bogen, fast einer ge- 
brochenen Linie ähnlich, verläuft. Die obere Fläche ist stark gewölbt, 
eine gegen die mediale Spitze von rauhen Furchen durchzogene, im Uebri- 
gen glatte Gelenkfläche, welche (durch Vermittelung einer Bandscheibe) 

Fig. 220. an der Ulna eingelenkt ist. Die Volarfläche ist gegen 
den Daumenrand rauh (h), gegen den Kleinfingerrand 
wit einer sehr schwach convexen kreisrunden Gelenk- 
fläche (für das Erbsenbein) versehen (h‘). Die untere, 
daumenwärts schauende Fläche ist überknorpelt und con- 
cav bis auf die schwach gewölbte mediale Spitze. 


Sagittaler Durch- 


schnitt des Erbsen- 4. Erbsenbein, Os pisiforme 2) Pi. 
und Pyramiden- ‘ 
Pla Ein unregelmässiges, von den Seiten plattgedrücktes 


Kügelchen mit kreisrunder oder ovaler und schwach aus- 
gehöhlter, von einer seichten Einschnürung umgebener, rückwärts ge- 
wandter Gelenkfläche. 


5. Trapezbein, Os trapezium®) Tr. 


Das Trapezbein ist ein im Wesentlichen würfelförmiger, mit seinen 
I e) 

Flächen in der mehrerwähnten Weise schräg gestellter Knochen, dessen 

“Würfelform aber verschiedentlich alterirt erscheint. DieHohlhand-, Dau- 


D) Os triquetrum, triangulare, cuneiforme. ®) Os subrotundum, rotundum, orbiculare, 
3) Os multangulum majus, trapezoides, rhomboides 


3. Pyra- 
midenbein, 


4. Erbsen» 
bein. 


5. Trapez- 
bein. 


232 Trapezoidbein. — Koptbein. 


men- und Rückenflächesind frei und rauh und gehen ohne eigentliche 
Kanten in einander über; über die vordere verläuft fast vertical .die oben 
beschriebene Tuberosität (7%), eine tiefe Rinne von der lateralen Seite be- 
grenzend; an jeder der unteren Ecken der hinteren Fläche stehen stumpfe 
Höcker, wodurch auch die laterale und hintere Fläche einigermaassen der 
Länge nach ausgehöhlt erscheinen. Die mediale Gelenkfläche, in wel- 
cher das Trapezoidbein ruht, ist auf Kosten der oberen medialen Kante® 
tief ausgeschnitten, oben breit und nach unten von der vorderen Fläche 
her verschmälert. Ihre obere Kante dient zur medialen Begrenzung der 
oberen Gelenkfläche, welche, halbkreisförmig und leicht concav, die late- 
rale Hälfte der lateralen unteren Gelenkfläche des Kahnbeins einnimmt. 
An der unteren Fläche des Trapezbeins sind zwei Gelenkflächen zu un- 
terscheiden, getrennt von einander durch einen Streifen rauher Oberfläche 
(), mittelst welcher zwischen den Mittelhandknochen des Daumens und 
Zeigefingers die Volar- und Rückenfläche des Trapezbeins zusammenfliessen. 
Die laterale, bei Weitem grössere Gelenkfläche (# für den ersten Mittel- 
handknochen) ist schräg ab- und lateralwärts gekehrt, sattelförmig, im 
transversalen Durchmesser concav, im sagittalen convex, im ersteren bei- 
nahe doppelt so lang als im letzteren. Die mediale Gelenkfläche () ist 
ein kleines, kreisförmiges oder ovales, mit dem medialen Rande an den 
unteren Rand der medialen Gelenkfläche stossendes flaches Grübchen, 
schräg ab- und medianwärts gekehrt, welches zur Artieulation der Hand- 
wurzel mit dem Mittelhandknochen des Zeigefingers beiträgt (vgl. Fig. 222). 


6. Trapezoidbein, Os trapezoides !) T'rd. 


6. Trape- Das Trapezoidbein nimmt. von hinten nach vorn an Höhe wie an 
zoidbein. Breite ab; es verjüngt sich von unten nach oben im sagittalen Durchmesser, 
indem die volare Fläche gerade, die dorsale mit dem oberen Rande vor- 
wärts geneigt steht. Die obere Fläche, ein kleines, vierseitiges, über- 
knorpeltes Feld, tritt mit der oberen Gelenkfläche des Trapezbeins zur 
Aufnahme der lateralen unteren Gelenkfläche des Kahnbeins zusammen. 
Mittelst einer stumpfen Kante geht sie in die dem Trapezbein zugekehrte 
Daumenfläche über, deren obere Hälfte (d) schräg lateral- und aufwärts, 
deren untere Hälfte (d‘) gerade lateralwärts gerichtet ist, jene überknorpelt, 
diese im vorderen Theile rauh. Die Kleinfingerfläche sieht mit der vor- 
deren Hälfte gerade medianwärts und wendet sich mit der hinteren Hälfte 
allmälig etwas vorwärts; sie ist ganz oder nur im vorderen Theile über- 
knorpelt und steht mit dem Kopfbein in Verbindung. Die untere Fläche 
(vgl. Fig. 222) ist gleich der des Trapezbeins sattelförmig, im längeren, sagit- 
talen Durchmesser concav, im schmalen, transversalen Durchmesser convex. 


7. Kopfbein, Os capitatum?) C. 


7. Kopt- Ausgezeichnet durch den kugelförmigen, von den Seiten comprimir- 
bein ten, hoch in die erste Reihe der Handwurzelknochen hinaufragenden Kopf, 
welcher die obere und einen Theil der medialen Gelenkfläche trägt. Die 


') Os multangulum minus, trapezium minus, pyramidale. ?) Os magnum. 


s 


Hakenbein. 233 


obere Gelenkfläche nämlich, mit der medialen unteren Fläche des Kahn- 
" beins und dem grösseren Theile der unteren Fläche des Mondbeins artieu- 
lirend, beginnt, anfangs vollkommen lateralwärts gerichtet, etwa in der 
halben Höhe des Knochens und wendet sich mit einer abgerundeten Kante 
aufwärts; sie setzt sich auf die Rückenfläche und etwas weniger weit ab- 
wärts auf die Vorderfläche des Knochens fort, von beiden durch einen fast 


" genau transversalen, überhängenden Rand gesondert. Von der mit dem 


Trapezoidbein artieulirenden Daumenfläche ist sie nur durch eine leichte 
Einbiegung geschieden. Eine schärfere Kante trennt am oberen Rande 
des Knochens die obere Fläche von der medialen, mit dem Hakenbein zu- 


Fig. 221. 


"rd 


Handwurzelknochen von der Volarseite, das Erbsenbein vom Pyramidenbein getrennt und 
zur Seite gerückt; s obere Fläche, ö untere Fläche, d Daumenfläche, % Kleinfingerfläche, 
h Hohlhandfläche. 
sammengefügten und nur in der unteren vorderen Ecke durch Anheftung von 
Bändern rauhen Fläche. Die untere Fläche (vgl. Fig. 222) zerfällt durch 
zwei stumpfe, sagittale Kanten in drei Felder: ein laterales (?), welches die 
sattelförmige Gelenkfläche des Trapezoidbeins vervollständigt, ein mittleres 
grösstes, concaves (#), auf welchem der dritte Mittelhandknochen eingelenkt 
ist, und ein mediales (?“), welches nur die hintere Ecke einnimmt und 
zur Gelenkfläche des vierten Mittelhandknochens mit beiträgt. Die Hohl- 
handfläche des Kopfbeins ist vierseitig, im queren Durchmesser ge- 
wölbt; an der hinteren Fläche ist der untere Rand schräg und kommt 

mit dem Kleinfingerrande in einer abwärts ragenden Spitze zusammen. 


8. Hakenbein, Os hamatum) H. 


Die Volar- und Dorsalfläche des Hakenbeins gleichen, wenn man 
von dem aus der Vorderfläche vorspringenden Haken absieht, rechtwinklichen 


1) Os unciforme, cuneiforme. 


8. Haken- 
bein. 


Hand- 
wurzel- 
Mittelhand- 
gelenke. 


234 Hakenbein. 


Dreiecken. Von den ziemlich gleich langen Katheten steht die eine ver- 
tical, die andere horizontal; die Hypothenuse geht schräg median- und ab- 
wärts. Die obere Gelenkfläche, gegen den Kleinfingerrand abhängig und 
nur in der Nähe dieses Randes aufwärts gekrümmt, trägt einen kleinen Theil 
des Mondbeins und das Pyramidenbein; die untere, in sagittaler Richtung 
concave und durch eine sagittale Kante in zwei gleiche Hälften (Fig. 221 
i und 7) getheilte Fläche artieulirt mit den Mittelhandknochen des vierten 
und fünften Fingers. Die obere und untere Fläche stossen medianwärts 
entweder in einer scharfen Kante unmittelbar zusammen oder werden durch 
einen niederen Streifen rauher Fläche (k) geschieden. Die Daumenfläche, 
vertical gestellt, ist gleich der entsprechenden Fläche des Kopfbeins bis 
in die Nähe der unteren vorderen Ecke überknorpelt. 

Alle Handwurzelknochen sind zur Zeit der Geburt knorplich: alle verknöchern 
von einem Knochenkern aus, der im Kopf- und Hakenbein schon im ersten Lebens- 
jahre erscheint, im Pyramidenbein im dritten Jahre, im Mond- und 'Trapezbein im 
vierten bis fünften, im Kahn- und Trapezoidbein im achten bis neunten. Das 
Erbsenbein wird erst zwischen dem zwölften und fünfzehnten Jahre knöchern. 

Die Form des Gelenks der Hand mit dem Unterarm und der beiden 
Handwurzelreihen unter sich, sowie der Antheil, welchen die einzelnen 
Knochen an diesen Gelenkverbindungen nehmen, ergiebt sich aus dem Vor- 
hergehenden. Die erste Reihe wendet dem Unterarm eine im transversalen 
und sagittalen Durchmesser convexe Fläche zu und kann demnach vor- 
und rückwärts sowie seitwärts bewegt werden. Die Bewegung der zwei- 
ten Reihe gegen die erste beschränkt sich auf Beugung und Streckung; 
die Drehung um die sagittale Axe wird verhindert durch den Winkel, 
welchen die Gelenkfläche des Kahnbeins gegen das Trapez- und Trapezoid- 
bein mit der Gelenkfläche desselben Knochens gegen das Kopfbein bil- 
det. Noch unregelmässiger, wenn auch nicht in so auflallender Weise 

Fig. 222. wechselnd, ist die Krümmung, 
welche die Knochen der zwei- 
ten Reihe den Mittelhand- 
knochen zuwenden. An die 
gegen die Volarfläche der 
Hand vortretende, lateral- 
wärts gekehrte sattelförmige 
Gelenkfläche (M,) des Tra- 
pezbeins für den Daumen 
schliesst sich, ' durch einen 
schmalen Zwischenraum ge- 
trennt, eine Gelenkfläche (M,) 
für den Mittelhandknochen 


Zweite Reihe der Handwurzelknochen von unten. des Zeigefingers, welche das 
M, bis M, Gelenkflächen für die Mittelhand- 
knochen 1 bis 5. 


ganze Trapezoidbein, die hin- 
tere Ecke des Trapezbeins 
und ein dreieckiges Feld auf dem Kopfbein einnimmt. Sie hat eine in 
sagittaler Richtung verlaufende Wölbung zwischen zwei Concavitäten, 
deren grösste Tiefe mit den zwei Spalten zwischen den drei genannten 
Knochen zusammenfällt. Die dem dritten Mittelhandknochen bestimmte 


ee nn 


Mittelhandknochen 235 


-Gelenkfläche des Kopfbeins (M,) ist vierseitig, schmal, mit einer diagonal 
von der vorderen medialen gegen die hintere laterale Ecke ziehenden Con- 
cavität versehen. Die Gelenkfläche (M,) des vierten nimmt die hintere Ecke 
des Kopfbeins und die Hälfte des Hakenbeins ein; sie ist flach ausgehöhlt 
und nur in der Nähe des hinteren Randes etwas convex. Die Gelenk- 
fläche (M,) des fünften Mittelhandknochens ist gleich der des Daumens sat- 
telförmig, aber im entgegengesetzten Sinne, convex im transversalen, con- 
cav im sagittalen Durchmesser. Sie ist im Ganzen lateralwärts abhängig 
und kommt der medialwärts abhängigen Gelenkfläche des vierten Mittel- 
handknochens unter einem sehr stumpfen Winkel entgegen, 


ß. Mittelhandknochen. 


Die Mittelhandknochen (Fig. 223) sind Röhrenknochen mit verdicktem +. 


oberen und unteren Ende. Indem die Enden im horizontalen Durchmesser die 
Körper überragen, entstehen zwischen den mit den Enden genau an ein- 
ander gefügten Knochen die nach oben und unten sich zuspitzenden Zwi- 
schenknochenräume, Spatia interossea. Indem die im sagittalen Durch- 
messer verdickten Enden vorzugsweise gegen die Volarfläche über die 
Körper vorspringen, erscheint die Mittelhand gegen die Vola von oben 
nach unten ausgehöhlt. In geringem Grade sind indess auch die Körper 
nach diesem ‚Sinne gebogen. Die Endflächen des oberen Endes (Dasis) 
sind den unteren Flächen der Knochen der zweiten Handwurzelreihe ent- 
sprechend ‚gebogen, sattelförmig am Daumen und fünften Finger, am Dau- 
men dreiseitig mit vor-, rück- und seitwärts gerichteten Winkeln, am fünf- 
ten Finger länglich vierseitig mit transversal gestelltem längsten Durcli- 
messer. Sattelförmig und vierseitig ist auch das grössere Mittelfeld des 
zweiten Mittelhandknochens, transversal tief concav, sagittal convex, durch 
scharfe Kanten von dem kleineren, vorwärts schauenden lateralen und dem 
grösseren, medianwärts schauenden medialen Nebenfelde gesondert. Die 
Endfläche des Mittelhandknochens des dritten Fingers, von einer diagonalen 
Convexität vor- und rückwärts :bfallend, verlängert sich an der hinteren 
lateralen Ecke in eine Spitze, welche sich an dem sogleich zu erwähnen- 
den Proc. styloideus dieses Knochens hinaufzieht. Die Gelenkfläche- des 
vierten Mittelhandknochens, transversal convex, sagittal concav, hat zwei 
durch eine rauhe Furche geschiedene Abtheilungen; die kleinere, welche 
die hintere, laterale Ecke einnimmt, ruht auf dem Kopfbein, die grössere 
auf dem Hakenbein; die Furche liest der Spalte des Kopf- und Haken- 
beins gegenüber. 

Am Mittelhandknochen des Daumens ist die Endfläche ringsum von 
einem mehr oder minder abgeschrägten, rinnenförmigen Saume umgeben, 
durch dessen Vermittelung sie in den Körper des Knochens sich fortsetzt. 
Der Körper ist dreiseitig prismatisch mit Flächen, welche den Rändern 
der Endfläche genau entsprechen. Die Mittelhandknochen der übrigen 
Finger sind am oberen Ende vierseitige, freilich ziemlich unregelmässige 
Prismen, mit einer volaren und dorsalen, einer Daumen- und Kleinfinger- 
fläche, von welchen die beiden letzteren, insoweit die vier Mittelhand- 
knochen einander mittelst derselben berühren, mit planen, überknorpelten 


Mitte! 
hand. 


236 Mittelhandknochen. 


Gelenkflächen versehen sind. Am zweiten Mittelhandknochen geht die 
laterale, am fünften die mediale Fläche abgerundet in die volare und dor- 
sale über. An allen ist die 


Fig. 223. J 
N g volare Fläche rauh, von einem 
en platten Höcker dicht unter dem 
Py ve oberen Rande eingenommen; 
fe) die Rückenfläche ebenfalls rauh, 


aber vertieft, mit einer Grube 
Ps oder einer der Längenaxe des 
Gliedes parallel laufenden Fur- 
che unter dem oberen Rande. 
Das obere Ende des zweiten 
Mittelhandknochens ist nach 
jeder Dimension am stärksten, 
durch einen tiefen Einschnitt des 
hinteren Randes zweizackig, 
die lateraleZacke, welche vorn 
die Gelenkfläche für das Tra- 
pezbein trägt, auch nach hinten 
schräg lateral- und abwärts abgestutzt; die mediale Gelenkfläche, unmittelbar 
an die überknorpelte Endfläche sich anschliessend, durch eine Einbiegung 
des unteren Randes fast in zwei Felder getheilt, Fig. 224 *. Die gleiche 
Fig. 225. Form besitzt die laterale Gelenkfläche 
des dritten Mittelhandknochens, der 
durch einen aufwärts ragenden stum- 
pfen Fortsatz an der lateralen hinteren 
Ecke, den genannten Proc. styloideus, 
ausgezeichnet ist, von wo aus der hin- 
tere Rand medianwärts ziemlich schräg 
absteigt. Wegen dieses Fortsatzes ist 
der dritte Mittelhandknochen hinten 
breiter als vorn; seine mediale Gelenk- 
fläche ist völlig in zwei hinter ein- 
Fig. 224 zweiter Mittelhandknochen, ander liegende, durch eine Furche 
Fig 225 dritter Mittelhandknochen getrennte Felder (Fig. 225 *) zerfal- 
N len. So auch die entsprechende, late- 
rale Gelenkfläche des vierten Mittel- 
handknochens, dessen mediale Gelenkfläche, gleich der lateralen Gelenk- 
fläche des fünften, einen niederen, halbmondförmigen Saum darstellt. Im 
Uebrigen ist das obere Ende des vierten Mittelhandknochens im sagittalen 
und horizontalen Durchmesser kleiner als der entsprechende Täeil des 
dritten; der fünfte ist im sagittalen Durchmesser noch mehr verjüngt, aber 
breiter. Unterhalb der Gelenkflächen, durch welche die Mittelhandknochen 
mit einander artieuliren, findet sich an allen ein Grübehen (* *) und 
darunter ein Wulst, zur Anheftung von Bändern bestimmt. Die mediale 
Fläche der Basis des fünften Mittelhandknochens ist ein platter Höcker 
(Tuberositas), an welchen die Sehne des M. extensor c. ulnaris sich 
befestigt. 


| h 4 
Ma 2 


Handwurzel mit den Mittelhandknochen, Rückseite. 


Mittelhandknochen. 337 


Die Körper der Mittelhandknochen nehmen von dem zweiten gegen 
den fiinften an Länge ab, so dass die Reihe der Gelenke sowohl der Hand- 
wurzel mit der Mittelhand, als der Mittelhand mit den Fingern schräge 
und zwar gegen den Kleinfingerrand convergirende Linien bildet. Der 
Mittelhandknochen des Daumens ist kürzer als der des fünften Fingers, 
aber dicker als alle. Von den übrigen sind der zweite und dritte an Dicke 
gleich, der fünfte ist schwächer und der vierte am schwächsten. Der Kör- 
per des Daumens ist, wie erwähnt, dreiseitig prismatisch, mit sehr schwach 
gewölbter Dorsalfläche und zwei, durch eine mehr oder minder scharfe 
Kante geschiedenen volaren Flächen, welche gegen das untere Ende in 
eine convexe Fläche zusammenfliessen. Die Dorsalfläche des Daumens 
ist lateralwärts gerichtet. Die Körper der vier medialen Mittelhandknochen 
sind in der Nähe des oberen Endes undeutlich vierseitig prismatisch oder 
eylindrisch, werden aber gegen das untere Ende regelmässig dreiseitig 
prismatisch, so zwar, dass eine fast plane Fläche dem Rücken der Hand 
angehört und zwei convexe Seitenflächen in einer scharfen, volaren Kante 

Fig. 226. zusammenstossen. Die plane Rücken- 
fläche aber spitzt sich gegen die Basen 
> 4 IE: der Mittelhandknochen zu, oder, mit 

\®) 2 anderen Worten, sie geht aus einer 

(© Kante hervor, welche die Mitte der 

y  Rückenfläche der Basis einnimmt und, 

je näher ein Mittelhandknochen dem 

@) (®> 1 Daumen liegt, um so weiter abwärts 

2 sich erstreckt, bevor sie in die zwei 

ä Seitenkanten der Rückenfläche des Kör- 

Horenaltrhsehi er Körper der yore mus einander weicht (Big. 223) 

oberen Enden, y in der Nähe der Umgekehrt verliert sich die volare 

unteren Enden. Kante an der Grenze des hinteren und 

mittleren Drittels des Körpers in eine 

plane oder schwach gewölbte dreiseitige Fläche, die sich in die volare Fläche 

- der Basis der Mittelhandknochen fortsetzt (Fig. 227, 228). Indem sich diese 

Kante auch am unteren Ende des Mittelhandknochens zu einer dreiseitigen 

Fläche ausbreitet, erhält dieses Ende wieder eine vierseitige, seitlich com- 
primirte und an allen fünf Mittelhandknochen sehr ähnliche Gestalt. 

Das untere Ende der Mittelhandknochen, Köpfchen, Capitulum )), 
trägt eine kugelförmige Endfläche, welche über die volare Fläche des Kör- 
pers weiter vorspringt und weiter an derselben hinaufragt als an der dor- 
salen Fläche. Der hintere Rand der Gelenkfläche (Fig. 223) ist gerade 
oder schräg, durch eine seichte Rinne oder ein Grübehen gegen den Kör- 
per abgesetzt. Der vordere Rand der Gelenkfläche (Fig. 228) ist tief 
eingebogen, an jeder Ecke gleichsam in einen abgerundeten, auf einem 
kleinen Vorsprunge stehenden Zipfel verlängert; auf der Fläche dieser 
Zipfel gleiten die Sesambeinchen, wo solche vorhanden sind. Die Ver- 
tiefung zwischen ihnen ist rauh und enthält meistens ein feines Ernährungs- 
loch oder mehrere. Die Seitenränder der Gelenkflächen sind stark abwärts 


ı) Condylus, Caput. 


y. Finger. 


238 Phalangen. 


convex, die Seitenflächen der Köpfchen (Fig. 224, 225) stark eingedrückt }) 

Fig. 227. Fig. 228. zwischen dem erwähnten Vorsprunge, der 
den vorderen Theil der Gelenkfläche trägt, 
und einem ähnlichen Vorsprunge am hin- 
teren Rande. 

Die Ossa sesamoidea der Hand 
(S. 202) sind dem Erbsenbein ähnlich, kuge- 
lich und an der artieulirenden Fläche kreis- 
förmig abgeplattet, 5mm im Durchmesser. 

Die Ernährungslöcher der Körper lie- 
gen im zweiten bis fünften Mittelhandkno- 
chen am Daumenrande der Hohlhandfläche 
und führen in aufwärts gerichtete Canäle; 
im Körper des ersten Mittelhandknochens 
liegt das Ernährungsloch am Kleinfingerrande 
und durchbohrt den Knochen schräg abwärts. 


Zur Zeit der Geburt ist das Mittelstück der 
Mittelhandknochen knöchern, die Enden sind 
knorplich. Ein besonderer Knochenkern ent- 
steht im zweiten bis dritten Jahre in der Basis 
des Mittelhandknochens des Daumens und im 
Köpfchen jedes der vier übrigen Mittelhand- 

m. knochen Nur ausnahmsweise erhalten die Ba- 

Mittelhand- = - ® 
% knochen und Sen der vier medialen und das Köpfchen des 
Phalangen d. ersten Mittelhandknochens ebenfalls besondere 
Zeigefingers, Knochenkerne. Diese, wenn sie vorhanden sind, 
von vorn. verschmelzen frühzeitig mit dem Körper; die 
regelmässigen Epiphysen nicht vor dem acht- 

zehnten bis zwanzigsten Jahre. 

[ Der Mittelhandknochen des Daumens weicht demnach hin- 
sichtlich des Ganges seiner Verknöcherung, wie hinsichtlich 
der Lage des Ernährungsloches, von den übrigen Mittelhand- 
knochen ab. Er stimmt dagegen in beiden Punkten mit den 
Phalangen überein, eine immerhin bemerkenswerthe Eigen- 
thümlichkeit, wenn es sich darum handelt, ob der erste cylin- 
Sagittaldurehschnitt des drische Knochen des Daumens als Mittelhandknochen oder 

Köpfchens des Mittel- als erste Phalanx zu denten sei. Da er in allen anderen 
handknochens undder Beziehungen den Mittelhandknochen gleicht, und da er aus- 
Phalangen des Dau- „ahmsweise auch gleich den übrigen Mittelhandknochen ver- 
mens mit dem Sesam- Br LS NIE E - . 
heil knöchert, so schien es mir nicht zweifelhaft, welche von jenen 
beiden Ansichten den Vorzug verdiene. 


Mittelhandknochen 
und Phalangen des 
Daumens, von vorn. 


Fig. 229. 
Mı,- 


Ya 


y. Phalangen. 


Die Körper der Phalangen sind alle nach demselben Plane gebil- 
det. Ihre sehr regelmässig transversal gewölbten Dorsalflächen und trans- 
versal planen oder schwach ausgehöhlten Volarflächen kommen in schar- 
fen Seitenrändern zusammen; der Horizontaldurchsehnitt ist demnach 
halbmondförmig mit vorwärts gerichteter Concavitä. An den Grund- 


U) Impressio lateralis. Sinus tuberculi. 


Phalangen. 239 


phalangen wird die Concavität der Vorderfläche noch tiefer dadurch, dass 
der Rand in Form eines schmalen, rauhen Saumes auf die letztere über- 
greift. An den Mittelphalangen ist der Saum verhältnissmässig breiter und 
die Fläche ist der Länge nach in zwei rauhe Seitenfelder und ein glattes, 
etwas gewölbtes mittleres Feld getheilt. Alle Phalangen sind der Länge nach, 

Fig. 230. Fig. 231. aber nur in sehr geringem Grade, gegen 
die Volarfläche gebogen. Diese Biegung 
ist, weil die Enden den Körper im sagit- 

talen Durchmesser hauptsächlich vorwärts 

Bi 20 Merontlitehit dr überragen, an der vorderen Kläche af 

Mittelphalange des zweiten Fingers. fallender als an der hinteren. An der hin- 

teren Seite wird vielmehr die entsprechende 

Wölbung durch die Verdickung der Extremitäten ausgeglichen oder selbst, 

besonders an den Basen der Mittel- und Endphalangen, in eine Concavität 
verwandelt (Fig. 232). 

Nieht nur im sagittalen, sondern auch im transversalen Durchmesser 

(Fig. 227) sind die Enden der Phalangen stärker als das Mittelstück. Von 

Fig. 232. den oberen Enden an verschmälern sie sich, um am unteren 
Ende sich wieder in die Breite, doch nicht bis zu dem Umfange 
des oberen Endes, auszudehnen. Und obgleich jede untere 
Phalange im Ganzen schmaler ist als die nächst obere, so ragt 
doch das obere Ende einer jeden um Weniges über das untere 
Ende der nächst vorhergehenden hervor. 

Die einzelnen Phalangen unterscheiden sich von einander 
durch die Dimensionen und durch die Form der Enden. In 
letzterer Beziehung sind die Phalangen je einer Reihe einander 
fast vollkommen gleich; hier bleiben also fast nur die Dimen- 
sionen als Unterscheidungsmerkmale übrige. Was nun die 
Länge der Phalangen betrifft, so nimmt sie an jedem Finger 
von oben nach unten regelmässig ab; doch ist die Endphalange 
im Verhältniss zur vorhergehenden am Daumen und fünften 
Zweiter Fin- Finger länger als an den übrigen Fingern. Die längsten Pha- 

Burn: langen besitzt der dritte Finger, ihm folgt der vierte, zweite, 
fünfte. Die Grundphalange des Daumens ist kürzer als die des fünften 
Fingers, steht aber an Breite und Dicke der Grundphalange des Mittel- 
fingers nicht nach, und die Endphalange des Daumens übertrifft in jeder 
Dimension die Endphalange der übrigen tinger. Im Uebrigen ist die 
kleinste Grundphalange länger als die längste Mittelphalange; die kürzeste 
Mittelphalange wird dagegen von der Endphalange des dritten Fingers um 
Weniges an Länge übertroffen, und die Endphalange des Daumens gleicht 
an Länge der Mittelphalange des zweiten Fingers. 

Die Grundphalangen haben an dem dem Mittelhandknochen zuge- 
wandten Ende eine kreisförmige oder ovale, mit dem längsten Durch- 
messer transversal gestellte, flach kugelförmig vertiefte und überknorpelte 
Endfläche, von einem wulstigen Saume umgeben, welcher an der Vorder- 
fläche jederseits in einem stumpfen Höcker vorspringt. Die Gelenkfläche 
des unteren Endes der Grundphalange ist ein liegender, in der Mitte ein- 
gebogener Cylinderabschnitt, welcher auf der vorderen Fläche weiter hin- 


U. Untere 
Extremität. 
a. Gürtel. 
Hüftbein. 


340 Hüftbein. 


aufreicht als auf der hinteren, vorn mit fast geradem, binten mit convexem 
Fig. 233. Rande, nur am Daumen ist der vordere Rand der Gelenkfläche, 
der Vertiefung derselben entsprechend, deutlich eingebogen. 
Die Seitenflächen des unteren Endes!) sind kreisförmig, leicht 
vertieft, etwas schräg gestellt, nach hinten convergirend. Das 
obere Ende der Mittelphalangen trägt eine elliptische, mit dem 
längsten Durchmesser transversale, durch einen sagittalen Vor- 
sprung getheilte Gelenkfläche ; diese ist von einem ähnlichen 
Wulst umgeben, wie die Gelenkfläche des oberen Endes der 
Grundphalange; der Höcker aber, welcher hier nach vorn vor- 
springt, liegt dort mehr am Seitenrande und ist stumpfer. Das 
untere Ende der Mittelphalange ist dem unteren Ende der 
Grundphalange vollkommen ähnlich. Ebenso gleicht die Basis 
der Endphalange der Basis der Mittelphalange, nur dass jene 
sich rascher verjüngt und der seitliche Vorsprung stärker, zu- 
Zweiter Fin- \veilen selbst scharf oder spitz hervortritt. Nach unten endet 
ger, Rücken- _, RS P . isn: 5 
Aüche. die Endphalange mit einer breiteren, hufeisenförmig gekrümm- 
ten Platte, Tuberositas unguieularis, welche vorn rauh und 
hinten glatt ist bis in die Nähe des Randes, der die hintere Fläche 
einem gezähnelten Wulste ähnlich überragt. Der Rand dieser Platte geht 
entweder sanft eingebogen in den Seitenrand des Körpers über oder er setzt 
sich jederseits mit einer stumpfen oder spitzen, aufwärts ragenden Zacke 
gegen den Körper ab. 
Die Ernährungslöcher haben eine unbeständige Lage auf der Volar- 
fläche, die Canäle, in welche sie führen, sind abwärts gerichtet. 


Das obere Ende der sämmtlichen Phalangen entwickelt sich aus einer besonde- 
ren Epiphyse, welche zwischen dem dritten bis siebenten Jahre entsteht und im 
achtzehnten bis zwanzigsten mit dem Körper verschmilzt. 


II. Knochen der unteren Extremität. 
a. Knochen des Gürtels der unteren Extremität. 


Hüftbein, Os cowae 2). 


Das Hüftbein ist ein platter, unter der Mitte sanduhrförmig einge- 
schnürter Knochen, dessen oberer und unterer Rand convex, dessen vorde- 
rer und hinterer Rand concav verläuft. Man kann es sich zusammengesetzt 
denken aus zwei fächerförmigen, gegen die Spitze abgestutzten und mit 
den abgestutzten Rändern dergestalt an einander gewachsenen Knochen- 
stücken, dass das Eine über dem anderen steht, das Eine den breiten Rand 
nach oben, das andere ihn nach unten wendet, zugleich aber durch eine 
Torsion an der Stelle der Vereinigung das obere Stück in der Seitenwand, 
das untere in der Vorderwand des Rumpfes eingeschlossen ist (Fig. 188, 
189). Die Flächen des oberen Stückes lägen demnach in sagittalen, die 


1) Impressiones laterales. 2) Beckenknochen, Os innominaltum, Os pelvis 
’ p 


Hüttbein. 241 


des unteren in frontalen Ebenen; aber wegen der cylindrischen Gestalt des 
Rumpfes hat das obere eine medianwärts, das untere eine rückwärts 
schauende Concavität, krümmt sich das obere von der seitlichen auf die 
hintere Wand, das untere von der vorderen auf die seitliche Wand des 
Rumpfes hinüber, und ausserdem erhalten beide durch die umgekehrt kup- 
pelförmige Wölbung des unteren Endes des Rumpfes eine Neigung mit 
den äusseren Flächen abwärts. Der convexe (obere) Rand des oberen 
Stückes ist länger und viel steiler gekrümmt als der convexe (untere) Rand 
des unteren Stückes. Das obere übertrifft das untere an Breite und Höhe, 
mehr noch in der Höhe als in der Breite, woraus folgt, dass im Verhält- 
niss zur Höhe das untere Stück breiter ist als das obere. 

Das obere Stück nimmt von den Rändern gegen die Mitte an Mäch- 
tigkeit ab, zuweilen in dem Grade, dass die Diploe in grösserer oder ge- 
ringerer Ausdehnung schwindet und die dünne Knochentafel stellenweise 
sogar durchbrochen erscheinen kann. An dem unteren Stücke ist regel- 
mässig ein grosser mittlerer Theil häutig; nach Entfernung des häutigen 
Theiles (der Membrana obturatoriu) bleibt nur ein platter Rahmen übrig, 
eine ovale (uder nierenförmige oder stumpfwinklich dreiseitige, mit dem 
stumpfen Winkel nach unten gerichtete) Lücke umschliessend, deren läng- 

Fig. 234. ster Durchmesser (60mm) 
dem breiteren Rande die- 
ses Knochentheiles parallel 
verläuft. Die Lücke ist das 
Hüftbeinloch, Fora- 
men obturatorium )). 

Die Grenze, welche 
wir zwischen dem oberen 
und dem unteren Theile 
des Hüftknochens soeben 
in Gedanken gezogen ha- 
ben, besteht vor dem 
siebenten Jahre in Wirk- 
lichkeit; die Synchondrose, 
welche beide Abtheilungen 
scheidet, läuft fast genau 
transversal, wenig nach 
unten convex über den 
schmalsten Theil (Isth- 
mus)- des Hüftbeins und 
fast mitten durch die Ge- 
lenkpfanne, welche. die 


Aeussere Fläche des (männlichen) Hüftbeins, Seitenansicht, Aussenfläche des Isthmus 
der Rumpf um die verticale Axe ein wenig mit der rechten einnimmt. Die obere Ab- 
Seite rückwärts gedreht. Zga, Lgp Linea glutaea ant. u. post. 


theilung wird Darmbein, 
Os ilium, genannt; die untere wollen wir Leistenbein, Os pubo-ischiadi- 
cum, nennen. Das Leistenbein ist äm kindlichen Becken durch zwei cor- 
I) F. ovale. 
Henle, Anatomie Thl. T. 16 


242 Hüftbein. 


“ respondirende verticale Synchondrosen, welche ohne die Unterbreehung 


durch das Hüftbeinloch als eine einzige erscheinen würden, in zwei stark 
gekrümmte Halbringe getrennt, einen lateralen und medialen, von welchen 
aber der laterale, wegen der oben erwähnten Krümmung des Leistenbeins, 
mehr hinter als neben dem medialen liegt. Der hintere Halbring heisst 
Sitzbein, Os ischü, der vordere Schambein!), Os pubis. Man hat 
sich gewöhnt, bei der Beschreibung des erwachsenen Beckens sich der Ein- 
theilung in die drei Stücke zu bedienen, welche durch die Entwieckelungs- 
geschichte vorgezeichnet ist ?); man muss demnach, wenn man sich das 
Leistenbein der Länge nach getheilt denkt, an jedem der beiden Halbringe 
einen oberen und einen unteren Ast unterscheiden. Der obere Ast eines 
jeden nimmt mit einem verdickten Ende, dem sogenannten Körper, an 
der Bildung der Pfanne Antheil; zu der unteren Hälfte derselben trägt das 
Schambein das vordere Drittel, das Sitzbein die beiden hinteren Drittel 
bei. Von dem Körper geht sodann der obere Ast des Schambeins, Ra- 
mus sup. 0. P.°), vorwärts, der untere, R. inf. o. p.*), rückwärts; vom 
Körper des Sitzbeins geht der obere Ast, R. sup. o. ischö), rückwärts, 
der untere, R. inf. o. 2. 6), vorwärts. 

Ich erwähnte bereits die Gelenkpfanne, Acetubulum, welche der 
Isthmus des Hüftbeins auf seiner äusseren Fläche trägt. Der Durchmesser 
dieser Pfanne ist eben so gross oder etwas grösser als der längste Durch- 
messer des Hüftbeinloches, aber kleiner als die Breite des Isthmus; sie 
liegt näher dem vorderen oberen als dem hinteren unteren Rande des 
letzteren; mit dem vorderen unteren Theile ihres Randes berührt sie 
beinahe den Rand des Hüftbeinloches. Ihre Tiefe gewinnt sie dadurch, 
dass von allen Seiten, besonders aber von der hinteren Seite her, die Ober- 
fläche des Knochens gegen den Rand der Pfanne ansteigt. Ihr Eingang, 
obgleich an der Seitenwand des Beckens gelegen, richtet sich dadurch 
nach vorn, indess der hinter der Pfanne gelegene Theil der Aussenfläche des 
Isthmus vom Pfannenrande an median- und rückwärts verläuft (vgl. Fig. 237). 

Von dem schmaleren, aber diekeren Ende, womit sie zur Bildung der 
Pfanne beitragen, breiten sich Darm- und Leistenbein, indem sie platter 
werden, so aus, dass, im Groben betrachtet, der vordere Rand des Darm- 
beins mit dem hinteren Rande des Leistenbeins in Eine Flucht zu liegen 
kommt und umgekehrt; dass man also die Ränder beider verbundenen Kno- 
chen mit einer 8- Tour umschreiben kann, deren Kreuzungspunkt in den 
Isthmus fällt. Die concaven vorderen und hinteren Ränder des Hüftbeins 
gehören in der oberen Hälfte dem Darmbein, in der unteren Hälfte dem 


Y) Schoossbein. ®) Diese Art der Eintheilung ist weder consequent, noch glück- 
lich; namentlich würde die Beschreibung des von mir sogenännten Leistenbeins minder 
schwerfällig geworden sein, wenn man dasselbe einfach als durchbrochene Platte oder als 
fing aufgefasst hätte. Indessen sind die Benennungen, welche sich auf die Zerlegung 
des Leistenbeins in Scham- und Sitzbein beziehen, zu zahlreich und zu allgemein ver- 
breitet, als dass man, nur der Bequemlichkeit der Darstellung wegen, davon abzugehen 
sich erlauben dürfte. Anders ist es mit den Namen der. sogenannten Aeste des Scham- 
und Sitzbeins, die nicht nur unbequem sind, sondern auch falsche Vorstellungen er- 
wecken, und die ich deshalb mit neuen, einfacheren zu vertauschen keinen Anstand nehme. 
®) R. horizontalis oss. pubis. ") R. descendens oss. pubis. >) R. descendens oss. ischü. 
6) R. ascendeus 0ss. ischü. - 


fr - Hüftbein. 243 


Leistenbein (vorn dem Schambein, hinten dem Sitzbein) an. Die tiefste 
Einbiegung dieser Ränder entspricht dem Uebergange des Randes des Darm- 
Fig. 285. beins vorn auf den oberen 

Ast des Schambeins, hin- 
ten auf den oberen Ast des 
Sitzbein. Im Uebrigen 
beobachtet man bei Ver- 
gleichung des vorderen und 
hinteren Randes des Hüft- 
beins eine merkwürdige 
und eigenthümliche Art von 
Symmetrie, eigenthümlich 
durch die gekreuzte Lage 
der einander entsprechen- 
den Punkte. 5 
Vier mehr oder min- 

der vorspringende Winkel 
werden an dem Hüftbein 
erzeugt durch das Zusam- 
mentreffen des concaven. 
vorderen und hinteren Ran- 
des mit dem convexen obe- 
ren und unteren. Der obere 
vordere dieser Winkel, an 
Aeussere Fläche des (männlichen) Hüftbeins, Seitenansicht, der Stelle, wo der obere 


der Rumpf um die verticale Axe ein wenig mit der rechten Rand des Darmbeins in den 
Seite rückwärts gedreht. Zga, Zgp Linea glutaea ant. u. post. 2 5 < 
vorderen übergeht, ist ein 


stumpfer, platterFortsatz, Spina ant. sup. oss. ilium, a; durch einen Aus- 
schnitt, Incisura Üiaca minor %), b, von ihm getrennt, folgt dann am vor- 
deren Rande unter ihm ein zweiter, ähnlicher Fortsatz, Spina ant. inf. 0ss. 
ilium, €, beide von Muskelursprüngen eingenommen. Weiter abwärts, vor 
der Pfanne, liegt der tiefe und glatte Ausschnitt, Incisura iliaca major, d, mit 
welchem der vordere Rand des Darmbeins in den vorderen (oberen) des Lei- 
sten- (Scham-) Beins umbiegt. An die untere, vordere Ecke e, an welcher 
der vordere Rand des Hüftbeins mit dem unteren convexen Rande sich ver- 
bindet, stösst die obere Spitze einer überknorpelten Fläche, der Synchon- 
drose nämlich, welche die beiden Schambeine an einander befestigt, Syn- 
chondrosis oss. pubis. Gehen wir in umgekehrter Richtung am hinteren 
Hüftbeinrande von der unteren hinteren Ecke aufwärts, so finden wir diese 
Ecke abgerundet, rauh und verdickt durch einen von zahlreichen Muskel- 
ansätzen bedeckten Vorsprung, Tuber ischiadieum, A; über demselben zeigt 
sich ein kleiner, am frischen Becken von Knorpel bekleideter (der Sehne 
des M. obturator. int. als Rolle dienender) Einschnitt, Jneisura ischiadiea 
minor 2), B, dann ein zweiter, platter Muskelfortsatz, Spina ischiadica, €, 
und über diesem, hinter der Pfanne, der tiefe, glatte Einschnitt, JIneisur«a 
ischiadica major 3), D, womit der hintere Rand des Leisten- (Sitz-) Beins 


I) Incisura semilunaris. ®) I. i. inferior. 3) Tncisura iliaca may. s. sup. 


16* 


244 Hüttbein. . 


sich in den hinteren (unteren) Rand des Darmbeins fortsetzt. Durch die 
starke Biegung abwärts; welche dem hinteren Rande des Darmbeins eigen 
ist, erhält die Incisura ischiadica maj. eine von der Incisura iliaca maj. ver- 
schiedene Form und steilere Biegung. Wieder aber entspricht die obere 
hintere Ecke des Darmbeins der vorderen unteren des Leistenbeins dadurch, 
dass sie an ihrer inneren Seite die untere Spitze E einer überknorpelten 
Fläche trägt, welche zur Verbindung des Hüftbeins mit dem Kreuzbein 
dient, der Synchondrosis sacro-iliaca. Diese Ecke ist fast vertical abge- 
stutzt und durch eine niedrige Einbiegung !) in zwei Zacken, Spina post. 
inf. und Sp. p. sup. oss. iium, getheilt. Die untere Zacke, platt und 
scharf, entspricht mit ihrem abgerundeten Contur dem abgerundeten Rande 
der Synchondrosis sacro-iliaca; zuweilen trägt sie unten eine Zacke oder 
einen Kamm, von der Anheftung des M. pyriformis herrührend. Mit der 
oberen Zacke beginnt, diek und wulstig, der convexe Rand des Hüftbeins. 
& Fig. 236. Dieser Rand 2), von dem 
die langen Rückenmuskeln 
ausgehen und an den die 
Bauchmuskeln sich an- 
setzen, hat die grösste 
Mächtigkeit (bis 25”"m) un- 
mittelbar über der 'Spina 
post. sup., verschmälert sich 
am vorderen Ende des hin- 
teren  Viertheils, um am 


Tp 
\ Eip CipSai Sas 


TH 4 Li 2 . n . . 
Ser f hinteren Ende des vorderen 


Viertheils noch einmal auf 
eine kurze Strecke, und 
zwar gegen die Aussen- 
fläche des Beckens, an 
Breite zuzunelimen. Ueber 
ihn verläuft der ganzen 
Hüftbein (eines weiblichen Beckens) von oben. Länge nach ein scharfer 
Kamm, Linea interme- 
dia, von welchem aus ein breiterer Theil nach aussen, ein schmalerer 
nach innen abfällt. Neben der continuirlichen Convexität nach oben, die, 
bei natürlicher Stellung des Hüftbeins, ihren höchsten Punkt mitten zwi- 
schen dem vorderen und hinteren oberen Darmbeinstachel hat, zeigt der 
obere Rand des Hüftbeins, von oben betrachtet oder in horizontaler Pro- 
jeetion, eine S-förmige Krümmung, welche von der Spina posterior sup. an 
eine erste Convexität nach innen, eine zweite nach aussen wendet. Dem 
höchsten Punkte dieser zweiten Convexität entspricht die erwähnte vordere 
Breitenzunahme des Randes. Der vordere obere Darmbeinstachel biegt 
aber wieder nach aussen und der hintere obere, minder auffallend und 
beständig, nach innen um. 
Mit den soeben geschilderten Krümmungen des oberen Randes stimmt 
die Gestalt der äusseren Fläche des Darmbeins überein. Ihre hintere 


Sps 


2) Ineisura semilunaris. ?) Crista oss. ilum., 


Hüftbein. - 245 


Hälfte ist im Querschnitt flach vertieft, jedoch gegen den hinteren Rand 
wieder etwas gewölbt; die vordere Hälfte ist im Querschnitt gewölbt, nicht 
selten sogar durch eine stumpfe Kante, die von der breitesten Stelle des 
Randes eine Strecke 
weit abwärts läuft, 
getheilt, in der Nähe 
des vorderen Darm- 
beinstachels aber 
leicht eingedrückt. 
Alle diese Uneben- 
heiten gleichen sich 
abwärts aus gegen 
den Rand der Pfanne, 
zu welchem, wie er- 
wähnt, die Fläche 
des Darmbeins gleich- 
mässig ansteigt. Ge- 
rade über dem Rande 
der Pfanne und dicht 
an der Spina ant. inf. 
Durchschnitt eines weiblichen Beckens parallel der Ebene des findet sich ein rauher 


Beckeneingangs. Vs3 Durchschnittsfläche des Körpers des drit- Eindruck, an wel- 
ten Kreuzwirbels. Ssi Synchondrosis sacro-iliaca. ‚Sp Synchondr. chem die eine der 
pubis. 7p Tubere. pubis. So Suleus obturatorius. Fa Fossa h d 1 

acetabuli. Tim Ineisura ischiadica maj. Ti Tuberositas iliaca. Sehnen des langen 


Kopfes des Quadri- 
ceps femoris entspringt. Noch sind zwei Linien zu erwähnen, welche, 
oft nur schwach angedeutet, die äussere Fläche des Darmbeins uneben 
machen. Die untere, Linea glutaea ant.‘), geht aufwärts convex von 
der Spina ant. sup. zur Mitte des hinteren Randes des Darmbeins; sie 
schliesst mit dem oberen Rande des letzteren ein sichelförmiges, mit der 
Spitze nach vorn gerichtetes Feld ein, Ursprungsstätte des M. glutaeus 
medius, welches rauher ist als das unterhalb der Linea glutaea inf. ge- 
legene Feld, in welchem die Fasern des M. glutaeus minimus entspringen. 
Die Linea glutaea post. schneidet, indem sie von der Spina post. inf. 
schräg auf- und vorwärts zum oberen Rande geht, eine hintere Ecke der 
Aussenfläche des Darmbeins ab, die der Ursprung des M. glutaens maximus 
einnimmt (vgl. Fig. 235). 

Ernährungslöcher sind auf der Aussenfläche des Darmbeins zerstreut. 
Ein ziemlich beständiges, grösseres liegt am hinteren Theile der Linea 


slutaea inf. _ 

Unterhalb des vorderen unteren Darmbeinstachels fällt mit dem vor- 
deren Rande des Hüftbeins der Rand der Pfanne zusammen. Oft ist an 
dieser Stelle, entsprechend der Rinne, über welche der M. iliopsoas aus 
dem Becken herabgeht, der vordere Rand der Pfanne mehr oder minder 
eingebogen. Regelmässig findet sich am unteren Rande der Pfanne ein 
Einschnitt, Ineisura acetabuli; durch denselben setzt sich die äussere 


!) Zinea arcuata externa. L. semicircularis, 


246 Hüftbein. 


Fläche des oberen Sitzbeinastes geradezu in ein rauhes, d.h. nicht von Knor- 
pel bekleidetes und unter dem Niveau des überknorpelten Theiles der Pfanne 
gelegenes Feld fort, welches dem mittleren Drittel der unteren Hälfte der 

Fig. 238. Pfanne ungefähr gleichkommt. 
Dieses Feld, F'ossa acelabul:, 
ist aufwärts von einer, dem 
Rande der Pfanne einigermaas- 
sen eoncentrischen, jedoch nach 
vorn flacher gebogenen Linie 
begrenzt; dem überknorpelten 
Theile der Pfanne !) bleibt dem- 
nach die Form eines Hufeisens 
mit gegen einander gebogenen 
Schenkeln oder eines mit der 
Convexität nach oben umgeleg- 
ten C, von dessen Enden ?) das 
hintere abgerundet, das vordere 
zugespitzt und daher schmaler ist. 
Das hintere abgerundete Ende 


Unterer Theil des Hüftbeins eines um die trans- steht auf einem ansehnlichen, 


versale Axe aufwärts und um Weniges mit dr an der Basis eingeschnürten 
rechten Seite vorwärts gedrehten Beckens. 


Vorsprunge des Sitzbeins; es 
überragt daher von oben eine Rinne (*), die sich längs dem oberen Rande 
des Sitzbeinhöckers verflacht nach hinten bis zur Ineisura ischiadica minor 
fortsetzt. Von dem vorderen, spitzen Ende der überknorpelten Fläche 
der Pfanne gehen zwei Kanten ab: die eine geht schräg rück- und ab- 
wärts und verbindet sich bald mit dem scharfen Rande des Hüftbeinlochs; 
von der Verbindungsstelle springt eine kurze, platte Zacke, T’uberc. ob- 
furalorium superius, in das Hüftbeinloch vor; die andere Kante, Crista 
obluratoria m.?), geht, mit jener einen rechten Winkel einschliessend, 
vor- und abwärts fast über die ganze äussere Fläche des oberen Astes 
des Schambeins; sie endet, in einer Entfernung von 18" von der Syn- 
chondrose der Schambeine, vorwärts umbiegend, auf einem Vorsprung, 
Tuberculum ossis pubis, auf welchen ich zurückkomme. 

Die sogenannten Aeste des Scham- und Sitzbeins, welche das Hütft- 
beinloch umgeben, wenden dieser Oeffnung scharfe Ränder zu, an welche 
die Membrana obturatoria sich anheftet. Nur an der vorderen oberen Ecke 
bleibt zwischen der Membran und dem Knochen eine Lücke, durch welche 
N. und Vasa obturatoria aus dem Becken hervortreten. Die Membran, 
vom Tub. obturat. sup. zu einer ähnlichen Zacke, T'ub. obt. inf.. an der 
gegenüberliegenden Seite hingespannt, wendet dieser Lücke einen geraden und 
scharfen Rand zu. Der Knochen überwölbt die Lücke mit einer breiten und 
flachen, an der unteren Fläche des Schambeins von der Höhle des Beckens zu 
dessen äusserer Wand vor- und abwärts verlaufenden Furche, Sulcus ob- 
turalorius. Die seitlichen Begrenzungen dieser Furche entstehen so, dass 
der Rand des Hüftbeinlochs einerseits, wo er vom oberen Ast des Sitzbeins 


D) Supenficies lunata. 2) Cornua. 2) Spina 038. pubis. 


Hüftbein. 27 
auf den oberen Ast des Schambeins übergeht, gegen die Crista obturatoria 
hinaufzieht, in deren Mitte etwa er sich verliert, andererseits, wo er sich 
vom unteren Ast des Schambeins auf dessen oberen Ast wendet, hinter 
der Crista obturatoria weg auf die der#Beckenhöhle zugekehrte Fläche des 
Schambeins zurückweicht. 

Wir haben die Aeste des Scham- und Sitzbeins mit Bezug auf die 
Gesammtform des Leistenbeins platt genannt, doch nähern sie sich alle 
durch Aufwulstung der dem Hüftbeinlochrande gegenüberliegenden Ränder 
mehr oder weniger einer dreiseitig-prismatischen Gestalt. Am meisten ist 
dies beim oberen Ast des Sitzbeins der Fall; hier ist die Stelle des freien 
Randes durch einen keulenförmigen, rauhen Wulst, den erwähnten Sitzhöcker, 
Truber ischiadicum, vertreten, der das breite und abgerundete Ende aut- 
wärts gegen die Incisura ischiadica minor wendet und mit dem zugespitzten 
Ende auf den unteren Ast des Sitzbeins reicht. Die Fläche des Sitzhöckers 
schaut rück- und lateralwärts; an ihrer breitesten Stelle erreicht oder über- 
trifft sie selbst die Breite der glatten, eigentlich äusseren Fläche des oberen 
Sitzbeinastes, mit der sie in einer stumpfen Kante zusammenstösst. Wo 
der Sitzhöcker endet, entwickelt sich der freie Rand des unteren Astes des 
Sitz- und Schambeins zu einer schräg gegen die Axe der Beckenhöhle 
aufsteigenden Fläche (Fig. 239), so dass hier die Aussenfläche des Kno- 
chens plan, die innere Fläche 
durch eine stumpfe, der Länge 
nach verlaufende Kante in eine 
auf- und eine abwärts schauende 
Fläche getheilt erscheint. Die 
Aussenfläche ist etwas schräg, 
mit dem unteren Rande vorwärts 
gestellt; am aufallendsten ist 
dies an der Stelle der ehema- 
ligen Synchondrose des unteren 
Scham- und unteren Sitzbein- 
astes, die zuweilen noch am Er- 
wachsenen an einer vom freien 
zum Hüftbeinlochrande verlau- 
fenden Rauhigkeit, Zuberositas 
pubo - ischiadica, kenntlich - ist. 
Ueber dieser Rauhigkeit fin- 
det sich eine flache Vertiefung 
und über dieser, in der Fort- 
setzung der inneren unteren 
Fläche, die untere Spitze der 

Hüftbein, innere Oberfläche, Seitenansicht. überknorpelten Fläche, die zur 
Verbindung der beiden Scham- 

beine unter sich dient. Die letztere, Synchondr. oss. pubis, ist lang- 
gestreckt-elliptisch, mehr als doppelt so hoch als (im sagittalen Durch- 
messer) breit (40 : 16mm), in sagittaler Richtung schwach eonvex. Ihre 
obere Spitze fällt, wie oben erwähnt, mit der Ecke zusammen, an welcher 
der untere convexe und der vordere econcave Rand des Hüftbeins sich ver- 


Fig. 239. 


Sp 


N 


248 Hüftbein. 


einigen. sie liegt der Medianebene näher als die untere Spitze, so wie 

Fig. 240. auch der hintere Rand der über- 
knorpelten Fläche meJianwärts 
weiter vortritt als der vordere. 
Der obere Ast des Schambeins 
erhält durch die Crista obtura- 
toria eine dreiseitig-prismatische 
Form, und hier ist es also wie- 
der die äussere Fläche des Kno- 
chens, die in zwei Flächen zer- 
legt wird. Die unterhalb der 
Crista obturatoria gelegene Flä- 
che ist in Folge des Ueberhän- 
gens dieser Crista und insbeson- 
dere des Tubere. oss. pubis con- 
cav; sie setzt sich einwärts in 
den Suleus obturatorius fort; die 
Fläche, welche auf- und median- 
wärts von der Crista obturatoria 
liegt, vereinigt sich mit der in- 
neren Fläche des oberen Scham- 
beinastes in einen scharfen Kamm, 

Hüftbein, innere Oberfläche, Seitenansicht. welcher von der inneren Fläche 

des Hüftbeins herkommt und so- 
gleich im Zusammenhang beschrieben werden soll. 

Auf der inneren Fläche wird das Hüftbein, im Allgemeinen glatt 
und concav, in eine obere und untere Hälfte getheilt durch eine Kante, 
welche sich schräg ab- und vorwärts von der Synchondrosis sacro - iliaca 
bis zur Synchondrosis oss. pubis erstreckt, unter einem spitzen Winkel die 
transversale Synchondrose des Darm- und Leistenbeins schneidend. Was 
über dieser Kante liegt, gehört dem oberen, was unter ihr liegt, dem unte- 
ren Becken an. Die Kante wird Crista ileo-pectinea genannt. Die 
gleichnamigen Kanten beider Hüftbeine, durch die Wölbung, welche am 
Kreuzbein die obere Fläche der Flügel von der vorderen trennt, und durch 
das Promontorium mit einander in Verbindung gesetzt, stellen die obere 
Apertur des kleinen Beckens dar (Fig. 237). £ 

Die Crista ileo-pectinea !) entsteht aus einer planen, spitzwinklich- 
dreiseitigen, mit der schmalen Seite gegen die Synchondr. sacro-iliaca ge- 
richteten Fläche; sie wird nach vorn. allmälig schärfer; recht scharf und 
mitunter saumartig vorspringend erscheint sie erst nach ihrem Uebergange 
auf das Schambein 2). In der Nähe des Tuberc. ossium pubis wendet sie 
sich vorwärts und convergirt auf demselben mit der Crista obturatoria. 
Von dem Schambeintheile der Crista ileo-pectinea entspringt der M. pecti- 
neus. An das Tuberculum ossium pubis und eine von demselben aus me- 
dianwärts zur Synchondrose der Schambeine sich erstreckende Rauhigkeit 
befestigt sich der M. rectus abdominis. Bevor aber die Crista ileo-pectinea 


') Linea üeo-pectinea, L. innominata, L. arcyata int. 2) Crista s. pecten oss. pubis. 


Hütftbein. 249 


das Tuberc. pubis erreicht, zweigt sich von derselben eine stumpfere Kante 
ab, welche in einem flachen, gegen die Beckenhöhle eoncaven Bogen zur 
oberen Spitze der Artieulationsfläche der Schambeine verläuft. Diese Firste 
schliesst mit dem vorderen Theile der Crista ileo -pectinea und der vom 
Tuberc. pubis zur Synchondrose ziehenden Rauhigkeit ein dreiseitiges Feld 
(s) ein, welches als obere Fläche der vorderen Beckenwand betrachtet wer- 
den muss; sie scheidet diese obere Fläche von der inneren oder hinteren. 
Da die Crista ileo-pectinea sich mit der Synchondrose des Darm - und 
Leistenbeins kreuzt, so muss eine Eintheilung des Hüftknochens nach dem 
Verlaufe jener Crista, d. h. eine Eintheilung in die dem oberen und unteren 
Becken zugehörige Fläche, Theile des Leistenbeins mit dem Darmbein, und 
umgekehrt, in Verbindung bringen. Es zeigt sich dabei dieselbe Art von 
Gleichgewicht der einander kreuzweise gegenüberliegenden Punkte, welche 
bei der Beschreibung der Ränder des Hüftknochens hervorgehoben wurde. 
Die Wand des oberen Beckens wird zum bei weitem grössten Theile vom 
Darmbein, die Wand des unteren Beckens ebenso vom Leistenbein gebildet; 
die Crista ileo-pectinea schneidet vom Darmbein einen schmalen unteren 
Streifen ab für das untere Becken; vom Leistenbein schneidet sie einen 
schmalen oberen Streifen ab für das obere Becken. Der über der Crista 
ileo-pectinea gelegene Theil der inneren Fläche des Darmbeins setzt sich 
also von der unteren vorderen Ecke aus auf jene Fläche des Leistenbeins fort, 
die als äussere obere Fläche des oberen Astes des Schambeins bereits be- 
schrieben wurde. dieselbe, welche nach unten vom Rande der Pfanne und 
weiter medianwärts von der Crista obturatoria begrenzt wird. Der unter 
der Crista ileo-pectinea gelegene Theil der inneren Fläche des Leistenbeins 
läuft dagegen von der oberen hinteren Ecke in einen Streifen aus, welcher 
längs dem hinteren Rande des Darmbeins als eine Art schmaler unterer Fläche 
desselben verläuft. Die Stelle, wo die Darmbeinfläche auf das Leistenbein 
übergeht, entspricht der Ineisura iliaca maj., die Stelle, wo die Leistenbein- 
fläche auf das Darmbein übergeht, entspricht der Incisura ischiadica ma]. 
Die Stelle der ehemaligen Darmleistenbein- Synehondrose ist auf der dem 
grossen Becken angehörigen Fläche in der Regel während des ganzen Le- 
bens erkennbar an einer Rauhigkeit, Eiminentia 2) ileo-pectinea, welche 
von der Crista ileo-peetinea vorwärts gegen den Rand der Pfanne geht 
und die mediale Begrenzung der Rinne darstellt, in welcher der M. iliopsoas 
aus dem Becken hervortritt. Auf der dem kleinen Becken angehörigen 
Fläche des Hüftbeins erhält sich von jener Synchondrose kaum eine Spur. 
An der Grenze des grossen und kleinen Beckens findet sich die zur 
Articulation mit dem Kreuzbein bestimmte überknorpelte Fläche, F'acies 
auricularis, von ohrförmiger Gestalt, mit vorderem eonvexen und hinte- 
rem concaven Rande. Der Gipfel der Convexität liegt fast gerade über 
der Stelle, wo der obere Rand des Sitzbeinausschnittes in den unteren um- 
biegt. Von da an geht der eine Schenkel der Gelenkfläche ab- und rück- 
wärts, um abgerundet auf der Innenfläche der Spina post. inf. zu enden, 
der andere, kürzere, mit ebenfalls abgerundeter Spitze, in der Flucht der 
Crista ileo-pectinea auf- und rückwärts. Der hinter der Facies auricularis 


1) Spina. 


Becken. 


250 Becken. 


und hinter einer von der oberen Spitze derselben aufwärts zum Darmbein- 
rande gezogenen Linie befindliche Theil des Darmbeins, T’uberosilas 
tliaca, ist sehr rauh und uneben von der Insertion der Bänder, welche 
das Kreuz- und Hüftbein an einander heften. Die übrige obere Becken- 
fläche ist eine flach ausgehöhlte Grube, Fossa iliaca, vom M. iliacus be- 
deckt. Sie besitzt ein sehr beständiges For. nutritium vor der oberen 
Spitze der Fac. auricularis. Auf der unteren Beckenfläche beginnt unter der 
Crista ilio-pectinea der Swlcus obluratorius und als medialer Rand des- 
selben eine Firste, welche sich abwärts auf die oben beschriebene Weise 
in den Rand des For. obturatorium fortsetzt und in ihrem oberen Theile 
meistens mit einer Reihe kurzer Zacken oder scharfer Leistehen, T'ubere. 
obturat. inf., besetzt ist. ; 


Dass das Darmbein an seiner dünnsten Stelle, in der Mitte, zuweilen durch- 
brochen ist, wurde bereits erwähnt; eine ähnliche Durchbrechung, Folge des 
Schwindens der Knochenmasse, kommt im Grunde der Pfanne vor. Theilweise 
Verknöcherungen der mit dem Hüftbein in Verbindung stehenden Bänder, der 
Membrana obturatoria, des Lig. tuberoso- und spinoso-sacrum erscheinen an dem 
macerirten Knochen in Form abnormer Zacken und Balken. Hyrtl erwähnt ein 
Hüftbein, an welchem die unteren Aeste des Scham- und Sitzbeins einander nicht 
erreichen. : . 

Zur Zeit der Geburt ist noch ein grosser Theil des Hüftbeins knorplich; die 
drei Stücke, welche dasselbe zusammensetzen, sind in der Pfanne weit von einander 
getrennt; die Verknöcherung erstreckt sich am Darmbein nicht bis zum oberen 
Rande und beschränkt sich am Scham- und Sitzbein auf den Körper und die obe- 
ren Aeste. Gegen das sechste Jahr ist die Verknöcherung der unteren Aeste dieser 
Knochen vollendet; der Verknöcherung derselben folgt bald die vollständige Ver- 
schmelzung. In der Pfanne vereinigt sich das Darmbein mit dem Sitzbein, dann 
mit dem Schambein erst zur Zeit der Pubertät, durch Vermittelung eines oder 
mehrerer platter Knochen, welche sich im dreizehnten bis vierzehnten Jahre in der 
Y-förmigen Synchondrose der Pfanne entwickeln. Um dieselbe Zeit entsteht eine 
Epiphyse längs dem ganzen oberen Rande des Darmbeins, eine zweite, unbestän- 
dige, an der Stelle des vorderen unteren Darmbeinstachels, eine dritte am Sitz- 
höcker, eine vierte, dünne und scheibenförmige und wahrscheinlich ebenfalls un- 
beständige Epiphyse an der Fläche der Schambeine, wodurch dieselben mit ein- 
ander articuliren. Diese Epiphysen verschmelzen mit dem Körper des Hüftbeins 
im zweiundzwanzigsten bis fünfundzwanzigsten Jahre, am spätesten die Epiphyse 
am oberen Rande des Darmbeins. 


Die Hüftbeine in ihrer natürlichen Verbindung mit dem Kreuz- und 
Steissbein bilden das Becken, Pelvis. 

Das Becken, im weiteren Sinne dieses Wortes, wird eingetheilt in das 
obere) und untere 2); die Grenze zwischen beiden ist aber nur auf 
der inneren Fläche bestimmt und scharf. Sie ist, wie erwähnt, bezeichnet 
durch die Crista ileo-peetinea der beiden Hüftbeine und eine von dem hin- 
teren stumpfen Ende jeder derselben über die Seitentheile des Kreuzbeins 
zur Synehondrose zwischen dem letzten Bauch- und dem ersten Kreuz- 
wirbel hinziehende, abgerundete Kante. So beschreibt sie eine kreisförmig 
oder elliptisch gebogene Linie, welche sich, je nachdem das Promontorium 
mehr oder weniger vorspringt, der Kartenherz- oder Nierenform nähert. 
Man nennt diese Linie sowohl als die von ihr umschlossene Ebene den 


1) Grosse Becken, °?) Kleine Becken. 


Becken. . 251 


Beckeneingang, Apertura pelns sup."). Der unterhalb derselben ge- 
legene Theil des Beckens lässt sich, wenn man das Hüftbeinloch ver- 
schlossen denkt, im Ganzen einem platten Ringe oder einem eylindrischen 
Rohre vergleichen, dessen Höhe wegen tiefer Einbuchtungen des unteren 

Fig. 241. Randes sehr ungleichmässig ist. Sol- 
cher Einbuchtungen finden sich drei, 
eine mediane- vordere, und zwei ein- 
ander gegenüber an der Seitenwand 
des Beckens. Die mediane Bucht ist 
von den auf- und vorwärts conver- 
girenden unteren Rändern der beiden 
Leistenbeine eingefasst; es ist ein 
bogenförmiger Ausschnitt, Scham- 
bogen, Arcus pubis, dessen Gipfel 
von dem unteren (hinteren) Rande 
der Synchondrose der Schambeine ge- 
bildet wird. Die Einbuchtung der Seitenwand, Incisura sacro -ischia- 
dica, ist länglich, mit dem längsten Durchmesser auf- und vorwärts ge- 
neigt, oben abgerundet, vorn und oben vom hinteren Hüftbeinrande, hinten 
vom lateralen Rande des Kreuz- und Steissbeins begrenzt. 

Eine genauere Beschreibung der unteren Oeffnung und der Wände 
des kleinen Beckens unterlasse ich für jetzt, weil an der Bildung derselben 
die Bänder einen wesentlichen Antheil haben. Namentlich erhält der 
Beckenausgang, Apertura pelvis inf.?), seine Begrenzung zum Theil 
durch ein Band, welches am Eingange der Bucht der Seitenwand vom 
Kreuzbein.zum Sitzbeinhöcker gespannt ist. 

Zu dem unteren Becken verhält sich das obere wie der breite, flache 
Rand eines Tellers zu dem vertieften Theile. Doch erstreckt sich der Rand 
in dieser Form nicht über die Gegend 
der Pfanne hinaus nach vorn. Hinten 
ist er in der Mitte unterbrochen durch 
die von der oberen Fläche des Kreuz- 
beins sich erhebende Wirbelsäule; vorn 
wird er an der Incisura iliaca major 
plötzlich schmal und setzt sich dann, 
indem er sich allmälig noch weiter ver- 
jüngt, bis zum Schambeinhöcker fort. 
Zwischen den beiden Schambeinhöckern 
Männliches Becken mit dem letzten Bauch- jst der obere Rand des unteren Beckens 

wirbel, von vorn. 2 e m 
wieder etwas breiter, nach aussen über- 
hängend, aber minder scharf von der inneren Fläche der vorderen Wand 
geschieden. 

Der Beckeneingang liegt, gleich der oberen Apertur des Brustkorbes, 
in einer mit dem vorderen Rande abwärts geneigten Ebene. Der Grad 
der Neigung dieser Ebene wird bestimmt durch den Winkel, welchen eine 


Weibliches Becken von hinten. 


\) Obere Beckenöffnung, Apert. pelv. abdominalis, Introitus pelvis. Die Linie wird auch 
Linea innominata s. terminalis genannt. ?) A. p. perinealis. Exitus pelvis. 


252 Becken. 


in.der Medianebene von einem Punkte der hinteren zu einem Punkte der 
vorderen Beckenwand gezogene Linie, Conjugata !), mit dem Horizont 
oder mit der sagittalen Axe des Beckens (w) bildet. Für die Conjugata 
des Beckeneingangs x (vom Promontorium zum oberen Rande der Syn- 
chondrose der Schambeine) beträgt dieser Winkel 55 — 65, im Mittel 60°; 
für die Conjugata des Beckenausgangs y (von der Spitze des Steiss- 
beins zum unteren 
Rande der Synchon- 
drose) beträgt derselbe 
in gewöhnlichen Fäl- 
len 7 — 27°. (Unter 
500 Messungen fiel 
diese Conjugata 20 
Mal mit der sagittalen 
Axe zusammen und. 
26 Mal stand die 
Steissbeinspitze tiefer 
[bis um 20mm] als der 
untere Rand der Syn- 
chondrose, Nägele.) 
Geringere Schwan- 
kungen zeigt die von 
H. Meyer?) soge- 


nannte Normalconju- 


zZ £ y Ben a gata, eine Linie, deren 
= hinterer Endpunkt in 
Mediandurchschnitt eines weiblichen Beckens. eine quer über die Mit- 


te des dritten Kreuz- 
wirbels verlaufende leichte Einkniekung, deren vorderer Endpunkt mitten 
zwischen beide Schambeinhöcker fällt (2). Der vordere Endpunkt dieser Linie 
liest tiefer als der hintere, und der Winkel, welchen sie mit der Sagittalen 
bildet, beträgt 30%. Das Promontorium steht um 73mm (3 10) höher als 
der obere Rand der Schambeinfuge, die Steissbeinspitze in der Regel um 
15 — 16mm höher als der Scheitel des Schambogens. Eine vom oberen 
Rande der Schamfuge gerade nach hinten gezogene Linie trifft auf die 
Synchondrose zwischen dem zweiten und dritten Steisswirbel; ein Loth, 
auf dem Mittelpunkte des Beckeneingangs errichtet, würde die vordere 
Bauchwand etwa in der Gegend des Nabels durehbohren. 

Das Becken ist derjenige Theil des Skeletts, in welchem sich der Geschlechts- 
unterschied am bestimmtesten und zwar ebensowohl in der Form wie in den Dimen- 
sionen ausspricht. Die Flächen der Darmbeine nähern sich beim Weibe in der 
Regel mehr der horizontalen Lage, als beim Manne; das Promontorium springt 
beim männlichen Becken meistens weiter vor, und so ist für das männliche Becken 
die Herzform, für das weibliche die quer-elliptische Form der oberen Apertur die 
normale. Das untere Becken des Weibes ist absolut niedriger als das männliche, 
aber geräumiger. Bei beiden Geschlechtern nimmt die Weite der Höhle des unte- 
ren Beckens gegen den Ausgang ab, bei dem Manne aber in stärkerem Maasse 


!) Gerader Beckendurchmesser, ?) Müll. Arch, 1853. $. 541. 


Schenkelbein. 253 


als beim Weibe, so dass also die untere Apertur des weiblichen Beckens absolut 
und relativ weiter ist. Hiermit steht in Verbindung, dass die unteren Ränder des 
Leistenheins am männlichen Becken unter einem spitzeren Winkel zusammenstossen 
als am weiblichen. Der Schambogen des Weibes ist eine Curve, der Schambogen 
des Mannes gleicht mehr einer gebrochenen Linie. 

Ich entlehne dem Handbuch von Krause: folgende Durchschnittszahlen, welche 
aus Messungen regelmässiger männlicher und weiblicher Becken gewonnen sind: 


————————— nn nn nn. 


Weiblich. Männlich. 
FELDES EEE RBB ee a Fe ee 
Grösster Querdurchmesser des oberen 
Beckens nn: N nal RL 256mm 9 64% 256mm 
Entfernung der beiden vorderen obe- 
ren Darmbeinstacheln von einander 92 243 94 243 
Conjugata des Beckeneingangs - - - ZRUENEN 115 4 108 
Querdurchmesser . . . 2.2... - 5 135 gu gu 128 
Diagonaldurchmesser !) (von der Syn- 
ehondros. sacro-iliaca zur Eminentia 
Heo-peeimea) “7.2... 2... : AU RER 126 ANE 122 
Conjugata des Beckenausgangs - - . BuzauN 90 23 74 


(Veränderlich u. am frischen Becken 
durch Zurückbiegen der Steiss- 
beinspitze einer Vergrösserung um 
etwa 1 fähig). 

Querdurchmesser des Beckenausgangs 

(zwischen den Sitzhöckern) . . . 4. 108 3 81 


Höhe der hinteren Wand (Sehne der 
Krümmung zwischen Promontorium 
und Steissbeinspitze) . - - . . . Au Tr 128 Dananı 142 


Höhe der Synchondr. der Schambeine ET, 45 1722 54 


b. Knochen des Oberschenkels. 


Schenkelbein, Femur 2). 


Der Körper des Schenkelbeins ist leicht vorwärts gebogen und, wenn 
das untere Ende auf einer horizontalen Unterlage ruht, mit diesem Ende 
etwas schräg medianwärts gestellt. Von allen Röhrenknochen nähert 
sich der Körper des Schenkelbeins am meisten der Cylindergestalt; doch 
zeigt sich auch hier eine Tendenz zur dreiseitig - prismatischen Förm. 
Ueber die hintere Fläche läuft nämlich der Länge nach ein rauher (8"" 
breiter) Kamm, Crista ?) femoris, öfters der Länge nach gefurcht und 
dadurch in zwei Lippen, Lubium laterale und L. mediule, getheilt. 
Durch diesen Kamm zerfällt die hintere Fläche in eine mediale und eine 


l) Schräger oder Deventer'scher Durchmesser. 2) Os femoris. 2) Linea aspera. 
pP 


b. Ober- 
schenkel. 
Femur. 


254 Schenkelbein. 


2 SEES 
laterale. Eine andere stumpfe Kante, Angulus medialis, geht, am obe- 
ren Ende des Körpers beginnend, gegen den medialen Rand des unte- » 


Fig. 244. 


Schenkelbein von vorn. Schenkelbein von hinten. 


ren“Endes herab, als Grenze zwischen der medialen und der vorderen 
Fläche ; indem ferner die vordere Fläche von der Mitte der Höhe des Kör- 
pers allmälig breiter und zugleich platter wird, scheidet sie sich, wenn- 
gleich ohne scharfe Grenze, auch von dem lateralen Theile der hinteren 
Fläche. * Das Haupternährungsloch sitzt unter der Mitte der Höhe des 
Schenkelbeins auf oder neben der Crista und führt in einen aufwärts verlau- 
fenden Canal (Fig. 245) Von dem oberen Ende des Körpers geht unter einem 


Schenkelbein. 255 


stumpfen Winkel median- und auf- und etwas vorwärts der Hals (Cl) ab, 
„auf welchem der überknorpelte Gelenkkopf (Cp) sitzt. Von seinem Ur- 


Fig. 246. Fig. 247 


Querschnitte des Schenkelbeins nach den Linien x, y, z, 
Fig. 244. 


sprunge am Körper an verjüngt sich der 
Hals, um unmittelbar am Rande des Kopfes 
wieder an Umfang zuzunehmen. Er ist am 
Ursprunge von vorn nach hinten compri- 
mirt (der verticale Durchmesser beträgt 
etwa das Doppelte des sagittalen) und ver- 
diekt sich unter dem Kopfe hauptsächlich 
gegen den hinteren Rand des letzteren. 
Der Kopf ist ein etwas mehr als die Hälfte 
betragender Abschnitt einer Kugel, deren 
Durchmesser dem Durchmesser der Pfanne 
genau entspricht. Der Rand, mit welchem 
dieser Kugelabschnitt den Hals überragt, 
liegt m einer Ebene, welche unter einem 
Winkel von ungefähr 400 gegen den Hori- 
zont geneigt ist; doch ist der Rand nicht 
ganz eben, sondern am oberen hinteren 
und zuweilen auch am vorderen Theile in 
einem flachen Bogen ausgeschnitten. In 
der Gegend der Mitte der Gelenkfläche, 
näher dem unteren Rande als dem oberen, 
findet sich eine rundliche, rauhe, die Spitze 
des kleinen Fingers aufnehmende Vertie- 
Schenkelbein von der lateralen Seite. fung, F'ossa capilis (Fig. 245, 248), Ur- 
sprungsstätte des Lig. teres. 

Wo das obere Ende des Körpers in den Hals umbeugt, zieht über die 
hintere Fläche des ersteren, parallel dem Rande des Gelenkkopfs, recht- 
winklich zur Längsaxe des Halses und also schräg abwärts vom lateralen 
zum medialen Rande ein Wulst, aus welchem der Hals, wie aus einem 
Kragen, hervortaucht. Unten endet der Wulst mit einem stumpf kegel- 
förmigen, von vorn nach hinten abgeplatteten, medialwärts vorspringenden 
Fortsatz; oben geht er auf den Rand eines Fortsatzes über, welcher, im 
horizontalen Durchmesser abgeplattet, aus der ganzen lateralen Fläche des 
Schenkelbeins entspringt und mit einer stumpfen, hakenförmig medianwärts 


256 Schenkelbein. 


eingebogenen Spitze im Niveau des unteren Randes des Gelenkkopfs oder 
etwas über demselben endet. Dieser Fortsatz ist der grosse Rollhügel, 
Fig. 248. Trochanter major. Der Wulst zwischen bei- 
den Trochanteren wird Ürista intertrochan- 
terica !) genannt; die Concavität zwischen dem 
Schenkelhals und der Basis des grossen Trochan- 
ter, welche unmittelbar am hinteren Rande des 
letzteren am tiefsten ist, ist die flossa frochan- 
terica. Alle diese Vorsprünge und Gruben sind 
von Muskelansätzen und Ursprüngen eingenom- 
men und der grosse Trochanter ist dadurch an 
seinem oberen Rande und auf seiner lateralen 
Fläche facettirt, bald durch Furchen, bald durch 
Leisten getheilt, immer aber gegen den Körper 
durch eine transversale Leiste abgesetzt. Von 
der Wurzel des grossen Trochanter geht, an der 
Vorderfläche des Schenkelbeins, in gleicher Rich- 
tung mit der Crista intertrochanterica, aber etwas 
Oberes Ende des Schenkelbeins tiefer, eine Rauhigkeit, Linea obligua femo- 
von hinten, mit dem lateralen 779 2), herab und unter dem Ursprunge des klei- 
Rande etwas vorwärts um .. . ER: 
Bene Tänzeuen Bedtene | DEN Trochanter vorbei in die Crista femoris über. 
Der obere Theil derselben bis zur Wurzel des 
kleinen Trochanter ist ein breiter Wulst, der untere Theil eine feine, mit- 
unter nur wenig vorspringende rauhe Linie. An den breiten Theil dieser 
Rauhigkeit setzt sich von oben her das Kapselband des Hüftgelenks an; 
von dem breiten und schmalen Theile gehen abwärts die Fasern des 
M. vastus int. ab. Von der Stelle an, wo diese Linea obliqua mit der 
Crista femoris zusammenstösst, theilt sich die letztere aufwärts in zwei 
unter spitzem Winkel divergirende, rauhe Linien, welche leicht gebogen, 
die eine zum kleinen, die andere zum grossen Trochanter ziehen, jene auf 
der Spitze, diese auf der hinteren Fläche des betreffenden Fortsatzes sich 
verlierend. Beide schliessen in Verbindung mit der Linea intertrochan- 
terica ein spitzwinklich dreiseitiges, den spitzesten Winkel abwärts rich- 
tendes Feld ein, dessen Ränder medialerseits durch Anheftung der Ab- 
ductoren des Oberschenkels, lateralerseits durch den Ursprung von Streck- 
muskeln eingenommen werden. 

Auf dieselbe Weise gehen schon von der Grenze des mittleren und 
unteren Drittels des Körpers an, die beiden Lippen der Crista fem. gegen 
das untere Gelenkende des Schenkelbeins aus einander, eine plane und 
gegen den unteren Rand sogar schwach vertiefte Fläche, Planum popli- 
teum ?), zwischen sich fassend.. Durch den Hinzutritt dieser neuen Fläche 
und durch Verbreiterung der vorderen Fläche, die sich ebenfalls gegen das 
untere Ende abplattet und von einer Seite zur anderen aushöhlt, gewinnt “ 
das untere Ende des Körpers eine vierseitig-prismatische Form (Fig. 247 2), 
im sagittalen Durchmesser comprimirt, die vordere und hintere Fläche ein- 
ander beinahe parallel — die vordere tritt mit dem lateralen Rande etwas 


2) Linea intertroch. post. ?) Linea intertrochanterica ant. 3) .Fossa poplitea, Poples. 
pop ‚fop 


Schenkelbein. 257 


weiter vor —, die seitlichen Flächen rückwärts divergirend und insbeson- 
dere die mediale Fläche schräg vorwärts gewandt. In dieser Weise ge- 
winnt das untere Ende des Schenkelbeins rasch eine bedeutende Ausdeh- 
nung in die Breite, welche hinter der Breite des oberen Endes, vom Rande 
des grossen Trochanter bis zur höchsten Wölbung des Gelenkkopfes ge- 
messen, nicht viel zurücksteht und noch dadurch vermehrt wird, dass an 
jeder Seitenfläche, dieht über dem Rande, welchen sie mit der unteren 
Endfläche gemein hat, ein platter, stumpfer Höcker sich erhebt, Epicon- 
dylus lateralis und E. medialis '), zur Befestigung von Bändern und 
Muskeln. In sagittaler Richtung verdickt sich das untere Ende durch zwei, 
von der hinteren Fläche ausgehende Vorsprünge, Condylus medialis und 
©. lateralis. Es sind (28”m) dicke, halbkreisförmige Scheiben, mit dem 
geraden Rande in verticaler Richtung an die hintere Fläche des Schenkel- 
beins angewachsen, den gewölbten Rand nach hinten gekehrt, die halb- 
kreisförmigen Flächen in nahezu sagittalen Ebenen. Mit den von einander 
abgewandten Seitenflächen setzen sich die Condylen ununterbrochen in die 
Seitenflächen des Körpers fort; die Flächen, welche die Condylen einander 
zuwenden, sind ausgehöhlt und begrenzen von den Seiten einen tiefen Aus- 
schnitt, H'ossa infercondyloidea ?), dessen vordere Wand von dem Theile 

Fig. 249. der hinteren Fläche des Schenkelbeins gebildet 
wird, welche zwischen den Ansätzen der Con- 
dylen frei bleibt und deren Breite der Dicke der 
Condylen (im transversalen Durchmesser) ziem- 
lich gleichkommt. Diese Fläche ist nach oben 
durch eine deutliche transversale Kante, Linea 
intercondyloidea m., gegen das Planum popli- 
teum abgesetzt und läuft von dieser Kante aus 
schräg vor- und abwärts. Die hinteren gewölb- 
ten Ränder der Condylen, welche übrigens breit 
genug sind, um den Namen Flächen zu verdienen, sind überknorpelt und 
auch im transversalen Durchmesser convex, so dass sie gegen die Fossa 
intercondyloidea weiter herumgreifen als an den Seitenflächen des unteren 
Endes des Schenkelbeins. Nach oben endet ihr Knorpelüberzug abgerundet 
oder quer oder schräg abgestutzt in der Höhe der Linea intercondyloidea. 
Unten treten die überknorpelten Flächen der beiden Condylen, indem sich 
die mediale vor der Fossa intercondyloidea schräg herüberzieht, in eine 
einzige Gelenkfläche zusammen, welche die untere Endfläche des Körpers 
einnimmt und sich eine kurze Strecke (25"") an der vorderen Fläche des 
letzteren herauferstreckt. Der an der vorderen Fläche gelegene Theil dieser 
Gelenkfläche, zur Aufnahme der Patella bestimmt ?), endet aufwärts mit einem 
besonders an der lateralen Hälfte überstehenden, leicht eingebogenen und 
medianwärts ein wenig abhängigen Rande. Er ist durch eine verticale Ver- 
tiefung in zwei Felder, von welchen das mediale schmaler zu sein pflegt, ge- 
theilt, übrigens gewölbt und gegen den unteren Theil der Gelenkfläche, wel- 
cher mit der Tibia in Verbindung steht, durch eine kaum bemerkbare Kante 


Schenkelbein von unten. 


\) Tuberositas ext. et int. ?) Fossa intercondylica post. F. poplitea. *) Fossa 
patellae. F. intercondylica ant. Sinus condylorum ant. 


Henle, Anatomie. Thl. I. " 17 


ce. Unter- 
schenkel. 


258 Unterschenkelknochen. 


abgesetzt. Der Theil der Gelenkfläche, welcher zwischen dieser Kante und 
den eigentlichen Condylen liegt, ist ebenfalls gewölbt, aber in schwächerem 
Maasse wie die überknorpelte Fläche der Condylen, so dass der untere 
Rand des Schenkelbeins, im Profil betrachtet, einen Bogen darstellt, dessen 
vorderer Theil einem grösseren Radius angehört als der hintere. 

Einen dem Proc. supracondyloideus des Oberarms vergleichbaren Vorsprung 
beschreibt Wilbrand (a. a. OÖ. S. 7) unter gleichem Namen vom Körper des 
Oberschenkels, wo er, 11%“ lang und 4“ dick, von der Ursprungsstelle des kurzen 
Kopfes des Biceps oberhalb des lateralen Condylus vorkam. Barkow (a.a.0.5.9) 
sah denselben Fortsatz, etwas höher oder tiefer, an drei Schenkelbeinen der Bres- 
lauer Sammlung, Gruber (Abhandl. S. 132) sah ihn unter 220 Leichen drei Mal. 

In weiblichen Schenkelbeinen ist der Winkel, den die Längsaxe des Ilalses mit 
der Längsaxe des Körpers bildet, kleiner, einem Rechten nahe. Wegın der grösse- 
ren Breite des Beckens und der geringeren llöhe der unteren Extremität ist beim 
Weibe in aufrechter Stellung mit aneinanderschliessenden Fersen die Convergenz 
der unteren Enden der Schenkelbeine auffallender. 

Beim Neugebornen ist das obere und untere Ende des Schenkelbeius knorplich, 
doch schliesst das untere Ende einen Knochenkern ein; im oberen Ende entsteht 
der erste Knochenkern, und zwar im Kopfe, am Ende des ersten Lebensjahres; im 
vierten Jahre kommt ein Kern im grossen Trochanter, im dreizehnten bis vier- 
zehnten Jahre ein Kern im kleinen Trochanter hinzu. Dieser aber verschmilzt zu- 
erst mit dem Körper, ihm folgt der grosse Trochanter, dann der Kopf und zuletzt, 
im zwanzigsten Jahre, vereinigt sich die untere Epiphyse mit dem Körper. Beim 
Greise ist besonders das Schwinden der spongiösen Substanz des Schenkelhalses 
verhängnissvoll, Ursache der in höhe'em Alter so häufigen Brüche dieses Knochen- 
theiles. 


c- Unterschenkelknochen. 


Das Skelett des Unterschenkels besteht aus drei Knochen. Zwei der- 
selben, Tibia und Fibula, sind eylindrisch und stellen in Verbindung mit 
einander und mit dem Lig. inlerosseum einen ähnlichen, der Länge nach 
rinnenförmig vertieften Rahmen zur Aufnahme der Muskeln dar, wie die 
beiden Knochen des Unterarms; der dritte Knochen, Patella, ist platt, 
einem Sesambein ähnlich in die Sehne der Streckmuskeln eingeschlossen 
und durch ein festes Band an die Tibia geheftet. 

Von den beiden cylindrischen Knochen des Unterschenkels ist die 
Tibia allein zur Articulation mit dem Schenkelbeine bestimmt; zugleich 
liefert sie auch den grösseren Beitrag zur Gelenkfläche des Knöchels. Aus 
diesem Grunde ist das Uebergewicht der Stärke des medialen Knochens 
über den lateralen am Unterschenkel viel bedeutender als am Unterarme. 
Die Fibula ist ein verhältnissmässig dünner Pfeiler, als Stütze unter den 
am meisten über den Körper vorspringenden Theil des oberen Endes der 
Tibia gestellt. 

Der Körper der Tibia ist nur sehr schwach vor- und medianwärts 
gebogen, der Körper der Fibula fast vollkommen gerade. Da nun ausser- 
dem die Fibula an ihren Enden nur wenig dicker ist als am Körper und mit 
dem oberen Ende unterhalb des Randes der Tibia befestigt, mit dem unte- 
ren Ende in einen Ausschnitt der Tibia eingelassen ist: so ist der Zwischen- 
raum zwischen beiden Knochen verhältnissmässig geringer als am Arme 
und besonders im unteren Drittel auf eine schmale (8”” breite) Spalte redueirt. 


Unterschenkelknochen. 259 


Dieser Spalte und dem Lig. interosseum wendet sowohl die Tibia als 
die Fibula eine Kante, Crösta inlerossea, zu, in welcher an jedem dieser 


Tibia und Fibula verbunden, 


beiden Knochen die Flächen sich verbinden, 
welche den Muskeln der Streck- und Beuge- 
seite zur Anheftung dienen. Aber die Crista 
interossea ist an den Knochen des Unterschen- 
kels nicht die schärfste Kante; schärfer ist, 
besonders an der Tibia, die Kante («), in wel- 
cher die vordere und mediale Fläche zusam- 
menstossen !), so wie auch diese beiden Flä- 
chen unter einem spitzeren Winkel gegen ein- 
ander gestellt sind als die entsprechenden Flä- 
chen der Ulna. 

Am oberen und unteren Ende nimmt die 
Tibia vorzugsweise im transversalen Durch- 
messer zu und die Endflächen, vermittelst wel- 
cher sie dort mit dem Schenkelbein, hier mit 
dem Sprungbein artieulirt, haben dort eine 
elliptische, hier eine länglich vierseitige Form. 
Die grosse Axe jener Ellipse und die längste 
Seite dieses Vierecks liegen aber nicht paral- 
lel; sie schneiden einander in einem Winkel 
von etwa 20° und die Tibia erscheint demnach 
in geringem Maasse und zwar mit dem late- 
ralen Rande des unteren Endes nach hinten 
um ihre Längsaxe gedreht. Stellt man die 
Tibia mit der grossen Axe der oberen Gelenk- 
fläche genau transversal, so weicht die längere 
Seite der unteren Gelenkfläche mit dem late- 
ralen Ende rückwärts von der Transversalen 
ab. Bei dieser Stellung wendet sich der Fuss, 
dessen Längsaxe rechtwinklich auf die längere 


von vorn, Tp Tuberos. patell. Seite der unteren Gelenkfläche steht, mit der 


Fig. 251. 


Horizontaldurchschnitt 
der Unterschenkel- 
knochen nach den Linien 
x und y, Fig. 250. 


') Crista tbiae aut. 


Spitze lateralwärts, so weit, das die medialen 
Ränder beider mit den Fersen aneinandergeschlosse- 
nen Füsse einen Winkel von etwa 40 — 50° einschliessen. 
Offenbar ist diese Stellung des Fusses und so auch die 
entsprechende der Tibia die eigentlich natürliche. Da- 
bei aber hat die Fläche des Körpers der Tibia, an 
welcher die Muskeln der Streckseite entspringen, 
Streckfläche, Jacies extensoria, eine bis gegen das 
untere Drittel fast genau sagittale Lage und die der 
Crista interossea gegenüberliegende freie Fläche könnte, 
ihrer Richtung nach, mit eben so viel Recht vordere 
wie mediale Fläche genannt werden. 
Die Haupternährungslöcher, in schräg absteigende 


[>] 


1 line 


1. Patella. 


2. Tibia. 


260 Patella. Tibia. 


Canäle führend, liegen hinter der Crista interossea, auf der Tibia an der 
unteren Grenze des oberen Drittels, auf der Fibula etwas tiefer. 


1. Patella, Kniescheibe }). 


Die Patella ist platt, elliptisch mit horizontal gestelltem grösseren 
Durchmesser. Ihre Vorderfläche ist econvex, durch verticale Rinnen und 
Spalten (Gefässöffnungen) rauh, ringsum abfallend oder abgerundet gegen 

Fig. 252. Fig. 253. Fig. 254. den Rand, in welchem sie sich mit der 
hinteren Fläche verbindet und hier und 
da in der Nähe dieses Randes, dem 
Rande parallel, gefurcht. Die Mitte 
des oberen Randes springt zuweilen in 
Form einer stumpfen Spitze vor; der 
untere Rand wird fast in der ganzen 
Patella. Fig. 252 von vorn, Fig. 253 von Breite verdeckt durch einen unmittelbar 

a Mer se Durch“ über diesem Rande von der Vorder- 

; fläche des Körpers entspringenden und 
gerade oder leicht rückwärts gebogen herabragenden platten, stumpf-spitzen 
Fortsatz, Apex patellae, dessen vordere Fläche eine unmittelbare Fort- 
setzung der Vorderfläche des Körpers der Kniescheibe ist. Derselbe wird 
von dem Lig. patellae umfasst. 

Die hintere Fläche der Patella ist Gelenkfläche, überknorpelt, sattel- 
förmig, von oben nach unten eoncav und von einer’Seite zur anderen eon- 
vex, doch auch gegen die Seitenränder wieder flach ausgehöhlt. Die 
stärkste Wölbung, eine stumpfe, verticale Leiste, liegt medianwärts neben 
der Mitte des Knochens; sie passt in die Aushöhlung der Gelenkfläche des 
Schenkelbeins, auf welcher die Patella gleitet. 


A 


Die Patella des Neugebornen ist knorplich ; die Verknöcherung beginnt erst im 
vierten bis sechsten, nach Sömmerring zuweilen erst im zehnten Jahre und ist 
im fünfzehnten bis zwanzigsten vollendet. 


2. Tibia, Schienbein 2). 


An dem Körper der Tibia ist die mediale Fläche, welche, wie er- 
wähnt, eine mittlere Richtung zwischen der frontalen und sagittalen hat 
und in ihrer ganzen Ausdehnung durch die Haut durchgefühlt werden 
kann, vollkommen glatt, leielit vom vorderen zum hinteren Rande gewölbt. 
Die im grössten Theile ihrer Länge lateralwärts gewandte Streckfläche 
ist glatt und mehr oder minder rinnenförmig ausgehöhlt. Die hintere 
oder Beugefläche ist gewölbt oder durch eine stumpfe Kante der Länge 

nach getheilt und oben von einer schrägen rauhen Linie, Linea poplitea >), 
durchzogen, welche unterhalb des oberen Drittels des medialen Randes der 
hinteren Fläche beginnt und an der lateralen Ecke des oberen Endes der 
Tibia sich verliert. Sie läuft dem unteren Rande des M. popliteus paral- 
lel und rührt von der Anheftung eines Theiles des M. soleus her. Die 


1) Rotula. ”) Focile majus. Canna major. 3) Linea obliqua. 


Tibia. 261 


Crista inlerossea ist im oberer Theile nicht viel mehr als eine rauhe 
Linie, die über die Wölbung, mit welcher die vordere und hintere Fläche 
in einander überge- 
hen, herabzieht, erst 
an der Grenze des 
oberen und mittleren 
Drittels des Knochens 
bildet sie sich zu einer 
deutlichen Kante aus. 
Die scharfe vordere 
Kante ist leicht S-för- 
mig gebogen; im obe- 
ren Drittel des Kör- 
pers lateralwärts con- 
cav, im mittlern Drit- 
tel medianwärts con- 
cav, verflacht sie sich 
im Anfang des untern 
Drittels (Fig. 250). 
Aus dem Kör- 

per der Tibia ent- 
wickelt sich das obe- 
re Ende ungefähr 
wie der Knauf einer 
Säule aus dem Schaft, 
nur dass die Ausla- 
dung nicht gleichför- 
mig im ganzen Um- 
fange, sondern haupt- 
sächlich nach den Sei- 
ten stattfindet. Die 
hintereFläche nimmt 
von der Gegend des 
‚unteren Endes der 
Linea poplitea an all- 
mälig und nach beiden Seiten gleichmässig an Breite zu, an den Seitenrän- 
dern sanft ausgeschweift und gegen den oberen Rand leicht nach hinten über- 
gebogen. Vorn entsteht aus der vorderen Kante oder vielmehr indem sich 
diese Kante im Bogen lateralwärts wendet, medianwärts neben derselben 
(vgl. Fig. 250) ein dreiseitiges Feld, die Basis gegen den oberen Rand des Kno- 
chens gewendet, die Spitze in Form eines langgezogenen, mit einer trans- 
versalen oder schrägen rauhen Leiste versehenen Wulstes, Tuberosilas 
patellaris '), über die Oberfläche vorragend, indess der über diesem Wulst 
gelegene Theil der Fläche, parallel der hinteren Fläche, im Aufsteigen 
rückwärts weicht. Die Leiste der Tuberositas patellaris ist die Anheftungs- 
stelle des Ligam. patellae. Die Einschiebung dieser dreiseitigen Fläche 


Tibia von hinten, von der lateralen Seite. 


») Tuberositas s. spina tibiae. 


262 Tibia. 


treibt die Streckfläche und die mediale Fläche des Körpers auseinander 
und ertheilt ihnen zugleich eine Neigung abwärts. Der oberste Theil der 
Tibia endlich, welcher die Endfläche trägt, ist ein fast verticaler (16” ho- 
her) rauher Rand, Margo infraglenoidalis m., in den die dreiseitige 
Vorderfläche des oberen Endes der Tibia geradezu, die Seitenflächen mit- 
telst stumpfer Kanten übergehen und der nur in der Mitte der hinteren 
Fläche auf eine kurze Strecke (22"m) unterbrochen und durch eine ein- 
fache Kante ersetzt ist, welche die hintere Fläche von einer vertieften Stelle 
der oberen Fläche scheidet. Der Margo infraglenoidalis endet an jeder 
Seite dieser Kante mit einer abgerundeten Ecke; unter jeder Ecke findet 
sich eine Hervorragung; die mediale ist eine einfache Spitze oder Rauhig- 
keit, Insertionsstelle des M. semitendinosus; die laterale trägt eine rund- 
Fig. 257. liche oder dreiseitige, ganz seicht ausgehöhlte, ab- 
Fia und rückwärts schauende Gelenkfläche, Super- 
ficies articularis fibularis \), mit welcher das 
obere Ende der Fibula artieulirt. Die obere End- 
fläche hat zwei flach vertiefte, zur Aufnahme der 
beiden Condylen des Oberschenkels bestimmte Ge- 
lenkflächen zu den Seiten einer mittleren, von vorn 
nach hinten ziehenden Rauhigkeit. Diese Rauhig- 
keit ist sanduhrförmig, vom vorderen und hinteren 
Obere Endfläche der Tibia, Rande der Fläche gegen die Mitte verschmälert. 
Der schmale mittlere Theil, Eminentia inter- 
condyloidea 2), ragt über das Niveau der beiden Gelenkflächen vor; von 
ihm aus fallen die rauhen Flächen nach vorn und hinten ab bis unter das 
Niveau der Gelenkflächen, Gruben darstellend, aus welchen die Ligg. eru- 
ciata des Kniegelenks entspringen; die vordere Grube, F'ossa inter- 
condyloidea ant., ist breiter, die hintere, F'. ö. post., tiefer. Die Ge- 
lenkflächen, von welchen die mediale meist merklich grösser ist als die 
laterale, sind halbkreisförmig oder elliptisch mit sagittal gestellter grosser 
Axe und mit einer Ausbuchtung, welche sich an der Eminentia intermedia 
oder an einem scharfen Kamm heraufzieht, der andererseits nach der Emi- 
nentia intermedia abfällt. 


4 Fip 


Gegen den unteren Rand wird die Tibia vierseitig prismatisch ver- 
möge einer Fläche, welche sich aus der Crista interossea entwickelt, ab- 
wärts im sagittalen Durchmesser an Breite zunimmt, sich zugleich in der- 
selben Richtung aushöhlt, eine Aushöhlung, welche durch stumpfe Vorsprünge 
der Bänder noch vermehrt wird, und mit concavem unteren Rande endet. 
In dieser Fläche, der Incisura fibularis (Fig. 256), ruht das untere Ende 
der Fibula. Vor derselben wird die von der Crista interossea und der vor- 
deren Kante eingeschlossene, bis dahin lateralwärts gerichtete Streekfläche zu 
einer vorderen und nimmt an Breite zu, indem die vordere Kante sich, ab- 
gestumpft, etwa an der Grenze des mittleren und unteren Drittels des Körpers 
schräg medianwärts wendet, um an der vorderen medialen Ecke der unteren 
Gelenkfläche zu enden (Fig. 250). In demselben Maasse, wie die Streck- 
fläche nach vorn umlenkt, gelangt die mediale Fläche, welehe am Körper 


) 8. a. lateralis. ?) Spina intercondyloidea, intermedia, media. 


Fibula. 263 


stark nach vorn gekehrt war, in eine reiner medianwärts schauende Stel- 
lung, während zugleich die hintere Fläche, medianwärts an Breite zuneh- 
mend, sich entschiedener rückwärts richtet. Wie bei der natürlichen Hal- 
tung des Fusses die vordere und hintere Fläche des unteren Endes der 
Tibia aus der frontalen Lage mit dem lateralen Ende rückwärts weichen, 
wurde oben bereits angegeben. Beide Flächen sind, gleich der medialen, 
schwach gewölbt (nur bei sehr starker Musculatur ist die vordere Fläche, 
auf welcher die Strecksehnen gleiten, im transversalen Durchmesser con- 
cav); die mediale Fläche geht in ihrer ganzen Breite auf einen abwärts 
ragenden, abgestutzten oder abgerundeten Fortsatz, den inneren Knöchel, 
Malleolus medialis, über, welcher an den Proc. styloideus des Radius 
erinnert. Von der hinteren Fläche ist jener Fortsatz durch eine schräg 
ab- und medianwärts verlaufende, von zwei niederen Leisten eingefasste 
Rinne, Sulcus malleoli medialis. geschieden, in welcher sich Sehnen 
der Beugemuskeln bewegen, Fig. 255. Gegen die Endfläche schrägen sich 
sowohl die vordere und hintere Fläche, als auch der Knöchel mit einem 
niederen rauhen Rande ab, welcher zur Anheftung der Bänder bestimmt 
und am Knöchel zu diesem Ende mit einer Einbiegung versehen ist. 

Die untere Gelenkfläche der Tibia geht von der Endfläche des Körpers 
auf die laterale Fläche des medialen Knöchels unter einem Winkel von 
wenig mehr als 90° über. So weit sie dem Knöchel angehört, ist die 
Gelenkfläche dreiseitig mit verticalem Vorderrande (15mm hoch) und ab- 
gerundeter Spitze.- Die Endfläche des Körpers habe ich länglich-vierseitig 
genannt; doch ist an den Seitenrändern eine schwache Convergenz nach 
hinten, am vorderen und hinteren Rande eine Convergenz gegen den me- 
dialen Knöchel zu bemerken, so dass sich die Form der ganzen Gelenk- 
fläche, so weit sie der Tibia angehört, einem Dreieck mit ‚abwärts ge- 
bogener Spitze nähert. Sie ist im sagittalen Durchmesser concav, mit einer 
sehr schwachen, mittleren, sagittalen Erhabenheit, am Uebergange vom 
Körper zum Knöchel besonders im hinteren Theile sanft ausgerundet. 

Zur Zeit der Geburt ist das Mittelstück der Tibia verknöchert; die obere Epi- 
physe, eine platte Scheibe, von deren unterem Rande vorn in Form eines zungen- 
förmigen Fortsatzes die Tuberositas patellaris herabragt, enthält in der Regel bereits 
einen Knochenkern, der aber öfters auch erst innerhalb des ersten Jahres nach 
der Geburt entsteht. Die Verknöcherung der unteren Epiphyse beginnt im ersten 
bis zweiten Lebensjahre. Die Epiphysen verbinden sich mit dem Körper im acht- 
zehnten bis fünfundzwanzigsten Jahre, die unteren früher als die oberen. 

Sharpey sah einen besonderen Knochenkern in der Tuberositas patellaris und 
B&clard einen solchen im medialen Knöchel. 


3. Fibula, Wadenbein!). 


Der mittlere Theil des Körpers der Fibula zeigt in der Regel drei 
scharfe, gerade oder etwas gebogene Kanten und drei Flächen, eine me- 
diale, gegen die Tibia gewandte, eine laterale und eine hintere. Die me- 
diale und laterale Fläche stossen in der vorderen scharfen Kante zusam- 


') Perone, Focile minus. (anna minor, 


3. Fibula, 


264 Fibula. 


men; die Kanten, in welchen die mediale und laterale Fläche sich mit der 
hinteren Fläche verbinden, sind stumpfer (vgl. Fig. 251). Unter diesen 
drei zuerst auffallenden Kanten befindet sich die Crista interossea nicht. 
Diese ist vielmehr auf eine stumpfe. im mittleren Theile des Körpers wenig 
ınarkirte Linie redueirt, welche der Länge nach über die mediale Fläche 

Fig. 258. herabzieht. Demnach liegen auch die Flächen , von 
welchen je die Streck- und Beugemuskeln entspringen, 
fast in einer Ebene, als vordere und hintere Hälfte 
der medialen Fläche. Doch wird auch die hintere 
Fläche etwa von dem unteren Ende des oberen Drit- 
tels an für den Ursprung von Beugemuskeln (Flex. 
hall. long.) in Anspruch genommen, während sie gegen 
das obere Ende frei, d. h. nur von den Wadenmuskeln 
bedeckt ist. An der lateralen Fläche nehmen die Mm. 
peronei ihren Ursprung. 

Dicht unterhalb des oberen Endes verschmälert 
sich die mediale Fläche, die vordere Kante plattet sich 
ab und der Knochen erhält einen fast ceylindrischen, 
von vorn nach hinten comprimirten Hals, aus welchem 
der verdickte Kopf, Capiftulum, hervorgeht. Der 
Kopf überragt den Körper ziemlich gleichmässig nach 
allen Seiten; er besitzt eine schräg ab- und median- 
wärts abgestutzte Endfläche, welche am oberen Theile 
des hinteren Randes die der Superf. articularis fibularis 
der Tibia entsprechende, leicht ausgehöhlte Gelenk- 
fläche, Superf. articularis tibialis, trägt. Der seit- 
liche Umfang ist in drei stumpfe Höcker oder Zacken 
getheilt, von welchen die mittlere (bf) die höchste ist; 
sie dient dem Biceps fem. zur Insertion; von der vor- 
deren (pl) entspringt ein Kopf des M. peroneus 1., von 
der hinteren (s) ein Kopf des Soleus. 

Das untere Ende der Fibula ist an der der Ti- 
bia zugewandten Seite plan, lateralwärts verdickt, im 
Ganzen dreiseitig prismatisch, wie der Körper, aber mit 
etwas veränderter Lage der Flächen. Die hintere Fläche 

N ist nämlich schon am oberen Ende des unteren Drit- 
Fi ..,.. tels des Körpers mit dem hinteren Theile der medialen 
ibula, von der medialen 
Seite. Fläche zusammengeflossen; dagegen zerlegt sich die 
laterale Fläche in zwei Flächen, eine schräg vor- und 
eine schräg rückwärts schauende, durch eine Kante, welche an dem oberen 
Ende des unteren Viertels des Körpers aus der vorderen Kante ihren Ur- 
sprung nimmt. Die Crista interossea, welche unterhalb der Verbindung 
der hinteren Fläche mit der medialen an Schärfe gewonnen hat, geht zu- 
letzt, sich allmälig ausbreitend, in eine Fläche über von verschoben vier- 
seitiger Form, die mit der Einen längeren Diagonale vertical, mit der kür- 
zeren Diagonale sagittal gestellt ist. Die sagittale Diagonale theilt diese 
Fläche in zwei Dreiecke, ein oberes spitzwinkliches, dessen Höhe (50mm) 
die Höhe des unteren, ziemlich gleichseitigen, um mehr als das Doppelte 


Knochen des Fusses. 265 


übertrifft. Die obere dreieckige Fläche (*) ist rauh und passt in die Inci- 
sura fibularis der Tibia. Das untere Dreieck (**) ragt über diese Ineisur 
abwärts hervor; es ist überknorpelt, in der Mitte 
vertieft und gegen die Ränder schwach gewölbt; 
der überknorpelten Fläche des medialen Knöchels 
gegenüber, aber höher, d. h. weiter nach unten 
sich erstreckend, als diese, vervollständigt es die 
Gelenkfläche des Unterschenkels, die den Kopf 
des Sprungbeins aufnimmt. 

Die seitlichen Flächen des unteren Endes 
der Fibula verlängern sich auf einen, dem Proc. 
styloideus der Ulna ähnlichen, aber platteren und 
breiteren Fortsatz, den lateralen Knöchel, Mal- 
leolus lateralis, welcher mit abgerundeter 
Frontaldurchschnitt der Unter- Spitze, schwach medialwärts gekrümmt, rück- 
schenkel- und Fusswurzelkno- nd abwärts iiber das untere Enıle des Knochens 
chen. Ta Sprungbein, (a Fer- h 

senbein. hervorragt. Er macht die laterale Begrenzung 

einer an der hinteren Fläche des lateralen Knö- 

chels vor- und abwärts verlaufenden Furche aus, des Swlcus malleoli 
lateralis, in welcher die Sehnen der Mm. peronei gleiten. 


Die Epiphysen der Fibula sind zur Zeit der Geburt noch vollkommen knorp- 
lich; der Knochenkern der unteren bildet sich-früher als der der oberen, jener im 
zweiten, dieser im vierten Jahre. Die Verschmelzung der Epiphysen mit dem 
Körper findet in derselben Ordnung und um Weniges später, wie in der Tibia, Statt. 


d Knochen des Fusses. 


Die Knochen der Fusswurzel und des Mittelfusses setzen eine im sa- 
gittalen und transversalen Durchmesser aufwärts gewö bte Platte zusammen. 
Auf dem Gipfel derselben ist der Unterschenkel eingelenkt; sie stützt sich auf 
den Boden hinten mit dem Rände des Fersenbeins, vorn mit den vorderen 
Gelenkenden der Mittelfussknochen, insbesondere der grossen und fünften 
Zehe, mit dem vorderen Ende des Mittelfussknochens der grossen Zehe durch 
Vermittelung des Sesambeine. Ein Loth, von dem höchsten Punkte der 
oberen Gelenkfläche des Sprungbeins gefällt, trifft die Sehne des (rewölbes 
etwa an der Grenze des ersten und zweiten Viertels von hinten an gezählt. 
Das vordere Ende des ersten Mittelfussknochens ragt indess etwas weiter 
nach vorn als das vordere Ende des fünften; das Gewölbe ist deshalb am 
Grosszehenrande weiter gespannt als am Kleinzehenrande: beide Sehnen 
verhalten sich zu einander wie 8:9. Auch die Höhe der Wölbung ist 
geringer an der Kleinzehen- als an der Grosszehenseite. Dies hängt zu- 
sammen mit der Form der transversalen Wölbung, welche ihre grösste 
Höhe unweit des medialen Fussrandes hat und medianwärts steiler als late- 
ralwärts abfällt, zugleich aber gegen den lateralen Rand sich weiter ab- 
wärts senkt, als gegen den medialen. Die Wölbung im Ganzen ist in der 
Nähe der Zehen flach und nimmt gegen das Knöchelgelenk allmälig zu; in 
derselben Richtung mindert sich die Breite des Fusses. So erinnert seine 
Gestalt an die eines Fächers, dessen Stäbe, am bogenförmigen Rande 


d. Fuss. 


266 Knochen des Fusses. 


horizontal ausgebreitet, sich gegen die Spitze hin vertical auf einander schich- 
ten. In der That kann der Fuss der Länge nach in zwei Abtheilungen zer- 


Fig. 260. 


St Cb M5 3 


Spl 


Fig. 260 Profilansicht des Fusses von der Grosszehenseite. Fig. 261 desgl, von der Klein- 

zehenseite. («a Fersenbein, 7’a Sprungbein, N Schiffbein, CI, CII, CHI erstes bis drittes 

Keilbein, Cb Würfelbein, M1, M5 Mittelfussknochen der ersten und fünften Zehe, Os Se- 

sambein, Si Sinus tarsi, Sfhl Suleus flex. hall. longi, Sp! Suleus m. peron. longi, Tn 
Tub, oss. navicul. 


legt werden (Fig. 264), welche mit den vorderen Enden neben einander in 
einer Horizontalebene liegen, nach hinten aber sich so gegen einander ver- 
schieben, dass die mediale Abtheilung über die laterale zu liegen kommt. 
Die Grenze beider Abtheilungen fällt zwischen die dritte und vierte Zehe; 
die Spalte zwischen dem dritten und vierten Mittelfussknochen setzt sich 
in der Fusswurzel fort zwischen dem dritten Keilbein, Kahn- und Sprung- 
bein einerseits und dem Würfel- und Fersenbein andererseits; der Schnitt 
aber, welcher beide Abtheilungen von einander trennen sollte, müsste an 
den vorderen Enden der Mittelfussknochen vertical, an den hinteren Enden 
derselben Knochen schräg ab- und medianwärts geführt werden und, je 
weiter nach hinten, um so mehr-in die horizontale Richtung übergehen. 
Die laterale Abtheilung ist ein in sagittaler Richtung flacher Bogen; die 
Knochen der medialen Abtheilung liegen in einer vor- und abwärts ge- 
neigten Ebene. Die mediale Abtheilung ist, besonders nach vorn, breiter 
als die laterale, da jene drei Zehen, und zwar die drei grösseren, diese 
nur zwei Zehen begreift; an Länge sind sie einander ungefähr gleich, da 
die mediale Abtheilung sich weiter vorwärts, die laterale dagegen um die 
Länge der Ferse weiter rückwärts erstreckt. Vergleicht man beide Abthei- 
lungen mit einander, so entspricht dem Fersenbein in der einen das Sprung- 


Knochen des Fusses. 267 


bein in der anderen; die Analogie der Mittelfussknochen und Zehen der 


Fig. 262 Knochen des Fusses von oben. 
den Linien w, x, y, z Fig. 262. 


Knochen des Fusses von oben, der Länge 


Fig. 264. 


Fig. 263. 


BR 


pt u 
‚ R) Be y Ge 
Dann ae 

IR BON AR NICH, 


W 


® ee 
u) = 
PLs + PL, 


Fig. 263 Horizontaldurchschnitt des Fusses nach 


Ct Canalis tarsi, Sz Sustentaculum tali des Fersenbeins, 
Pl Proc lateralis des Sprungbeins, P/ Grundphalange. 


nach in zwei Abtheilungen zerlegt. Tu 


Tuberos. 


oss,. navicularis. 


einen und anderen Abtheilung versteht 
sich von selbst. Aber an der Stelle 
des Kahnbeins und der drei Keilbeine, 
welche in der medialen Abtheilung den 
Raum zwischen dem hintersten Knochen 
der Fusswurzel und dem Mittelfuss er- 
füllen, liegt in der lateralen Abtheilung 
ein einziger Knochen, das Würfelbein, 
das sich demnach als Aequivalent eines 
Kahnbeins und zweier Keilbeine für 
den vierten und fünften Mittelfusskno- 
chen betrachten lässt. Der Vortheil 
dieser Betrachtungsweise liegt darin, 
dass sie anschaulich macht, an welchen 
Stellen des Fusses die Spalten zwischen 
den Knochen von Einem Seitenrande 
zum anderen durchgreifen. Die vor- 
deren Endflächen des Sprung- und Fer- 
senbeins (Fig. 265) liegen fast in dersel- 
ben frontalen Ebene; die Gelenke der 
Fusswurzel mit dem Mittelfuss und der 
Phalangen mit der Fusswurzel schliessen 
sich an einander in Ebenen, welche 


a, Fuss- 
wurze]. 


268 Fusswurzelknochen. 


dem vorderen Rande des Fusses parallel und, mit Ausnahme des Mittel- 

Fig. 265. fussknochens der zweiten Zehe, ziemlich gleich- 
mässig vom Grosszehen- zum Kleinzehenrande 
rückwärts weichen. Ein Schnitt aber in das Ge- 
lenk zwischen dem Kahnbein und den Keilbeinen 
stösst auf das Würfelbein"und lässt sich nicht bis 
zum Kleinzehenrande des Fusses fortsetzen. 


Fersen- und Sprungbein in 2 
Verbindung, von vorn. &@. Fusswurzelknochen, Ussa tarsı. 
St Sinus tarsi. 


Die Knochen der Fusswurzel nehmen mit rauhen Flächen an der Bil- 
dung des Fussrückens, des Hohlfusses und der Seitenränder des Fusses 
Theil; die Flächen, welche sie einander zuwenden, sind zum Behuf der 
Artieulation überknorpelt. Doch bleibt namentlich an den medialen und 
lateralen Binnenflächen ein verhältnissmässig grosser Theil rauh; die Ge- 
lenke nehmen nur Streifen in der Nähe des oberen Randes ein, und die 
Knochen, die am Fussrücken dicht verbunden scheinen, entfernen sich in 
der Fusssohle von einander und lassen Lücken, die von Bandmasse aus- 
gefüllt werden (Fig. 263 «). 

Man hat in Betreff der den Flächen der Fusswurzelknochen zu erthei- 
lenden Bezeichnung zwischen zwei Methoden zu wählen, welche ich als 
anatomische und physiologische einander gegenüberstellen möchte. Nach 
der physiologischen Methode unterscheidet man Flächen, welche zur Bil- 
dung des Fussrückens, der Sohle, der Gelenke bestimmt sind, und unter 
den letzteren wieder Flächen zur Artieulation mit höheren, mit tieferen, 
mit Nebenknochen u. s. f£e. Die anatomische Methode dagegen unterscheidet 
die Flächen nur nach ihrer Richtung. Eine Fläche im physiologischen 
Sinne kann z. B. von dem vorderen auf den Seitentheil eines Knochens 
übergehen; eine Fläche im anatomischen Sinne kann theilweise der Arti- 
eulation mit Nebenknochen, theilweise der Artieulation mit Knochen einer 
tieferen Reihe dienen. Auf diese Schwierigkeit trafen wir schon bei den 
Knochen der Handwurzel, doch liess sie sich dort umgehen, weil die mei- 
sten Flächen der Handwurzelknochen gekrümmt sind und sich allmälig aus 
Einer Richtung in die andere wenden. An den Knochen der Fusswurzel 
dagegen setzen sich die Flächen mit scharfen Kanten gegen einander ab, 
und es tritt deshalb der Untersebied der Richtung auffallender hervor als 
der Unterschied der Function. : Hierzu komnit noch, dass bei der Art, wie 
die Handwurzelknochen angeordnet sind, die Flächen von gleicher Rich- 
tung auch in der Funetion übereinstimmen: überall ist zur Articulation mit 
den Knochen der höheren Reihe die obere Fläche, mit den Knochen der 
tieferen Reihe die untere Fläche bestimmt. Die eigenthümliche Verschie- 
bung der Fusswurzelknochen, welche oben S. 208.besprochen wurde, das 
Emporsteigen des Sprungbeins über seine Nachbarn und die Knickung 
der Längsaxe des Fusses bedingen es, dass hier die bezüglich der Lage 
gleichnamigen Knochenflächen eine verschiedene Function haben, und um- 
gekehrt. Nachdem ich an der eitirten Stelle die Bedeutung der einzelnen 
Knochen der Fusswurzel, im Vergleich zur Handwurzel, erörtert habe, 


Fersenbein. 269 


woraus sich die Bedeutung der Flächen von selbst ergiebt, so werde ich 
mich im Folgenden bei der Benennung und Einzelbeschreibung der Flächen 
nur an deren Richtung halten. Ich abstrahire dabei von der geringen Dre- 
hung um die verticale Axe, welche die Knochen bei der dem Fusse natür- 
lichen Seitwärtswendung der Spitze (S. 259) erfahren, und nehme die Axe, 
um welche das Sprungbein sich auf- und abbewegt, genau transversal ge- 
stellt an. 

Die Grundform der Fusswurzelknochen ist der Würfel, Grundform frei- 
lich nur insofern, als wir an jedem dieser Knochen je sechs paarweise ein- 
ander gegenüberliegende Flächen erkennen, während jeder einzelne sich 
bald durch das Ueberwiegen des einen oder anderen Durchmessers, bald 
durch Wölbung oder Aushöhlung der Flächen und bald dureh die Conver- 
genz derselben wesentlich von der Würfelgestalt entfernt. Durch die ge- 
wölbte Form der Fusswurzel erhalten insbesondere die Knochen der zwei- 
ten Reihe gleich den entsprechenden der Hand, aber in noch auffallenderm 
Grade, die Gestalt von Keilen mit gegen die Sohle gerichteter Schneide. 


1. Fersenbein, Calcaneus }). 


Das Fersenbein ist länglich vierseitig, der längste Durchmesser fast 
parallel der Längsaxe des Fusses, nur wenig mit dem vorderen Ende late- 
ralwärts abweichend. Dieser Durchmesser übertriflt fast um das Doppelte 
die Höhe des Knochens am hinteren Rande, während die Höhe sich zur 
Breite an dieser Stelle etwa wie 4 : 3 verhält. Am vorderen Ende ist das 
Fersenbein ansehnlich (um etwa 1/,) niedriger, als hinten (Fig. 266); eine 
geneigte Fläche führt in der Mitte 
der Länge des Knochens von dem 
höher gelegenen Theile der oberen 
Fläche zu dem tieferen herab?). Ne- 
ben diesem Abhange findet sich vom 
medialen Rande ausgehend ein plat- 
ter, halbkreisförmiger Anbau, dessen 
obere Fläche, ebenfalls vorwärts ge- 
neigt, mit der oberen Fläche des Fer- 
senbeinkörpers in Einer Flucht liegt, 
dessen untere, rück- und abwärts 
schauende Fläche mittelst einer sanf- 
ten Aushöhlung aus der Seitenfläche 
des letzteren hervorgeht, dessen freier Rand, rauh und wulstig, von hinten 
nach vorn an Höhe abnehmend, abwärts überhängt. Der Anbau, der das 
Sprungbein tragen hilft, wird Sprungbeinfortsatz, Susienlaculum 
tali 3), genannt (Fig. 266, 267, vgl. Fig.263 w). Die Fläche, durch welche 
das Fersenbein mit dem Sprungbein sich verbindet, nimmt den Abhang des 
Fersenbeinkörpers und des Sustentaculum tali ein. Sie dehnt sich vom 
oberen (hinteren) Rande des Abhanges rück- und medianwärts abfallend, 


Fersenbein, von der Grosszehenseite. 


) Os caleis. ®) Der niedrigere Theil des Fersenbeins wird vorderer Fortsatz, Proc. 
ant. calcanei, genannt, 2) Proc. lateralis. 


1. Fersen- 
bein. 


270 Fersenbein. 


eine kleine Strecke auf den höher gelegenen Theil der oberen Fläche des 

Fersenbeins aus und geht von der vorderen Spitze des Sustentaculum tali 

mehr oder minder weit am medialen Rande des niedrigeren Theiles der 

oberen Fläche des Fersenbeinkörpers, nicht selten bis zu deren vorderem 
Rande vorwärts. 

Fig. 267. # Die Flächen, vermit- 
telst welcher das Fersen- 
und Sprungbein aneinan- 
derstossen, sind aber nicht 
in ihrem ganzen Umfange 
Gelenkflächen. Regelmäs- 
sig zieht sich ein cylindri- 
scher Canal, Canalis tarsi!) 
(Fig. 263 w.), von auf ein- 
ander passenden Rinnen 
des Sprung- und Fersen- 
beins zusammengesetzt und 
von Bandmasse ausgefüllt, 
zwischen beiden Knochen 
schräg lateral- und vor- 

Fersen- and Sprungbein, das Fersenbein von der obe- wärts hin. Die Rinne des 
ren, das Sprungbein von der unteren Fläche. Fersenbeins, Sulcus in- 
lerarticularis calcanei, 

ist seichter als die des Sprungbeins; vom hinteren Rande des Sustentaeu- 
lum aus nach vorn verlaufend, scheidet sie zwei überknorpelte Flächen, 
eine breitere convexe, unregelmässig vierseitige oder elliptische und mit dem 
vorderen Ende des längsten Durchmessers lateralwärts abweichende, welche 
ganz dem Fersenbeinkörper angehört, und eine schmalere concave, welche 
sich entweder auf den medialen Theil der oberen Fläche des Sustentaculum 
beschränkt oder sich in langgedehnt elliptischer oder Biseuitform auf die 
obere Fläche des Körpers verlängert oder endlich durch eine transversale 
Furche ebenfalls in zwei Gelenkflächen getheilt wird, von welchen die eine 
das Sustentaculum, die andere die vordere mediale Ecke des Körpers ein- 
nimmt. Die Gelenkfläche des Körpers wollen wir die laterale, H'ac. art. 
lat., die von dem Sustentaculum aus nach vorn sich erstreckende die me- 
diale nennen. Entwickeln sich aus der letzteren zwei, so ist die eine die 
hintere (F'. art. med. pos!.), die andere die vordere (F'. art. med. anl.), 
die quere Rinne zwischen beiden mag sodann Suleus interarticularis 
access. heissen. Die auf einander passenden queren Rinnen des Fersen- 
und Sprungbeins setzen einen Canalis tarsi accessorius zusammen, welcher 
quer vor dem Sustentaculum vorüberführt, und, gleich dem hinteren und 
beständigen Canalis tarsi, in eine weite Grube zwischen der unteren con- 
caven Fläche des Sprungbeins und der oberen Fläche des Fersenbeins vor 
der lateralen Articulation des Sprung- und Fersenbeins ausmündet. Diese 
Grube nennen wir Sinus larsi (Fig. 265). Die obere Fläche des Fersen- 
beins, welche den Boden des Sinus tarsi ausmacht, ist platt, mit scharfen 


)) Sinus tarsi. 


Sprungbein. 271 


Kanten gegen die Seitenflächen abgesetzt, dieht am Rande der Gelenk- 
fläche grubenförmig vertieft; hinter der Artieulation ist die obere Fläche 
des Fersenbeins gewölbt, verschmälert und geht abgerundet in die Seiten- 
flächen über. 

* Von den Seitenflächen des Fersenbeins ist die Br: durch zahl- 
reiche Gefässlöcher rauh’und plan bis auf einen leisten- oder höckerartigen 
unter dem vorderen Rande der Gelenkfläche in der halben Höhe des Kno- 
chens schräg ab- und vorwärts verlaufenden Vorsprung, welcher von oben 
her eine Furche begrenzt, Sulcus M. peronei Il., Fig. 261, die die Sehne 
des genannten Muskels aufnimmt. Der Vorsprung Kan fehlen oder sich der- 
gestalt verdoppeln, dass die Sehne zwischen zwei Leisten eingeschlossen liegt. 
Die mediale Fläche ist glatt, in sagittaler Richtung leicht concav, in ver- 


tiealer durch den Uebergang auf die untere Fläche des Proe. lateralis tief 


ausgehöhlt, mit einer flachen Rinne, Sulcus M. flexoris hall. longi, 
Fig. 266, versehen. Die hintere Fläche des Fersenbeins ist besonders im 
verticalen Durchmesser gewölbt, gegen den oberen Rand verschmälert, in der 
oberen Hälfte glatt, in der unteren (durch die Anheftung der Achillessehne) 
rauh, durch einen Ausschnitt des unteren Randes inzweian die untere Fläche 
sich herumziehende und mit den Spitzen vorwärts gerichtete Zacken ge- 
theilt (Fig. 193), eine breitere mediale und eine schmalere laterale. Die 
untere Fläche, vor diesen Zacken vertieft, an den Seitenrändern abgerun- 
det, durch Poren und sagittale Furchen rauh, verschmälert sich nach vorn 
und endet unweit der vorderen Fläche mit einem stumpfen Höcker (Fig. 266*), 
welcher an der medialen Fläche hinaufzieht, indess vor demselben die me- 
diale mehr und mehr abwärts geneigte Fläche mit der lateralen in einer 
abgerundeten Kante sich vereinigt. Die vordere, überknorpelte Fläche 
(Fig. 265) ist demgemäss ein Dreieck, rechtwinklich, die Hypothenuse durch 
die Kante gebildet, welche der vorderen mit der medialen Fläche gemein 
ist, alle drei Winkel abgerundet. Sie ist durch Ueberhängen des oberen 
Randes in verticaler Richtung eoncav und durch Zurückweichen der obe- 
ren medialen Ecke in transversaler Richtung convex. Am medialen Drittel 
des oberen Randes dieser Gelenkfläche findet sich zuweilen eine schmale 
schräg aufwärts gerichtete Facette, auf welche das Schiffbein sich mit sei- 
nem Rande stützt. 


2. Sprungbein, Talus)). 


Das Sprungbein ist Träger der überknorpelten Rolle, mit welcher der » 


Fuss sich im Knöchelgelenk bewegt. Die in sagittaler Richtung gewölbte, 
in transversaler Richtung schwach ausgehöhlte obere Fläche dieser Rolle 
(Fig. 261, 263, 264) nimmt den grössten Theil der oberen Fläche des 
Sprungbeins ein; der vor der Rolle gelegene rauhe Theil der oberen Fläche 
ist nicht nur kürzer, sondern auch schmaler als der überknorpelte, und zwar 
durch Einbiegung am Kleinzehenrande verschmälert; er ist zugleich vor der 
Gelenkfläche vertieft, und auch diese Vertiefung ist am Kleinzehenrande am 
auffallendsten und wird gegen den Grosszehenrand flacher. Der vordere 
Rand der Gelenkfläche ist fast genau transversal; ihre Seitenränder zeigen 


) Astragalus, Knöchelbein. 


. Sprung- 


bein. 


272 Sprungbein. 


eine geringe Convergenz nach hinten; ihr hinterer Rand, der zugleich der 
hintere Rand der oberen Fläche ist, steigt schräg medianwärts ab (Fig. 269). 

Auf die Grosszehenfläche des Sprungbeins (Fig. 260) erstreckt sich 
der Knorpelüberzug vom oberen Rande her in Form eines halbmondförmi- 
gen Saumes, der mit seiner hinteren Spitze die hintere Ecke der oberen 
Gelenkfläche nicht erreicht, mit seiner vorderen, abgerundeten Spitze da- 
gegen über den vorderen Rand der oberen Gelenkfläche hinaus vorwärts 
ragt. Der überknorpelte Theil der medialen Fläche hat eine geringe Nei- 
gung aufwärts, die zunächst dem vorderen Rande noch etwas deutlicher 
wird. Der übrige, ziemlich rauhe Theil dieser Fläche. steht vertical; ihr 
unterer Rand ist concav, dem oberen concentrisch gebogen. 

Auf die Kleinzehenfläche des Sprungbeins (Fig. 261) geht der 
Knorpelüberzug vom ganzen lateralen Rande der oberen Fläche continuirlich 
über, vorn mit einer scharfen, hinten mit einer stumpferen Kante, die sich 
zuweilen wie eine zwischen beiden Flächen eingeschobene schmale Facette 
ausnimmt. Der überknorpelten Fläche des lateralen Knöchels ähnlich, aber 
von grösseren Dimensionen, ist diese laterale Gelenkfläche des Sprungbeins 
dreiseitig mit abwärts ragender Spitze und ungefähr ebenso hoch, als am 
oberen Rande (im sagittalen Durchmesser). breit, im oberen Theile vertical 
und gegen die Spitze sanft aufwärts geneigt, die Spitze getragen von der 
lateralwärts am meisten vorragenden Ecke, Proc. lateralis, des Sprung- 
beins (Fig. 268). Dem Rande dieser Gelenkfläche genau parallel ver- 

. läuft der untere Rand der Kleinzehenfläche des 
Sprungbeins von der hinteren Ecke an erst ab- 
und lateral-, dann auf- und medianwärts. Nur 
ein niederer Streifen rauher Oberfläche, zur An- 
heftung der Gelenkbänder rinnenförmig vertieft, 
zieht sich unterhalb der Gelenkfläche hin; er geht 
hinten aus der niederen hinteren Fläche hervor 
und grenzt vorn an den vorwärts gewandten 
Theil der unteren Fläche, welche den Sinus tarsi 

Sprungbein, von vorn, um von hinten her begrenzt. Unter der vorderen 

die horizontale Axe wenig „beren Ecke der Knöchelgelenkfläche findet sich 
aufwärts gedreht. R s = QS . S 

die Kleinzehenfläche des Sprungbeins auf eine 

ziemlich scharfe, im Bogen anfangs median-, dann vorwärts laufende Kante 

beschränkt, welche sich erst in der Nähe des vorderen Randes wieder zu 

einer Fläche entfaltet, wodurch der vordere Theil 

des Sprungbeins, von dieser Seite betrachtet, das 

Ansehen eines durch einen engen Hals von dem 
Körper abgesetzten Kopfes gewinnt !) (Fig. 268). 

Die hintere Fläche des Sprungbeins, niedrig, 
vierseitig, etwas medianwärts gewandt, mit parallelen, 
medianwärts absteigenden Seitenrändern ist von 
einer den Seitenrändern parallel verlaufenden Rinne, 
Sulcus M. flexor. hall. longti, zwischen zwei 
mehr oder minder vorspringenden rauhen Höckern 
durchzogen. Die Rinne nimmt die Sehne des Flex. 


Fal Fma er 


Fig. 269. 


Sprungbein von hinten 


2) Daher die Benennung Caput u. Collum tali. 


Sprungbein. . 273 


hall. long. auf und setzt sich in die gleichnamige Rinne des Fersenbeins 
fort. Von den beiden Seitenhöckern ragt der laterale weiter rückwärts 
und stützt sich auf die obere Fläche des Fersenbeins, der mediale liegt über 
dem hinteren Eingange des Sinus tarsı (vgl. Fig. 260). 

Die vordere Fläche des Sprungbeins ist überknorpelt, Theil einer 
Kugelfläche, breiter als hoch, mit dem oberen Rande schräg medianwärts 
abfallend. Sie greift an der unteren Fläche des Sprungbeins weiter herum 
als an der oberen, und an der medialen Seite weiter als an der lateralen. 
Das Schiffbein, welches mit der vorderen Fläche des Sprungbeins articu- 
lirt, lässt einen Streifen überknorpelter Fläche (Fig. 260, 268, 270°*) am 
unteren und medialen Rande frei, welcher zuweilen durch eine sehr stumpfe 
Kante von dem mit dem Schiffbein artieulirenden Theil der Gelenkfläche 
abgesetzt ist. Er ruht auf dem Lig. calcaneo-naviculare. Dieser Streifen 
zieht sich zuweilen medianwärts bis unter das Knöchelgelenk hin. 

Fig. 270. Die untere Fläche 
des Sprungbeins zeigt 
die beiden, durch eine 
tiefe rauhe Furche. Suw- 
cus inlerarticularis 
taıli geschiedenen Ge- 
lenkflächen, mittelst wel- 


dem Fersenbein ruht. 
Die laterale, auf dem 
Körper des Fersen- 
beins artienlirende Ge- 
lenkfläche, Face. art. 
lateralis, ist tief ausge- 
höhlt, elliptisch; sie liegt 


Fersen- und Sprungbein, das Fersenbein von der oberen, mit dem längsten Durch- 
das Sprungbein von der unteren Fläche. messer schräg lateral- 


und vorwärts und reicht 
von dem unteren Rande der hinteren Fläche zu dem vorderen Rande des 
oben erwähnten Proc. lateralis. Die mediale, mit dem Sustentaculum des 
Fersenbeins artieulirende Gelenkfläche ist verschieden geformt, je nachdem 
die Articulationsfläche des Fersenbeins sich auf das Sustentaculum be- 
schränkt, oder sich bis zum vorderen Rande dieses Knochens ausdehnt. 
In beiden Fällen geht die Gelenkfläche des Sprungbeins, Face. art. med. 
postl., hinten schmal und nach vorn sich allmälig verbreiternd, längs dem 
Grosszehenrande der unteren Fläche bis an den Knorpelüberzug der vor- 
deren. Der Gelenkfläche am vorderen Rande des Fersenbeinkörpers ent- 
spricht aber am Sprungbeine eine Facette, Face. art. med. ant.. welche 
mit der Gelenkfläche für das Sustentaculum sowie mit dem Knorpelüberzug 
der vorderen Fläche des Sprungbeins in einer stumpfen Kante zusammen- 
stösst. Findet die Articulation nur mittelst der Gelenkfläche des Susten- 
taculum und der ihr entsprechenden am Sprungbein Statt, so bleibt zwischen 
Sprung- und Fersenbein vor dem Sustentaculum eine Spalte, die sich in 
die Spalte zwischen Schiff- und Würfelbein fortsetzt. Ist am Sprungbein 

Henle, Anatomie. Thl. I. 18 


cher das Sprung- auf 


. 


S 
274 4 Schiffbein. 


wie am Fersenbein die mediale Gelenkfläche durch eine Furche, Sulcus 
inlerart. ant., in zwei getheilt, so entsteht aus den auf einander passen- 
den Furchen der bereits beim Fersenbein beschriebene Uan. tarsi accessorius. 


6} 


3. Schiffbein, Os navieulare}). 


3. Schiffbein. Das Schiffbein gleicht einer dicken, elliptischen, mit der grossen Axe 
transversal gestellten und nach der Fläche gebogenen Scheibe, welche die 
concave Fläche nach hinten, die convexe nach vorn wendet (vgl. Fig.193). 
Die hintere Fläche ist stärker gebogen als die vordere; insbesondere weicht 
'sie mit dem medialen Rande zurück. Die Scheibe nimmt daher median- 
wärts anDicke zu. Die hintere Fläche ist ein Hohlkugelabschnitt; sie ar- 
tieulirt auf der Vorderfläche des Sprungbeins. Die vordere Fläche gewinnt 
durch eine Einbiegung des unteren Randes eine nieren- oder bohnenförmige 
Gestalt. Sie ist ebenfalls Artieulationsfläche und wird durch zwei stumpfe, 
von der Mitte des unteren Randes ausgehende und nach oben divergirende 
Kanten in drei Felder getheilt, welche die drei Keilbeine aufnehmen (Fig. 
271). Das mediale Feld ist das grösste, halbelliptisch; das mittlere ist drei- 

seitig mit abwärts gekehrter Spitze, das late- 

rale vierseitig mit lateralwärts convergirendem 
oberen und unteren Rande. An den lateralen 

Rand desselben schliesst sich unmittelbar die 

sogleich zu erwähnende laterale Gelenkfläche 

an. Alle drei Felder sind fast plan oder 
schwach gewölbt und nur in der Nähe der 

Ränder etwas vertieft. 

Der Rand, welcher die beiden beschriebe- 
nen Flächen des Schiffbeins mit einander ver- 
bindet, ist grösstentheils rauh und porös. Er 
vertritt die Stelle der ohne bestimmte Gren- 
zen in einander fliessenden oberen und unte- 
ren, Gross- und Kleinzehenfläche des Knochens. 
Der medianwärts abfallende Theil des Randes 
setzt sich auf die medialeFläche einer compri- 
mirten am Grosszehenrande des Fusses stark ab- 
wärts ragenden stumpfen Zacke, T'uberosilas 

3 $ ossıs navicularis, Fig. 260, 264, fort. Der 

S Horizontalüurchach tt Ss, In Rheilsdeh Bandes 4 welcher etwa der Grenze 
chiffbeins mit den Keilbeinen > 

und dem Würfelbeine. der lateralen und unteren Fläche des Schifl- 

beins entsprechen würde, trägt in der Regel 

in der vorderen Hälfte eine halbkreisförmige mit dem geraden Rande an 

die laterale Facette der Vorderfläche anstossende Gelenkfläche, welche, la- 

teral- und abwärts geneigt, auf einer Gelenkfläche des Würfelbeins ruht. 

Seltener kommt an dieser Stelle, inVerbindung mit dem Rande der hinteren 


Gelenkfläche, ein schmaler Knorpelstreif zur Verbindung mit dem Rande 
des Fersenbeins vor. 


1) Os scaphoideum, Kahnbein, 


Erstes Keilbein. ö 275 
“ 


A. Erstes Keilbein, Os cuneiforme primum. 


Dieses Keilbein trägt zwar seinen Namen mit Recht, ist aber, der 
Regel entgegen, mit der Schneide aufwärts gerichtet (Fig. 272). Die 
Schneide, in welcher die Gross- und Klein- 
zehenfläche, beide lateralwärts gekrümmt, zu- 
sammenkommen, besteht aus zwei Abtheilun- 
gen, von welchen die hintere, längere, schräg 
vor-, median- und aufwärts, die vordere gerade 
vorwärts geht (Fig. 264). Die beiden Seiten- 
flächen sind demnach fünfseitig und die hin- 


Frontaldurchschnitt des Fusses u : a : 
durch die Keilbeine und das tere Fläche ist ansehnlich niedriger, als die 


Würfelbein. vordere. Die hintere Fläche(p) artieulirt auf 


der medialen Facette des Schiffbeins und wie- 
Fig. 273._ derholt genau deren halbelliptische Form, nur 
dass sie leicht ausgehöhlt und gegen die Ränder 
etwas gewölbt ist; die vordere Fläche, zur 
Artieulation mit dem ersten Mittelfussknochen 
bestimmt, ist leicht gewölbt, unregelmässig 
bohnenförmig, den eingebogenen Rand late- 
ralwärts gerichtet, im verticalen Durchmesser 
etwa doppelt so lang, als im transversalen 
(Fig. 274). Die Grosszehenfläche ist rauh, 


Erstes Keilbein von der im verticalen Durchmesser gewölbt, im sa- 
Kleinzehenseite. 


gittalen etwas vertieft, an der vorderen un- 
teren Ecke mit einem Eindruck versehen, 
der von der Anheftung des M. tibialis ant. und der Bänder des medialen 
Fussrandes herrührt; sie geht mit einer stumpfen Kante in die ebenfalls 
rauhe Sohlenfläche und diese ebenso in die Kleinzehenfläche über. Die 
Kleinzehenfläche hat längs dem hinteren und oberen Rande einen über- 
knorpelten Saum. Der Saum des hinteren Randes stösst in einer scharfen 
Kante mit dem Knorpelüberzug der hinteren Fläche zusammen. Der Saum 
Fig. 274. des oberen Randes ist durch eine Kante oder 

di" eine schmale Rinne gerade da getheilt, wo der 

obere Rand seine Richtung ändert. Die unter 
dem gerade vorwärts verlaufenden Theil des obe- 
ven Randes gelegene kleine, kreis- oder halbkreis- 
förmige Gelenkfläche (k“) steht mit dem zweiten 
Mittelfussknochen in Verbindung; die im Winkel 
gebogene Gelenkfläche am hinteren Theile des 
. Die drei Keilbeine, von vorn. oberen Randes und am hinteren Rande (%‘) dient 
zur Artieulation mit dem zweiten Keilbein. Der 

rauhe Theil der Kleinzehenfläche (k) ist eine Strecke weit abwärts durch 
den zweiten Mittelfussknochen und das zweite Keilbein versteckt. Zu- 
nächst dem unteren Rande liegt diese Fläche frei an der Fusssohle (Fig. 272). 


i 


4. Erstes 
Keilbein. 


5. Zweites 
Keilbein. 


6. Drittes 
Keilbein. 


276 ' Zweites, drittes Keilbein. 
® 


5. Zweites Keilbein, Os cuneiforme secundum. 


Das zweite Keilbein liegt am Fussrücken zu Tage mit einer mehr oder 
minder gewölbten rauhen, vierseitigen Fläche, welche fast eben so lang als 
breit ist, sich aber gegen den vorderen Rand hin um Weniges verschmälert; 

Fig. 275. Fie. 276. die scharfe Schneide des Keils 
liegt in der Fusssohle in einer 
Vertiefung, welche von den ein- 
ander zugewandten Flächen der 
beiden Nebenknochen begrenzt 
wird. Die vordere und hintere 
Fläche sind überknorpelt ; die hin- 
tere (p) gleichseitig dreieckig, 
die vordere, weil am oberen Rande etwas schmä- 
ler als die hintere, gleichschenklich dreieckig 
(Fig. 277); diehintere in verticaler Richtung leicht 
concav, die vordere mit einer geringen verticalen 
Wölbung zwischen zwei Concavitäten. Von den 
vierseitigen und abwärts convergirenden Seiten- 
Nlächen ist die mediale mit einem Knorpelüberzug 
versehen, welcher der eben beschriebenen Articu- 
lationsfläche am ersten Keilbein genau gleicht, die 
obere Hälfte und den hintern Theil der unteren 
Hälfte der Fläche einnimmt und in scharfen Kan- 
ten mit der hinteren und vorderen Gelenkfläche 
zusammentrifft; das vordere untere Viertel der me- 
dialen Fläche ist rauh. Die laterale Fläche ist in 
der vorderen, grösseren Hälfte (k) rauh; die Fläche zur Articulation mit dem 
dritten Keilbein (k‘), welche ihrerseits ebenfalls mit dem Knorpelüberzug der 
hinteren Fläche zusammenstösst, reicht am oberen Bande bis zur Mitte, am 
unterer nicht über das hintere Viertel und erhält durch S-förmige Einbiegung 
des vorderen Randes eine der medialen Gelenkfläche ähnliche Winkelmaass- 
form, jedoch mit kürzerem und abgerundetem horizontalen Schenkel. 


Zweites Keilbein, 
v.d. Kleinzehenseite. 


Mediale Hälfte des Fusses. 


6. Drittes Keilbein, Os cuneiforme tertium. 


Das dritte Keilbein ist im transversalen Durchmesser kleiner, in den 
übrigen Dimensionen grösser als das zweite; der transversale Durchmesser 
beträgt etwas mehr als die Hälfte des sagittalen und des verticalen. Die 
Rückenfläche, plan, rauh, gegen den Kleinzehenrand abwärts geneigt, 
weicht mit dem lateralen Ende des vorderen und hinteren Randes und zwar mit 
dem letzteren stärker rückwärts. Die Seitenränder gehen ziemlich parallel 
in stumpfwinklich gebrochenen Linien vom hinteren Rande an erst bis etwa 
zur Mitte lateral-, dann median-, endlich gerade vorwärts (vgl. Fig. 261). 
Diese Aenderungen der Krümmungen treffen zusammen mit Aenderungen 


® Würfelbein. i 277 


“ 
der Beschaffenheit der Seitenflächen, welche längs der hinteren Hälfte über- 
knorpelt, in der vorderenHälfte rauh und erst ganz in der Nähe des vorde- 
renRandes wieder überknorpelt sind. Der hintere überknorpelte Theil ent- 


Fig. 277. 


spricht medialerseits der Ge- 
lenkfläche des zweiten Keil- 
beins, lateralerseits (k‘) einer 
Gelenkfläche desW ürfelbeins; 
die Knorpelüberzüge am vor- 
deren Rande dienen zur Ar- 
tieulation mit den Basen des 
zweiten (d“) und vierten 


Drittes Keilbein von . u o 
Die drei Keilbeine, von vorn. der Kleinzehenseite. Mittelfussknochens (k ). Die 


dem zweiten Keilbein zuge- 
wandte Gelenkfläche ist derjenigen, auf welcher sie articulirt, in Form und 
Grösse vollkommen gleich; sie erreicht demnach nicht den unteren Rand 
der Fläche; die dem Wiirfelbein zugewandte Gelenkfläche „ von rundlicher 
halbelliptischer Gestalt, reicht noch weniger weit hinab, dagegen etwas wei- 
ter vorwärts. Die zur Articulation mit den Mittelfussknochen bestimmten 
Facetten sind schmal- und streifen- oder halbkreisförmig; sie erstrecken sich 
nicht über das obere Drittel der Seitenfläche und nehmen sich wie auf die 
Seitenflächen zurückgeschlagene Anhänge der oberen Ecke des Knorpel- 
überzugs der Vorderfläche aus. Im Uebrigen sind die Seitenflächen rauh, 
im Umfang der Gelenkflächen rinnenartig vertieft, in der abgerundeten 
Schneide des Keils vereinigt; die Grosszehenfläche ist arıfwärts geneigt, die 
Kleinzehenfläche schon näher der horizontalen, als der verticalen Lage. 
Die hintere Gelenkfläche, von der Form der lateralen Facette des Schiff- 
beins, leicht vertieft, stösst in scharfen Kanten mit den hinteren Gelenkflä- 
chen der Seitenflächen zusammen. Unter der abgerundeten und überra- 
genden unteren Spitze derselben bleibt ein niederes und schmales, rauhes 
Stück der hinteren Fläche frei. Die vordere Fläche (a) ist in ihrem gan- 
zen Umfang zur Articulation mit dem dritten Mittelfussknochen bestimmt, 
dreiseitig mit abwärts gerichteter, abgerundeter Spitze, oben plan und ge- 
gen die Spitze sehr seicht concav. 

Zwischen den Gelenken des dritten Keilbeins mit den Nebenknochen 
und den Mittelfussknochen bleibt zu jeder Seite des dritten Keilbeins ein 
verticaler, von Bandmasse erfüllter spaltförmiger Canal (Fig. 271), welcher 
am skelettirten Fuss von der Rücken- zur Sohlenfläche führt. 


7. Würfelbein, Os cuboideum. 


Auch das Würfelbein ist keilförmig oder dreiseitig prismatisch. Die 
Schneide liegt am lateralen Fussrande, gegen welchen die Rücken- und Soh- 
lenfläche convergiren (Fig. 272). Zudieser Verjüngung desKnochens im verti- 
calen Durchmesser kommt sodann noch eine Verjüngung gegen die Schneide 
des Keils im sagittalen Durchmesser, indem die vordere Fläche rückwärts, 
die hintere vorwärts zum Kleinzehenrande geht (Fig. 279). In geringerem 
Maasse nähern sich Sohlen- und Rückenfläche einander auch nach vorn. Die 


7. Würfel- 
bein. 


278 


Würfelbein. * 


Kante, in welcher Rücken- und Sohlenfläche einander begegnen, ist stumpf 
Fig. 279. 


Laterale Hälfte des 
Fusses,. 


eine nach hinten 


Fig. 280. 


und etwas eingebogen. Die Rückenfläche ist gegen 
diese Kante so stark abwärts geneigt, dass sie mit der 
lateralen Fläche des Fersenbeins in einer Flucht liest 
und sich erst gegen den vorderen Rand allmälig mehr 
aufwärts wendet. Auch die Sohlenfläche liegt mit dem 
medialen Rande höher als mit dem lateralen, und die 
Fläche endlich, welche die medialen Ränder der Rü- 
cken- und Sohlenfläche verbindet und die Gelenkflächen 
‚für das dritte Keilbein und das Schiffbein trägt, ist 
auf- und wenig medianwärts gerichtet, so dass auf die- 
selbe kaum mehr der Name einer medialen oder Gross- 
zehenfläche passt. Rücken- und Sohlenfläche sind 
rauh; die letztere (vgl. Fig. 195) ist ausgezeichnet 
durch einen stumpfen, leistenartigen Vorsprung, T'ube- 
rosilas oss. cuboidei, welcher von der hinteren late- 
ralen Ecke an parallel dem Vorderrande über die ganze 
Fläche zieht, am lateralen Theil seiner vorderen 
Fläche von Knorpel bekleidet, von hinten her eine 
Rinne, Sulcus peronei, begrenzend, in welcher 
die Sehne des M. peroneus long. liegt. Die hinter 
der Tuberositas befindliche dreiseitige Fläche ver- 
längert sich an der medialen (oberen) Ecke in 
vorragende Zacke mit abgerundetem Rande, welche, 
gegen die Sohle rauh, zur Vergrösserung der Ge- 


a’  lenkfläche, auf welche das Fersenbein sich stützt, 


1 
2 SP Te % 


Würfelbein von der 


Grosszehenseite. 


verwandt wird. Diese Gelenkfläche nimmt die hin- 
tere Fläche des Würfelbeins ein; sie ist, genau ent- 
sprechend der vorderen Gelenkfläche des Fersen- 
beins, dreiseitig mit abgerundeten Winkeln, einem 
° unteren, einem oberen lateralen und einem oberen 
etwas tiefer gelegenen medialen (Fig. 281). Der obere 
mediale Winkel ist es, welcher auf die eben erwähnte 
Zacke übergeht und an der übrigens schwach con- 


vexen Gelenkfläche des Würfelbeins einen stark concaven Anhang darstellt, 
der sich an den rückwärts gebogenen oberen medialen Winkel der Gelenk- 


Würfelbein 
von hinten. 


fläche des Fersenbeins anlegt. Die vordere 


Fig. 282. Fläche des Würfelbeins (Fig. 282) ist gleich- 


falls Gelenkfläche und gleichfalls dreiseitig 
mit abgerundeten Winkeln; ihr spitzester 
Winkel entspricht der Schneide des Keils, 
ihre beiden längsten Seiten hat sie mit der 
Rücken- und Sohlenfläche, die kürzeste Seite 
Dasselbe mit der Grosszehenfläche gemein. Durch eine 
von vorn. dieser kürzesten Seite ziemlich parallele, 
stumpfe Kante wird sie in ein vierseitiges 


und ein dreiseitiges Feld getheilt, das eine mehr über als neben dem an- 
deren, jenes mit derBasis des vierten, dieses mit der Basis des fünften Mittel- 


* Mittelfussknochen, 279 


fussknochens verbunden. Auf der Grosszehenfläche (Fig. 280.d) liegen, 
wie erwähnt, dieGelenkflächen für das dritte Keilbein und dasSchiffbein; sie 
stossen, durch eine stumpfe verticale Kante getrennt, unmittelbar an einan- 
der, jene (d“) etwas vorwärts, diese (d‘) fast genau medianwärts gewandt. 
Ihr .oberer Rand fällt mit dem oberen Rande der betreffenden Fläche des 
Würfelbeins zusammen; vom vorderen und unteren Rande dieser Fläche 
aber stehen sie weit ab und auch zwischen dem hinteren Rande der letz- 
teren und der Gelenkfläche für das Schiffbein bleibt noch ein schmaler rau- 
her Zwischenraum. Dass die Articulation mit dem Schiffbein fehlen kann, 
wurde bereits bei der Beschreibung des letzteren erwähnt. 


Beim Neugeborenen enthält von den Knochen der Fusswurzel nur das Fersen- 
und Sprungbein, öfters auch das Würfelbein je einen Knochenkern, die Verknöche- 
rung des dritten Keilbeins folgt innerhalb des ersten, die des ersten Keilbeins inner- 
halb des dritten Lebensjahrs; erst im vierten Jahre verknöchert das zweite Keil- 
bein und das Schiffbein. Im zehnten Jahr erhält das Fersenbein eine Epihyse, die 
sich als eine platte, gebogene Scheibe an der hinteren Fläche desselben entwickelt 
und zur Zeit der Pubertät mit dem Knochen verschmilzt. 


ß. Mittelfussknochen. 


Unter den Mittelfussknochen zeichnet sich der der Grosszehe durch £ Mittelfuss- 
seine Stärke aus, indem er im Querdurchmesser die Mittelfussknochen der ae 
übrigen Zehen wohl um das Doppelte 
übertrifft; die grösste Länge kommt 
dagegen dem zweiten Mittelfussknochen 
zu, welcher, obgleich mit dem hinteren 
Ende tiefer in die Fusswurzel vordrin- 
gend, als seine Nachbarn, doch mit 
dem- vordern Ende über den dritten und 
meistens auch über den ersten Mittel- 
fussknochen vorragt (Fig. 275). Die drei 
lateralen Mittelfussknochen sind, wenn 
man von dem sogleich zu beschreiben- 
den Fortsatz am hinteren Ende des 
fünften absieht, in Länge und Dicke 
nur wenig verschieden, doch nimmt vom dritten zum fünften die Länge be- 
ständig um Etwas ab. 

Die Körper aller dieser Knochen sind gegen die Plantarfläche leicht 
gekrümmt, doch rührt, wie in der Hand, die concave Gestalt der Beugeseite 
hauptsächlich von dem Vorsprung der oberen und unteren Enden her, der 
an den Knochen des Mittelfusses verhältnissmässig noch ansehnlicher ist, 
als an den Mittelhandknochen. 

Die Form des Körpers der Mittelfussknochen ist die dreiseitig pris- 
matische. Man kann die Flächen bezeichnen als Rückenfläche (r), als me- 
diale (d) (Grosszehen-) und laterale (k) (Kleinzehen-) Fläche. Am ersten 
Mittelfussknochen sind die Kanten ziemlich gleich scharf, der Querschnitt 
ist ein gleichseitiges Dreieck; die Flächen sind schwach gewölbt, am mei- 
sten die Rückenfläche. Diese ist gegen den medialen Fussrand ab- 


Frontaldurchschnitt der Mittelfussknochen 
x in der Nähe der hinteren Endflächen, 
y in der Mitte des Körpers. 


280 Mittelfussknochen. 


hängig, die mediale schaut abwärts und liegt mit dem medialen Rande nur 
wenig höher, als mit dem lateralen, die laterale Fläche ist aufwärts geneigt. 
An den übrigen Mittelfussknochen ist nur die Kante deutlich und scharf 
welche die Rücken- und Kleinzehenfläche scheidet. Die beiden anderen 
Kanten sind abgerundet; der Querschnitt stellt ein spitzwinklich - gleich- 
schenkliches Dreieck dar, dessen kürzeste Seite im Allgemeinen der Rücken- 
fläche entspricht, dergestalt, dass von dem dritten zum fünften Mittelfuss- 
knochen das relative Uebergewicht der längeren Seiten zunimmt und der 
fünfte wie plattgedrückt erscheint. Ueberall, gegen den fünften Mittelfuss- 
knochen zunehmend, steht die Rückenfläche grosszehenwärts, die Gross- 
zehenfläche abwärts, die Kleinzehenfläche aufwärts geneigt. 
Die Verdiekung des hinteren Endes, der Basis, erfolgt am ersten Mit- 
telfussknochen vorzugsweise kleinzehenwärts von der Kante aus, welche die 
Fig. 284. mediale und laterale Fläche scheidet, und durch Brei- 
terwerden dieser Flächen. Die erwähnte Kante ver- 
dickt sich zu einem Höcker, T'uberculum, welcher 
den grössten Theil der Basis des zweiten Mittelfuss- 
knochens gegen die Sohle deckt (vgl.Fig.283). Die End- 
fläche, deren Rand eine rinnenförmige Vertiefung um- 
giebt, ist von Knorpel bekleidet und hat, leicht ausge- 
höhlt, dieselbe Nierenform, wie die vordere Fläche des 
ersten Keilbeins. 

Die hinteren Endflächen (p) deszweiten unddritten 
Mittelfussknochens sind überknorpelt und nach der Form 
der vorderen Gelenkfläche des zweiten und dritten 
Keilbeins spitzwinklich  dreiseitig mit abwäris ge- 
Erster Mittelfussknochen richteter und abgerundeter Spitze. Die Basen dieser 
mit den Sesambeinen, Knochen sind demgemäss dreiseitig prismatisch mit ab- 

Os, von unten, E, B 5 

wärts gerichteter stumpfer und wulstiger Kante, welche 

in der Flucht der Schneide der Keilbeine liegt. Sie haben eine plane, 
längs dem hinteren Rande leicht gefurchte Rückenfläche und abwärts con- 
vergirende Seiten- 

’ Fig. 285. flächen. Die Basis 

| des zweiten Mittel- 


fussknochens trägt 
an der oberen Ecke 
der Grosszehen-- 
fläche eine kleine, 
kreis- oder halb- 
kreisförmige Ge- 
lenkfläche (d), wo- 
durch sie mit dem 
ersten Keilbein ar- 
ticuirt, an der 
Kleinzehenfläche 

zwei durch eine 
tiefe und rauhe, 
der Längsaxe des 


Zweiter bis fünfter Mittelfussknochen, von der Grosszehenseite. 


* 


Mittelfussknochen. 2s1 


Knochens parallel verlaufende Rinne geschiedene Gelenkflächen von ähnlicher 
Form, die obere im sagittalen Durchmesser länger als die untere, beide 
dureh eine verticale stumpfe Kante je in eine hintere kleinere und eine 
vordere grössere Abtheilung geschieden, jene mit dem dritten Keilbein, diese 
mit dem. dritten Mittelfussknochen artieulirend. Vor der Rinne, welche 
die Gelenkflächen scheidet und sich an deren vorderem Rande herumzieht, 
liegt ein glatter, rauher Höcker. Die Basis des dritten Mittelfussknochens 
wendet der Basis des zweiten 2 Gelenkflächen (d) und, dem ebenerwähn- 
ten Höcker entsprechend, eine flache Grube (d‘) zu. Die Gelenkfläche, wo- 
durch der dritte Mittelfussknochen sich mit dem vierten verbindet, nimmt 
halbkreisförmig oder halbelliptisch die obere Hälfte der Kleinzehenfläche 
der Basis ein; vor sich hat sie eine Vertiefung, die sich nach vorn verliert, 
mit ihrem hinteren Rande stösst sie, wie alle Seitengelenkflächen der Mit- 
telfussknochen, an die hintere Gelenkfläche. 

Die Basis desvierten Mittelfussknochens zeigt eine überknorpelte, leicht 
gewölbte, vierseitige Endfläche (p), welche auf dem medialen Feld der Gelenk- 
fläche des Würfelbeins eingelenkt ist, und vier Seitenflächen, von welchen 
aber die mediale und untere abgerundet in einander und gemeinschaftlich 
in die Grosszehenfläche des Körpers übergehen. Die Rückenfläche der 
Basis, zwischen zwei Firsten der Länge nach vertieft, setzt sich mit der la- 
teralen Fläche der Basis in die laterale (Kleinzehen-) Fläche des Körpers 
fort; die Rückenfläche des Körpers entsteht aus der medialen Firste der 
Rückenfläche der Basis. Von der Gelenkfläche an der Grosszehenseite der 
Basis (d), welche mit dem dritten Mittelfussknochen artieulirt, ist zunächst dem 
hinteren Rande ein schmaler Streifen (d‘) durch eine verticale Kante geschie- 
den, mit welchem die oben erwähnte kleine Facette am vorderen Rande 
der lateralen Fläche des dritten Keilbeins in Verbindung steht. Die Ge- 
lenkfläche, mit welcher sich die Basis des vierten Mittelfussknochens an 
den fünften lehnt, ist dreiseitig, nach vorn und unten von einer tiefen Furche 
begrenzt, die von der hinteren unteren Ecke schräg vorwärts zum oberen 
Rande geht. Die untere Fläche der Basis ist rauh. . 

Die Basis des fünften Mittelfussknochens hat dieselben drei Seitenflä- 
chen wie der Körper, und eine schräg rück- und lateralwärts abgeschnittene, 
spitzwinklieh dreiseitige und mit der Spitze lateralwärts gewandte, leicht 
convexe Endfläche (p), an deren medialen Rand sich mittelst einer stumpfen 
Kante die Gelenkfläche der Grosszehenseite (d) schliesst. Die mediale und 
laterale Fläche dieses Mittelfussknochens vereinigen sich in einen stumpfen 
und rauhen, über die Articulation mit dem Würfelbein lateral- und rück- 
wärts hinausragenden Muskelfortsatz, T'uberositus metatarsi quinti. Die 
ınediale Fläche ist zwischen diesem Fortsatz und einem Höcker am me- 
dialen Rande der Länge nach rinnenförmig vertieft. 

Die unteren Enden oder Köpfehen der Mittelfussknochen sind denen 
der Mittelliandknochen sehr ähnlich. Es sind kugliche Endflächen "je auf 
einem vierseitigen Prisma, dessen verticaler Durchmesser am ersten Mittel- 
fussknochen vom transversalen überwogen wird, an den übrigen aber fast 
das Doppelte des transversalen beträgt. Die Rückenfläche der Köpfchen 
geht erst ganz nahe dem vorderen Ende aus der Rückenkante des Körpers 
hervor: die transversale Furche hinter dem oberen Rande der Gelenkfläche 

Henle, Anatomie. Thl. I. 18* 


282 Phalangen. 


erscheint tiefer, als an den Mittelhandknochen, weil die Höcker hinter der- 
selben, welche jederseits die Grenze der Rücken- und Seitenfläche bezeich- 
nen, stärker vorspringen. ‘ An den Seitenflächen dieselben Gruben, vn 
Sohlenfläche dieselben spitzen Zipfel der Gelenkfläche, wie an den Mittel- 
handknochen; doch springen diese Zipfel an den Fusswurzelknochen weiter 
über den Körper vor und haben das Eigenthümliche, dass jedesmal der la- 
terale, welcher bei der natürlichen Stellung des Fusses tiefer liegt, den 
Fic. 287. medialen in Länge und Breite. über- 
3 trifft. Am ersten Mittelfussknochen 
sind die quere Rinne und die Höcker 
hinter dem oberen Rande der Gelenk- 
fläche verhältnissmässig schwach. Den 
‘Os unteren Theil der Gelenkfläche theilt 
Horizontaldurch- eine sagittale Kante in zwei sattel- 


schnitt des Köpfchens förmige, transversal concave, sagittal 


des ersten Mittelfuss- eonvexe Flächen. 
knochens mit den 


Seiapeien: In diesen liegen die Ossa sesa- 
moidea. zwei längliche, von den Sei- 

ten zusammengedrückte Knöchelchen, mit oberer sagittal 
concaver, transversal convexer Gelenkfläche und rauher, 


Erster Mittelfussknochen allseitig stark gewölbter Sohlenfläche. 
mit den Sesambeinen 
von unten, 


y. Phalangen. 


y. Phalan- Der einzige wesentliche Unterschied, welcher zwischen den Fuss- und 
gen. 
Fig. 288, ; 

Fig. 289 Fig. 290 

PI Pu 

® & 
aM 
2 


Frontaldurchschnitt 
der Grund- und Mittel- 
phalange der zweiten 

Zeche, 


Zweite Zehe, 
von unten. 


Handphalangen aufzufinden ist, be- 
trifft die Körper der Grundphalan- 
gen, welche an den vier lateralen 
Zehen, besonders aber an der zwei- 
ten bis vierten eine cylindrische 
oder dreiseitig prismatische, von 
den Seiten eomprimirte Gestalt 
haben; diese rührt her von einer 
die Rückenfläche theilenden Kante 
und einer leichten Wölbung der 
Knochen d.s Fusses von oben. Plantarfläche. 


rer 


RT. 


Phalangen. ; 283 


Sodann sind im Allgemeinen die Phalangen der Zehen und besonders 
die Endphalangen minder regelmässig, die Kanten minder scharf, die Rau- 
higkeiten weniger genau begrenzt, als an den Fingerphalangen; doch ist 
dieser Unterschied ohne Zweifel nur die Folge des Drucks und anderer 
Unbilden, welchen die Zehen ausgesetzt sind. 


%: 
Aus der gleichen Ursache rührt die so häufige Ankylose der Mittel- und End- 
phalange der kleinen Zehe her, ferner eine Varietät, die mir bis jetzt nur an den 


Zehen begegnete, dass nämlich die Tuberositas unguicularis der Endphalange sich 


mit ihrer Seitenspitze an die Seitenwand des Körpers anlegt und mit dem Körper 
ein Loch umschliesst, durch welches Zweige von Nerven und Gefässen auf die 
Rückseite der Glieder treten. 


Die Phalangen der Zehen 'sind nicht so schlank als die der Finger, 
weil sie weniger an Dicke als an Länge hinter denselben zurückstehen. 
Insbesondere rücken durch die Verkürzung der Körper der Zehenphalan- 
gen die verdickten Gelenkenden einander näher, an den Mittelphalangen 
der vierten und fünften Zehe so nahe, dass die Knochen abgeplatteten Cy- 
linderchen mit nur schwach der Länge nach ausgehöhlter Seitenfläche 
gleichen. 

Was nun die Dimensionen betrifft, so sind nur die Phalangen der 
grossen Zehe denen des Daumens an Länge gleich oder etwas überlegen; 
an den übrigen Zehen haben die Grundphalangen ungefähr die Länge der 
Mittelphalangen entsprechender Finger, die Mittelphalange der zweiten und 
dritten Zehe und die Mittel- sammt der Endphalange der vierten und fünf- 
ten erreicht die Länge der Endphalange entsprechender Finger; die End- 
phalange der zweiten und dritten Zehe hat etwa die halbe Länge der End- 
phalange der längeren Finger. 

Sehr auffallend ist das Uebergewicht der Stärke der Grosszehenpha- 
langen, deren transversaler Durchmesser ziemlich genau das Doppelte des 
transversalen Durchmessers der Phalangen der übrigen Zehen beträgt. Was 
die Länge der Phalangen betrifft, so wurde schon früher die Eigenthüm- 
lichkeit erwähnt, dass an den zwei oder drei lateralen Zehen die Mittel- 
phalange kürzer ist als die Endphalange. Vergleicht man die Phalangen 
der neben einander liegenden Zehen, so nimmt in allen Gliedern die Länge 
von der grossen gegen die fünfte Zehe ab; die Abnahme der Grundpha- 
langen erfolgt continuirlich und langsam (von 34 auf 23”). Die Länge 
der Endphalange der Grosszehe ist ungefähr gleich der Summe der Längen 
der Mittel- und Endphalange der zweiten Zehe. Die Spitze der zweiten 
Zehe steht daher bald in gleicher Linie mit der Spitze der grossen, bald 
um Weniges vor oder hinter derselben. Die Mittelphalangen verkleinern 
sich von der zweiten Zehe zur vierten um mehr als die Hälfte (13 : 5m); 
die Abnahme der Länge der Endphalangen ist eine kaum merkliche (von 
10 auf Sum), 


Die Verknöcherung der Mittelfussknochen und Phalangen erfolgt durchaus in 
derselben Weise, wie die der entsprechenden Knocher der Hand, doch geht die 
Verbindung der Epiphysen mit dem Mittelstück an den Bahn des a ltusees 
etwas frühzeitiger vor sich, als an den Knochen der a < 


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Die Herausgabe einer Uebersetzung in französischer und englischer Sprache 
sowie in sonstige Sprachen wird von uns vorbehalten. 
Friedrich Vieweg und Sohn. 


HAN DBEUVCH 


SYSTEMATISCHEN 
ANATOMIE 
MENSCHEN. 


Dr. J. HENLE, 


Professer der Anatomie in Göttingen. 


IN DREI BÄNDEN. 


ERSTER BAND. ZWEITE ABTHEILUNG. 


BANDERLEHRE. 


"MIT ZAHLREICHEN IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN. 


BRAUNSCHWEIG, 


DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN. 


r 829.0: 


HANDBUCH 


BANDERLEHRE 


MENSCHEN. 


VON 


Dr. J. HENLE, 


Professor der Anatomie in Göttingen. 


MIT 161 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN. 


BRAUNSCHWEIG, 


DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN. 


1856. 


Holzschnitte 
aus dem xylographischen Atelier 
von Friedrich Vieweg und Sohn 
in Braunschweig. 
Ps aup. iverr 
aus der mechanischen Papier-Fabrik 
der Gebrüder Vieweg zu Wendhausen 
bei Braunschweig. 


Vorrede. 


Die Verspätung in dem Erscheinen dieser Lieferung bedarf wohl 
einiger Entschuldigung. Ich wünsche, dass man sie finden möge in 
der Sorgfalt, womit das ganze Gebiet aufs Neue durchgearbeitet 
wurde, und in den Schwierigkeiten, mit welchen die Herstellung der 
Abbildungen verbunden war. 

Es ist hier der Versuch gemacht, durch Druck in zwei Farben und 
durch Auszeichnung des Muskelfleisches mittelst der rothen Farbe die 
Anschaulichkeit zu erreichen, welche colorirte Abbildungen gewähren, 
und es hat bei dieser wiewohl scheinbar complicirteren Darstellungs- 
weise dennoch die Absicht gewaltet, den Styl der Figuren zu ver- 
einfachen, und Unterschiede des Charakters der Gewebe, die in 
schwarzen Figuren nur durch verschiedene Behandlung der Flächen 
ausgedrückt werden können, in einer bequemen und auch von Un- 
geübten leicht nachzuahmenden Manier wiederzugeben. Der Verlags- 
handlung bin ich für die Bereitwilligkeit, mit der sie auf meine 
Intentionen einging, zu Dank verpflichtet, und ich darf, da es ihr 
und nicht mein Verdienst ist, auch die Genauigkeit rühmen, womit 
sie ihre schwere Aufgabe gelöst hat. 

Die Abbildungen der vorliegenden Abtheilung sind ohne Aus- 
nahme original und die Durchschnitte nirgends schematisch, sondern 
nach der Natur gezeichnet. Um diese Durchschnitte zu gewinnen, 
wurden die Gelenke mit den Bändern und übrigen Weichtheilen in 


VI Vorrede. . 

den erforderlichen Stellungen theils im gefrorenen, theils im hart- 
getrockneten Zustande duxchsägt. Die getrockneten Präparate erlan- 
gen im Wasser ihre Fülle und Geschmeidigkeit wieder, doch ist dazu 
bei grösseren Stücken, wie Knie- und Hüftgelenken, eine Wochen 


lang fortgesetzte Maceration erforderlich. 


“Göttingen, Juli 1856. 


Der Verfasser. 


II. 


En. ha #4: 


Bänderlehre 
A. Bänder des Shanrlnaa 
1. Bänder der Wirbelsäule ande E: Tiataren Enden der Rippen 
I. Bänder der Beugewirbel Art: 
a. Synchondrosen und Kapselbänder . 
1. Wirbelsynchondrosen 
2. Kapselbänder der Eee Belgelenkeh 
3. Kapselbänder der Rippenköpfchengelenke 
4. Kapselbänder der Rippenhöckergelenke . 
b. Bänder der vorderen Fläche der Wirbelsäule 
1. Lig. commune vertebr. anticum 
2. Ligg. costo-vertebraha radiata 
c. Bänder des Intertransversal- und des Tinleken Theiles = 
Intercostolräume . 
a. Ligg. costotransversaria . 
1. Ligg. cosotranversaria antica 
2. Ligg. costotransversaria postica . 
ß. Ligg. colli costae 
y. Ligg. tuberculi costae a 
d. Ligg. tuberositatum vertebralium . 
d. Bänder der Wirbelhöhle 
1. Lig. commune vertebr. posticum . 
2. Ligg. intercruralia 
e. Bänder der Dornfortsätze . 
Ligg. interspinalia - 
II. Bänder der falschen Wirbel . : 
III. Bänder der Drehwirbel und des Hinterhauptbeins 
a. Kapselbänder . TIER Ach 
b. Bänder an der Vorderfläche - 
c. Bänder in der Wirbelhöhle 
«@. An der Vorderfläche . 
1. Lig. latum epistrophei . 
2. Lig. eruciatum epistrophei 
3. Lig. alare dentis 
4. Lig. suspensorium dentis Fa: 
ß. An der hinteren Fläche . . 2... 


VI Inhalt. 


2. Bänder des Brustbeins und der vorderen Enden der Rippen 
a. Symehondrosen und Kapselbänder 
1. Brustbeinsynchondrosen 
2. Kapselbänder der Bi enbriustheirgelenke 
3. Kapselbänder der Rippenknorpelgelenke . 
b. Haftbäuder ee Pe ee: 
1. Ligg. sternocostalia . 
2. Ligg. intercostalia 
® 3. Ligg. costo-xiphoidea 
3. Bänder: des Zungenbeins . 
4. Bänder des Schädels 
a. Synehondrosen 
b. Haftbänder 
ce. Kiefergelenk 
«. Gelenkkapsel . 
ß. Haftbänder 5 } 
- 1. Lig. accessorium Iukerale : 
2. Lig. accessorium mediale . 
3. Lig. stylomyloideum 


B. Bänder der Extremitäten 


I. Bänder der oberen Extremität . Sly: 
A. Bänder des Gürtels der oberen Extremität 
a. Eigene Bänder des Schulterblatts 
1. Lig. transversum superius 
2. Lig. transversum inferius . 
3. Lig. acromio- coracoideum 
b. Bänder des sternalen Endes des Schlinnelbeitis 
«. Kapsel des Sterno - Claviculargelenks 
ß. Haftbänder e 
1. Lig. interclaviculare 
2. Lig. costo- claviculare . 
c. Bänder des acromialen Endes des Söhliingelbeins 
«. Kapsel des Acromio-Claviculargelenks 
ß. Haftbänder £ 2,8 
1. Lig. coraco- hie ek 
2. Lig. coraco-claviculare anticum . 


B. Schultergelenk . 
C. Ellenbogengelenk 
D. Haftbänder der Unkerarmiechers 


1.. Chorda transversalis 
2.. Lig. interosseum 
E. Handgelenk 
a. Kapselbänder . 
1.. Unteres Radio - Ulmatgelenk: 


2. Radio-Carpalgelenk 
3. Carpalgelenk 

4. Erbsenbeingelenk 

> 


Gemeinsames Eat Meiacaspalgelaık . 
6. Daumencarpalgelenk 
b. Haftbänder 
a. Lig. carpi commune 
ß. Haftbänder der Rückenfläche 
1. Lig. carpi dorsale profundum 
2. Ligg. carpi dorsalia brasia . .» 


Inhalt. 


y. Haftbünder der Volarfläche . 

1. Lig. carpi volare proprium 

2. Lig. carpi volare profundum 
d. Am Ulnarrande . E ; 
& Im den Zwischenräumen der Mittelhandknochen o 


F. Fingercarpalgelenke 


G. 


a. Kapselbänder . 
b. Haftbänder 
Fingergelenke 

a. Kapselbänder . 
b. Haftbänder 


II. Bänder der unteren Extremität 


A. 


saß 


Bänder des Gürtels der unteren Extremität : 
a. Eigenes Band des Hüftbeins, Lig. obturatorium ke 
b. Bänder zwischen dem Knochen des Stammes und dem Hüft- 
bein 
«. Kapsel ae Tio- Sacralgelenk 
ß. Haftbänder . S 
1. Lig. ilio-lumbale 
2. Ligg. ilio-sacraha 
3. Lig. sacro-tuberosum 
4.. Lig. sacro-spinosum : 
ec. Bänder zwischen beiden Hüftknochen, Schambeite Ind diese 
Hüftgelenk 
Kniegelenk 
Bänder der Unserachenkelknächdn 
a. Oberes Tibiofibulargelenk 
«@. Kapselband 
ß. Haftbänder 
b. Lig. interosseum 
Fussgelenke . ı 
a. Unteres Tibrofkilareekink. z 
«@ Kapselband 
ß- Haftbänder e B 
b. Gelenkverbindungen des Spmgbeins E 
«@. Kapselbänder . BEER. 
1. Knöchelgelenk 
2. Hinteres Spranshernfälenk 
3. Vorderes Sprungbeingelenk . 
ß#. Haftbänder 
1]. Haftbänder schen. Unter chenkellmiockint: Green 
1. Lig talo-fibulare post. 
2. Lig. talo-tbiale post. 
3. Lig talo-fibulare ant. 
4. Lig. talo-tibiale ant. : - 
II. Haftbänder zwischen. Sprung- Kara N 
1. Lig. talo-caleaneum post. 
2. Lig. talo-calcaneum laterale . 
3. Lig. talo-calcaneum mediale 
4. Lig. talo-caleaneum interosseum .» 
III. Haftbänder zwischen Sprung- und Schiffbein. 
Lig. talo-naviculare 
IV. Lange Haftbänder sen Unterschenkel Anal usa 
wurzelknochen . 
1. Lig. tibio-navieulare . 


. . 
- 


VIII 


Inhalt. 
Seite 
2.. Ing. euleamenfinulare 1... 2. 2er 
3. gF00.Senleuneouhule...." u 202 2 ei 


e.-. AmphiarthrosentdersEusswurzel u... 0 0. 
«e. Kapselbändee . . En La RE EC BA en 


12 Würfelbeingeleuk- DE Ne a FE: Re en 
2... Schüffbeingelenk ...; . Br sin erg 
3-.Paxao-Metatarsalpelenke it a Ha nee 
ß. Haftbänder . . ZENENEER Fe eZl 


J. Haftbänder der Rückenfläche IENEE FIR 1. AR 
IT. Haftbander-der. Planterflächens#taun.-# ', +2,70 175 


as large, Banden... 1.2 Seal. 7 

b. Kurze Bänder . . . a 17! 

III. In den Zwischenräumen di Mittelfunäknöchen a ri! 

F... Zehentarsalgelenke-) ass El ul Fe Re Reate 
GH Zehengelenke:. #4 4088 rl erteninsa Aa ee rg 


EEE 


I. Bänderlehre. 


Unter Bändern versteht man: Weichtheile von faseriger Textur und mnatt. 
membran- oder strangförmiger oder massiver Gestalt, welche vorzugs- 
weise dazu bestimmt sind, die Knochen des Skeletts mehr oder minder 
beweglich an einander zu befestigen. Die Bänderlehre hat diese Weich- 
theile zu beschreiben. 

Mit den Bändern, welche die beweglichen Knochenverbindungen ver- 
mitteln, stehen aber andere, ‘die Gelenkhöhle auskleidende und theilweise 
erfüllende Gebilde in so genauer Verlindung, dass sich die Betrachtung 
der einen nothwendig an die der anderen anschliessen muss; überhaupt 
gewinnt die Anordnung eines Bandapparates erst Sinn durch Beziehung 
auf die Bewegungen, die er unterstützt oder hemmt, somit durch Beziehung 
auf die Formen der. an einander gleitenden Flächen. Diese im Zusammen- 
hange mit den Bändern einer wiederholten Betrachtung zu unterwerfen, ist 
um so nothwendiger, da Knorpel- und Bandüberzüge, welche bei der Ma- 
ceration verloren gehen und daher bei der Schilderung der Knochen ge- 
wöhnlich ausser Acht gelassen werden, auf die Form mancher Gelenk- 
flächen einen nicht unwesentlichen Einfluss haben. 

Die Bänderlehre erweitert sich so zur Lehre von den Gelenken, die 
Syndesmologie zur Arthrologie, wie sie nach Cruveilhier’s Vorgang 
von den französischen Schriftstellern genannt wird. Indess ist diese Be- 
zeichnung wieder in einem anderen Sinne zu eng und deshalb unpassend. 
Es kommen nämlich Bänder vor, welche zwischen zwei Knochen oder auch 
nur zwischen zwei hervorragenden Punkten eines einzigen Knochens ausge- 
spannt sind; könnte man jenen (z.B. dem Lig. spinoso-sacrum und tuberoso- 
sacrum des Beckens) noch eine Beziehung zur Articulation, gleichsam aus der 
Ferne, zuschreiben, so findet dies doch auf Bänder der letzteren Art, die so- 
genannten eigenen Bänder, Ligg. propria, keine Anwendung. Beide 
aber verdienen die Stellung neben den Gelenkbändern durch ihr Verhältniss 
zum Skelett, als ergänzende, man könnte sagen, fibrös gebliebene Theile des- 
selben. Als solche erweisen sie sich durch jeweilige Verknöcherung (die ge- 
nannten Beckenbänder, das Lig. transversum scapulae superius u. a.), sowie 
auch durch ihre mechanische Bedeutung, indem sie Muskeln Insertionspunkte 
‘bieten, Rinnen zum Durchtritte von Gefässen und Nerven überbrücken u.s.f. 

Wie die Bänderlehre hier in die Knochenlehre zurückgreift, so giebt 
es andererseits Gebiete, auf welchen sie mit der Muskellehre zusammen- 
trifft. Häufig versehen Muskelsehnen und Fascien, indem sie sich über 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 1 


Arten der 
Bänder. 


2 Bänderlehre. 


Gelenke ausbreiten, die Stelle von Verstärkungsbändern. Es giebt Faser- 
züge, namentlich zwischen Wirbeln und Rippen, welche an analogen Stel- 
len des Körpers hier aus Muskelsubstanz, dort, wie die Beweglichkeit der 
Theile abnimmt, aus Sehnensubstanz bestehen, und man hat die Wahl, ob 
man solche Muskeln als contractil gewordene Bänder oder die Bänder als 
fibrös entartete Muskeln betrachten will. An vielen Stellen nehmen Mus- 
kelfasern ihren Ursprung von Bandstreifen , welche von Knochen zu Kno- 
chen brückenförmig über Gefässe oder Nerven hinziehen. Einen solchen 
Bandstreifen kann man willkürlich als zweischenkliche Muskelsehne oder 
als selbstständiges Ligament betrachten. Es kommt dabei auch nur dar- 
auf an, ihn in dem Zusammenhange darzustellen, in welchem er am ver- 
ständlichsten wird. 


Wir haben die Verbindungen der Knochen unterschieden in Synarthro- 
sen und Diarthrosen (Knochenl. S.7). In den Synarthrosen ist der we- 
sentliche Theil der verbindenden Substanz eine zwischen den einander zu- 
gekehrten Knochenflächen eingeschobene (Knorpel- oder Band-) Schichte; 
dieser Schichte äusserlich adhärirend, setzt sich die Beinhaut von dem ei- 
nen Knochen auf den anderen fort. In den Diarthrosen ist die Continui- 
tät der Mittelschichte unterbrochen, als wesentliches Bindemittel bleibt die 
von dem Rande der einen articulirenden Knochenfläche zum Rande der 
anderen sich fortsetzende Beinhaut. Sie bildet eine Röhre, welche man Ge- 
lenkkapsel oder Kapselband !) nennt; an die Beschreibung derselben 
werde ich im Folgenden bei jedem einzelnen Gelenk die Beschreibung der 
innerhalb der Gelenkhöhle oder der Kapsel gelegenen Gebilde anreihen. 

Alle ausserhalb der Kapsel befindlichen Gelenkbänder fasse ich nebst 


!) Synovialkapsel oder Synovialmembran. Dieser Namen ist aufzugeben, weil 
er eine Nebenbedeutung hat, gegen welche sich ausdrücklich zu erklären noch immer 
nicht überflüssig ist. Bei Bichat ist Synovialkapsel, unterschieden von der fibrö- 
sen, eine Membran, die den flüssigen Inhalt des Gelenks secernirt; sie kleidet das 
ganze Gelenk aus als ein geschlossener Sack, der sich continuirlich von dem einen Ge- 
lenkknorpel, den er überzieht, auf die Innenfläche der fibrösen Kapsel, von dieser wieder 
auf den Knorpel des anderen der articulirenden Knochen hinüberschlägt und den in das 
Gelenk vorspringenden und durch das Gelenk verlaufenden Scheiben, Bändern, Sehnen 
u. s. f. Ueberzüge giebt. Sie ist aber mit allen diesen Flächen, über welche sie sich 
erstreckt, zu genau verwachsen, um für sich dargestellt werden zu können. Zur Zeit, 
wo ich mich gegen diese dogmatische Auffassung der Synovial-, wie der serösen Häute 
erklärte und eine Methode suchte, um die theoretisch construirten Ueberzüge die- 
ser Art anatomisch nachzuweisen (allgemeine Anatomie Seite 364), hatte ich das Miss- 
geschick, durch einen optischen Irrthum die Theorie gerade an einer unberechtigten Stelle 
zu unterstützen. Charakteristisch für die serösen und Synovialhäute sollte eine Bindege- - 
webslage mit einem die freie Fläche bedeckenden Epithelium sein. Beides glaubte ich auf 
den Gelenkknorpeln ebenso, wie auf der inneren Kapselwand, zu finden. Giebt es nun 
auch, wie das Folgende lehren wird, einzelne Gelenke, in welchen sich eine Bindegewebe- 
schichte von der Kapsel über den Knorpel fortsetzt; sind auch in einem früheren Ent- 
wickelungsstadium alle in die Gelenkhöhle schauenden Flächen von einer Zellenlage über- 
kleidet, so liegt doch nach der Geburt in der grossen Mehrzahl der Gelenke der Knorpel 
nackt und man würde also vergeblich nach einem Gewebe suchen, welches sich in conti- 
nuirlichem Verlauf über alle Theile des Gelenks erstreckte. Was mich täuschte, haben, nach- 
dem zuerst durch Todd und Bowman (Physiolog. Anatomy 1847, I, p. 90) das Factum 
berichtigt war, Birkett (Guy’'s hosp. rep. 1848. Oct. p. 36) und Gerlach erklärt. Es 
ist die in der Nähe der Oberfläche veränderte, flache und rundliche Form der Knorpel- 
höhlen, welche die senkrechten Durehschnitte streifigfaserig erscheinen macht und dem von 
Fu apts betrachteten Präparat ein Ansehen von nebeneinanderliegenden platten Zellen 
giebt, 


Bänderlehre. 3 
den bereits erwähnten eigenen Bändern unter dem gemeinsamen Nah 
Haftbänder 2) zusammen. 

In manchen Kapselbändern sind die Bindegewebsbündel, ohne dass 
eine Richtung vorherrschte, gleichmässig durcheinander gewebt; in anderen 
treten besondere Faserzüge und Streifen hervor, welche auch wohl stellen- 
weise die Mächtigkeit der Membran vergrössern. Solche Faserzüge lassen 
sich mehr oder minder reinlich von der Substanz der Kapsel ablösen. Man 
kann zweifelhaft sein, ob man sie als Theile der Kapsel oder als selbststän- 
dige Haftbänder anzusehen habe. Eine scharfe Grenze ist hier in der 
That nicht zu ziehen, doch- habe ich im Folgenden die Regel beobachtet, 
alle Faserzüge als integrirende Theile der Kapsel zu beschreiben, welche 
von dem fest verfilzten Bindegewebe der letzteren nicht wenigstens durch 
eine, wenn auch dünne Lage von lockerem oder fetthaltigem Bindegewebe 
geschieden sind. 


Synarthrose und Diarthrose sind, so verschieden sie sich in ihren Ex- 
tremen darstellen, dennoch keine wahren Gegensätze. Ich habe ihr Verhält- 
niss zu einander an einer früheren Stelle (Knochenl. a.a.O.) durch die Vor- 
stellung bezeichnet, dass die bewegliche Gelenkverbindung aus der unbe- 
weglichen hervorgehe mittelst einer vom Centrum aus gegen die periphe- 
rische Schichte vordringenden Erweichung und Verflüssigung der Zwischen- 
substanz. Diese Vorstellung rechtfertigt sich sowohl durch die Entwicke- 
lungsgeschichte, als durch die Reihen von Uebergängen, welche sich ne- 
ben einander in den verschiedenen Knochenverbindungen des Erwachsenen, 
sowie als Varietäten einer und derselben Knochenverbindung in verschie- 
denen Individuen finden. Die Gelenkhöhlen des fötalen Knorpel- Skeletts 
entstehen, wie Bruch?) bemerkt, durch Dehiscenz des zwischen den Enden 
der knorplichen Anlagen der Skeletttheile übrig gebliebenen, nicht mehr 


Fig. 1. zum Wachsthum des Knorpels verwende- 

AM NIZOR MARS ten Bildungsgewebes; sie entstehen später 
RN BRNTENR IR! als die Kapselbänder, die nichts Anderes 
OO NND: pselbänder, | 
MR RE sind, als die straff über den Zwischen- 
ÜENRL raum der Knorpelenden hinweggespannten 
mes Ne . . 

dich ESS Fortsetzungen der Bein- oder vielmehr 

Zu Seen Knorpelhaut. Noch beim siebenmonat- 
SIE Ser i a hi 
ee Rs lichen Fötus stehen manche Stücke, wel- 

RE TIREISTTT EN 

EITATNU IK TION DENN ESSN ai rei 5 ; ä 
PORN Ya dh 10% che im reifen Körper mit planen Flächen 
BANG OR nd articuliren, in ununterbrochenem Zusam- 
Jan ER, wen“ menhang:: so ist z.B. die Stelle der späte- 


Frontaldurchschnitt des Rippenknorpel- FEN Rippenknorpelgelenke auf dem Durch- 
gelenks von einem monatlichen Fötus. schnitt (Fig. 1) nur durch einen schma- 
len weissen Streifen angedeutet, der zwar dem blossen Auge ziemlich 
scharf gegen den Knorpel abgesetzt erscheint, unter dem Mikroskope aber 
sich als eine Knorpelschichte erweist, deren Höhlen nur etwas geräumiger 
sind und dichter beisammen und mit dem längsten Durchmesser parallel 


!) Ligg. accessoria, aumiliaria aut. 
2) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Aus dem zwölften Bande 
der Denkschriften der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft, S. 42. 


ı* 


Gelenke. 


Zwischen- 
bänder. 


Bandschei- 
ben. 


4 Bänderlehre. 


der künftigen Gelenkfläche liegen, indess sich in der zunächst angrenzenden 
Knorpelsubstanz die längsten Durchmesser der Knorpelhöhlen meist schräg 
gegen jene stellen. Eine ähnliche Beschaffenheit hat in der Regel beim 
Erwachsenen die- Verbindung der ersten Rippe mit dem Handgriff des 
Brustbeins, des Handgriffs des Brustbeins mit dem Körper dieses Kno- 
chens; doch bildet sich hier in der Grundsubstanz zwischen den grösseren 
Knorpelhöhlen der Zwischenschichte ein dem Binde- oder elastischen Ge- 
webe ähnliches Fasergewebe aus. In den Verbindungen der übrigen wah- 
ren Rippen mit dem Brustbein zeigen sich, von der untersten an aufwärts 
gerechnet, immer ausgedehntere, immer näher unter das die Oberfläche be- 
kleidende Perichondrium herantretende Gelenkspalten. So die Regel; wo- 
mit nicht ausgeschlossen ist, dass zwischen Brustbeinhandgriff und Körper 
oder zwischen Handgriff und erster Rippe eine wahre Gelenkhöhle vor- 
kommt oder die nächsten Rippen mit dem Brustbein durch einfache Syn- 
chondrose zusammenhängen. Andere Beispiele der in diesem Bereiche vor- 
kommenden individuellen Schwankungen wird die Beschreibung der Wir- 
bel- und Beckensynchondrosen liefern. 

Eine nicht geringe Zahl von Gelenken zeichnet sich durch eine doppelte 
oder getheilte Höhle aus; in ihnen muss die Verflüssigung oder Dehiscenz 
von zwei Stellen ausgegangen sein. Die Scheidewand, welche beide Höhlen 
trennt, wird entweder Zwischenband, Lig. interartieulare, oder Band- 
scheibe, Meniscus 2), genannt. Zwischenbänder stehen mit ihren Flä- 
chen senkrecht auf die artieulirenden Flächen. Sie finden sich nur in Gelen- 
ken, deren Pfanne von zwei, durch Synchondrose verbundenen Knochen ge- 
bildet wird, wie die Pfanne der zweiten bis zehnten Rippe von den Wirbel- 
körpern und Synchondrosen, die Pfannen der vorderen Enden der zweiten 
bis siebenten Rippe von den Abtheilungen und Synchondrosen des Brust- 
beins; die Zwischenbänder gehen alsdann als Fortsetzungen der Synchon- 
drose durch das Gelenk zu einer Firste der Endfläche (Crista capituli der 
Rippe) des in der Pfanne befestigten Knochens. Bandscheiben liegen mit 
ihren Flächen den Articulationsflächen parallel und sind mit dem Rande an 
die Innenfläche der Kapsel oder unmittelbar an den Rand der einen oder 
anderen Gelenkfläche angewachsen. In Synehondrosen , z. B. der Wirbel, 
findet sich bei jungen Individuen eine den Bandscheiben der Diarthrosen 
entsprechende, gleichsam dieselben vorbereitende Anordnung darin, dass 
die von beiden Articulationsflächen gleich weit entfernte mittelste Schicht 
der Zwischensubstanz aus dichter verwebten und stärkeren elastischen Fa- 
sern besteht. 

In den meisten der mit Bandscheiben versehenen Gelenke haben diese 
Scheiben eine biconeave Form; ihre Mächtigkeit nimmt von den Rändern 
gegen die Mitte ab. Hierbei ereignet es sich nun vielleicht durch Ab- 
nutzung, vielleicht auch in Folge ursprünglicher Bildungsabweichungen, dass 
die Mitte durchbrochen wird und statt der Scheibe ein platter und gegen 
die Oeffnung zugeschärfter Ring sich zwischen die artieulirenden Flächen 
einschiebt. Aus der doppelten Höhle wird auf diese Weise eine zweikam- 
merige, deren beide Kammern durch das Lumen des Ringes mit einander 


1) Cartilago interarticularis, 


Bänderlehre. 5 


communiciren. Die Umwandelung der Scheibe zum Ring kommt in dem 
einen Gelenk häufiger vor als im anderen; im Kiefer- und Sternoclavieu- 
largelenk ist sie Ausnahme, im Acromioclaviculargelenk Regel. Gelenke 
der letzteren Art machen den Uebergang zu den regelmässig zweikamme- 
rigen, die zweikammerigen endlich gehen durch Verschmälerung des ring- 
förmigen Saumes in die einfachen über. 

Einfach im strengen Sinne des Wortes sind nur sehr wenige Diar- 
throsen des menschlichen Körpers. Nur in den den Synarthrosen zunächst 
stehenden spaltförmigen Sternocostalgelenken, und auch in diesen nicht im- 
mer, befinden sich die beiden Gelenkflächen in ihrer ganzen Ausdehnung 
mit einander in unmittelbarer Berührung. In allen anderen Gelenken drin- 
gen bald von dieser, bald von jener Seite, bald vom ganzen Umfange der 
Kapsel höhere oder niedrigere, einfach scharfrandige oder gelappte Säume 
mehr oder minder weit über den Rand der Gelenkflächen in die Höhle vor; 
sie theilen tnvollkommen die einfache Höhle; sie finden sich aber meistens 
auch in jeder Abtheilung einer durch eine vollkommene oder unvollkom- 
mene Bandscheibe oder durch ein Zwischenband getheilten Höhle. Von 
ihrem Volumen und somit von dem Raum, den ihnen die Gelenkhöhle dar- 
bietet, hängt es ab, ob sie als Falten der Kapselmembran oder als selbst- 
ständige Platten erscheinen; je nachdem sie zwischen den auf einander 
gleitenden Flächen eingeklemmt oder neben ihnen oder in Vertiefungen 
derselben frei liegen, sind sie straffer oder lockerer gewebt, arm oder reich 
an Blutgefässen und Fett. Je nach diesem verschiedenen Ansehen wurden 
sie als Bänder (Ligg. mucosa), Falten (Plicae synoviales s.. vasculosae), 
als Fettklumpen oder Drüsen (Plicae adıposae, Glandulae mucilaginosae 
Hav., Glandulae Haversü aut.), endlich als Bandscheiben- und Zwischen- 
knorpel (Cartil. articulares des Kniegelenks) beschrieben. Ich werde sie 
unter dem gemeinsamen Namen Synovialfortsätze (Processus syno- 
viales) zusammenfassen. Dass Synovialfortsätze und Bandscheiben im We- 
sentlichen identische Dinge sind, geht aus dem Gesagten hervor; man kann 
die Bandscheiben für entwickelte Synovialfortsätze, wie die Synovialfort- 
sätze für redacirte Bandscheiben erklären. Doch ist es dem Sprachge- 
brauch gemäss, den Namen Bandscheiben für die selbstständigeren, festeren 
und umfangreicheren Gebilde dieser Kategorie beizubehalten und auf die- 
selben zu beschränken. 

Die platten Synovialfortsätze, insbesondere der kleineren Gelenke, wer- 
den meistens gegen den scharfen freien Rand, was freilich nur das Mikro- 
skop nachweist, gelappt und gezähnelt, und von diesem Rande, aber auch 
von manchen anderen Stellen des Gelenkes gehen fadenartige Auswüchse, 
bald büschelförmig, bald vereinzelt ab, die ich mit Luschka Synovial- 
zotten, Vili synoviales , nenne, wobei indess nicht verschwiegen werden 
darf, dass sie in ganz ähnlicher Weise auch auf den Wänden anderer, ge- 
schlossener (seröser) Höhlen und selbst in Schleimbeuteln vorkommen. An 
Gelenken, die man unter Wasser öffnet, sieht man die stärkeren Zotten, 
einem feinen Filz ähnlich, flottiren; daneben giebt es kürzere und dünnere, 
wie auch Verästelungen der stärkeren, welche erst mit Hülfe des Mikro- 
skops erkannt werden. Die stärkeren sind im frischen Zustande, von ge- 
füllten Blutgefässschlingen, roth. Auf ihre Gestalt, in Verbindung mit ih- 


Synovial- 
fortsätze. 


6 Bänderlehre. 


rer Textur, komme ich sogleich zurück und erwähne nur noch, dass ich im 
Schultergelenk Büschel solcher Zotten von der Kapselwand aus in Gruben 
des gegenüberliegenden Halses des Armbeines eintreten sah, aus welchen 
sie sich leicht herausziehen liessen, aber vielleicht doch nicht ohne Zerreis- 
sung von Gefässen, die mit Gefässen der schwammigen Knochensubstanz 
in Verbindung stehen. In vielen Gelenken, besonders in jenen mit dicken 
und unregelmässigen Synovialfortsätzen, wie das Sternoclavieulargelenk, 
finden sich eylindrische oder platte Fäden, die an beiden Enden angewach- 
sen und strangförmig von der einen Fläche zur anderen gespannt sind. 


iextuerder Die Gewebe, die sich zur Verbindung der Knochen verwendet finden, 
Gelenke. sind das Knorpel-, elastische und Bindegewebe mit ihren mannigfaltigen 
Uebergangsformen. Es ist nöthig, etwas näher auf die Art ihres Zusam- 
menhanges in den Gelenken einzugehen. Um auch hier wieder mit dem 
Einfachsten anzufangen, müssen wir zuerst derjenigen Synarthrösen geden- 
ken, in welchen der Raum zwischen den beiden Knochenflächen von einer 
gleichartigen Substanz ausgefüllt wird. Diese Substanz ist entweder Bin- 
degewebe (an den Nähten des Schädels) oder Knorpel (an den erwähnten 
Synchondrosen des Brustbeins und der Rippen, an den transitorischen Syn- 
chondrosen des Rumpfes und der Extremitäten), je nachdem die Grundlage 
der betreffenden Theile vor dem Beginn der Verknöcherung faserig oder 
knorplich gewesen war (d.h. je nachdem die betreffenden Theile dem prim- 
ordialen oder secundären Skelett angehören). Ganz rein ist übrigens das 
Bindegewebe auch an diesen Stellen nicht; in den Zwischenräumen der 
Bündel verlaufen, wie in allen fibrösen Gebilden, in weitläufigen Netzen 
elastische (Kern-) Fasern. Der Knorpel jener einfachsten Synchondrosen 
ist von der Art, die man hyalinisch (oder ächt) nennt: er besteht aus einer 
spröden, harten und für das Mikroskop homogenen Grundlage, welche zahl- 
reiche, ziemlich gleichmässig vertheilte, kugelförmige oder abgeplattete mi- 
kroskopische Lücken enthält, in denen sich Kernzellen einzeln oder in klei- 
nen Gruppen eingeschlossen finden. 
Schon die rein hyalinischen Synchondrosen können, wie erwähnt, 
einem Gelenk ähnlich werden und eine gewisse Beweglichkeit erlangen 
dadurch, dass in einer mittleren Schichte die Lücken auf Kosten der Grund- 
substanz sich vergrössern und näher an einander drängen. Gewöhnlich 
aber ist mit dieser Veränderung der Lücken auch eine Zerfaserung der 
Zwischensubstanz verbunden, die dann ebenfalls biegsamer wird, und die 
Synchondrose ist alsdann entschieden in drei Lagen zerfallen, zwei hyali- 
nische, die man als Ueberzüge der mit einander articulirenden Knochenen- 
den (Analoga der Gelenkknorpel) betrachtet, und eine intermediäre faserige, 
die nun das eigentliche Band darstellt. Die Fasern, die sich unter diesen 
Umständen entwickeln, gehören dem Bindegewebe oder elastischen Gewebe 
an; Jene charakterisirt der wellenförmig geschwungene Verlauf der blassen, 
parallelen, zu Bündeln geordneten Fibrillen und deren Aufquellen in ko- 
chendem Wasser und Essigsäure; diese, die elastischen Fasern, werden an 
den dunklen Contouren, der netzförmigen Verbindung , der Unempfindlich- 
keit gegen alle Arten von Reagentien erkannt. An einigen Stellen, na- 
mentlich in den Wirbelsynchondrosen, kommt eine zwischen elastischem 


Bänderlehre. 7 


und Bindegewebe intermediäre Form von Fasern vor, welche parallel, wel- 
lenförmig und in Bündeln liegen , aber der Essigsäure und dem kochenden 
Fig. 2. Wasser wid@'stehen und in 
Essigsäure sogar deutlicher 
und dunkler werden. Alle 
diese Faserung entsteht ge- 
radezu aus Spaltung der hy- 
alinischen Grundlage oder 
aus Ablagerung in dieselbe; 
jeder feine Durchschnitt an 
geeigneter Stelle (vgl. Fig. 
2) zeigt den Uebergang der 
zwischen den zellenhaltigen 
Lücken gelegenen Brücken 
homogener Knorpelsubstanz 
in Bindegewebsbündel, und 
nurin Betreff der elastischen 
Fasern besteht eine Con- 
troverse, deren Erörterung 
mich hier zu weit führen 
würde, ob sie nicht zum 
Theil als Ausläufer aus den 
Zellen des Knorpels her- 
vorwachsen. 
Durch die Zerfaserung 
der Grundsubstanz wird 
Verticaldurchschnitt eines Fingergelenkes. 1 Knochen. der hyalinische Knorpel zu 


2 Gelenkknorpel. 3 Synovialfalte, 4 Beinhaut. Faserknorpel , und der 


5 Kapsel, aus longitudinal und quer durchschnittenen ö : - = 
Bündeln gewebt. * Epithelialbekleidung derselben. letztere wird Bindegewebs 
knorpel oder elastischer 


Knorpel genannt, je nachdem die Faserung den Charakter des einen oder 
anderen dieser Gewebe trägt. Zum Knorpel rechnen wir das Gewebe, so 
weit die in das Fasergewebe eingebetteten Zellen und Zellengruppen, de- 
ren Grösse und Form übrigens sehr mannigfaltig sein kann, an die Anord- 
nung der Zellen und der sie einschliessenden Lücken im hyalinischen 
Knorpel erinnern. Die Umwandlung in eigentliches Fasergewebe aber ist 
erfolgt, wenn die Zellen verschwunden oder auch nur so weit verändert 
sind, dass sie sich nicht mehr als solche zu erkennen geben. Dies ge- 
schieht z. B. beim Uebergang des Bindegewebsknorpels in Bindegewebe in 
der Weise, dass die Zellen sich zu dünnen Schüppchen abplatten oder 
sammt ihren Kernen zu feinen Stäbchen verlängern. Bei dieser Art des 
Zusammenhanges aber muss es Gebilde geben, die uns über die ihnen an- 
zuweisende Stellung in Zweifel lassen, Knorpel mit Spuren von Faserung, 
elastisches und Bindegewebe mit vereinzelten Knorpelzellen. Und zwar 
finden sich solche Uebergangsformen nicht nur an den Grenzen, längs wel- 
chen Knorpel und Fasergewebe einander berühren, sondern auch in ausge- 
dehnteren und selbständigeren Massen (z, B, in den Wirbelsynchondrosen, 
in manchen Bandscheiben). x 


8 Bänderlehre. 


Wenn sich in der Synchondrose eine Höhle bildet, so tritt die Spal-- 
tung innerhalb des Faserknorpels ein und sonach kleidet ein dem Faser- h 
knorpel mehr oder minder nahe stehendes Fasergewebe die Wände der 
Höhle aus. In den vollkommneren Gelenken dagegen sind in der Regel 
die Artieulationsflächen allein von einer Schichte hyalinischen Knorpels 
überzogen, dessen oberflächliche Lagen sich von den tiefen nur durch die 
Abplattung der Knorpelhöhlen unterscheiden. Erst am Rande der Gelenk- 
fläche geht der hyalinische Knorpelbeleg auf die beschriebene Weise in das 
Bindegewebe der Beinhaut und Kapselmembran über und ganz allgemein 
erfolgt dieser Uebergang in einer (auf dem Durchschnitt) re Linie, 
je näher der Oberfläche in um so geringerer Entfernung vom Mittelpunkt 
der Gelenkfläche (vergl. Fig. 3). Ausnahmsweise erhält in einzel- 
nen Gelenken, und zwar nur in getheilten, die sanze Gelenkfläche 
einen Ueberzug von Fasergewebe über dem hyalinischen (Faserknorpel in 

Fig. 3. den getheilten Rippenköpf- 
chengelenken, Bindegewe- 
be im Kiefergelenk); eine 
noch auffallendere Aus- 
nahme machen die beiden 

Schlüsselbeingelenke, in 
welchen die artieulirenden 
Knochenflächen ohne Ver- 
mittelung von Knorpel nur 
von Bindegewebe bedeckt 
sind. 

Nach Luschka (Müll. 
Archiv 1355. 8. 486) liegt beim 
Neugeborenen in verschiede- 
nen Gelenken über dem Ge- 
lenkknorpel eine bald homo- 
gene, bald faserige Substanz, 
aus welcher blattähnliche, ein- 
fache oder ästige Zotten her- 
vorgehen. 

Die Mächtigkeit des 
hyalinischen Gelenkknor- 
pels schwankt zwischen 1/; 
und 4m und ist im All- 
gemeinen der Ausdehnung 
der Gelenkfläche propor- 


Verticaldurchschnitt eines Fingergelenkes. 1 Knochen. 2 1; Fed Gelenk 
2 Gelenkknorpel. 3 Synovialfalte. 4 Beinhaut. H0N2 an: en ET 


5 Kapsel, aus longitudinal und quer durchschnittenen “köpfen nimmt sie gegen 

Bündeln gewebt. * Epithelialbekleidung derselben. den Umfang, auf den Pfan- 
nen gegen die Mitte ders Gelenkfläche ab, so dass in der Regel die 
Krümmung der freien Fläche einem kleineren Radius angehört, als 
die der angewachsenen. An manchen Knochen (z. B. Capitula meta- 
carpi) gleicht der Knorpel Unregelmässigkeiten der Krümmung der Kno- 
chenfläche aus. Was den Umfang des Knorpels betriflt, so bedeckt er in 
der Regel die Gelenkflächen in der Ausdehnung, in welcher sie bei den 


Bänderlehre. 9 


Extremen der Bewegung mit einander im Berührung kommen; doch finden 
auch hiervon nach zwei Seiten Ausnahmen Statt. Einerseits findet sich 
Knorpel auf Flächen, welche niemals von der gegenüberliegenden Gelenk- 
fläche berührt werden, z. B. am lateralen Theile des Radiusköpfehens, an 
der unteren Fläche der Köpfchen der Mittelfussknochen. Andererseits neh- 
men auch Gewebe anderer Art an der Bildung der articulirenden Flächen 
Antheil. Die Pfanne mehrerer und gerade der ansehnlichsten Gelenke ver- 
grössert eine, gegen den freien Rand zugeschärfte, aus festem Bindegewebe 
gebildete Lippe, Labrum glenoidewn !); an den Finger- und Zehengelenken 
legt sich bei äusserster Beugung der überknorpelte Rand der je unteren 
Phalanx auf einen nur von dem Bindegewebe der Kapsel überzogenen 
Theil der Vorderfläche der je oberen Phalanx. 

Nicht immer heftet sich die Kapsel an den Rand der Gelenkfläche. 
Bald an Einem der articulirenden Knochen , bald an beiden setzt sie sich 
in grösserer oder geringerer Entfernung vom Rande der überknorpelten 
Fläche an, einen Theil des sogenannten Halses oder des die Pfanne tra- 
genden Vorsprungs in.die Gelenkhöhle mit einschliessend. Von der Stelle, 
wo die Kapsel an den Knochen herantritt, setzt sie sich nach der Seite des 
Körpers des Knochens in die Beinhaut, nach der Seite der Gelenkhöhle in 
eine Bindegewebehaut fort, welche in manchen Gelenken fest, in anderen 
faltig und locker bis zum Rande des Knorpelüberzuges auf dem Knochen 
aufliegt und im letzteren Fall bei Dehnung der Kapsel vom Knochen ab- 
gezogen und zur Verlängerung der Kapsel verwandt wird. 

Die Kapselmembran besteht aus Bindegewebe, dessen Bündel im All- 
gemeinen in der äusseren Schichte einen Teneisdinalen. d. h. von einem 
Knochen zum anderen gerichteten Verlauf haben, in der inneren Schichte 
aber kreisförmig, d. h. dem Anheftungsrande parallel geordnet sind. Diese 
Regel erleidet durch Beimischung der Faserzüge von Haftbändern, Muskel- 
sehnen u. s. f. zahlreiche Ausnahmen. Wo der Faserverlauf eine innere 
Sehichte zu unterscheiden gestattet, ist die Mächtigkeit derselben im Ver- 
gleich zur äusseren gering. In jedem Falle hat die Kapsel in der Nähe 
der freien Oberfläche feinere Bündel, feinere und minder zahlreiche elasti- 
sche Fasern, dagegen einen Reichthum an feinen Capillargefässen. Und 
immer ist der Zusammenhang aller Bindegewebslagen der Kapsel ein 
gleich inniger, nirgends eine Trennung in Blätter vorgebildet. 

Die innere Oberfläche der Kapselmembran ist von einem einfachen 
Pflasterepithelium bekleidet, welches auf die Synovialfortsätze und Band- 
scheiben in der Regel nicht übergeht und den Anheftungsrand der Kapsel 
am Knorpel nicht überschreitet ?). 

Aus Bindegewebsbündeln, die einander in verschiedenen, doch durch- 
gängig der Oberfläche parallelen Richtungen durchkreuzen, bestehen auch 
die Bandscheiben und die stärkeren scheibenförmigen Synovialfortsätze; 
doch finden sich hier häufiger Knorpelzellen eingestreut. Die Läppchen, 
in die der innere Rand der Synovialfortsätze sich theilt, sind ausgezeich- 


)) L. cartilagineum s. fibrosum s. fibro-cartilagineum, Limbus carülagineus, Lig. glenoideum. 

2) Die Stellen an den Kapselmembranen der Finger- und Zehengelenke, an welchen 
Kölliker (Mikroskopische Anat, Bd. I, S. 325) beständig das Epithelium vermisste, wa- 
ren die auseinander gezögenen Synovialfalten. 


Synovia. 


10 Bänderlehre. 


net durch Reichthum an feinen zierlich gewundenen Blutgefässen. Die 
zottenförmigen Synovialfortsätze sind im Wesentlichen ebenfalls Stränge 
longitudinaler Bindegewebsfasern mit langgezogenen Gefässschlingen, mit 
feinen interstitiellen elastischen Fasern und hier und da mit vereinzelten 
oder gruppen- oder reihenweise geordneten kugeligen Zellen, die man 
wohl Knorpelzellen nennen darf. Manche Zotten dehnen sich an der Spitze 
oder an anderen Stellen zu kugeligen, wassererfüllten Blasen aus (Fig. 4). 
In vielen nimmt ein Bindegewebsbündel nur die Axe ein, indess die 
Peripherie aus einer unfaserigen, feinkörnigen und meist von Zellen- 
kernen durchsäeten Substanz besteht. Diese Substanz bildet für sich allein 
manche der kleineren Zotten; sie bildet kolbige Auswüchse bald an den 
Fig. 4. 


= 


I rue 


\f 


Synovialzotten aus dem Öberarıngelenk. Synovialzotte aus dem Kniegelenk. 
* Blasig angeschwollene Stellen. 


Spitzen, bald von den Seiten der Zotten, bald hinter einander in einer 
Reihe, welche von dem Bindegewebsbündel wie von einem gemeinschaft- 
lichen Stiel durchzogen wird (Fig.5). Ein eigentliches Epithelium besitzen 
diese Zotten nicht; doch nimmt sich die feinkörnige Substanz mit den re- 
gelmässig vertheilten Kernen, wenn sie in dünner Lage an der Oberfläche 
zum Vorschein kommt, wie ein Epitheliüm - Ueberzug aus. 

Epithelium und Gefässe scheinen sich nur in denjenigen Regionen des Gelenks 
auszubilden, die dem Druck oder der Reibung bei den Bewegungen weniger aus- 
gesetzt sind. Beim Fötus fanden Todd und Bowman (a. a. O.) und Reichert 
(Müller’s Archiv, 1849. Jahresbericht S. 16) die ganze Wand der Gelenkhöhle, 
Knorpel und Kapselmembran von Pflasterepithelium bekleidet und Reichert fragt 
deshalb mit Recht, ob nicht vielleicht auch beim Erwachsenen, wenn die Gelenke 
längere Zeit ausser Thätigkeit gesetzt wären, sich die nackten Stellen des Gelenkes 
mit Epithelialzellen beilecken möchten ? 

Die etwaigen Unebenheiten der die Gelenkhöhle begrenzenden Wände 
auszugleichen, die Lücken auszufüllen und die auf einander gleitenden Flä- 


Bänderlehre. 11 


chen schlüpfrig zu erhalten, dient eine zähe, klebrige Flüssigkeit, die 
Synovia (Gelenkschmiere), von der es noch zweifelhaft ist, ob sie in 
dieser Zusammensetzung aus den Gefässen der Kapsel und der Synovial- 
fortsätze ausgeschieden wird, oder ob sie als ein Exsudat zu betrachten ist, 
welches seine charakteristischen Eigenschaften nachträglich erhält, etwa 
durch Wiederaufsaugung der wässerigen Bestandtheile oder durch eine Se- 
cretionsthätigkeit der die Wände bekleidenden Epitheliumzellen oder .durch 
Auflösung der letzteren. 

Eine Anzahl von Gelenken steht mehr oder minder beständig mit Sy- 
novial- oder Schleimbeuteln, Bursae synoviales, in Verbindung, einfa- 
chen oder fächrigen Säcken, deren Wände von Bindegewebe gebildet, in 
der Regel mit Epithelium bekleidet, auch stellenweise mit Zotten besetzt 
sind. Wo eine solche Communication besteht, ist, wie von selbst einleuchtet, 
der flüssige Inhalt des Gelenkes und des Schleimbeutels der nämliche, und 
da sich der letztere leicht vom Gelenk aus füllen oder nach demselben ent- 
leeren kann, so ist damit ein Mittel gegeben, die Verschiebungen der Kno- 
chen im Gelenk zu erleichtern. An anderen Stellen dienen demselben Zwecke 
Fettmassen und Venenplexus, welche das Gelenk umlagern und ohne Mühe 
verdrängt oder comprimirt werden. 

Was die Textur der Haftbänder betrifft, so bestehen sie aus reinem, 
nur mit wenigen elastischen Fasern gemischtem Bindegewebe; davon ma- 
chen allein die Ligamenta intereruralia der Wirbelsäule eine Ausnahme, 
welche ganz aus elastischen Fasern gewebt sind. 

Betrachtet man die Configuration der Gelenkverbindungen, von wel- 
cher weiterhin die Art der Beweglichkeit abhängt, so findet man, dass in 
einer grösseren oder geringeren Zahl von Gelenken das gleiche Prineip 
sich wiederholt. So hat man sich veranlasst geseben, Gruppen aufzustel- 
len, die das Aehnliche zusammenfassen sollten, in welchen aber freilich 
auch manche Besonderheit unbeachtet untergegangen ist. 

Ich habe erwähnt, dass schon die beiden Hauptabtheilungen der Kno- 
chenverbindungen, die Synarthrosen und Diarthrosen, nicht scharf geschie- 
den werden können. Verbindungen von ganz gleichem Bau, in welchen 
die einander zugewandten Flächen theilweise überknorpelt und frei, theil- 
weise durch Bandmasse vereinigt sind, wurden, die Einen Synchondrosen, 


die anderen Gelenke genannt, je nachdem sich der Blick zufällig mehr auf 


die freien oder auf die verwachsenen Stellen gerichtet hatte, oder je nach- 
dem man willkürlich die durch Bandmasse vereinigten Flächen als Theile 
der Gelenkfläche angesehen hatte oder nicht. So ist z. B. die Verbindung 
der Hüftbeine mit dem Kreuzbein eine Syndesmose, wenn man die Tu- 
berositos iliaca und die entsprechenden Rauhigkeiten des Kreuzbeins mit zu 
den Articulationsflächen rechnet; sie ist dagegen Gelenk, wenn man die 
diese Bauhigkeiten an einander heftenden Bänder als Hülfs - oder Haftbän- 
der ansieht. Jedenfalls verdient aber diese Verbindung eher den Namen 
eines Gelenks, als die sogenannten Rippenbrustbeingelenke 1). 


!) Es war auch nichts damit gewonnen, dass man, wie Cruveilhier, für die Ver- 
bindungen der erwähnten Art eine mittlere Classe, Amphiarthrosen oder Symphy- 
sen (Cruv.), schuf, da daneben in dem Genus Arthrodie, worunter man in Frank- 


Textur der 
Haftpänder. 


Formen der 
Gelenke. 


12 Bänderlehre. 


Zur Classe der eigentlichen Gelenke zähle ich alle Knochenverbindun- 
gen, in welchen constant ein Theil der Articulationsfläche frei ist; sie zer- 
fallen in zwei, in ihren Extremen wesentlich verschiedene, aber auch wie- 
der durch Uebergangsformen verbundene Gruppen: Gelenke mit congruen- 
ten und mit incongruenten Flächen. Die Gelenke der letzteren Art sind 
zahlreicher, als man glaubt. Es gehören dahin zuerst alle getheilten und 
zweikammerigen, mit Bandscheiben versehenen Gelenke, und da die Band- 
scheiben, wie oben bemerkt, allmälig zu Synovialfalten sich verschmälern, 
so gehen auch allmälig die incongruenten Formen der Gelenke in die con- 
gruenten über. Es ist schwer zu sagen, ob die Natur die Gelenkfläche in- 
eongruent machte, um Raum für die Bandscheiben zu schaffen, oder ob sie 
die Bandscheiben schuf, um die Incongruenzen der Knochen auszugleichen. 
Gewiss aber liegt der Hauptzweck der Bandscheiben nicht darin, den Ge- 
lenkknorpel gegen Druck und Stoss zu schützen; es wäre sonst unver- 
ständlich, warum sie im Mittelpunkt der Gelenkflächen am schwächsten sind 
oder fehlen; warum sie dem Kniegelenk nothwendiger waren, als dem 
Knöchelgelenk u. s. f£ Druck auszuhalten, ist die Knorpelsubstanz ebenso, 
wenn nicht besser geeignet, als das Bindegewebe; das letztere aber hat 
den Vorzug der Zusammendrückbarkeit und Dehnbarkeit; ein Zwischenla- 
ger von Bindegewebe erlaubt daher den articulirenden Knochen, sich nach 
Jeder Seite hin gegen einander zu neigen, und so steht auch in mechani- 
scher. Beziehung das getheilte Gelenk der Synchondrose am nächsten. In 
manchen Gelenken gewährt die Bandscheibe noch den Vortheil der Be- 
weglichkeit; sie stellt eine Art portativer Pfanne dar, die der Gelenkkopf 
vor sich herschiebt (Kiefer-, Kniegelenk). Wieder eine andere Rolle spielt 
die Bandscheibe des unteren Radio-Ulnargelenkes, auf dessen Beschreibung 
ich verweise. Incongruenzen der Articulationsflächen kommen aber nicht 
bloss in solchen Gelenken vor, wo sie durch Bandscheiben wieder corri- 
girt werden; ein Beispiel unausgeglichener Incongruenz und ein Gelenk 
ganz eigenthümlicher Art, dessen Construction sich nicht mit einem ein- 
fachen Worte bezeichnen lässt, bieten die Verbindungen der unteren Ge- 
lenkflächen des Atlas mit den oberen des Epistropheus. Ueberhaupt sind 
nur wenige Gelenke mit der Genauigkeit gebildet, die uns an einzelnen 
und gerade an den grösseren (Schulter-, Ellenbogen- und Hüftgelenk) 
überrascht. Fast allgemein gehört die Wölbung des Gelenkkopfs einem 
kleineren Radius an, als die entsprechende Concavität der Pfanne; manche 
Gelenkhöhlen sind für den Kopf, den sie einschliessen, zu weitund gestatten 
ihm demnach Drehungen noch in anderen Richtungen, als zu welchen er 
nach der Form der Gelenkflächen befähigt scheint, und dies ist besonders 
dann der Fall, wenn die Gelenkhöhle, wie im Carpal- und Knöchelgelenk, 
von mehreren gegen einander, wenn auch nur in geringem Maasse ver- 
schiebbaren Knochen getragen wird. 


reich die Gelenke mit planen, wenig verschiebbaren Flächen versteht, Articulationen mit 
theilweise freien und theilweise verwachsenen Flächen vorkommen, wie z. B. die Articula- 
tionen des Kopfbeins mit seinen Nebenknochen. Die hierdurch erzeugte Verwirrung äus- 
sert sich auch darin, dass von anderen Schriftstellern der Name Amphiarthrosen geradezu 
auf die Arthrodien Cruveilhier's, auf die straffen Gelenke bezogen wurde, während man 
in Deutschland allgemein unter Arthrodie die freiesten Gelenke versteht. 


Binderlehre. 13 


Unter den Gelenken mit eongruenten Flächen werden nach der Form Eintheilung. 
der Gelenkflächen folgende Arten unterschieden: 

1) Gelenk mit kugelförmigen Flächen, Arthrodiel). Der Kopf 
lässt sich in der Pfanne nach jeder Richtung verschieben und in jeder Stel- 
lung um eine senkrecht auf die Pfanne gedachte Axe drehen. Die Drehung 
der letzteren Art wird insbesondere mit dem Namen Rotation bezeichnet. 

2)Gelenkmitelliptischen Flächen, CondylarthrosisCruv.; der Con- 
dylus, Theil eines Ellipsoids, wird in der entsprechenden Pfanne in zwei 
einander rechtwinklich kreuzenden Richtungen, nämlich um seine grosse 
und kleine Axe, gedreht, aber nicht (im engeren Sinne des Wortes) rotirt 
(Radiocarpalgelenk). 

3) Gelenk mit sattelförmigen Flächen; jede Gelenkfläche in Einer 
Richtung kugelförmig concav, in einer anderen, rechtwinklich zu jener, 
convex; beide ineinandergreifend, so dass in zwei unter rechtem Winkel 
gekreuzten Durchschnitten des Gelenks derselbe Knochen hier die Pfanne, 
dort den Gelenkkopf trägt. Bewegung, wie in der Condylarthrose, um 
zwei einander rechtwinklich kreuzende Axen, mit Ausschluss der Rotation 
(Daumencarpalgelenk). 

4) Gelenk mit eylindrischen Flächen. 

a) Winkelgelenk, Ginglymus 2). 

Der Kopf, einem der Länge nach halbirten Cylinder einigermaassen 
ähnlich, bildet, gleich der entsprechenden Pfanne, liegend, d. h. mit der 
Längsaxe rechtwinklich gegen die Längsaxe der artieulirenden Knochen 
gestellt, die Endfläche der letzteren. Kopf und Pfanne weichen, jener 
dureh Furchen, diese durch vorspringende Leisten, welche rechtwinklich 
gegen die Längsaxe des Cylinders über die Gelenkfläche ziehen, von der 
reinen Cylinderform ab. Das Ineinandergreifen jener Furchen und Leisten 
verhindert, in Verbindung mit seitlichen Haftbändern, die Verschiebung 
der Gelenkflächen in einer der Längsaxe des Cylinders parallelen Richtung 
(Finger- und Zehengelenke). 

b) Rollgelenk, Trochoides 3). 

Die Axe der eylindrisch gewölbten und vertieften Gelenkflächen fällt 
mit der Längenaxe der articulirenden Knochen zusammen oder, mit anderen 
Worten, die Gelenkflächen nehmen einen Theil der Seitenflächen der arti- 
eulirenden Knochen ein. Die ausgehöhlte Gelenkfläche wird durch ein 
Band zum Ring ergänzt (Radioulnargelenke, Zahngelenk des Epistropheus). 

Die Amphiarthrose ) wird definirt als Gelenk mit planen oder fast 
planen Flächen, welche sich nach jeder Richtung , aber nur innerhalb ge- 
ringer Entfernungen, an einander verschieben. Das Charakteristische der 
sogenannten Amphiarthrosen liegt aber nicht in der Gestalt der Flächen, 
die sehr variabel ist, sondern in der geringen Verschiedenheit der Dimen- 
sionen, die zwischen beiden Articeulationsflächen besteht. Von dieser Ver- 
schiedenheit hängt die Grösse der Excursion der Bewegungen ab, da, ab- 
gesehen von der Rotation, die zu bewegende Fläche auf der ruhenden in 
jeder Lage um gerade so viel vorrücken kann, als die Distanz des vorde- 
ren Randes der ersteren vom vorderen Rande der letzteren beträgt. Ge- 


) Enarthrosis Cruv. ?) Gewerb-, Scharnier- oder Kniegelenk, ‚Gewinde. 
®) Rotationsgelenk, rotatio, *) Arthrodie, Winslow, Cruv, 


14 Bänderlehre. 


lenkflächen, welche einander gegenseitig decken, haben, welches ihre Form 
sein möge, so gut wie keine Beweglichkeit. Man dürfte demnach, wenn- 
gleich auch dieser Charakter ein fliessender ist, die Gelenke eintheilen in 
solche mit ähnlichen und mit gleichen Flächen; die Gelenke der letz- 
teren Art sind die Amphiarthrosen. Mit dem Grade der Verschiebbarkeit 
muss die Weite der Kapsel sich in Uebereinstimmung befinden: bei weit 
exeurrirenden Gelenken wird sie also, wenn die eine extreme Stellung sie 
nach der einen Seite spannt, an der entgegengesetzten Seite zu weit und 
schlaff erscheinen. Es ist dafür gesorgt, dass sie sich jedesmal an der er- 
schlaffenden Seite regelmässig in Falten legt, und zwar dadurch, dass die 
Muskeln, deren Zusammenziehung die Knochen gegen einander bewegt, in 
ihrem Verlauf über die Kapsel straff an die letztere angeheftet sind, zum 
Tbeil auch wohl in ihr enden, so dass die active Bewegung der Knochen nicht 
geschehen kann, ohne gleichzeitige Anziehung der Kapsel in der gleichen 
Richtung. Kommen die Muskeln, die eine Bewegung ausführen, nicht in 
Berührung mit der dabei interessirten Kapsel, so erhält diese einen eigenen 
Spannmuskel (M. plantaris). Die Kapsel der Amphiarthrosen geht auf dem 
kürzesten Wege vom Rande der Einen Gelenkfläche zum Rande der ande- 
ren. Ganz passend werden sie deshalb auch, wie erwähnt, mit dem Na- 
men straffe Gelenke belegt. 

In den beweglichen Gelenken ist es immer die gewölbte Fläche, welche 
die ausgehöhlte an Ausdehnung übertrifft. Die Ebene aber, in welcher 
beide einander berühren, hat, wie sich von selbst versteht, bei jeder Stel- 
lung des Gelenks die gleiche Gestalt. Die Beschreibung dieser Ebene, 
die ich im Folgenden die Articulationsebene nennen werde, ersetzt uns 
eine gesonderte Beschreibung der Gelenkflächen des Kopfes und der Pfanne. 

Der Ausspruch, dass die Form der Gelenkflächen die Art und Exeur- 
sion der Bewegungen bestimme, erfordert noch einige Einschränkungen. 
Einerseits, wie bereits erwähnt, werden dadurch, dass die artieulirenden 
Flächen sich von einander entfernen, Verschiebungen möglich, die nach 
der ursprünglichen Anlage des Gelenks nicht vorgesehen scheinen. Syno- 
via, die aus den seitlichen Ausbuchtungen der Kapsel zwischen die Gelenk- 
flächen vordringt, Blut, welches sich in den Gefässen der Synovialfortsätze 
anhäuft, füllt dann den zwischen den Articulationsflächen entstehenden 
leeren Raum. Zu gleicher Zeit (wie ein Zug an dem Finger zeigt, der 
die Grundphalange vom Köpfchen des Mittelhandknochens entfernt) drängt 
der Druck der äusseren Luft die in der Umgebung der Kapsel befindlichen 
Gewebe, die Cutis nicht ausgeschlossen, nach innen vor. Andererseits 
giebt es mancherlei Einrichtungen, um eine Bewegung zu hemmen, ehe sie 
das durch die Configuration der Gelenkflächen gesteckte Ziel erreicht hat. 
Den wesentlichsten Einfluss auf die Beschränkung und Regulirung der Be- 
wegungen übt in jedem Falle die Kapsel aus: insbesondere hängt von ihrer 
Spannungs- und Torsionsfähigkeit die Grenze ab, bis zu welcher sich in 
Kegel- und Rollgelenken die Knochen verschieben und um ihre Längsaxe 
drehen lassen. Die Kapsel kann durch Haftbänder unterstützt werden; 
Knochenvorsprünge, die sich vom Rande der Gelenkfläche erheben, können 
verhindern, dass die Bewegung nach der einen oder anderen Seite zu Ende 
geführt werde; in der Regel aber hat die Torsion und Spannung der Kapsel 


Bänder des Stammes. 15 


ihr Maximum erreicht, wenn diese accessorischen Hemmungsmittel zur 
Wirksamkeit gelangen. Eine Ausnahme machen die Gelenke der Mittel- 
hand- und Mittelfussknochen mit den Grundphalangen; diese Gelenke !) 
sind mit Seitenbändern versehen, welche bei der Beugung in Spannung 
gerathen und dann der Drehung der Phalange um ihre Längsaxe sich 
widersetzen. Stehen zwei Knochen durch paarige Gelenke in Verbindung, 
wie dies z. B. bei den Wirbeln der Fall ist, so gestatten beide Gelenke 
einander nur diejenigen Bewegungen, die um die gleiche Axe von Statten 
gehen, und beschränken einander gegenseitig in den übrigen. 

Schliesslich verdient noch angemerkt zu werden, dass nicht alle Lage- 
veränderungen, deren die Knochen vermöge der Organisation der Gelenke 
fähig sind, durch die activen Bewegungsorgane wirklich ausgeführt wer- 
den. Mit äusserer Gewalt lässt sich in vielen Gelenken (ich erwähne bei- 
spielsweise die Gelenke der Hand und Finger) die Streckung, Beugung 
und Rotation weiter treiben, als es mit Hülfe der diese Bewegungen ein- 
leitenden Muskeln gelingt. 


A. Bänder des Stammes. 
1. Bänder der Wirbelsäule und der hinteren Enden der Rippen. 


Da dieselben Knochen, welche an dem Brusttheil der Wirbelsäule als A. Bänder 

Rippen beweglich angefügt sind, am Hals-, Bauch- und Kreuztheil a mue 
Fortsätze der Wirbel erscheinen; da demnach die Bänder, welche am Br 
korb dem hinteren Ende der Rippe angehören, so weit sie sich an anderen Yunern 
Regionen der Wirbelsäule unverknöchert erhalten, in eigene Bänder der ER 
Wirbel umgewandelt werden, so lässt sich die Beschreibung der Bänder, 
welche die hinteren Enden der Rippen mit der Wirbelsäule und unter sich 
verbinden, von der Beschreibung der Wirbelbänder nicht trennen. Die | 
Bänder der falschen Wirbel sind im Wesentlichen nach demselben Plan | 
gebildet, wie die der wahren; doch bedingt die Verwachsung der Kreuz- 
wirbel und die Verkümmerung der Steisswirbel EigenthüMlähkeiten, de- 
rentwegen es zweckmässig erscheint, die Bänder dieser Wirbel für sich 
und im Zusammenhang zu beschreiben. Andererseits erfordern wegen ihrer 
eigenthümlichen Einrichtung die Gelenkverbindungen der Drehwirbel und 
ie: Schädels eine gesonderte Betrachtung. 

Die Bänder der Beugewirbel und Rippen sind theils eigentliche Ge- 
lenkbänder, wozu wir auch die Synchondrosen der Wirbellörper zählen, 
theils Haftbänder. Die letzteren wiederholen sich entweder, wie die Ge- 
lenkbänder, in gleicher Weise von einem Segment der Wirbelsäule zum 
anderen, oder sie erstrecken sich ununterbrochen über eine Reihe von Wir- 
beln. Bänder der letzteren Art nennt man gemeinsame; es sind deren 
drei, unpaarig, sämmtlich, wie sich von selbst ‘versteht, von verticalem 
Verlauf — von den Krümmungen der Wirbelsäule darf man bei der Be- 
schreibung der Lage der Bänder abstrahiren —, an der vorderen und hin- 
teren Fläche der Wirbelkörper und über den Dornen sich hinziehend. 


Y) Ginglymo-Arthrodien nach H. Meyer. 


16 Bänder der Beugewirbel. 


Il. Bänder der Beugewirbel. 
a. Syncehondrosen und Kapselbänder. 


1. Wirbelsyncehondrosen, Ligamenta intervertebralia '). 


I. Bänder Die Scheiben relativ weicher Substanz, welche zwischen je zwei Wir- 
a belkörper eingeschaltet sind, passen sich in Form und Umfang den End- 
a.Synchon- lächen der Wirbelkörper an und nehmen demnach vom unteren Ende der 
ee Säule der wahren Wirbel gegen das obere im transversalen und sagittalen 
1. Wirbei- Durchmesser ziemlich gleichmässig ab; ihre Höhe ist am geringsten zwi- 
N schen dem dritten bis sechsten oder siebenten Brustwirbel; sie nimmt von 
da an abwärts beträchtlich, aufwärts nur in geringem Grade zu, ist aber 
zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel wieder geringer, als zwischen 
den übrigen Halswirbeln 2). Verglichen mit den Wirbelkörpern beträgt 
die mittlere Höhe der Synchondrosen an den Bauchwirbeln etwas über ein 
Drittel der Höhe der Körper, an den Brustwirbeln ein Fünftel bis ein Vier- 
tel, an den Halswirbeln etwa ein Viertele Der concaven Form der End- 
flächen der Wirbel entsprechend ist jeder Zwischenwirbelknorpel in der 
Mitte höher als an den Rändern. In der Hals- und Bauchgegend sind 
sie wegen der vorwärts convexen Gestalt der Wirbelsäule am vorderen 

Rande um ein Drittel bis zur Hälfte höher, als am hinteren Rande. 
Die Endflächen der Wirbelkörper sind mit einer dünnen (1"®) Lage 
von hyalinischem Knorpel bekleidet, welchen man einem Gelenkknorpel 
—_ \ vergleichen kann. Innerhalb desselben entwickeln sich die Epiphysen der 
“ Wirbelkörper. Das eigentliche Band, die Scheibe, welche diese beiden 
Knorpelflächen an einander heftet, besteht aus zwei, bei Betrachtung mit 
freiem Auge mehr oder weniger scharf 
gegen einander abgesetzten Theilen. Zu 
äusserst liegt ein fester, knorpelharter und 
elastischer Ring ?), der aufdem transversa- 
len Schnitt (Fig. 6) concentrische, auf dem 
verticalen Schnitt (Fig. 7) verticale, nicht 
selten unterbrochene Streifung zeigt. Die 
Axe nimmt ein weicherer, übrigens aber 
verschieden gestalteter, häutiger, gallert- 
artiger oder gelappter Kern ®) ein, wel- 
cher auf horizontalen Schnitten bald her- 
Horizontalschnitt der Synchondrose des vorquillt, bald einsinkt, auf verticalen 
siebenten und achten Brustwirbels. Schnitten aber immer durch die Zusam- 
menziehung des Faserrings zwischen den 
Schnitträndern der Wirbel hervorgepresst wird und nur durch gewaltsames 
Auseinanderziehen der Wirbel in seiner natürlichen Lage erhalten werden 


\) Cartilagines s. Fibrocartilagines intervertebr., Zwischenwirbelbänder, -knorpel, -scheiben. 
”) E. H. Weber, Meckel’s Archiv 1827. 8.256. *) Annulus fibrosus s. fibrocartilagineus. 
*) Gallertkern, Nucleus gelatinosus, gelatinoso - cartilagineus, pulposus. 


Wirbelsynchondrosen. 17 


kann. Der Kern liegt excentrisch, näher dem hinteren Rande der Scheibe 
als dem vorderen; zuweilen sendet er einen Fortsatz zwischen den abge- 
rundeten Spitzen des Faserrings bis an 
das Lig. commune posticum (Fig. 15). 
Der horizontale Durchmesser des Kerns 
hat nicht ganz die Hälfte des horizonta- 
len Durchmessers der ganzen Scheibe. 
An den Halswirbeln ist er verhältniss- 
mässig etwas umfänglicher, und insbe- 
sondere ist von beiden Seiten her durch 
die aufwärts ragenden Knochenränder 
des je unteren Wirbels die Breite des 
Faserrings beeinträchtigt. 

Das Gewebe des eigentlichen Zwi- 
schenwirbelbandes, im Gegensatz zu 
dem hyalinischen Knorpelüberzug der 
Knochenflächen, ist Bindegewebe und 
Medianschnitt der Körper des siebenten ein eigenthümlich modifieirter Faserknor- 
und achten Brustwirbels mit der Syn- pel. Zu äusserst, unter den verticalen 
chondrose. cva Lig. comm. vertebr. ant. r 
cvp Lig. comm. vertebr. post. *Locke- Bindegewebsbündeln der gemeinsamen 
ves, den Raum zwischen dem Lig. comm. Wirbelbänder (s. unten) finden sich Bin- 
vertebr. ant. und der Beinhaut erfüllen- ke . re 
des Bindegewebe. ** Hyalinischer Knor- degewebsbündel von ringförmigem oder 

pelüberzug. schräg von einem Wirbel zum anderen 
absteigendem Verlauf in mehreren Schich- 
ten, die schrägen Bündel der auf einander folgenden Schichten je einan- 
der unter spitzen Winkeln kreuzend. Die Bündel sind von interstitiellen 
elastischen Fasern durchzogen, einzeln von feinen elastischen Netzen umge- 
ben, dann wieder in Abtheilungen höherer Ordnung geschieden durch gröbere 
elastische Fasernetze, welche in verticalen und dem Umfang der Scheibe con- 
centrischen Ebenen den Raum zwischen je zwei Wirbelkörpern durchziehen 
und durch horizontale Septa unter einander in Verbindung stehen. Diese 
äussere, eigentlich bindegewebige Abtheilung des Faserrings hat eine nur 
geringe Mächtigkeit, um so geringer, je höher die Scheibe (an den Brust- 
wirbeln 1””). An sie schliesst sich die zweite, innere und viel mächtigere 
Abtheilung, aus parallelen Bündeln von demselben ringförmigen oder 
schrägen Verlauf gewebt, die auch in ihrem äusseren Ansehen den Binde- 
gewebsbündeln gleichen, in dem Verhalten gegen Reagentien aber dem 
elastischen Gewebe näher stehen. Zwar verlieren sie in kochendem Was- 
ser und in Essigsäure die (bei auffallendem Lichte) glänzend weisse Farbe 
und werden durchsichtig, aber sie quellen nicht auf und behalten das fase- 
rige Ansehen. 

Die erwähnte Streifung des Faserringes, concentrisch auf horizontalen, 
vertical auf verticalen Durchschnitten, giebt ihm den Anschein, als ob er 
aus senkrechten, in einander eingeschlossenen niedrigen Röhren zusammen- 
gesetzt sei. Haben die Bänder längere Zeit im Wasser gelegen, so wer- 
den die Streifen alternirend glänzend weiss und röthlich gallertartig, als 
ob Röhren von zweierlei Substanz mit einander wechselten. Dies ist nicht 
der Fall. Das verschiedene Ansehen der Schichten rührt in der äusseren, 


Henle, Anatomie. Bd. I Abthlg 2. 2 


18 Wirbelsynehondrosen. 


wie in der inneren Abtheilung des Faserringes nur von der verschiedenen 
Richtung der Fasern her. Es ändert sich, wie bei den Figuren des Da- 
mastes, mit der Beleuch- 
tung: die Schichten, 
welche bei einem von 
rechts her einfallenden 
Lichte sich glänzend 
weiss zeigen, werden 
bei von links einfallen- 
dem Lichte röthlich gal- 
lertartig und umgekehrt, 
und dazwischen giebt es 
eine Beleuchtungsweise, 
welche die scheinbare 
Schichtung verschwin- 
den macht. Horizon- 
tale Durchschnitte des 
Faserringes spalten die 
grosse Mehrzahl der Bündel parallel dem Zuge der Fasern; das Mikroskop 
lässt Faserzüge (Fig. 8) erkennen, welche in alternirend glänzenden und 
durehsichtigen Streifen von !/ — !/”"” Breite im Ganzen concentrisch, 
aber schräg und, wie es scheint, in weitläufigen Spiraltouren wechselnd 
nach der einen und anderen Seite gewunden, verlaufen. Scheidewände 
zwischen diesen Bündeln sind nicht sichtbar; nur selten trifft man auf Quer- 
schnitte von Faserbündeln. Verticale und parallel den Radien der Scheibe 
geführte Schnitte (Fig.9) 
zeigen dagegen, mikro- 
skopisch betrachtet, un- 
ter den äussersten, lon- 
gitudinalen Bündeln fast 
nur senkrecht auf den 
Lauf der Fasern durch- 
schnittene. Die Scheide- 
wände der Bündel bilden 
ein, bei durchfallendem 
Lichte dunkles, bei auf- 
fallendem Lichte weisses 
Fach- oder Gitterwerk, 
bestehend aus stärkeren 
Verticalschnitt einer Wirbelsynchondrose. cva Lig. comm. und feineren Bälkchen, 
vertebr. ant. 1 äussere, 2 innere Abtheilung des die stärkeren vertical, 
Faserrings. R 3 
hier und da unter spitzen 
Winkeln zusammenflies- 
send, in Distanzen, welche der Breite der concentrischen Schichten des Fa- 
serringes entsprechen; die feineren in grosser Zahlund vielfach anastomosirend 
den Raum zwischen je zwei verticalen Bälkchen durchziehend. In der äusse- 
ren Abtheilung des Faserringes, so weit derselbe aus Bindegewebe besteht, 
schliessen die feineren Bälkchen kreisförmige oder der Kreisform sich an- 


Horizontalschnitt des Faserrings einer Wirbelsynehondrose. 


Wirbelsynehondrosen. 19 


nähernde Maschen ein; in der inneren Abtheilung sind die Maschen lang- 
gestreckt, so zwar, dass der längste Durchmesser den Radien der Scheibe 
parallel liegt. Der Durchschnitt der äusseren Abtheilung unterscheidet 
sich in Nichts von dem Durchschnitt einer Sehne; in der inneren Abthei- 
lung sind die Räume zwischen den Scheidewänden dicht von dunklen und 
sehr feinen, nur mittelst starker Vergrösserungen unterscheidbaren Pünkt- 
chen, den Durchschnitten der Fibrillen der concentrisch verlaufenden Bün- 
del, erfüllt. 

Die Scheidewände bestehen selbst wieder hauptsächlich aus dichten 
Bündeln elastischer Fasern, welche sich aus der hyalinischen Masse des 
Knorpels, der die Endflächen der Wirbelkörper bekleidet, entwickeln und, 
indem sie von je zwei Wirbeln ‘einander entgegengehen, sich in feinere 
Bündel theilen, um die ringförmigen Fasern zwischen sich zu fassen. Je 
näher dem Kern, um so mehr treten die ringförmigen Fasern gegen die 
Fasern der verticalen Septa zurück; in dem Kern fehlen die ringförmigen 
Fasern völlig; die Fasern desselben verlaufen fein gekräuselt und, wiewohl 
dieht neben einander, doch vereinzelt von einem Wirbel zum anderen. Zu- 
weilen werden sie unterbrochen von einer horizontalen, aus dichteren und 
stärkeren horizontalen Faserbündeln gewebten und in der Mitte zwischen 
den beiden einander zugewandten Wirbelflächen gelegenen Lamelle. 

Zwischen den elastischen Faserzügen treten in veränderlicher Zahl 
grössere und kleinere, meistens kugelförmige Knorpelzellen auf, welche 
zum Theil erst nach Anwendung der Essigsäure sichtbar werden. Zahl- 
reich, oft in langen Reihen geordnet, finden sie sich in der Dicke der 
stärkeren Scheidewände; in den feineren Scheidewänden und besonders in 
den Theilungswinkeln derselben kommen sie vereinzelt vor und bewirken 
bauchige Auftreibungen. Oft aber sitzen sie auch reihenweise neben den 
Scheidewänden oder unregelmässig zerstreut in den von den Scheidewän- 
den umgrenzten Räumen. Im Verhältniss zum Fasergewebe sind sie, je 
näher dem Kern, um so reichlicher; in grösster Menge trifft man sie im 
Kern, bald einzeln, bald in Reihen, bald in grossen, schon dem blossen 
Auge erkennbaren, kuglichen oder eiförmigen Gruppen von zwölf und mehr, 
zu deren Aufnahme die Fasern auseinanderweichen. 

Die Zellen haben einen glänzenden, platten, meist unregelmässig ver- 
bogenen Kern; sie sind in manchen Fällen vollkommen wasserhell; in an- 
deren concentrisch geschichtet, in anderen mit gröberen und feineren Körn- 
chen erfüllt. Oft sind sie äusserlich von_ dergleichen Körnchen umgeben ; 
doch findet man in älteren Subjecten feinkörnige Trübungen der Scheiben 
auch diffus, fleckenweise über Zellen und Fasern ausgebreitet. Viele Zel- 
len sind, entsprechend der Richtung der Fasern, zwischen welchen sie lie- 
gen, von zwei Polen oder sternförmig in kürzere oder längere Anhänge 
ausgezogen. 

Die Substanz des Kerns der Wirbelsynehondrosen besitzt eine merk- 
würdige Quellbarkeit. Getrocknet schrumpft sie zu einem dünnen, hom- 
artigen Ueberzug der Wirbelkörper zusammen. Feine Verticalschnitte die- 
ser eingetrockneten Masse dehnen sich in einem Tropfen Wasser um das 
Zwölf- bis Achtzehnfache aus. Frisch in Wasser gelegt, erreicht der Kern 
durch Einsaugung etwa das Doppelte seines Volumens. In geringerem 


9% 


20 Wirbelsynchondrosen. 


Maasse kommt diese Eigenschaft auch dem elastischen Theile des Faser- 
ringes zu. Dabei ist es auffallend, wenn man dünne Durchschnitte getrock- 
neter Synehondrosen mit Wasser versetzt, wie viel schneller der Kern und 
die elastische Abtheilung des Faserringes sich erweichen und aufquellen, 
als die bindegewebige- Abtheilung des letzteren. Diese Quellbarkeit erklärt 
sich aus dem Eindringen des Wassers in die zahlreichen Knorpelzellen und 
in die Zwischenräume der lose neben einander gelegenen Fasern. Doch 
scheint eine einigermaassen feste, völlig durchsichtige und sehr hygrosko- 
pische Substanz die Grundlage des Gewebes des Kerns zu bilden. Dies 
ist daraus zu schliessen, dass auf feinen Querschnitten die den Durchschnit- 
ten der Fasern entsprechenden Pünktchen sich öfters im Umfange heller, 
kreisförmiger Flecke angehäuft finden, in deren Centrum regelmässig je 
eine Knorpelzelle frei und unverschiebbar liest. 

Die Varietäten der Form, welche der Kern der Wirbelsynchondrosen 
darbietet, beruhen in der unbeständigen Entwicklung von Hohlräumen im 
Inneren desselben. Oft zeigt schon der Faserring in der Nähe des Kerns 
auf Vertiealschnitten einzelne leere Fächer, als ob Bündel der ringförmi- 
gen, in diesen Fächern eingeschlossenen Fasern nicht zur Entwicklung 
gelangt wären. Im Inneren des Kerns sind kleinere und grössere Lücken 
bei erwachsenen Personen sehr häufig. Sie sind niedrig, oft nur spalt- 
förmig, mit glatten oder unregelmässig ausgebuchteten Wänden. Die Sub- 
stanz des Kerns, so weit sie diese Höhlen begrenzt, ist meistens verdichtet, 
durch horizontale Faserzüge verstärkt und mit einem dunkel- und grob- 
körnigen Ueberzug versehen, der in Form mikroskopischer, zottenförmiger 
Fortsätze in die Höhle vorspringt. Eine andere Art von Lücken findet 
sich zwischen dem Kern und dem Knorpel, welcher die Endfläche des 
Wirbelkörpers bekleidet. Dieser Knorpel liegt dann stellenweise frei; seine 
Oberfläche ist uneben, nach der Form der Oberfläche des Kerns; der letz- 
tere gleicht ganz oder bis zu einer gewissen Tiefe den gelappten oder ge- 
franzten Synovialfalten der eigentlichen Gelenke. Die Läppchen und 
Kämme sind fester, minder leicht in Fasern zerlegbar und mehr gelblich 
von Farbe, als der ungelappte Theil des Kerns 1). 


Beim neugeborenen Kinde besteht der Faserring der Wirbelsynchondrose noch 
ganz aus Bindegewebe. An der Stelle des Kerns findet sich, wie es den Anschein 
hat, eine Höhle, von weisslichem Schleim erfüllt, der sich in Tropfen ausdrücken 
lässt. In der That ist diese scheinbare Höhle von einzelnen zarten, knorpelkör- 
perhaltigen elastischen Lamellen und dazwischen von einem zerreisslichen, netz- 
förmigen Gewebe durchsetzt, dessen Bälkchen in einer structurlosen Grundsub- 
stanz Kernzellen und kleinere und grössere, kugliche, von wasserheller Flüssigkeit 
erfüllte Hohlräume enthalten, die sich auf Kosten der Grundsubstanz zu vergrös- 
sern und die Grundsubstanz zu verdrängen scheinen. Die ausgepresste schleimige 
Flüssigkeit enthält eylindrische und kolbenförmige Fragmente dieser Bälkchen; auf 
jedem Durchschnitt sieht man einzelne derselben frei, kolbig enden; doch könnten 
diese auch zufällig aus dem Zusammenhang gerissen sein. 


‘) Von dieser Höhlung des Kerns handelten zuerst Portal (Anat. med. T. I, p. 279) 
und Pailloux (Bulletin de la soc. anat. 1826). Cruveilhier hält sie für beständig, 
Barkow beschreibt sie als Folge pathologischer Veränderung im höheren Älter. Eine 
genauere histologische Darstellung der die Höhle begrenzenden Wände „ab kürzlich 
Luschka (Zeitschr. für rat. Med, Bd. VII, Hft. 1). 


Kapselbänder der Beugewirbelgelenke. 21 

Beim neunjährigen Kinde hat die Wirbelsynchondrose im Wesentlichen den 
Bau wie beim Erwachsenen. Der Knorpelüberzug der Wirbelkörperflächen ist 
verhältnissmässig. mächtiger und die Scheibe ist, so lange der Rand des Wirbel- 
körpers abgerundet ist, bieoncav, in der Gegend des Kerns am dünnsten. 

In aufrechter Haltung des Körpers werden die Scheiben zusammengedrückt. 
Der Verlust an Höhe, welehen der Rumpf durch Compression sämmtlicher Wir- 
belsynchondrosen erleidet, soll bis zu einem Zoll betragen können (de Fontenu, 
Hist. de Pacad. des sciences. Paris 1727, p. 16. Hyrtl, Lehrb. der Anat. 4. Aufl. 


S. 255). 


2. Kapselbänder der Beugewirbelgelenke Ligg. capsularia 
process. articularium. 


Die Riehtung und Form der artieulirenden Flächen der Gelenkfortsätze 
der Wirbel ist schon im osteologischen Theil beschrieben. Der Knorpel- 
überzug ist hyalinisch, bis 1”” mächtig. Die Kapsel ist straff an den Brust- 
und Bauchwirbeln,, schlaff an den Halswirbeln; sie grenzt medianwärts an 
die Ligg. intereruralia, von welchen sie sich als ein feiner Bindegewebs- 
überzug abheben lässt; nach den anderen Sei- 
ten ist sie durch unregelmässige Faserbündel 
verstärkt. welche an den Halswirbeln kreisför- 
mig, an den Brust- und Bauchwirbeln schräg 
verlaufen. Oft erstrecken sich platte, dünne 
Synovialfalten von der einen oder anderen Seite 
bis gegen die Mitte der Gelenkhöhle. 


Fig. 10. 


Das Maassgebende beiden Bewegungen der Wir- 
bel sind die Synehondrosen. Der Kern der letzteren 
ist ein elastisches Polster, welches den mit einander 
verbundenen Wirbelkörpern eine Art Schaukelbewe- 
gung gestattet, wodurch sie sich nach jeder Seite hin 
und mit jedem Theil ihrer Ränder einander um eben 
so viel nähern, als sie sich am entgegengesetzten 
Theil der Ränder von einander entfernen können. Die 
Grenzen dieser Bewegung bestimmt der Faserring, 
der an der Seite, wo die Wirbel sich von einan- 
der zu entfernen streben, in verticaler Richtung 
gedehnt wird, an der Seite dagegen, nach wel- 


Horizontaldurchschnitt der > ; k 
Wirbelsäule in der Gegend cher sich die Wirbel gegen einander neigen, seiner 


der fünften bis sechsten natürlichen Elasticität überlassen und dann selbst 
erseiprbelsynehondrose in Form eines Wulstes oder einer Falte zwi- 
Gut %%). Pst4,Dormn des „chen den Rändern der Wirbel hervorgepresst wird. 


vierten Brustwirbels. ic Lig. 


ReoneeTeN Die Ergiebigkeit dieser Bewegung hängt von der 


Höhe der Synchondrose ab; je grösser in einem 
gegebenen Abschnitt der Wirbelsäule die Höhe der 
Synehondrosen im Verhältniss zur Höhe der Wirbelkörper, um so grösser die 
Beweglichkeit. Die Torsionsfühigkeit der Synchondrosen, von welcher die Mög- 
lichkeit der Drehung der Wirbelsäule um ihre verticale Axe abhängt, ist in allen 
Regionen der Wirbelsäule nur gering. Nach E. H. Weber's Messungen !) beträgt 
die gesammte horizontale Drehung, deren der aufrecht stehende Körper bei fest- 
stehender Fusssohle in seinen verschiedenen Abtheilungen fähig ist, am Kopfe 
180°. Hiervon kommen auf die Drehung am Becken und den Füssen 73°, auf 


‘ 


!) Meckel’s Arch. 1827, S. 261. 


2. Kapseln 
der Benge- 
wirbel- 
gelenke. 


Physiol. 
Bemerkun- 
gen. 


22 Kapselbänder der Beugewirbelgelenke. 


Horizontaldurchschnitt durch das Gelenk des letzten 

Brust- und ersten Bauchwirbels. Pai Proc. art. inf. 

des zwölften Brustwirbels. ic Lig. intererurale, is 

Lig. interspinale. ss Lig. supraspinale. 1. Cutis, 
2. Fetthaut. 


Horizontaldurchschnitt durch den dritten Bauchwirbel. 


Pas Proc. art. sup. des dritten Bauchwirbels. 
ic. ss, 1, 2 wie in Fig. 11. 


die Drehung im Halse 79°; für 
sämmtliche Brust- und Bauchwir- 
bel bliebe demnach eine Drehung 
von nur 28° übrig. 

Sollten die Verschiebungen, 
deren die Wirbelkörper vermöge 
der Dehnbarkeit der Synchon- 
drosen fähig sind, wirklich aus- 
geführt werden, so war eine be- 
wegliche Verbindung auch der 
Wirbelbogen unter einander uner- 
lässlich. Diese Verbindung wird 
durch wahre Gelenke vermittelt. 

Bei der Association der Ge- 
lenke der Wirbelbogen mit den 
Synchondrosen der Wirbelkörper 
kann es nicht fehlen, dass Be- 
wegungen, zu welchen die letzte- 
ren für sich allein sich hergeben 
würden, in jenen einen Wider- 
stand finden, sowie umgekehrt 
die Verschiebung der Gelenk- 
flächen nach den Richtungen, nach 
welchen sie von einer parallelen 
Verschiebung der Wirbelkörper 
begleitet wird, durch die letztere 
beschränkt wird. Nur in Einem 
Fall könnte eine Beweglichkeit 
der Wirbelgelenke, die die Be- 
weglichkeit der entsprechenden 
Synchondrosen übertrifft, von 
Nutzen sein, wenn nämlich die 
paarigen Artieulationsebenen der 
Wirbelgelenke Theile einer Cy- 
linder- oder Kugelfläche sind, de- 
ren Axe cder Centrum innerhalb 
der entsprechenden Synchondrose 
liegt. Dieser Fall scheint in den 
Brustwirbeln vorzuliegen (vgl. 
Fig. 10). 

Von den oberen Brustwir- 
beln an abwärts stehen die 
Articulationsebenen sämmtlicher 
Wirbel fast vollkommen vertical 
(Fig. 13). Dadurch wird, welches 
auch sonst die Form und Rich- 
tung der Gelenkflächen sein möge, 
vor Allem das Auf- und Abglei- 
ten der Gelenkflächen an einan- 
der begünstigt, wie es nöthig ist, 
wenn die Höhe der Synchondro- 
sen je nach der Belastung zu- 
und abnimmt. 

Die Richtung der Articula- 
tionsebenen der Brustwirbel ist 
eine frontale; dadurch ist für 


Kapselbänder der Beugewirbelgelenke. 23 


diese Region der Wirbelsäule Beugung und Streckung ausgeschlossen oder doch nicht 


Fig. 13. 


Sagittalschnitt durch sämmt- 
liche Wirbelgelenke. 


ohne Klaffen der Gelenkflächen, und demnach 
nur in sehr beschränktem Maasse gestattet. Da 
die Artieulationsebenen flach gekrümmt sind 
und zwar, wie es den Anschein hat, nach 
demselben Radius und vorwärts concav, so 
können sie einer Torsion der Synchondrosen, 
einer Drehung der Wirbelsäule um ihre ver- 
ticale Axe folgen. Dass indess auch die Ex- 
cursion dieser Bewegung nur unerheblich ist, 
geht sowohl aus dem angeführten Versuch, 
als aus der Straffheit der Gelenkkapsel her- 
vor. Die relativ grösste Beweglichkeit be- 
sitzen die Brustwirbelgelenke in der Seit- 
wärtsbeugung, wodurch je die rechte oder 
linke Schulter tiefer gestellt wird; nur tritt 
hier wieder hemmend das ungünstige Verhält- 
niss der Höhe der Synehondrosen zur Höhe 
der Wirbelkörper entgegen. Es erklärt sich 
daraus, warum, bevor die Wirbelkörper ihre 
definitive Höhe erreicht haben und insbeson- 
dere zu der Zeit, wo innerhalb der .Synchon- 
drosen die Epiphysen gebildet werden sollen, 
die Neigung gerade zur seitlichen Auswei- 
chung (Skoliose) in der Brustwirbelsäule so 
gross ist. 

Wären die Gelenke der Bauchwirbel ge- 
nau congruent und nur in der durch die 
Configuration der Gelenkflächen vorgezeich- ” 
neten Richtung verschiebbar, so wäre nur 
Eine Bewegung des Auf- und Abgleitens, 
diese allerdings in sehr sicherer Bahn, ge- 
stattet — denn die paarigen Articulationsebe- 
nen gehören, wenn man sie zu Rotations- 
körpern ergänzt (sehr häufig sind sie unre- 
gelmässig gekrümmt), jede einem Cylinder 
an, deren Axen zwar parallel, vertical, aber 
nicht zusammenfallend, sondern nebeneinan- 
der hinter den Gelenken, etwa in der Ge- 
gend der Wurzel des Wirbeldorns liegen wür- 
den (Fig. 11, 12). Bei dem Mangel einer 
gemeinsamen Drehungsaxe steht also jedes 
Gelenk hemmend der Rotation des symmetri- 
schen Gelenks entgegen Fielen aber auch 
die Drehungsaxen der paarigen Gelenke zu- 
sammen, so gestalteten sich die Verhältnisse 
für die. Rotation dadurch schr ungünstig, 
dass die horizontale Verschiebung in der 
Synchondrose einen grösseren Kreis beschrei- 
ben müsste, als un Gelenk. Die Seitwärts- 
beugung der Bauchwirbel verbietet der sagit- 
tale Theil, die Vorwärtsbeugung der fron- 
tale Theil der Articulationsflächen der Wir- 
belgelenke um so entschiedener, je beträcht- 
licher (im Vergleich zu den Brustwirbeln) die 
Höhe der Gelenkflächen. Wenn dennoch, wie 


24 Kapselbänder der Rippenköpfchengelenke. 


Weber’s Erfahrungen‘) lehren, zwischen den beiden untersten Brust- und den 
beiden untersten Bauchwirbeln eine starke Vor- und Rückwärtsbeugung, zwischen 
allen Bauchwirbeln eine Seitwärtsbeugung möglich ist, so ist dies nur ein Beweis, 
dass die Wirbelgelenke zu den schlottrigen und unberechenbaren gehören, deren 
in der Einleitung gedacht wurde, bei welchen, nach A. Fick’s bezeichnendem Aus- 
druck, die Ungenauigkeit der Ausführung zum Prineip erhoben ist. 

Die Artieulationsebenen der Gelenke der oberen Brustwirbel und der Beuge- 
wirbel des Halses gehen von unten nach oben mehr und mehr in die horizontale Lage 
über (Fig.13); sie nähern sich derselben um so mehr, je mehr der Kopf vorgestreckt 
wird. Das Hinderniss, welches der Vorwärtsbeugung der Wirbel von Seiten der 
Wirbelgelenke entgegensteht, nimmt also nach oben allmälig ab. ‘Die Seitwärts- 
beugung wird in dem Maasse, als die Stellung der Artieulationsebenen ungün- 
stiger wird, erleichtert durch die Configuration derselben, indem sie Abschnit- 
ten von Kugelflächen ähnlich werden, so zwar, dass die unteren Gelenkflächen des 
oberen Wirbels zusammen den Kopf, die oberen Gelenkflächen des unteren Wir- 
bels die Pfanne eines Kugelgelenks. darstellen. Der Drehungsmittelpunkt kommt 
auf diese Weise hinter die Gelenke zu liegen und die Rotation um die verticale 
Axe wird eben so, wie an den Bauchwirbeln erschwert, während man sonst in der 
Annäherung an die horizontale Stellung eine Tendenz erkennen müsste, die Rota- 
tion zu erleichtern. Die Beugewirbel des Halses verdanken ihre verhältnissmässig 
bedeutende Beweglichkeit nicht den Gelenken, sondern der relativen Höhe der Syn- 
chondrosen. Die geringe Mächtigkeit der Synchondrose zwischen dem zweiten und 
dritten Halswirbel ist Ursache, dass an dieser Stelle die Beweglichkeit am gering- 


sten ist. 


3. Kapselbänder der Rippenköpfehengelenke, Ligg. caps. 
capitulorum costarum. 


3. Kapsel- An der ersten, elften und zwölften Rippe sind in der Regel die Kap- 


bänder. 
d. Rippen- 


seln einfach, schlaffer, als an den übrigen Rippen, die Gelenkpfannen und 


köpfchen- Köpfchen von hyalinischem Knorpel (!/; bis 1mm dick) überzogen. 
Die zweite bis zehnte Rippe articulirt (Knochenl. I, S.33) auf den Rän- 
dern je zweier Wirbelkörper und der Seitenfläche der diese Wirbelkörper 


gelenke. 


Fig. 14. 


’'a.P 
ver 

Fa Sf) @ 
‚yo 
3 9, Ar 


iv x 


Verticaldurchschnitt des Gelenks des Köpfchens 
der siebenten Rippe ‚mit der Wirbelsäule. ?v 
Faserring der Wirbelsynchondrose. ** Knor- 
pelüberzug der Endflächen der Wirbelkörper. 


verbindenden Synchondrose. Der 
etwa jmm mächtige Gelenkknor- 
pel erstreckt sich continuirlich 
von einem Wirbelkörper zum an- 
deren über das Bindegewebe der 
Synchondrose hinweg; dieGrund- 
lage desselben ist zunächst dem 
Knochen hyalinisch, im Uebri- 
gen (elastisch) faserig; er steht 
im Zusammenhang mit dem hya- 
linischen Ueberzug der Endflä- 
chen der Wirbelkörper. Das 
Rippenköpfehen ist ebenfalls mit 
Faserknorpel von ungefähr glei- 
cher Mächtigkeit bedeckt. Die 


Crista capituli und den über der Wirbelsynchondrose gelegenen Theil der 


ı) A. a. 0.8. 246. 


Kapselbänder der Rippenhöckergelenke. 25 


Pfanne verbindet eine horizontale kurze Faserknorpelbrücke von verschie- 
Fig. 15. 


Horizontalschnitt der Wirbelsäule und Rippen durch die Synchondrose des sechsten und 

‚siebenten Brustwirbels.. cvr Lig. costo-vertebrale radiatum. cv a Lig. commune vertebr. 

ant. öc Lig. intererurale. tei Lig. tubereuli costae inf. Act Artieulatio costo-transver- 
salis. ces Lig. colli costae sup. 


dener Stärke, Lig. capıl. costae inlerarliculare }), welche die Ge- 
lenkhöhle meist vollkommen in zwei abtheilt. 

Die Kapselmembran ist dünn, fast allseitig von lockerem Bindegewebe 
umgeben, nur nach vorn durch das Lig. costo-vertebr. radiatum (s. unten) 
verstärkt. 


Mehrmals sah Barkow die Rippenköpfchen mit den Wirbeln in einer grösse- 
ren oder geringeren Zahl von Gelenken durch Synehondrose verbunden. Die ver- 
bindende Substanz war ein biegsamer, gelblicher Faserknorpel. 


n 


4. Kapselbänder der Rippenhöckergelenke, Ligg. caps. costo-transversalia. 


Die Querfortsatzpfanne des ersten bis zehnten Brustwirbels und die 


_ entsprechenden Gelenkflächen der (ersten bis zehnten) Rippe bekleidet hya- 


linischer Knorpel. Die Kapseln sind schlaff, ringsum von lockerem Binde- 
gewebe umgeben. Die Articulationsebene ist schwach vorwärts concav. 


) Cartilago interarticularis Arn. Lig. teres. Cloquet. Zig. transversum Hyrtl. 
Lig. interosseum costo-vertebr, Cruv. 


4. Kapsel- 
bänder der 
Rippen- 
höcker- 
geleuke. 


26 Lig. comm. vertebr. ant. 


b. Bänder an der vorderen Fläche der Wirbelsäule. 


1. Lig. commune vertebr. ant. De. 


b. Bänder Ein platter, aus vertical verlaufenden Bindegewebsbündeln (mit spar- 


der Vorder- 
fläche. 
1. Lig. 
oomm. vert. 
ant. 


Brustwirbel und Rippenköpfchen, 
fast Profil. cta Lig. costo-trans- 
vers. ant. cciLig. colli costae inf. 


samen elastischen Fasern) zusammengesetz- 
ter Bandstreifen, welcher über die Mitte der 
Vorderfläche sämmtlicher Wirbelkörper un- 
unterbrochen sich erstreckt. An denBauch- 
wirbeln nimmt dies Band fast die Hälfte der 
vorderen Fläche ein; der Seitenrand des- 
selben reicht bis an das Ernährungsloch, 
welches sich ziemlich regelmässig in der 
Mitte der Höhe des Wirbelkörpers findet — 
längs den Brustwirbeln wird es schmaler, 
aber verhältnissmässig dicker; auf den Hals- 
wirbeln plattet es sich wieder mehr ab und 
dehnt sich in die Breite aus, bis es endlich 
am Epistropheus sich zu einer Art von dün- 


nem, medianem, am Vorderrande wulstigem Septum zwischen den Bäuchen 


der Mm. longi colli?) redueirt. 


Am Atlas hängt es mit dem Bandapparat , 


zusammen, der die Lücke zwischen Atlas und Schädel ausfüllt; von den 


ax 
Ro; N 


Bauchwirbeln abwärts verliert es sich, 
indem es sich fächerförmig ausbreitet, 
auf der Vorderfläche des zweiten Kreuz- 
wirbels. In der Gegend der oberen 
Bauchwirbel wird es durch die sehni- 
gen Ursprünge des Zwerchfells verstärkt. 

Die Bündel, welche das vordere ge- 
meinsame Wirbelband bilden, lassen 
schmale verticale Spalten, durch welche 
die Gefässe zu den Wirbelkörpern’ tre- 
ten. Sie anastomosiren unter sehr spitzen 
Winkeln und verflechten sich, indem an 
jedem Wirbel einzelne entspringen, an- 
dere enden, so zwar, dass die längsten 
(und oberflächlichsten) über 4 bis 5 Wir- 


Medianschnitt der Körper des siebenten belkörper wegzugehen scheinen. Sehr 


und achten Brustwirbels mit der Syn- 
chondrose. cvp Lig. comm. vertebr. post. 


genau hängen sie mit den verticalen 


*Lockeres, den Raum zwischen demLig. Bündeln der Oberfläche der Wirbelsyn- 
comm. vertebr. ant. und der Beinhaut er ehondrosen zusammen: von den Wirbel- 
I 


füllendes Bindegewebe. ** Hyalinischer 


Knorpelüberzug. 


körpern sind sie durch eine Lage von 
mehr lockerem und unregelmässigem 


Bindegewebe (Fig.17*) geschieden, welche die Concavität der Vorderfläche 


1) Lig. longitudinale ant. Fascia long. ant. 
?) Lig. epistrophico - atlanticum anticum superficiale Barkow, 


Ligg. costo-vertebr. radiata. 27 


des Wirbelkörpers ausfüll. So dient das Band daz::, besonders in der 
Brusthöhle, die Unebenheiten der Wirbelsäule an der Vorderfläche auszu- 
gleichen, während an den Seitenflächen der Wirbel die Concavitäten gerade 
zur Aufnahme der Intereostalgefässe bestimmt sind. Mit dem Seitenrand 
fällt es rasch gegen die dünne Beinhaut des Wirbelkörpers ab (vgl. Fig. 15), 
die zwar auch aus hauptsächlich verticalen Fasern besteht, aber doch schon 
von den transversalen Bündeln der Ursprünge der Ligg. costo-vertebralia 
radiata durchflochten ist. 


2. Ligg. costo-vertebralia radiata'!) CvVr. 


Die Bindegewebsbündel, welche auf den Vorderflächen der Wirbelkör- 
per jederseits neben dem Lig. comm. ant. in transversaler Richtung zum 
Vorschein kommen, neigen sich, indem sie seitwärts gegen die Rippen- 
insertion vorschreiten, theils ab-, theils aufwärts, und sammeln sich, verstärkt 
durch Fasern, die an den Seitenflächen der Wirbel entspringen, zu eben so 
viel gesonderten Bändern, als es gesonderte oder mit den Wirbelkörpern 
verschmolzene Rippen giebt. So weit die Köpfchen der Rippen mit je zwei 
Wirbelkörpern in Verbindung steher, unterscheidet man an dem Lig. ra- 
diatum je drei Portionen, eine massivere, schräg 
absteigende von dem oberen, eine schräg aufstei- 
gende von dem unteren Wirbelkörper ?) und eine 
transversale, etwas zurückweichende und oft ver- 
kümmerte, von der Wirbelsynchondrose (Fig. 16). 
Auch zu der ersten, elften und zwölften Rippe 
verlaufen Fasern schräg von dem zunächst höhe- 
ren Wirbelkörper herab. An den Halswirbeln 
(Fig. 18) convergiren Ligg. radiata gegen die vordere 
Zacke des Querfortsatzes von dem zugehörigen und 
dem nächst höheren Wirbelkörper. An den Bauchwirbeln laufen die Fa- 

Fig. 19. sern von der Vorderfläche jedes Kör- 
pers und allenfalls von der Wirbelsyn- 
chondrose an gegen die Wurzel des 
Querfortsatzes zusammen (Fig. 25). 

An den Brust- und Halswirbeln 
ist das Lig. radiatum straff über eine 
Vertiefung herübergespannt, welehe — 
an den Brustwirbeln bis zum Kapsel- 


Halswirbel von vorn. 


band des Rippenköpfchens — von 
lockerem Bindegewebe ausgefüllt wird. 
Brustwirbel mit der Rippe von der Anden Bauchwirbeln folgen die Bänder 
linken Seite um die transversale genau der Oberfläche des Knochens und 


Axe aufwärts gedreht. Fei Fossa 


costalis inf. cci Lig. colli costae inf. können demnach nur als Verstärkun- 


gen der Beinhaut gelten. 
An den unteren Rand des Lig. radiatum schliessen sich minder bestän- 
dige, schmale Fascikel an (Fig. 19, cvr’), welche etwas tiefer, als die Fasern 


!) Ligg. capituli costae anteriora aut., radiata Krause. 
2) Ligg. capitulorum antica supp. et inf. Barkow. 


2. Lig. 
costo- ver- 
tebr. rad. 


28 Ligg. costo -transversarla. 


des Lig. radiatum von der Seitenfläche des Wirbelkörpers entspringen und 
zum unteren Rande des Köpfchens gehen; sie tragen zur Begrenzung des 
Zwischenwirbellochs bei. 


e. Bänder der Intertransversal- und des hinteren Theils 
der Intercostalräume. 


e- Bauer Ich beschreibe diese Bänder zuerst, wie sie sich an den gleichartig be- 
der Iuter- E 5 Ex - 0 . 
transversal- weglichen, mit dem Körper und Querfortsatz articulirenden Rippen, also 


und hinte- . B B u . . 
ren Inter- namentlich an der zweiten bis einschliesslich zehnten finden, und werde 


eptaräume nachher die eigenthümliche Weise angeben, in welcher sie an dem ersten, 
"pe elften und zwölften Brustwirbel und an den übrigen, mit rudimentären Rip- 
pen versehenen Wirbeln sich vereinfachen und umgestalten. 

Die Bänder der erwähnten Region zerfallen in vier Abtheilungen: die 
der ersten Abtheilung füllen den Raum zwischen je zwei Querfortsätzen 
oder Rippen, liegen also.in verticalen Ebenen; dies sind die Ligg. cosio- 
transversalia. Die der zweiten Abtheilung, ZLigg. colli costae, Rippenhals- 
bänder, erstrecken sich zwischen dem Querfortsatz und dem Hals derjeni- 
gen Rippe, mit welcher der Querfortsatz artieulirt, sie liegen demnach im 
Wesentlichen horizontal. Die dritte Abtheilung bilden Bänder, welche am 
Rippenhöcker ihren Ursprung nehmen, Ligg. tuberculi costae; in die vierte 
Abtheilung stelle ich unter dem Namen Ligg. tuberositatum vertebralium 
die Bänder, die zwischen den Muskelrauhigkeiten je zweier benachbarter 
Wirbel ausgespannt sind. 

Alle diese Bänder sind einfache, platte Faserbänder. 


a. Ligg. costo-transversaria. 


rs 1. Ligg. costo-transversaria antica!) Cla. 


Te cr Das Lig. costo -transversarium anticum entspringt vom Köpfchen der 


to-trausvers. 2 = 2 ae} 3 B Ei 
Tara Fig. 20. Rippe an, längs der Crista colli sup. in ver 
transv. antt. schiedenen, einander zum Theil deckenden 


Schichten und Absätzen, durch welche die 
Aeste der Nn. und Vasa intercostalia ge- 
hen, und steigt schräg lateralwärts auf zum 
unteren Rand der nächst oberen Rippe und 
des (Querfortsatzes, an welchem diese Rippe 
articulirt. Der mediale Rand dieses Bandes 
macht die laterale Grenze einer elliptischen, 
mit dem längsten Durchmesser vertical ge- 
ER stellten Oeffnung aus, die einem For. sacrale 

Beustwirlielund Ripnenkontnenireke ant. entspricht. Innerhalb derselben theilt 
Profil. cci Lig. colli costae inf. sich der Spinalnerv dergestalt, dass der 


n ) Lig. transversarium int, Weitbr. L. colli costae int. Weber H., anterius s. int. 
Krause, Zongum Sharpey. L. colli costae sup. int, Arn. L. costo- transversarium 
Boyer, costo- transversar. inf. Bichat, transverso - costal. sup. Cruv. 


Ligg. colli costae. 2) 


R. intercostalis vor, der R. dorsalis hinter dem Lig. costo-transversale 
ant. verläuft. Lateralerseits setzt sich das Lig. costo-transvers. in ein eigentli- 
ches Lig. intereostale fort, welches den M. intercostalis ext. nach innen ge- 
gen die Brusthöhle hin bedeckt, dann, weiter lateralwärts von dem M. in- 
tereost. int. nach innen gedeckt wird und sich als Fascie zwischen beiden 
Intercostalmuskeln verliert. 


2. Ligg. costo-transversaria postica!) eip. 


Das Lig. costo-transv. posticum geht hinter dem vorigen und sich mit. Li.costo- 
demselben kreuzend vom Hals der Rippe schräg auf- und medianwärts zur Be 
hinteren Fläche des Gelenk- und 
Qnerfortsatzes des oberen der beiden 
Wirbel, mit welchen das Rippenköpf- 
chen artieulirt. Das Band entspringt 
spitz aus einermedianwärts vom eigent- 
lichen Höcker der Rippe gelegenen 
Grube, breitet sich im Aufsteigen fä- 
cherförmig aus und inserirt sich mit 
zwei Portionen, einer medialen an 
den Gelenkfortsatz und einer latera- 
len an den Gelenk- und Querfortsatz. 
Zwischen beiden Insertionen ist ein 

Brustwirbel und Rippe von hinten. Theil des Randes frei und brücken- 
tes Lig. tub costae sup. £ed Lig. förmig über ein Gefäss- und Ner- 

t. ec. inf. tv Lig. tuberos. vertebr. E 

venbündel gespannt, welches vom 

R. dorsalis des Spinalnerven und der 
Intercostalarterie ausgeht. Andere Gefäss- und Nervenzweige treten unter 
dem unteren Rande des Lig. costo-transvers. post. hervor. Die Haupt- 
masse des R. dorsalis, durch das genannte Band von hinten her gedeckt, 
kommt neben dem lateralen Rande desselben zum Vorschein. 


ß. Lig. colli costae ?). 


Wir unterscheiden an jeder Rippe ein Lig. coll c. superius ®) und ein g, Lie. cotti 
L. e. c. inf. (Arn.). Beide entspringen nahe übereinander an dem Wirbel, das costae. 
obere vom oberen Gelenkfortsatz und der Vorderfläche des Querfortsatzes, 
das untere von der Wurzel des Querfortsatzes. Jenes liegt in einer der End- 
fläche des Wirbelkörpers parallelen Ebene; dieses steigt gegen die Rippe 


) Lig. cervicis costae ext. Weitbr. Zig. coli costae ext. Weber H. Z. c. c. post. s. 
ext. Krause. Lig. colli costae sup. ext. Arn. 


2) Lig. costo-tramsversarium intermed Bichat, Krause. Z. interosseum tiransverso - 
costal. Cruv. L. transversale int. M. J. Weber. Lig. c. c. principale Barkow. 

%) Lig. costo-transversarium med. Bichat. Z. colü c. med. Arn. Z. post. capituli 
costae Arn. (?). 


30 Ligg. tubereuli costae. 


1. L.c.c. herab. Das L. colli c. sup. (Fig. 22) befestigt sich etwa in der Mitte der 
Fig. 22. 


sup. 


Horizontalschnitt der Wirbelsäule und Rippen durch die Synehondrose des sechsten und 
siebenten Brustwirbels (vgl. S. 25). 


hinteren Fläche der Rippe, und zwar 
an den Kopf und medialen Theil des 
Halses; zwischen seinem lateralen 
Rand und der Articulatio costo-trans- 
versalis bleibt eine rundliche, von 
schlafferem Bindegewebe ausgefüllte 
Lücke. Das Lig. colli costae inf. 


2.0 8.1040; 

inf. (Fig. 20, 23) breitet sich gegen den 
unteren Rand des Rippenhalses fächer- 
förmig aus. Der rippenwärts sich er- 
Brustwirbel mit der Rippe vor der linken weiternde Raum, welchen beide Bän- 

Seite um die transversale Axe aufwärts 3 Er B 
gedreht. der zwischen sich fassen (bis 4”m hoch) 
ist von fettreichem Bindegewebe erfüllt. 

y. Ligg. tuberculi costae. 

y.Ligg. tu- An dem Rippenhöcker setzen sich zwei Bänder fest, ein unteres, Lig. 


bereut fubere. c. inf.) und ein oberes, L.£. c. sup.2). Das untere (Fig. 22, 23, 


costae. 


1. L.t.c. 24) ist stark, vierseitig; es geht vom Höcker der Rippe median- und an den 


inf. 


1) Lig. transversarium ext Weitbr. 
Krause. Lig. transversarium d’Alton, 
2) Lig. arcessorium Weitbr. 


Lig. costo-transvers. post. s. ext. s. tuberculi 


Ligg. tuberositatum vertebralium. 31 


oberen-Rippen abwärts zur Spitze des Querfortsatzes, an welchen der Rippen- 
höcker sich lehnt. Eine Lage lockeren 
Bindegewebes trennt die Vorderfläche 
dieses Bandes von dem Lig. caps. costo- 
transvers. DasL. tub.c. sup. (Fig. 24) 
istunbeständig, schmaler oder breiter, 
vom Höcker der Rippe median- und 
aufwärts zur Spitze des nächst oberen 
Querfortsatzes gespannt. Lateral- 
wärts stösst es unmittelbar an den 
) M. levator costae, zuweilen deckt es 
y di eine Strecke weit von hinten her den 
medialen Rand dieses Muskels. 


Brustwirbel und Rippe von hinten. 


d. Ligg. tuberositatum vertebralum') lv. 


2. 1.e, c. 
sup. 


Diese Bänder sind unbeständige, dünne und schmale Streifen, vertical, d. Lig. tn- 
jedoch mit dem unteren Ende so viel median- und rückwärts geneigt, als Peros. vert. 


jede Wirbelrauhigkeit gegen die nächst obere in diesem Sinne von der Ver- 
ticalen abweicht (Fig. 24). Sie decken von hinten her die Ligg. tub. costae 
supp., wo solche vorhanden sind, und kreuzen sich mit denselben unter 
spitzem Winkel. In der Regel hängen sie genau mit den Ursprüngen des 
M. multifidus zusammen. 


In dem ersten Intercostalraum ist das Lig. costo-transversarium ant. 
schmal, und hat, da die erste Rippe flach liest und das Band sich an den 
hinteren Rand derselben befestigt, eine (von der Brusthöhle her betrachtet) 
auffallend tiefe Lage.e Das Lig. costo-transvers. post. ist undeutlich und 
wird durch Fasern des M. intercost. ext. ersetzt, die sich zwischen den 
Querfortsätzen bis in die Nähe der Wirbelkörper erstrecken. Die Liga- 
menta colli der ersten Rippe sind stark, beide aus Bündeln gebildet, welche 
vom Querfortsatz Schräg vor- und seitwärts zum Rippenhals verlaufen. 
Das Lig. tuberculi inf. ist an der ersten Rippe schwächer, als an den fol- 
genden. Zwischen der ersten Rippe und dem Querfortsatz des letzten 
Halswirbels giebt es keine Bänder mehr; an die Stelle derselben treten 
Muskeln, welche zwischen der hinteren Spitze des Querfortsatzes des letzten 
Halswirbels und dem Höcker und Hals der ersten Rippe, sowie weiter hin- 
auf zwischen den hinteren Spitzen der Querfortsätze der Halswirbel verlaufen. 

An den beiden unteren Rippen fliessen die Ligg. colli costae zusam- 
men mit dem Lig. tuberculi inf., welches von der Spitze des kurzen Quer- 
fortsatzes fächerförmig gegen die Rippe sich ausbreitet. Ein Lig. costo- 
transv. post. geht vom Hals der elften Rippe aufwärts und fügt sich an 
das Lig. tuberositatis vertebr.; der zwölften Rippe fehlt e. Die Ligg. 
tuberositatum sind an den unteren Brustwirbeln ziemlich beständig; sie lie- 
gen, wie sich von selbst versteht, zwischen Pr. mamillares und accessorii. 


!) Ligg. intertransversalia aut. 


II. An der 
1. Rippe. 


II. An der 
11. und 12. 
Rippe. 


32 Bänder der unteren Intercostalräume. 


Das Lig. costo-transvers. ant. des letzten Intercostalraums hängt nur 
durch wenige Fasern mit dem Querfortsatz des elften Brustwirbels zu- 


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Bänder der Vurderseite, der unteren Brust- und der oberen Bauchwirbel. 
Ps Proc. spin. Pas Proc. artic. sup. Pt Proc. transv. 


sammen; dagegen erstreckt es sich stark sehnig bis zur Spitze der Rippen. 
Fasern von gleicher Richtung und Stärke verlaufen zwischen der letzten 
Rippe und dem Querfortsatz des ersten Bauchwirbels, während dagegen 
zwischen den Querfortsätzen der tieferen Bauchwirbel ein Lig. costo- 
transv. ant. liegt, welches nur am medialen, concaven Rand einigermaassen 
scharf ist, lateralwärts aber alsbald zwischen Muskelfasern sich verliert. 
mean den Von den zahlreichen Bändern, welche am Brustkasten Rippen und 
Bauchwir- Querfortsätze verbinden, erhalten sich an den entsprechenden Theilen der 
Bauchwirbel nur die eben beschriebenen Ligg. costo-transversaria antica. 
Dagegen treten hier einige neue Bänderzüge auf, und zwar an der Stelle 
theils muskulöser, theils knöcherner Gebilde des Brustkastens. Die Mm. 
intercostales intt., deren Fasern, gleich den Sehnenfasern der Ligg. costo- 
transversaria antt., schräg medianwärts absteigen, nähern sich in den 
unteren Intercostalräumen allmälig den Wirbelkörpern, indem sie zugleich 
an dem medialen Rande sehnig werden; das mediale Ende des untersten dieser 
Muskeln (Fig. 25) stellt ein Band dar, welches vom unteren Rande der elften 


Lig. Jumbo - costale. 33 


Rippe entspringt und sich an den oberen Rand der zwölften Rippe und hän- 
fig an der Seitenfläche ‘des entsprechenden Wirbelkörpers befestigt. Aechn- 
liche Fasern, Lig.’ costo-verlebr. access. n., gehen von der zwölften 
"Rippe zum ersten Bauchwirbel und vom Querfortsatz des ersten Bauchwir- 
bels zum Körper des zweiten; sie decken das Zwischenwirbelloch von vorn, 
haben den Intereostalast des Spinalnerven hinter sich und dienen Muskel- 
fasern, insbesondere des Psoas, zum Ursprung. Oft stehen sie durch feinere 
Bündel, die das Zwischenwirbelloch wie ein Gitterwerk schliessen, mit den 
Ligg. interceruralia in Verbindung. 

Lateralwärts hängen die Ligg. costo-transversaria antica des untersten 
Intercostalraums und der beiden oberen Bauchwirbel mit einer sehr festen, 
glänzenden Sehnenhaut, Lig. Zumbo-costale \), zusammen, welche aus 
starken und gekreuzten Bündeln gewebt ist. Die einen verlaufen quer in 
der Fortsetzung der Querfortsätze der beiden oberen Bauchwirbel zur Spitze 
der zwölften Rippe und selbst über dieselbe hinaus; zwischen diesen, so zu 
sagen, fibrösen Rippen und über dieselben hinweg gehen andere Bündel we- 
sentlich vertical, die meisten in schräg lateralwärts absteigender, wenige in 
lateralwärts aufsteigender Richtung, Fortsetzungen der Ligg. costo-transv. 
antica und costo-vertebr. aecessoria.. Indem diese verticalen Fasern sich 
zum oberen Rande des Hüftbeins längs der Spitzen der Querfortsätze der 
unteren Bauchwirbel hinab erstrecken, erhalten sie von diesen Spitzen aus 
Verstärkungen, welche aus strahlenförmig in frontaler Ebene divergirenden 
Fasern bestehen, und treten oberhalb des Hüftbeins mit den starken Ligg. 
ileolumbalia (s. unten) zusammen. 

Das Lig. lumbo-costale wird nach innen vom Musc. quadr. lumborum gedeckt. 
Nicht selten aber liest der genannte Muskel mit den aufsteigenden Rückenmuskeln 
in einer gemeinsamen Scheide und .das Lig. lumbo-costale geht vor ihm her, so 
dass es nach Wegnahme des Peritoneum von der Bauchhöhle her unmittelbar 
sichtbar wird. Vermittelnd zwischen diesen beiden Fällen stehen andere, wo der 
M. quadratus lumb. zwischen zwei fast gleich starken Blättern einer transversal- 
faserigen Scheide eingeschlossen ist, die sich am lateralen Rande des Muskels wie- 
der zu einem einfachen Blatt vereinigen. Von diesem Blatt nehmen die Fasern des 
M. transv. abdominis ihren Ursprung. 

Obgleich man die Gelenke der hinteren Enden der Rippen zu den straffen rech- 
net und Kopf, Hals und Höcker der Rippen ausserdem durch eine nicht geringe Zahl 
von Bändern an die Wirbel befestigt sind, so ist die Beweglichkeit der Rippen ge- 
gen die Wirbelsäule doch ziemlich gross und jedenfalls grösser, als nöthig, da die 
Intercostalmuskeln , selbst in der Leiche, die Entfernung der Rippen von einander 
hemmen, bevor das Extrem der Dehnung des Bandapparats erreicht ist. Die ergie- 
bigste Bewegung ist die Drehung um eine Axe, welche, annähernd transversal, das 
Gelenk des Köpfehens und Höckers mit einander verbindet. Durch Aufwärtsdrehung 
um diese Axe wird die Rippe erhoben; die beiden oberen gelangen zugleich in eine 
mehr der horizontalen sich nähernde Lage. Ob hiermit der vordere Anheftungs- 
punkt der Rippen, das Brustbein, aufwärts gezogen wird, hängt von dem Verhält- 
niss ab, in welchem der durch die Schwere und Befestigung desselben (durch die 
Mm. recti abdom.) geleistete Widerstand zur Elastieität der Rippenknochen und 
Knorpel steht. Es wird um so leichter aufwärts gezogen, je näher dem vorderen 
Ende der Rippe die hebende Kraft angebracht ist. 

Die beiden untersten Rippen haben nicht nur die grösste Freiheit der Bewe- 
gung auf- und abwärts, sondern lassen sich auch merklich rück- und vorwärts ver- 


1) Retinaculum costae ultimae Arn. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 3 


Lig. lumbo- 
costale. 


Physiologi- 
sche Bemer- 
kungen. 


34 Lig. commune vertebr. post. 


schieben. Um Weniges weichen indess auch die nächstfolgenden Rippen, wegen 
der schrägen Lage der Querfortsatzpfanne, beim Aufsteigen rückwärts, so dass zu- 
gleich mit dem Heben der Rippen die Aushöhlung der Lungenfurchen (Kul. S. 57) 
flacher wird. Beim Zurückweichen der Rippen spannt sich das Lig. costo-vertebrale 
radiat. Bei Druck auf die Vorderfläche des Thorax wird das Rippenhöckergelenk 
Stützpunkt, von wo aus die Rippenköpfehen gegen das Lig. costo-vertebr. radiat. 
andrängen. Entfernt man den Querfortsatz eines Wirbels, so lässt sich die mit 
demselben articulirende Rippe nicht weiter zurück- und das genannte Ligament 
nicht weiter vordrängen, aber es bedarf alsdann nur eines sehr geringen Druckes 
auf das Vorderende der Rippe, um den Hals derselben abzubrechen. 


d. Bänder der Wirbelnhöhle. 
1. Lig. commune vertebr. posticum CVP }). 


d.- Bakder Das Band läuft in verticaler Richtung über die Mitte der hinteren 
der Wirbel- FJäche der Wirbelkörper herab, indem es, gleich dem Lig. commune ant,, 
1. Lie. an die Synchondrosen genau befestigt ist, über die hinteren etwas ausge- 
Sert post. Höhlten Flächen der Wirbelkörper aber brückenförmig hinweggeht. Es 
Fig. 26. entsteht am unteren Rande des Epistropheus aus 
+ der Bandmasse, welche den Zahn von hinten her 
deckt, und reicht bis zu dem untersten Bauch- 
wirbel. Am Halse nimmt es die ganze Breite der 
Wirbelkörper ein, längs den Körpern des Brust- 
und Bauchtheils der Wirbelsäule verschmälert es 
sich allmälig, dehnt sich aber an jeder Synchon-, 
drose in die Breite aus und gewinnt so einen je- 
derseits bogenförmig ausgezackten Rand, dessen 
T tiefste Ausschnitte in gleicher Höhe mit den Wur- 
zeln der Wirbelbogen liegen (Fig. 26). 
1 Das Band besteht in der Mitte aus paralle- 
& len Bindegewebsbündeln, die sich meistens leicht 
Körper einiger Brustwirbel in zwei Blätter zerlegen lassen; von den Seiten- 
mit den Synehondrosen neilen der Synchondrosen mischen sich bogenför- 
von hinten, f Schnittflä- J me 
che der Bogen. mig ab- und auf-medianwärts verlaufende Fasern bei. 
Am Seitenrande setzt es sich in eine feinere Bindege- 
webslage fort, welche die seitliche und hintere Wand der Wirbelhöhle ausklei- 
det und mit dem Bindegewebe der Zwischenwirbellöcher zusammenhängt. 
‚Unter dem brückenförmig gespannten Theil des Lig. commune post. liegen 
mediane Venengeflechte, welche d’e an beiden Seiten der Wirbelhöhle gelegenen 
Venengeflechte mit. einander in Verbindung setzen und die aus den Markräumen 
des Wirbelkörpers hervortretenden Venen aufnehmen. Das Lig. commune post. 
hat die Wirkung, die Vorderfläche des Rückenmarkes vor dem Druck, welchen 
jene medianen Geflechte durch Anschwellung ausüben könnten, zu bewahren. Bläst 
man die Venen der Wirbelhöhle auf, so erheben sie sich an jedem Wirbel in Form 
von Wülsten jederseits neben dem Lig. commune post., indess sie in der Mitte 
durch das Band niedergehalten werden. 


cvp 


2. Ligamenta intercruralia te 2). 


2. Ligg. in- Vom Atlas an bis zum Kreuzbein werden die Zwischenwirbelspalten 
tereruralia. auseefüllt d - ] Bä ER 
ausg urch Bänder, welche von der Vorderfläche und dem unteren 


) Lig. longitudinale posticum s. fascia longit. post. Weitbr. Lig, longiiud. med. Bar - 
kow. > Ligg. arcuum. Ligg. flava s. suhflava. 


Ligg. intereruraha. 35 


Rande jedes höheren Wirbels zum oberen Rande und der hinteren Fläche des 
nächst tieferen verlaufen und vor allen Bändern des Skeletts durch ihre Zu- 
sammensetzung aus elastischen Fasern und ihre daher rührende gelbe Farbe 
sich auszeichnen. 

Die Ligg. intereruralia liegen in gleichen Ebenen mit den Wirbelbo- 
gen, deren Vorderflächen, soweit sie von 
diesen Bändern bedeckt sind, um so viel, 
als die Dicke der Bänder beträgt, zurück- 
weichen, so dass die hintere Wand der 
Wirbelhöhle, obgleich aus alternirenden 
Streifen von elastischem Gewebe und Kno- 
chen zusammengefügt, dennoch dem Lumen 
der Höhle eine völlig plane Oberfläche dar- 
bietet. Die Elastieität der Bänder bewirkt, 
dass diese plane Form der Oberfläche sich 
auch in Stellungen der Wirbelsäule erhält, 
in welchen die Ligg. intereruralia erschlaf- 
fen. Die Fasern der Ligg. intereruralia 
verlaufen im Wesentlichen in verticaler 
Richtung von Wirbel zu Wirbel. Sie bil- 
den eine compacte Masse und lassen erst 
in der Nähe des lateralen Randes eine Schei- 
dung in Bündel erkennen, welche sich in 
der das Zwischenwirbelloch auskleidenden 
Lage verticaler und schiefer Bindegewebs- 
bündel verlieren (Fig. 27 u. 23). In der 
Mittellinie zeigt jedes Band auf der Vor- 
derfläche eine feine Spalte, durch welche 
Gefässe ein- und austreten und auf der 
Fig. 27. Bogen einiger Halswirbel, Riickenfläche eine mediane, die Wurzeln je 
Fig. 28. Bogen einiger Brustwirbel _ oier Dornfortsätze verbindende, mehr 
von vorn mit den Ligg. intercruralia. x 2 a & x 

+ Schnittflächen, wodurch die Kör- oder minder weit rückwärts vorspringende 
per abgetrennt worden. Firste, welche in das Lig. interspinale über- 
geht (Fig. 29 a. folg. Seite). Die Höhe 
der Bänder nimmt mit der Höhe der Wirbel von dem Hals- zum Bauchtheil 
der Wirbelsäule zu; der transversale Durchmesser der Bänder ist entspre- 
chend der Weite der Wirbelhöhle, am geringsten in den Brustwirbeln und 
wächst gegen die Bauch- und Halswirbel; was die Form betrifft, so ist im 
Allgemeinen der obere Rand concav, der untere convex und die Krüm- 
mung des oberen Randes flacher als die des unteren, so dass die Höhe ge- 
gen den Seitenrand abnimmt. Am wenigsten sind die Bänder der Hals- 
gegend gekrümmt und seitlich fast zugespitzt. An den Bändern der Brust- 
wirbel haben die oberen und unteren Ränder eine Art Schlangenkrümmung, 
die Mitte tief abwärts , die seitlichen Enden leicht abwärts gebogen. Der 
Seitentheil dieser Bänder deekt von vornher den medialen Theil des Wir- 
belgelenks. 


5* 


e. Bänder 
der Doru- 
fortsätze. 


Ligg. inter- 
“ spinalia. 


Lig. supra- 
spinale. 


Ligg. interspinalia. 


Fig. 29 
5 
PR u} > 
ENT, Va 1 
4 Ne Si 
TER SER 
5 ao" „rt 
aan 
Sr n 


ON ua un 
Pe RO MIT 
te h ” 


Horizontaler Durchschnitt durch das Gelenk des 
letzten Brust- und ersten Bauchwirbels. 


Horizontaler Durchschnitt durch den dritten Bauchwirbel. 


VD) Membranae interspinales W eitbr. 
2) Lig. longitudinale posterius col. spin. Barkow. 


e. Bänder der 
Dornfortsätze. 


Ligg. interspinalia. 


Die Ligg. interspi- 
nalia der Bauch- und 
Brustwirbel bestehen 
aus zwei Abtheilungen : 
aus einer medianen Bin- 
degewebshaut, Lig. @n- 
ter-sp. s. s.1), welche, 
als Fortsetzung der er- 
wähnten hinteren Firste 
der Ligg. intercruralia, 
zwischen den einander 
zugekehrten Rändern je 
zweier Dornen ausge- 
spannt ist (Fig. 29), und 
auseinem sehnenartigen, 
rundlichen, über die Spi- 
tzen der Dornen conti- 
nuirlich hinziehenden, 
durch Fasern von Dorn 
zu Dorn verstärkten 
Strang, Lig. supra-spi- 
nale Cruv. 2), welcher 
in dem Zwischenraum je 
zweier Dornen als ver- 
dickter hinterer Rand des 
eigentlichen Lig. inter- 
spinale erscheint, von 
demselben aber durch 
die Ursprungssehnen der 
oberflächlichen Rücken- 
muskeln geschieden ist 
(Fig. 29.30). Die Ligg. 
interspinalia sind hoch 
und stark an den Bauch- 
wirbeln, niedrig und zart 
an den Brustwirbeln ; 
an denBauchwirbeln las- 
sen sie sich in mehrere 
Blätter zerlegen, an den 


Ligg. apicum aut. 


Bänder der falschen Wirbel. 37 


Brustwirbeln sind sie einfach, nicht selten unvollständig, mit grösseren und 
kleineren von Fett und Gefässen erfüllten Lücken versehen. 

Von dem siebenten Halswirbel an aufwärts fliessen die sämmtlichen 
Ligg. interspinalia mit dem Lig. 
supraspinale zu einer einfachen 
dreiseitigen Membran, Lig. nu- 
chae (Fig. 31 und Fig. 32), zu- 
sammen. Der hintere Rand die- 
ser Membran, durch verticale 
Bindegewebsbündel verstärkt, 
dehnt sich von der Spitze des 
siebenten Halswirbels zur Pro- 
tub. occip. ext. aus; der obere 
Rand sitzt an der medianen Na- 
ckenlinie des Hinterhaupts fest; 
mit dem vorderen Rande ent- 
springt das Band an allen Hals- 
Horizontalschnitt des Halses in der Gegend des wirbeln aus der Furche zwischen 

sechsten /Elalswirhels, den beiden Spitzen, in welchen 
Fig. 32. die Wirbeldornen des Halses ge- 
theilt sind, an den unteren Hals- 
wirbeln auch von den Spitzen 
selbst, am Atlas vom Tub. post. 
Die Bündel verlaufen vom Ur- 
sprunge an rückwärts und flies- 
sen gleich hinter dem Ursprung 
zu einer Membran zusammen, in 
welcher sehr verschiedene Faser- 
züge, zum Tbeil Ursprünge der 
Sehnen ab- und aufsteigender 
Muskeln, einander begegnen. 


ll. Bänder der falschen 
Wirbel. 


Die Synchondrosen der falschen 
Wirbel bestehen, so lange sie sich 
unverknöchert erhalten, aus ei- 
nem Faserring und einem faser- 
knorplichen Kern; der Ring ist 
schmal, der Kern körnig und 
brüchig, in der Regel aber nicht 
so weich und quellbar, wie der 
Halswirbel und Hinterhauptsbein mit dem Lig. Sr der Be Wubelsyuchen- 
Anchas, Profi; rosen. Am Kreuzbein macht 
die Höhe der Synchondrosen, so 
lange sie noch unterscheidbar sind, höchstens 1/, der Höhe der Wirbelkör- 
_ per aus, am Steissbein !/;. Nicht selten findet man auch am Steissbein die 

Synchondrosen verknöchert. 


Lig. nuchae. 


II. Bänder 

der falschen 
Wirbel. 

Synchon- 
drosen. 


Lig. sacro- 


Lig. sacro- 
eoceyg. aut. 


Lig. sacro- 


Lig. sacro- 


post. prof. 


38 : Bänder der falschen Wirbel. 


Cruveilhier fand zwischen dem ersten und zweiten Steisswirbel eine wahre 
von einer Synovialhaut ausgekleidete Kapsel, dehnbar genug, um bei Bewegung 
des unteren Wirbels nach hinten eine rechtwinkliche Stellung beider zu einander 
zu gestatten. Ich sah einmal die beiden letzten, durch die gewöhnliche Synchon- 
drose aneinander gefügten Steisswirbel von einer schlaffen, mit zäher Synovialflüs- 
sigkeit erfüllten fibrösen Kapsel umgeben. 


Statt des Kapselbandes der Gelenkfortsätze findet sich zur Verbindung 
eoceyg- art ger Hörner des Kreuz- und Steissbeins jederseits ein eylindrisches aus 
Längsbündeln gebildetes, die Spitzen beider Hörner umfassendes Band, 719. 
sacrocoecygeum arliculare Y), welches häufig verknöchert (Fig. 33). 
Auf der Vorderfläche der Wirbelsäule gehen vom Kreuz- zum Steiss- 


Fig. 33. 


Unterer Theil des Kreuzbeins und Steiss- 
beins, von hinten. 


bein einige verticale, die Beinhaut 
verstärkende Bündel, Lig. sderococ- 
cygeum ant., das Analogon des Lig. 
commune vertebr. ant. der Beugewir- 
bel. Ligg. costo - vertebrala radiata 
treten an den obersten Kreuzwir- 
beln unter dem Lig. commune ant. 
hervor, um von den Körpern auf die 
Flügel überzugehen. Auf dem dritten 
Kreuzwirbel und den folgenden blei- 
ben diese strahlenförmigen Fasern al- 
lein übrig, einander in der Mittellinie 
kreuzend und seitlich in die Ursprünge 
des M. pyriformis sich fortsetzend. 
Den Ligg. costo-transversaria an- 
tica der Beugewirbel entsprechen Zigg. 


sacrococcygea lateralia Krause, vom unteren Rande der Seitentheile 
eoceyg. lat. des Kreuzbeins zum oberen Rande der Seitentheile des Steissbeins (zuwei- 
len auch zwischen den Seitentheilen des ersten und zweiten Steisswirbels). 
Das Lig. sacro-coceyg. lat. ist stark, platt, hauptsächlich aus verticalen 
Bündeln zusammengesetzt. Es deckt von hinten her den vorderen Ast des 
letzten Lendennerven ; zwischen seinem medialen Rande, der sich an die 
Kreuz- und Steissbeinhörner anlehnt, und diesen Hörnern bleibt eine rund- 
liche Lücke, durch die der Rückenast des genannten Lendennerven nach 


hinten geht. 


Das Lig. commune vertebr. posticum erscheint an der Synchondrose 
eoceygeum des letzten Kreuz- und ersten Steisswirbels in Form eines breiten, platten 
Bandes oder einzelner verticaler Bündel, Lig. sacrococcygeum poslicum 


profundum Barkow?). 


Aecht elastische Ligg. intercruralia finden sich am Kreuzbein vor 
Vollendung der Verknöcherung (Barkow); sie finden sich auch beim Er- 
wachsenen in ausnahmsweise unverknöchert gebliebenen Zwischenwirbel- 
spalten und wenn, was häufig vorkommt, eine grössere oder geringere Zahl 


1) Lig. sacrococc. posticum breve Barkow. L. sc. p. breve et externum M. J. Weber. 
*) Lig. sacrococcygeum posticum Arnold. Lig. sacrococc. postici longi -stratum profundum 


Barkow. 


Kapselbänder der Drehwirbel- und des Hinterhauptsbeins. 39 


von Bogen der Kreuzwirbel offen bleibt; so wird die Lücke ausgefüllt durch 
eine elastische Membran, mit welcher an ihrer hinteren Fläche die Sehnen 
des Glut. max. und der aufsteigenden Rückenmuskeln verschmelzen. 

Den untersten Theil der Wirbelsäule schliesst von hinten her eine 
starke fibröse Haut, Lig. sacrococcygeum poslicum superficiale )), Lig. saro- 
welche vom unteren Rande des Bogens des letzten Kreuzwirbels und KO Host Eat, 
den vereinigten Kreuz- und Steissbeinhörnern entspringt, oder, wenn die 
Bogen unterer Kreuzwirbel fehlen, aus der eben erwähnten elastischen 
Membran unmittelbar sich fortsetzt. Am unteren Rande des ersten und 
am zweiten Steisswirbel ist sie durch lockeres Bindegewebe und durch 
einzelne straffere Stränge mit dem Lig. sacrococeygeum posticum profun- 
dum verbunden; am unteren Rande des zweiten Steisswirbels oder am 
dritten verschmilzt sie, wie das letztgenannte Band, völlig mit der Bein- 
haut der hinteren Fläche der Steisswirbel. Der Seitenrand des Lig. sacro- 
coceyg. post. superf. ist gerade und scharf; zwischen ihm und den Steiss- 
wirbelkörpern bleibt eine feine, von dem lockeren, im frischen Zustande 
serumreichen Bindegewebe des Endtheils der Wirbelhöhle ausgefüllte Spalte, 
durch welche die letzten Spinalnerven austreten. Oft endet das Lig. sac. 
postie. superf. in zwei Zipfel, welche auseinanderweichend eine mediane 
Spalte einschliessen (Fig. 33). Die Zipfel befestigen sich jederseits an 
die Bogenrudimente des zweiten oder dritten Steisswirbels,; die Spalte 
führt, gleich den beschriebenen seitlichen Spalten, in die Wirbelhöble und 
ist, wie jene, von dem lockeren Bindegewebe der Wirbelhöhle verlegt. 


IH. Bänder der Drehwirbel und des Hinterhauptsbeins. 


a. Kapselkänder. 


Die Form der Gelenkflächen des Hinterhauptsbeins und Atlas, sowie ııı. Bänder 
des Atlas und Epistropheus ist im Einzelnen bereits im osteologischen Theil Yu nu 
beschrieben. An allen diesen Gelenkflächen ist der Knorpelüberzug Dale en 
nisch, von mässiger Stärke (1"m). Die Kapselmembranen sind weit und „ xapsel- 
schlaff, mit platten, mehr oder minder weit vorspringenden Synovialfalien Bänder: 
versehen. 

An den Hinterhauptsgelenken, Arit. occipilo-allanticae (Fig: ı. Hinter- 
34.37.38), sind die Gelenkflächen einander entsprechend gekrümmt, die Ar- En 
tieulationsebenen sind oval, mit den längsten Axen vorwärts convergirend, 
in jedem Durchschnitt abwärts convex, stärker jedoch in dem der längsten 
Axe entsprechenden Durchschnitt. In diesem Durchschnitt überragt auch 
die Gelenkfläche des Hinterhaupts um Weniges die des Atlas, woraus auf 
eine Beweglichkeit vorzugsweise in dem der Längsaxe entsprechenden Sinne 
zu schliessen ist. Die Kapsel schliesst sich -nicht überall genau an den 
Rand der Gelenkfläche an. Am Hinterhauptsbein wird ein Theil der me- 
dialen und lateralen Fläche, am Atlas ein Theil der hinteren Fläche des 
Vorsprungs, der die eigentliche Gelenkfläche trägt, von der Kapsel 


1) Lig. sacrococeyg. posticum Krause. Lig. sac. posticum et internum M..J. Weber. 
Lig. sacrococeyg. postici longi stratum superficiale Barkow. 


40 Kapselbänder der Drehwirbel und des Hinterhauptsbeins. 


bekleidet und in die Gelenkhöhle mit aufgenommen. Die Synovialfalten ge- 
hen von der medialen Wand aus. Die Kapsel wird von vornher durch die 
starken seitlichen Massen des Lig. obturatorium ant., von innen und unten 
durch das Lig. alare und die seitliche Abtheilung des Lig. latum epistrophei 
gedeckt, im Uebrigen ist sie von dem lockeren, venenreichen Bindegewebe 
umgeben, welches die Wirbelhöhle erfüllt. 

?. Drehwir Die (paarigen) Drehwirbelgelenke, Artil. atlanto-epistrophicae, 

belgelenke. , % & ER ” se . D e) 
zeigen eine sehr eigenthümliche Einrichtung. Im Frontalschnitt (Fig. 37) sind 
die Gelenkflächen einander entsprechend sanft lateralwärts geneigt und sanft 
die oberen concav, die unteren convex. Im Sagittalschnitt (Fig. 13) ist die 
untere Gelenkfläche ebenfalls sanft convex, die obere ist vorn und hinten 

_ entsprechend concav, hat aber eine transversal über die Mitte verlaufende 
Wölbung. Mit dieser ruht, bei gerade vorwärts gekehrtem Gesicht, der 
Atlas wie mittelst einer Walze auf dem Epistropheus; nach vorn und hin- 
ten weichen beide Gelenkflächen auseinander; ihre Entfernung von einan- 
der kann am vorderen und hinteren Rande der Articulationsflächen bis 
5” betragen. Dreht sich der Atlas auf dem Epistropheus, so geht jene 
Walze in dem einen Gelenk vor-, in dem anderen entsprechend rückwärts, 
bis sie dort vor, hier hinter die Gelenkfläche des Epistropheus zu liegen 
kommt; dann erst tritt die concave hintere Hälfte der Atlasfläche mit. der 
vorderen Hälfte der Epistropheusfläche, und umgekehrt, in Berührung. Die 
Kapsel ist weit genug, um diese ausgiebigen Verrückungen zu gestatten; 
sie setzt sich weit vom Rande der Gelenkflächen, am Atlas dicht unterhalb 
des Querfortsatzes, am Epistropheus dicht oberhalb desselben an. Die Sy- 
novialfalten, hauptsächlich von der vorderen und hinteren Wand entsprin- 
gend, füllen, so ansehnlich sie sind, jene Spalten zwischen den Gelenkflächen 
bei Weitem nicht aus. 

Aeusserlich ist die Kapsel der Drehwirbelgelenke fast durchaus von 
weichen Substanzen umgeben; nur am medialen Theil der Rückseite wird 
sie durch die seitliche Abtheilung des Lig. latum epistrophei verstärkt, wel- 
ches zugleich das Haupthemmungsband der Drehbewegung ist. Median- 
wärts grenzt sie dicht an den Schleimbeutel des Lig. eruciatum ; häufig 
communiecirt sie mit demselben. 

% Zange Die Kapsel desZahngelenkes, Arl. allantico-odontoidea (Fig. 
35.86.38) ist sowohl am Zahn, wie am Atlas in einer Rinne befestigt, wel- 
che den die Gelenkfläche tragenden Vorsprung umgiebt. Sie grenzt seitlich 
oben an die Kapsel des Hinterhauptsgelenks, unten an den Schleimbeutel des 
Lig. eruciat.; von jener ist sie durch eine höchstens 3”” breite Brücke locke- 
ren Bindegewebes geschieden; mit dem Schleimbeutel stösst sie unmittelbar 
zusammen, so dass nur ein feines häutiges Septum die Grenze zwischen der 
Höhle der Kapsel und des Schleimbeutels bezeichnet (Fig.36). Von der obe- 
ren Spitze der Kapsel geht, durch einen ringförmigen Saum abgesetzt, eine 
Aussackung unter das Lig. suspensorium dentis; unten ragt in der Regel 
ein Theil der Gelenkfläche des Zahns über die Gelenkfläche des Atlas vor; 
hier überzieht die vordere Wand der Kapsel einen Theil des weichen, die 
Lücke zwischen dem vorderen Bogen des Atlas und dem Körper des Epi- 
stropheus ausfüllenden Gewebes des Lig. obturatorium ant., das auf diese 
Weise an der Bildung der Fossa art. post. des Atlas Theil nimmt (Fig. 35). 


Bänder an der Vorderfläche der Drehwirbel. 41 


Von der unteren Wand der Kapsel ragen kurze zottige, von der Seiten- 
wand längere, dünne Synovialfalten in die Gelenkhöhle. 
Nach Gruber hätte diese Kapsel nicht selten seitliche Ausbuchtungen und 


ständ@®"unter 10 bis 12 Fällen Einmal entweder mit dem Drehwirbelgelenk oder 
mit dem Schleimbeutel des Lig. cruciatum in offener Verbindung. 


b. Bänder an der Vorderfläche. 


Man nennt, als Ausfüllungsmasse der Querspalten, zwischen dem Hin- b. Bänder 

terhaupte, dem vorderen Bogen des Atlas und dem Körper des Epistropheus = a 
ein medianes Lig. obturatorium atlanto - epistrophiecum ant. !) und atlanto- ant. 
occipitale ant. 2). Beide aber hängen mit dem Lig. vertebr. commune und 
durch dessen Vermittelung auch unter sich dergestalt zusammen, dass sie 
eine einzige Bindegewebsmasse, Lig. oblurat. ant. (Fig.34. 35.37), bilden, 
welche nach hinten, so weit sie nicht von der Kapsel des Zahngelenks ein- 
genommen ist, in das Bindegewebe der Venenplexus der Wirbelhöhle con- 
tinuirlich übergeht, nach vorn an die Mm. recti capitis ant. min. und ma). 
grenzt und als medianes Septum 3) zwischen dieselben tritt (Fig. 36 * *). 

Von dem oberen Ende des Lig. commune ant. gehen, während es sich 
im Umfange des Tub. ant. atlantis befestigt, eine Anzahl oberflächlicher 
Bündel über diesen Höcker weg zum Körper des Hinterhauptsbeins. Mit 
der Beinhaut des Atlas sind sie durch eine-dünne Lage lockeren und dehn- 
baren Bindegewebes, welche die Dienste eines Schleimbeutels thut (Fig. 
35 *), verbunden. Neue Fasern treten von der Vorderfläche des Epistro- 
pheus hinzu, theils zum Atlas, theils an dessen Höcker vorbei zum Schädel; 
darunter endlich folgt eine massive Bindegewebslage, welche von der vor- 
deren Fläche und dem oberen Rande des Atlas zum Schädel aufsteigt und 
bis an die transversale Leiste reicht, welche die Insertionsstelle ‚des M. 
rect. cap. ant. min. bezeichnet. Sie besteht aus vielfach durcheinander ge- 
flochtenen, von zahlreichen elastischen Fasern durchsetzten Bündeln. Pa- 
rallele und feste, mehr bandartige Züge finden sich, abgesehen von der er- 
wähnten Fortsetzung des Lig. coınm. ant., nur an der Seite *), wo sie vor 
dem medialen Theil des Hinterhauptsgelenks von der Wurzel des Querfort- 
satzes und dem angrenzenden Theil des vorderen Bogens des Atlas schräg 
medianwärts aufsteigen. Der Verlauf dieser Abtheilung des Lig. obtura- 
torium ant. erinnert an die Ligg. costo-vertebr. radiata der Beugewirbel; 
ebenso begrenzt sie mit ihrem scharfen lateralen Rande von vornher die 
. Lücke, durch welche der N. hypoglossus austritt. 


!) Membrana annuli anterioris atlantis Meckel, Sömmerring. Lig. atlanto-occip. ant. 
prof. Barkow. 

?) Lig. episthrophico-atlant. ant, prof. Barkow. 

2). Lacertus rectus Weitbr. Lig. atlanto- occip. superfic. Barkow. Lig. occipitale 
anterius medium H. Meyer. 

*) Ligg. accessoria Meckel. 


ce. Bänder 
der Wirbel- 
höhle. 


@. An der 
Vorder- 
fläche. 


1. Lig. lat. 
epistroph. 


42 Lig. latum epistrophei. 


ec. Bänder der Wirbelhöbhle. 


«. An der Vorderfläche. ®: 


Zwischen dem Rande des Schädels und der hinteren Fläche des Kör- 
pers des Epistropheus liegt ein complieirter ligamentöser Apparat, der die 
Bestimmung hat, den Gang des Atlas um den Zahn zu sichern, der Dreh- 
bewegung Grenzen zu setzen und die vordere Wand der Wirbelhöhle plan 


Fig. 34. 


Ansicht der hinteren Fläche der vorderen Wand der Wirbelhöhle in der Gegend des Hin- 

terhauptsbeins und der Drehwirbel. Die Schuppe des Hinterhaupts und die Wirbelbogen 

hinter den Gelenken abgesägt Die Kapsel des Hinterhaupts- und Drehwirbelgelenks von 

hinten geöffnet, die letztere bis an den Ursprung vom Knochen weggeschnitten. + Durch- 

schnittslächen der Wirbelbogen. ff Schnittrand des Lig. lat. epistr., von welchem "ein 
r Theil (rechts) erhalten ist. 


zu erhalten. Dem letzteren Zweck insbesondere dient das Band, wel- 
ches, von der Wirbelhöhle aus gerechnet, die oberste Schichte einnimmt. 


1. Lig. latum epistrophei m. le). 


Bei dem Uebergang aus der Schädel- in die Wirbelhöhle ordnen sich 
die Bindegewebsbündel der harten Hirnhaut vertical und verstärken sich 
durch ebenfalls im Wesentlichen verticale, am Rande des Hinterhauptslochs 
entspringende Bündel. So entsteht eine Membran von 1 bis 5/,”” Mäch- 
tigkeit, welche von hinten her die in dem Raume zwischen dem Schädel und 
Atlas quer von der einen zur anderen Körperseite verlaufenden Venenplexus 
deckt und, straff zur hinteren Fläche des Zahns gespannt, sich alsbald in 
mehrere Blätter scheidet (Fig. 35). Das oberflächlichste (hinterste) Blatt 


1) Apparatus ligamentosus Weitbr. Membrana ligamentosa Hyrtl. 


=”, 


Lie. eruciatum epistrophei. 45 


setzt sich als harte Haut des Rückenmarkes fort; die nächst tieferen (vorde- 
ren) Schichten gehen über die hintere Fläche und den unteren Rand des Epi- 
stropheus hinweg und hängen mit dem Lig. commune post. (evp Fig. 35) zu- 
sammen. Die tiefsten (vordersten) Lagen heften sich, je weiter nach vorn 
sie liegen, um so näher der Basis des Zahnes an die hintere Fläche des 
Körpers des Epistropheus. Diese Lagen bilden das Lig. latum. Man kann an 
demselben drei Abtheilungen unterscheiden, eine mittlere und zwei seitliche. 
Die mittlere!) besteht aus genau verticalen Fasern und ist breit genug, um 
den Zahn nach beiden Seiten etwas zu überragen; in den beiden seitlichen 
Abtheilungen ?) verlaufen die Fasern unter einem spitzen Winkel gegen 
die Verticale ab- und medianwärts geneigt; sie decken von hinten her den 
medialen Theil der Kapseln des Hinterhaupts- und Drehgelenks (Fig. 34) 
und setzen sich von den seitlichen Rändern aus in die dünnere Bindegewe- 
behaut fort, welche die verticalen Venenplexus der Wirbelhöhle einschliesst. 

Eine tiefste Schicht des Lig. latum, 4 bis 5”” breit , setzt sich, nicht 
ganz beständig, an den oberen Theil der hinteren Fläche des Lig. trans- 
versum dentis fest. Dies ist der Appendix sup. lig. transverei aut..?). 
Im Uebrigen findet sich zwischen dem Lig. latum und der hinteren Fläche 
des Lig. transversum eine feine Schichte lockeren und schleimigen Binde- 
gewebes, zuweilen ein wirklicher Schleimbeutel. 

Fig. 35. 
2. Lig. cruciatum epistrophei. 

Das Lig. ceruciatum wird, wenn 
man den Bandapparat der Drehwirbel 
von der Wirbelhöhle aus präparirt, 
unmittelbar nach Entfernung des Lig. 
latum sichtbar. Mit seinem queren 
Schenkel, Crus transversum Lig. eru- 
ciati oder kürzer Lig. Transversum 
dentis, geht es von dem einen Seiten- 
theil des Atlas zum anderen so dicht 
und gespannt hinter dem Zahn vor- 
über, dass es denselben halsförmig 
einschnürt und nur mit Mühe etwas 
von ihm abgezogen werden kann 
(Fig. 34). Unter rechtem Winkel 
kreuzt sich mit diesem queren Schen- 
kel der verticale, mediane, dessen un- 
terer Theil, Urus inferius %), eben- 
falls straff gespannt unter spitzem 
Winkel an die hintere Fläche des 
Epistropheuskörpers befestigt ist, in- 


Mediandurchschnitt der vorderen Wand der Meer : r o d. 6 

Wirbelhöhle in der Gegend des Körpers 2 SEID TEN ron a (er 
des Hinterhaupts und der oberen Halswir- L ) a Ei al ray 
in Dora mater. ca Lig. comm, . occipitalia posteriora accessoria H, Meyer. 


vertebr ant. cvp Lig. comm, vertebr. post. ) FPRRER SUMLIDORE user. 
1 Schleimbeutel des Lig. cruciatum, ) Appendix inf. Den oberen und unteren 
Schenkel vereinigt H. Meyer unter dem 


Namen Zig. occipitale posterius medium. 


2. Lig. eru- 
ciatum 
epistr. 


44 Lig. eruciatum epistroph ei. 


dess der obere Schenkel, Crwus superius '), verschiebbar in dem lockeren 
Bindegewebe über dem Gipfel des Zahns und im Bogen auf- und vorwärts 
verläuft und theils mit der Beinhaut der Spitze des Zalıns, theils mit den 
festeren Bindegewebelagen des Lig. obtur. ant. zusammenhängt(Fig. 34. 35). 

An der Stelle des unteren Schenkels findet sich zuweilen’ nur eine Schiehte 
lockeren Bindegewebes, welche die Kapsel des Zahngelenks von unten schliesst 
und das Lig. transversum mit den vordersten Lagen des Lig. latum verbindet. 
Nur selten fehlt der obere Schenkel des Lig. ceruciatum, er wird dann durch den 
Appendix sup. vertreten. 

Alle Theile des Lig. eruciatum sind platt, von vorn nach hinten com- 
primirt. Das Lig. transversum ist zugleich etwas schräg, mit dem oberen 
Rande rückwärts gestellt, wodurch der Ring, in welchem der Zahn sich 
bewegt, eine trichterförmige abwärts sich verengende Gestalt erhält und 
dem Ausgleiten des Zahns nach unten vorgebeugt wird. Die Höhe des 
Lig. beträgt in der Mitte 10”, seine Mächtigkeit ebendaselbst 2”®; nach 
beiden Seiten wird es niedriger und dünner, gegen den oberen Rand 
scharf, gegen den unteren abgerundet; es ist von knorplicher Härte, fast 
in seiner ganzen Dicke aus dichten, parallelen, queren Bindegewebsbündeln 
zusammengesetzt. Nur so weit es auf dem Zahne gleitet, ist es an der 


vorderen Fläche mit einer Faserknorpelschichte von 0,07” Mächtigkeit 


versehen. 

Die veıticalen Schenkel des Lig. cruciatum sind beträchtlich dünner, 
als der transversale, und am Ursprunge aus dem transversalen Schenkel 
etwa 2 bis 3”" breit, von wo an der obere Schenkel sich nach oben, der 
untere nach unten zungenförmig zuspitzt. Sie entstehen aus oberflächlichen 
Bündeln des Lig. transversum, welche, indem sie von beiden Seiten her in 
der Mittellinie zusammentreffen , sich im Bogen, die einen auf-, die anderen 
abwärts wenden (Fig. 34). 

Dem überknorpelten Theil des Lig. transversum gegenüber ist der 
Hals des Zahnes glatt, von einer 1/5”” mächtigen, weichen Schichte über- 
zogen, dieinder Tiefe 
aus Bindegewebe, an 
der freien Oberfläche 
aus einer elastischen 
Lamelle besteht. Die 
elastischeLamelle ge- 
hört gleich einer ähn- 
lichen Lamelle auf 
der überknorpelten 
Vorderfläche desLig. 
transversum einem 
Schleimbeutel an, 
welcher sich aufwärts 
unter den oberen 


Schenkel desLig. eru- 
Horizontalschnitt des Atlas mit dem Zahn. dm Dura mater. eiatum erstreckt (Fig. 
1 Schleimbeutel des Lig, erueiatum. 35) und nach rechts 


? >) Appendix superior Mauchart. Appendix sup. ant. Gruber. Vergl. Mauchart 
in Haller disp. anat. sel. Vol. VII, p. 355. Gruber, Müll. Archiv 1851. S. 311. 


“x 
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62 
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Lig. alare dentis. 45 


und links in Taschen übergeht, die sich um die Seitenflächen des Zahns 
herum nach vorn begeben und mit ihren vorderen blinden Enden an die 
Kapsel des Zahngelenkes reichen (Fig. 36) !). Die Spitze sowohl als die Sei- 
tentaschen sind von dem mittleren Theil bald durch Einschnürungen abge- 
setzt, bald nicht 2); die Seitentaschen sind glatt oder fächerig und nicht 
selten, wie erwähnt, in die Kapsel des Drehgelenks geöffnet. Mit ihrer me- 
dialen Wand sind sie an den Zahn angewachsen, mit der lateralen decken 
sie die Insertion des Lig. transversum und den seitlichen Venenplexus ober- 
und unterhalb desselben. 

Var. Aus der vorderen Spitze des Schleimbeutels gehen Taschen ab, welche 


auf- die vordere Fläche des Zahns unterhalb der Kapsel des Zahngelenkes fast bis 
zur Mittellinie herumgreifen. Gruber. 


3. Lig. alare dentis ad >). 


Das Lig. alare besteht aus starken, parallelen Bindegewebsbündeln, 
welche jederseits längs der vorderen Hälfte des medialen Randes der Ge- 
lenkfläche des Hinterhauptsbeins entspringen und theils an die Spitze des 
Zahns sich befestigen, theils hinter derselben in einander übergehen (Fig.37)- 
f Fig. 37. 


BON =: 
[Ne N 
—irlgntN 


Vordere Wand des oberen Theils der Wirbelhöhle von hinten gesehen. Die hintere 

Wand vermittelst eines durch das Hinterhaupts- und Drehwirbelgelenk geführten 

Frontalscehnitts abgetrennt. Pc Proc condyloideus des Hinterhaupts. 1 Schleim- 

beutel des Lig. eruciat. 2 Hintere, vom Schleimbeutel bekleidete Fläche des 
Zahns. 


Die Bündel, welche ununterbrochen hinter dem Zahn vorbei von 
einem Gelenktheil des Hinterhaupts zum anderen gehen, bilden eine ober- 
flächliche, hintere, mehr membranartige Schichte #). Diese ist nicht 


!) Die Bindegewebslage, welche jederseits den Schleimbeutel vom Zahngelenk trennt 
und aufwärts mit dem Lig. alare in Verbindung steht, beschreibt H. Meyer als Zigg. 
alaria minora. 4 : 

‘) Nach Hyrtl (österr. med: Jahrb. Neue Folge. Bd. X, S. 457) je unter drei Fäl- 
len Einmal abgeschnürt. 

- °) Ligg. alaria Maucharti aut. Ligg. lateralia Weitbr. L. latt. supp. Arnold. Ligg. 
alaria majora H. Meyer. 

*) Lig. transversale oceip. Lauth. 


3. Lig. alare 
dentis. 


* 
46 Lig. suspensorium dentis. 


ganz beständig und nicht in allen Fällen gleich angeordnet. Zuweilen 


grenzt sie mit dem unteren 


lässt die oberste Spitze des 
Zahnes frei; andere Male 
nimmt sie nur die Gegend 
der Spitze des Zahnes ein 
und dann sendet sie nicht sel- 
ten ein medianes, kurzes und 
dünnes, eylindrisches Fasei- 
Horizontalschnitt des Hinterhaupts- und Zahngelenks. kel 1) an die Mitte des vorde- 
D Durchschnitt des Zahns. Pe Proc. condyl. ren Randes des Hinterhaupts- 
des Hinterhauptsbeins. lochs (Fig. BT, “+*), Je höher 
oben sie liegt, um so mehr 
geht die Richtung ihrer Flächen aus der frontalen in die horizontale über. 
An die hintere Fläche des Zahnes und der tiefen Schichte des Lig. alare ist 
diese oberflächliche Schichte mittelst feiner Bindegewebsfäden locker ange- 
heftet, so dass sich der Zahn frei unter ihr verschieben kann. 

Die tiefe, weit mächtigere ‚Schichte (Fig.38) ist durch die Anheftung an 
den Zahn in zwei symmetrische Massen getheilt, deren jede vom Hinterhaupts- 
bein zum Zahn median- und dabei in sehr geringem Maasse abwärts ver- 
läuft und mit den Flächen in der Nähe des unteren Randes frontal und ge- 


gen den oberen Rand allmälig horizontal gestellt ist. In-der Regel bleibt 


auf der Rückenfläche der Spitze des Zahns nur eine schmale, mediane Firste 
zwischen den Bandmassen beider Seiten frei, indess sie an der Vorderfläche 
durch die Gelenkkapsel des Zahns von einander geschieden werden. Ihr 
unterer Rand verbirgt sich, von hinten gesehen, unter den oberen Rand des 
Lig. transversum; ihr oberer, vorderer Rand fliesst mit den Fasern des Lig, 
obturatorium ant. zusammen (Fig. 34). 


4. Lig. suspensorium dentis sd?) 


4. Lig. sus- So nennt man ein dünnes, 2 bis 5mm breites Fascikel, welches vom 

pens. dentis. „neren Rand der vorderen Gelenkfläche des Zahns entsprmgt und sich an 
die untere Fläche des Körpers des Hinterhauptsbeins, nahe am Rande des 
Hinterhauptslochs befestigt (Fig. 35). Nicht immer setzt es sich scharf ge- 
gen das Lig. obturatorium anticum ab. 


ß. An der hinteren Fläche. 


P- Ana hin- Die Bänder, welche die Spalten zwischen dem hinteren Rande des 
ern che. S 3 

Hinterhauptslochs und dem hinteren Bogen des Atlas, so wie zwischen 
diesem und dem Bogen des Epistropheus ausfüllen, Ligg. obturatoria 


Ligg. obtu- 
ratoria. 


‚ ı) Lig medium dentis posticum Barkow. ÜCruveilhier fasst unter dem Namen 
Lig. med. dentis dieses Fascikel und das Lig. suspensorium zusammen. 
*) Lig. recium medium Meckel. Lig. med. dentis anticum Barkow. Lig. apieis 
denüs H. Meyer. 


Rande an den oberen Rand. 
des Lig. transversum und 


- 


w 


. 


Bänder an der hinteren Fläche der Drehwirbel. 47 


postica atlanto - oceipitale 1) und atlanto - epistroplacum, entsprechen den 
Ligg. intercruralia der Beugewirbel, mit dem Unterschiede, dass ihr late- 
‚raler Rand, statt sich an Gelenkfortsätze anzulehnen, vielmehr die Rolle 
der Gelenkfortsätze der Beugewirbel übernimmt und Oeflnungen begrenzt, 
die den Zwischenwirbellöchern der Beugewirbel analog sind. 

Das Lig. obtur. post. atlantico-epistrophicum nähert sich den Ligg. in- 
tereruralia insofern, als es in seinem mittleren Theile in allerdings sehr 
wechselnder Ausdehnung, aus reinem elastischen Gewebe besteht. Der ela- 
stische Theil dieses Bandes steht zuweilen in Breite und Mächtigkeit nur 
wenig hinter dem Lig. intercrurale der nächst unteren Zwischenwirbelspalte 
zurück; in anderen Fällen besteht er aus einem medianen oder aus zwei 
oder drei schmalen und platten Streifen. Den übrigen Raum nimmt Binde- 
gewebe ein, das sich nach hinten zwischen die Muskeln , seitwärts gegen 
die Venenplexus, die den austretenden Nerven umgeben, ohne Abgren- 


zung fortsetzt. 

Noch weniger selbstständig ist die Bindegewebslage, die sich vom 
Rand des Hinterhauptsbeins zum Atlas begiebt und als Lig. obt. post. 
atlanto-occipitale aufgefasst werden könnte ; sie ist reich an elastischen in- 
terstitiellen Fasern, enthält aber keine elastischen Lamellen. Den eigentli- 
chen Verschluss der Wirbelhöhle bildet an der hinteren Seite die Dura 
mater, die hier sehr mächtig, vom Rande des Hinterhaupts an, durch starke 
transversale Bündel verstärkt und mit der Beinhaut der Vorderfläche der 
Bogen der beiden Drehwirbel durch eine feine Schichte von lockerem Bin- 
degewebe unmittelbar verbunden ist. 

Die Hinterhauptsgelenke sind vorzugsweise für die Bewegung des Schädels um 
eine horizontale Axe, die Drehwirbelgelenke für die Bewegung des Atlas sammt 
dem Schädel um eine verticale Axe organisirt. Die Bewegung des Schädels in den 
Hinterhauptsgelenken durchläuft von der äussersten Streckung bis zur äussersten 
Beugung einen Bogen von kaum 45 Grad; die Excursion eines Drehwirbelgelenks 
beträgt von der Stellung aus, die man als die ruhende bezeichnen kann, bei wel- 
cher das Gesicht gerade vorwärts schaut, 25 bis höchstens 30 Grad nach vorn und 
ebenso viel nach hinten. Dabei verschieben sich die hintere Gelenkfläche des At- 
las und die vordere Gelenkfläche des Zahns, welche fast gleiche Breite haben, der- 
gestalt gegen einander, dass je ein Theil der einen die andere seitlich überragt; 
der überragende Theil ruht auf dem Bindegewebe, welches (Fig. 36) die Kapsel des 
Zahngelenks (Aao) und den Schleimbeutel des Lig. transversum (1) von einander 
scheidet. In den Hinterhauptsgelenken ist nebenbei eine äusserst geringe Drehung 
des Schädels um seine sagittale Axe und bei vorwärts geneigtem Kopf selbst um 
die verticale Axe möglich; in den Drehwirbelgelenken ist durch die besondere 
Festigkeit des Bandapparats jede andere, als die erwähnte Rotationsbewegung aus- 
geschlossen; ganz exact ist übrigens auch dies Gelenk nicht in allen Fällen. Die 
seitliche Gelenkfläche des Epistropheus fällt nämlich von der transversalen Firste 
an nicht immer gleich steil nach vorn und hinten ab; die Folge ist, dass der Atlas 
sich bei der Drehung des Kopfs schräg, d. h. mit der einen Gelenkfläche niedriger 
stellt als mit der anderen und dass die längste Axe der hinteren Gelenkfläche des 
Atlas aufhört, genau vertical und der längsten Axe der vorderen Gelenkfläche des 
Zahns genau parallel zu stehen. 

Die Rückwärtsbeugung des Schädels auf dem Atlas wird sehr entschieden ge- 
hemmt durch die Configuration der Knochen; die Vorwärtsbeugung wird begrenzt, 


!) Membrana annuli post. atlantis Meckel. Zig. atlanto-occipitale post. Barkow. 


Physiologi- 
sche Bemer- 
kungen. 


48 Brustbeinsynchondrosen. 


abgesehen von der Spannung der Kapsel, durch das Lig. obturat. post. atlanto-oc- 
cipitale oder richtiger durch die Dura mater des obersten Theils der Wirbelhöhle, 
ferner durch die Mm recti cap. postt. mion. Zur Hemmung der Drehung des At- 
las auf dem Epistropheus unterstützen die Kapselmembran -das Lig. obturatorium 
anticum, der Seitentheil das Lig. lat. und das Lig. alare, nebst den Mm. rect. 
cap. ant. maj. und obliquus colli (dem obersten Theil des sogen. M. longus colli). 


2. Bänder des Brustbeins und der vorderen Enden der 
Rippen. 


a. Synchondrosen und Kapselbänder. 


1. Brustbeinsynchondrosen. 


2. Bänder des Die Verbindung der einzelnen Stücke des Brustbeins geschieht in der 


Brustbeins u. 
der vorderen 
Rippen- 
enden. 


a. Synchon- 
arosen und 
Kapseln. 


1. Brustbein- 


synchondr. 


Regel durch Knorpel. Derselbe ist zwischen Griff und Körper in der Art 
; in Lagen abgetheilt, dass ınan die Ueber-| _ 
züge der einander zugekehrten Knochenflä- | 
chen und eine intermediäre Schichte anter- | in 
scheiden kann. Jene sind durchsichtig, bläu- 
lich, gallertartig, diese ist weiss, scheinbar 
lamellös; die Verschiedenheit beruht theils 
in der Grundsubstanz, die dort hyalinisch, 
hier undeutlich faserig ist, theils in der An- 
ordnung der Knorpelhöhlen, welche in 
der intermediären Schicht verhältnissmässig 
grösser und dichter gestellt sind, als in den 
Ueberzügen der Knochenflächen. Eine scharfe 
Trennung der Schichten findet nicht Statt, 
und so ist auch die relative Mächtigkeit der- 
selben wechselnd: bald machen die Ueber- 
züge des Knochens, bald die intermediäre 
Substanz den Haupttheil der Synehondrose 
aus. Ueber die Aussenfläche der letzteren 
zieht sich die Beinhaut des Brustbeins hin. 


Beim Neugeborenen besteht, nach Luschka 
(Zeitschrift für rat. Med. Bd. IV, S. 303), die 
Fasersubstanz zwischen Griff und Körper aus 
elastischen Fasern mit wenig Bindegewebe und 
ohne Spur von Knorpelzellen, beim achtjährigen 
Kinde dagegen vorwiegend aus Bindegewebe mit 
zahlreichen Knorpelzellen. Eine ähnliche Faser- 
masse findet sich nur noch zwischen dem 
Schwertfortsatz und dem Körper, indess die ein- 
zelnen Stücke, die den Körper zusammensetzen, 
nur durch hyalinischen Knorpel verbunden wer- 
den. Von Varietäten der Brustbeinsynehondrose 
erwähnt Luschka, ausser der Verknöcherung 
und der Entwickelung einer wahren spalttörmi- 
gen Gelenkhöhle, noch die Umwandlung der 
Frontaldurchschnitt des Brustbeins hyalinischen Ueberzüge des Brustbeingriffs und 


und der Rippenknorpel. *Kippen- Körpers in Bindegewebe. 
knorpelgelenk. 


Kapselbänder der Rippenbrustbeingelenke. 49 


2. Kapselbänder der Rippenbrustbeingelenke. 


Die Weise, in welcher sich die Rippenknorpel mit dem Brustbein ver- 2 


binden, ist mancherlei Varietäten unterworfen und nicht einmal an den bei- 
den symmetrischen Rippen Eines Körpers die gleiche. Am beständigsten 
ist die Form der Verbindung an der ersten und zweiten Rippe; der Rip- 
penknorpel der ersten ist meistens in seiner ganzen Dicke an den Brust- 
beinausschnitt angewachsen ; an der zweiten bestehen in der Regel zwei 
von ganz planen Wänden begrenzte Gelenkhöhlen über einander, durch 
einen Knorpelstreifen von einander getrennt, der sich von der oberen 
Brustbeinsynchondrose und also von der tiefsten Stelle des die Rippe auf- 
nehmenden Einschnitts zur entsprechend vorspringenden Kante der End- 
fläche des Rippenknorpels begiebt. Der Knorpelstreif ?) steht einerseits mit 
dem Rippenknorpel, andererseits "mit einem den Brustbeinausschnitt ausklei- 
denden Knorpel und durch diesen wieder mit dem Synchondrosenknorpel 
des Brustbeins in continuirlichem Zusammenhang. Er ist bald niedriger, 
bald höher und in demselben Maasse natürlich sind die Gelenkhöhlen 
mehr oder minder geräumig. Er steht nicht immer genau in der Mitte, 
sondern bald dem oberen, bald dem unteren Rande der Rippe näher, und 
so kann die eine Gelenkhöhle sich zu Gunsten der anderen verkleinern, 
ja völlig schwinden. Und indem der Knorpelstreif successiv höher 
wird, schliesst sich diese Art von Gelenkverbindung an die einfache, 
unartieulirte Insertion an, wie sie in der Regel zwischen der ersten Rippe 
und dem Brustbein stattfindet. Aber auch dann lässt sich zwischen 
dem spröden, hyalinischen Rippenknorpel und der dünnen hyalinischen 
Schichte, die die Pfanne am Brustbein auskleidet, eine Lage weicheren 
und lamellösen, mehr faserigen Knorpels unterscheiden, welche eine ge- 
ringe Verschiebung der Rippe an dem Brustbein verstattet. 

Als Kapselmembran fungirt die Knorpelhaut der Rippe, welche sich 
ganz straff’ in die Beinhaut des Brustbeins fortsetzt. Von Synovialüberzug 
und Synovialfalten ist nichts zu sehen. 

In der Regel nimmt die Geräumigkeit der Gelenkhöhlen von oben 
nach unten ab und die beiden untersten wahren Rippen sind meistens, 
gleich der ersten, mit ihrer ganzen Fläche angewachsen. Doch kann auch 
eine tiefere Rippe freier, als die nächst höheren, an das Brustbein angefügt 
sein. Selten ist die Entwiekelung einer Gelenkhöhle zwischen dem Knor- 
pel der ersten Rippe und dem Brustbein. 

Treten die letzten wahren Rippen am Brustbeinkörper, mit Verdrängung des 
Schwertfortsatzes, von beiden Seiten zusammen (Knochenlehre S. 52), so kann 
sich zwischen der Endfläche des Rippenknorpels der einen Seite und dem unteren 
Rande des Rippenknorpels der anderen eine Gelenkhöhle entwickeln. Arnold 
bildet eine Gelenkhöhle ab zwischen den einander zugekehrten Rändern der vor- 
deren Enden der beiden unteren wahren Rippen derselben Körperseite. 


\) Lig. interarticulare Krause. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 4 


. Kapseln 


d. Rippen- 
brustbeiu 
gelenke. 


50 Kapselbänder der Rippenknorpelgelenke. 


3. Kapselbänder der Rippenknorpelgelenke. 


kapselı Auch an den Rippenknorpelgelenken (Fig. 39*) ist die Kapselmem- 
lee bran nichts Anderes, als die straffe, über die mit einander artieulirenden 
Gelenkfortsätze je zweier Rippen hingespannte Knorpelhaut, an der Aus- 
senfläche des Thorax durch Bündel der sogleich zu beschreibenden Ligg. 
intercostalia ext. bedeckt. Die Gelenkflächen sind nur sehr wenig an ein- 
ander verschiebbar, fast plan, die Knorpel bis zu einer geringen Tiefe un- 
terhalb der freien Fläche mit deprimirten, sehr flachen Höhlen versehen ; 
die Grundsubstanz ist, so weit diese flachen Höhlen reichen, lamellös, weich, 
auf Verticalschnitten wie faserig und nach Art des Bindegewebes wellen- 


förmig gekräuselt. 


Beim Neugebornen haben diese Gelenke schon dieseibe Bildung, wie beim 
Erwachsenen. Die geringe Menge Synovia, die das Gelenk enthält, soll, nach 
Barkow, mit den Jahren schwinden und in alten Individuen sogar eine Verschmel- 
zung der Gelenkflächen eintreten. 


b. Haftbänder. 
1. Ligg. sternocostalia !). 


rn Die Bein- resp. Knorpelhaut der Rippen besteht aus parallelen oder 

noeostalia, unter sehr spitzen Winkeln gekreuzten, der längsten Axe der Rippe pa- 
rallel geordneten Bündeln. Sie ist mächtiger auf der äusseren Fläche als 
auf der inneren und nimmt gegen das vordere Ende der Rippe an Mächs 
tigkeit zu. Von den Rippenknorpeln geht sie, wie erwähnt, auf das Brust- 
bein über ; von der ersten Rippe der einen zur ersten Rippe der anderen 
Seite verlaufen ikre Bündel quer oder leicht abwärts eonvex; von der In- 
sertion der nächst folgenden Rippen an gehen sie theils quer, theils divergi- 
rend schräg auf- und abwärts; von der sechsten und siebenten gehen sie in 
der Flucht des Knorpels dieser Rippe steil auf- und medianwärts, um ein- 
ander von beiden Seiten her etwa in der Gegend der Insertion der dritten 
Rippe zu begegnen und zu kreuzen (Fig. 40). Die Membran, welche aus der 
Durchkreuzung aller dieser Bündel hervorgeht ?), ist am stärksten auf dem 
unteren Theil der äusseren Fläche, wo sie ein grobes Flechtwerk darstellt, 
durch dessen Maschen Gefässe in die Tiefe dringen; auf der inneren Fläche 
ist sie glatt und die von den Rippen her transversal ausstrahlenden Fasern 
treten gegen die der Beinhaut des Brustbeins eigenthümlichen verticalen 
Fasern zurück (Fig. 41). 


1) Ligg. sternocostalia radiata. 
2) Membrana sterni. 


Ligg. sternocostalia. 51 


Brustbein und Rippen mit den Zigg. sternocosialia, intercostalia ext. und costoxiphoidea (c x). 
Pmi M pectoralis minor. & 


2. Ligg. intercostalia. 


Mit diesem Namen bezeichnen wir glänzende, platte, meist sehr dünne, 2- Ligg. in- 
aus neben einander liegenden abwechselnd stärkeren und schwächeren Seh- ep 
nenstreifen zusammengesetzte Bänder von unbeständiger Stärke und Aus- 
dehnung, welche die Intercostalmuskeln sowohl an ihrer äusseren, als inne- 
ren Fläche decken. Ihre Entwickelung steht im umgekehrten Verhältniss 


4* 


52 Ligg. intercostalia. 


zur Entwickelung der Muskeln der Brust- und theilweise auch der Bauch- 
wände: sie finden sich in minder fleischigen Körpern an Stellen, die in 
fleischigen von Muskeln eingenommen werden, sie erscheinen als Fortsetzun- 


Fig. 41. 


> 


49 


N 


N 


Brustbein und Rippen von hinten, Zigg. intercostalia int. Ts. M. transversus sterni. 


gen muskulöser Schichten oder vertreten in einzelnen Zwischenrippenräu- 
men Muskelfasern, die sich an entsprechenden Stellen anderer Zwischen- 
rippenräume finden. Sie können deshalb auch nicht ohne Beziehung auf 
die Muskeln der Brust beschrieben werden. 


Lige. intr- Die äusseren Intercostalbänder, Ligg. intercostalia ext. (Fig. 40), 


cost. ext. 


liegen in den neun oder zehn oberen Zwischenräumen zwischen dem vor- 
deren Ende des M. intercostalis ext. und dem Brustbein. Sie steigen theils 


Ligg. intercostalra. 53 


von Rippe zu Rippe gerade oder schräg lateralwärts auf, theils durchziehen 
sie die Intercostalräume in transversaler Richtung. Die verticalen und 
schräg aufsteigenden Fasern 1) können ihrem Verlaufe nach als vorderste, 
unentwickelte oder fibrös gewordene Bündel der Mm. intercostales externi 
betrachtet werden. Sie sind am stärksten und auffallendsten im siebenten 
bis dritten Intercostalraum; die unteren liegen lateralwärts neben den Ur- 
sprüngen des M. rect. abdominis und zum Theil von denselben bedeckt, die 
höheren gerade über dem Ursprung der obersten Rippeninsertion des ge- 
nannten Muskels und in ungefähr gleicher Breite mit derselben. In den 
oberen Intercostalräumen stehen die Fasern der fraglichen Bänder fast ver- 
tical, nur zunächst dem seitlichen Rande etwas mit dem oberen Ende late- 
ralwärts geneigt; im sechsten und siebenten Intercostalraum haben sie 
sämmtlich diese Neigung; ihre grösste Stärke haben sie hier vor den Rip- 
penknorpelgelenken. Selten überspringen sie eine Rippe. 

Transversale Fasern finden sich im ersten bis siebenten Intercostal- 
raume; im ersten und zweiten sind sie fein, entspringen vom Seitenrande 
des Brustbeins und verlieren sich gegen den Rand des M. intere. ext., in- 
dem sie theils in die Fascie desselben, theils in die Beinhaut der Rippe 
übergehen; in den nächstfolgenden Intercostalräumen hängen sie mit den 
sehnigen Ursprüngen des M. pectoralis min. und serrat. ant. zusammen; am 
oberen Rande der sechsten und siebenten Rippe haben sie mit den Ursprün- 
gen des M. serrat. ant. gleiche Richtung, gehen aber nur vom oberen 
Rande des Rippenknorpels zum oberen Rande des Rippenknochens,, über 
die grösste Concavität der Rippe gerade hinübergespannt. 

Die inneren Intercostalbänder, Ligg. intercost. int. (Fig. 41), 
sind sehnige Fascikel des M. transversus (triangularis auf.) sterni; seitlich 
neben diesem Muskel und in gleicher Richtung mit den Fasern desselben, 
oft etwas minder geneigt, gehen einzelne Bandstreifen von Rippe zu Rippe 
über einen oder zwei Intercostalräume hinweg. An der siebenten und aclı- 
ten, zuweilen auch an der sechsten und neunten liegen sie, gleich den trans- 
versalen Bündeln der äusseren Intercostalbänder, zwischen dem Knorpel 
und Knochen derselben Rippe, indem sie sich zu dem steilsten Theil des 
Rippenbogens wie die Sehnen dieses Bogens verhalten. 


3. Ligg. costoziphoidea CX. 


Diese Bänder bestehen aus compaecten oder vereinzelten Bündeln, wel- 
che von dem vorderen Ende der Knorpel der sechsten und siebenten Rippe 
schräg median- und abwärts an den Seitenrand und die vordere Fläche des 
Schwertfortsatzes treten (Fig. 40). Sie stehen zum Schwertfortsatz in demsel- 
ben Verhältniss, wie die Sehnenfasern des M. obliquus abdom. ext. zur Linea 
alba. Gleich diesen Sehnenfasern verstärken die Ligg. costoxiphoidea das 
vordere Blatt der Scheide des Rectus; die untersten derselben grenzen un- 
mittelbar an die obersten Fasern der Sehne des M. obliquus abd. ext. an. 


) Ligg. intercartilaginea, propria cartilaginum costalium s. corruscantia s. nitentia. 


Pi . x 
Ligg. inter- 
cost. ilıt. 


3, Ligg. 
costo- 
Ziphoidea. 


3. Bänder 


d. Zungen- 


beins. 


Lig. stylo- 
hyoid. 


54 Bänder des Zungenbeins. 


3. Bänder des Zungenbeins. 


Die Synchondrose zwischen dem Körper und grossen Horn besteht 
aus hyalinischem Knorpel. Knorpel derselben Art bekleidet in mächtiger 
Lage die Flächen, die im Gelenk des kleinen Horns mit dem Körper auf 
einander gleiten. Die Kapselmembran dieses Gelenks ist einfach, mit klei- 
nen warzenförmigen Synovialfalten. 

Die Annahme eines Lig. stylo-hyoideum ist theoretisch gerechtfertigt 
durch die Entwickelungsgeschichte und durch die Verknöcherungen, welche 
in manchen Fällen den Verlauf desselben bezeichnen (Knochenl. S. 65). 
In Wirklichkeit ist es aber, wo diese Verknöcherungen fehlen, nicht oder 
nur künstlich darstellbar. Von der Spitze des kleinen Horns lässt sich eine 
Bandmasse aufwärts verfolgen, die sich aber bald zwischen den in die 
Zunge und den Schlund ausstrahlenden Muskelfasern verliert. Am Griffel- 
fortsatz entspringen sehnige, die Fascie des M. styloglossus verstärkende 
Fasern, welche mit diesem Muskel in der Richtung gegen das kleine Zun- 
genbeinhorn herabsteigen, aber schon vor dem Eintritt des Muskels in die 
Zunge unsichtbar werden. Soll die Continuität zwischen jenen und diesen 
fibrösen Fasern hergestellt werden, so kann dies meist nur durch Vermitte- 
lung des Bindegewebes geschehen, welches sich in der Zungenwurzel zwi- 
schen den Muskelbündeln eingestreut findet. 


4. Bänder des Schädels. 


a. Synehondrosen. 


4. Bänder d. Die Substanz, welche in jungen Schädeln die Körper des Hinter- 


Schädels. 


a. Syuchon- 
drosen. 


haupts- und Wespenbeins verbindet, Synchondrosis spheno-oceipitalis , ist in 
der ganzen Dicke gleichförmig, ein Knorpel mit reihenweise gestellten 
Höhlen und sehr feinen, parallelen, von der einen Knochenfläche zur an- 
deren verlaufenden Fasern. Beim Neugebornen sind die Knorpelhöhlen auf- 
fallend platt, so dass sie sich von der Kante wie dunkle, stäbchenförmige 
Kerne ausnehmen. 

Die Synchondrosis petro-oceipitalis (Knochenl. 8. 95) ist bis zur Zeit, 
wo das Hinterhauptsbein mit dem Schläfenbein knöchern verwächst, ein 
wahres Gelenk, eine Amphiarthrose, in welcher die beiden, von hyalinischen 
Knorpelschichten bekleideten Flächen so genau und fest aneinanderschlies- 
sen, dass man auf einem Durchschnitte des frischen Gelenks nur mit Mühe 
die Spalte auffindet. 

Die weiche Masse, welche das Foramen lacerum und die beiden in 
demselben zusammenmündenden Spalten, die Fissura petrobasilaris und 
sphenopetrosa, ausfüllt, ist Bindegewebe in zwei von einander verschiede- 
nen Schichten. Die untere Schichte, weiss und blätterig, erstreckt sich 
eben und membranartig vom Hinterhauptsbein zum Temporalflügel über die 
Spitze der Pyramide; an ihre untere Fläche ist in der Gegend der Fissura 


Bänder des Schädels. 55 


sphenopetrosa der Knorpel der Tuba befestigt und bestimmt gegen dieselbe 
abgesetzt. Die obere Schichte ist von unregelmässiger, nach der Lücke 
der Knochen gemodelter Form; sie besteht aus vielfach und fest verfilzten 
Bindegewebsbündeln mit starken Scheidewänden von elastischem Gewebe, 
lässt sich deshalb nicht in Blätter oder Fasern spalten und zeichnet sich 
durch ihre gelbe Farbe aus. 


b. Haftbänder. 


Es findet sich am Schädel eine Anzahl strangförmiger oder platter 
Bänder, welche zwischen unbeweglich verbundenen Knochen oder zwischen 
Hervorragungen eines und desselben Knochens verlaufen und demnach als 
eigene Bänder des Schädels zu beschreiben wären. Sie dienen zur Er- 
gänzung von Löchern oder Canälen, innerhalb welcher Gefässe und Ner- 
ven eingeschlossen liegen. Viele Varietäten der Schädelknochen beruhen 
auf der jeweiligen Verknöcherung solcher Bänder, während andererseits in 
manchen Schädeln die Zahl der Bänder dadurch vermehrt erscheint, dass 
schmale, in der Regel knöcherne Brücken sich fibrös erhalten. Ich nenne 
beispielsweise ein Ligament, welches am Supraorbitalrande der Augenhöhle 
von einer Ecke der Ineisura supraorbitälis zur anderen zieht und diese In- 
eisur in einen Canal verwandelt; ein Ligament, welches, zwischen den Spi- 
nae intrajugulares des Schläfen- und des Hinterhauptsbeins ausgespannt, 
das F. jugulare abtheilt; ein anderes , zwischen der Spitze der Schläfenpy- 
ramide und dem Proc. clinoid. post. des Wespenbeins, unter welchem der 
N. abducens aus der hinteren in die mittlere Schädelgrube gelangt. Die 
Brücke zwischen dem For. ovale und spinosum des Temporalflügels, der 
mediale Rand des For. ovale selbst kann, statt aus Knochen-, aus Band- 
masse bestehen. 

Ein Bedürfniss, diese Bänder zusammenzustellen und besonders zu be- 
nennen, hat sich bis jetzt nicht gezeigt. 

Bänder, welche einzelne der zu den Sinnesapparaten gehörigen Organe 
mit dem Schädel in Verbindung setzen, sollen in dem betreffenden Ab- 
schnitte der Splanchnologie beschrieben werden. 


ce Kiefergelenk. 
a. Gelenkkapsel. 


Zwischen der Pfanne und dem Gelenkkopf des Unterkiefers liegt eine 
Bandscheibe 2), deren obere Fläche nach dem Tuberc. articulare des Schlä- 
fenbeins, deren untere Fläche nach dem vorderen Theil der Gelenkfläche 
des Gelenkfortsatzes des Unterkiefers geformt ist. Sie ist demnach ellip- 
tisch, mit ihrem grössten Durchmesser, entsprechend dem grössten Durch- 
messer des Gelenkfortsatzes, transversal gestellt, auf der oberen und unte- 
ren Fläche concav, tiefer ausgehöhlt in sagittaler Richtung, als in trans- 
versaler, am vorderen und hinteren Rande dicker, als an den Seitenrändern, 


\) Cartilago interarticularis s. Meniscus. Operculum cartilagineum. 


b. Haft- 
bänder. 


c. Kiefer- 
gelenk. 


«. Kapsel. 


56 Kiefergelenk. 


am dünnsten in der Mitte der Fläche (hier in seltenen Fällen von einer un- 
regelmässigen Oeffnung durchbrochen). 

Indem die Kapselmembran des Unterkiefergelenks sich mit dem 
Rande der Bandscheibe ringsum verbindet, entstehen zwei gesonderte 

Fig. 42. Gelenkhöhlen, eine obere und untere. 
Die Kapsel der oberen geht von der 
Bandscheibe zum Schläfenbein und 
heftet sich hier vorn an den vorderen 
Rand des Tub. artieulare, lateralwärts 
an den Höcker, wodurch das Tub. art. 
sich gegen den Jochbogen abgrenzt, 
medianwärts neben der Spina angula- 
ris an die Gegend der Naht zwischen 
Schläfen- und Wespenbein, hinten in 
einer transversalen Linie an den — 
von unten gesehen — tiefsten Theil 
der Fossa mandibularis. Die Kapsel 
der unteren Gelenkhöhle geht von der 
Sagittaldurchschnitt des Kiefergelenks, Un- Bandscheibe zum Rand der Gelenk- 
terkiefer und Zwischenknorpel abwärts fläche des Unterkiefers. 
BELDEEU: u Tai Dub. zanfic: Pe; M, Als Artieulationsflächen des Un- 
ee terkiefergelenks sind demnach zu be- 
trachten am Unterkiefer die ganze 
obere Wölbung des Gelenkfortsatzes, am Schläfenbein aber nur die vordere 
Hälfte der Fossa mandibularis und das Tub. articulare. Die Bekleidung 
dieser Flächen ist nicht überall die gleiche. Der hintere Abhang der Ge- 
lenkfläche des Unterkiefers, sowie der in die Gelenkhöhle schauende Theil 
der Fossa mandibularis haben nur einen dünnen, rein bindegewebigen 
Beinhautüberzug. Das Tuberculum articulare dagegen und der vordere 
Abhang der Gelenkfläche des Unterkiefers sind mit einer hyalinischen 
Knorpel- und zunächst der freien Fläche mit einer Bindegewebslage ver- 
sehen, von welchen diese etwa 1/;, jene }Jymm Mächtigkeit hat. Die Band- 
scheibe besteht ganz und gar aus horizontal in verschiedenen Richtungen 
verlaufenden Bindegewebsbündeln mit einem unvollkommenen Epithelial- 
überzug. Ueber das Tub. articulare geht in sagittaler Richtung eine 
seichte Vertiefung, welcher auf der oberen Fläche der Bandscheibe ein sa- 
gittaler Wulst zwischen zwei seichten Gruben entspricht. 

Lateral-, median - und rückwärts grenzt die Kapselmembran an locke- 
res Bindegewebe, welches seinerseits wieder durch die sogleich zu beschrei- 
benden Haftbänder begrenzt wird. Die vordere Wand der Kapsel ist an 
der äusseren Fläche verwachsen mit der Sehne und dem Fleisch des oberen 
Kopfes des M. pterygoideus ext., welcher sich theils an die Kapsel und den 
vorderen Rand der Bandscheibe, theils an den Hals des Unterkiefers ansetzt 
(Fig. 42). Venenreiches Bindegewebe erfüllt den Raum zwischen dem 
genannten Muskel, der Kapsel, dem M. temporalis und der äusseren Fläche 
der Schädelbasis. 


- 


Kiefergelenk. 


ß. Hattbänder. 


1. Lig. accessorium laterale m. al D, 


57 


Yin kurzes plattes Band, aus schräg ab- und rückwärts verlaufenden 
Fig. 43. 


eh, 
N Nu Ä 


Rechtes Kiefergelenk , von der lateralen 


Seite M. M. masseter. in Verbindung. 


2. Lig. accessorium mediale m. AM. 


Faserbündeln gebildet, welche an dem 
hintersten Theil der lateralen Fläche 
des Jochbogens entspringen, an der la- 
teralen bis hinteren Fläche des Unter- 
kieferhalses sich inseriren. 
eines ziemlich straffen Bindegewebes 
steht es lateralwärts mit der oberfläch- 
lichen Fascie der Schläfengegend, me- 
dianwärts mit der eigentlichen Kapsel 


V ermittelst 


Am hintersten Rand der Fossa mandibular., aus der Furche, in welcher 


Fie. 


g. 44. 


Mae 


il 
hai » 
‚N IM $ 
N) Sun S 
Su (I N 
Us Nai 
Frm 


Pi Ne RENNEN \ 


Linkes Kiefergelenk, von der medialen Seite. Mae Knorpel des 
äusseren Gehörgangs. (ca (an. carot. durchschnitten, ZI la- 
terale Lamelle des Gaumenflügels.. Frm Foramen wmandibulare, 
NI N. lingualis, abgeschnitten. Nai N. alveol. inf. Pi M. pteryg. 
int. an der Insertion durchschnitten, umgelegt. 
Pe M. pteryg. ext. 


der Schuppentheil 
und Paukentheil 
des Schläfenbeins 
zusammenstossen 
und, noch weiter 
medianwärts, vom 
Schuppentheil vor 
der Fissura petro- 
squam. entspringt 
inmehreren Lagen 
ein plattes Band, 


das sich abwärts 
in zwei Zipfel 
trennt. Der eine, 


kürzere dieser Zi- 
pfel befestigt sich 
an den Hals des 
Gelenkfortsatzes 

des Unterkiefers, 
hinter der Inser- 
tion des M. ptery- 
goid. extern., der 
andere „ längere, 
durch schräg la- 
teralwärts abstei- 


!) Lig. laterale ext. 
s. mazillare ext. Mem- 
brana mazillae artic. 
Meckel. 


3. Halt- 
bänder. 
1. Lig. acc. 
lat. 


2. Lig. acc. 
med 


3. Lig. sty- 
lo-myloid. 


Physiolog. 
Bemerkun- 
gen. 


58 Kiefergelenk. 


gende Fasern, die von der Spina angularis des Temporalflügels ihren Ur- 
sprung nehmen, verstärkt 1), geht an den Rand des Foramen mandibulare. 
Beide Zipfel umfassen eine aufwärts sich verschmälernde und oben abgerun- 
dete Spalte, durch die am hinteren Rand des Unterkiefers vorüber die Art. 
maxillaris int. nebst den sie begleitenden Venen in die Unterschläfengrube 
tritt. 

Zwischen dem kürzeren Zipfel des Lig. accessor. mediale und der 
eigentlichen Kapselmembran ist ein weiches, dehnbares, oben mit der Bein- 
haut der hinteren Hälfte der Fossa mandibularis zusammenhängendes Bin- 
degewebe eingeschlossen, welches, je nachdem der Gelenkkopf in der Pfanne 
oder auf dem Tubere. articulare steht, bald zusammengepresst, bald ausge- 
spannt erscheint (vgl. Fig. 45. 46). Der laterale Rand dieses Zipfels setzt 
sich in ein lockeres venenreiches Bindegewebe fort. Der längere Zipfel ist 
in dem Fett vergraben, welches die Lücken zwischen den Kaumuskeln aus- 
füllt, und hängt an seinen Rändern mit schwächeren, die Lappen des Fettes 
durchziehenden Bindegewebesepta zusammen. Unmittelbar vor demselben 
liegt der N. alveolaris inf. 


3. Lig. siylo- myloideum ?). 


Mit diesem Namen bezeichnet man eine dünne, aus aufwärts concaven 
sehnigen Fasern gebildete Membran, welche durch Vermittelung desM. sty- 
loglossus einerseits mit dem Proc. styloideus in Verbindung steht, anderer- 
seits an den unteren Theil des hinteren Randes des Unterkieferastes angehef- 
tet ist. Ich verweise wegen derselben auf die Beschreibung der Zungen- 
muskeln. 


An der Leiche kann man den Unterkiefer in zweierlei Stellungen die Bewe- 
gungen ausführen lassen, durch die der Mund abwechselnd geöffnet und geschlos- 
sen wird: man hält nämlich entweder die beiden Gelenkköpfe in ihren Pfannen fest 
oder man rückt sie auf die Tubera articularia vor. Im ersten Falle geht die Dre- 
hungsaxe transversal durch die Gelenkköpfe des Unterkiefers; während die Köpfe 
um diese Axe rotiren, erhält sich die Bandscheibe ruhend an der hinteren Fläche 
des Tuber artieul. (Fig. 45). Im zweiten Fall (Fig. 46) liegt die Drehungsaxe in 
den Tubb. articularia; die Bandscheibe tritt auf die untere Fläche der letzteren 
und bewegt sich auf derselben mit dem Unterkiefer vor- und rückwärts. Die 
Bandscheibe nimmt im ersten Fall an der Bildung der Pfanne Antheil, im zweiten 
Fall bildet sie die Pfanne allein; dort aber ist die Pfanne der ruhende, hier ist 
sie der bewegte Theil; dort verhält sich die Bandscheibe, als wäre sie an den 
Schädel, hier als wäre sie an den Unterkiefer angewachsen. 

Beim lebenden Menschen kann der Mund nicht geöffnet werden, ohne dass 
der Unterkiefer auf das Tub. art. vorrückte; beim jedesmaligen Schliessen kehrt er 
in seine Pfanne zurück. Der Grund dieser Thatsache kann nur darin gesucht 
werden, dass sich die Thätigkeit der Muskeln, die den Unterkiefer herabzichen, 
unvermeidlich associirt mit der Thätigkeit des M. pterygoideus ext., welcher die 
Bandscheibe des Unterkiefergeienks und den Hals des Unterkiefers gleichzeitig vor- 
wärts zieht; der Zweck dieser Anordnung ist offenbar der, dem Unterkiefer eine 
grössere Freiheit der Bewegung zu verschaffen, als ihm bei der Tiefe der Fossa 
mandibularis und der Steilheit ihrer hinteren Wand gestattet sein würde, wenn 
sein Gelenkkopf in dieser Grube verweilte. 


!) Lig. laterale Weitbr. L. internum s. lat. internum s. sphenomazillare 
*) Lig. stylomazillare. Von Meckel mit dem Zig. stylohyoideum zum Lig. stylo-mylo- 
hyoideum zusammengezogen. 


Kiefergelenk. 59 


Bei der Stellung des Unterkiefers auf den Tubb. artieularia ist zugleich die 
Seitwärtsbewegung desselben am ergiebigsten; doch findet diese Bewegung auch in 


Fig. 45. 


Sagittaldurchschnitt des linken Kiefergelenks von der lateralen Seite, 
Fig. 45. geschlossen. Fig. 46. geöffnet. } Durchschnitt des Proc. coronoid. 
T M. temporalis. Pe 1, Pe 2 Köpfe des M. pteryg. ext. 


der Weise Statt, dass sich der Kiefer um eine Axe dreht, welche in verticaler Rich- 
tung durch den Gelenkfortsatz Eines Unterkieferastes gedacht wird. Die Gelenk- 
höhle enthält, wie der Durchschnitt, Fig. 45, lehrt, vor und hinter dem Gelenk- 
kopf eine hinreichende Menge weicher, zusammendrückbarer Substanz, um die ge- 
ringe Rotation eines Unterkieferastes zu gestatten, die zur Ausführung dieser Be- 
wegung erforderlich ist. 

Die an den hinteren Rand der Bandscheibe sich anheftende Bindegewebsmasse 
und die Bänder, welche an der Aussenfläche der hinteren Wand der Kapsel liegen, 
schützen die vordere Wand der letzteren vor dem allzu gewaltsamen Andringen 
des Gelenkkopfs. Der längere Zipfel des Lig. accessor. med. geräth erst bei dem 
gewaltsamsten Herabziehen des Unterkiefers in Spannung, zugleich mit dem vor- 
deren sehnigen Rande des Masseter. In Verbindung mit dem Lig. access. laterale 
der entgegengesetzten Seite schränkt das Lig. access. med. die Verschiebung des 
Unterkiefers in transversaler Richtung ein. 


co Bänder der oberen Extremität. 


B. Bänder der Extremitäten. 
Il. Bänder der oberen Extremität. 


A. Bänder des Gürtels der oberen Extremität. 


a. Eigene Bänder des Schulterblatts. 


1. Lig. transversum (scapulae propr.) superius Es 1). 


B. Bänder Ein plattes, strafles, glänzendes Band, ‚welches in der Regel in zwei, 
täten. durch eine Querspalte geschiedenen Abtheilungen vom medialen Rande 
1 oberen der Ineisura scapulae zur Wurzel des Processus coracoideus ausgespannt 
A. des St. Die obere Abtheilung ist höher und stärker; ihre Flächen liegen in 
Fe gleicher Flucht mit den Flächen des Schulterblattkörpers; ihr oberer Rand 
1.Lie.traus- geht in etwas veränderter Richtung, schräg lateralwärts aufsteigend, aus 
vers SUP- dem oberen Rande des Schulterblattkörpers (Fig. 47) hervor und erreicht 
Fig. 47. den Processus eoracoideus an 
dem Winkel, mit welchem der 
mediale Rand des Fortsatzes 
in den oberen umbiegt. Sie 
nimmt gewöhnlich lateralwärts 
an Höhe ab, ist am oberen 
Rande dicker, als am unteren, 
und um so kürzer, je mehr 
sich die Ineisura scapulae 
durch Vorsprünge des oberen 
Randes zum Ringe schliesst. 
Die untere Abtheilung, 
dünn und schmal, horizontal 
oder schräg, weiter vorwärts 
als die obere und oft schon in 
der Fossa subscapularis gele- 
gen, begrenzt mit der Ineisura 
scapulae eine runde oder spalt- 
förmige Lücke. Durch die Spalte zwischen beiden Abtheilungen des Bandes 
tritt der N. suprascapularis mit einem Zweig der V. transversa scapulae; 
die gleichnamige Arterie nimmt nur ausnahmsweise diesen Weg, in der 
Regel geht sie über dem Bande weg. Zwischen der unteren Abtheilung 
des Bandes und dem Knöchenrand ‘geht ein Venenast zum tiefen Venen- 
netz der Fossa subscapularis. 


Scapula, hintere Fläche. 


\) Lig. proprium poslicum W. L, suprascapulare Sömm. Lig. sc. proprium minus 
s. obliguum s. coracoideum s. costo-coracoideum Meck. 


Eigene Bänder des Schulterblatts. 61 


2. Lig. transversum (scap. propr.) inferius li '). 


Ueber die zwischen dem Gelenkknopf und der Basis des Schulterkam- 
mes befindliche Rinne, durch welche die Fossa supra- und infraspinata mit 
einander communieiren (Knochenl. S. 212), spannen sich platte, dünne, 
in dem Fettgewebe zerstreute oder zu einem festeren Band vereinte Binde- 
gewebsbündel, an dem unteren. Theil des lateralen freien Randes des 
Schulterkammes entspringend, an den wulstigen Rand des Gelenkknopfes 
sich inserirend. Die Flächen des Bandes sind, parallel den Flächen des 
Schulterkammes, die untere rückwärts, die obere vorwärts geneigt (Fig. 47). 
Es begrenzt von hinten her eine spaltähnliche Lücke, durch welche, auf 
dem Knochen aufliegend, die Aeste treten, mittelst welcher die Gefässnetze 
der Fossa supra- und infraspinata anastomosiren. 


3. Lig. acromio-coracoideum @C ?). 


Der Ursprung dieses Bandes befindet sich am vorderen Rande des 
Acromion, von wo aus er eine kürzere oder längere Strecke weit unter die 
Gelenkpfanne reicht, auf 
welcher das Schlüsselbein 
ecp SER articulirt (Fig. 48). Fä- 
cherförmig sich ausbrei- 
tend und an dem breite- 
ren Ende öfters durchbro- 
chen, setzt sich das Band 
an den rauhen Wulst, 
welcher die hintere und 
obere Fläche des Schul- 
terhakens scheidet; zuwei- 
len tritt es durch Fasern, 
welche gegen die obere 
Spitze der Gelenkfläche 
des Schulterblatts bogen- 


formig herablaufen, mit der 


Scapula, Clavicula und Armbein in Verbindung, von vorn. 
Aac. Articulatio acromio- clavie. ccp Lig. coraco-clavic. Kapsel des Schulterge- 
post. cca Lig. coraco-clav. ant. Sc. M. subelavius. Pmi lenksin Verbindung. Seine 


M. pect. min. Bb kurzer Kopf des Biceps. Flächen schauen, die eine 
auf-, die andere abwärts; 


die untere Fläche ist mit der Sehne des M. supraspinatus und der Kapsel 
des Schultergelenks locker und verschiebbar verbunden; über den dem 
Acromion zunächst gelegenen Theil derselben erstreckt sich zuweilen ein 
nicht ganz beständiger Schleimbeutel, welcher mit seiner oberen Wand die 
untere Fläche des Acromion, des Acromioclavieulargelenks und -des acro- 


Fig. 48. 


!) Lig. transversum minimum Arnold. 
?2) L. triangulare Weitbr. L. triquetrum Meck. L. proprium anticum s. majus s. 


coraco-acromiale aut. 


2. Lig: 


trausv. inf. 


Lig. acro- 
mio - cora- 
Coideum. 


b. Sternocla- 
vieular- 


gelenk. 


62 Sternoclavieulargelenk. , 


mialen Endes des Schlüsselbeins, mit seiner unteren Wand den Kopf des 
Armbeins bekleidet und sich zwischen den Sehnen des M. supra- und in- 
fraspinatus ausbreite. Die obere Fläche des Lig. acromio- coracoideum 
hängt durch straffes Bindegewebe mit der unteren Fläche des M. deltoideus 
zusammen. Der vordere Rand tritt zwar bei Bewegungen des Oberarm- 
kopfs scharf hervor, doch setzt er sich eontinuirlich in die weiche, die Kapsel 
des Oberarms bekleidende und abwärts sich verlierende Bindegewebslage 
fort, in welche auch die Fascia infraspinata übergeht. Der hintere Rand 
des Lig. acromio-coracoideum geht in ein fetthaltiges Bindegewebe über, 
welches den Raum zwischen dem M. supraspinatus, dem Schulterhaken und 
Armbeinkopf ausfüllt und weiter hinten mit der Fascia supraspinata zu- 
sammenhängt. Demnach dürfte das Band im Ganzen als ein durch Quer- 
fasern verstärkter und an die Knochenvorsprünge angehefteter Theil der 
Fascie der hinteren Schulterblattmuskeln betrachtet werden. 


b. Bänder des sternalen Endes des Schlüsselbeins. 
«. Kapsel des Sternoclaviculargelenks. 


Das Sternoclaviculargelenk enthält eine platte, die Gelenkhöhle voll- 
ständig in zwei Höhlen theilende Bandscheibe, welche mit der einen Flä- 


«@. Kapsel. che dem Schlüsselbeinausschnitt des Brustbeins, mit der anderen der sterna- 


len Endfläche des Schlüsselbeins zugekehrt ist. Durch diese Bandscheibe 
werden Incongruenzen der beiden auf einander beweglichen Knochenflächen 
ausgeglichen. In der That entsprechen diese Flächen einander nur ganz 
im Allgemeinen: die Gelenkfläche des Brustbeins ist im frontalen Durch- 
schnitt ausgehöhlt, der untere Theil der Gelenkfläche des Schlüsselbeins in 
eben diesem Durchschnitt gewölbt; aber die Krümmungen beider Flächen 
können sehr verschieden sein; sie sind mitunter ungleichmässig und es 
kommen in der einen oder anderen sogar Gruben und Furchen vor, die von 

Fig. 49. Fortsätzen der Bandscheibe ausgefüllt 
werden. Im sagittalen Durchschnitt ist 
die Gelenkfläche des Brust- wie des 
Schlüsselbeins bald gewölbt, bald ausge- 
höhlt, mit aufgeworfenen, scharfen oder 
abgerundeten Rändern. 

Die sternale Endfläche des Schlüs- 
selbeins ragt auf- und rückwärts über 
den entsprechenden Ausschnitt - des 
Brustbeins hervor; der obere am Ske- 
lett freie Theil dieser Fläche ist ge- 
wöhnlich leicht concav. 

Frontaldurchschn. des Sternoclavieulargelenks. Dass die Bandscheibe des Sterno- 
velL. interclaviculare. ce cl L. costoclavieulare. $ f c 

claviculargelenks !) je nach den Indi- 
viduen verschieden geformt sein müsse, geht schon aus dem Gesagten her- 
vor; die Zahl der Varietäten wird noch grösser dadurch, dass in beide 


!) Cart. interarticularis s. meniscoidea. 


Sternoclaviculargelenk. 63 


Gelenkhöhlen Synovialfalten der verschiedensten Art, platte oder eylindri- 
sche, dinne oder wulstige, einfache und gelappte mehr oder minder weit 
vorspringen, zu deren Aufnahme bald die Gelenkflächen der Knochen, bald 
die eine oder andere Fläche der Bandscheibe entsprechend vertieft ist. Die 
allerdings auf diese Weise mannigfach alterirte Grundform der Bandscheibe 
ist eine medianwärts leicht convexe Platte, die in der Regel die grösste 
Mächtigkeit in der Nähe des oberen Randes hat und sich abwärts allmälig 
verdünnt. Ihre mittlere Mächtigkeit beträgt 3 bis 4um, Sie besteht aus 
einem knorpelzellenhaltigen Bindegewebe, dessen Bündel in Ebenen verlau- 
fen, die den freien Flächen parallel liegen, innerhalb dieser Ebenen aber 
sich in allen Richtungen kreuzen. Die Knorpelzellen sind klein; sie liegen 
in kurzen Reihen in den Zwischenräumen der Bindegewebsbündel, um so 
spärlicher, je weiter von der freien Oberfläche entfernt; dieser zunächst 
kommen sie sehr zahlreich, aber nicht in Reihen oder Gruppen, sondern 
gleichmässig vertheilt vor. Gegen den Rand der Scheibe lockert sich das 
Gewebe derselben; die Bindegewebsbündel strahlen aus einander und befe- 
stigen sich vorn und hinten an die Kapselmembran des Gelenks, unten an 
den oberen Rand des Knorpels der ersten Rippe, oben an den das Brust- 
bein überragenden, concaven Theil der Endfläche des Schlüsselbeins und 
den anliegenden Theil der Kapsel e Zwischen der unteren Fläche des 
Schlüsselbeins und der oberen Fläche des ersten Rippenknorpels zieht sich 
eine Ausbuchtung der Gelenkhöhle eine Strecke weit lateralwärts, so dass 
der erste Rippenknorpel zur Bildung der Pfanne für das Schlüsselbein mit 
beiträgt (Fig. 49). 

Die Ueberzüge der Articulationsflächen des Brust- und Schlüsselbeins, 
1 bis 2mm mächtig, bestehen aus einem straffen, eng verfilzten Bindege- 
webe mit spärlichen interstitiellen Fasern und Knorpelzellen in wechseln- 
der Zahl und Grösse. 

Die Kapselmembran ist schlaff, stellenweise sehr stark (bis 5mm mäch- 
tig), geschichtet. Sie wird verstärkt an der vorderen Fläche durch Fasern, 
welche vom Brustbein und der ersten Rippe aufsteigen, an der hinteren 
Fläche durch die Ausstrahlung der sogleich zu beschreibenden Haftbänder. 
Die schwächste Stelle der Kapsel ist die vordere untere Ecke. 


ß. Haftbänder. 


1. Lig. interclaviculare icl. 


Diesen Namen führt ein Zug transversaler Bindegewebsbündel, welche 
die sternalen Enden beider Schlüsselbeine verbinden (Fig. 49.50). Der trans- 
versale und verticale Durchmesser des Bandes wechselt je nach dem Abstand 
der Schlüsselbeine von einander und je nach ihrer Vorragung über den ent- 
sprechenden Brustbeinausschnitt; so ist auch der sagittale Durchmesser des 
Bandes (entsprechend der Mächtigkeit desselben) verschieden, der obere 
freie Rand wulstig oder scharf, im schlaffen Zustande concav, im gespann- 
ten gerade. Mit der hinteren Fläche liegt es in der Flucht der hinteren 
Fläche des Brustbeins, mit der vorderen Fläche weicht es gegen die Vor- 
derfläche des Brustbeins um so mehr zurück, je dünner es ist. Gegen den 


ß- Hatt- 
bänder. 
. Lig. in- 
terclavie. 


2. Lie. costo- 
elavieulare. 


64 Sternociavieulargelenk. 


halbmondförmigen Ausschnitt des Brustbeins ist es durch lockeres Binde- 
gewebe mehr oder minder 


deutlich abgesetzt. 
Lateralwärts gehen die 
Bündel des Lig. interclavi- 
culare theils in die Bein- 
haut der hinteren Fläche 
der oberen Ecke desSchlüs- 
selbeins, theils in die hin- 
tere Wand der Gelenkkap- 
sel über. Verfolgt man den 
Verlauf der Bindegewebs- 
fasern von der oberen Ecke 
des sternalen Endes des 
Schlüsselbeins aus median- 
wärts, so sieht man sie nach 
drei Richtungen auseinan- 


der weichen, die einen ge- 

Sternoelavieulargelenk mit den Haftbändern von vorn. Kan an 
Das Schlüsselbein enıporgehoben. Scm! Schlüsselbein- g je PIaENS ıo SuZ 
ursprung, Scm? Brustbeinursprung des M. Sternocleido- scheibe, andere median- ab- 
stoideus. ‚Se M. subelavius. Pm! Schlüsselbeinursprung, wärts (als Theil der Ge- 
. Pm” Brustbeinursprung des M pecioralis may. 


lenkkapsel) zur oberen Ecke 
desSchlüsselbeinausschnitts 
des Brustbeins, eine dritte Abtheilung endlich medianwärts, als Lig. inter- 
clavieulare, zum Schlüsselbein der anderen Seite (Fig. 49). 


2. Lig. costo-claviceulare eel}). 


Der Raum zwischen der unteren Fläche des Schlüsselbeins und dem 
oberen Rande der ersten Rippe wird von der Kapsel des Sternoclavieular- 
gelenks an durch gerade oder schräg absteigende Bindegewebsfasern aus- 
gefüllt, die ein Band von rhombischer Form und wechselnder Mächtigkeit 
zusammensetzen. Lateralwärts reicht dasselbe bis zu einer wenig ausge- 
zeichneten glatten Stelle der ersten Rippe, über welche die V. subelavia 
herabgeht, und stösst mit concavem Rand an die Vene. Es hüllt die Sehne 
des M. subelavius ein, die an der ersten Rippe entspringt, liegt aber mit 
der Hauptmasse seiner Fasern hinter diesem Muskel, indess die an der 
Vorderfläche des Muskels gelegenen Fasern sich alsbald in die Fascie des- 
selben fortsetzen. 

Im Inneren des Lig. costo-claviculare entwickelt sich zuweilen ein 
Schleimbeutel von ansehnlichen Dimensionen, der mit seiner vorderen 
Wand die hintere Fläche des Subelavius, mit der oberen Wand das Schlüs- 
selbein, mit der unteren die erste Rippe bekleidet ?). 


1) Lig. rhomboideum aut. 
?) Dieser Schleimbeutel hat Cruveilhier Anlass gegeben, eine Articulatio costo - clavi- 
cularis aufzustellen, die er zu den Arthrodien zählt. 


Kapsel des Acromio-Clavieulargelenks. 65 


ec. Bänder des acromialen Endes des Schlüsselbeins. 


@. Kapsel des Acromio - Clavicülargelenks ). 


Zwischen den einander zugewandten Endflächen des Acromion und 
der Clavicula, welche bald plan, bald leicht vertieft oder leicht gewölbt und 
Fig. 51. nicht selten ganz uneben sind, liegt eine, am 
oberen Rande bis 6mm mächtige, meist nach 
unten sich verdünnende, bindegewebige , von 
mehr oder minder zahlreichen Knorpelzellen 
und feinen elastischen Fasern durchsetzte 
Substanz, deren verschiedenartige Zerklüf- 
tungen dem Gelenk eine wechselnde Form 
geben (Fig. 51). Bildet sich eine einfache 
Spalte, so zieht dieselbe in verticaler Rich- 
tung abwärts; sie beginnt oben nahe am Acro- 
mion und endet unten nahe an der Clavicula. 
Die "Folge ist, dass jeder dieser Knochen 
1 einen Ueberzug erhält, von welchen der acro- 
2 miale nach unten, der claviculare nach oben 
Frontaldurchschnitte verschiedener an Mächtigkeit zunimmt. Dieser Fall ist der 
Arano Elayienlargelerkr. seltenste. Am häufigsten kommt (Fig. 51 4A) 
der ebenbeschriebenen Spalte eine zweite, 
vom unteren Rande der Clavicula aufsteigende, meist unebene Spalte entge- 
gen: das Acromion erhält einen dünnen, die Clavicula einen aufwärts an 
Mächtigkeit zunehmenden Ueberzug, und zwischen beide ragt eine zungen- 
förmige Synovialfalte von der unteren Kapselwand empor. Der mächtige 
Ueberzug aber, der auf diese Weise der Clavicula verbleibt, wird nicht sel- 
ten durch eine, der Endfläche der Clavieula parallele Spalte abermals ge- 
theilt (BD); erstreckt sich diese Spalte längs der ganzen Endfläche der Cla- 
vieula, so sondert sich von dem dünnen Ueberzug der letzteren eine Band- 
scheibe und es entstehen zwei Gelenkhöhlen (C), deren jede durch mannig- 
faltige Synovialfortsätze wieder unvollkommen abgetheilt sein kann. Die 
Bandscheibe kann von überall gleicher Mächtigkeit, sie kann gegen die 
Mitte dünner und in der Mitte durchbrochen erscheinen. 

Die Bindegewebsbündel der Ueberzüge und Bandscheiben streichen 
im Allgemeinen der Endfläche der Knochen parallel; nur in den. tiefsten 
Schichten steigen sie vom. Knochen gegen die freie Oberfläche auf. 

Die Kapsel ist, abgesehen von den Synovialfortsätzen, an ihrer oberen 
Wand bedeutend stärker, als an der unteren; an der oberen 1 bis Zum star- 
ken Wand wird sie durch sehnenartige Faserzüge, die von dem einen Kno- 
chen zum anderen ziehen, verstärkt (Fig. 52). 


!) Lig. acromio - clavieulare. Lig. capsulare claviculae ext. 


Henle, Anatomie. Bd, I, Abthlg. 2. 5 


e, Acromio- 
Clavieular- 
gelenk. 


€. Kapsel. 


66 Lig. eoraco-claviculare posticum. 


‘8. Haftbänder. 
1. Lig. coraco- clavieulare posticum m. C CP. 


ß. Hasihänz Das Lig. coraco-clavieulare post. geht von der hinteren Hälfte der me- 
1. Lie. cor.. dialen Fläche des Schulterhakens zur Tuberositas scapularis des Schlüssel- 
elavie-post. peins. Es besteht aus zwei platten, ziemlich starken, unter einem spitzen 
Winkel nach hinten convergirenden und zusammenfliessenden Abtheilungen 

Fig. 52. (Fig. 52). Die hintere 

mediale Abtheilung !) ist 
unten schmal und breitet 
sich aufwärts gegen die 
Insertion am Schlüssel- 
bein fächerförmig aus; 
ihre Flächen sind, die eine 
vor- und lateralwärts, die 
andere rück- und median- 
wärts: gewandt, etwas 
mehr der frontalen Rich- 
tung sich nähernd, als die 
Gelenkfläche der Scapula, 
zugleich aber mit dem 
oberen Rande rückwärts 
Scapula, Clavicula und Armbein in Verbindung von vorn. geneigt. Die vordere (la- 
Aac Articulatio acromio-clavie. ac Lig. acromio-coracoid. terale) Abtheilung?) steht 


Sc M. subelavius. Pmi M. pect. min. Bb kurzer Kopf mit den Flächen fast in 
des Biceps. 


sagittalen Ebenen, die la- 
terale etwas ab-, die me- 
diale aufwärts geneigt; sie verläuft schräg rückwärts über die obere Flä- 
che des Schulterhakens. Die einander zugewandten Flächen des Bandes und 
des Knochens sind glatt, mittelst eines feinen, feuchten Bindegewebes, einer 
Art Schleimbeutel, verbunden. In die Lücke zwischen beiden Abtheilungen 
ragt das Ende des M. subelavius. 
2 2. Lig. coraco-claviculare anticum CCq >). 
2. Lig. cor.- Mit diesem Namen bezeichne ich einen straffen, glänzenden, aber in 
“ie aut ger Regel nur dünnen Bindegewebsstreifen, der von der Spitze des Schul- 
terhakens schräg median- und aufwärts zum Schlüsselbein geht, an dessen 
untere Fläche er sich unter sehr spitzem Winkel ansetzt. Am Ursprunge 
hängt er mit der Fascie des M. pectoralis minor zusammen, am Schlüssel- 
bein verwebt er sich mit der Fascie des M.subclavius, von dem er im übri- 
gen Verlauf durch ein ansehnliches Fettlager geschieden ist. 


') Lig. coraco - claviculare int. s. conoideum. 
°) Lig. coraco -claviculare ext. s trapezoideum. 
®) Faisceau aponevrotique coraco- elawieulaire anter. Bourgery. 


Schultergelenk. 67 


Vom physiologischen Standpunkte sind die beiden Gelenke am medialen und 
lateralen Ende des Schlüsselbeins, trotz der Beständigkeit der Gelenkhöhlen, Syn- 
chondrosen gleich zu stellen. Das verhältnissmässig mächtige, weiche Polster in 
beiden Gelenken bequemt sich der Verschiebung der Knochen in jedem Sinne. Die 
Art, wie Kapsel und Haftbänder diese Verschiebungen begrenzen, bedarf keiner 
Erläuterung. 


B. Schultergelenk. 


Der Gelenkkopf des Armbeins und die Pfanne des Schulterblatts sind B. Schulter 
von hyalinischem Knorpel bekleidet. Der Ueberzug des Gelenkkopfs ist ES 
am stärksten in der Mitte der Gelenkfläche (2"®) und nimmt gegen die 


Fig. 93% 
Ss 


Horizontaldurchschnitte des Schultergelenks, durch die Mitte der Höhe der Pfanne: Fig 53 

in ruhender Haltung des Arms, Fig. 54 bei möglichster Rotation nach hinten. Pe Proc. 

coracoideus durchschnitten. B Sehne des langen Kopfs des Biceps. Ss Sehne des M. su- 
praspinatus. Is M. infraspinatu. Ssc M. subscapularis. D M. deltoideus. 


Ränder an Mächtigkeit ab; der Knorpelüberzug der Pfanne ist in der Mitte 
am schwächsten (1”®) und verdickt sich gegen den Rand (bis auf 3mm), 
An den Rand der Pfanne fügt sich ein fibröser Saum, die Lippe des Labrum 
E R . glenvideum. 

Schultergelenks, Ladbrum: glenoideum scapulae. Dieser Saum hat zwei 
freie Flächen, eine, welche die Pfanne vergrössert und zugleich vertieft, 
indem sie sich in der Flucht der freien Oberfläche des Gelenkknorpels fort- 
setzt, eine andere, welche ringsum in die Seitenfläche des Gelenkknopfs 
übergeht. Beide Flächen stossen unter einem spitzen Winkel, dem schar- 
fen Rande der Pfanne, zusammen. Der angewachsene Theil der Lippe ruht 
auf dem knöchernen Rande der Pfanne und geht einwärts, gegen die Axe 
des Gelenks, in den hyalinischen Knorpelüberzug über. Auf der freien 
Fläche der Pfanne ist die Stelle, wo der hyalinische Knorpel und die fibröse 
Lippe aneinanderstossen, häufig durch eine sehr feine und seichte seltener 
durch eine tiefe Furche bezeichnet, noch seltener ist sie ganz eben. Die 
Breite der fibrösen Lippe, d. h. ihr Durchmesser in der Richtung des 


5* 


Kapsel. 


68 Schultergelenk. 


Durchmessers der Gelenkfläche beträgt bis 3wm, ist aber oft an verschiede- 
nen Stellen des Umfangs der Pfanne verschieden. An der oberen Spitze 
der Pfanne geht aus der Lippe die Ursprungssehne des langen Kopfs des 
Biceps (Fig. 53. 54 B. Fig. 55. 56 BM) hervor, gewöhnlich mit zwei con- 
vergirenden Schenkeln, welche an der unteren Fläche eine mehr oder min- 
der tiefe Grube zwischen sich fassen. 

Die Lippe unterscheidet sich vom Gelenkknorpel durch ihre” Weich- 
heit, ihre mehr gelbliche Farbe und ihre auf Durchschnitten eoneentrische 
Streifung. Sie besteht aus Bindegewebe, dessen Bündel in der Nähe des 
Knochens und Knorpels Knorpelzellen vereinzelt und in Gruppen einschlies- 
sen. Die Hauptmasse der Bündel zieht ringförmig, concentrisch mit dem 
Rande der Pfanne; nur hier und da und in dünnen Lagen kommen Bün- 
del vor, welche parallel einem auf die Pfanne gefällten Loth oder den Ra- 
dien der Pfanne und demnach senkrecht gegen jene verlaufen; so auf der 
äusseren Fläche der Lippe als Fortsetzungen der Bündel der Beinhaut des 
Schulterblatthalses, ferner in eontinuirlicher feiner Schichte auf der inneren 
Oberfläche der Lippe. 

Der überknorpelte Armbeinkopf ist ein Kugelsegment und zwar etwas 
mehr als der dritte Theil einer Kugel von 32mm Radius; im Horizontal- 
schnitt des Gelenks ist der Bogen, welchen die Pfanne mit Einschluss der 
Lippe beschreibt, etwa !/, so gross als der Bogen des Gelenkkopfs, im 
Verticalschnitte des Gelenks ?/, so gross.. 

Die Kapsel des Schultergelenks geht vom Rande der Pfanne des 
Schulterblatts zum Halse des Armbeins. Am bei weitem grössten Theil des 


? 778 BZ 
N 


Frontalsehnitte des Schultergelenks durch das Tub. minus des Armbeins: Fig. 55 bei ru- 

hendem, Fig 56 bei horizontal ausgestrecktem Arm. 7 Durchschnitt des Schlüsselbeins. 

ac Lig. acromio-coracoid DM delioideus. B Sehne des langen Kopfs des Biceps. B’ 

Ursprung derselben am Labr. glenoid, Ssc M, subscapularis. Ss’ Insertion desselben am 

Tub. min Al Ursprung des M. anconaeus ll Tm,j M. teres maj. * Art. circumfl. humeri 
post. und N, azillaris. ** Spur der Synchondrose der Epiphyse des Armbeins. 


Schultergelenk. 69 


Umfangs der Pfanne entspringt sie von der fibrösen Lippe; nur über dem 
Ursprung der Sehne des langen Bicepskopfes entspringt sie unmittelbar am 
Kuochen und zwar über der oberen Spitze der Pfanne von der Wurzel des 
Schulterhakens. Auf der unteren Hälfte des Randes der Pfanne geht sie 
geradezu aus der scharfen Kante der fibrösen Lipp: hervor; weiter hinauf 
dagegen entsteht sie an der Aussenfläche der fibrösen Lippe, so dass deren 
Kante frei in die Gelenkhöhle ragt. Am Armbein inserirt sich die Kapsel 
oberhalb des Tubere. majus und minus gerade an der Grenze des über- 
knorpelten Kopfes; über die Vertiefung zwischen beiden Höckern ist sie 
brückenförmig hingespannt und hilft so die obere Mündung des Canals be- 
grenzen, welcher die Sehne des langen Kopfs des Biceps einschliesst. Un- 
terhalb des unteren Randes des Kopfes überzieht die Kapsel einen Theil des 
ausgeschweiften Vorsprungs (Knochenlehre S. 217), der den eigentlichen 
Kopf trägt. Aus dem unteren Rande des Gelenkknorpels hervorgehend, 
liegt sie bis etwa 10%m unterhalb dieses Randes, nach Art einer Beinhaut, 
genau dem Knochen an; von da an wird sie selbstständig und mächtiger 
und nimmt, je nach der Stellung des Armbeins, eine verschiedene Lage an. 
Hängt der Arm ruhend herab (Fig. 55), so geht sie, durch ein lockeres 
und dehnbares Bindegewebe mit der Beinhaut des Armbeinkörpers verbun- 
den, an demselben bis zur Gegend des oberen Randes des M. teres maj. 
herab, um hier umzubiegen und zum Rande der Pfanne aufzusteigen. Es 
leuchtet ein, dass ohne eine solche Einrichtung der Arm nicht erhoben 
werden könnte. Wird er erhoben, so wird die zwischen dem Rande der 
Pfanne und dem Armbeinkörper herabhängende Falte der Kapsel ausge- 
glichen (Fig. 56); wie hoch er erhoben werden könne, hängt von der 
Länge dieser Falte ab. Bei erhobenem Arm ragt der überknorpelte Kopf 
des Armbeins über den unteren Rand der Pfanne hinaus; bei gesenktem 
Arm kommt der von Beinhaut bekleidete, den Armbeinkopf tragende Vor- 
sprung des sogenannten Halses mit in die Pfanne zu liegen. Wie weit als- 
dann der Gelenkkopf den oberen Rand der Pfanne überragt und wie sich 
die obere Kapselwand bei hängendem Arm spannt, bei erhobenem Arm in 
Querfalten zusammenschiebt, wird eine Vergleichung der beiden Figuren 
besser, als eine weitläufige Beschreibung lehren. Ebenso darf ich auf 
Fig. 53 und 54 verweisen wegen der Faltungen der Kapsel bei den eigent- 
lich sogenannten Rotationsbewegungen des Arms. Die Falte schiebt sich, 
wie man sieht, um den Rand der Pfanne bei der Vorwärtsrotation (Fig.53) 
unter den M. subscapularis, bei der Rückwärtsrotation (Fig. 54) unter die 
Mm. infraspinatus und teres minor. 

Die Kapselmembran ist aus Bindegewebe mit spärlichen interstitiellen 
elastischen Fasern und einem einfachen Epithelinm zusammengesetzt. Was 
die Anordnung der Bindegewebsbündel betrifft, so verlaufen sie in den 
äusseren Schichten meistens in gerader Richtung von dem einen Knochen 
zum anderen, in den inneren Schichten kreisförmig, parallel dem Anhef- 
tungsrande. Die Mächtigkeit der Kapselmembran an sich beträgt nicht 
über !/,mm, sie wird aber an verschiedenen Stellen theils durch äussere, 
theils durch innere Auflagerung verstärkt. Aeusserlich durch die Sehnen 
des M. supraspinatus und infraspinatus und. subscapularis, welche in der 
Nähe ihrer Insertion untrennbar mit der Kapselmembran verwachsen, ferner 


Lig. coraco- 
humerale. 


70 Schultergelenk. 


durch das Lig. coraco-humerale !), ein breites Band, welches vom late- 
ralen Rande des Schulterhakens unter dem Lig. coraco-acromijale entspringt 
und in die obere und hintere Wand der Kapsel ausstrahlt (Fig. 57). Die 
Schulterblattmuskeln selbst tragen zur Befestigung der Kapsel bei, indem 
sie, soweit sie über dieselbe hinlaufen, straff genug angeheftet sind, um bei 


Fig. 57. 


Schultergelenk, von vorn geöffnet, der Armbeinkopf herabgezogen. ac Lig. acromio-coracoid. 
abgeschnitten. B Sehne des langen Kopfs des Biceps, durch die Gelenkhöhle verlaufend. 
Ssc Sehne des M. subscapularis. Al Sehne des Ancon. long. * Pfanne der Scapula. 
** Armbeinkopf. 


Contractionen die Kapsel mit sich zu ziehen. So lange diese Verbindung der 
Muskeln mit der Oberfläche der Kapsel intact ist, bleibt zwischen den un- 
teren Rändern des M. teres major und des subscapularis nur ein schmaler 
Streif der Kapselmembran frei; an diesen sind die durch die Lücken zwi- 
schen M. teres maj. und Ancon. longus tretenden Gefässe und Nerven (Fig. 
58 ***) und die genannten Muskeln selber genau mittelst eines ungewöhnlich 
derben, fast sehnigen Bindegewebes angewachsen, so dass es der Kapsel auch 
nach dieser, der schwächsten Seite nicht an Unterstützung fehlt. Ueber die 
Querfasern, welche den Anfang des Sulcus intertubercularis brückenförmig 
decken, gehen starke Längsfaserbündel herab; eine nähere Beschreibung 
derselben kann erst in Verbindung mit der Beschreibung der Oberarmmus- 
keln gegeben werden. 

Auf der Innenseite der Kapsel machen sich an der oberen Fläche zwei 
in gerader Richtung von der Schulterblatt- zur Arminsertion verlaufende 
Wiüilste (Fig.58,1.2) bemerklich, eine breite, seichte Furche einschliessend, 
welche zur Aufnahme der über den Kopf des Armbeins hingleitenden Biceps- 
sehne bestimmt ist. Der Wulst, welcher die Furche nach hinten begrenzt, 
entspricht der Sehne des M. suspraspinatus, der Wulst, welcher sie nach 
vorn begrenzt, dem Lig. eoraco-humerale. In geringer Entfernung unter- 
halb des eben genannten Wulstes bewirkt parallel demselben der obere 
Rand der Sehne des M. subscapularis einen Vorsprung der vorderen Kapsel- 


1) Lig. suspensorium humeri aut. L. coracoideo-capsulare Barkow. Lig. accessorium 
humeri Krause. Lig. superius humeri H. Meyer. 


Schultergelenk. 71 


wand nach innen (3). Unter einer dünnen Falte !), welche vom Rande jenes 
Wulstes schräg lateralwärts absteigt und sich unterhalb des von der Sehne 
Fig. 58. des Subscapularis herrüh- 
renden Vorsprungs ver- 
liert, findet sich der Ein- 
gang in die subscapulare 
Synovialtasche (**), auf 
welche ich sogleich zurück- 
komme. Parallel dieser 
Falte endlich zieht, dicht 
unter derselben, von der 
fibrösen Lippe ein starker 
Bindegewebsstreifen 2) la- 
teral- und abwärts (4) und 
löst sich fächerförmig in 
die ringförmige Faserung 
des inneren Theils der 
Kapselwand auf. 
alt Mit der Höhle der 


Schultergelenkkapsel ste- 

Schultergelenk von hinten geöffnet. Armbeinkopf entfernt. bes reselma is 
t Schnittlläche desselben. *Pfanne der Scapula. > 5 8 SYS 
tfSchnittfläche des Acromion. Is, Tm, M. infraspinat. novialtaschen in offener 
u. feres min., durchgeschritten und zurückgeschlagen..- Ss Verbindung die demnach 
M. supraspinat. Al M anconaeus longus. Ae M, anconaeus HR 
ext. Tmj M. teres ma). ** Eingang der Bursa synov. auch als Ausstülpungen der 
subscapul. *** Vasa circumfl. humeri post u. N. azillaris. Kapsel angesehen werden 


können. Die Eine, Bursa 
synov. subscapularis (Fig. 59), erstreckt sich von der eben beschriebenen 
Oeffnung in der vorderen medialen Wand der Kapsel, welche etwa in der 
Höhe der Einbiegung des vorderen Pfannenrandes liegt, in Form eines 
höckerigen Blindsacks mehr oder minder weit medianwärts unter die vordere 
concave Fläche des Schulterhakens; sie hat hinter sich die Beinhaut, vor 
sich die obersten Bündel des M. subscapularis, von welchen sie aber noch 
durch einen geschlossenen Schleimbeutel getrennt ist. 
Var. Einmal fand ich einen zweiten Eingang in die B. synov. subscap. zwischen 
Pfanne und Labr. glenoid. gerade über der Ineisur. . 

Die zweite Ausstülpung der Kapsel, Bursa öntertubercularis (Fig.59), 
kleidet den oberen Theil des Canals aus, in welchem die Sehne des Biceps 
eingeschlossen liegt; die Synovialtasche ist also eylindrisch ; ihr blindes abge- 
rundetes Ende reicht bis in die Gegend der Anheftungsstelle der Sehnen des 
M. pector. maj. und latissimus dorsi hinab. Nur dies abgerundete Ende ist 
frei und einigermaassen selbstständig, es stösst auf das lockere Bindege- 
webe, welches weiterhin die Sehne des Biceps einschliesst; innerhalb des 
Canals ist die Synovialtasche nichts Anderes, als die untrennbare, innerste 
Schichte einerseits der Auskleidung der Knochenrinne, andererseits der 


über die Rinne hingespannten fibrösen Brücke. Die Auskleidung der Kno- 
ai 


Imj, x+x 


) Lig. glenoideo - brachiale int. Schlemm (Müll. Archiv 1853. S. 45). 
?) Lig. glenoideo-brachiale inf. s. latum Schlemm. 


Syuovial- 
taschen. 


72 Schultergelenk. 


chenrinne ist Bindegewebe von Imm Mächtigkeit, welches aus dem hyalini- 
schen Knorpelüberzug des Gelenkkopfs, wie überall, dergestalt hervorgeht, 
dass am Rande des Gelenkkopfs zuerst die oberflächliche und weiter ab- 
Fig. 59. wärts immer tie- 
fere Schichten 
der »Grundsub- 
stanz fibrös wer- 
den. Die dem 
Knorpel und, 
weiter abwärts, 
dem Knochen zu- 
nächst gelegenen 
Bindegewebs- 
schichten schlies- 
sen noch Knor- 
pelzellen ein. Im 
oberen Theile des 
Canals liegen die 
Bündel unregel- 
mässig verfloch- 
ten ;abwärts ord- 
nen sie sich quer 
und werden seh- 
nig, in die Seh- 
nenbündel des 


Schultergelenk von vorn mit aufgeblasenen Synovialtaschen. M. latiss. dorsi 

f Durchschnitt des Schlüsselbeins. B |Sehne des langen Kopfs sich fortsetzend. 
des Biceps. Ssc Sehne des M. subscapularis. - » = 

Die freie Fläche 


deckt eine struc- 
turlose, steife Membran, vielleicht ursprünglich ein Epithelium. Die Decke 


des Canals, im Anschluss an die oben beschriebene Brücke der Kapsel, be- 
steht aus einer äusseren Lage longitudinaler, einer inneren Lage querer, 
gefässreicher Bindegewebsbündel; von ihrer Innenfläche geht zur Sehne 
des Biceps eine feine (1/,mm dicke), netzartig durchbrochene, aus longitudi- 
nalen Bindegewebsbündeln mit rhombischen Maschen gewebte Membran 1), 


‚ eine unvollkommene Scheidewand, welche die Synovialtasche der Länge 


Synovial- 
fortsätze, 


nach theilt. Die Bicepssehne selbst ist, so weit sie frei in der Gelenkkapsel 
und Synovialtasche liegt, von einem Epithelium oder einer structurlosen 
Membran bekleidet. 

Die Kapsel des Schultergelenks ist verhältnissmässig arm an Synovial- 
fortsätzen. Platte, scharfrandige, öfters gelappte Synovialfalten umgeben 
scheidenartig den Ursprung der Sehne des Biceps, besonders den unteren 
Theil, oder legen sich über die Seitenränder dieser Sehne. Feine gefäss- 
reiche Zotten sitzen haufenweise um den Eingang der Bursa synovial. sub- 
scapularis (Fig. 58) und in der Nähe der Humerusinsertion der Kapsel. 


1) Retinaculum aut. 


Ellenbogengelenk. 73 


C. Ellenbogengelenk. 


Das Ellenbogengelenk schliesst das untere Ende des Armbeins und die 
oberen Enden der beiden Unterarmknochen ein. In demselben werden zwei 
Bewegungen völlig unabhängig von einander ausgeführt. Erstens bewegen 
sich die beiden Unterarmknochen gemeinschaftlich in einer nahezu sagitta- 
len Ebene um die Axe des Processus eubitalis; da diese Axe mit dem me- 
dialen Ende etwas tiefer steht, als mit dem lateralen, so ist die längste Axe 
des Unterarms weder in der Beugung, noch in der Streckung ganz der Axe 
des Oberarms parallel; in der Beugung weicht sie unter einem spitzen 
Winkel medianwärts, in der Streckung unter einem sehr stumpfen Winkel 
lateralwärts ab. In jeder Stellung der beiden Unterarmknochen zum Arm- 
bein dreht sich zweitens die vertiefte Endfläche des Köpfchens des Ra- 
dius auf dem Köpfchen des Armbeins, die Circumferentia articularis des 
Radius im Sinus lunatus der Ulna um eine fast verticale, streng genommen 
vom Mittelpunkt der oberen Endfläche des Radius zur Wurzel des Proces- 
sus styloideus der Ulna gelegte Axe. 

Alle im Ellenbogengelenk artieulirenden Flächen sind in jeder Stel- 
lung fast vollständig mit einander in Berührung und passen demnach ge- 
nau auf einander. Nur in der Gegend der Querfurche der Fossa sigmoidea 
und der Einbuchtungen, in welche diese Querfurche jederseits ausläuft, 
schliesst sich die Oberfläche .der Ulna nicht genau der Oberfläche der 
Trochlea an; die Unebenheit der Fossa sigmoidea wird theilweise durch 
die später zu erwähnenden Synovialfortsätze ausgeglichen ; so weit sie 
unausgeglichen bleibt, ist sie von Synovia erfüllt. Der Furche der Troch- 
lea, in welcher der Kugel- und Kegelabschnitt zu- 
sammenstossen (Knochenl. S. 220), entspricht die 
vom oberen zum vorderen Rande der Fossa sig- 
moidea verlaufende stumpfe Firste; die Vertiefung 
in der oberen Endfläche des Radius ist zur Auf- 
nahme des Capitulum des Armbeines bestimmt, in- 
dess der gewölbte Rand jener Fläche ringsum das 
Capitulum überragt und medianwärts die Einschnü- 
rung ausfüllt, die das Capitulum von der Trochlea 
scheidet (Fig. 60). Diese neben einander gelege- 
nen und je in einander eingreifenden Vorragun- 
gen und Vertiefungen sichern den Gang der Vor- 
derarmknochen auf dem Armbein gegen seitliche 
Verschiebungen. Um die normale Beuge- und 
Frontaldurchschnitt des Ellen- Streckbewegung zu gestatten, muss die Artieula- 
bogengelenks. ar Lig. annulare (;onsebene in allen sagittalen Durchschnitten kreis- 
radü. Sb M. supinator brevis. h R 

förmig sein und der Gelenkkopf (den der Proc. 
eubitalis repräsentirt) muss im sagittalen Durchschnitt einen grösseren Theil 
eines Kreises beschreiben, als die (von den Unterarmknochen getragene) 
Pfanne. Der sagittale Durchschnitt der Fossa sigmoidea in der Gegend 


C. Ellenbo- 
gengelenk. 


74 Ellenbogengelenk. 


der mittleren Firste, wo die Concavität am tiefsten ist, stellt einen Halb- 
kreis von 10mm Radius dar; dass er nicht mehr als einen Halbkreis be- 
trägt, erhellt schon daraus, dass nach Trennung der Bänder sich der Un- 
terarm sogleich vom Oberarm löst und herabfällt. Nach beiden Seiten von 
jener Firste nimmt der Halbmesser der Krümmung zu, die Bogenlänge ab. 

Nach Denuc& (Mem. sur les luxations du coude. Paris 1854. 4.) betrug der 
Halbmesser der Krümmungen des Ellenbogengelenks an drei Skeletten, einem 
männlichen von starkem, einem von gewöhnlichem Wuchs und einem weiblichen 
gemessen: 


mm mm mm 
am medialen Rande der Trochlea 16,5 13,25 12,5 
Furche der Trochleae . . ... 1 9,5 be) 
am lateralen Rande derselben . . 13 11,5 9,5 
Ehpitalum 2 eis. 45, Eruceul 325.0.112 9,2 


Dem sagittalen Durchschnitte der Trochlea dagegen, an der der Firste 
der Fossa sigmoidea entsprechenden Stelle fehlt zu einem vollständigen 
Kreise nur das kurze Stück des Randes, welches mit der Scheidewand zwi- 
schen Fossa olecrani und Fossa ant. maj. in Zusammenhang steht, und in 
demselben Durchschnitt verhält sich die Bogenlänge des Armbeinköpfchens 
zur Bogenlänge der Depression des Radiusköpfehens wie 2: 1. 

Bei gestrecktem Arm erreicht der obere Rand der Fossa sigmoidea 
beinahe die hintere Fläche der Scheidewand zwischen Fossa olecerani und 
Fossa ant. maj., bei möglichst gebeugtem Arm erreicht der vordere Rand 
der Fossa sigmoidea die vordere Fläche derselben Scheidewand; es bleibt 
demnach dort ein vorderer, hier ein hinterer Theil der Trochlea frei, wel- 
che einem Halbkreis weniger der Dicke jener Scheidewand entspricht (siehe 
Fig. 61 und 62). 


Fig. 61. 


ulm 


Sagittaldurchschnitte des Ellenbogengelenks durch die Mitte der Trochlea: 
Fig. 61 in Streckung, Fig. 62 in Beugung. A Sehne des Ext. triceps. Bi Sehne des 
M. brachialis int, B Sehne des M. biceps. SI M. supinator long. 


Ellenbogengelenk. 75 


Sinus lunatus der Ulna und Facies articularis des Radius sind Theile 
von Uylinderflächen, jene einem Bogen von 180°, diese einem Bogen von 
90° entsprechend, mit einem Radius von 12mm, 


Der Knorpelüberzug der im Ellenbogengelenk artieulirenden Knochen 
ist durchweg hyalinisch, von etwa Zmm Mächtigkeit; doch sind die artieu- 
lirenden Flächen nicht in ihrer ganzen Ausdehnung mit Knorpel bedeckt; 
namentlich endet die Knorpelbekleidung der Trochlea in fast gleicher Höhe 
vorn und hinten mit transversalem etwas eingebogenem Rande; knorpe- 
lich ist nur der mittlere Theil der Trochlea, den die Fossa sigmoidea um- 
fasst, wenn der Unterarm mit dem Oberarm einen rechten Winkel bildet. 
Der Theil der Articulationsfläche, welcher bei dieser Stellung des Arms 
vorn und hinten frei bleibt, ist nur mit fest anliegender,, glatter Beinhaut 
oder mit einem fetthaltigen Polster überzogen. Andererseits ist merkwürdi- 
ger Weise auch die laterale Hälfte des Seitenrandes des Radiusköpfchens, 
die niemals weder mit dem Sinus lunatus der Ulna, noch mit einer anderen 
Knochenfläche in Berührung kommt, mit einer mächtigen Schichte hyalini- 
schen Knorpels versehen. 


Die Enden der drei im Ellenbogengelenk verbundenen Knochen um- 
giebt eine einfache, sackförmige, nuram Halse des Radius eng anschliessende 
Kapselmembran, welche stellenweise sehr dünn, an anderen Stellen durch 
feste sehnige Faserzüge verstärkt ist. Die Kapsel ist am Armbein so an- 
geheftet, dass die zur Aufnahme der Vorderarmknochen bestimmten Gruben 
an der vorderen und hinteren Fläche dieses Knochens, sowie die mediale 
Fläche des Processus cubitalis noch mit in die Höhle des Gelenks fallen. 
Ihr Ursprung zieht sich in einem aufwärts convexen Bogen über der Fossa 
ant. maj., in einem zweiten, steileren aber schmaleren Bogen über der Fossa 
ant. min. hin, geht genau am lateralen und hinteren Rande des Capitulum 
zum lateralen Rande der hinteren Fläche der Trochlea, an diesem aufwärts, 
dann transversal durch den oberen Theil der Fossa olecrani und dicht un- 
ter der Wurzel das Epicondylus medialis vorüber zurück zur Vorderseite. 
An der Ulna befestigt sie sich allseitig im Umfange der überknorpelten Flä- 
che und zwar in der Mitte des oberen Randes der Fossa sigmoidea am 
Rande des knorplichen Ueberzugs selbst, im Uebrigen in einer Rinne des 
Knochens dicht neben dem Rande des Knorpels. Am Radius setzt sich die 
Kapsel rings um den Hals an, ungefähr in der Mitte zwischen dem unteren 
Rande des Köpfchens und der Tuberosität, am lateralen Umfang etwas weiter 
abwärts, als am medialen (Fig.60). Als feine glatte Bindegewebehaut geht 
sie von dieser Insertionsstelle an aufwärts, zuerst locker, allmälig fester an 
den Knochen angeheftet und zuletzt in den Knorpel des Randes des Köpf- 
chens sich verlierend. In gleicher Weise geht die Kapselmembran von 
ihrer Insertionsstelle am Armbein herab über die hintere und die beiden 
vorderen Gruben und continuirlich in die Bindegewebslage über, welche 
(s. oben) den Processus cubitalis oberhalb des Knorpelüberzugs bekleidet. 
An die knöcherne Scheidewand der beiden vorderen Gruben ist sie durch 
eine Art Frenulum befestigt; über sämmtlichen Gruben wird sie durch 
gerade oder schräg absteigende, platte sehnige Bündel verstärkt, oft auch 
durch eine Fettlage von der Oberfläche des Knochens getrennt. Die 


Kapsel. 


76 Ellenbogengelenk. 


Gruben erscheinen deshalb am frischen Präparat beträchtlich flacher, als 
an dem macerirten Knochen. 

Aeusserlich ist die Kapselmembran an bestimmten Stellen beständig 
von umschriebenen, mit der Oberfläche derselben fest verwebten Fettmas- 
sen belegt. Eine solche findet sich sowohl an der vorderen, als an der 
hinteren Seite des Arms auf dem über die Gruben hingespannten Theil der 
Kapsel; sie erstreckt sich, allmälig sich verdünnend, noch etwas über die 
Anheftungstelle der Kapsel am Arm hinauf und bildet dort für den M. 
brachialis int., hier für den Anconaeus eine ebene, die Vertiefungen aus- 
gleichende Unterlage (Fig. 61. 62). Ebenso ist der Raum zwischen Ulna 
und Radius unterhalb des Theils der Kapsel, der sich vom unteren Rande 
des Sinus lunatus zum Halse des Radius erstreckt, von Fett ausgefüllt. 

Die Kapsel ist, wie erwähnt, von sehr ungleicher Mächtigkeit; die ein- 
gewebten Züge fibröser Fasern verleihen ihr stellenweise einen sehnigen 
Glanz und eine bedeutende Dicke, grenzen sich aber nirgends zu selbst- 
ständigen Hülfsbändern ab, und lassen sich nur künstlich von der eigent- 
lichen Synovialkapsel trennen. In der hinteren Wand der Kapsel ist der 
untere Theil durch transversale, die Mitte des oberen Theils durch verti- 
cale, das eben erwähnte Fettlager durchsetzende Fasern I) verstärkt; zu bei- 
den Seiten dieser verticalen Fasern ist die hintere Wand zart und zerreiss- 
lich, wie ein Schleimbeutel; in der Nähe der Olecranoninsertion wird sie 
durch die Sehne des Extensor triceps unterstützt, die, ohne in der Kapsel 
zu enden, doch sehr straff mit ihr verbunden ist; am genauesten hängt mit 
dem am lateralen Rande der Trochlea entspringenden Theile der hinteren 
Kapselwand die Ursprungssehne des M. anconaeus quartus zusammen. 

Von ihrer Ursprungsstelle am hinteren und unteren Rande der Wur- 
zel des Epicondylus medialis an 
enthält die Kapsel starke, radien- 
förmig divergirende Faserbündel, 
von denen die obersten quer in 
die hintere Kapselwand ausstrah- 
len, die folgenden?) sich succes- 
siv am medialen Rande des Ole- 
cranon inseriren (Fig.63. 1). Sie 
bilden die glatte vordere Wand des 
Canals, in welchem, von hinten 
her durch den Ulnarursprung 
des M. ulnaris int. (Di 2) be- 
deckt, der N. ulnaris herabläuft. 

Vom vorderen Rande der Wur- 
Bllenbssene le von der medialen Seite. Der am zel des Epicondylus medialis, vor 
Condylıs int. entspringende Kopf des M. un. int. demUrsprunge der Beugemuskeln 
Ui1 durchschnitten und zurückgeschlagen. Ui2 des Vorderarms gehen ‚starke 
Ulnarursprung des M. ulnaris int. A Sehne des Ri . 

Ext. triceeps. Bi Sehne des M. brachial. int. Faserbündel aus, zum Theil 

B Sehne des Bicep.. Nu N. ulnaris. transversal in die vordere Kap- 

selwand, zum Theil schräg vor- 


1) Lig. rectum cubiti posticum Barkow. Das Lig. cubiti posticum Meckel's u. A. um- 
fasst alle der hinteren Kapselwand eingewebten Fascikel. *) Lig. humero-olecranien Cruv. 


Ellenbogengelenk. 77. 


und abwärts zur medialen Ecke des Proces. eoronoideus !) (Fig. 63. 64 2). 
Mit den Insertionen der beiden letztgenannten Faseikel verflechten sich 
Fasern, welche über den concaven medialen 
Rand der Fossa sigmoidea vom Oleeranon 
zum Processus coronoideus straff hinüberge- 
hen 2) (Fig. 63.3). 

In der vorderen Wand der Kapsel (Fig. 64) 
verlaufen stärkere Fasern theils vom oberen 
Ursprunge der Kapsel an gerade abwärts 3), 
theils vom Epieondylus medialis aus schräg 
lateral- und abwärts; ein stärkerer und ziem- 
lich beständiger Streifen (4) geht vom Epie. 
med. aus, vor dem oberen Rande des Proc. 
coronoideus vorüber an die vordere laterale 
Ecke dieses Fortsatzes und theilweise weiter 
in das Lig. annulare radii und den M. ra- 
dialis ext. brevis. Der M. brachialis int., der 
die vordere Wand der Kapsel deckt und 
durch straffes Bindegewebe mit derselben 
zusammenhängt, schickt zuweilen vom latera- 
len, zuweilen vom medialen Rande aus einige 
dünne Muskelbündel in die Kapsel (Fig. 62). 

Der stärkste Theil der Kapsel ist der- Lig. aunu- 
jenige, welcher halb- oder vielmehr dreivier- " 
telkreisförmig den Kopf und Hals des Ra- 
dius umgiebt und den Sinus lunatus der 
Ulna zum Ringe ergänzt, in welchem die 
N Drehungen des Radius vollzogen werden. 
| Es ist ein Band von 10mm Höhe, Lig. un- 
nulare radi *), genau nach dem oberen 
\ Ende des Radius geformt und demnach 
| trichterförmig nach unten verengt, am mäch- 
| tigsten am unteren Rande, von welchem aus 
** die Kapsel plötzlich verdünnt sich an den 

Hals des Radius ansetzt (Fig. 60). Der Haupt- 

masse nach besteht es aus horizontalen Fa- 

serbündeln, welche am hinteren und vorde- 
| ren Rande des Sinus lunatus befestigt sind. 
Ihnen mischen sich schräg auf- und abstei- 


ee 


z FE 
c 2 


Ze 


SI 


SS 


‚ıl — ') Lig humero-coronoidien Cruv. Das Lig. cubiti 

OV laterale int. s. brachio- cubitale aut. (cubito-ulnare M. 

RR Ju J. Weber) begreift sämmtliche vom medialen Epicon- 
= 2 dylus entspringende Fasecikel. 

Ellenbogengelenk und Vorderarm- 2) Hinterer Schenkel des Zig. laterale int. ©. Fi- 

knochen mit dem Zig. inteross. von scher (die Ursachen des so häufigen Verkennens von 

vorn. B Sehne des Bicep. Bi Verrenkungen, Köln 1850. 4. $. 12). 

Sehne des M. brachial. int. * sack- ‘) Lig. rect. cubiti anticum Barkow. Unter Lig. 

förmige Kapsel unter dem Zig. an- «nterius cubiti versteht man diese verticalen nebst den 

nulare radü. cht Chorda transversalis. schrägen und transversalen Fasern. 

*) L. orbiculare s. coronarium radü. 


Synovial 
fortsätze. 


78 Ellenbogengelenk. 


gende Fasern ) bei, welche hinten (Fig.64) vom Olecranon, vorn (Fig. 65) vom 
Proe. coronoid. unter- und oberhalb des Sinus lunatus ihren Ursprung neh- 
men. Einige der untersten und innersten Faserbündel umgeben, indem sie 
dicht am unteren Rande des Sinus lunat. vorüberziehen, vollkommen kreisför- 
mig geschlossen den Hals des Radius. Die Sehnen der unterhalb des Epi- 
condylus lateralis entspringenden Streckmuskeln, namentlich des Ulnaris ext. 
und des Ext. dig. minimi und Ext. dig. comm. sind an das Lig. annulare 
angewachsen. Die Sehnenfasern des M. supinator brevis entspringen zum 
Theil von demselben. Die verticalen Fasern, die ihm auf diese Weise 
äusserlich anhaften und die Festigkeit desselben bedeutend vermehren , las- 
sen sich künstlich trennen von verticalen und schräg absteigenden, der 
Kapsel inniger eingewebten Fascikeln 2), welche vom Epicond. later. theils 
vorwärts in das Lig. annulare ausstrahlen, theils rückwärts über dasselbe 
weg zum obersten Theil der Crista interossea der Ulna verlaufen (Fig. 65). 
Die dünne vom unteren Rande des Lig- 
annulare und vom unteren Rande des Sinus 
lunatus zum Halse des Radius sich erstre- 
ckende Kapselwand 3) unterstützen die 
oberen Faserbündel des M. supin. brevis, 
welche unmittelbar auf diesem Theile der 
Kapsel aufliegen und durch straffes Bin- 
degewebe mit ihr verbunden sind (Fig. 60). 
Die Kapsel des Ellenbogengelenks ist 
un reich an Synovialfortsätzen. Eine fetthal- 
VW tige Falte mit glatten Flächen, hoher Basis 
iM N — t und scharfem halbkreisförmigem Rande 
| | springt von der Vorderfläche der hinteren 
Wand nach innen vor und füllt bei ge- 
beugtem Arm die Fossa oleer. aus (Fig. 
62). Mit dem Fettlappen, welcher an der 
entsprechenden Stelle von aussen die Kap- 
sel deckt, bildet sieeine zusammenhängende 
Ellenbogengelenk von hinten. Ai Anco- Masse, durch welche sich jedoch auf Ver- 
en. ing an. ticalschnitten die fibröse Kapsel hindurch 
insertion des Ancon. quartus. Reb, Ede verfolgen lässt. In ähnlichem Verhältniss 
aufwärts zurückgeschlagene Ursprünge Zur Kapsel (Fig. 61 **) stehen zwei ähnlich 
des M.rad. ext. brevis und Ext. dig. comm. < c - 
Sb, 8b‘, 8b" Ursprungssehnen des M, su. geformte, kleinere, fetthaltige Synovialfal- 
pinator brevis. *sackförmige Kapsel un- ten (***), welche dem äusseren Fettbeleg 
ter dem Lig. annulare radü. der vorderen Kapselwand (*) gegen- 
über nach innen vorragen, um bei ge- 
- strecktem Arm die Fossa ant. maj. und 
minor auszufüllen. Scharfe, dünne, mitunter fetthaltige verticale Falten 
drängen sich von vorn und hinten her, eine kurze Strecke weit zwischen 


D) Ligg. accessoria Weitbr. Annulus accessorius Weber - Hildebrandt. 

*) Lig. laterale cubiti ext. s. brachio-radiale. 

3) Die zwischen Sinus lunatus und Hals des Radius gelegene Partie der Kapselwand 
nennt Denuce Lig. quadratum Als solches erscheint sie erst, wenn man das Lig. an- 
nulare durchschnitten und Ulna und Radius möglichst von einander abgezogen hat. 


Ellenbogengelenk. 79 


die correspondirenden Flächen des Radius und der Ulna. Der in die Ge- 
lenkhöhle schauende Theil der ulnaren Fläche des Processus eubitalis hu- 
meri ist gleich der ihr gegenüberliegenden Kapselwand mit kleinen, in der 
Regel fetthaltigen Falten und Zotten besetzt. Ansehnliche fetthaltige Pol- 
ster legen sich, theils von der Kapsel, theils vom Knochen ausgehend, von 
beiden Seiten her in die Erweiterungen der Querfurche des Sinus lunatus. 
Einigemal fand ich eine kreisförmige scharfrandige, bis 2UM breite Synovial- 
‚falte ringsum zwischen dem Capitulum des Armbeins und dem abhängigen 
Rande der oberen Endfläche des Radius. Feine Zotten und Fältchen finden 
sich ausserdem in einem Kranze an dem lateralen (nicht artieulirenden) 
Theile des Randes des Radiusköpfehens und am hinteren und vorderen 
Rande der Trochlea. 


Die Art, wie die Kapsel des Ellenbogengelenks sich bei den Bewegungen dessel- 
ben in Falten legt, erhelit aus Fig. 61 u. 62. Bei gestrecktem Arm liegt die Falte 
über dem Ölecranon, bei gebogenem über dem Processus coronoideus; diese Lage 
ertheilt ihr dort der M. extensor triceps, hier der M. brachialis int., von welchen 
beiden Muskeln nicht selten einzelne Fasern in der Kapsel selbst enden. Die ge- 
tässreichen Fettpolster, welche von aussen und innen die Kapsel bedecken, haben 
neben ihrer Bedeutung für die Ernährung des Gelenks und die Secretion der 
Synovia noch den Zweck, den Muskeln beim Angriff auf das Oleeranon und den 
Processus coronoideus als eine Art von Rollen zu dienen und die dünne Scheide- 
wand, die über dem Processus cubitalis des Armbeins die Fossa oleerani und die 
Fossa ant. maj. trennt, gegen den Stoss des vorderen Randes des Proc. coronoid. 
und des oberen Randes des Olecranon zu verwahren. Dem gleichen Zwecke die- 
nen, bei der Streckung des Arms, die in der Vorderwand der Kapsel verlaufenden 
geraden und schrägen Fasern, welche die Bewegung hemmen, bevor der obere 
Rand des Olecranon den Grund der Fossa olecrani erreicht hat. Die Fossa ant. 
maj. ist nicht in gleicher Weise durch Hemmungsbänder in der hinteren Kapsel- 
wand geschützt; sie bedurfte aber auch dieses Schutzes nicht, da die extreme 
Beugung schon durch die Weichtheile der Vorderfläche der Ellenbogengegend ge- 
hindert wird. 

Die Freiheit, mit welcher der Radius seine Rotationsbewegungen bei jeder 
Stellung der Unterarmknochen zum Oberarm ausführt, beruht darauf, dass von al- 
len den Sehnen und Bandfasern, welche in der Kapsel oder mit derselben verbun- 
den an der radialen Seite des Ellenbogengelenks herabgehen, keine direct an den 
Radius sich ansetzt; sie hängen sämmtlich nur mit dem Lig. annulare radii und 
durch Vermittelung dieses Bandes mit dem vorderen und hinteren Rarde des Si- 
nus lunatus der Ulna zusammen. Gegen die Ulna aber ist die Bewegung des Ra- 
dius beschränkt durch die Torsion des Theils der Kapsel,. welcher sich vom unte- 
ren, wulstigen Rande des Lig. annulare zum Knochen erstreckt. Sägt man die un- 
teren Enden der Vorderarmknochen ab, so dass die Beschränkung wegfällt, die 
die Verbindung der unteren Enden der Unterarmknochen den Rotationsbewegungen 
des Radius auferlegt, entfernt man sodann alle zwischen Ulna und Radius unter- 
halb des Ellenbogengelenks verlaufenden Muskeln und Bänder, so kann die Pro- 
nations- und Supinationsbewegung doch kaum weiter geführt werden, als an dem 
unversehrten Arm, und es zeigt sich, dass die Spannung von Fasern, welche in der 
hinteren und vorderen Wand des untersten Theils der Kapsel vom Sinus lunatus 
aus in einer von der horizontalen nur wenig abweichenden Richtung zum Halse des 
Radius herabgehen, der Rotation Schranken setzt. Diese Fasern sind stärker an 
der Rückseite, als an der Vorderseite. An der Vorderseite, an welcher sie der 
gewaltsamen Supination entgegenwirken, werden sie unterstützt durch die sogleich 
zu beschreibende Chorda obliqua. 

C. Bergmann (Müll. Archiv 1855 S. 346) beobachtete bei einem Ellen- 
bogengelenk ein deutliches Federn in der Art, dass bei der Ueberführung aus der 


Physiologi- 
sche Bemer- 
kungen. 


80 Haftbänder der Unterarmknochen. Ber 


Beugung in die Streckung eine 


rl 


gewisse Erschwerung der Bewegung sich geltend 


ınachte, wenn dieselbe sich ihrem Ende näherte, bis dann der letzte Act der Stre- 
ckung wieder wesentlich durch die Spannung der Bänder unterstützt vor sich ging. 


D. Haftbän- 
der des Un- 
terarms. 
l. Chorda 
trausversal. 


2. Lig. in- 
terosseum. 


II 


x 


Ellenbogengelenk und Vorderarmkno- 
chen mit dem Lig. interosseum' von 
vorn. B Sehne des Biceps. Bi Sehne 
des M. brachial int. * sackförmige 
Kapsel unter dem Lig. annulare radü. 


.D. Haftbänder der Unterarm- 


knochen. 


1. Chorda transversalis chi ) 


Ein platt-rundlicher Sehnenstreif, welcher 
vom Processus coronoideus ulnae oberhalb 
der Insertion des M. brachial. int. entspringt 
und sich am Radius unterhalb der Tuberosi- 
tät desselben anheftet (Fig. 66). 

Das Band kann fehlen oder durch Sehnen- 
streifen ersetzt werden, die von der Ursprungs- 
stelle desselben aus- und in den M. flexor pollices 
longus übergehen. Zuweilen sieht man es in der 
Weise verdoppelt, dass ein ähnlicher Streifen, im 
unmittelbaren Anschluss an das Lig. annulare ra- 
dii, vom Processus coronoid. der Ulna zum Halse 
des Radius oberhalb der Tuberosität verläuft. 

Die Chorda transversalis widersetzt sich einer 
zu weit getriebenen Supination. 


2. Lig. interosseum ?). 


Das Lig. interosseum, welches die gleich- 
namigen Firsten beider Unterarmknochen ver- 
bindet (Knochenlehre S. 221), mit seinen 
obersten Bündeln aber noch von der Vorder- 
fläche des Radius entspringt, besteht aus 
grösstentheils ulnarwärts mehr oder minder 
steil absteigenden Fasern, die hier und da 
künstlich in mehrere Schichten setrennt 
werden können. Ziemlich beständig finden 
sich in der Nähe des unteren Endes des Unter- 
arms, an der Stelle, wo die Vasa interossea 
antt. die Membran durchbohren,, eine kurze 
Strecke weit zwei, eine Querspalte (Fig. 66**) 
einschliessende Blätter; das hintere, von oben 
herabsteigend, endet mit abwärts concavem, 
das vordere, von unten aufsteigend, mit auf- 
wärts concavem Rande. Das vordere Blatt 
zeigt eine mehr transversale oder selbst eine 
die Richtung der Fasern des oberen Theils 
der Membran kreuzende Faserung. 


ı) Chorda obligua s. transversa. Lig. teres, Lig. obli- 
quum aut. Lig. cubito-radiale teres Krause. Membra- 
na obligua Meckel. 

*) -Membrana interossea. 


Handgelenk. 81 


Das Lig. interosseum erreicht weder oben noch unten das Gelenk, in 
welchem die Unterarmknochen articeuliren; mit seinem oberen Rande, der 
von der Radialinsertion der Chorda transversalis an, dem Laufe der Fase- 
rung entsprechend, ulnarwärts absteigt, begrenzt es eine grosse Lücke, die 
der M. supinator br. von hinten her deckt; durch die Lücke gehen Vasa 
und N. interossea zur Rückseite des Arms. Der untere Rand des Lig. inter- 
osseum steht fast vertical und umschliesst mit der Ulna, an welcher das 
Band höher oben endet als am Radius, eine Spalte, welche von Fett aus- 
gefüllt wird. Diese Spalte, sowie den unteren Theil des Ligaments, deckt 
von vornher der M. pronator quadratus.. Am Radius befestigt sich das 
Lig. interosseum hinten auf der Firste, die dem Rande des Sinus lunatus 
zunächst liegt, und geht mit seinen Fasern in die Scheidewand über, die 
von dieser Firste rückwärts zum Rückentheil desL. carpi ecommune verläuft. 


E. Handgelenk. 


Ich brauche dies Wort in dem populären Sinne, in welchem es die g. Hand- 
Summe von Gelenkverbindungen begreift, welche zwischen den unteren ek. 
Enden der Unterarmknochen, den Handwurzelknochen und den oberen 
Enden der Mittelhandknochen bestehen. Diese Gelenkverbindungen im 
Zusammenhange zu betrachten, empfiehlt sich ebensowohl vom physiologi- 
schen Standpunkte, weil die meisten Bewegungen durch Summirung von 
Verschiebungen in mehreren Gelenken zu Stande kommen, als auch vom 
anatomischen, wegen der Gemeinsamkeit eines Theils ihrer Bänder. 

Die physiologisch selbstständigste unter den Verbindungen der ge- 
nannten Knochen ist die zwischen den unteren Enden des Radius und der 
Ulna, durch welche das beim Ellenbogen beschriebene Rotationsgelenk ver- 
vollständigt wird. Den Drehungen des Radius folgt passiv die Hand, wel- 
che zu dem Ende auch nur mit dem Radius unmittelbar artieulirt. Und 
ebenso unabhängig von dieser Rotation, wie im Ellenbogengelenk die Be- 
wegungen der Ulna auf dem Armbein, sind im Handgelenk die Bewegun- 
gen der Handwurzel auf dem Radius. Auf das Armbein stützt sich die 
Ulna, auf die Ulna der Badius, auf den Radius die Hand. 

In anatomischer Beziehung übertrifft die Selbstständigkeit des unteren 
Rotationsgelenks die des oberen. Am unteren Ende der Unterarmknochen 
bewegt sich der Radius um die Ulna in einer Höhle, welche von der dem 
Radius und der Handwurzel gemeinsamen Gelenkhöhle vollkommen abge- 
sperrt ist. Beide Höhlen trennt eine Bandscheibe, welche eine von den ge- H 
wöhnlichen sogenannten Zwischenknorpeln verschiedene Bedeutung hat. 
Die gewöhnlichen Zwischenknorpel sind ringsum an die Kapsel befestigt 
und legen sich als weiches Polster zwischen die auf einander gleitenden 
Gelenkflächen, die Ineongruenzen derselben ausgleichend. Die Bandscheibe 
des Handgelenks erfüllt nur nebenbei den Zweck eines Zwischenlagers 
zwischen Ulna und Pyramidenbein. Im Wesentlichen ist sie ein Theil des N 
Radius und zwar ein Fortsatz des medialen Randes seines unteren Endes, 
welcher platt unter die untere Endfläche der Ulna vorspringt, um die Ar- | 
ticulationsfläche, die der Radius einerseits der Ulna, andererseits den Hand- 
wurzelknochen darbietet, zu vergrössern. 

Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 6 


a. Kapseln. 
1. Unteres 
Radio - Ul- 
nargelenk. 


82 Handgelenk. 


Zerfällt demnach die Articulation zwischen den Unterarmknochen und 
der Hand in zwei, so fliessen dagegen fast alle übrigen Artieulationen der 
Handwurzel- und Mittelhandknochen, mag man die Bewegungen oder die 
Anordnung der Kapsel als maassgebend betrachten, in eine einzige zusam- 
men. Nur die Verbindungen des Erbsenbeins mit dem Pyramidenbein und 
des ersten Mittelhandknochens ınit dem Trapezbein haben ihre besonderen 
Kapseln. Die überknorpelten Flächen, durch welche die übrigen Handwur- 
zelknochen mit einander und mit den vier medialen Mittelhandknochen, so- 
wie auch die letzteren unter sich in Berührung treten, schauen in eine ge- 
meinsame, vielseitig ausgebuchtete Gelenkhöhle oder, dogmatisch ausge- 
drückt, sind von Einer Synovialkapsel überkleidet. Der Bequemlichkeit der 
Beschreibung wegen trennen wir indess auch diese Kapsel in zwei, eine 
für das Gelenk der beiden Reihen der Handwurzelknochen,, die andere für 
das Gelenk der zweiten Reihe der Handwurzel- mit den Mittelhandkno- 
chen. Die Communication zwischen beiden findet vermittelst eines einzigen 
engen Isthmus in den Zwischenräumen zweier Handwurzelknochen der 
zweiten Reihe Statt. 


a. Kapselbänder. 
1. Unteres Radio - Ulnargelenk '). 


Im unteren Radio - Ulnargelenk articuliren der Sinus lunatus des Ra- 
dius und die obere Fläche der Bandscheibe des Handgelenks auf der Cir- 
cumferentia articularis und der unteren 
Endfläche der Ulna. 

Die Bandscheibe ist fast gleichseitig 
dreiseitig mit abgerundeten Winkeln, mit 
der einen (lateralen) Seite dergestalt an 
den medialen Rand des Knorpelüberzugs 
des Radius gefügt, dass ihre untere Flä- 
che geradezu in die untere freie Fläche 
jenes Knorpels übergeht, indess ihre obere 
Fläche unter einem rechten, aber ausge- 
rundeten Winkel in die freie Fläche des 
Sinus lunatus aufwärts umbiegt. Der 

vordere und hintere Rand der Band- 

Pe .c scheibe divergiren von der medialen 
Trapezoidbein. ils Lig. inteross. lunato- Spitze aus, um in die entsprechenden 
scaphoid ilp Lig. inteross. Iunato-pyra- Ränder der Endfläche des Radius über- 
midale. ich Lig. inteross. capitato-hamat. zugehen. Nur für das blosse Auge setzt 
sich die Bandscheibe scharf von dem 

Gelenkknorpel des Radius ab; bei mikroskopischer Betrachtung verwischt 
sich die Grenze: die hyalinische Grundsubstanz des Gelenkknorpels wird 
an der Stelle, die man als Basis oder Anheftungsrand der Bandscheibe be- 


trachten könnte, faserig und geht alsbald in ächte, dicht verfilzte Bindege- 
websbündel über. 


!) Unteres Rotationsgelenk. Lig. capsulare sacciforme. 


Handgelenk. 83 


Der Sinus lunatus radii ist, mit Einschluss der Bandscheibe, 9"m hoch; 
sein Knorpelüberzug hat am unteren Rande fast 2mm Mächtigkeit und 
schärft sich nach oben zu. Die Bandscheibe, mit der lateralen Spitze ab- 
wärts geneigt, hat zwei leicht ausgehöhlte Flächen. Ihre Mächtigkeit nimmt 
allseitig von der Mitte (1”®) gegen die Ränder zu, am meisten (bis auf 
Sum) gegen die mediale Spitze, mit welcher sie an der Ulna befestigt ist. 
Die Art dieser Befestigung ist verschieden. Regel scheint zu sein, dass das 
Bindegewebe der Bandscheibe gegen die mediale Spitze in zwei Stränge 
auseinanderweicht, einen oberen (Fig. 67**), der in ein Grübchen auf der 
Endfläche der Ulna dicht an der Wurzel des Processus styloideus sich ein-. 
pflanzt, und einen unteren (***), der sich an die lateralwärts schauende, 
nicht selten von einer dünnen Knorpelschichte bekleidete Fläche des Pro- 
cessus styloideus heftet. Den Raum zwischen beiden Strängen füllen Ge- 
fässe aus 1), welche von vorn her zum Gelenk und insbesondere zu den 
Synovialfortsätzen desselben treten. Von diesen beiden Strängen ist bald 
der obere, bald der untere der stärkere; der obere kann zu einem schma- 
len platten Bändchen werden oder auch gänzlich fehlen. 

Der Ueberzug der Ulna ist sowohl auf der Circumferentia articul., als 
auf der Endfläche in der Tiefe hyalinischer Knorpel, zunächst der freien 
Oberfläche, Bindegewebe. Die Bindegewebelage ist verhältnissmässig 
mächtiger auf der Endfläche; hier entwickelt sie sich nicht selten zu einer 
faltigen und einigermaassen verschiebbaren Membran. Grosse Knorpelzel- 
lenreihen ziehen sich hier und da dicht unter der freien Oberfläche hin. 

Die Articulationsebene ist im stumpfen Winkel gebrochen, ein Theil 
vertical, zwischen Sinus lunatus radii und Circumferentia artieularis ulnae, 
der andere schräg medianwärts abfallend zwischen der Endfläche der Ulna 
und der oberen Fläche der Bandscheibe. Die beiden letztgenannten Flä- 
chen verschieben sich über einander wie Glieder eines Fächers; Angel- 
punkt ist die Insertionsstelle der Bandscheibe an der Basis des Processus 
styloideus ulnae; an dieser Stelle liegt auch der Mittelpunkt des Kreisbo- 
gens, nach welchem der verticale Theil der Articulationsebene gekrümmt 
ist. Doch congruiren Sinus lunatus und Circumferentia artieularis nur sel- 
ten ganz genau; die letztere gehört einem kleinern Radius und lässt na- 
mentlich am hinteren Rande Raum für Synovialfalten. Die Bogenlänge der 
Cireumf. art. entspricht am unteren Rande beinahe einem Halbkreise von 7 
Radius, die Bogenlänge des Sinus lunatus etwa 45° von 111/5““ Radius. 
Im frontalen Durchschnitt ist der verticale Theil der Articulationsebene 
bald gerade, bald radialwärts convex; nicht selten, besonders bei Frauen, 
ist die Kante, in welcher die Circumferentia art. mit der Endfläche der 
Ulna zusammenstösst, abgerundet; das Köpfchen der Ulna kann einen Ku- 
gelabschnitt, der Sinus lunatus mit der Bandscheibe eine einfach kugelför- 
mige Aushöhlung darstellen. 

Die Kapselmembran des unteren Radio-Ulnargelenks ist stark, aber 
schlaf. Abwärts setzt sie sich über ihre Anheftung am Rande der Band- 
scheibe hinaus ununterbrochen in die Kapsel des Radio-Carpalgelenks fort; 
vom oberen Rande des Knorpelüberzugs des Sinus lunatus an bekleidet sie 


") Daher der Name Zig. suberwentum. 
6* 


84 Handgelenk. 


eine Strecke weit (6Wm) die der Ulna zugewandte Fläche des Radius und 
erstreckt sich demnach blindsackförmig zwischen beide Unter ırmknochen 
hinauf. Sie ist an der vorderen Wand geschützt durch den M. pronator 
quadratus, dessen tiefste Bündel an die Kapselmembran angewachsen sind, 
und dieselbe bei den Contractionen, durch welche sie die Pronation ver- 
mitteln, nach sich ziehen. An der hinteren Wand verstärken die Kapsel 
schräg absteigende und quere Fasern, welche vom hinteren Rande des $i- 
nus lunatus entspringen; bedeckt wird sie vom Lig. carpi commune (Ss. u.), 
namentlich von dem Theile desselben, welcher die Sehnen des M. ext. dig. 
quinti und M. ulnaris ext. einschliesst. 

Synovialfortsätze kommen in diesem Gelenk in sehr wechselnder Menge 
und Form vor, als feine Zotten am Knorpelüberzug, als Franzen und Läpp- 
chen um die Insertionsstelle der medialen Spitze der Bandscheibe, als 
mächtige scharfrandige Falten von der hinteren und medialen Wand der 
Kapsel. 

Var. Nicht selten ist die Bandscheibe in der Nähe des lateralen Randes von 
einer spaltförmigen oder ovalen Oeffnung durchbrochen, was die Communication 
des Radio-Ulnar- und Radio-Carpalgelenks zur Folge hat. 

Einmal sah ich die Synovialscheide des M. ulnaris ext. radialwärts neben dem 
Processus styloideus radii gegen die Kapsel des Radio-Ulnargelenks geöffnet. 

So weit die Hemmung der Rotationsbewegungen von dem unteren Radio -Ul- 
nargelenk ausgeht, wird sie allein durch die Kapsel vollzogen. Die Bänder, die das 

— Handgelenk umgeben, lassen sämmtlich die Ulna ganz frei; ein blätteriges und 
synoviareiches Bindegewebe füllt die Lücken zwischen dem Köpfchen der Ulna 
und den an dem medialen Rande des Handgelenks herabsteigenden Sehnen und 
Bändern. 


2. Radio - Carpalgelenk !) 


et, Die Flächen, die sich am Radio-Carpalgelenk auf einander bewegen, 
gelenk. sind einerseits die Endfläche des Radius und die in der Flucht derselben 
liegende untere Fläche der Bandscheibe 
und ihres Ligaments, andererseits die 
oberen Flächen der Handwurzelknochen 
der ersten Reihe (des Kahn-, Mond- und 
Pyramidenbeins) und der Bänder, wel- 
che ihre aneinanderstossenden oberen 
Kanten verbinden. Auf diese Bänder, 
die sogenannten Ligg. carpalia interos- 
sea, komme ich bei der Beschreibung 
des Carpalgelenks zurück. Hier genüge 
es, zu bemerken, dass ihre oberen Flä- 
chen fast in gleicher Flucht mit den 
Frontaldurchschnitt des Handgelenks. oberen Flächen der durch sie aneinan- 


Ps Proc. styl. umae. Tr Trapezbein. : 
Trd Trapezoidbein. ils Lig. inteross. lu- dergehefteten Knochen liegen. 


nato-scaphoid. ilp Lig. inteross. lunato- Was das Gewebe betrifft, so ist die 
pyramidale. ich Lig. inteross. capitato- 
hamat. 


!) Antibrachial-Carpalgelenk. Erstes Carpal- 
gelenk. Membdrana capsularis carpi Weber-H. 


Handgelenk. 85 


obere Wand des Gelenks theils hyalinischer Knorpel, theils Bindegewebe; 
die Handwurzelknochen, so weit sie die untere Wand bilden, haben hyali- 
nische Knorpelüberzüge (von lmm Mächtigkeit); die Ligg. interossea er- 
scheinen dazwischen als schmale Bindegewebsstreifen, deren Fasern an den 
Kanten der Knochen sich geradezu aus der Grundsubstanz des hyalini- 
schen Knorpels entwickeln. 

Das Kahnbein und die laterale Hälfte des Mondbeins liegt der End- 
fläche des Radius, die mediale Hälfte des Mondbeins der Bandscheibe ge- 
genüber. Der Gelenkfläche des Pyramidenbeins gegenüber liegt eine Binde- 
gewebsschichte, die man als mediale Wand der Kapsel bezeichnen müsste, 
die aber in der Flucht der Krümmung der oberen Wand liegst und gegen 
den ulnaren Rand der Gelenkfläche des Pyramidenbeins niedersteigt. Sie 
geht nach aussen in das Lig. ulnare articuli radiocarpalis und weiter in 

Fig. 69. eine massive Bindegewebslage über, die den Raum 
zwischen den Knochen des Handgelenks und den Seh- 
nen der Mm. ulnares ext. und int. ausfüllt. 

Den Ligg. interossea gegenüber ist die obere Ge- 
lenkfläche mit schwachen sagittalen Firsten versehen, 
welche die seitliche Verschiebung nicht hindern. Ab- 
gesehen von diesen leichten Ungleichheiten ist die Ar- 
ticulationsebene im frontalen, wie im sagittalen Durch- 
schnitt aufwärts convex; beide Durchschnitte stehen 
Kreisbogen nahe, und zwar der frontale einem Kreis- 
bogen von grösserem Halbmesser als der sagittale. 
Die Ausdehnung der Articulationsebene im sagittalen 
Durchmesser ist am grössten in der Mitte und nimmt 
radial- wie ulnarwärts ab; sie ist am vorderen Rande 
breiter als am hinteren und hat demnach rückwärts 
convergirende Seitenränder. Die Gelenkfläche der Hand- 
wurzel ist in jedem Durchmesser grösser als die des 
Unterarms; auch ist sie steiler und namentlich fallen 
das Kahn- und Pyramidenbein nach hinten und vorn 


Sagittaldurchschnitte des Handgelenks in der Gegend des Mittelfingers: Fig. 69 in Stre- 
ekung. Fig. 70 in Beugung. Fig. 71 in Ueberstreckung (Dorsalflexion). Pqg M. pronat, 
quadr. J. M. inteross. int. 


{) 


3. Carpal- 
gelenk. 


86 Handgelenk. 


rasch ab, wodurch eine Art Aussackung sowohl am radialen, als am ul- 
naren Rande entsteht; die ulnare Aussackung reicht vorn bis an das Erb- 
senbeingelenk; nicht selten öffnet sie sich in die Höhle des letzteren. Die 
Krümmung der Radiusgelenkfläche im frontalen Durchsehnitte entspricht, 
nach Günther, 690% eines Bogens von 181/,“ Halbmesser. Die Krüm- 
mung derselben im sagittalen Durchsehnitte entspricht einem Halbmesser 
von 8 bis 91)“; die Bogenlänge beträgt in der Mitte etwa 64°. 


Die Kapsel ist ringsum ziemlich straff vom Rande der oberen zum 
Rande der unteren Gelenkfläche gespannt; am kürzesten und am wenig- 
sten dehnbar ist sie zwischen Radius und Mondbein, was auf eine Anlage 
des Gelenks zur Rotation deutet. Die äusseren Verstärkungsfasern der 
Kapsel lassen sich nur im Zusammenhange mit den Verstärkungsbändern der 
übrigen Kapselbänder des Handgelenks betrachten. 


Bedeutende, wulstige und blätterige Synovialfalten ragen von der 
hinteren Wand und von der ulnaren Eeke in die Gelenkhöhle; sagittale, 
frenulumartige Bänder mit concavem Rande I) im Zusammenhange mit 
den Ligg. interossea der Handwurzelknochen springen von der vorderen 
und hinteren Wand der Kapsel mehr oder minder weit vor. 


Der Communication des Radio-Carpalgeleuks mit dem Erbsenbeingelenk wurde 
bereits gedacht. Auch mit dem Carpalgelenk kommen Communicationen vor, durch 
Mangel des Lig. interosseum lunato -scaphoideum oder lunato-pyramidale. In die- 
sem Falle gehen statt des Lig. interosseum scharfe, kammförmige Synovialfortsätze 
von der Kante des Kahn- oder Mondbeins aus, um sich über die Kante des Mond- 
oder Pyramidenbeins hinzulegen oler ein kammförmiger Fortsatz der Radiusge- 
lenkfläche steigt vertical in die Spalte zwischen je zwei Handwurzelknochen hinab. 


3. Carpalgelenk. 


Ergiebige Verschiebungen finden in dem Carpalgelenke nur Statt in 
dem Zwischenraum zwischen den Knochen der ersten und zweiten Reihe, 
so dass man bei dem Studium der Bewegungen dieses Gelenks die Kno- 
chen der ersten Reihe (ohne das Erbsenbein) und die der zweiten Reihe 
(mit Einschluss des Trapezbeins) je als ein.zusammenhängendes Ganze auf- 
fassen kann. Kehren auch die Knochen, die in einer Reihe neben einander 
liegen, einander überknorpelte Flächen zu, so sind sie doch durch Bänder, 
welche an der vorderen und hinteren Fläche und theilweise selbst an den 
einander zugewandten Flächen von einem zum anderen gehen, so straff zu- 
sammengelügt, dass sie selbst mit bedeutender Gewalt nur wenig gegen 
einander verrückt werden können. In vollem Maasse gilt dies von den 
Knochen der zweiten Reihe, zu deren Befestigung noch die Bänder der Ba- 
sen der Mittelhandknochen beitragen, während die Knochen der ersten Reihe 
in ihrer natürlichen Verbindung sich allerdings um Weniges sowohl an ein- 
ander verschieben, als auseinander ziehen lassen. 


!) Ligg. maucosa. 


Handgelenk. 87 


Die eigentliche Höhle des Carpalgelenks befindet sich also zwischen bei- 
den Reihen der Handwurzelknochen; mit 
Fig. 72. ihr aber stehen in offener Verbindung 
die engen Spalten zwischen den in einer 
Reihe nebeneinander liegenden Knochen, 
und Form und Tiefe dieser Spalten ist 
durch die Anordnung der Bänder der 
Knochen Einer Reihe bedingt. Solcher 
im Wesentlichen sagittaler Spalten sind 
in der ersten Reihe zwei, in der zweiten 
drei; vorn und hinten sind sie sämmt- 
lich durch Bänder verschlossen; ebenso 
meistens die Spalten der oberen Reihe 
am oberen, die der unteren Reihe am 
unteren Ende, doch reicht eine der unte- 
Frontaldurchschnitt des Handgelenks. ren Spalten regelmässig, die eine oder 
Ps Proc. styl. ulnae. Tr Trapezbein. andere der oberen ausnahmsweise bis an 
apezeilbein, die Oberfläche, wodurch eine Commu- 
nication der eigentlichen Höhle des Car- 
palgelenks dort mit dem Carpo-Metacarpal-, hier mit dem Radio-Carpalge- 
lenk hergestellt wird. Die Bänder, welche die besagten Spalten vorn und 
hinten schliessen, hängen, so weit sie an der Volar - oder Dorsalfläche der 
Handwurzelknochen entspringen, mit den Haftbändern des Handgelenks zu 
sammen und sollen zugleich mit diesen später beschrieben werden. Dage- 
gen ist hier der Ort zur Beschreibung der Bandmassen, welche die einander 
zugekehrten Flächen der Handwurzelknochen in Verbindung setzen, und 
derjenigen, welche die Höhle des Carpalgelenks von den benachbarten Ge- 
lenkhöhlen scheiden, Bänder, welche sämmtlich mit dem Namen Zigg. carpi 
interossea bezeichnet werden. 

Die Flächen, womit sich Kahn- und Mondbein, Mond- und Pyrami- 
denbein an einander lehnen, sind fast plan; die Ligg. inlerossea lunalo- 
scaphoideum ) und lunato-pyramidale ?) liegen, wie erwähnt, im Ni- 
veau der oberen Flächen der durch sie verbundenen Knochen; ihre Höhe 
ist der Höhe des Knorpelüberzuges gleich oder übertrifft sie um Weniges; 
sie nimmt gegen den vorderen und hinteren Rand zu. 

Die Berührungsflächen der Handwurzelknochen der zweiten Reihe 
sind alle mehr oder minder gekrümmt, und zwar die des 'Trapez- und Tra- 
pezoidbeins mit dem unteren Rande ulnarwärts, die Berührungsfläche des 
Trapezoid- und Kopfbeins mit dem unteren und hinteren Rande ebenfalls, 
aber in geringerem Grade ulnarwärts, die Berührungsfläche des Kopf- und 
Hakenbeins oben nach der radialen, unten nach der ulnaren Seite schwach 
gewölbt. Ein dünnes Lig. interosseum trapezio-trapezoideum verbindet die 
unteren Kanten des Trapez- und Trapezoidbeins, jedoch nur bis an den 
Rand der Gelenkfläche des Trapezbeins, die dem zweiten Mittelhandkno- 
chen bestimmt ist (Knochen. Seite 234). Zwischen Trapezoid- und Kopf- 


D) Lig. navieulari - lunatum cartilagineum Günther. 
?) Lig. Iumato - triquetrum cartilagineum Günther. 


E 


Iy 


88 F Handgelenk. 


bein giebt es kein Lig. inteross. und hier ist es, wo regelmässig die Höh- 
len des Carpal- und Carpo -Metacarpalgelenks mit einander in Verbindung 
stehen. Die Spalte zwischen Kopf- und Hakenbein schliesst sich durch 
eine massive Bindegewebemasse, Lig. inlerosseum capilato-hamatum 
(Fig. 72), welche das untere vordere Viertel der beiderseitigen Berührungs- 
flächen einnimmt und sich in Form einer dünnen, nicht selten durchbroche- 
nen Membran längs dem unteren Rande fortsetzt. 

Der Knorpelüberzug aller Flächen der Handwurzelknochen ist hyali- 
nisch, 1/; bis höchstens 1mm mächtig. Synovialfortsätze kommen in den 
engen Spalten zwischen den Knochen derselben Reihe nirgends vor. 

Die Hauptarticulationsebene des Carpalgelenks, in welcher beide Rei- 
hen auf einander gleiten, hat eine auf den ersten Blick sehr eomplieirte 
Gestalt. Sie besteht aus Fragmenten von Rotationsflächen, welche die 
Phantasie erst ergänzen muss, bevor sich die Beschreibung derselben auf 
einen einfachen Ausdruck bringen lässt. 

Man denke sich an der Stelle der oberen Reihe der Handwurzelkno- 
chen einen kugelichen Gelenkkopf, an der Stelle der unteren Reihe eine ent- 
sprechende, kugelförmig ausgehöhlte Pfanne, aus dieser Pfanne steige ein 
eylindrischer und an der Spitze kugelförmig abgerundeter Zapfen auf, wel- 
cher in einer entsprechenden Höhle des kugelförmigen Gelenkkopfs Auf- 
nahme findet: so hätte man ein Gelenk construirt, dessen Kopf in der 
Pfanne um den eylindrischen Zapfen, also nur um Eine Axe, um diese 
aber mit grosser Sicherheit rotirt. Trennt man aus diesem Gelenk in Ge- 
danken durch nahezu parallele verticale Schnitte ein plattes Stück, welches 
den Zapfen enthält, so hat man die wesentlichen Theile des Carpalgelenks. 
Reste der Oberfläche des kugelichen Kopfs sind die laterale untere Fläche 
des Kahnbeins und die mediale Spitze des Pyramidenbeins; sie gehören einer 
Kreisfläche von 35"m Radius an, deren Mittelpunkt nahe am unteren medialen 
Rande des Radius liegt (Fig. 72*); die zugehörigen Theile der Pfanne sind 
radialerseits die obere Fläche des Trapez- und Trapezoidbeins, ulnarerseits 

Fig. 73. die mediale Spitze des Ha- 

kenbeins. Der Zapfen, an 
der vorderen Seite entblösst, 
an der Spitze und hinteren 
Fläche noch durch einen 
Rest des kugelichen Gelenk- 
kopfs bedeckt, erscheint als 
Kopf des Kopfbeins (Fig. 
73 CO); aber nur an der 
hinteren und lateralen Flä- 
che dieses Knochens, die in 
Berührung mit dem Kahn- 
bein ist, hat sich die Ober- 
Horizontalschnitt des Handgelenks durch die Spitze des fläche cylindrisch (einem 
Kopfbeins, Vergl. S. 94. Radius von 12mm entspre- 

chend) erhalten, indess ul- 

narwärts die Endfläche des 

Zapfens in einem sanften Abhange in den Rest des kugeliehen Kopfes übergeht 


Handgelenk. 89 


(Fig. 72). Erhält sich nun bei dieser Reduction und theilweisen Umwandlung 
der Form, die wir annehmen, die ursprüngliche Bestimmung des Gelenks 
zur Rotation, so werden zugleich, durch die Verkleinerung der Berührungs- 
flächen und die Lockerung des Verbandes der Knochen der oberen Reihe, 
Verschiebungen möglich, die mit der strengen Durchführung des ersten 
Plans unverträglich gewesen sein würden. Das Kopfbein dreht sich in 
seiner Pfanne um die transversale Axe (Flexion und Extension); dabei 
folgt das Kahnbein den Bewegungen der unteren Reihe und gleitet mit 
seiner ulnaren Fläche an der radialen Fläche des Mondbeins vor- und 
rückwärts. Das Kopfbein dreht sich um die sagittale Axe, wobei die supi- 
nirte Hand in der Frontalebene hin- und herbewegt wird. Dies ist nur 
möglich dadurch, dass hier das Kahnbein, dort das Pyramidenbein von 
dem Mondbein entfernt und zugleich gegen die Volarfläche vorgedrängt 
wird. 

Die Kapsel des Carpalgelenks nimmt überall am Rande der überknor- 
pelten Flächen ihren Ursprung. Sie legt sich bei der Beugung vorn, bei 
der Streckung hinten in eine Querfalte. Ansehnliche Synovialfalten gehen 
von der vorderen und hinteren Wand aus und füllen die Ecken, in welchen 
die sagittalen Spalten des Carpalgelenks mit der Spalte zwischen der obe- 
ren und unteren Reihe zusammenstossen. 


4. Erbsenbeingelenk. 


Die Knorpelüberzüge sind hyalinisch, auf dem Pyramidenbein nur we- 
nig umfangreicher als auf dem Erbsenbein; die Articulationsebene ist eine 
sehr flache Kugelfläche, vorwärts gewölbt (Knochenl. S. 231). 

Die schlaffe Kapsel setzt sich sowohl am Erbsen- als am Pyramiden- 
bein in einiger Entfernung vom Rande der Gelenkfläche an (am Erbsenbein 
stellenweise bis 4m von diesem Rande). 


5. Gemeinsames Carpo - Metacarpalgelenk }). 


4. Erbsen- 
beingelenk. 


Der Ueberzug der im gemeinsamen Carpo-Metacarpalgelenk artieuliren- 5. Gemein- 


den Knochen ist hyalinisch, in der Regel nicht über !/, bis 1/‚mm mächtig. 
Da dieser Ueberzug durchgängig genau der Form der Knochenenden folgt, 
da die Form der Oberflächen nur sehr geringe Bewegungen gestattet, die 
ausserdem noch durch Haftbänder der Handwurzel- und Mittelhandknochen 
eingeschränkt werden, so genügt es, auf die Beschreibung und Abbildung 
der unteren Gelenkflächen der Handwurzel (Knochenl. S. 234), welchen 
die oberen Gelenkflächen der Mittelhandknochen genau entsprechen, zu 
verweisen. 

Die Bewegungen, auf welche die Gelenke zwischen der unteren Reihe 
der Handwurzelknochen und den oberen Endflächen der Mittelhandknochen 
noch am ehesten eingerichtet scheinen, sind die um die transversale Axe 
der Hand (Beugung und Streckung); aber die theils ulnar-, theils radial- 


!) Carpal- Metacarpalgelenk. 


sames Car- 
po-Metacar- 


palgelenk. 


90 Handgelenk. 


wärts convexe Gestalt der Artieulationsebenen, in welchen die Daumen- 
und Kleinfingerflächen der Basen der Mittelhandknochen einander berüh- 
ren, hemmt die Bewegungen einzelner Mittelhandknochen in dieser Rich- 
tung, oder lässt sie nur in so weit zu, als der einzelne Mittelhandknochen 
zugleich um seine Längsaxe gedreht werden oder als sie von mehreren 
Mittelhandknochen gemeinsam ausgeführt werden kann. 

Die Kapsel ist straff überall unmittelbar am Rande des Knorpelüber- 
zugs befestigt, sie schliesst die Flächen, durch welche die Basen der Mit- 
telhandknochen an einander articuliren, mit ein, buchtet sich demnach zwi- 
schen den Basen je zweier Mittelhand- 
knochen abwärts aus; die Ausbuch- 
tung zwischen dem dritten und vierten 
Mittelhandknochen ist durch ein Lig. 
interosseum in zwei Abtheilungen, eine 
vordere und hintere, geschieden. An 

NEED: der entsprechenden Stelle, zwischen 
Tra, RU ; RI i dem Kopf- und Hakenbein, geht von 

(BMRSES der vorderen oder hinteren Wand eine 
sagittale Synovialfalte aus, die nicht sel- 
ten das gemeinsame Uarpo-Metacarpal- 
gelenk vollkommen theilt und nach oben 

- mit dem Lig. interosseum capitato-ha- 
Frontaldurchschnitt des Handgelenks. z 
Ps Proc. styl. ulnae. Tr Trapezbein. matum, nach unten mit dem eben er- 


Trd Trapezoidbein. öls Lig. inteross. wähnten Lig. interosseum metacarpale 
lunato-scaphoid. ilp ‚Lig. inteross. lunato- zusammenhängt. 
pyramidale. ich Lig. inteross. capitato- : Bag: 

hamat. Von der Communication des ge- 


meinsamen Carpo-Metacarpalgelenks mit 
dem Carpalgelenk war bei dem letzteren die Rede. 


ıls 


6. Daumencarpalgelenk. 


6. Daumen- Die Articulationsebene dieses Gelenks gleicht, was den Umfang be- 
iS trifft, bald einer Ellipse, bald einem abgerundet stumpfwinklichen, den 
stumpfen Winkel nach vorn wendenden Dreieck, und zwar ist die elliptische 

Form mehr der Gelenkfläche des Trapezbeins, die dreiseitige mehr dem 

Fig. 76. Mittelhandknochen eigen. Sie ist, 

wie schon bei der Beschreibung der 
Knochen hervorgehoben wurde, gegen 
die Horizontale unter einem Winkel 
von etwa 45° geneigt, am lateralen 
Rande höher als am medialen. Ihre 
längste Axe, die Fläche als Ellipse 
genommen, liegt in der Richtung vom 
lateralen zum medialen Rande, aber 
mit dem lateralen Ende zugleich et- 


was vorwärts, gegen die Volarfläche 
Fig. 75. Frontaldurchschnitt, Fig. 76. Sagit- der Hand. abweichend 
taldurchschnitt des Daumenmetacarpalgelenks. £ i 

Ri Sehne des M. radial, int. 


Handgelenk. 91 


Ein Durchschnitt des Gelenks in dieser Axe (der den Mittelhandknochen 
des Daumens in volare und dorsale Hälfte theilt) zeigt die Gelenkfläche 
des Trapezbeins concav, die des Mittelhandknochens convex (Fig. 75); ein 
Durchschnitt des Gelenks in der kleinen Axe (der den Mittelhandknochen 
des Daumens in zwei Seitenhälften theilt) zeigt umgekehrt die Gelenkfläche 
des Trapezbeins convex, die des Mittelhandknochens concav (Fig. 76). 

Beide Wölbungen dieser sattelförmigen Fläche sind Theile von Ku- 
gelflächen. 


Nach Günther entspricht die abwärts convexe Wölbung des Durchschnitts in 
der kleinen Axe einem Radius von 7‘; der Bogen des Trapezbeins beträgt 46°, 
der Bogen des Mittelhandknochens 39°. Die aufwärts convexe Wölbung des Durch- 
schnitts in der grossen Axe entspricht am Mittelhandknochen 117° von 5Y/,“' Ra- 
dius, am Trapezbein 54° von 7 Radius. 


Die Kapsel ist am Trapezbein dicht an der Gelenkfläche, am Mittel- 
handknochen und besonders an dessen Ulnarrande in einiger Entfernung 
vom Rande der Gelenkfläche (bis 2“) angewachsen. Eine Synovialfalte 
mit scharfem gelappten Rande ragt ringsum etwa 2mm weit in die Gelenk- 
höhle; sie ist am schwächsten an der radialen Seite des Gelenks. 


Von den Bewegungen, welche im Handgelenk ausgeführt werden, sind nächst Physiolog. 
der Rotation (Pronation und Supination) die ergiebigsten die Beugung !) und Stre- Bemerkung. 
ckung bis zur Ueberstreckung °); die Hand kann ferner mit dem Rande ulnar- 
oder radialwärts gebeugt werden (Ulnar- und Radialflexion nach Günther) °), sie 
wird endlich abgeplattet oder gewölbt, hohl gemacht. Fast alle diese Bewegungen 
können in mehreren Gelenken vollzogen werden und erreichen das Maximum ihrer 
Excursion durch Summirung der gleichartigen Verschiebungen. Und dazu wirken 
die einzelnen Gelenke nicht nur in dem Sinne mit, für welchen man sie, der ana- 
tomischen Betrachtung zufolge, eingerichtet glauben sollte; sondern es fügt sich 
fast jedes Gelenk mehr oder minder leicht der Bewegung nach jeder Richtung, zu- 
mal wenn eine äussere Gewalt die Bewegung ausführen hilft. Ja nicht einmal die 
nach der mathematischen Construction grundsätzlich ausgeschlossenen Bewegungen 
zeigen sich in praxi unausführbar; so ist z. B. die ganze Hand im Radio -Carpal- 
gelenk, der Daumen in seinem Carpalgelenk je um die verticale Axe drehbar, 
obgleich das erstgenannte Gelenk elliptische, das zweite sattelförmige Flächen be- 
sitzt, Formen, welche gerade dazu bestimmt scheinen, sich der Rotation zu wider- 
setzen (S. 13). 

An der Rotation (Pronation und Supination) ist, nach Günther, das Ra- 
dio-Carpalgelenk mit 14°, das Carpalgelenk mit 12° betheilist. Die Rotation der 
vier verbundenen Mittelhandknochen je um ihre verticale Axe ist gering, am ge- 
ringsten beim zweiten und dritten Finger; der Mittelhandknochen des Daumens 
aber lässt sich um “0° um seine Längenaxe drehen. 

An der Beugung und Streckung haben vorzugsweise das Radio-Carpalgelenk 
und das Carpalgelenk Theil; bei der Streckung findet indess die Drehung der 
oberen Handwurzelreihe auf der Radiusgelenkfläche durch die Spannung der vorde- 
ren Kapselwand und der dieselbe deckenden Haftbänder bald ihre Grenze, worauf 
die Drehung im Carpalgelenk weiter fortgesetzt wird. Nach der Seite der Beu- 
gung ist die Excursion im Radio-Carpalgelenk minder beschränkt, und hier ist da- 
gegen die Hülfe, die das Carpalgelenk leistet, von geringerer Bedeutung (Fig. 69.70 


D) Volarflexion Günther. ®) Dorsalflexion Günther. 


°) Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch Adduction und Abduction. Diese Bezeich- 
nung ist deswegen unzweckmässig , weil dieselbe Bewegung, die bei supinirter Hand addu- 
eirt, bei pronirter Hand zur Abduction führt und umgekehrt. 


92 Handgelenk. 


und Fig. 71 '). In dem Carpo-Metacarpalgelenk nimmt die Möglichkeit der Beugung 
und Streckung vom Mittelfinger gegen die Ränder der Hand zu; die ganze Exeursion 
in der sagittalen Ebene bestimmte Günther am Mittelhandknochen des Mittelfin- 
gers zu 6°, des zweiten und vierten je zu 13°, des fünften Fingers zu 18° und des 
Daumens zu 46°. Der Daumen schreitet bei der Beugung zugleich mit der Vorder- 
fläche ulnarwärts vor. 

Die Ulnarflexion wird zum grössten Theil im Radio-Carpalgelenk, die Radial- 
flexion zum grössten Theil im Carpalgelenk ausgeführt; die vereinigten vier Fin- 
germittelhandknochen sind in beiden Richtungen nur äusserst wenig beweglich. 
Der Mittelhandknochen des Daumens tritt, wenn er sich dem zweiten Finger 
nähert, zugleich mit dem Radialrande vorwärts, in die Handfläche vor. 

Für die Wölbung der Hand haben die Carpo-Metacarpalgelenke und besonders 
das Carpalgelenk des Daumens Bedeutung. Den in diesem Sinne unbeweglichsten 
Theil des Handgelenks bildet die untere Reihe der Handwurzelknochen, deren 
Starrheit auf die für sich allein leichter verschiebbaren Knochen der oberen Reihe 
und der Mittelhand hemmend einwirken muss. 


b. Haftbänder. 


a. Lig. carpi commune. 


b. Haftbän- Die Verbindungen, welche die Haftbänder des Handgelenks mit den 
en Muskelfaseien eingehen, machen es nöthig, den Theil der letzteren, der das 
a Handgelenk umschliesst, mit in Betracht zu ziehen. 
Die grösstentheils transversalen Faserzüge, aus welchen lie Unter- 
armfascie besteht, verstärken und verdichten sich gegen das Handgelenk 
und gewinnen über den unteren Enden 
der Unterarmknochen ein sehniges An- 
sehen, so dass sie, einem platten Ring 
oder Armband ähnlich, den Knöchel der 
Hand umgeben. Dieser Ring ist es, 
den man als ein besonderes Ligament 
unter den Namen Lig. carpi commune 
von der Fascie scheidet, obgleich er 
sich weder aufwärts, nach abwärts 
scharf gegen dieselbe absetzt. 
Die obersten Bündel, die man nach ih- 
\ rer Lage und ihrem sehnigen Glanze zum 
" Apı Lig. carpi comm. rechnen darf (Fig. 77 cc), 
beginnen etwa 1 Zoll über dem Radio- 
Carpalgelenk mitten auf der hinteren 
Fascie des Handgelenks von der Rückseite. Fläche des Unterarms und verlaufen 
Ue Sehne des M ulnar. ext: Egp des ’ 
M. ext. dig. quinli propr Ede des M.ezt. schräg median- und abwärts über das 
dig. comm. Reb, Rel des M rad. ext. Köpfchen derUlna weg um denUlnarrand 
ne, a er: an E des Arms. Von diesen setzen sich die 
oberen (Fig. 78— 80*) hinter dem M. ul- 


epl 


cc 


1 2“ 
Ep 2 Reı FP! Epb 


!) Nach Günther entsteht bei der Ueberstreckung im Radio-Carpalgelenk ein Winkel 
von 5°, im Carpalgelenk von 74°; die Beugung erfolge (in einem Bogen von 50°) allein 
im Radio-Carpalgelenk; das Carpalgelenk sei an dieser Bewegung ganz unbetheiligt. Eine 
so scharfe Sonderung kann ich nur für Ausnahme halten. 


Handgelenk. 93 


naris int. (Ui)in die Vorderarmfaseie fort (nur eine dünne Bindegewebelage, 
die den Namen Fascie kaum verdient, geht vor dem Muskel vorüber), die 
Fig. 78. unteren (**) befestigen sich dicht über dem 
Erbsenbein an der Sehne dieses Muskels. Die 
abwärts zunächst gelegenen Faserbündel des 
Lig. carpi commune (cc!) entspringen an der 
epl perpendieulären Leiste des unteren Endes des 
Radius (epl), welche die Rinne des M. ext. poll. 
long. (vgl. Knochenl. Fig. 213) lateralwärts be- 
grenzt, und ziehen zur Spitze des Erbsenbeins. 
Weiter abwärts folgen Fasern (cc?), welche am 
Processus styloid. radii ihren Ursprung nehmen 
acund in gleicher Richtung wie die vorhergehen- 
den (mit der Rückenfläche des Pyramidenbeines 
nur verschiebbar durch lockeres Bindegewebe 
verbunden) theils ebenfalls zum Erbsenbein, 
theils zum Ulnarrand des fünften Mittelhand- 


Fascie des Handgelenks vom 


Ulnarrand. Pi Erbsenbein. knochen sich begeben. An diese zunächst gren- 
Ui M. uln. int. 2 Muskeln 
des Kleinfingerballens. 


zen Fasern, die schon dem Handrücken ange- 
hören. Wir wollen den eben beschriebenen 


Fig. 80. 


ec* 
/ 


Fig. 79. Fascie des Handgelenks von vorn. vp Lig. carpi vol. propr. Nu N. ulnaris, Thei- 
lungsstelle in den N. superfic. und prof. Ri M. rad. int. Ui M. uln. int. Pl Sehne des 
M. palm. longus, in die Volaraponeurose ausstrahlend.. 7b M. palmaris brev., Ursprung 
und Insertion. 1 Muskeln des Daumenballens. 2 Muskeln des Kleinfingerballens. 
Fig. 80. Dieselbe, das oberflächliche Fascikel des ulnaren Theils des Zig. c. c. und die 
Sehne des M uln. int., an der Insertion abgeschnitten. 7 Lücke, durch welche der tiefe 
Zweig des N. ulnaris eindringt. 


Theil des Lig. carp. comm. den ulnaren nennen und die an die Sehne desM. 
ulnaris int. und das Erbsenbein sich ansetzenden Faserzüge als oberfläch- 
liches Fascikel des ulnaren Tbheils unterscheiden 1). Dadurch, 


1) Die gewöhnliche Unterscheidung in Lig. e. c. volare und dorsale (richtiger Pars vo- 
laris und dorsalis ligamenti c. c.) ist brauchbar, um die Regionen des Bandes zu be- 


94 Handgelenk. 


dass dies Faseikel am Erbsenbein sein Ende findet, während die Fasern 
oberhalb (und unterhalb) des Erbsenbeins ihren Weg radialwärts fortsetzen, 
muss radialwärts neben dem Erbsenbein ein Schlitz in der Fascie entstehen 
(Fig. 80), und diesen benutzt das Bündel der Vasa und N. ulnaria, um unter 
der Fascie, von der sie am Unterarme bedeckt sind, hervor und an die Ober- 
fläche zu treten. Gerade hinter dem oberen Rande dieses Schlitzes und ge- 
rade gegenüber der Insertionsstelle des oberflächlichen Fascikels an die 
ulnare Fläche der Spitze des Erbsenbeins entsteht von der radialen Fläche 
derselben, gleichsam als Unterlage für das aus dem Schlitze hervorgetre- 
tene Gefäss- und Nervenbündel, ein starkes Band (v9p) mit Faserbündeln 
von transversalem und schrägem Verlauf. Es ist ein Theil des Lig. ce. vo- 
lare proprium, auf das ich zurückkomme. Radialwärts fliesst es jenseits des 
ulnaren Gefäss- und Ner- 
venbündels wieder mit den 
ober- und unterhalb des 
Erbsenbeins vorüberziehen- 
den Fasern des ulnaren 
und zugleich mit den Fa- 
sern des radialen Theils des 
Lig. e. comm. zusammen. 
Was diesen radialen Theil 
betrifft, so gehen die Faser- 
bündel desselben (Fig. 77.79. 
81cc?) von dererwähnten, die 
Rinne des M. ext. poll. long. 
begrenzenden Firste des Ra- 
Horizontalschnitt des Handgelenks durch die Spitze des dius die oberen quer, die 
Kopfbeins. Die Fächer, in welchen die Sehnen der unteren schräg gegen den 
Hand- und Fingermuskeln verlaufen, sind mit Ziffern be- Badislrnd die ah 


zeichnet: 1 M.ulnaris ext: 2 M. extensor pr. dig quinti. 5 
3 M. extensor dig. comm. und indieis propr. 4 M. rad. und um diesen herum über 


ext. long. u. br. 5 M. BE poll. long. 6 M. abductor poll. die Sehnen des M. ext. poll. 

long. und ext. poll. br. 7 M. radialis int 8 Mm. flexo- £ 
res digit. comm. subl. und prof. und flex. poll. longus. br. und Abd. poll. 1. hinweg 
zur Vorderfläche. Immer 


noch schrägen Verlaufs und nach oben mit der Unterarmfaseie, nach unten 
mit der Fascie des Daumenballens zusammenhängend, setzt das Ligament 
an der Vorderfläche des Arms seinen Weg fort über das Bündel der Ra- 
dialgefässe und die Sehne des M. radialis int. Zwischen den Radialgefäs- 
sen und der ebengenannten Sehne gesellt sich zu ihm und verschmilzt mit 
ihm ein sehniges Blatt (Fig. 81 vp!), der radiale Ursprung des Lig. ce. vo- 
lare proprium, welches vom radialen Rande des Handgelenks entsteht und 


vor- und medianwärts geht. 

Das aus der Verschmelzung dieses Sehnenblattes und des radialen 
Theils des Lig. c. comm. hervorgegangene und, wie erwähnt, vor der 
Sehne des M. radial. int. vorüberziehende Band theilt sich ulnarwärts als- 
bald wieder in zwei Blätter, ein oberflächliches und ein tiefes. Das ober- 


zeichnen, und in diesem Sinne von selbst klar; sie entspricht aber keiner natürlichen Ab- 
grenzung und leistet deshalb nichts für das Verständniss des Verlaufs der Fasern. 


Handgelenk. 95 


flächliche (oberflächliche Fascie des radialen Theils des Lig. e. 
comm.) steigt zur Spitze des Erbsenbeins herauf und deckt von vornher 
das ulnare Gefäss- und Nervenbündel (cc*); das tiefe Blatt vereinigt sich 
hinter dem ulnaren Gefäss- und Nervenbündel oberhalb des Erbsenbeins 
mit dem ulnaren Theil des Lig. ec. comm., unterhalb des Erbsenbeins mit 
den oben erwähnten, von der Basis des Erbsenbeins entspringenden Fasern 
des Lig. c. volare proprium (vp). 

Ulnarwärts neben der Sehne des M. radialis int. ist nach dieser Be- 
schreibung das Lig. carpi volare eine einfache Verdickung der Fascie, 
von dieser Stelle aber weicht es sowohl gegen den Radial- als gegen den 
Ulnarrand der Gegend des Handgelenks in zwei Blätter auseinander, jene 
die tiefen Radialgefässe und die Sehnen einiger Daumenmuskeln, diese 
das ulnare Gefäss- und Nervenbündel zwischen sich fassend. Die ober- 
flächlichen Blätter, im Zusammenhange betrachtet, bilden das Lig. c. comm. 
(vol.), die tiefen das Lig. c. volare proprium, zwei Ligamente, die demnach 
an den Seitenrändern des Arms von einander geschieden, in der Mitte aber 
verwachsen sind. An der Verwachsungsstelle verbindet sich mit ihnen, 
ebenfalls nur durch das Messer trennbar, der Anfang der Ausstrahlung der 
Sehne des M. palmaris longus (Fig. 81 PD), deren Bündel in vertiealer und 
gegen die Wurzeln der Finger strahlenförmig divergirender Richtung über 
die Ligg. carpi herablaufen. Die Verstärkungen, die das Lig. carpi vol. 
propr. an der Fläche erhält, die es den Handwurzelknochen zuwendet, 
werde ich bei den volaren Haftbändern des Handgelenks beschreiben. 


ß. Haftbänder der Rückenfläche, 


Auf dem Rücken der Hand liegt zwischen dem Lig. c. comm. und dem 
Gelenk eine Schichte weichen, zum Theil fettreichen Bindegewebes 1), ohne 
bestimmte Faserung, welches die Zweige des Blutgefässnetzes dieser Ge- 
gend eingebettet enthält. Es polstert die Rinnen aus, in welchen die Seh- 
nen der Streckmuskeln gleiten, Rinnen, welche der freien Oberfläche zu- 
nächst von starken, sehnigen, transversalen Bindegewebslagen ausgekleidet 
sind. In besonders reichlichen, blätterigen Massen häuft es sich auf der 
hinteren Fläche des Köpfehens der Ulna an. Fibröse Scheidewände thei- 
len den Raum, den das Lig. c. comm. von hinten her bedeckt, in Fächer 
ab, in welchen die Strecksehnen einzeln oder in bestimmte Gruppen geord- 
net liegen; diese Scheidewände gehen von der vorderen, dem Knochen zu- 
gekehrten Fläche des Lig. c. comm. entweder zu leistenartigen Vorsprün- 
gen des Knochens oder sie verlieren sich in jenem Bindegewebe. Das letz- 
tere gilt namentlich für die Scheidewände, welche, dem unteren Radio- 
Ulnargelenk gegenüber, das Fach für den M. extensor dig. min. (Fig.81.2) 
von den Fächern einerseits des M. ext. dig. comm., andererseits des M. uln. 
ext. trennen. Vermöge dieser Einrichtung kann das untere Ende der Ulna 
frei rotiren, ohne die über dasselbe verlaufenden Strecksehnen zu spannen. 


) Membrana carpi comm. dorsalis Weber-H. Lig. dorsale carpi comm. superficiale Arn. 
Membrana radio -naviculari - metacarpea dorsalis Günther. 


f:2 Bänder 
der Rü- 
ckenfläche, 


96 Handgelenk. 


® Die Scheidewände bestehen aus theils sagittalen, vom Lig. ec. comm. 
vorwärts verlaufenden, theils verticalen Bündeln. Jene ergänzen die trans- 
versalen Fasern des Lig. c. comm. und des Bodens der Rinne zum ge- 
schlossenen Ring, diese erstrecken sich weiter abwärts in die Verstärkungs- 
bänder der Kapsel. 

Nach innen (vorn) folgen auf die eben beschriebene Bindegewebslage 
wieder deutlich sehnige, den Kapseln eingewebte Faserzüge. 


1. Lig. carpi dorsale profundum. 


1. Lig. earpi Dies Band erstreckt sich zusammenhängend in hauptsächlich transver- 
ders. prof saler Richtung von den Unterarm- zu den Handwurzelknochen der unteren 
Reihe. Hauptvereinigungspunkte der verschiedenen, mehr oder minder 
deutlich gesonderten Abtheilungen desselben sind die rauhe Rückenfläche 
des Pyramiden- und die laterale Spitze des Kahnbeins. Zum Pyramiden- 
bein begeben sie sich vom Proe. styloid. der Ulna gerade und fast radial- 
Fig. 82. wärts absteigend, vom unteren Rande des 
Radius und vom Proc. styloideus dieses 
Knochens in zwei breiten ab- und ulnar- 
wärts sich zuspitzenden und convergi- 
renden Bündeln D), von der niedrigen, 
hinteren Fläche des Kahnbeins in einem 
abwärts leicht convexen Bogen. Die 
Spitze des Kalınbeins erhält Fasern, 
welche, fest in der Radio-Carpalkapsel ein- 
gewebt, vom Proc. styloid radii herab- 
steigen ; sie sendet Fasern abwärts zum 
Trapez- und Trapezoidbein; doch kom- 
men die letzteren theilweise nicht direct 
vom Kahnbein, sondern aus dem eben 
erwähnten, vom Kahnbein zum Pyrami- 
Haftbänder des Handgelenks, Rückseite. denbein gespannten bogenförmigen Bande 
Rel, Reb abgeschnittene Sehnen des M. und aus diesem gehen auch regelmässig 
radial. ext. EN Vgl. Knochevl. einige Zipfel hervor, die sich an die hin- 
| tere Fläche des Kopf- und Hakenbeins 

befestigen ?). 

Zum Lig. carpi d. prof. gehört noch ein selbstständigeres, breites Fa- 
serbündel (Fig. 82*), welches vom Pyramidenbein schräg radialwärts zum 
Hakenbein herabgeht. Es ist das einzige Fascikel, dessen Fasern sich bis 
zur Mittelhand und zwar an den Ulnarrand der Basis des fünften Mittel- 
handknochen erstrecken. 


1) Planities ligamentosa lata rhomboidalis Weitbr. Lig. rhomboideum aut. Lig. fibro- 
sum dorsale arti cubito-carp. Meckel. Lig. antibrachio-Iunato-hamatum dorsale Günther. 

*) Die queren und verticalen Fasern dieser Abtheilung entsprechen dem Planum fibro- 
sum dorsale transversum cum appendieibus longitudinal. Barkow. Fibrae accessoriae W e- 
ber-Hildebrandt. Lig. arcuatum superficiale ei carpo-carpo-metacarpale dorsale (theil- 
weise) und Zig. arcuatum prof. s. naviculari-triqueirum Günther. Lig. radiale art. cubito- 
carpalis Meckel. Lig. laterale carpi radiale Krause. Lig. carpi commune prof. und 
Lig. carpi radiale Arn. 


Handgelenk. 97 


E10 
+ 


2. Ligg. carpi dorsalia brevia. 


Kurze Bänder nenne ich alle, welche von einem Knochen zum nächst- 2.Ligg. car- 
gelegenen, sei es derselben oder einer tieferen Reihe, verlaufen. Nach den an 
Knochen, welche sie verbinden, theilen sie sich auf natürliche Weise ein in 
Ligg. intercarpea 1), carpo-metacarpea und intermetacarpea ?). Einzeln 
würde man sie benennen je nach den beiden Knochen, denen sie durch 
Ursprung und Insertion angehören. 

Ligg. intercarpea dorsalia giebt es nur in der unteren Reihe der Lige. inter- 
Handwurzelknochen 3); sie sind platt, so hoch, als die hinteren Flächen a 
der Handwurzelknochen, transversal oder schräg gestellt, zuweilen durch 
eine Spalte in zwei parallele Bänder getheilt. 

Die Ligg. carpo-metacarpea dorsalia gehen in schräger Richtung Liege. carpo- 
von Handwurzelknochen der unteren Reihe zu den Basen der Mittelhandkno- "*t2carpea. 
chen; das Lig. carpo-metacarpeum zwischen Trapezbein und Daumen ist 
ein nur schmales, von der lateralen Spitze des Trapezbeins zur hinteren 
Spitze der Basis des Mittelhandknochens gerade absteigendes Band. Radial- 
wärts neben demselben wird die Kapsel durch die Sehne des M. abductor 
pollieis, ulnarwärts durch die sehnigen Ursprünge des M. interosseus dorsa- 
lis primus verstärkt, welche beiderseits straff an dieselbe angewachsen sind. 
Im Uebrigen ist in der Regel jeder Mittelhandknochen an zwei Handwur- 
zelknochen durch schmale Bandstreifen befestigt, der Zeigefinger an das 
Trapez- und Trapezoidbein, der dritte Finger an das Trapezoid- und mit 
zwei abwärts divergirenden Bändern an das Kopfbein, der vierte Finger 
mit abwärts convergirenden Bändern an das Kopf- und Hakenbein; der 
fünfte Finger an das Hakenbein und ausnahmsweise, zum Ersatz für ein 
zweites Lig. carpo -metacarpeum, mittelst des Lig. carpi dors. prof. (*) an 
das Pyramidenbein. Alle Bänder inseriren sich an den Mittelhandknochen 
an die rauhe Fläche der Basis und reichen bis zu der Querfirste, welche 
Basis und Körper scheidet. Am zweiten, dritten und fünften Mittelhand- 
knochen verweben sie sich mit den Sehnen der Mm. radiales und ulna- 
ris extt. 

Die Ligg. intermetacarpea dorsalia bestehen aus meist transversa- ee 
len Bündeln, welche die einander zugekehrten Kanten der Körper der Mit- metacarpea. 
telhandknochen vom oberen Ende an eine Strecke weit aneinanderheften. 

Man zählt solcher Bänder so viel, als Zwischenknochenräume; das erste, 
zwischen Daumen und Zeigefinger, ist von wechselnder Stärke, zuweilen 
quergetheilt. Der R. volaris der Art. radialis geht unterhalb desselben vom 
Rücken zur Vola der Hand. Das zweite geht von der Spitze des Proces- 
sus styloid. des dritten Mittelhandknochens schräg abwärts zum zweiten. 


Das dritte ist am breitesten und reicht am weitesten hinab. 


1) Ligg. transversalia carpi dorsalia. 

2) Ligg. basium oss. metacarpi dorsalia aut. Ligg. propria dorsalia metacarpi Weber- 
Hildebr. ZLigg. intermecarpalia Günther. 

5) Was man zwischen Kahn- und Mondbein,, zwischen Mond- und Pyramidenbein als 
Lig. intercarpale darstellt, ist nur der hintere Rand des Zig. interosseum oder eine nicht 
umschriebene, die hintere Fläche je beider Knochen und die Kapsel zwischen denselben 
deckende Bindegewebslage. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 7 


98 Handgelenk. 


Das Lig. carpo-metacarpeum des Daumens beschränkt die Bewegung des Mit- 
telhandknochens des Daumens mit dem radialen Rande ulnar- und vorwärts. 


y. An der Volarfläche. 
1. Lig. carpi volare proprium up. 


. An der Das Lig. carpi volare proprium ist ein straff und brückenförmig über 

Asne. die volare Aushöhlung der Handwurzel gespanntes Band, in welchem meh- 
1. Lig. carpi Fio. 83, ; rere Fasersysteme sich 
vol. propr. > 


durchkreuzen und theil- 
weise verweben. Die Grund- 
lage bilden transversale Fa- 
sern; dieselben kommen ul- 
narerseitsvomradialenRan- 
de des Erbsenbeins vor des- 
sen Kapsel (Fig. 835), vom 
Haken desHakenbeins (Fig. 
84) und von dem diese bei- 
den Knochen verbindenden 
Lig. pisohamatum (s. u.), 
zuweilen auch von den 
Horizontalschnitt des Handgelenks durch die Mitte des Basen des fünften und vier- 
Erbsenbeins. (Vgl. Fig. 81.) ten Mittelhandknochens ; 

radialerseits conti- 
nuirlich vom Proces- 
sus styloid. radii, der 
Radiocarpalgelenk- 
kapsel, den Tuberosi- 
täten des Kahn- und 
Trapezbeins und von 
der Basis des ersten 
Mittelhandknochens, 
Fig. 85. Dasmittlere 
Drittel des Lig. carpi 
volare proprium ist 
mit dem volaren Theil 
des Lig. c. comm. und 


Reb C gipEde : mit der Sehne desM. 


Horizontalschnitt des Handgelenks durch das Hakenbein. De palmaris long. ver- 
Sehne des M. uln. ext. Edg desM. ext. dig. quinti, Ede, Eip . 
Sehnen des M. Extensor die. comm. und Ext. indieis pr. Reb, schmolzen. Mit dem 
Rel des M. radialis ext. br. und longus. Epl, Epb des M. oberen Rande geht es 
ext. poll. long. u. br. Ri desM. radialis int. Fp/! des M. flexor in die Unterarmfaseie 
poll. long. 1 Muskeln des Daumenballens. 2 Muskeln des Klein- u 

fingerballens. Pb M. palmaris br. r Vasa radialia. z N. und über; nachunten setzt 


Vasa ulnaria. Nm N. medianus, A Aponeurosis palmaris. essichin ein querfase- 
riges Blatt fort, welches als tiefe Lage der Palmarfascie an der hinteren Fläche 
der fächerförmigen Ausbreitung der Sehne des M. palmaris longus genau 
angewachsen ist. Ausser durch die Ausbreitung der eben genannten Sehne 
ist die vordere Fläche des Lig. carpi volare proprium von den schrägen 
Ursprungssehnen der Muskeln des Daumen- und Kleinfingerballens durch- 


Handgelenk. 99 


zogen, von welchen jene mit einzelnen Fascikeln bis an das Erbsenbein, 
diese bis an die Tuberosität des Trapezbeins reichen. 

Aber nicht alle transversalen Fasern des Lig. carpi volare proprium 
entspringen an den Rändern der Hand; eine mächtige Schichte, an der 
hinteren, der volaren Aushöhlung zugekehrten Fläche stammt von tieferen 
Theilen der Handwurzelknochen und wird dem Lig. carpi volare propr. 
durch Vermittelung der im Folgenden zu beschreibenden Bänder zugeführt. 


2. Lig. carpi volare profundum m. VPT. 


Die Fascie, die den M. pronator quadratus bedeckt, setzt sich vom un- 
teren Rande dieses Muskels über das Handgelenk fort bis auf die von der 
Volarfläche der Mittelhandknochen entspringenden Muskeln. Hat man 
diese Faseie, welcher mehr oder minder deutliche, vorzugsweise transversale 
Sehnenbündel !) eingewebt sind, entfernt, so kommt eine glänzende und 
mächtige Bandmasse zum Vorschein, welche von vornher das Radiocarpal- 
und Carpalgelenk vollständig deckt. Man kann an dieser Bandmasse drei 
Abtheilungen unterscheiden, eine obere, Lig. carpi v. profundum ar- 
cuatum, mittlere, Lig. carpi v. p. radialum, untere, Lig. carpi v. p. 
iransversum, welche mit den entsprechenden Rändern unmittelbar an 
einander grenzen, ja zum Theil einander decken. Die obere Abtheilung 
geht vom Radial- und Ulnarrande abwärts gegen die Mittellinie der Hand 
in mehr oder minder gesonderten platten Bündeln, welche einander errei- 
chen oder kreuzen und theilweise schleifenförmig in einander umbiegen; 
die mittlere Abtheilung läuft mit ihren Bündeln strahlig von Einem Punkte, 
der Vorderfläche des Kopfbeins, aus; die untere Abtheilung liegt quer vor 
den Basen der Mittelhandknochen. 

Schon auf der vorderen Fläche des unteren Endes des Radius zeich- 

Fig. 85. net sich die Beinhaut durch den 
transversalen Verlauf ihrer Fasern 
aus; in der Kapsel ziehen sodann 
die Fasern schräg vom Radius an 
die Bandscheibe des Handgelenkes 
und vor derselben vorüber; die 

nächst unteren Faserbündel sind 
schräg absteigend oder in abwärts 
leicht convexen Bogen vom Proc. 
styloideus radii zum Pyramidenbein 
gespannt. Sie verflechten sich mit 
schwächeren und steiler absteigen- 
den Fasern, welche von der Basis 
des Processus styloideus ulnae fä- 
cherförmig ausstrahlen. Weiter ab- 
wärts folgen Fasern, welche in fast 


Handgelenk von vorn, das Lig. carpi volare symmetrischem Verlaufe von der 

propr. vertical durchschnitten u. nach beiden __ 

Seiten zurückgeschlagen. Ri Sehne des M. ra- 1) Lacerti adseititü Weitbr. Ligg. superfi- 

dialis int. Apl des M. abd. poll. long. Vi An cialia M. J. Weber. Lig. volare artieuli carpi 

der Insertion abgeschnittene Sehne des M.ul- Arn. Lig ulno-vaginale (?) Güntber. 
naris int, U Uncus des Hakenbeins. 


FS 


2. Lig. carpi 
vol. prof. 


Lig. carpi 
vol. prof. 
arcuat. 


100 Handgelenk. 


Spitze des Processus styloid. radii und vom Pyramidenbein gegen die vor- 
dere Fläche des Kopfbeins convergiren, auf welcher sie sich befestigen 1). 

Wir schliessen an diese Abtheilung, obwohl man sie mit demselben 
Rechte zur folgenden rechnen könnte, schmale Bündel, welche einerseits 
am Erbsenbein, andererseits an der oberen Ecke des Trapezbeins entsprin- 
gen und den nächst oberen parallel einander ebenfalls auf der Vorderfläche 
des Kopfbeins begegnen. 

EN Die mittlere Abtheilung des Lig. profundum ?) schickt ihre Fasern 
strahlenförmig von eben dem rauhen Theile der vorderen Fläche des Kopf- 
beins aus, an welchen die untersten Bündel der oberen Abtheilung sich an- 
setzen, und zwar nach allen noch übrigen Richtungen, d. h. ulnar-, radial- 
und abwärts. Die gerade abwärts gerichteten begeben sich, von Ur- 
sprüngen der Daumenmuskeln bedeckt, zur Vorderfläche des dritten Mittel- 
handknochens; die nächsten, mehr und mehr der transversalen Richtung 
sich nähernd, treten an die Mittelhandknochen einerseits des zweiten, an- 
dererseits des vierten und fünften Fingers. Die ulnarwärts gerichteten 
Fasern wenden sich am Haken des Hakenbeins, den sie glatt überziehen 
und am Erbsenbeingelenk vorwärts, um dann wieder radialwärts in die 
oben erwähnte tiefe Querfaserschichte des Lig. carpi volare proprium um- 
zubiegen; ihnen begegnen, den Ring schliessend, die oberflächlichen der 
radialwärts vom Kopfbein ausgehenden Fasern, indem sie am Ulnar- 
rande der Sehne des M. radial. int., vor dem Trapezoidbein und der un- 
teren Spitze des Kahnbeins, vorwärts und dann ulnarwärts umbiegen, in- 
dess die tiefen Fasern hinter der Sehne des genannten Muskels zum 
Bande des Trapezbeins sich erstrecken. 

Lig. c. v. Die dritte Abtheilung des Lig. carpi volare profundum 3) besteht 

ET eynıs Bündeln, welche die Handwurzelknochen der unteren Reihe und die 
Basen der Mittelhandknochen je unter sich und die ersteren mit den letzte- 
ren verbinden. Diese Bündel sind zu einem stumpfwinklich dreiseitigen 
Bande vereinigt, dessen stumpfe Spitze abwärts gerichtet und an die Basis 
des dritten Mittelhandknochens angewachsen ist. Die Basis des Dreiecks 
bilden eine Anzahl transversaler Bündel, welche, gedeckt von den am Kopf- 
bein entspringenden Fasern, zwischen dem Trapez- und Hakenbeine, zwi- 
schen dem zweiten und fünften Mittellandknochen verlaufen. Die vom 
dritten Mittelhandknochen entspringenden und radialwärts aufsteigenden 
Fasern theilen sich, gleich dem Lig. radiatum, in zwei Schichten, eine ober- 
flächliche, welche vor der Sehne des M. radialis int. in das Lig. carpi vo- 
lare proprium umbiegt, und eine tiefe, welche hinter dieser Sehne an den 
zweiten Mittelhandknochen und den Rand des Trapezbeins treten. Die 
vom dritten Mittelhandknochen ulnarwärts aufsteigenden Fasern gehen, die 


‘) Dieser Theil des Lig. profundum entspricht den Ligg. accessoria (obliguum und 
rectum) Weitbr. Zigg. profunda M. J. Weber. Ligg. ulmo -radio- lunatum volare, radio- 
carpeum transversum volare, radio - capitatum, radio - capitato - trigueirum und radio-hunatum su- 
perficiale et profundum Günther. Meckel's Zig. accessor. cubito-carpale palmare umfasst 
nebst dem oberen Theil des Lig. profundum die Lacerti adscititü Weitbr. 

.) Zigg. radiata Günther. Ligg. obligua und jugalia Arn. Lig. volare ossis navieu- 
laris, multanguli et capitati und Lig. volare ossis triquetri, hamati et capitati Barkow. 

*) Ligg. carpi volaria aut. nebst den Zig. baseos metacarpi volaria aut. Lig. bifurca- 
tum sublime et profundum Arnold. 


Handgelenk. 101 


tieferen zur Basis des vierten und fünften Mittelhandknochens, die ober- 
flächlicheren zum kleineren Theil in das Hakenbein; die meisten setzen 
sich in das Lig. pisometacarpeum ($. unten) fort, hinter dem Rande des 
Hohlhandursprungs des Lig. carpi volare proprium. 

Hinter dem freien unteren Rande der vom Kopfbein und von der Ba- 
sis des dritten Handwurzelknochens radial- und vorwärts zum Lig. carpi 
volare proprium ziehenden Bandmasse, zwischen ihr und dem Daumenur- 
sprunge des Lig. carpi volare proprium kommt das Ende der Sehne des M. 
radialis int. zum Vorschein. Jene Bandmasse nimmt mit beiden Flächen 
an der Begrenzung von Ringen oder Scheiden Antheil, durch welche Seh- 
nen in die Hohlhand übergehen; mit der ulnaren Fläche an der Scheide 
für die Sehnen der Fingerbeuger, mit der radialen Fläche an der Scheide 
für die Sehne des M. radial. int. (Fig. 84). Die letztgenannte Scheide wird noch 
von besonderen transversal ringförmigen Faserzügen ausgekleidet, und an 
ihre innere Oberfläche ist, wie an die innere Oberfläche der Scheide der 
Fingerbeuger, stellenweise locker, stellenweise fest das äussere Blatt der 
Schleimscheiden angewachsen, welche die Sehnen umschliessen. 

Die Höhe des Lig. carpi volare propr. beträgt etwa 28"m, So hoch ist 
also auch das Rohr, welches die Sehnen der Fingerbeuger (nebst dem N. 
medianus) auf dem Wege zur Hohlhand umschliesst. Im Uebrigen gleicht 
dies Rohr einem im sagittalen Durchmesser abgeplatteten und gegen die 
untere Oeffnung sich erweiternden Cylinder (21”® jın transversalen, 11mm 
im sagittalen Durchmesser). Von der unteren Oeffnung desselben entsprin- 
gen, nach beiden Seiten divergirend, an der ulnaren Hälfte die Muskeln 
des Kleinfingerballens, an der radialen Hälfte die Muskeln des Daumen- 
ballens. 

Ein selbstständiges Carpometacarpalband geht ausserhalb des Ringes 
den die im Vorigen beschriebenen volaren Bänder der Handwurzel bilden, 
von der radialen Fläche der Tuberosität des Trapezbeins und dem vorde- 
ren Rande dieses Knochens zur vorderen Spitze der Basis des ersten Mit- 
telhandknochens, wo es sich dicht unter dem Daumenursprunge des Lig. 
carpi volare proprium und ulnarwärts neben der Insertion des M. abductor 
poll. 1. anheftet (cm Fig. 85). 


Dieses Band spannt sich bei den Bewegungen des Daumens, bei welchen der 
radiale Rand desselben rückwärts geht. 


d. Am Ulnarrande. 


Unter dem Lig. c. commune und der Selıne des M. ulnaris ext., zwi- $, Am ul- 


schen dem Processus styloideus ulnae einerseits und dem Pyramiden- und 
Erbsenbein andererseits ist die Kapsel des unteren Radio - Ulnarge- 
lenks von einer blättrigen, massiven Bindegewebslage bedeckt, in welcher 
sich nicht selten grosse, von Flüssigkeit erfüllte, schleimbeutelartige Räume 
finden. Diese Masse widersetzt sich der äussersten Supination und der Ra- 
dialflexion. Den Namen eines Bandes verdient sie nicht D). 


') Es ist der Fumiculus ligamentosus aut. Lig. radiatum Mayer. Lig. carpi ul- 
nare Arnold, 


narrande 


102 Handgelenk. 


Durch zwei ansehnliche plattrundliche Bänder, Lig. pisohamatum 1) 
und pisometacarpeum Krause ?), ist dagegen das Erbsenbein an die un- 
Fig. 86. terhalb desselben gelegenen "Theile 
vpa angeheftet. Des Lig. pesohamalum 
wurde schon bei Gelegenheit des 
Lig. earpi volare proprium gedacht. 
Von der radialen Fläche der Spitze 
des Erbsenbeins strahlt es gegen 
den Haken aus und geht nicht nur 
mit seinem oberen Rande in das Lig. 
carpi volare proprium über, sondern 
lässt auch zwischen seinen absteigen- 
den Bündeln quere Faserbündel her- 
vortreten, die sich dem Lig. carpi vo- 
lare propr. anschliessen. 

Das Lig. pisomelacarpeum ist 
zum grossen Theil nur Fortsetzung 
der an die Spitze des Erbsenbeins 

Handgelenk, von vorn. locker befestigten Sehne des M. ul- 
naris internus. Längs der ulnaren 
Fläche des Hakens, wie in einer Rinne herabgleitend, breitet es sich fä- 
cherförmig gegen die vordere Fläche der Basis des fünften bis dritten Mit- 
telhandknochens aus. Die zum dritten Mittelhandknochen verlaufenden Fa- 
sern 3) fliessen, wie erwähnt, mit der ulnaren Portion des Lig. carpi vol. 
profund. transversum zusammen. 

Lig. hamo- Ueber die schräg radialwärts verlaufenden Bündel des Lig. pisometa- 
metacap- garpeum ziehen schräg ulnarwärts die Bündel des Lig. hamometucar- 
peum #) herab, eines platten Bandes, welches zwischen der ulnaren Fläche 

des Hakens und der Basis des fünften Mittelhandknochens verläuft. 


Lig. pisoha- 
matum. 


Lig. pisome- 
tacarpeum. 


\ 
vpV Sr 
2 


& In den Zwischenräumen der Mittelhandknochen. 


g. Ligg. in- Als Ligamenta intermetacarpea interossea werden Fasern 
(erossea. peschrieben , welche die gemeinsame Metacarpalkapsel an der unteren Flä- 
che, in dem Raume zwischen den Körpern je zweier Mittelhandknochen 
verstärken. Sie verlaufen im Allgemeinen von dem hinteren Rande des 
den Zwischenraum radialwärts begrenzenden Mittelhandknochens zum vor- 

deren Rande des ulnarwärts gelegenen. ä 


V) Lig. volare ossis pisiformis et hamati Barkow. 
®) Lig. volare rectum ossis pisiformis Weber -H. 
®) Lacertus reflerus Weitbr. Lig. eircumfleeum Arnold. 
*) Lig. volare ossis hamati et metacarpi quinti Weber-H. 


Fingercarpalgelenke. 103 


F. Fingercarpalgelenke. 
a. Kapselbänder. 


Die Gelenkflächen der Köpfchen der Mittelhandknochen und der Grund- F. Finger- 
phalangen besitzen hyalinische Knorpelüberzüge, deren Mächtigkeit an der ur 
Vorderfläche der Köpfchen bis 11/;"=, an den übrigen Theilen des Gelenkes N 
aber in der Regel nur etwa halb so vielbeträgt. Mit dieser Knorpelbekleidung 
gleichen die Köpfchen Halbkugeln (von 9m Radius), von welchen man an 
jeder Seite durch parallele, vom Rücken der Hand volar- und etwas schräg 
daumenwärts geführte Schnitte ein Segment abgetrennt hätte. Die planen 
Seitenflächen sind, so weit sie in die-Gelenkhöhle schauen, ebenfalls von 
Knorpel überzogen, dessen Grundlage in der Tiefe hyalinisch, in der Nähe 
der freien Oberfläche bindegewebig ist. 


Fig. 88. 


Sagittaldurehschnitte des dritten Mittelhandknochen und Fingers. Fig. 87 gestreckt, 
Fig. 88 gebeugt. Ede Sehne des Ext. dig. comm. Fds, Fdp Sehnen des Flex. dig. 
subl. u. prof. Sie sind in Fig. 88 aus ihren Scheiden herausgenommen. ® Ligg. va- 


ginalia der Beugesehnen. *Retinaculum derselben. ** Tiefe Fascie des Handrückens. 
BA SF REL: e 


b. Haft- 
bänder. 


Ligg. acces 
soria. 


10& Fingercarpalgelenke. 


Die Concavität der Gelenkfläche der Grundphalangen geh rt einem 
grösseren Radius an und ist flacher als die Convexität der Köpfchen; die 
Incongruenz gleicht sich aus durch eine Synovialfalte, welche sich ringsum 
über den Rand der Pfanne legt und nur den mittleren Theil derselben frei 
lässt. Im frontalen Durchschnitt haben Köpfchen und Pfanne ziemlich 
gleiche Ausdehnung; im sagittalen Durchschnitt hat der Bogen der Pfanne 
nicht die halbe Länge des Bogens des Köpfchens. 

Die Kapsel ist an sich sehr zart und dehnbar, aber nach allen Seiten 
theils durch Bänder, theils durch Sehnen, welche mehr oder minder genau 
mit derselben verwachsen sind, verstärkt; sie setzt sich an der Phalange 
und am hinteren Rande des Metacarpusköpfehen dicht an die überknorpelte 
Fläche; vorn heftet sie sich an den Metacarpus gerade da, wo die vordere 
Firste des Körpers sich zur Vorderfläche des Köpfchens ausbreitet; sie geht 
dann an der Vorderfläche des Köpfchens herab bis zum Rande des Gelenk- 
knorpels, mit dem sie verschmilzt. 

Am Daumen, ausnahmsweise am zweiten und fünften Finger, finden 
sich in der vorderen Wand der Kapsel die Sesambeine, deren Form und 
Lage schon im osteologischen Theil (8. 238) beschrieben wurde. Regel- 
mässig ist nur der centrale Theil ihrer gegen die Gelenkhöhle schauenden 
Fläche frei; über den Rand legt sich eine ringförmige, platte Synovialfalte- 
So weit die Fläche frei liegt, hat sie einen feinen (?/,wm mächtigen) hyali- 
nischen Knorpelüberzug; der bedeckte Theil der Fläche ist von Beinhaut 
bekleidet. Eine frenulumartige Falte der Kapsel springt zwischen beiden 
Sesambeinen in die Gelenkhöhle vor. 


b. Haftbänder. 


Nur an wenigen Stellen des Fingermetacarpalgelenks ist die Kapsel 
als eine, wiewohl dünne, doch ziemlich feste, nicht deutlich faserige, selbst- 
ständige Schichte darstellbar. So namentlich an der hinteren Wand des 
Gelenks; hier wird sie zunächst bedeckt von einer Fortsetzung der tiefen 
Fascie des Handrückens, Fig. 87**, die sich bis an den Rand der Basis der 
Grundphalange verfolgen lässt und in der Nähe ihrer Insertion deutlich 
längsfaserig wird. Hinter dieser Fascie laufen die Sehnen der Fingerstre- 
cker über das Gelenk, zum Theil mit der Fascie verwachsen und vermöge 
dieser Verwachsung bei der Contraction der Streckmuskeln auf die erste 
Phalanx wirkend, zum Theil, und zwar gerade hinter dem Gelenk, mittelst 
eines Schleimbeutels von der tieferen Schichte geschieden. 

Ueber die Seitenwand der Gelenkkapsel zieht jederseits zu äusserst eine 
Ausbreitung schräg dorsalwärts absteigender Fasern, die Sehnen der Mm. 
inteross. (Fig.90 J), die sich zum kleinen Theil in der Kapsel verlieren, zum 
grösseren an die Seitenfläche der Basis der Grundphalange befestigen. In 
einer mit dieser Faserung gekreuzten, volarwärts absteigenden Richtung 
folgt dann nach innen das Lig. accessorium (radiale und ulnare) 1), das 
einzige, scharf abgegrenzte, dazu verhältnissmässig sehr starke Hülfsband 


) Ligg. lateralia aut. 


Fingercarpalgelenke. -105 


des Fingercarpalgelenkes. Es nimmt seinen Ursprung aus der Grube an 
jeder Seite des Mittelhandköpfehens und von dem diese Grube von hinten 
her begrenzenden Höcker und endet an der Seitenfläche und dem unteren 
Fig. 89. Rande der vorderen 
Fläche der Basis der 
Grundphalange, so dass 
die vorderen Ränder der 
Bänder von beiden Sei- 
ten in einem stumpfen 
Winkel zusammenstos- 
sen, wohl auch im Bo- 
gen in einander fliessen. 
Wirklich gehen, un- 
mittelbar an die vorde- 
ren (oberen) Ränder der 
Ligg. accessoria sich 
anschliessend, Lagen 
schräger, fächerförmig 
ausgebreiteter, und je 
weiter vorwärts ent- 
springend, um so mehr 
transversaler Faserbün- 
or del aus den Gruben des 


Fig. 89. Sagittaler Durchschnitt des Fingercarpalge- Köpfchens des Metatar- 
lenks, von innen, das Capitulum der Mittelhandknochen eNerderfäche.d 

weggeschnitten. 7 Schnittfläche JM. interosseus. n Nerve. sus zur Vorderlläche der 
v Lig. vaginale; die Sehnen der Fingerbeuger sind aus ih- Kapsel, um hier von den 


rer Scheide herausgenommen. beiden Rändern des Fin- 

Fig. 90. Fingercarpalgelenk, im Profil. Edc Sehne des gers her sich zu vereini- 
M. ext. comm. J Sehne des M. interosseus. Z Sehne a er: 

des M. lumbricalis. gen. Die mächtigste Ver- 

stärkung aber erhält die 

vordere Kapselwand durch transversale Bündel, welche innerhalb der Ligg. 

accessoria und der eben beschriebenen fächerförmigen Fasern über die 

seichte Concavität des vorderen Randes der Basis der Grundphalange von 

einer Seite zur anderen herüberziehen, eine wahre Lippe der Gelenkpfanne, 

mit ihrer hinteren Fläche die Aushöhlung der letzteren vergrössernd und auf 

dieser Fläche die in die Gelenkhöhle vorspringende Synovialfalte tragend, 

mit ihrem freien Rande zugeschärft in die vordere Kapselwand übergehend 

(Fig. 90 *). 

Mit den genannten schrägen und queren Fasern der vorderen Kapsel- 
wand mischen sich Faserzüge von meist transversaler Richtung, welche 
von verschiedenen Seiten äusserlich an das Gelenk treten. Das Bindege- 
webe, welches die tiefen Hohlhandmuskeln (Interossei) deckt, die sogenannte 
tiefe Volarfascie (Fig. 90**), erhält in der Gegend der unteren Enden der 
Mittelhandknochen starke und straffe transversale Fasern, welche eine 
Strecke weit über die Gelenkkapsel herabgehen und, zwischen den Kapseln 
ausgespannt, als Ligg. capitulorum volaria !) die Metacarpusköpfchen der 


2) Ligg. capitulorum aut. 


Ligg. capit. 
volaria. 


106 - Fingercarpalgelenke. 

dreigliederigen Finger aneinanderheften (Fig. 90.91). Von der volaren Fläche 

dieser transversalen Fasern gehen sagittale Scheidewände vorwärts zur 
Fig. 91. 


L = Fde cv L % per ev 


Fde ey Fde DIE 


Fa 


Horizontaldurchschnitt der Hand durch die Fingercarpalgelenke. J Mm. interossei. Z Min. 
lumbricales. 7’de Sehnen der Fingerbeuger. 2 Kleinfingerballen. 


transversalen Faserschichte der Volaraponeurose (Fig. 90.91 ***), in diese 
Je radial- und ulnarwärts umbiegend, bilden sie glatt ausgekleidete Röhren, 
innerhalb welcher auf den Gelenken die Beugesehnen, auf den Ligg. capi- 
tulorum ant. die Mm. lumbricales (Z) nebst den Nerven und Gefässen der 
Finger eingeschlossen sind. 

Die vorderen Wände der Röhren für die F ingersehnen setzen sich auf 
‚die Phalangen als sogenannte Zigg. vagenalia fort, Querbänder, deren Haupt- 
fasermasse am radialen und ulnaren Rande der Phalangen befestigt ist, de- 
ren innerste Fasern aber, ringförmig geschlossen, an den Phalangen die 
Beinhaut der Vorderfläche, an den Gelenken die vordere Kapselwand ver- 
stärken (Fig. 87. 89. 90). 


TieBrdoranl. Mit der vorderen und Seitenwand der Kapsel hängen auch noch die 


Ligg. dorsalia Dursy !) zusammen. Es sind ringförmige Fasern, welche 
vorn in dieFaserung der Kapselwand untrennbar eingeflochten sind, an den 
Seitenflächen des Gelenkes aber sich isoliren, auf- und abwärts ausstrahlen 
und über die äussere Fläche der Ligg. accessoria, diese und die einzelnen 
Sehnenbündel der Mm. interossei durchkreuzend, zur Strecksehne verlaufen; 
indem sie auf der Vorder- und Hinterfläche der letzteren von beiden Seiten 
her einander begegnen, schliessen sie den Kreis. Die Höhe des Lig. dor- 
sale wird vermehrt und dasselbe zugleich an die artieulirenden Knochen 
befestigt dadurch, dass vom Köpfchen des Mittelhandknochens, sowie von 
der seitlichen Spitze der Basis der Grundphalange Fasern nach hinten 
abgehen ?), welche sich, jene oben, diese unten, an das Lig. dorsale und 
mit ihm an die Strecksehne anschliessen (Fig. 92). Das Lig. dorsale ist es, 
welches die Strecksehne zum Schutze der Rückenfläche des Gelenkes fest an 
dasselbe herandrückt; mit dem oberen Rande grenzt es unmittelbar an die 
sehnige Ausbreitung der Mm. Jumbricales und interossei, mit dem unte- 
ren Rande ist es nur lose an die Umgebung angeheftet, so dass es den 
Bewegungen der Strecksehne folgen und sich wie eine Kappe über das 


') Zeitschr. für rationelle Mediein. Neue Folge. Bd. IH, S. 77. 
?) Vincula extensorum Weitbr. 


FE 


Fingergelenke. 107 


Capitulum hin- und herziehen kann. Niedere Querbänder, Ligg. capitu- 
lorum dorsalia, sind in der Nähe des oberen Randes zwischen den Ligg. 
Fig. 92. dorsalia von Finger zu Finger gespannt. 

Zuweilen sind die Seitenflächen der Gelenkkap- 
seln von einem Schleimbeutel überkleidet, welcher, 
comprimirt, zwischen den unteren Enden der Mit- 
telhandknochen je zweier Finger liegt. 

Durch die innige Verbindung der aufgezähl- 
ten Faserlagen erhält die vordere Kapselwand eine 
bedeutende Mächtigkeit, und zugleich einen Grad 
von Steifheit, der sie den Faserknorpeln oder Band- 
scheiben ähnlich macht. Sie bedarf desselben in 
ihrer doppelten Function, das Gelenk zu schützen 
und den Beugesehnen als Rolle zu dienen. Die 
Sesambeine sind, wo sie vorkommen, ganz in der 
Dicke der vorderen Kapselwand eingeschlossen. 

Die accessorischen Seitenbänder werden durch 
Beugung der Finger gespannt und widersetzen 
sich alsdann der Rotation der Grundphalange um 
ihre Längenaxe. 


Fingercarpalgelenk im 
Profil. (Vgl. Fig. 90.) 


G. Fingergelenke. 


a. Kapselbänder. 


Die Gelenke der Finger sind reine Winkelgelenke; die mit einem mitt- 
leren, sagittalen, rechtwinklich gegen die Axe des Cylinders gestellten Vor- 
sprunge versehene Pfanne jeder unteren Phalange gleitet auf dem in gleicher 
Richtung gefurchten Kopfe der nächst oberen. Auf der unteren Phalange 

Fig. 93. ist die Kapsel am äusseren Rande des die Pfanne umgebenden 
Wulstes befestigt; auf der oberen Phalange setzt sich die Kap- 
sel sowohl an der vorderen als hinteren Fläche in einiger Ent- 
fernung von dem Rande des eigentlichen Köpfchens an, vorn 
noch etwas höher als hinten (Fig. 87). Der Theil des Körpers der 
Phalange, der auf diese Weise in die Gelenkhöhle mit aufgenom- 
men wird, ist nur von Beinhaut bekleidet. Der hyalinische 
Ueberzug der Articulationsflächen ist 1% mächtig, um so dün- 
ner, je geringer die Ausdehnung der Gelenkflächen, und regelmäs- 
sig dünner auf den Pfannen, als auf den Köpfchen. Im transver- 
salen Durchmesser sind Kopf und Pfanne einander fast gleich; im 
sagittalen Durchmesser ist die Pfanne kleiner als das Köpfchen. 
Bei gestreckter Haltung des Fingers lässt die Pfanne hinten 
einen kleinen, vorn einen grossen Theil der überknorpelten 
Frontaldurch- FJäche des Köpfchens frei. In starker Beugung ist die grös- 

schnitt der 
Fingergelenke. $Te hintere Hälfte des Köpfchens nur von der gespannten 
Kapsel bekleidet und bildet den sogenannten Knöchel; die 


Ligg. capit. 
dorsalia. 


G. Finger- 
gelenke 
a. Kapseln. 


b. Haftbän- 
der. 


II. Bänder 


der unteren 


Extremität. 


A. des Gür- 
tels. 


a. Eigenes 
an 


Lig. obtur. 


108 Bänder der unteren Extremität. 


Pfanne ruht auf der vorderen Hälfte des Köpfchens und ihr abgeschräg- 
ter Rand lehnt sich an den in die Gelenkhöhle schauenden Theil der Vor- 
derfläche des Körpers der Phalange (Fig. 88). 


b. Haftkänder. 


Bezüglich der Haftbänder haben die Fingergelenke ganz dieselbe Ein- 
richtung wie die Fingercarpalgelenke. Den Rücken der Kapsel deckt zu- 
nächst eine Fortsetzung der Bindegewebsschichte, welche die Streckseh- 
nen mit der Beinhaut der Rückenflächen der Phalangen verbindet, dann die 
Strecksehne selbst, welche mit jener Bindegewebsschichte so genau ver- 
wächst, dass die Sehne selbst die hintere Kapselwand zu bilden scheint. An 
den Seitenflächen findet sich je einLig. accessor. radiale und ulnare, 
von derselben Form und Richtung, wie an den Fingercarpalgelenken. — 
Ebenso wie an diesen Gelenken wird ferner die vordere Kapselwand der 
Fingergelenke zu einer ansehnlichen fibrösen Rolle !) (in welcher sich aus- 
nahmsweise ein Sesambein eingeschaltet findet), verdickt durch Querfaser- 
züge, die zum Theil in der Beinhaut der Vorderfläche der Phalange schon 
in einiger Entfernung vom Gelenke sich zu entwickeln beginnen, zum Theil 
einer fibrösen Lippe des vorderen Randes der Pfanne angehören und wieder 
Fasern den Ursprung geben, die sich ringförmig nach vorn zu den Ligg. 
vaginalia, nach hinten zu Ligg. dorsalia schliessen. Von der inneren 
Fläche dieser Querwülste springt die Synovialfalte in die Gelenkhöhle vor; 
von ihrer äusseren Fläche gehen sagittale Bindegewebsstreifen ab (Fig. 
87*), welche den Beugesehnen Gefässe zuführen (Retinacula tendinum). 
Den Ligg. capitulorum analoge, frontalgestellte fibröse Septa gehen von den 
Seitenflächen der Kapseln ab zur Cutis der Finger 2). 


II. Bänder der unteren Deere 
A. Bänder des Gürtels der unteren Extremität. 
a. Eigenes Band des Hüftbeins. 
Lig. obturatorium 0°). 


Das Band, welches den grössten Theil des Hüftbeinlochs verschliesst 
und dessen äussere Fläche nach Wegnahme des M. obturat. ext., dessen 
innere Fläche nach Wegnahme des M. obturat. int. zum Vorschein kommt, 
besteht aus Faserzügen von verschiedener, im Wesentlichen horizontaler 


\) Ligg. transversa volaria Krause, Ligg. transv. anter. Arn. 

®) Ligg. cutanea lateralia Weitbr. Theile dieser Septa sind die Zigg. unguium latera- 
ia subtensa Weitbr. Ligg. unguium aut. Ligg. lateralia longa Dursy. 

®) Membrana obturatoria s. obturatric. Membrana obturat. int. R, Fischer (Beitrag zur 
Lehre über die Hernia obturatoria, Luzern 1856. 4.). 


Lig. obturatorium. 109 


Richtung, die hier und da kleine Lücken lassen, an anderen Stellen sich in 
Blätter sondern. Das Band ist ringsum an den Rand des Hüftbeinlochs 


Fig. 94. 


Vordere  Beckenwand mit dem oberen Ende des Schenkelbeins. Co Can, obturatorius. 
Ip M. iliopsoas. Pe M. pectineus. Oe M. obturator ext. Al, Am M. abductor longus 
und magnus @f M. quadr. ftem. Gmi M. glut. minimus. Die übrigen Zeichen beziehen 

- sich auf Bänder des Hüftgelenks. (S. unten Seite 128,) 
angewachsen mit Ausnahme der oberen Ausbuchtung dieses Lochs, un- 
ter welcher es mit geradem Rande vom Tub. obturat. sup. zum Tub. ob- 
turat. inf. herübergeht. Der angewachsene Theil befestigt sich oben und 
vorn am äusseren Rande des For. obturatorium und so liegt das Band hier 
im Niveau der äusseren Fläche des Schambeins; nach unten und hinten 
weicht seine Anheftung auf den inneren Rand des For. obturator. zurück, 
und hier liegt es also im Niveau der inneren Oberfläche des Beckens. An 
der inneren Fläche ist es demnach oben, an der äusseren Fläche unten von 
einer Rinne, deren Tiefe der Dieke der Beckenknochen entspricht, umsäumt. 
Aus der inneren Rinne entspringen Fasern des M. obturat. int., aus dem 
unteren Theil der äusseren Rinne Fasern des M. obturat. ext.; den oberen 
Theil der äusseren Rinne erfüllt Fett, welches mit dem Fette der Hüftge- 
lenkkapsel zusammenhängt und von einzelnen platten Bandstreifen (Fig. 94. 
107 *) bedeckt ist, die aus dem Lig. obturatorium theils zum äusseren Rande 
des For. obturatorium, theils zur Hüftgelenkkapsel gehen. 

Der gerade, gegen den Knochen freie Rand des Bandes fügt sich an 
die Fascie, welche die der Beckenhöhle zugekehrte Oberfläche des M. ob- 
turat. int. bekleidet oder vielmehr an einen starken, aufwärts concaven Seh- 
nenstreifen, welcher auf der Innenfläche des Beckens zwischen beiden Tubb. 
obturatoria verläuft, einem Theil der Fascie des M. obturat. int. zum Ur- 
sprunge dient und sich deshalb abwärts in diese Fascie verliert. 

Der M. obturat. int. ist zwischen seiner inneren Fascie und dem Lig. 
obturat. eingeschlossen, so dass das letztere die Stelle einer äusseren Fascie 
dieses Muskels vertritt. Innere und äussere Fascie vereinigen sich am 
oberen Rande, zwischen dem Tub. obturator. sup. und inf. mit einander 


b. Bänder 
zw. Stamm 
u. Hüftbein. 


@. Kapsel 
des Ilio-Sa- 
cralgelenks. 


110 Lig. obturatorium. 


dergestalt, dass während die innere Fascie streng nur die innere Fläche des 
Muskels bedeckt, die äussere sich von der vorderen Fläche des Muskels 
über dessen mehr oder minder dieken oberen Rand zur inneren Fascie be- 
giebt und mit dem eben beschriebenen Sehnenstreifen, der den oberen Rand 
der letzteren darstellt, verbindet. Die innere Fascie steigt deswegen ganz 
gerade, d. h. in der Flucht der inneren Oberfläche der vorderen Becken- 
wand auf; die äussere Fascie, oder das Lig. obturat., im Ganzen der inneren 
Fascie parallel, neigt sich in der Nähe der oberen Anheftung an den freien 
Rand der inneren Fascie, unter einem spitzen Winkel gegen die letztere. 

Dieser geneigte, den oberen Rand des M. obturatorius bekleidende 
Theil des Lig. obturatorium ergänzt den Suleus obturatorius (Knochenl. $. 
246) zum Canal; er bildet den Boden des Canals, Can. obturatorius 
(Fig. 94 Co), dessen knöcherne Decke der Suleus obturat. darstellt. Der 
Canal geht bei normaler Stellung des Beckens fast genau vorwärts und ab- 
wärts und enthält, in Fett eingehüllt, den N. und die Vasa obturatoria. 

Den dem medialen Rande zunächst gelegenen Theil des Lig. obtura- 
torium verstärken Sehnenbündel des M. obturat. ext., die an die Aussen- 
fläche des Bandes dergestalt angewachsen sind, dass die Bündel dieses Mus- 
kels von dem Bande zu entspringen scheinen. Eine geringe Anzahl von 
Muskelfasern nimmt übrigens ihren Ursprung wirklich vom Lig. obtura- 
torium N). 


b. Bänder zwischen den Knochen des Stammes 
und dem Hüftbein. 


«. Kapsel des Ilio - Sacralgelenks. 


In dem Ilio-Sacralgelenk (Art. sacro-ihaca) articuliren die Facies 
auriculares des Kreuz- und Hüftbeins. Beide sind in ihrer ganzen Ausdeh- 
nung überknorpelt; der Knorpel des Kreuzbeins ist stärker als der des 
Hüftbeins (jener 2 bis 3, dieser nicht über I”m mächtig). Die Grundsub- 
stanz der Knorpelüberzüge ist hyalinisch, mit grösseren oder kleineren 
Knorpelhöhlen, die in der Tiefe länglich und mit dem längsten Durchmes- 
ser senkrecht gegen die Oberfläche gestellt, in der Nähe der freien Ober- 
fläche rundlich sind. Der oberflächlichste Theil der Gelenküberzüge (von 
etwa 0,1jmm Mächtigkeit) bildet meistens auf feinen Durchschnitten einen 
undurchsichtigen, bei auffallendem Lichte weissen Saum, der zuweilen nur. 
von einer Anhäufung dunkler Körnchen um die Knorpelhöhlen, zuweilen 
von einer Umwandlung der hyalinischen Grundsubstanz in Fasergewebe 
herrührt. In seltneren Fällen besitzen die Articulationsflächen einen fei- 
nen, deutlich faserigen Ueberzug von Bindegewebe; auch sieht man sie, 
zumal in der Nähe des hinteren oberen Randes, durch feine, dehnbare Bin- 
degewebsfäden mit einander verbunden. 

Beide Oberflächen decken einander vollkommen und schliessen, der 


ı) Zum Lig. obturatorinm rechnen Viele eine Bandmasse, welche mit der Vorderfläche 
desselben zusammenhängt und über diese hinweg zur Kapsel des Hüftgelenks zieht (Fig. 
94 pf). Ich werde sie in Verbindung mit dem letzteren beschreiben. 


Tlio - Sacralgelenk. 111 


Regel nach, genau an einander; im Alter werden sie zuweilen etwas rauh 
und höckerig, und dann muss die Menge der Synovia zwischen denselben 
zunehmen. 

Die Artieulationsebenen der beiden Ilio-Saeralgelenke neigen sich im 
Ganzen mit ihren hinteren und unteren Rändern einander entgegen; bei 
einem in der Richtung der Längsaxe des Can. sacral. von oben her wir- 
kenden Drucke würde demnach das Kreuzbein, einem Keil ähnlich, zwi- 
schen die Hüftbeine eingetrieben; bei einem Druck auf die aufwärts ge- 
wandte Rückenfläche des Kreuzbeins dagegen müsste das Kreuzbein um so 
leichter zwischen den Hüftbeinen herabgedrängt werden, da es, wie ein 
umgekehrter Keil, von der hinteren gegen die vordere Fläche an Breite zu- 
nimmt. Diese für die Festigkeit der Verbindung, besonders bei aufrechter 
Haltung des Rumpfes, unzweekmässige Gestalt wird indess einigermaassen 
corrigirt durch Krümmungen der Articulationsebene , die freilich nieht in 

Fig. 9. allen Fällen und. nicht an allen Stellen 
des Gelenkes gleich ausgeprägt sind. All- 
gemein ist die Articulationsebene im 
schmalen Durchmesser oder in einem 
der Ebene des Beckeneingangs paralle- 
len Durchschnitte medianwärts convex, 
so dass bei aufrechter Haltung im hin- 
teren (oberen) Theile des Gelenkes das 
Kreuzbein auf dem Hüftbeine, im vorde- 
ren unteren Theile das Hüftbein auf dem 
Kreuzbeine ruht. Hierzu kommt häufig 
noch am hinteren (oberen) Theile des Ge- 
lenkes (Fig. 95) eine zweite, steilere, me- 
dianwärts concave Krümmung, in Folge 
welcher das Darmbein mit dem hinter- 
sten (obersten) Theile seiner Gelenkfläche 
wieder über das Kreuzbein greift. Aus- 
serdem ist der von den unteren Hälften 
der Facies auriculares gebildete Theil 
der Articulationsebene auch der Länge 
nach medianwärts convex. 

Die Kapsel des Ilio - Sacralgelenkes 
ist die über die Gelenkspalte straff her- 

übergespannte, aussen durch horizontale 
Bi Biene de Bekngn, Fasern verstärkte, gogen die Gelenk 
Fig. 95 durch den ersten, Fig. 96 durch Höhle mit einer weichen, gefässreichen 
den zweiten Kreuzwirbel. Cv Can. ver- Bindegewebslage bekleidete Beinhaut. 
a a DR: Sie geht nur an dem der Beckenhöhle 

zugewandten Theile des Gelenkes nicht 
unmittelbar vom Rande der Knorpelüberzüge, sondern in geringer Entfer- 
nung neben denselben von der Vorderfläche des Kreuz- und Hüftbeins aus, 
so dass hier ein schmaler Raum bleibt, in welchen Synovia ausweichen 
kann. Niedrige Synovialzotten finden sich vorzugsweise in diesem Raume, 
jedoch auch an den übrigen Rändern der Knorpelflächen. 


112 Ilio -Sacralgelenk. 


In den ersten Lebensjahren ist das Ilio-Sacralgelenk eine Syndesmose; die 
Articulationsflächen hängen durch Fasergewebe zusammen. 


ß. Haftbänder. 


1. Ligamentum ileo-lumbale. 


. Hatt- An einer früheren Stelle ($S. 32) wurde ein Band oder vielmehr eine 
N; a Sehnenhaut, das Lig. lumbo-costale, beschrieben, welche zwischen der letz- 
iumbale. ten Rippe, den Querfortsätzen der Bauchwirbel und dem oberen Rande der 
Hüftbeine ausgebreitet ist und aus der Verschmelzung von Ligg. costo- 
transversaria, intercostalia und rippenartigen Faserzügen hervorgeht (Fig. 25). 
Sie bildet das hintere Blatt einer Scheide, in die der M. quadrat. lumborum 
eingeschlossen ist. Das vordere Blatt dieser Scheide ist in der Regel nur 
eine dünne Fascie; doch kann, wie dort ebenfalls bereits angegeben wurde, 
das vordere Blatt die Faserbündel eingewebt enthalten, die das Lig. lumbo- 
costale charakterisiren. Immer ist dies gegen das untere Ende der Fall; 
das vordere Blatt der Scheide des M. quadrat. lumborum wird also, mag 
es in seinem oberen Theile fein oder fest und sehnig sein, jedenfalls in der 
Nähe der Beckenanheftung durch mächtige bandartige Streifen verstärkt. 

Diese bilden das Lig. ileo-Jumbale (Fig. 97). 


Fig. 97. 


** 


Hintere Beckenwand von vorn. Lig. ileo-Jumbale. Va 4, Va 5 Querfortsatz 
des vierten und fünften Bauchwirbels. 


Ilio-Sacralgelenk. 113 


Das Lig. ilio-Jumbale stellt demnach, wie das Lig. lumbo-costale, einen 
Bandapparat dar, in welchem sich mehr oder minder selbstständige Züge 
von verschiedenem Verlauf unterscheiden lassen. Man muss dazu schon 
die Fasern rechnen, welche vom Querfortsatz des vierten Bauchwirbels 
transversal in die erwähnte Fascie und schräg lateralwärts absteigend zum 
Querfortsatz des fünften Bauchwirbels gehen. Sie wiederholen sich in 
gleicher Weise am Querfortsatz des fünften Bauchwirbels mit der Aende- 
rung, dass die transversalen Fasern (Fig. 97*)!) als ein starkes, sichelförmig 
gekrümmtes Bündel, welches an seinem Ursprung den ganzen Querfortsatz 
einhüllt, in den-oberen Rand des Hüftbeins verlaufen, die schräg lateral- 
wärts absteigenden (**) ?) in den Theil der Beinhaut des Beckens sich ver- 
lieren, die vorn und hinten den obersten Theil des Ilio-Sacralgelenks deckt. 
Die absteigenden Züge gleichen Ligg. costo-transversalia anteriora, indem 
sie von der Seite her die Oeffnungen begrenzen, durch welche der vordere 
Ast des vierten und fünften Lumbarnerven hervortreten, um ins Becken 
hinabzugehen. Vor- und medianwärts von denselben verlaufen platte 
Bündel in verticaler Richtung von der Wurzel des Querfortsatzes und der 
Synchondrose je eines Wirbels zu der entsprechenden Stelle des nächsten 
(***). Sie dienen Köpfen des Psoas zum Ursprung und bilden Brücken 
über Gefässäste, die auf den Wirbelkörpern liegen. 


2. Ligamenta ilio-sacralia. 


Die Kapsel des Ilio-Sacralgelenks wird ringsum durch Bandstreifen ge- 2. Lige. 
deckt, die quer oder schräg vom Kreuz- zum Hüftbein verlaufen. An der en, 
Vorderfläche ist der Beinhaut, wie erwähnt, eine Reihe transversaler Bün- 
del, Lig. ilio-sacrale anticum ?), eingewebt, deren Mächtigkeit von oben 

Fig. 98. nach unten abnimmt. Hinter dem Ge- 
lenk sind die einander. zugekehrten Tu- 
berositäten beider Knochen durch eine 
grosse Zahl unregelmässiger, theils plat- 
ter, theils eylindrischer Bänder, deren 
Zwischenräume Fett ausfüllt, straff mit 
einander verbunden. Die Bandmasse, 
im Ganzen, Lig. ilio - sacrale inter- 
osseum Bichat®), nimmt nach hinten 
und oben, wie sich der Raum zwischen 
Hüft- und Kreuzbein erweitert an Breite 
zu. Die hintersten Bänder bilden, in- 
Durchschnitt des Ilio-Sacralgelenks, pa- dem sie von den Gelenkfortsätzen des 

raliel der Ebene des Beckeneingangs K Dame da en 

durch den ersten Kreuzwirbel. reuzbein gegen S 

strahlen, eine zusammenhängende und 


') Lig. pelvis anticum sup. s. ilio-lumbale sup. 

>) Lig. pelvis anticum inf. s. ilio-lumbale inf 

®) Ligg. sacro-iliaca vaga ant. Krause. Lig sacro-iiacum ant. aut. : 

>) Ligg. sacro-iliaca accessoria vaga aut. Ligg. s. i. vaga posteriora Krause, Ligg. 
lateralia postica Weber- Hildebrandt. Ligg. sacro-iliaca posteriora und vaga s. inter-- 
ossea Arn. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 8 


114 Ilio -Sacralgelenk. 


ziemlich ebene Lage, /ig. ilio-sacrale posticum !), die den Grund der 
Furche auskleidet, aus welcher die Streckmuskeln der Wirbelsäule entsprin- 
gen (Fig. 100). Sie hängen mit den sehnigen Ursprüngen dieser Muskeln, 
insbesondere des M. multifidus Spinae, zusammen. 


3. Lig. sacro -tuberosum ?). 
Br DE Das Lig. sacro - tuberosum entsteht als eine breite, sehnige Haut 
sum. mit mehreren Platten, welche Fett und Gefässe einschliessen, vom hintersten 


Fig. 99. 


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Hintere Beckenwand, von hinten Mm gluteus max. (Gm) und 
med. an den Ursprüngen abgeschnitten. Gmi Ursprung des M. 
gluteus minimus an der Ineisura ischiad. maj. Oi M. obturator 
int. von seiner Fascie bedeckt. Oi’ derselbe, beim Austritt aus der 
Ineisura ischiad. min, durchschnitten. P M. pyrif., beim Austritt aus 
der Ineisura ischiad. maj. durehschnitten. C M, coceygeus. Bf! M. 
biceps fem. cap long. St, Sm M. semitendinosus u. semimembra- 
nosus, *Fascie der langen Rückenmuskeln. **Eingewebtes Bündel 
von der Spina post. sup. oss. ilium zum Proc. artic. spur, des drit- 
ten Kreuzwirbels. 


') Zig. sacro-ilacum Bichat. Lig. sacro-iliacum profundum Me 
post prof. et breve aut ?) Lig. sacro-ischiad maj. Weitbr. 

Meckel. Lig. tuberoso-sacrum aut. ®) Lig. post. long. Weitbr, 
s superficiale Meckel Z, sacro-spinosum Bichat. 


Lig. sacro-iliacum verticale posticum Cruv. 


Theil des oberen 
Hüftbeinrandes 

unter denUrsprün- 
gen des M. glu- 
teus maximus, 

vom Seitenrande 
des freien Theils 
des Kreuzbeins u. 
der zwei oberen 
Steisswirbel. Von 
den am Hüftbeine, 
in der Gegend 
der Spina post. 
sup., entspringen- 
den Fasern geht 
eine Anzahl, einen 
diekenStrang(Fig. 
99 st) zusammen- 
setzend, fast ge- 
rade ab- und nur 
wenig median- 

wärts zu den fal- 
schen Querfortsä- 
tzen des dritten 
bis fünften Kreuz- 
wirbels 3). Alle 
übrigen, zu wel- 
chen sich noch 
Fasern gesellen, 
welchen der er- 
wähnte Strang 

zum Ursprunge 

dient, begeben sich 
convergirend und 
schräg lateral- 


ckel. Zig. ilio-sacrale 
Lig. pelvis post. magn. 
Lig. post. s. longum 


Lig. ilio-sacrum longum Weber-H. 


115 


wärts absteigend zur Mitte des medialen Randes des Sitzhöckers. Das 
Band hat somit im Ganzen eine spitzwinklich dreiseitige Form, einen me- 
dialen, einen oberen und unteren Rand, jener mit dem unteren Ende me- 
dianwärts, die beiden letzteren mit dem lateralen Ende stark abwärts ge- 
Der mediale Rand steht im Zusammenhänge mit der Fascie, welche, 


Ilio-Sacralgelenk. 


neigt. 


andererseits an die Proc. spin. spurii des Kreuzbeins befestigt, die in der 
Kreuzbeinaushöhlung entspringenden langen Rickenmuskeln von hintenher 
bedeckt. (Dieser Fascie gehören auch die Fascikel an, die von der Spina post. 
sup. des Hüftbeins ab- und medianwärts an Gelenksfortsätze (Fig. 99**) und 


Fig. 100. 


selbst an Dornfortsätze 
des Kreuzbeins treten.) 
Der obere Rand des Lig. 
sacro - tuberosum 
sich, rasch verdünnt, in 
die Fascie der durch die 
Ineisura ischiadica ma). 
und min. austretenden 
Rollmuskeln des Ober- 
schenkels fort. Der un- 
tere Rand, welcher zwi- 
P schen dem Steissbein und 
dem Sitzhöcker zur Be- 
grenzung des Becken- 
ausgangs beiträgt, ist 
leicht concav und wul- 
stig; dicht über diesem 
Rande heftet sich an die 
innere Fläche des Bän- 
des die Fascie des M. 
obturator. int. 

Die Spitze des Lig. 
sacro - tuberosum ,„ die 
sich am Sitzhöcker be- 
festigt, breitet sich ge- 
gen die Insertion wieder 


setzt 


Isp 


len 


Hintere Beckenwand, von hinten. Die Fascie der langen Rü- 
ekenmuskeln ist nebst den Ursprüngen dieser Muskeln weg- 
genommen. Lig. sacro-tuberosum durchschnitten. sZ Reste 
desselben. isp Lig. ilio-sacrale post. i/ Lig. ilio-Jumbale. ? 
M. pyriformis. € M. coceygeus. 0i' Durchschnittsfläche 
des M. obturator int. Oi tiefer Kopf desselben 
(Mm. gemelli aut). 


etwas aus; insbesondere 
lässt sich nach vorn und 
unten, längs dem unte- 
ren Rande des unteren 
Sitzbeinastes, ein schma- 
ler Sehnenstreif (s{“) ) 
eine Strecke weit verfol- 
gen, welcher aufwärts 


in die Fascie des M. obturat. int. übergeht und mit der inneren Fläche des 
Sitzbeins eine nach oben offene Rinne bildet, in welcher der Rand des ge- 


I) Appendix inf. Weitbr. 
tosa aut. 


Processus falciformis s. Lig. faleiforme s. Falx ligamen- 


SE 


116 Ilio-Sacralgelenk. 


nannten Muskels ruht. Ein Theil der Fasern des Lig. sacro-tuberosum 
geht über den Sitzhöcker fort gerade in die Sehnen des M. biceps und semi- 
tendinosus über. Auf der hinteren Fläche des Bandes wurzeln Bündel des 
M. gluteus max. 


4. Lig. sacro-spinosum SSP 1). 


et Unter diesem Namen versteht man eine Lage glänzender,, fibröser 

ero spino- Streifen, welche auf der hinteren Fläche der Spina ischiadica entspringen 
und vor dem oberen Rand des Lig. sacro-tuberosum vorüber an dessen 
vordere Fläche und an den Seitenrand des Kreuzbeins gehen. 

Diese Fasern verdienen kaum den Namen eines Bandes; sie decken 
die hintere Fläche eines Muskels, dessen Fasern an derselben Stelle, nur 
in etwas weiterem Umfange, ihren Ursprung nehmen; sie verhalten sich 
also zu diesem Muskel wie Fasern einer Fascie und nicht selten sogar: wie 


Fig. 101. 


Seitenwand des Beckens von aussen, ?, C, Oi wie in den beiden vorhergehenden 
Figuren. 


>) Lig. sacro-ischiadicum minus s. internum Weitbr. Lig. pelvis post. parvum Meckel. 
Lig. spinoso-sacrum aut. 


Schambeinsynchondrose, 117 


Selinenfascikel, indem sie gegen die Kreuzbein-Insertion sich zwischen 
Muskelfasern verlieren. Zuweilen werden die Bandfasern fast ganz von 
Muskelfasern verdrängt. Eine reichlichere Entwickelung der Bandfasern 
scheint demnach auf Kosten des Muskels, durch eine theilweis fibröse Ent- 
artung, Statt zu finden. 

Der Muskel, der zu dem Lig. sacro-spinosum in diesem Verhältnisse 
steht, ist der Coceygeus. Er ist platt, vierseitig; seine Fasern verlaufen 
fast genau transversal, indess die Bandfasern an seiner hinteren Fläche 
um Weniges medianwärts aufsteigen. Band- und Muskelfasern kreuzen sich 
daher unter spitzem Winkel; der Muskel überragt den oberen und den un- 
teren Rand des Bandes, den oberen um so weiter, je näher der Spina ischiad., 
den unteren um so weiter, je näher der Wirbelsäule; seine untersten Fa- 
sern, die sich an die oberen Steisswirbel ansetzen, kommen, das Becken 
von hinten betrachtet, unterhalb des unteren Randes des Lig. sacro-tubero- 
sum zum Vorschein (Fig. 99. 100). 

Die Bandfasern, die das Lig. sacro-tuberosum erreichen, legen sich dicht 
neben dem oberen Rande dieses Bandes an die Vorderfläche desselben an 
und biegen zum Theil sogleich wieder gegen den Rand um, eine lateral- 
wärts offene Rinne auskleidend, in welche eine Strecke weit der untere 
Rand des M. pyriformis eingeschlossen ist (Fig. 100 P) und aus welcher 
auch noch Fasern dieses Muskels entspringen. 


ec. Bänder zwischen beiden Hiüftknochen. 


Schambeinsynchondrose, Synchondrosis !) pubis. 


Diese Synchondrose zeigt sowohl in ihren Dimensionen, als in ihrer 
Textur zahlreiche Verschiedenheiten. Die Form, die man als normale an- 
sehen muss, weil sie in Körpern mittleren Alters am häufigsten vorkommt 
und weil sie eine Vermittelung zwischen den Extremen bildet, ist die 
folgende: 

Die elliptischen Flächen, welche beide Hüftbeine einander zuwen- 
den, haben hyalinische Knorpelbekleidung von ansehnlicher und über die 
ganze Oberfläche ziemlich gleich bleibender Mächtigkeit (2 bis 3mm). Den 
Raum, der zwischen beiden Knorpelflächen übrig bleibt, erfüllt eine zum 
Theil faserknorpeliche, zum Theil rein fibröse Substanz, deren Fäsern aus 
der Grundsubstanz des hyalinischen Knorpels unmittelbar hervorgehen. Die 
Mächtigkeit dieser Zwischenlage ist, wie sich von selbst versteht, durch den 
Abstand der Knorpelflächen von einander bedingt, und da die Synchondro- 
senflächen der Schambeine gegen den vorderen Rand und die untere Spitze 
divergiren (Knochenl. S. 247), so nimmt der transversale Durchmesser der 
Zwischensubstanz von hinten nach vorn und, in geringerem Maasse, von 
oben nach unten zu. Die Divergenz der Knorpelflächen beginnt aber erst 
von ihrer Mitte an oder selbst noch etwas weiter nach vorn; in der hinte- 
ren Hälfte oder den hinteren zwei Dritteln der Synehondrose liegen sie ein- 
ander parallel und so nahe, dass die Zwischensubstanz auf Horizontal- 


D) Symphysis. 


c. Scham- 
beinsyn- 
chondrose. 


118 Schambeinsynchondrose. 


schnitten (Fig. 102) nur wie ein feiner weisser Strich erscheint und sich oft 

Fig. 102. nur durch die Verschiebbarkeit der 
Knorpel an dieser Stelle kund giebt. 
In dieser schmalen Zwischensubstanz 
findet sich eine mediane Spalte mit 
vollkommen glatten und einander 
genau berührenden Wänden, von 
etwa der halben Höhe der Synchon- 
drose, dem oberen Rande der letz- 
teren viel näher gerückt, als dem 
unteren, nach hinten nur durch 
die Beinhaut verschlossen, welche 


Durchschnitt der Schambeinsynchondrose , pa- 
rallel der Ebene des Beckeneingangs. 


von dem einen Schambein zum anderen herübergeht. 

Ein Theil der Varietäten der Schambeinsynchondrose lässt sich darauf 
zurückführen, dass der hyalinische Knorpelüberzug durch Wucherung der 
benachbarten Gewebe eingeschränkt und verdrängt wird und zwar von zwei 
Seiten her. Erstens nämlich schreitet die Verknöcherung der Hüftbeine ge- 
gen die Medianebene vor, und der Knorpel wird theilweise in spongiöse, und 
selbst in compacte Knochenmasse umgewandelt; immer ist dabei die Grenze 
des Knochens gegen den Knorpel sehr unregelmässig, ausgebuchtet oder zackig. 
Zweitens breitet sich von der Mittellinie aus die faserige Knorpelsubstanz 
lateralwärts auf Kosten der hyalinischen aus und der Horizontalschnitt der 
Synchondrose zeigt einen breiten gelblichen faserigen Streifen zwischen 
zwei mitunter sehr schmalen hyalinischen Säumen. 

Eine andere Gruppe von Varietäten bezieht sich auf die mediane 
Spalte. Sie kann ungewöhnlich klein sein oder fehlen, und dieser Mangel 
ist als ein Stehenbleiben auf früherer Entwickelungsstufe zu betrachten; denn 
beim Kinde sind die Synchondrosenflächen in ihrer ganzen Ausdehnung 
durch fibröse Substanz aneinandergeheftet, und nur das Mikroskop zeigt in 
dieser Substanz spaltförmige Lücken, die später sich vergrössern oder zu- 
sammenfliessen müssen, um die Höhlung der reifen Synchondrose zu bilden. 
Einmal sah ich, in der Nähe des unteren Randes der Synehondrose, die 
hyalinischen Ueberzüge beider Knochen unmittelbar zusammenhängen ver- 
mittelst einer Brücke hyalinischer Knorpelsubstanz, welche den Faserknor- 
pel durchsetzte. Andererseits findet sich die Spalte sowohl nach vorn und 
unten vergrössert, als auch im transversalen Durchmesser erweitert und im 
letzten Falle mit synoviaähnlicher Flüssigkeit gefüllt; so soll sie sich na- 
mentlich bei Schwangern und Wöchnerinnen verhalten). Barkow fand 


') Es sind Untersuchungen in grösserem Maassstabe, als die bis jetzt veröffentlichten, 
nothwendig, um über diesen Punkt Gewissheit zu erlangen. Hunter (Lond, med. observ. 
and inquiries. Vol. II, 1762, p. 339) hat die Synchondrose zweier Neuentbundenen unter- 
sucht ; bei der einen fand sich eine Höhle, bei der anderen nicht. Tenon (Mem. de I’Insti- 
tut des sciences. T. VI, 1806, p. 180) sagt ausdrücklich, dass er Synchondrosen mit 
einfachem Zwischenknorpel auch bei Wöchmerinnen und Synchondrosen mit medianer Spalte 
auch bei Männern und bei Frauen, die nicht geboren hatten, gesehen habe. Er citirt aber 
(p. 137) eine Reihe älterer Schriftsteller, welche alle der Meinung sind, dass die Scham- 
beinsynchondrose sich während der Schwangerschaft lockere und beweglich werde. Bar- 
kow (Syndesmol. $. 72) scheint eine Höhle in der Synchondrose allerdings nur bei kürz- 
lieh Entbundenen (in 2 Fällen) gesehen zu haben; Cruveilhier (Vol. I, p. 518) fand 


Schambeinsynchondrose. 119 


sie durch eine Faserknorpelbrücke in eine obere und untere Abtheilung 
gesondert; Luschka beobachtete, statt einer medianen Spalte, zwei pa- 
rallele, welche den medianen Faserknorpel jederseits von dem hyalinischen 
Ueberzug der Knochenenden schieden. 

Die Wände der Spalte begrenzt in der Regel derselbe (elastische) 
Faserknorpel, welcher die hyalinischen verbindet, mit oft sehr grossen Knor- 
pelzellenhaufen. Bei einer Neuentbundenen fand ich eine besondere, die 
Höhle auskleidende, helle Schichte von 0,01”, nicht deutlich faserig, aber 
in Essigsäure aufquellend. Zuweilen sind die Wände der Spalte leicht un- 
eben und insbesondere vom hinteren Rande ragen warzenförmige, steckna- 
delkopfgrosse Fortsätze, eine Art dicker, niederer Synovialzotten, in die- 
selbe hinein. 

Die Substanz der Synchondrose geht ohne deutliche Grenze über in 
das Bindegewebe der die Schambeine verbindenden Beinhaut und der 
Muskelsehnen, die von diesem Theil des Beckens ihren Ursprung nehmen. 
Sowohl Horizontal- als Medianschnitte zeigen den Uebergang. Den oberen 
Rand und die hintere Fläche der Synchondrose deckt nur die Beinhaut. 
Sie ist !/;mm mächtig und besteht aus hauptsächlich transversalen Bündeln, 

welche continuirlich von einer Seite zur anderen 

über den medianen Vorsprung hinweggehen, der 
an der Innenfläche der vorderen Beckenwand von 
den rückwärts aufgeworfenen hinteren Rändern der 

Syncehondrosenflächen der Schambeine erzeugt 

wird (Fig.102). Bedeutend mächtiger, bis zu 10mm, 

ist das Bindegewebelager, welches an die Vorder- 
fläche der Synchondrose grenzt und die über die 

A Mitte der äusseren Fläche der vorderen Becken- 
wand herablaufende Furche ausfüllt. Es verweben 
edge sich hier mit der Beinhaut des Beckens die Inser- 
mediale Sehne des M. reet. tionen der Bauchmuskeln und die Ursprünge der 
abd. *der zwischen V dor- oberflächlichen Adductoren des Oberschenkels. 
en Auf dem Mediandurchschnitte (Fig. 103) bietet 
wio-prostatienm. die Bindegewebsmasse!) ein Bild, welches an 

den Faserring der Wirbelsynchondrosen erinnert, 

und sie besteht, gleich diesem, aus Schichten von alternirendem Verlauf, 
jede im Allgemeinen schräg absteigend, aber die Richtung der vorherge- 
henden unter spitzem Winkel kreuzend. Je näher aber dem unteren Rande 
der Synchondrose, um so mehr nähert sich der Zug der Fasern der Trans- 
versalen, bis sie endlich am unteren Rande der Synchondrose, am knöcher- 
nen Schambogen, mit den transversalen Fasern der hinteren Fläche zusam- 
menstossen. Im Verein mit diesen bilden sie ein querfaseriges Band, Lig. 


Fis 103. 


1 / 
9% ap */ 


einmal bei einer 79jährigen Frau, welche 19 Kinder geboren hatte, die Symphysenknorpel 
vollkommen frei, beweglich, von einer fibrösen Kapsel umschlossen, Die beiden Durch- 
schnitte, welche Luschka (Virchow’s Archiv, Bd VII, S. 316) nebeneinanderstellt, um 
die Veränderungen der Synchondrose durch die Schwangerschaft zu erläutern, zeigen eine 
hinreichend auffallende Verschiedenheit; aber ich habe in der Leiche einer 30jährigen, acht 
Tage nach der Entbindung gestorbenen Frau gerade die Form angetroffen, welche Luschka 
als Typus der Synchondrose jungfräulicher Körper abbildet. 
') Annulus ligamentosus Weitbr. Lig. annulare aut. Lig. pubis anterius Cruv. 


1 


120 Schambeinsynchondrose. 


Lig. arenat, rcualum pubis!) (Fig. 104), welches in der Flucht der vorderen Becken- 


pubis. 


wand zwischen den den Schambogen begrenzenden Rändern der Scham- 


Fig. 104. 


Mittlerer Theil der vorderen Beckenwand, um die transversale Axe auf- und rückwärts ge- 

dreht. Oae, Oae‘ medialer und lateraler Theil der Insertionssehne des M. obl. abd. ext. 

Ra Mediale Sehne des M. rect, abd., sich fortsetzend in das äussere Blatt der Fascie des 

C. cavernosum penis (**) und in die Fascie der Adductoren des Schenkels (***), * Lig, 

pelvio-prostaticum, 1 V. dors. penis, 2 N. u. A. dorsalis penis, 3 C. cavernosum penis, 
4 Harnröhre, Ic M. ischiocavernosus, sämmtlich quer durchschnitten. 


beine ausgespannt ist und I" unter (hinter) dem Scheitel des knöcher- 
nen Schambogens, mit leicht concavem, zugeschärftem Rande endet. Nur 
der mittlere Theil dieses Randes ist frei und begrenzt von vorn und oben 
her die Lücke, durch die die V. dorsalis penis (elitoridis) ins Becken ein- 
tritt; seitlich hängt das Lig. arcuatum pubis mit dem Lig. pelvio-prostati- 
cum und der Fascie des M. obturator int. zusammen. 

Mit dem Gewebe der Schambeinsynchondrose variirt auch der Ge- 
fässreichthum derselben. Von den Bindegewebsschichten der vorderen 
Wand aus erstrecken sich Blutgefässe oft ziemlich tief nach hinten in die 
elastischen Schichten, die den Raum zwischen den Knochen ausfüllen. 


\) Lig. arcuatum inf. aut. Lig. annulare inf. M. J. Weber. Lig. pubis inf. Cruv. 
Lig. pelvis ant, triangulare Bourgery. 

Zur Aufstellung eines Lig. arcuatum sup. (L. annulare sup. M. J. Weber) hat ein 
plattes, transversales und aufwärts convexes Faserbündel Anlass gegeben, welches über 
die Synchondrose hinweg vom oberen Rande des einen Schambeins zum anderen verläuft. 
Dies Bündel gehört der inneren Fascie der Bauchwand an; es ist der untere Theil eines 
dreiseitigen Bandes, des sogenannten Zig. triangulare s. adminiculum lineae albae, welches 
sich, aufwärts zugespitzt, in die Linea alba fortsetzt und bei den Bauchmuskeln zur Sprache 
kommen wird. 

Die Ligg. pubis enteriora cruciata Bourg. sind die auf die entgegengesetzte Körper- 
seite übertretenden Sehnenbündel des M, rectus abdom. 


Schambeinsynchondrose. 121 


Die bewegliche Verbindung der Beckenknochen kann kaum einen anderen Er- Physiolog. 
folg haben, als die Kraft der Erschütterungen, welchen das Becken ausgesetzt ist, 
zu brechen. Auf die Dimensionen der Beckenhöhle hat sie keinen Einfluss. Denn 
eine Erweiterung des Beckens könnte nur so zu Stande kommen, dass eine von 
innen aus nach allen Seiten gleichmässig wirkende Gewalt die Knochen in den 
3 Verbindungsstellen auseinander triebe, oder, was dasselbe ist, die Zwischenräume 
zwischen ihnen vergrösserte. Dem steht aber, abgesehen von der geringen Dehn- 
barkeit der Bandsubstanzen, der Mangel einer Einrichtung entgegen, wodurch der 
leere Raum, der durch Entfernung der Beckenknochen von einander entstehen 
müsste, ausgefüllt werden könnte. Die geringe Menge Fett hinter dem Tliosacral- 
gelenk reicht dazu nicht hin und in der Umgebung der Schambeinsynchondrose 
fehlt es ganz an leicht verschiebbaren Substanzen. So äussert sich auch die Be- 
weglichkeit in den Beckengelenken und Synchondrosen an Leichen, und zwar 
nicht bloss bei Schwangern und Wöchnerinnen, lediglich in einer Verschiebbarkeit 
der Flächen aneinander, nach oben und unten oder nach vorn und hinten. 


Das Lig. sacro -tuberosum trennt jederseits die Bucht der Seitenwand Beckenaus- 
des Beckens (Ineisura sacro-ischiadica, Knochenl. $. 251) von dem Becken- 
ausgang. Mit seinem unteren Rande, der indess gegen das Steissbein, wie 
. erwähnt, vom M. coceygeus überragt wird, hilft das Lig. sacro-tuberosum 
den Beckenausgang begrenzen, dessen Ränder demnach von den Sitzhöckern 
vorwärts knöchern, von den Sitzhöckern rückwärts durch Weichtheile ge- 
bildet sind, zwischen welchen das Steissbein in der hinteren Mittellinie einen 
spitzen Vorsprung bildet (Fig. 99. 100). 

Die Ineisura sacro-ischiadica wird in Verbindung mit dem oberen Forr. ischia- 
Rande des Lig. sacro-tuberosum zu einem Loche, welches das Lig. sacro- Ser 
spinosum in eine obere, grössere und untere, kleinere Abtheilung, Foramen 
ischiadie. maj. und minus, scheidet (Fig. 99). An dem Becken, wie man es 
gewöhnlich mit den Bändern zu trocknen pflegt, scheinen beide Abtheilungen 
in die Beckenhöhle zu führen; in der That aber dient nur das Foramen 
ischiadieum majus zur Verbindung der Beckenhöhle und insbesondere der 
innerhalb derselben gelegenen Gefässe und Nerven mit den an der Aussen- 
fläche der hinteren Beckenwand gelegenen Theilen. Das Foramen ischiadi- 
cum minus ist gegen die Beckenhöhle durch die Fascie des M. obturator 
int. abgeschlossen und die Gefässe und Nerven, welche zwischen dem Lig- 
sacro-spinosum und sacro-tuberosum durchtreten, rückkehrende Zweige der 
durch das For. ischiad. majus aus dem Becken hervorgetretenen Gefässe 
und Nerven, finden ihre Verbreitung in der Seiten- und unteren Wand 
des Beckens. 


B. Hüftgelenk. 


Das Hüftgelenk gehört zu den Arthrodien. Die Articulationsebene B. Hütt- 
ist Theil einer Kugelfläche von 22”m Radius. Der Kopf des Schenkelbeins 
(Fig. 105 auf folg. Seite) ist mehr als halbkugelich (Knochl. S. 255); die 
Pfanne, wie sie am knöchernen Becken erscheint, misst in keinem Durch- 
schnitt, der durch den Mittelpunkt der Kugel gelıt, mehr als 180°, in den 
meisten weniger. Der Rand der knöchernen Pfanne aber wird von einem 


Labr. gle- 
noideum. 


Lig. transv. 
acetabuli. 


122 Hüftgelenk. 


weichen Saum umgeben, welcher, wie die fibröse Lippe des Schultergelenks, 
mit Einer Fläche in der Flucht der inneren Oberfläche der Pfanne liegt und 
so die Pfanne vertieit. Mit 
diesem Saum stellt die Höh- 
lung der Pfanne in einzel- 
nen Durchschnitten einen 
Bogen von mehr als 180° dar. 

Die Lippe der Pfanne, 
Labrum glenoideum '), 
besteht aus Bindegewebs- 
bündeln, welche grössten- 
theils ringförmig um den 
Rand der Pfanne verlaufen. 
Sie erhält Verstärkung durch 
Fasern, die von dem abge- 
rundeten Vorsprung oder 
Horn, in welches der über- 
knorpelte Theil der Pfanne 
nach hinten ausläuft, ent- 
springen und in Form eines 
platten Bandes über die In- 


Frontalschnitt des Hüftgelenks, parallel den Fasern eisura acetabuli Mas, % ir 
des Lig. teres (£f). o Lig. obturatorium. R,f la- Gegend des vorderen, spitzen 


terale Ursprungssehne des M. rectus femoris. 20 Endes des überknorpelten 
Zona orbieularis der Kapsel (s unten). 3 Fettpol- . 2 ER 
ar der Hansa facetahele Theils der Pfanne sich erstre- 
cken (Fig. 106). Man kann an 
diesen Faserzügen eine ober- 
flächliche, von der Pfanne aus sichtbare, und eine tiefe Lage unterscheiden. 
Von der oberflächlichen Lage?) enden nur einige wenige der innersten 
Fasern an der genannten Spitze; die meisten setzen, indem sie gegen den 
Pfannenrand convergiren, ihren Weg nach aussen von demselben in die 
Lippe fort. Die Fasern der tiefen Lage ?) befestigen sich unterhalb der 
vorderen Spitze der knorplichen Pfanne an den Rand des For. obturatorium 
und an den Anfang der Crista obturatoria (Fig. 107). Indem sie gegen den 
vorderen Insertionspunkt sich zugleich etwas einwärts, nach der Beckenaxe 
wenden, kreuzen sie unter sehr spitzem Winkel die Fasern der oberflächli- 
chen Lage. 

Der eben beschriebene, brückenförmig über die Incisura acetabuli 
sich hinziehende Theil des fibrösen Pfannensaumes ist das sogenannte Lig. 
fransversum acelabuli. Es wendet eine Fläche aufwärts, die zur Ver- 
vollständigung der Pfanne dient, die andere Fläche abwärts; der eine Rand 
sieht nach innen und begrenzt mit der Incisura acetabuli eine Lücke oder 
Spalte, durch welche, in Fettgewebe eingehüllt, Blutgefässe in die Pfanne 
eintreten; der andere Rand geht ohne Unterbrechung in die Lippe. über. 


Y\ Lig. cotyloideo-fibrocartilagineum acetabui Meckel. 
?) Lig. transversale int. Weitbr. Lig. labri cartilaginei int, Meckel. 
®) Lig. transversale ext. Lig. labri cart. ext. M. 


Hüftgelenk. 123 


Die Breite des Lig. transversum, vom Rande der Pfanne gegen den 
Grund derselben gemessen, beträgt 10". Die Breite der Lippe an den 
übrigen Theilen des Randes variirt 
zwischen 4 und 9mm, Sie ist am 
grössten längs dem hinteren Rande 
der Pfanne und am geringsten an der 
Stelle, wo auch der knöcherne Rand 
der Pfanne eingebogen ist, unterhalb 
der Spina ant. inf. oss. ilium. Der 
Rand erhält dadurch im Ganzen eine 
wellenförmige Gestalt und die Pfanne 
selbst eine ungleichmässige Tiefe. 

Der Knorpelüberzug der Pfanne 
hat 2mm Mächtigkeit; er verdickt 
sich etwas gegen die Lippe und schärft 
sich gegen die Fossa acetabuli mit 
unregelmässig ausgebuchtetem Rande 
zu. In die Lippe geht er an einzel- 
nen Stellen glatt über, an anderen Stel- 
len, und ganz ohne Regel, ist er von 
ihr durch eine tiefe Furche, die bis 
auf den Knochen gehen kann, ge- 

k x schieden; die Furche wird zuweilen 

Horizontalschnitt der Pfanne, untere Hälfte. - 

Das Lig. teres (tf) an der Insertion in die gedeckt von einem platten, scharf- 
Fossa capitis (Fe) getrennt, der Schenkel- randigen Saum, der sich von der 
Kr ehe 1er? Lippe, eine Strecke. weit über den 
Pfanne. 2 vorderes Ende. 3 Fettpolster Knorpel hinlegt. An der in die Pfanne 
der Fossa acetabuli. schauenden Oberfläche sind die ring- 
förmigen Faserzüge der Lippe be- 
ständig von einer feinen Schichte radiär, d. h. vom freien Rande zur 
Basis der Lippe verlaufender Bindegewebsbündel bedeckt. Diese Bündel 
_ kleiden die Furche zwischen der Lippe und dem Rande des Knorpelüber- 
zugs, wo eine solche besteht, aus, setzen sich dann auf die Oberfläche des 
Knorpels fort und lassen sich zuweilen ziemlich weit in die Pfanne, bis 
über das äussere Drittel, verfolgen. An der Fossa acetabuli dagegen ist 

die Grenze zwischen Knorpel und Bindegewebe ganz scharf. 

Die Fossa acetabuli enthält ein Fettpolster (Fig. 105. 106. 3), welches 

locker und etwas verschiebbar vermittelst feiner Gefässe und Bindegewebs- 
stränge mit seiner Unterlage zusammenhängt, am Rande aber meistens ganz 
frei auf derselben liegt. 
Nicht selten zieht eine Furche über den überknorpelten Theil der Pfanne 
in der Nähe des vorderen Endes quer von der Fossa acetabuli zum Pfannenrande 
und grenzt ein ungefähr kreisrundes Stück von der hufeisenförmigen Knorpel- 
fläche ab. Sie erinnert an die Querfurche der Fossa sigmoidea der Ulna (s. oben 
Seite 73). ; 

Der Schenkelkopf hat hyalinischen Knorpel, welcher, wie auf allen 
Gelenkköpfen, am mächtigsten in der Mitte ist (bis 4m) und gegen den 
Rand sich zuschärft. Im Umkreise der Fossa capitis aber, bis auf etwa 
3"m Entfernung von derselben, besitzt der Knorpel einen Ueberzug von 


Fig. 106. 


Lig. teres. 


124 Hüftgelenk. 


Bindegewebe, welches mit dem die Fossa capitis ausfüllenden Bindegewebe 
und dadurch mit den Bindegewebsbündeln des Lig. teres in Zusammen- 
hang steht. 

Das Lig. teres ({f)!) trägt beide Namen mit Unrecht. Es ist weder 
eylindrisch, noch ein Band im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern 
eher den an beiden Enden angewachsenen Synovialfortsätzen vergleichbar. 
Ob die Gefässe, die es führt, mit den Gefässen des Schenkelkopfes com- 
municiren, oder nicht ?), immer ist es wesentlich Träger von Gefässen und 
wie die Synovialzotten an der Absonderung der Gelenkflüssigkeit betheiligt. 
Was seine Gestalt betrifft, so ist es platt oder dreiseitig prismatisch mit 
einer sehr stumpfen Kante und liegt mit seinen Flächen der Articulations- 
ebene parallel, zwischen dem Fett der Fossa acetabuli und dem Schenkel- 
kopf (Fig. 105). In seiner einfachsten Form hat es spitzwinklich dreiseitige 
Flächen; es tritt breit an der Lücke zwischen der Ineisura acetabuli und 
dem Lig. transv. ins Gelenk und inserirt sich mit dem abgestutzten spitzen 
Winkel an die Fossa capitis. Es füllt demnach die Fossa acetabuli nicht aus, 
sondern lässt, je näher seiner Insertion am Schenkelkopf, um so mehr Raum 
zu beiden Seiten frei (Fig. 106), in welchem es bei den Rotationen des Schen- 
kels sich vor- und rückwärts bewegt. Die Lücke, welche zu den Seiten 
des Lig. teres zwischen dem Schenkelkopf und dem Fett der Fossa aceta- 
buli übrig bleibt, wird ohne Zweifel von Synovia erfüll. Die ebenbe- 
schriebene einfachste Gestalt des Lig. teres wird indess vielfältig durch 
Synovialfortsätze alterirt, welche bald scheidenartig die Basis oder Spitze 
umgeben, bald in Form von Wülsten, Kämmen oder Zotten von den Flächen 
oder Rändern ausgehen. Eine dünne, dehnbare Falte heftet die untere 
Fläche des Bandes eine kürzere oder längere Strecke weit an das Fettpol- 
ster der Fossa acetabuli. 

Das Gewebe.des Lig. teres ist aussen fest, im Inneren locker, so dass 
das Band im Querschnitt den Eindruck eines Hohleylinders machen oder, 
wenn die lockere Partie sich dem einen oder anderen Rande nähert, sich 
wie eine gefaltete Membran ausnehmen kann. Die äusserste Schichte ist, 
wie bei den Synovialzotten, ein epitheliumartiges Lager von Kernen in 
heller Substanz, die oberflächlichen plattrund, die tieferen stäbchenförmig 
und zwar in der Richtung des Querschnittes des Bandes verlängert, die 
oberflächlichsten gewöhnlich in rhombischen Plättehen eingeschlossen. 
Unter den Kernen folgt Bindegewebe, aussen in verhältnissmässig dün- 
ner Lage quer oder ringförmig und weiter nach innen in mächtigerer 
Lage longitudinal angeordnet. Die Axe nehmen feine, netzförmig verbun- 
dene Bindegewebsbündel ein mit weiten, hier und da Fett enthaltenden 
Maschen. Die Blutgefässe liegen in dem festen Bindegewebe, die Stämmehen 
in der Tiefe zwischen den longitudinalen Bündeln, die Aestchen meist quer 
näher der Oberfläche. Die queren Bündel des Lig. teres grenzen nach 
aussen an die Fasern desLig. transversum; von den longitudinalen Bündeln 
entspringt die Hauptmasse am hinteren Rande der Ineisura acetabuli theils 


Br Lig. rotundum Meckel. L. interarticulare Cruv. 
) Nach Hyrtl (Top. Anat. Bd. II, S. 331) wenden die Arterien des Lig. teres an 
der Einpflanzungsstelle desselben am Schenkelkopf schlingenförmig in Venen um. 


Hüftgelenk. 125 
von der Aussenfläche der Pfanne, theils aus der Kapsel und gelangt unter 
dem Lig. transversum in die Gelenkhöhle; andere treten vom Lig. trans- 
versum und von der vorderen Ecke der Incisura acetabuli hinzu. 

Die Stärke des Lig. teres ist variabel; es kann durch eine Synovialfälte ver- 
treten sein, die beim leichtesten Zug zerreisst (Cruveilhier). Fälle von ange- 
borenem Mangel desselben hat Palletta gesammelt (Meckel’s Archiv, Bd. VI, 
S. 341). 

Die Kapsel des Hüftgelenks ist am Hüftbein dergestalt befestigt, dass 
die Lippe fast ganz in die Gelenkhöhle mit aufgenommen wird. Nur der 
unterste Theil des Pfannenrandes, der vom Lig. transversum gebildet wird, 
setzt sich zuweilen eben. in die innere Oberfläche der Kapselmembran fort. 
Am vorderen Rande der Pfanne entspringt die Kapsel von der äusseren 
Fläche der Lippe in der Nähe ihrer Basis, am hinteren und oberen Rande 
entspringt sie vom Knochen noch jenseits der Basis der Lippe. Ihre innere 
Fläche aber liegt, so weit sie über die Lippe herabgeht, der äusseren Fläche 
der letzteren genau an. Am Schenkelbein ist die Insertion der Kapsel 
vorn eine Strecke weit durch die Linea obliqua bezeichnet; an der Wurzel 
des grossen und kleinen Trochanters verlässt sie diese Linie und wendet 
sich auf die Rückseite des Halses; auf dieser zieht sie etwas oberhalb der 
Linea intertrochanterica und parallel derselben hin. Der Schenkelhals 
liest demnach mit der vorderen Fläche ganz, mit der hinteren Fläche zum 
grössten Theil innerhalb der Kapsel; die innerste Schichte der letzteren 
schlägt sich glatt oder in Längsfalten !) an ihm hinauf (Fig. 106), um am 
Rande des Kopfes mit dem Knorpelüberzug des letzteren zu verschmelzen. 

Die innerste Schichte der Kapsel, abgesehen vom Epithelium, ist eine 
dünne, aber sehr feste, für das blosse Auge gleichförmige Membran, in 
welcher das Mikroskop parallel und zwar transversal oder ringförmig ver- 
laufende, dicht neben einander geordnete Bindegewebsbündel nachweist. 
Der grösste Theil dieser Membran ist äusserlich mit mächtigen, deut- 
lich faserigen Bindegewebszügen belegt, die man, wenngleich sie sich 
gegen die innerste Schichte nicht scharf abgrenzen, doch als besondere 
Hülfs- oder Haftbänder auffassen kann. Es lassen sich kreisförmige, dem 
Pfannenrande parallel verlaufende und longitudinale, vom Pfannenrande 
zum Schenkel absteigende Bandmassen unterscheiden. 

Die kreisförmigen Fasern, Zona orbicularis 2), sind am deutlichsten 
in der unteren Wand der Kapsel, weil sie einestheils hier weniger von lon- 
gitudinalen Fasern verdeckt werden und anderentheils, entsprechend der 
tiefen Aushöhlung der unteren Fläche des Schenkelhalses, zu einem verhält- 
nissmässig dickeren und schärfer begrenzten Wulst angehäuft sind, der den 
Hals eng umschliesst. Dieser Wulst (Fig. 105) nimmt etwa das mittlere Drittel 
der Höhe der unteren Kapselwand ein; zwischen seinem oberen Rande und 
der Pfanneninsertion, sowie zwischen seinem unteren Rande und der Schen- 
kelbeininsertion der Kapsel (Fig. 107) kommen nur platte und zerstreute 


\) Retinacula s. plicae s. frenula capsulae, 

*) Ich behalte diesen von E. Weber eingeführten Namen bei, obgleich die Zona or- 
bieularis nach meiner Beschreibung nicht ganz mit der von Weber übereinstimmt. Weber's 
Zona orbieularis (Lig. zonale Arn. Lig. annulare femoris H. Meyer) geht nämlich von 
der Spina ant. sup. oss. ilum aus und kehrt wieder zu derselben zurück. 


Kapsel. 


Zona orbie. 


126 Hüftgelenk. 

transversale Bindegewebsbündel vor. Von der unteren über die vordere 
Fig. 107. 
a 


/, 


N, 
| N 


Hüftbein um die verticale Axe etwas rückwärts, um die transversale aufwärts gedreht. 
Schenkelbein mit der vorderen Fläche lateralwärts gedreht und abdueirt. o Lig. obturato- 
rium. ta Lig. transv. acetab. *** Hintere Wand des Schleimbeutels des M. iliopsoas. 
Ip‘ Tiefer Kopf dieses Muskels. Rf Lateraler Kopf des M. recetus femoris # M. ext. qua- 
driceps. **, *Dünne Stellen der unteren Kapselwand. Trmj, Trm Troch. maj. u. minor. 


und obere Wand der Kapsel heraufsteigend, breiten sich die ringförmigen 
Fasern gleichmässiger aus, und werden auch innerhalb der Dieke des Ban- 
des durch die longitudinalen Fasern, die sich zwischen sie eindrängen, 
mehr vertheilt; doch bilden sie auch nochin der oberen und hinteren Wand 
der Kapsel in der Nähe ihrer Schenkelbeininsertion eine nach innen vor- 
ragende Verdickung. 

Longitudi - Die longitudinalen accessorischen Fasern entspringen mit der Kapsel 

»ale Bänder im ganzen Umfang der knöchernen Pfanne; sie fehlen nur dem vom Lig. 
transversum ausgehenden Theil der Kapsel; sie verhalten sich aber ver- 
schieden in Bezug auf ihre Endigung und ihre Stärke. Die meisten gehen 
zwischen den ringförmigen Fasern hindurch an das Schenkelbein; eine 
kleine Zahl endet in dem ringförmigen Faserwulst. Es giebt also Partien 
der Kapsel, welche garz gleichförmig von Längsfasern bedeckt sind, an- 
dere, in welchen die Längsfasern unterhalb der Zona orbieularis, andere 
endlich, in welchen die Längsfasern ober- und unterhalb der Zona orbi- 
eularis fehlen. 

Lig. ischio- In der Zona orbicularis enden die longitudinalen Fasern, Lig. ischro- 

eapsulare. Camsulare Barkow, welche an dem Theil des Pfannenrandes, den das 


Hüftgelenk. 127 


Sitzbein trägt, insbesondere aus der Rinne unterhalb der Pfanne (Knochen- 
lehre, Fig. 238 *) 
ihren Ursprung neh- 
men. Sie sind von 
mässiger Stärke(3"m) 
und von horizontalem 
Verlauf, gleich den 
Fasern des M. obtu- 
rator int., von wel- 
chen sie bedeckt wer- 
den (Fig. 107.108). 

Unmittelbar an das 
Lig. ischio-capsulare 
schliessen sich die 

° hintersten Fasern 
des Bandes an, wel- 
ches vom Darm- 
beintheil des Pfan- 
nenrandes ausgeht, 
des Lig. deo- fe- 

Hüftbein im Profil, äussere Fläche. Schenkelbein etwas ge- morale Bark. Die 

beugt und einwärts rotirt. 7Trm Troch. min. Rf Sehnen Mächtigkeit dieses 


des M. rect. femoris, Oi, Oe des M. obt. int. u. ext., Gmd, Binde 
@mi des Glut. med. und minimus. \ 5 


nimmt bis 
unter die Spina ant. 
sup. oss. il. langsam 
zu, dann rasch ab; unter der genannten Spina erreicht es die bedeutende 


= 


| 
Hüftgelenk von vorn. Rf, Ip, Gmi, E wie in Fig. 107 und 108. 


Lig. ileo- 
femorale. 


128 Hüftgelenk. 


Stärke von 14”m 1), der zwischen der Spina und der Eminentia ilio-pectinea 
gelegene Theil der Kapsel, der die hintere Wand des Schleimbeutels des M. 
Tliopsoas (Fig. 107. 109***) trägt, ist kaum stärker, als die untere Kapselwand 
dies- und jenseits der Zona orbicularis. An der Vorderfläche der Kapsel ist 
das Lig. ilio-femorale von einer feinen Lage ringförmiger Fasern bedeckt. 
(Fig. 109 20); zwischen den hintersten Faserbündeln desselben treten in der 
Nähe der Pfanneninsertion die Bündel der lateralen Sehne des M. rectus fe- 
moris hervor, welche sich nach Ursprung und Verlauf als freigewordene 
ringförmige Fasern der Kapsel betrachten lassen (Fig. 108). Abwärts gegen 
die Schenkelbeininsertion divergiren die oberflächlichen Bündel des Lig. ileo- 
femorale; die einen ziehen lateralwärts gegen das obere Ende der Linea 
oblig., femoris, die anderen medianwärts, zur Wurzel des kleinen Trochanter ; 
zwischen beiden Faserzügen entsteht eine dreiseitige, aufwärts zugespitzte 
Lücke, die von den tieferen Faserbündeln ausgefüllt wird. Von den lateralen 
Faserzügen setzen sich einzelne in die Streckmuskeln des Unterschenkels 
fort, andere (Fig. 109if') lösen sich ab, um in die Sehne des M. gluteus minor 
überzugehen, die dafür wieder an tieferer Stelle Bündel an die Kapsel abgiebt. 
Lig. pubo- . Unter dem Namen Lig. paubo-femorale fasse ich eine Anzahl longi- 
en tudinaler, gegen die Kapsel convergirender Fascikel zusammen, welche 
vom Schambein abstammen. Das erste ist eine Fortsetzung der Fascia 
iliaca und geht von der Eminentia ileo-pectinea, an welcher diese Fascie 


Fig. 110. 


ml 
& 


Ise 


Vordere Beckenwand mit dem oberen Ende des Schenkelbeins. Co Can. obturator. 
Pe M. pectineus. /p M. iliopsoas. Oe M. obturat. ext. AZ M. adduetor longus. 
Am M. adductor magnus. Qf M. quadrat. femoris. G mi M. gluteus min, 


\) Die an der Spina ant. inf. entspringenden Faserzüge des Lig. ileo- femorale sind 
E Webers Zig. superius. 


Hüftgelenk. 129 


angewachsen ist, zwischen M. iliopsoas und pectineus in die Tiefe zur Kapsel 
(Fig. 110pf). Ein zweites Fascikel!) entspringt unterhalb des M. pectineus 
von der ganzen Crista obturat.; es besteht aus mehreren Blättern, welche 
Fett zwischen sich schliessen, und vereinigt sich jenseits des M. pectineus, 
d. h. neben dessen lateralem Rande mit dem ersten Fascikel (pf“). Das 
dritte 2) ist ein vom oberen Schambeinast entspringender und vor der oberen 
Spitze des For. obturatorium vorüberziehender platter Sehnenstreifen, dessen 
medialer Theil einem Kopf des M. obturat. ext. zum Ursprunge dient (pf”). 
Die unteren Ränder der Lig. ilio-femorale und pubo-femorale spannen 
sich bei der Abduction des Schenkels wie zwei Pfeiler an der unteren Fläche 
der Kapsel, um von vorn und hinten den dünnwandigen Theil derselben 
zu begrenzen. Einzelne longitudinale Fasern werden indess auch diesem 
Theile zugeführt durch unregelmässige und variable Bandstreifen 3), die aus 
der Membrana obturat. sich ablösen (Fig. 110 *). Sie bedecken und durch- 
ziehen die Fettmassen, welche unterhalb der Incisura acetabuli angehäuft 
sind und die Blutgefässe durch diese Incisur in die Pfanne begleiten. 
In einzelnen Fällen steht die Hüftgelenkkapsel zu dem Schleimbeutel 
des M. iliopsoas (Fig. 111***) in einem ähnlichen Verhältniss, wie die Kapsel 
Best des Schultergelenks zu der 
* Bursa synov. subscapula- 
ris. In der Wand, welche 
Kapsel und Schleimbeu- 
tel von einander trennt, 
findet sich eine Lücke, 
durch welche die beiden 
Höhlen communiciren. 
Der Schleimbeutel wird 
dadurch zu einem Behäl- 
ter für die Synovia, der 
sich von der Gelenkhöhle 
aus füllen und entleeren 
kann. Immerhin ist eine 
solche Einrichtung eine, 
nach meinen Erfahrungen 
wenigstens, seltene Aus- 
nahme. Einigermaassen 
wird indess der Zweck, 
der Synovia einen Aus- 


weg zu verschaffen, schon 
Durchschnitt des Schenkelhalses und der Kapsel mit dadurch erreicht, dass die 
den dieselbe umgebenden Muskeln, parallel dem Pfan- 4 h f 
nenrande und dicht unterhalb desselben. Gmd, Gmi Gelenkhöhle nur mittelst 
M. gluteus medius und min. O0; M. obturat. int O0e einer dünnen und nach- 
M. obt. ext. Qf/ M. quadr fem. 7p M. iliopsoas. *** 1 - 
Schleimbeutel desselben. Rf M. rect,. fem. St M. se- gina Wand gegen den 
mitendinosus. Bf M. biceps und semimembranosus. Schleimbeutel abgegrenzt 


» Lig. pubo-femorale Barkow. 

2) Membrana obturatoria ext. R. Fischer. Petit ligament anter. Vinson (De la hernie 
sous-pubienne. Paris 1844). 

5) Fasciculi accessorü Barkow. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 9 


Synovial- 
tasche. 


Synovial- 
fortsätze. 


Physiologi- 
sche Bemer- 
kungen. 


130 Hültgelenk. 


ist. Als Reservoir für Synovia können auch die dünnwandigen, leicht 
dehnbaren und äusserlich nur von Fett bedeckten Gegenden der unteren 
Wand der Kapsel dienen. Gegen Zerreissung und äussere Gewalt sind 
die dünneren Stellen der Kapsel durch Muskeln geschützt, die über sie hin- 
gehen und gemäss der Richtung ihrer Fasern die longitudinalen Bandfasern 
ersetzen. So verhält sich an der oberen dünnen Stelle der Kapsel der M. 
iliopsoas und insbesondere sein tiefer, am Pfannenrande entspringender 
Kopf, an den unteren dünnen Stellen der M. obturator ext., der ganz dazu 
bestimmt scheint, beim aufrechten Stehen den Hals des Schenkelbeins zu 
unterstützen (Fig. 111). 

An Synovialfortsätzen besitzt das Hüftgelenk, ausser dem Fettpolster 
der Fossa acetabuli und den bereits erwähnten Anhängen am Lig. teres, 
noch eine Anzahl in der Umgebung des Schenkelhalses. Sie hängen theils 
in Form von breiten Lappen von den Längsfalten der Kapselbekleidung des 
Halses herab, theils spannen sie sich, parallel diesen Falten, als platte, 
strangförmige Brücken über die Einbiegung des Halses (Fig. 106). Feinere 
Synovialzotten besetzen einzeln oder dichtgedrängt die innere Oberfläche 
der Kapsel und verleihen ihr stellenweise ein sammetartiges Ansehen. 


Die Hüftgelenkpfanne, in Verbindung mit ihrer Lippe, und der Schenkelbein- 
kopf bilden eine Varietät des Kugelgelenks — die einzige in ihrer Art am mensch- 
lichen Körper —, die man in der Mechanik mit dem Namen Nussgelenk bezeich- 
net. Die Pfannenmündung ist kleiner als ein grösster Kreis der Kugel!) und 
würde, wenn die Pfanne ganz aus starrem Material gebildet wäre, den Kopf ohne 
jede andere Beihülfe zurückhalten. Es ändert nichts, wenn der Rand hier und da 
eingeschnitten ist, so dass einzelne, durch den Mittelpunkt geführte Durchschnitte 
weniger als einen Halbkreis umfassen. Die Pfanne des Hüftgelenks besteht aber 
nieht ganz aus starrem Material und gerade der Rand, der sich um den Gelenk- 
kopf zusammenschliessen soll, ist aus einem verhältnissmässig weichen Faserge- 
webe gebildet; dass die Elasticität dieses Gewebes nicht zureicht, um das frei her- 
abhängende Bein in der Pfanne zurückzuhalten, haben die Brüder Weber bereits 
gezeigt (Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge, Göttingen 1836, S. 130 u. ff.). 
Aber schon das Gewicht des von allen Muskeln entblössten und unter dem oberen 
Drittel durchsägten Schenkelbeins genügt, um die Lippe so zu erweitern, dass der 
Kopf, wenn er nicht anderweitig unterstützt ist, aus der Pfanne herausfällt, und 
ebenso bedarf es auch nur eines leisen Drucks, um ihn durch die relativ enge 
Oeffnung in die Pfanne znrückzuführen. 

So hat also das Hüftgelenk zwar die Form einer Nuss, aber doch nicht deren 
mechanische Bedeutung. Die Lippe ist nur als ein Ventil zu betrachten, welches, 
indem es den Schenkelhals fest umgiebt, das Eindringen von Flüssigkeiten oder, 
wenn die Kapsel geöffnet worden, von Luft zwischen die Flächen des Kopfs und 
der Pfanne verhindert. Was Kopf und Pfanne in dauernder Berührung und den 
Schenkel in der Pfanne schwebend erhält, ist, wie ebenfalls die Versuche der 
Brüder Weber gelehrt haben, der Druck der atmosphärischen Luft. Doch bedarf 
dies noch einer näheren Erläuterung. Wird die Wirkung des äusseren Luftdrucks 
(durch Anbohrung der Pfanne von innen) aufgehoben, so sinkt der Kopf in der 
Kapsel herab. Bringt man aber alsdann den Schenkel in die gestreckte Lage, in 
der er sich z. B. beim aufrechten Stehen befindet, so wird durch die Spannung 
des Lig. ilio-femorale der Kopf wieder in die Pfanne hineingezögen und kömmt 


!) Ich finde den Radius eines durch die vorragendsten Punkte des Pfannenrandes ge- 
legten Kreises um fast 2mm kleiner als den Radius des Schenkelbeinkopfs. 


Hüftgelenk. 131 


mit ihr wieder in innige Berührung. Die Hülfe, die der Luftdruck leistet, um den 
gegenseitigen Contact der Gelenkflächen zu erhalten, macht sich also nur bei ge- 
bogener Haltung des Schenkels kenntlich. Uebrigens ist auch die Verlängerung, 
welche die Kapsel des gebeugten Gliedes, wenn der Schenrkelkopf in der Pfanne 
herabgleitet, theils durch Ausgleichung ihrer Falten, theils durch wirkliche Deh- 
nung erfährt, nur eine sehr geringe. Sie beträgt nicht leicht mehr als 5mm und 
da sie nicht einmal gerade nach unten, sondern ab- und seitwärts erfolgt, so ist 
kaum anzunehmen, dass sie am lebenden Menschen eine merkliche und messbare 
Verlängerung der Extremität zur Folge habe. Verlängerung des gestreckten 
Schenkels durch Erguss zwischen Pfanne und Kopf ist bei unversehrten Bändern 
und unvermindertem Volumen des Kopfes eine Unmöglichkeit. Vielmehr liefert 
die Fähigkeit, den Schenkel zu strecken, im besonderen Falle den Beweis, dass 
Kopf und Pfanne in Contact gebracht werden können. In keiner Stellung gestattet 
die Kapsel dem Schenkelkopfe, sich so weit nach unten zu entfernen, dass dadurch 
das Lig. teres gespannt oder auch nur ganz aus seiner Grube hervorgezogen 
würde. 

Die abwärts geneigte Lage der Pfannenmündung, wie sie aus dem Frontal- 
schnitt (Fig. 105) erhellt, bewirkt, dass in aufrechter Stellung der grössere Theil 
der Pfannenoberfläche auf dem Schenkelbein ruht und von demselben getragen wird. 

Die Excursion der Bewegungen im Hüftgelenk haben die Brüder Weber 
durch Messungen bestimmt. Der Umfang der Beugung und Streckung betrug 
an der Leiche 139°, am Lebenden im Mittel nur 86°; der Umfang der Adduction 
oder Abduction betrug 90°, der Rotation 51°. Die beiden letzteren Arten der 
Bewegung wurden in halbgebogener Lage des Schenkels gemessen; ihr Umfang 
wird um so geringer, je mehr das Glied im Hüftgelenk gestreckt wird, und in 
völliger Streckung, wenn das auf den Schenkeln ruhende Becken durch die an 
der Hinterseite desselben gelegenen Muskeln rückwärts gezogen wird, schliesst 
die Spannung des Lig. ilio-femorale jede andere Bewegung aus. 

Dass das Lig. teres in die Bewegungen des Hüftgelenks irgendwie hemmend 
eingreife, muss ich bestreiten. Es wäre wunderbar, wenn die Natur ein so ge- 
fässreiches Gebilde zu einem Dienst bestimmt haben sollte, in welchem es noth- 
wendig Dehnung und Zerrung erfahren muss, während doch sonst überall Vorsorge 
getroffen ist, dass die Blutgefässe von der Compression wie von der Spannung 
einzelner Körpertheile unberührt bleiben. Nun ist zwar das Lig. teres in der 
Regel stark genug, um, wenn alle übrigen Bänder getrennt sind, den Schenkel- 
kopf und die Pfanne in Verbindung zu erhalten und um sich, bei gestreckter 
Lage des Schenkels im Hüftgelenk, der Adduction des Schenkels zu widersetzen. 
Aber so lange die Kapsel unverletzt ist, wird es nicht in dieser Weise benutzt, 
und es gehört gerade zu den Aufgaben des Lig. ilio-femorale, die Annäherung 
des gestreckten Schenkels an das Becken oder des Beckens an den gestreckten 
Schenkel zu hemmen, bevor das Lig. teres in Anspruch genommen wird. Wenn 
man Becken und Schenkelbein in ihrer natürlichen Verbindung durch einen fron- 
talen Schnitt in eine vordere und hintere Hälfte theilt, so ‘dass die hintere Hälfte 
das ganze Lig. teres enthält, so lässt sich in dem vorderen Segment das Schenkel- 
bein nicht weiter oder kaum so weit adduciren, als im hinteren. Legt man den 
Kopf des Schenkelbeins und die Schenkelbeininsertion des Lig. teres an einem 
sonst unversehrten Hüftgelenk von der Beckenhöhle aus bloss, so kann man sich 
überzeugen, dass keine einzige Bewegung des Schenkels zu einer eigentlichen 
Anspannung des Lig. teres führt, und die Bewegung, bei der es am meisten ge- 
streckt wird, wenn man nämlich durch Adduction des Schenkels die Fossa capitis 
nach oben führt, kann nach Durchschneidung des Lig. teres nicht weiter geführt 
werden als vorher. Es ist darnach kaum noch nöthig, auf die Fälle hinzuweisen, 
wo bei angeborenem Mangel des Lig. teres die normale Beweglichkeit des Hüft- 
gelenks bestand oder wo sich dieselbe in normaler Weise wiederherstellte nach 
Einrichtung von Luxationen, die nicht ohne Zerreissung des Lig. teres geschehen 
konnten. 


©. Knie- 
gelenk. 


Gelenk- 
flächen. 


132 Kniegelenk. 

Der genaue Schiuss des Randes der Kapsel um den Schenkelkopf und die 
Mächtigkeit der Kapsel machen bei dem Hüftgelenk die Vorrichtungen überflüssig, 
die an anderen Gelenken getroffen sind, um die Kapsel vor Einklemmuug zu 
schützen. Bei den Bewegungen des Hüftgelenks wird die Kapsel an der Seite, 
an welcher sie erschlafft, nur wellenförmig gefaltet oder leicht gekräuselt. Doch 
ist mit der hinteren Kapselwand der M. gluteus minimus straff genug verbunden, 
um sie bei seinen Bewegungen nach sich zu ziehen. Und wenn das Lig. teres 
einen mechanischen Effect hat, so ist es der, dass es bei den Bewegungen, bei 
welchen es gestreckt wird, vermittelst der Fasern, die es aus der Kapsel bezieht, 
die letztere enger an den Schenkelhals heranzieht. 


C. Kniegelenk. 


Im Kniegelenk artieuliren das Schenkelbein, die Tibia und Patella, 
alle drei durehaus mit hyalinischem Knorpel bekleidet, welcher die bedeu- 
tende Mächtigkeit von 4”® (auf der Tibia ausnahmsweise sogar 5mm) er- 
reicht, auf dem Schenkelbein häufig etwas schwächer ist als auf den beiden 
anderen Knochen, und auf allen gegen den Rand sich verdünnt. 

Die Flächen, mit welchen das Schenkelbein an dem Gelenk Antheil 
nimmt, sind bereits im osteologischen Theile (S. 257) beschrieben. Dort 
wurde auch schon der Firste gedacht, welche den zur Aufnahme der Pa- 
tella bestimmten vorderen Theil der Gelenkfläche des Schenkelbeins von 
den Gelenkfiächen der Condylen trennt, die auf der Tibia ruhen. An dem 
frischen Knorpel tritt diese Firste dadurch deutlicher hervor, dass sich hin- 
ter derselben jederseits 
ein mitunter ziemlich tie- 
fer Eindruck befindet von 
dreiseitiger Form, breit 
am Seitenrande der Gelenk- 
fläche beginnend, mit der 
Spitze ein- und etwas rück- 
wärts gegen die Fossa in- 
ter - condyloidea gerichtet. 
Es sind Abdrücke der so- 
gleich zu beschreibenden 
Bandscheiben, und zwar 
bezeichnen sie die Regio- 
nen der Gelenkflächen, 


Sagittaldurchschnitt des gestreckten Knies durch den die sich beim aufrechten 
medialen Condylus. Mm Mediale Bandscheibe. Sm Stehen mit dem vorderen 


Sehne des M. semimembranosus. Bsm Bursa synov. E ‚ 
seınimembranosa, ?p Plieca synov. patellaris. Ende der Bandscheiben in 


Berührung befinden (Fig. 
1129). 


\) Die Unebenheit, welche der mediale Condylus in Folge des Abdrucks der Band- 
scheibe zeigt, hat H. Meyer (Müll. Arch. 1853, S. 500) veranlasst, dem Kniegelenk 
einen complieirteren Bau, dem medialen Condylus eine besondere Rotations - Gelenkfläche, 
dieser Fläche eine besondere Axe zuzuschreiben, die von M. sogenannte schiefe Axe des 
Kniegelenks, um welche der Unterschenkel im letzten Moment der Streckung lateralwärts 
rotiren soll. Es ist übersehen, obschon die Zeichnung (Taf. XVI, Fig. 1. b) es angiebt, 


Kniegelenk. 133 


Die Congruenz der vorderen Gelenkfläche des Schenkelbeins und der 
Gelenkfläche der Patella ist insofern unvollkommen, als gewisse Regionen 
Fie. 113. der letzteren von der Berüh- 

IN rung mit der ersteren bestän- 

dig ausgeschlossen sind und 
als bei gewissen Stellungen 
des Gelenks beide Flächen 
sich so verschieben, dass von 
jeder ein Theil frei liegt. 
So weit aber die Flächen 
auf einander zu gleiten be- 
stimmt sind, schliessen sie 
sich vollkommen genau an 
einander. — Nicht zur Ar- 
ticulation mit dem Schenkel- 


bein bestimmt ist ein Feld 
Sagittaldurchschnitt des gebeugten Kvies durch I 
den lateralen Condylus, MI Laterale Bandscheibe. der Patella, welches das Be 
Bp Bursa synoy. poplitea. 4tf Articulatio tibio- tere Viertel der hinteren 


fibularis, Pp s. Fig. 112. Fläche einnimmt, durch eine 

stumpfe quere Firste nach 
oben abgesetzt und leicht abwärts geneigt ist. 
Es wird von unten her durch eine fettreiche Sy- 
novialfalte (Fig. 112. 113. Pp) gedeckt, die 
aber jene stumpfe Firste in der Regel nicht er- 
reicht. 

Der über der Firste gelegene, grössere Theil 
der hinteren Fläche der Patella ist von oben nach 
unten leicht concav, von einer Seite zur anderen 
stark convex. Jener Concavität entspricht die 
Wölbung des Schenkelbeinkopfs, jener Convexi- 
tät die mittlere Rinne des letzteren. Die Arti- 
culation gehört demnach zu den Sattelgelenken; 
man erhält davon das deutlichste Bild, wenn man 
ein im rechten Winkel gebogenes Knie frontal 
und etwa durch die Mitte des verticalen Durch- 
Frontalschnitt eines im rechten messers der Patella durchschneidet (Fig. 114). 
Winkel gebeugten Kniegelenks Diese Stellung nämlich ist es, in welcher die 
vordem vorderen Randeder Fossa „ssedehnteste Berührung beider Gelenkflächen 
intercondyloidea des Schenkel 

ann. stattfindet. In gestreckter Haltung geht die 
Patella nicht nur mit ihrem oberen Rande 
über den oberen Rand der Gelenkfläche des Schenkelbeins hinauf, sondern 


Ani. 


D 


dass auf dem lateralen Condylus der gleiche, wenn auch kleinere Eindruck sich findet. 
Dass die hinteren Enden der Bandscheiben nicht in gleicher Weise sich abdrücken, hat 
seinen Grund nicht, wie man etwa vermuthen könnte, in grösserer Belastung des vorderen 
Theils der Condyleu, sondern in der bedeutenderen Mächtigkeit und Spannung der hinteren 
Kapselwand, die sich vom Rande der Bandscheibe an straff über die Gelenkfläche des 
Schenkelbeins heraufzieht, während das weiche Fett vor dem vorderen Rande der Band- 
scheibe leicht ausweicht. 


Band- 
scheiben. 


134 Kniegelenk. 


überragt auch den medialen Rand der letzteren mit einem schmalen Streifen, 
der sich nicht selten durch eine schwache 
verticale Kante lateralwärts abgrenzt (Fig. 
115). Wird dagegen die Beugung des Knies 
über einen rechten Winkel hinaus fortgesetzt, 
so kommt der grösste Theil der Patella der 
Fossa intercondyloidea des Schenkelbeins ge- 
genüber zu liegen. Dabei rückt die Patella, 
je mehr das Knie gebogen wird, um so 
mehr gegen den lateralen Rand des Schen- 
kelbeins und im Extrem der Beugung stützt 
sich die unterhalb der transversalen Firste 
Horizontaldurchschnitt des gestreck- befindliche, abwärts geneigte Partie der 
ten Kniegelenks durch die Mitte „interen Fläche der Patella, sammt dem 
der Höhe der Patella, 2 ? 5 R 
Lig. patellae inf., auf die obere Fläche der 
Tibia, von der sie jedoch durch das in die 
Fio. 116, Gelenkhöhle hinein- 
gezogene Fett der 
vorderen Region des 
Gelenks geschieden 
bleibt (Fig. 116). 
Die Krümmung 
der Condylen im sa- 
gittalen Durch- 
schnitt entspricht 
in dem convexeren, 
beim aufrechten Ste- 
hen frei nach hinten 
schauenden Theile 
einem Radius von 
l7mm; der Krüm- 
mungshalbmesser 
wächst nach vorn 


Mittlerer Sagittaldurchschnitt des Kniegelenks in extremer ES, = 
Beugung. ca,cp Lig. eruciat. ant. u. post. Pp Plica synov. allmälig bis auf 55"m 
patell. Zp Ligament derselben. pi Lig. patellare inf. Bsp (E. Weber). 


Im 
Bursa subpatellaris. 


frontalen Durch- 
schnitt (Fig. 117) 
zeigt sich der laterale Condylus bedeutend stärker gewölbt als der mediale; 
an jenem ist die Krümmung fast gleich der Krümmung des sagittalen Durch- 
schnitts des Condylus, so dass der Theil der Gelenkfläche des Schenkel- 
beins, der in gebeugter Haltung des Gliedes auf der lateralen Endfläche 
der Tibia steht, einem Kugelabschnitt nahe kommt. Die Krümmung des 
medialen Condylus entspricht im Frontalschnitt einem Radius von 60 bis 
70mm; gegen den medialen Rand wird sie etwas stärker. 

Die oberen Gelenkflächen der Tibia sind in jeder Richtung flacher als 
die Gelenkflächen der Condylen des Schenkelbeins, und in der Nähe des 
Randes sogar meistens etwas nach aussen abhängig. Zur Ausgleichung 
der Incongruenz dienen zwei platte Bandscheiben, Meniscus medialis 


Kniegelenk. 155 


und M. /ateralis!), von halbmond- oder sichelförmiger Gestalt, welche die 
äussere Zone einer jeden der beiden überknorpelten Flächen decken und nur 
je ein rundes oder elliptisches, mit dem grössten Durchmesser transversal 
gestelltes Feld zunächst der Eminentia intercondyloidea frei lassen (Fig. 
118. 119 a. f. S). Der äussere Rand dieser Bandscheiben ist convex, dem 


Fig. 117. der 
entsprechenden Gelenkfläche der Tibia 


parallel und dick (6 bis 7mm hoch); 
ihr innerer Rand ist concav, oft etwas 


N - 
a 


Umfange des äusseren Randes 
Oo 


Er Ms 
unregelmässig, feinzackig oder gekerbt 
und so zugeschärft, dass die obere 
Fläche der Bandscheibe ohne merk- 
lichen Absatz in die obere Fläche 
der Tibia ausläuft und beide Flächen, 
so weit sie frei liegen, eine ununter- 
brochene, der Wölbung des Schen- 
kelbein-Condylus entsprechende Aus- 
höhlung darstellen; die untere Fläche 
der Bandscheiben ist flach oder leicht 
convex oder auch ausgehöhlt, je 
nach der Form des Theils der End- 
fläche der Tibia, von der sie getragen 
wird. 

Die Bandscheiben bestehen bis dicht unter die Oberfläche aus Binde- 
gewebe, dessen Bündel hauptsächlich horizontal und bogenförmig, den 
Rändern parallel, verlaufen. Ein verticaler, concentrisch mit dem Rande 
geführter Schnitt zeigt nur longitudinale Bindegewebsfasern; ein verticaler 
Durchschnitt in der Richtung der Radien zeigt Querschnitte von Bindege- 
websbündeln, in gröbere Bündel geschieden durch longitudinale Faserzüge, 
welche theils radiär, theils durch die Dicke der Scheibe verlaufen. In der 
Nähe des äusseren Randes weicht die dichte Fasermasse in zwei Lamellen 
auseinander, zwischen welchen, in lockerem Gewebe, die Gefässe eintreten. 
Die Oberfläche überzieht eine 0,1"” mächtige Membran, die den Charakter 
des Bindegewebsknorpels zeigt, eine feine, wellenförmig gefaserte, in Essig- 
säure quellende Substanz mit meist vereinzelten, kuglichen Knorpelzellen. 

Die bogenförmigen Fasern der Bandscheiben entspringen und enden 
am Knochen, so zwar, dass die Insertionen der medialen Bandscheibe die 
der lateralen umfassen oder. mit anderen Worten, das vordere Ende der 
medialen Bandscheibe vor dem vorderen Ende der lateralen, das hintere 
Ende der medialen hinter dem hinteren Ende der lateralen an der Tibia 
befestigt ist (Fig. 118 u. 119 auf folg. Seite). Die vorderen Insertionen 
beider Bandscheiben ?) werden durch den Ursprung des Lig. ceruciat. ant. 
von einander getrennt; die hinteren Insertionen der Bandscheiben 3) gren- 
zen unmittelbar an einander, indem der Ursprung des Lig. eruciat. post. 
hinter der hinteren Insertion der medialen Bandscheibe liegt. 


Frontaldurchsehnitt des gestreckten Knies 

vor der Fossa intercondyloidea des Schen- 

kelbeins. Zp Lig. plicae synov. pat. quer 
durchschnitten. 


\) Cartilagines falcatae s. faleiformes s. semilunares s. lunatae. Fibrocartilagines falcatae 
(Krause). 


2?) Ligg. cartilag. semilun. anteriora. ®) Ligg. cartil. semilun, posteriora. 


136 -Rniegelenk. 


Die laterale Bandscheibe ist mit dem vorderen Ende in einer Grube 
dicht vor der Eminentia intercondyloidea befestigt; ihre hintere Anheftung 


Fig. 118. Fig. 119. 


Oberes Ende der Tibia mit den Bandscheiben. Fig. 118 von vorn, Fig. 119 von hinten, 
ca, cp Lig cruciat. ant. u. post. 


ist in zwei Zipfel getheilt, von welchen der schwächere an der medialen, 
der stärkere an der lateralen Zacke der Eminentia intercondyloidea fest- 
sitzt. Die Fasern dieser Bandscheibe beschreiben demnach fast eine Cir- 
keltour, die nur durch die Em. intercondyl. unterbrochen ist. 
Die mediale Bandscheibe greift mit ihrer vorderen Insertion über den 
Rand der Gelenkfläche und selbst über den vorderen Rand der Endfläche 
der Tibia hinaus auf die Vorderfläche dieses Knochens, an deren oberem 
Rande die Fasern fächerförmig ausgebreitet sich inseriren. Die hintere 
Insertion entfaltet sich zu einer deutlich querfaserigen, die abhängige vor- 
dere Wand der Fossa intercondyloidea post. bekleidenden Membran. Auf 
die mediale Bandscheibe passt am ehesten die Bezeichnung halbmondförmig, 
doch ist sie in der Regel in der Nähe der abgerundeten hinteren Spitze 
am breitesten (17”®) und verschmälert sich nach vorn. Die laterale Band- 
scheibe gleicht mehr einem platten, nicht völlig geschlossenen Ring und 
. hat überall ziemlich gleiche Breite (13mm), 
ee In den rauhen Gruben, welche die beiden Gelenkflächen der Tibia 
von einander trennen, vor und hinter der Eminentia intercondyloidea, haften 
ausser den Bandscheiben zwei starke, für den Mechanismus des Kniege- 
lenks wichtige Bänder, die bereits genannten Ligg. erueiata 1). Indem die- 
selben vom Boden der Gelenkhöhle zur Fossa intereondyloidea des Schen- 
kelbeins schräg aufsteigen, indem sie durch lockere Bindegewebslagen, 
welche Fett und zuweilen auch geschlossene kleine Schleimbeutel enthalten, 
unter sich und mit der hinteren Kapselwand verbunden sind, vervollstän- 
digen sie die schon in der Eminentia intercondyloidea der Tibia angedeu- 
tete sagittale Scheidewand, welche die hintere Hälfte der Höhle des Knie- 
gelenks in eine rechte und linke Kammer theilt. 


') LI. interossea Cruv. LI. obligua Sharpey. 


N 


Kuiegelenk. 137 


Das Lig. erueialum ant. bildet den grössten Theil des wulstigen 
vorderen Randes dieser Scheidewand. Gedeckt von der vorderen Insertion 


Fig. 121. 


Profil des Kniegelenks, der mediale Condylus durch einen sagittalen Schnitt entfernt. 
Lig. erueiat. ant. Fig. 120 bei gestrecktem, Fig. 121 bei gebogenem Knie. 


der lateralen Bandscheibe (Fig. 118), entspringt es breit und platt, eine freie 
Fläche aufwärts gekehrt, aus der Fossa intercondyloidea ant., mächtiger am 
lateralen Rande als am medialen, und inserirt sich, ebenfalls platt, aber mit 
sagittal gestellten Flächen, an der der Fossa intercondyl. zugekehrten Wand 
des äusseren Condylus des Schenkelbeins, längs dem (bei aufrechtem Ste- 
hen) hinteren oder verticalen Theile der Gelenkfläche. Es breitet sich gegen 
die Insertion fächerförmig aus, so dass die am meisten lateralwärts entsprin- 
genden Fasern am weitesten nach hinten zur Insertion gelangen. 

% 122. Das Lig. eruciat. post. \), etwas stärker 
Ba als das Lig. cruc. ant., nimmt seinen Ursprung 
SNUR n Al aus der ganzen Fossa intercondyloidea post. der 
RN Tibia und befestigt sich an die untere Partie 
= der vorderen und medialen Wand der Fossa 
intercondyloidea des Schenkelbeins. Die an 
der Ursprungsstelle vordersten Fasern gehen 
gerade vorwärts; sie kreuzen sich mit dem obe- 
ren Ende des Lig. ceruciat. ant. und treten me- 
dianwärts neben demselben als oberster Theil 
des vorderen Randes der sagittalen Scheide- 
wand des Kniegelenks vor. Die weiter hinten 
entspringenden Fasern des Lig. cruciat. post. 
gehen vor- und zugleich um so mehr median- 
wärts, je weiter nach hinten ihr Ursprung liegt. 


Gestrecktes Kniegelenk, der la- V) Lig. eruciat. medium Robert (Untersuchungen 
terale Condylus des Schenkel- über die Anatomie und Mechanik des Kniegelenks. — 
beins weggeschnitten. Mittel- Giessen 1855). 


stellung zwischen Profil- und 
hinterer Ansicht. 


Kapsel. 


138 Kniegelenk. 


So gewinnt auch dieses Band vom Ursprunge gegen die Insertion an 
Breite und erfährt zugleich eine Drehung, wodurch die hintere Fläche 
allmälig zur lateralen wird. 

An diese beständigen und wesentlichen Faserzüge der Ligg. eruciata 
schliessen sich andere, accessorische, an, welche nicht leicht sämmtlich fehlen, 
aber in Stärke und Stellung veränderlich sind. Oft verlaufen platte Bündel 
in sagittaler Richtung über die Eminentia intercondyloidea von der Wurzel 
des einen zu der des anderen Bandes. Aus den Bandscheiben steigen Fa- 
serzüge in die Ligg. erueiata auf, selten aus dem vorderen Ende der media- 
len Bandscheibe in das Lig. cruciat. ant., häufig aus dem hinteren Rande 
der lateralen Bandscheibe in das Lig. cruciat. post. Die Faserzüge der 
letzteren Art 1) liegen entweder an der hinteren Fläche des Lig. eruciat. 2) 
oder an dessen vorderer Fläche, oder sie fassen es zwischen sich. 

Die Kapsel des Kniegelenks ist an der vorderen und den Seitenflächen 
des Schenkelbeins in einiger Entfernung über dem Rande der eigentlichen 
Gelenkfläche angewachsen. Der höchste Punkt ihrer vorderen Anheftung 
befindet sich in wechselnder Höhe, 1/, bis 3°” und mehr, über dem oberen 
Rande der für die Patella bestimmten Rinne; von da an geht sie nach bei- 
den Seiten schräg abwärts zum Epicondylus, etwas steiler zum lateralen 
als zum medialen, und dicht unterhalb derselben vorüber; nach hinten folgt 
die Kapsel mit ihrer Anheftung genau dem äusseren, dann dem hinteren 
oberen Rande des Knorpels der Condylen, und verwächst durch platte 
Bändchen hier und da selbst mit der Oberfläche desselben. Hinten zwi- 
schen den Condylen bezeichnet die Linea intercondyloidea die Grenze des 
Gelenks; die Insertion der Kapsel lässt sich aber in dieser Gegend nicht 
ganz genau bestimmen, weil sie nach aussen mit dem fetthaltigen Faser- 
gewebe der Kniekehle, nach innen mit dem Fett der erwähnten sagittalen 
Scheidewand des Gelenkes zusammenhängt. Der Ueberzug, den die in die 
Gelenkhöhle schauenden, nicht überknorpelten Knochenflächen von der 
Kapselmembran erhalten, ist dünn, verschiebbar, faltig; an der Vorderfläche 
des Schenkelbeins ist er bis zum Rande des Gelenkknorpels oder bis in des- 
sen Nähe mit reichlichem Fett unterlegt (Fig. 123 **). An der Patella 
sitzt die Kapsel genau am Rande der inneren Fläche, an der Tibia sitzt sie 
dicht unter dem Rande des Gelenkknorpels fest; vorn geht ihre Anheftung 
über die vordere Insertion der medialen Bandscheibe und des Lig. ceruciat. 
ant. weg; an der Fossa intercondyloidea post. hängt sie mit dem Ursprunge 
des Lig. eruciat. post. zusammen. 

Die vordere Wand der Kapsel ist in der Mitte über der Patella mit 
der gemeinschaftlichen Sehne der Streckmuskeln des Unterschenkels ver- 
wachsen. Neben dieser Sehne und der Patella tritt sie, wenn die Muskeln 
und Bänder, die sie nach aussen decken, weggenommen sind, in Form von 
weiten Wülsten oder Bäuschen jederseits vor, die durch die Beugung des 
Unterschenkels gespannt und geebnet, bei der Streckung durch einen eige- 
nen Muskel in eine Falte aufwärts gezogen werden (Fig. 123.128). An den 


') Cornu postici adhaesio prima Weitbr. Ligg. accessoria cart. semilun. ext. ad. lig. 
cruciat. posticum Baıkow. 
?) Lig. eruciat. tertium s. posticum Robert. 


Kniegelenk. 139 


Seiten und hinten geht die Kapsel gerade vom Schenkelbein zur Tibia 
herab; sie verwächst im Vorübergehen mit dem äusseren Rande der media- 


Fig. 123. 


Mittlerer Sagittaldurchschnitt des gestreckten Kniegelenks. ** Fettpolster der 

Vorderfläche des Schenkelbeins. * Subeutaner Schleimbeutel der Patella. 

Bsc Falte, die den Eingang der Bursa suberuralis andeutet. Pp Plica synov. 

patellaris, Zp Ligament derselben. tg Lig. transv. genu. pi Lig. poplit inf. 

Cr M. crurali.. Sm M. semimembranosus. St M. semitendinosus. Gam M. 
gastroenemius, medialer Kopf. Po M. popliteus. 


len Bandscheibe in deren ganzem Umfange und mit dem grössten Theile des 
äusseren Randes der lateralen Bandscheibe. Dabei zerlegt sie sich gleich- 
sam in zwei Blätter. Während ihre äusseren verticalen Bindegewebszüge 
sich mit dem Bindegewebe der Bandscheiben verflechten, schlägt sich eine 
innere, glatte und gefässreiche Schichte auf die Oberfläche der Bandschei- 
ben hinüber und setzt sich in deren Knorpelüberzug fort. Ebenso liefert 
die Kapsel von ihrer vorderen Wand aus, wo sie sich auf das Lig. erueiat. 
ant. herabsenkt, einen glatten und gefässreichen Ueberzug für den in die 
Gelenkhöhle vorragenden Theil dieses Bandes, der sich auf demselben ge- 
gen die Fossa intercondyloidea des Schenkelbeins hinzieht; da nun die in- 
nere Schichte der Seitenwand der Kapsel sich auch vom Hintergrunde des 
Gelenks aus auf die mediale Scheidewand begiebt, so lässt sich allerdings 
mit einigem Fug sagen, die Bestandtheile der medianen Scheidewand lägen 
sammt den Bandscheiben ausserhalb des Sacks der Kapsel; nur dass dieser 


140 Kniegelenk. 


Sack hier, wie überall, durch Einfügung der Gelenkflächen unterbro- 
chen ist. 

Durch die Bandscheiben wird die Gelenkhöhle in eine obere und un- 
tere Kammer, durch die sagittale Scheidewand wird jede Kammer wieder 
in zwei Seitenhälften getheilt. In die eine und andere dieser Höhlen öffnen 
sich Schleimbeutel der das Knie umlagernden Muskeln, Schleimbeutel, die 
auf diese Weise zu. Ausstülpungen oder Synovialtaschen des Gelenkes 
werden. 

Synovial- Unter diesen Communicationen ist Eine constant, die mit dem Schleim- 
weh Deutel des M. popliteus, doch ist die Art der Communication nicht überall 
die gleiche. 
en Die Verbindung des äusseren Randes der lateralen Bandscheibe mit 
der Kapsel ist in ziemlich gerader Linie oberhalb der Superficies articularis 
fibularis (Knochenl. S. 261) in einer Strecke von 10mm unterbrochen; es 
entsteht ein Schlitz, der nach innen, gegen die Axe des Gelenks, durch den 
glatten, ebenen oder nach Art einer Hohlkehle vertieften Rand der Band- 
scheibe, nach aussen durch die Kapselwand, an deren Innenfläche die platt- 
rundliche Sehne des M. popliteus angewachsen ist, begrenzt wird. Der 
Schlitz führt abwärts in die Dursa synovialis poplitea, eine Tasche, die 
sich zwischen dem genannten Muskel und der hinteren Wand der unteren 
Kammer des Kniegelenks, dann dem Margo infraglenoidalis der Tibia mehr 
oder minder weit abwärts erstreckt, zuweilen auch !) in das obere Tibio- 
Fig. 124 Fibulargelenk öffnet. Der Margo infra- 
glenoidalis ist, so weit er von vornher 
die Tasche begrenzt, überknorpelt und 
leicht rinnenförmig vertieft 2). Steht die 
Tasche mit dem Fibulargelenk in offener 
Verbindung, so hängt dieser Knorpel 
ohne Unterbrechung mit dem Knorpel 
der Superficies art. fibularis zusammen. 
Die eben beschriebene einfachste 
Weise der Communication der B. synov. 
poplitea mit der Höhle des Kniegelenkes 
| ist nicht die gewöhnlichste. In der Re- 
Laterale Wand des Kniegelenks von in- gel findet sich in dem Theile der Kapsel, 
nen. 20 Querschnitt der Schne des M der die genannte Synovialtasche von der 
popliteus. 70‘ dieselbe Sehne, an der £ 
Insertion in den Epicond. lateralis abge- unteren Kammer des Gelenkes scheidet, 
schnitten. ***Lateraler Rand der Oefi- noch eine zweite Communicationsöffnung 
Nun, durch mich de B R0r BOE (ig, 124), rundlich oder in Komm 
gelenks artieulirt. AZf Tibiofibulargelenk. einer engen, schräg von unten und vorn 
nach oben und hinten ziehenden Spalte, 
deren scharfe Ränder 3) unten von dem Köpfchen der Fibula oder von der 


\) Unter 80 Fällen 11 Mal. Gruber, Prager Vierteljahrschrift für prakt. Heilkunde 
1845. Bd. I, S. 96, 

”) Suleus popliteus H. Meyer. 

“) Der vordere Rand der Spalte, wie er sich nach Eröffnung des Schleimbeutels von 
hinten her darstellt, ist Bourgery’'s Lig. posticum profundum. H. Meyer beschreibt ihn 
in dieser Lage als Habena cartil. semilun, externae, von innen gesehen als Retinaculum carül. 
semilun. ext. 


Kniegelenk. 141 


Tibia, oder auch von der Wand des Schleimbeutels ausgehen. Von den 
Fasern des vorderen Pfeilers dieser Spalte setzt sich zuweilen ein Theil 
über die Bandscheibe hinaus in das Lig. cruciat. post. fort. 

Nicht ganz so beständig, wiewohl sie doch nur ausnahmsweise fehlt, 
ist eine zweite Synovialtasche, Bursa synovialis suberuralis, welche durch 
Communication des Gelenks mit einem Schleimbeutel der gemeinsamen 
Sehne der Streckmuskeln des Unterschenkels zu Stande kommt. Es finden 
sich Varietäten, die als Stufen einer Entwickelungsreihe betrachtet werden 
können, Der seltenste Fall ist der, dass das Gelenk dicht über der Patella 
schliesst und die Kapsel mit ihrer oberen Spitze nicht bis zu dem Schleim- 
beutel der Strecksehne emporreicht. Hieran reihen sich Fälle, wo die 
Kapsel sich zwar hinter dem Schleimbeutel in die Höhe erstreckt, aber jedes 
für sich abgeschlossen besteht !), sodann andere, wo beide unterscheidbar, 
aber durch eine engere oder weitere Oeffnung in Verbindung stehen, end- 
lich, die zahlreichsten, wo die Gelenkkapsel sich zwischen der Sehne der 
Streekmuskeln und dem Fettpolster, welches die Vorderfläche des Schenkel- 
beins deckt, weit hinaufzieht und nur eine nach innen vorspringende, ring- 
formige Falte an ihrer vorderen Wand die Grenze zwischen Gelenk und 
Schleimbeutel andeutet (Fig. 123.125 Bsc). Die Falte ist in ihrem obersten 

| Fig. 125. Theile meistens ganz verstri- 

chen, auch unten ziemlich 
schmal und nur die Seiten- 
theile derselben treten merk- 
lich über die Fläche vor. So 
weit nun die Kapsel oder 
die in dieselbe aufgegan- 
gene Bursa synov. suberu- 
ralis die Strecksehne beklei- 
Pr i NN det, ist sie mit dieser un- 
N er trennbar verwachsen und nur 

als glatter Ueberzug dersel- 
ben kenntlich; mit dem Fett- 
polster der vorderen Schen- 
kelbeinfläche hängt ihre obere 
Spitze nur locker zusammen; 
oft wird sie von diesem Fett- 
polster durch Bündel des M. 
subceruralis, die sich an ihre 


2 hintere Wand inseriren, ge- 
Vordere a des Ren yonahintpn h ‚Die 2 schieden. 

bia vor der Eminertia intercondyloidea frontal durch- 5 - s 
schnitten, das Schenkelbein entfernt. E Sehne des M. Eine dritte Synovial- 
ext. cruris, von der B. synov. suberuralis überzogen. tasche kommt an der hinte- 


F Fascie,. Pp Pliea synov, patellaris. Lp Ligament „on medialen Ecke der Knie- 
derselben, frontal durchschnitten. 


a 


Ne 
‘ 


gelenkkapsel vor,einigermaas- 
sen symmetrisch der Bursa sy- 
nov. poplitea, aber in der Regel viel umfangreicher. Sie kann Bursa syn. se- 


!) Unter 80 Fällen 14 Mal. Gruber. 


2. Bursa 
sylov. sub- 
eruralis. 


3. Bursa 
Synov. se- 
mimembr. 


142 Kniegelenk. 


mimembranosa genannt werden, da der Schleimbeutel, durch dessen Ver- 
bindung mit der Gelenkhöhle sie entsteht, der Sehne des M. semimembra- 
nosus angehört. Er liegt 
zwischen der lateralen Flä- 
che dieser Sehne und dem 
medialen Kopf des M. gastro- 
enemius, den er mehr oder 
minder weit auf- und abwärts 
in einerHöhe von 2” und mehr, 
bekleidet (vgl. Fig. 129). Er 
ist bald einfach, bald unvoll- 
kommen durch Scheidewände 
getheilt. Mit dem Kniegelenk 
NIE MR A Y communieirt er in etwa der 
NN az TRY 7 Hälfte der Fälle, häufiger 
N \ INN N | ! / rechts als links, häufiger in ro- 
2 busten, als in schwächlichen 
Sagittaldurchschnitt des gestreckten Knies durch den eu ae 
medialen Condylus, Sm Sehne des M. semimembran, municationsöffnung ist weit 
Pp Plica synov. poplitea. bei gestrecktem Knie, dage- 
gen eng, eine schmale Quer- 
spalte, bei gebogenem. Sie entsteht nämlich (Fige.126) durch einen eigent- 
lichen Defect der hinteren Wand der oberen Kammer, welche Wand 
in der der Synovialtasche entsprechenden Breite über der Bandscheibe mit 
zugeschärftem Rande endet, so dass von da an aufwärts die Synovialtasche 
die hintere Wand der Kapsel ersetzen muss. Das Rudiment der Kapsel- 
wand umfasst straff den Condylus des Schenkelbeins und nähert sich mit 
seinem oberen Rande, je mehr das Gelenk gebogen wird, um so mehr dem 
oberen Rande der Gelenkfläche des Condylus, an welchen auch die Syno- 
vialtasche angewachsen ist. 


Fig. 126. 


Gruber gedenkt einer Verbindung des Schleimbeutels des Lig. patellae mit 
der Gelenkhöhle, welche ihm unter 160 Fällen einmal begegnete. Die Verbindung 
bewerkstelligte ein Canal, der das zwischen der Gelenkkapsel und jenem Schleim- 
beutel gelegene Fett durchsetzte. 

In Kinderleichen hat Gruber die Communication der Kniegelenkhöhle mit 
dem Schleimbeutel des M. semimembranosus niemals, die mit dem Schleimbeutel 
der Strecksehne nur selten gesehen. 


Accessor. Um die Kapsel von aussen her zu verstärken und zu unterstützen, fin- 
Bänder det sich ausser den bereits erwähnten, die innerste Schichte derselben ziem- 
lich gleichmässig bedeckenden verticalen Faserzügen, eine Anzahl abge- 
grenzter, schärfer vorspringender und zum Theil selbst durch Fett oder 
Schleimbeutel von der Kapsel gesonderter Bänder, die sich nach den Re- 

gionen ordnen in vordere, hintere, laterale und mediale. 
ander vo An der Vorderfläche liegen die die Kapsel deckenden fibrösen Gebilde 
in drei Schichten; die oberflächlichste ist eine Ausbreitung der Schenkel- 
fascie vor der Patella, die mittlere besteht aus Sehnen und Bändern, die 
sich rings an die Ränder der Patella befestigen, die innerste ist ein nicht 
ganz beständiger Strang transversaler Fasern in der vorderen Kapselwand. 


Kniegelenk. 143 


Von der Fascie des Schenkels werden die horizontalen (kreisförmigen) a. Ober- 

Faserzüge in der Gegend des oberen Randes der Patella unscheinbar; die rhliehe 
verticalen Fasern dagegen strahlen, von den Seitentheilen des Schenkels 
gegen die vordere verticale Mittellinie convergirend, vor dem Kniegelenk 
aus, der Richtung nach symmetrisch, der Stärke nach aber, wie die ganze 
Schenkelfascie, an der lateralen Fläche des Gliedes bedeutend überwiegend. 
Ein ansehnlicher Theil dieser Fasern heftet sich an die Tibia und zwar an 
die Seitenränder des Dreiecks, dessen untere Spitze man als Tuberositas 
patellaris bezeichnet (Knochenl. Fig. 250). Die der verticalen Mittellinie 
des Schenkels näheren und bei der Umbeugung in die horizontale Richtung 
nächst höheren Fasern 2) kreuzen sodann einander von beiden Seiten vor 
dem Lig. patellae und vor der Patella selbst und scheinen theilweise schlei- 
fenförmig in einander überzugehen (Fig. 125 F‘). Vor und über denselben 
liegt der subeutane Schleimbeutel der Kniescheibe. 

Zu dem fibrösen Apparat der zweiten Schichte, dessen Centrum die ». Mittlere 
Patella bildet, gehören die gemeinsame Sehne der Streekmuskeln, deren ?"ichte 
Insertion die obere Hälfte der Peripherie der Patella einnimmt, und drei 
Haftbänder, ein unteres, ein laterales und ein mediales. 

Das Lig. patellare inf.) ist ein plattes, im sagittalen Durchmesser Lig. pateıı. 
comprimirtes und 4mm mächtiges Band von der Breite der Basis des Apex "" 
patellae, die es umfasst und von welcher aus es sich mit parallelen Bündeln 
ab- und etwas rückwärts zur Tuberositas patellaris begiebt, um sich kaum 
verschmälert an dieselbe anzusetzen. Den Raum hinter diesem Bande bis 
zur Kapsel erfüllt Fett, bis zur Vorderfläche des oberen Endes der Tibia 
ein Schleimbeutel, Bursa subpatellaris (Fig. 123). An die Seitenränder 
des Bandes schliessen sich plattere Züge aufwärts convergirender Fasern 3) 
an, welche in den Seitenrändern der gemeinsamen Strecksehne des Unter- 
schenkels enden. 

Die seitlichen Bänder der Patella, Lig. patellare laterale und Lig. Lie. pateı. 
patellare mediale *), sind dünn, membranös, dreiseitig; sie entspringen !* " med. 
spitz je am lateralen und medialen Epieondylus des Schenkelbeins und ge- 
hen mit divergirenden Fasern vorwärts an den Seitenrand der Patella und 
an die hintere Fläche der Strecksehne des Unterschenkels und des Lig. pa- 
tell. inf. So schützen sie die Seitenwand der Kapsel. Das laterale Band 
ist schwächer, auf- und abwärts minder scharf begrenzt, an der Aussen- 
fläche bis nahe an die vordere Insertion mit der Fascie verwachsen; das 
mediale (Fig. 129pm) endet mit scharfem, concavem oberen Rande genau 
unter dem unteren Rande des medialen Kopfes des M. extensor quadriceps. 

Beide sind von der Kapsel zuweilen durch ein- oder mehrfache, fächerige 
Schleimbeutel geschieden. 


Das tiefste Band der vorderen Kniegegend, Lig. fransversum genu?), c. Tietste 
Schichte. 
Lig. transv. 
) Ligg. fabelliformia H. Meyer. genu. 
2) Lig patellae aut. Lig patellae propr. Hyrtl. Lig. patellae anticum Cruv. Lig. 
patellae med. Nuhn (Chirurg. anat. Tafeln. Tab. XXVUI.). 
3) Ligg. patellae externum und internum Nuhn. 
1) Ligg. patellae lateralia externum und internum Theile. Ligg. propria patellae Cruv. 
Retinacula patellae externum und internum H. Meyer. 
°) Lig. transversum cartil, semilun. Weitbr. Lig. transv, commune Weber-H. Lig. 


Jugale Arn. 


144 Kniegelenk. 


liegt auf der vorderen Kapselwand in der Nähe ihrer unteren Anheftung, 
mehr oder minder in Fett versteckt, mehr oder minder straff zwischen den 
beiden Bandscheiben ausgespannt, die es verbindet (Fig. 123).. Es ist ein 
Bündel transversaler Fasern, welches sich von der oberen Fläche der me- 
dialen Bandscheibe in der Nähe ihrer vorderen Insertion ablöst und sich an 
den vorderen Rand der lateralen Bandscheibe anfügt. Es ist sowohl in 
Länge, als in Dicke variabel, nicht leicht über 5""® im Durchmesser, eylin- 
drisch oder platt, mit frontalen Flächen; zuweilen verliert es sich von der 
einen oder anderen Bandscheibe aus in den fetthaltigen Synovialfalten der 
vorderen Kapselwand. Nicht selten fehlt es. 

IT. der hin- Die hintere Kapselwand !) hat eine verwickelte Textur. Die Ur- 


teren Wand. E x te E x 3 e 
sache liegt theils in ihrer Verbindung mit zahlreichen Muskelsehnen, theils 


Am’ 4 || Am 
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amb_— re 
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Sm’_- ÄR RR 
Ba B£ 


Hintere Wand des Kniegelenks, von aussen. al Lig. access. laterale. amb Lig accessor. 

med. breve. Bfb M. biceps fem. cap. breve. Bf Insertionssehne des M. biceps. Fi Faseia 

intermuseularis lateral. Vm M. vastus medial. Am, Am‘ M. abduct. magnus. Am‘’ Insertion 

desselben am Epicond. med, ** Gefässlüicke Gam, Gal M. gastrocnem. caput lat. und 
med. Pla Ursprung des M. plantaris. S M. soleus. ?o M. popliteus. 


!) Lig. postic. median. Cruv. 


Kniegelenk. 145 


in dem Zusammenhange des Fettes, welches die Kniekehle erfüllt, und seiner 
Gefässe mit dem Fett: und den Gefässen der sagittalen Scheidewand des 
Kniegelenks. Es bedurfte dazu einer Anzahl von Oeffnungen, zu deren 
Begrenzung die Bindegewebsstränge sich vielfältig durchkreuzen, indess das 
zwischengelagerte Fett besonders den mittleren, die Fossa intercondyloidea 
von hinten her deckenden Theil der Kapsel unregelmässig in Blätter zer- 
legt. Ueber den Condylen ist die Kapsel compacter, 2" mächtig, es treten 
die verticalen Faserzüge in starken Strängen hervor, die aber zum grossen 
Theil in die Ursprünge der Wadenmuskeln übergehen. In dem weiter ab- 
wärts gelegenen Theile der Kapsel zeichnen sich fast immer zwei, im We- 
sentlichen transversale Stränge aus, das Lig. popliteum obliquum 1) und 
Lig. popliteum arcuatum ?). 

Das Lig. popliteum obliguum ist ein Theil der Ausbreitung der 
Sehne des M. semimembranosus. Indem diese starke Sehne in der Gegend 
der Gelenkspalte hinter dem medialen Condylus auf die hintere Kapselwand 
trifft, theilt sie sich in drei Zipfel: der vorderste, die eigentliche Fort- 
setzung der Sehne, wendet sich im Bogen nach vorn (Fig. 127. 129 Sm‘); der 
zweite setzt sich geradezu in der Richtung des gemeinsamen Stammes, aber 
abgeplattet, zur Tibia fort (Fig. 129 Sm“); auf diese beiden komme ich 
bei der Beschreibung des medialen Seitenbandes zurück; der dritte Zipfel 
endlich, das Lig. popliteum obligquum, biegt unter einem stumpfen Winkel 
in die hintere Kapselwand um und verläuft, fest in derselben eingewebt, 
lateral- und wenig schräg aufwärts gegen den lateralen Theil der hinteren 
Kapselwand, in dem er sich verliert. Wird die Sehne des M. semitendino- 
sus angespannt, so zieht das Lig. popliteum obliquum die Kapselwand in 
einer Falte nach hinten; es selbst bildet die Kante dieser Falte. 

Das Lig. popliteum arcuatum ist eine aufwärts concave Schleife, 
welche am lateralen Epieondylus entspringt und sich in der Gegend der 
Fossa intercondyloidea unter dem Lig. popliteum obliquum wieder in die 
Kapsel verliert. Der tiefste Theil der Schleife entspricht der Region der 
Kapsel, welche die Oeffnung begrenzt, durch die die obere Kammer des 
Gelenkes mit der Bursa synov. poplitea communieirt; der Faserzug ver- 
stärkt also von aussen her gerade die Stelle der Kapsel, welche allein an 
dem Rande der Bandscheibe vorübergeht, ohne mit demselben verwachsen 
zu sein. In den unteren Rand der Schleife inserirt sich ein Band und ein 
Muskel. Das Band, Retinaculum Lig. arcuati 3), entspringt am Köpf- 
chen der Fibula zwischen der Insertion des M. biceps und dem Ursprunge 
des M. soleus und vertheilt seine Fasern im Lig. arcuatum nach beiden 
Seiten; der Muskel ist ein Theil des M. popliteus, etwa die mediale Hälfte 
desselben, indess die laterale Hälfte in eine rundliche Sehne über - und an 
den lateralen Epicondylus geht. Bei gestrecktem Knie ist das Retinaculum 
gespannt und befestigt die Schleife in ihrer abwärts convexen Lage; in ge- 


U) Lig. posticum Winslowü Weitbr. Lig. popliteum aut. Lig. popliteum int, Krause. 
Lig. posticum superfie. Bourgery. 

?) Arcus popliteus H. Meyer. 

3) Lig, laterale externum breve Weitbr. Lig. laterale externum post, Meckel. Lig. 
popliteum externum Krause. r 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 10 


Lig. poplit. 
obliquum. 


Lig. poplit. 
arcuatum. 


III. der la- 
teral- Wand, 
Lig. acces- 
sor, laterale 


IV. der me- 
dial. Wand. 


146 Kniegelenk. 


bogener Lage des Kniees übernehmen die Fasern des M. popliteus diese 
Function. So halten sie den Canal offen, durch welchen die Bursa synov. 
poplitea mit der Gelenkhöhle communieirt; mittelbar können sie durch die 
Kapsel auf die laterale Bandscheibe wirken und diese bei der Beugung 


rückwärts ziehen. 


An der lateralen Fläche des Kniegelenks liegt das Lig. accessorium 
"laterale }), ein platter Strang mit ziemlich scharfem vorderen und hinte- 
‚ren Rande, durch eine ansehnliche Fettlage von der Kapsel gesondert. Es 


Fig. 128. \ 


III II IN\N 


Laterale Wand des Knıegelenkes von aussen. Die Fas- 
cie und der M. extensor cruris (E) .durchgeschnitten 
und nach vorn umgelegt. F Insertion der Fascie an 
der Tibia. 7’ Bündel derselben, die sich vor der Pa- 
tella kreuzen, Fi Fascia intermuse. lat. K Kapsel. 
Bp Bursa synov. poplitea.. Scr M.subecruralis. B/M. 
biceps femoris. Gal Gastroenem, cap. laterale. S M. 
soleus. Pel M. peroneus Jong. Np N. peroneus, 
** Rettpolster. 


ist beigestrecktem Knie ganz 
straff zwischen dem Schen- 
kelbein und dem Köpfchen 
der Fibula gespannt; seine 
Schenkelbeininsertion haftet 
am lateralen Epicondylus, 
gerade unter der Insertion 
des lateralen Lig. intermus- 
culare des Schenkels, von 
welchem einzelne Bündel sich 
in das Lig. accessorium lat. 
fortsetzen; seine Fibularin- 
sertion wird von der Sehne 
des M. biceps femoris um- 
fasst und durch ein schlei- 
miges Bindegewebe locker 
mit den Bündeln dieser Sehne 
verbunden. Die vordersten 
Fasern des Lig. laterale (Fig. 
128al‘) biegen fast recht- 
winklich nach vorn um und 
verlieren sich auf dem Rande 
der Bandscheibe.. Da die 
Entfernung der Schenkelbein- 
insertion des Bandes vom 
Rande der Artieulationsfläche 
in verticaler Richtung be- 
trächtlich grösser ist, als in 
sagittaler (30 und 25mm), so 
muss das in der Streekung 
gespannte Band bei der Beu- 
gung des Unterschenkels er- 
schlaffen. 


An der medialen Fläche des Kniegelenkes (Fig. 129) findet sich ein Lig. 
accessorium mediale longum ?) und Lig. access. mediale breve °), 
beide platt und breiter, als das Lig. accessorium laterale, beide am media- 


\) Lig. lat. ext. long. Weitbr. Lig. lat. ext. anterius Meckel. 
?) Lig. lat. internum Weitbr. Lig. lat. int. anterius H. Meyer. 


®) Lig. lat, int. posterius H. Meyer. 


Kniegelenk. 147 


len Epicondylus unterhalb des Lig. patellare mediale entspringend, beide in 
unmittelbarer Berührung mit einander, das Lig. longum oberflächlicher, das 
Lig. breve tiefer, jenes zur Tibia, dies zur Bandscheibe hinabreichend, jenes 
mit dem grössten Theile seiner Masse weiter nach vorn gelegen als dieses. 
Das Lig. access. med. longum besteht aus starken, verticalen Faserbündeln, 
die sich abwärts etwas ausbreiten und an der Tibia am hinteren Rande der 
medialen Fläche 2 bis 3‘ unterhalb des Margo infraglenoidalis anheften. 
Sie bedecken, indem sie über diesen Rand hinweggehen, die Vasa articula- 
ria genu medial. infer., dann 
die vordere Sehne desM. se- 
mimembranosus (Sm), mit 
welcher sie durch ein schlüpf- 
riges,Bindegewebe verschieb- 
bar verbunden sind. Nach 
aussen deckt sie in der Re- 
gel ein grosser Schleimbeu- 
te], über welchen die Sehnen 
des M. gracilis und semiten- 
dinosus gleiten. Nach hinten 
ist das Band nicht scharf ab- 
gegrenzt, sondern setzt sich 
in eine allmälig dünnere 
und mehr unterbrochene Fa- 
serlage fort, die die Sehne 
des M. semimembranosus 

deutlicher durchschimnern 

lässt. Da der Ursprung 
des Lig. access. med. lon- 
gum am Schenkelbeine fast 
mit dem Mittelpunkte des 
Kreisbogens zusammenfällt, 
den der Sagittaldurchschnitt 
des hinteren 'Theils der Ge- 
lenkfläche des Condylus be- 
schreibt, so behält das Band 


Rt in Streckung und Beugung 
z fast den gleichen Grad der 
Mediale Wand des Kniegelenkes von aussen, Die Fas- Ss 
cie F mit der Sehne des M. sartorius durchschnitten ia 8 


und nach vorn zurückgeschlagen, ebenso die Sehnen Das Lig. access. med. 
des M. gracilis (Gr) und semitendinosus (S2). pm Lig. breve reicht , wie erwähnt, 
patellare mediale. Bsm Bursa synov. semimembranosa, Br NBandecheib 
an der medialen Wand geöffnet, Gam M. gastrocne- MUT ee au 
mius medial. Am‘' Insertion des M. abduct, magn. am Für den unterhalb der Band- 
medialen Epicondylus. E, Scr, ** wie in Fig. 128. scheibe ' befindlichen Theil 

der Kapsel vertritt die Sehne 
des M. semimembranosus mit ihren abwärts ausstrahlenden Faserzügen die 
Stelle eines schützenden Bandes. Fasern, denen des Lig. access. med. 


br. ähnlich und mit der Bandscheibe zusammenhängend, fehlen übrigens 
10 * 


Ligg. acces- 
sor mediale 
leng- 


Lig. access. 
med. breve. 


Syuovial- 
falten. 
Plieca synov. 
patellaris, 


Synovial- 
zotten. 


Physiolog. 
Bemerkun 
gen. 


148 Kniegelenk. 


auch nicht auf dem Theile der Kapsel, den das lange Band bedeckt; nur 
sind sie von dem letzteren nicht trennbar. 

Das Kniegelenk enthält einige grosse, fetthaltige Synovialfalten von 
mehr oder minder constanter Form und eine Masse feiner Synovialzotten. 
Von den Synovialfalten ist die ansehnlichste und regelmässigste die Plica 
synov. patellaris (Fig. 112.113. 116. 123.125) 1), die sich im Zusammen- 
hange mit dem die vordere Kapselwand bedeckenden Fett vom Boden des 
Gelenks erhebt und hinter der Gelenkfläche der Patella bis nahe an deren 
horizontale Firste aufsteigt. In der Regel ist sie durch einen, der verticalen 
Firste der Kniescheibe entsprechenden Einschnitt vom oberen Rande aus mehr 
oder minder tief in zwei Lappen getheilt. Ihr oberer Rand ist concav, indem 
sie sich am Seitenrande der Patella, allmälig verschmächtigt, hinaufzieht. 
Selten umfängt sie die Kniescheibe auch an ihrem oberen Rande. Bei der 
Beugung des Unterschenkels tritt sie als Polster zwischen Patella und Tibia 
(Fig. 116). Der Uebergang in diese Stellung wird gesichert durch ein strang- 
förmiges Band, Lig. plicae synov. patellaris (Fig. 116.117.123.125)), wel- 
ches aus dem Bindegewebe der Synovialfalte sich am Boden des Gelenkes 
entwickelt, frei in sagittaler Richtung durch das Gelenk verläuft und sich 
am vorderen Rande der Fossa intercondyloidea des Schenkelbeins, selten 
zugleich an der Eminentia intercond. der Tibia oder am Lig. eruciat. ant. 
festsetzt. Umfang, Stärke und Zusammensetzung dieses Bandes sind ver- 
änderlich; ich sah es von Zwirnfadendicke, nur aus einem Arterien- und 
Venenstämmchen und ein paar longitudinalen Bindegewebsbündeln beste- 
hend; meist ist es gegen die Insertionen platt und breit, in der Mitte cylin- 
drisch, durch Einschliessung einzelner Fettlappen knotig. 

Minder regelmässige Fettlappen ragen vom Vorderrande und den Sei- 
tenflächen der sagittalen Scheidewand in die Gelenkhöhle. 

Eine vollständige Ausgleichung der Incongruenz des Kniegelenks wird 
aber auch durch diese Synovialfalten nicht erzielt und es bleiben leere 
Räume, die die Synovia erfüllt. Ohne Zweifel steht die Zahl und Grösse 
der Synovialtaschen, die in das Gelenk münden, zu den individuellen Gra- 
den der Incongruenz in einem gewissen Verhältniss. 

Die Synovialzotten sind am reichlichsten und zierlichsten in der vor- 
deren Wand des Gelenkes zwischen dem oberen Rande der Patella und der 
Falte, die den Eingang in die Bursa synov. suberuralis andeutet, dann auf 
dieser Falte selbst. Sie kommen auf allen, die Gelenkhöhle begrenzenden 
Weichtheilen, auf den Ueberzügen der nicht artieulirenden Knochen, aber 
auch ganz beständig, in einer Länge von !/, bis 1/‚mm, auf den scharfen 
Rändern der Bandscheiben vor. Feine Falten und Stränge, zwischen wel- 
chen die Kapsel sich in Form kleiner Follikel ausbuchtet, liegen zahlreich 
in der Gegend der Anheftung der Kapsel an die Seitenränder der Tibia. 


So complieirt das Kniegelenk in anatomischer Beziehung, so einfach ist der 
Mechanismus desselben. Den Aufschlüssen , welche die Gebrüder Weber darüber 
gegeben haben, lässt sich kaum etwas hinzufügen. Mit dem Ellenbogengelenke ver- 
glichen, beruht die Eigenthümlichkeit des Kniegelenkes vorzugsweise darin, dass die 


) Process. aliformes Weitbr. Ligg. alaria externum s. minus u. internum Ss. majus aut. 
Marsupium patellare Bark, 
2) Lig. mucosum aut. Lig. adiposum Oruv. Lig. suspensorium marsupü Barkow. 


Bänder der Unterschenkelknochen. 149 


Aufgabe, die Bewegung in bestimmte Grenzen einzuschliessen, dort durch die Con- 
figuration der Knochen, hier durch eigenthümliche Bänder erfüllt wird. Der ganze 
Bandapparat des Knies ist darauf eingerichtet, aus der gestreckten Lage desselben 
keine andere Bewegung als die Beugung zu gestatten. Insbesondere "widersetzen 
sich die Ligg. eruciata nebst der hinteren Kapselwand jeder Fortsetzung der Streck- 
bewegung, durch welche die Tibia mit dem Schenkelbein einen nach vorn offenen 
Winkel bilden würde. Mit der Beugung dagegen, welche ein gleichzeitiges Schlei- 
fen und Rollen der Condylen auf der Gelenkfläche der Tibia ist, beginnt eine Er- 
schlaffung der Bänder, die, während die Ligg. cruciata immer noch die beiden Ge- 
lenkflächen in Berührung erhalten, eine Rotation der Tibia um ihre Längsaxe 
(Pronation und Supination nach Weber) erlaubt, eine Rotation, bei welcher der 
mediale Theil des Gelenkes der relativ ruhende und der laterale der bewegliche ist, 
weil am Lig. accessor. laterale die Spannung sich eher und beträchtlicher mindert, 
als an den Ligg. aceessoria medialia. Die Exceursion dieser Rotation beträgt nach 
den Messungen der Gebrüder Weber im Mittel 39°. In Uebereinstimmung mit 
der grösseren Nachgiebigkeit der Bänder findet sich am lateralen Condylus auch 
die zur Rotation geeignetere Form der Gelenkfläche und eine freiere Beweglichkeit 
der Bandscheibe, die der Condylus vor sich herschiebt. Die äusserste Grenze der 
Beugung wird durch die Spannung des Lig. cruciat. ant. bestimmt. 

Nur für die Beugung und Streckung ist die Faltung der Kapsel durch Mus- 
keln geregelt. Die vordere Kapselwand erhebt bei der Streckung der M. suberu- 
ralis. Die hintere Kapselwand hat zwei Muskeln, die sie bei der Beugung vom 
Knochen abziehen. Der eine, M. semimembranosus, wirkt (durch Vermittelung 
des Lig. popliteum obliguum) in Gemeinschaft mit den am Becken und Schenkel- 
bein entspringenden Beugern, also wenn der Unterschenkel gegen den Oberschen- 
kel heraufgezogen werden soll; der andere, M. popliteus, wirkt (durch Vermittelung 
des Lig. popliteum arcuatum) in Gemeinschaft mit den am Calcaneus entspringen- 
den Beugern, wenn, wie beim Niedersetzen, der Oberschenkel gegen den Unter- 
schenkel herabgezogen wird. 


D. Bänder der Unterschenkelknochen. 


Die beiden Unterschenkelknochen sind am oberen und unteren Ende 
durch wahre Gelenke, wenn auch nur in sehr geringem Grade beweglich, 
mit einander verbunden. Das obere Gelenk öffnet sich zuweilen, wie er- 
wähnt, durch Vermittelung der Bursa synovialis poplitea in das Kniege- 
lenk; viel häufiger ist es selbstständig. Das untere Gelenk dagegen steht 
regelmässig mit dem Knöchelgelenk in Verbindung und erscheint nur als 
eine aufwärts gerichtete Ausstülpung desselben. Aus diesem Grunde werde 
ich es auch im Zusammenhange mit dem Knöchelgelenk besehreiben und an 
dieser Stelle nur das obere Tibioßbulargelenk und die Haftbänder der 
Unterschenkelknochen abhandeln. 


a. Oberes Tibiofibulargelenk. 


«. Kapselband. 


Die correspondirenden Gelenkflächen der Tibia und Fibula sind oval 
oder dreiseitig, von fast gleichem Umfange, mit einem 1 bis Zum mächtigen 
hyalinischen Knorpel überzogen. Die Articulationsebene ist vor- und me- 
dianwärts abhängig und schwach nach oben ausgehöhlt. 


D. Bändet 
der Unter- 
schenkel- 
knochen. 


a. Oberes 
Tibiofibu- 
largeleık. 
«. Kapsel. 


150 Bänder der Unterschenkelknochen. 


Die Kapsel entspringt an der lateralen Fläche der Tibia etwas (bis 
Sum) oberhalb der Gelenkfläche, sonst überall am Rande der letzteren; doch 


Fig. 130. 


P- Haftbän- 
der. 


schliesst sie häufig noch 
ein, an den medialen 
und unteren Rand der Ge- 
lenkflächen zunächst an- 
grenzendes, aber stärker 
abwärts geneigtes und nur 
von Beinhaut bekleidetes 
Feld, in welchem Tibia 
und Fibula einander be- 
rühren, mit ein (Fig. 124). 


ß. Haftbänder. 


Es finden sichin der Re- 
gel zwei, ein vorderes, Lig. 


Sagittaldurchschnitt des gebeugten Knies durch den capituli fibulae ant., und 
lateralen Condylus.. Atf Oberes Tibiofibulargenk. Bp nicht ganz so constant, ein 


Bursa synov. poplitea, 


hinteres, Lig. eapituli fbu- 


lae post. Sie bestehen aus transversalen oder schräg lateralwärts abstei- 
genden Fascikeln, welche an der vorderen und hinteren Fläche der Gelenk- 
spalte von der Tibia zum Köpfchen der Fibula verlaufen. Das hintere wird 
durch den Ursprung eines Kopfes des M. soleus verdeckt; von dem vorde- 


b. Lig. in- Oberes Ende des Unterschenkels , laterale 
teross. Fläche. al Lig. accesor. laterale des Knie- 
gelenks. Bf Sehne des M. biceps femoris. 

Ta M.tib.ant. kurz unter seinem Ursprunge 
abgeschnitten. Edc M. ext. dig. comm. 

Pel M. peroneus longus. * Muskeln der Beu- 

geseite, durch die Lücke des Lig. interos- 

seum hindurchscheinend. 


ren (Fig. 131) entspringen Fasern des _ 
M. peroneus long. und ext. dig. pedis 
longus. Die obere Wand, welche 
die Gelenkhöhle von der Höhle der 
Bursa synov. poplit. abgrenzt, ist dünn 
(Fig. 150); unterhalb des Gelenkes ist 
der Raum zwischen der Kapsel und 
den obersten Fasern des Lig. interos- 
seum von Fett erfüllt. 

Die Gelenkflächen verschieben sich 
an einander in transversaler und sagittaler 
Richtung; in der ersteren mit etwas grös- 
serer Excursion. Die Ligg. capituli fibulae 
wirken hemmend in beiden Richtungen. 
Rotation ist ausgeschlossen. Die Beweg- 
lichkeit hat nur den Zweck, eine Verschie- 
bung der unteren Enden beider Knochen 
im Knöchelgelenk zu ermöglichen. 


b. Ligamentum interosseum '). 


Eine Membran, ganz ähnlich dem 
Lig. interosseum des Unterarmes, 


") Membrana interossea. 


Bänder der Unterschenkelknochen. 151 


spannt sich zwischen den Cristae inteross. der Unterschenkelknochen; die 
Anheftung ihrer Seitenränder und die Lage ihrer Flächen ist schon mit der 
Beschreibung der Knochen (Knochenl. S. 259) gegeben. Oben bleibt zwi- 
schen dem Lig. interosseum und dem Gelenk eine ansehnliche Lücke, durch 
welche Gefässe und Nerven von der Beuge- auf die Streckseite gehen- 
Der untere Rand dieser Lücke ist aber minder scharf als am Unterarm, 
weil längs desselben mit dem Ausschnitte des Ligaments die starke Fascie 
der tiefen Beugemuskeln zusammentritt. Auch darin gleicht die Verbin- 
dung der Knochen am Unterschenkel der am Unterarme, dass in der Lücke 
zwischen dem Gelenk und dem Lig. interosseum, dicht unterhalb des erste- 
ren, einige gesonderte Faserbündel (Fig. 131 **) zwischen Tibia und Fi- 
bula, analog der Chorda transversalis, in einer Richtung verlaufen , wel- 
che der Richtung der Hauptfaserung des Lig. interosseum entgegengesetzt 
ist ). Während aber am Arme die Chorda transversalis gegen den Radius, 
die Hauptfaserung des Lig. inteross. gegen die Ulna schräg absteigt, haben 
am Beine die vereinzelten, oberen Faserbündel einen gegen die Fibula auf- 
steigenden, die Fasern des Lig. interosseum einen gegen die Fibula abstei- 
genden Verlauf. Der Zug der Fasern am Arme und Beine wird parallel, 
wenn man das Lig. inteross. des pronirten Armes mit dem des Beines 
vergleicht. 

Gegen das untere Ende der Unterschenkelknochen, an der Ineisura 
fibularis der Tibia (Knochenl. S. 261) und der entsprechenden Fläche der 
Fibula (ebendas. S. 264) wird das Lig. interosseum, indem es in einzelne, 
verschiedentlich durchflochtene Bündel auseinanderweicht, zu einem massi- 
ven Zwischenlager, einer Art Polster zwischen den beiden Knochen, dessen 
Sagittaler Durchmesser gegen das Knöchelgelenk zunimmt 2). Das Fett, 
welches reichlich zwischen den Bindegewebsbündeln angehäuft ist und sich 
bis auf die obere Kapselwand herab erstreckt, ist für die Freiheit der Be- 
wegungen des Knöchelgelenks nicht ohne Bedeutung. 


E. Fussgelenke. 


Obgleich in der Reihe von Gelenken zwischen Unterschenkel und 
Mittelfuss eine strengere anatomische Sonderung besteht, als in den ent- 
sprechenden Gelenken der oberen Extremität, und auch die verschiedenen 
Bewegungsrichtungen genauer an die einzelnen Gelenke des Fusses ver- 
theilt sind, als an die der Hand: so kommen doch auch am Fusse Haftbän- 
der vor, die-über eine geringere oder grössere Zahl von Gelenken hinweg- 
gehen, und um deren willen es zweckmässig ist, den Bandapparat der Knö- 
chel- und Fusswurzelgegend als ein Ganzes aufzufassen. 

Bei der Darstellung der Gelenkverbindungen der Hand habe ich zu- 
erst die Kapselmembranen, dann die eigentlichen Haftbänder beschrieben. 
Eine solche Sonderung lässt sich an dem Fussgelenke nicht durchführen. 


1) Lig. capituli fibulae inf. Barkow. 
®) Lig. übio-fibulare sup. Meckel. Lig. malleol ext. intermed. Barkow. Lig. mall. 
ext. sup. Arnold, Lig. interosseum Cruv. 


E. Fuss- 
gelenke. 


152 Fussgelenke. 


Es giebt an der Fusswurzel Bänder, welche, streckenweise einer Kapsel 
fest eingewebt, an anderen Strecken ihres Verlaufs sich als Haftbänder ver- 
halten, und von je zwei Bändern, welche einander an gegenüberliegenden 
Seiten des Gelenkes das Gleichgewicht halten und welche also, wenn ihr 
Einfluss auf die Bewegungen richtig verstanden werden soll, in der Be- 
schreibung eoerdinirt werden müssen, kann das eine ein frei über die Kno- 
chen verlaufendes Haftband, das andere ein Verstärkungsfaseikel der Kap- 
selmembran sein. Wir treffen ferner an der Fusswurzel den ausserordent- 
lichen Fall, dass ein breites Band, welches zwei Knochen verbindet, zwi- 
schen den überknorpelten Flächen dieser Knochen an der Bildung einer 
Gelenkpfanne Antheil nimmt, sowie auch die Haftbänder des unteren En- 
des der Unterschenkelknochen zugleich als Labra glenoidea zur Vergrösse- 
rung der Pfanne des Knöchelgelenks dienen. So wird es unerlässlich, ein- 
zelne Haftbänder schon bei den Kapseln in Betracht zu ziehen. 

Unter den Fussgelenken sind drei zu ergiebigeren Bewegungen be- 
stimmt, das Knöchelgelenk und das hintere und vordere Sprungbeingelenk. 
Die iibrigen Gelenke der Fusswurzelknochen unter sich und mit den Mittel- 
fussknochen sind Amphiarthrosen; sie geben einen merklichen Ausschlag 
nur, wenn sich ihre Verschiebungen nach gleicher Richtung summiren. 

Die freier beweglichen Gelenke des Fusses sind zwar im Wesent- 
lichen congruent, aber doch in einer Beziehung von anderen congruen- 
ten Gelenken verschieden und dem Kniegelenke verwandt. Vollstän- 
dig passen nämlich die Gelenkflächen auf einander in der Lage, die 
sie bei aufrechter Körperstellung einnehmen. Die Last, die die Kno- 
chen in dieser Stellung zu tragen haben, wirkt mit, dass sich die Flä- 
chen genau aneinanderschliessen; sie bewirkt aber auch, wie bereits bei 
dem Kniegelenke gezeigt wurde, dass Unebenheiten der einen Fläche sich 
auf der anderen abdrücken, dass die eine Gelenkfläche den minder wider- 
standsfähigen Stellen der anderen gegenüber sich hervorwölbt u. s. f. So 
entstehen Unregelmässigkeiten der Gelenkflächen, welche das gegenseitige 
Ineinandergreifen derselben begünstigen und dadurch die Sicherheit der 
aufrechten Haltung vermehren, zugleich aber für jede andere Haltung die 
Congruenz stören. Zur Ausgleichung sind neben den Synovialfalten und 
dem Fett, welches in besonders reichlichen Massen die Fussgelenke umla- 
gert, grössere Mengen Synovia erforderlich, und die Kapseln der Fussge- 
lenke sind, gleich der Kniegelenkkapsel, darauf eingerichtet, sie zu liefern, 

Diese Betrachtungen erklären zugleich, warum Vergleichungen der 
Articulationsebenen des Fusses mit Rotationsflächen nur annäherungsweise 
richtig sein können. 


a Unteres Tibiofibulargelenk. 


a. Kapselband. 


a. Unteres Etwa 10mm iiber der unteren Fläche der Tibia endet der oben be- 
Tibiofibu- : ; nad 

largeleuk. SChriebene compacte Theil des Lig. interosseum, und eben so weit hinauf 
«. Kapsel. reicht eine enge Lücke, die sich von der Höhle des Knöchelgelenkes aus 


zwischen beide Unterschenkelknochen erstreckt. Kaum verdient diese Lücke 


Fussgelenke. 153 


den Namen einer Gelenkhöhle; sie gleicht eher einer von knöchernen Wän- 
den begrenzten Synovialtasche; denn die einander zugekehrten Knochen- 

Fig. 132. flächen schliessen nicht auf einan- 
der, sondern sind in der Regel beide 
leicht ausgehöhlt (Fig. 132); sie sind 
nicht mit Knorpel, sondern die tibiale 
Fläche mit Beinhaut, die fibulare mit 
einem flachen Fettpolster bekleidet, 
welches den Raum zwischen beiden 
Knochen nicht immer vollständig 
ausfüllt. 

Der hintere, obere und vordere 
Rand der Höhle gehen in einer 
halbkreisförmigen Linie in einander 

ARER über; der untere, nur leicht auf- 

SEEN S % ee 
III SD wärts gekrümmte Rand, an wel- 
< chem das Tibiofibulargelenk sich 

: in das Knöchelgelenk öffnet, ist 
Yeraschu, des Ktete wul, wrieed cine feine und durch eine Art von 
des ersteren. Hinteres Segment. 7 Sprung- Klappe verwahrte Spalte. Es lest 
bein. C'a Fersenbein. * Hinteres Sprungbeinge- sieh nämlich von dem oberen Rande 
Ink, von vr gefhet 106 Li. Mocsnenn ger üherknorgelien Fläche, mit wel 
des M. flex. hall long. Fdl des Flex. dig, cher die Fibula an der Bildung der 
long. Peb, Pel des M. peron. long. und br. Pfanne des Knöchelgelenks 

Fig. 133. Theil nimmt (vgl. Knochenl. 
Fig. 258 **), eine Synovial- 
falte über den lateralen Rand 
der Endfläche der Tibia her, 
an der vorderen Hälfte der 
Spalte schmal und fein, an 
der hinteren breiter und wul- 
stiger, gefäss- und zottenreich, 
mit sehr fein zugeschärftem 
bogenförmigen Rande (Fig. 
Knöchelgelenkpfanne, die Kapsel durch einen horizon- 153% Die Falte zieht sich, 


talen Schnitt geöffnet. cf, ct Ligg. caleaneo-fib. und wenn man Tibia und Fibula 
ealcaneo tibiale. ia, ttp Ligg. talo-tib. ant. u post. - 


ifa, tfp Ligg. talo-fibularia ant. und post. PP Sehnen gewaltsam von einander ent- 

der Mm. peronei (long u. br.). Zhl, Sehne des M fernt, zwischen beide in die 

flex. hall. long Zdl, des M flex. dig. long. Tp des fröne, Eine Andeutune von 

M.-tib. post. u Ze 

R Klappenbildung findet sich 

übrigens schon an der hyali- 

nischen Knorpelbekleidung der Knöchelgelenkpfanne in der Weise, dass der 

Knorpelüberzug der Fibula mit feinem scharfen Rande über den Knorpel 
der Endfläche der Tibia greift (Fig. 132). 


#4, Haftbän- 
2 der. 


Lig. mall. 
lat. ant. 


154 


Fussgelenke. 


ß. Haftbänder. 


Während die Höhle des unteren Tibiofibulargelenkes aufwärts an das 
Lig. interosseum grenzt und abwärts in der eben beschriebenen Weise in 
das Knöchelgelenk einmündet, wird sie an der vorderen und hinteren Flä- 
che durch starke Haftbänder, ein Lig. malleoli lateralis ant. und post., ge- 
deckt, die mit schräg lateralwärts absteigenden Bündeln Tibia und Fibula 
an einander befestigen, oben in die Faserung des Lig. interosseum sich fort- 
setzen und unten mit wulstigem Rande an die Kapselmembran des Knöchel- 


gelenks stossen. 


Das Lig. malleoli lat. ant. (Fig.133.134) 1) ist dreiseitig, seine Fasern 
nehmen nach unten an Länge allmälig zu; die untersten verlaufen zwischen 
dem vorderen Rand der Knöchelgelenkfläche der Fibula und dem der Fibula 
zunächst gelegenen Theile des unteren Randes der Tibia und füllen den von 


diesen beiden Rändern begrenzten Winkel aus. 


Die vordere Fläche des 


Bandes ist von lockerem Bindegewebe und Fett bedeckt; der über die 
Knochen abwärts vorragende Theil schaut mit der hinteren Fläche frei in 
die Höhle des Knöchelgelenks; der untere Rand schleift auf der. abgerunde- 
ten Kante des Talus, welche die obere Gelenkfläche dieses Knochens von 


der lateralen trennt. 


Knöchelgelenk von vorn geöfinet, der Fuss 
im vorderen Sprungbein- u. Würfelbeingelenk 
exartieulirt. Zen, {cn Ursprung und Inser- 
tion des abgeschnittenen Lig. tibio-caleaneo- 
nav. tel Lig. talocaleaneum laterale, 
Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 133, 


Tp Scheide 
des M. tibial. pst: Fdl Rinne des M. 
flex. dig long. Fhl Rinne des M.flex. hall. 
long. PP Sehnen der Mm. peronei long. 
und br. in ihrer Scheide. F tiefe Fascie 
der hinteren Fläche des Unterschenkels. 
tcp Lig. talocalecan. post. Die übrigen Be- 
zeichnungen wie in Fig. 133. 


Dasselbe von hinten geöffnet 


') Lig. mall. ext. ant. sup. und inf. Weitbr. Lig. malleoli externi ant. aut. Lig. tibio- 


Jibulare ant. H. Meyer. 


Fussgelenke. 155 


Das Lig. malleoli laleralis post. (Fig. 133.135) 1) ist dem Lig. ant. Lie. malı. 
in der Form ähnlich, aber bedeutend stärker (bis 7®m); es nimmt seinen Ur- es 
sprung nicht nur von den hinteren Flächen beider Unterschenkelknochen, 
sondern auch von ihren einander zugewandten Flächen, an der Tibia hinter 
der Incisura fibularis, an der Fibula mit den Haftbändern der Talusgelenke 
aus einer tiefen Grube hinter der Knöchelgelenkfläche. Die aus dieser Grube 
entspringenden Fasern ?) verlaufen minder steil gegen die Tibia aufwärts, als 
lie oberen 3); die untersten derselben setzen sich oft erst in der Nähe des 
medialen Knöchels an den Rand der Tibia an oder verlieren sich in der 
hinteren Kapselwand. Die vordere Fläche des Bandes sieht demnach eben- 
falls mit einem dreieckigen Feld in die Höhle des Knöchelgelenkes; diesem 
Felde entspricht eine Facette, welche am hinteren Theile des Talus zwi- 
schen der oberen und lateralen Fläche eingeschaltet ist. 

Beide Haftbänder spannen sich, wenn die Fussspitze gehoben wird und 
die Rolle des Talus mit ihrem vorderen breiteren Theil zwischen die Un- 
terschenkelknochen tritt; sie erschlaffen dagegen, wenn die Fussspitze 
sich senkt. 


b. Gelenkverbindungen des Sprungbeins. 
«.  Kapselbänder. 


1. Knöchelgelenk (Art. talo-cruralis) *). 


Die hyalinische Knorpelbekleidung der Unterschenkelknochen und des 5, sprung- 
Talus im Knöchelgelenk hat 1 bis 2mm Mächtigkeit. Wie die Haftbänder heinse- 
des unteren Tibiofibulargelenks die Pfanne des Knöchelgelenks vervollstän- «. Kapseln. 
digen und einen Theil des Randes dieser Pfanne bilden, wurde so eben ! a 
erörtert. Wegen der Form des Gelenkkopfes, der überknorpelten Rolle des 
Sprungbeins, verweise ich auf den osteologischen Theil Seite 271. 

Die Wölbung der oberen Gelenkfläche des Sprungbeins entspricht in 
einem der Längsaxe des Fusses parallelen Durchschnitt (Fig.136. 137 a.f. S.) 
einem Radius von 17 bis21=m und einer Bogenlänge von 120°. Die Bogen- 
länge der Pfanne verhält sich zu der des Kopfes wie 2 : 3. Beide, Kopf und 
Pfanne, verjüngen sich im transversalen Durchmesser nach hinten (die Pfanne 
von 32 auf 28”), Im aufrechten Stehen auf horizontaler Grundlage entspre- 
chen sie einander genau; der Gelenkkopf überragt alsdann die Pfanne am 
vorderen Rande mit seinem breitesten, am hinteren Rande mit seinem schmal- 
sten Theile. Soll die Fussspitze gehoben werden und der breitere Theil 
des Kopfes tiefer in die Pfanne eindringen, so müssen die unteren Enden 
der Unterschenkelknochen etwas auseinanderweichen. Wird die Fussspitze 
gesenkt und rückt der Gelenkkopf in seiner Pfanne, vor, so gewinnt er 
Spielraum, und dadurch wird, bei gebeugter Fussspitze, eine geringe Dre- 


D) Lig. mall. ext, post. aut. 

®”) Lig. mall. ext. post. inf. Weitbr. Lig. mall. ext. post. profundum Barkow. 

®) Lig. mall. ext. post. superius Weitbr. Lig. mall. ext. post. superficiale Barkow. 
*) Oberes Talus-Gelenk H. Meyer. 


156 Fussgelenke. 
Fig. 136. < 


Verticaldurchschnitte des Fusses, ‘parallel der Längenaxe desselben. Fig. 136 in Beugung. 
Fig. 137 in Streckung. Das Schiffbein (N) ist dicht am lateralen Rande, das Würfelbein 
(Cb) dieht am medialen Rande getroffen. ccp Lig. caleaneo-euboid. plant. Zhl M.ext. hall. 
long. Edb M est. dig. br. J M. inteross.. 7A Sehne der Wadenmuskeln. Abdg M. abd. 
dig. quinti. Fdl M. fex. dig. long. Fdpl dessen caput plantare (caro quadrata). Fdb M. 
flex. dig. br. Pel Sehne des M. peroneus long, Z M. lumbricalis. AdhM. adduct. hall. 


Fussgelenke. 157 


hung des Fusses um die verticale Axe möglich. Die horizontale Drehungs- 
axe des Fusses liegt in der Gegend des Can. tarsi. 

Die nach den Seiten abfallenden Articulationsflächen des Knöchel- 
gelenkes haben das Eigenthümliche, dass auch bei der äussersten Streckung 
(Hebung der Fussspitze) ein vorderer Streifen der Sprungbeinflächen bei- 
derseits frei bleibt. Die laterale Articulationsebene steht rechtwinklich, die 
mediale in der Regel in einem stumpfen Winkel zur oberen; die laterale 
reicht weiter hinab und ist an der unteren Spitze dergestalt lateralwärts 
umgebogen, dass beim aufrechten Stehen das untere Ende der Fibula vom 
Sprungbeine getragen wird (Fig. 132). 

Die Kapsel des Knöchelgelenks ist an den Seiten straff, vorn und hin- 
ten schlaff; die vordere Wand derselben legt sich bei Hebung , die hintere 
bei Senkung der Fussspitze in eine Querfalte.e. An den Unterschenkelkno- 
chen, wie am Sprungbeine, folgt ihre Anheftung ziemlich genau dem Rande 
des Knorpelüberzuges; nur vom Sprungbein schliesst sie vor dem vorderen 
Rande der oberen Artieulationsfläche einen Theil der rauhen oberen Fläche 
mit ein, welche theils von Fett, theils von einer äusserst zarten Beinhaut 
bedeckt ist. Verticale Septa scheiden diese vordere Ausbuchtung der Ge- 
lenkhöhle in Fächer, die mitunter nur durch enge Mündungen mit der 
eigentlichen Gelenkhöhle zusammenhängen. So finden sich auch an der 
hinteren Kapselwand hernienartige Anhänge mit engem Halse, deren Ein- 
gang sich in Gruben zwischen den stärkeren Faserzügen findet, welche die 
Kapsel durchsetzen. 

Von den Faserzügen der Kapsel sind einzelne durch ihre Mächtigkeit 
und Beständigkeit ausgezeichnet, die ich später mit den entschieden selbst- 
ständigen Haftbändern der Sprungbeingelenke beschreiben werde. Andere 
breiten sich mehr membranförmig in der hinteren und vorderen Kapselwand 
aus, und sie werden von Fettmassen mehr oder weniger auseinanderge- 
drängt. Sie haben im Allgemeinen in der hinteren Kapselwand eine me- 
dialwärts, in der vorderen eine lateralwärts absteigende Richtung; in der 
hinteren Kapselwand gehen sie demnach vom lateralen Knöchel in An- 
schluss an das Lig. mall. lateral. post. aus, die untersten zum medialen Hö- 
eker des Sulcus flex. hall. long. des Sprungbeins !); zu ihnen gesellen sich 
schwächere, vom medialen Knöchel steiler abwärts verlaufende Bündel. 
In der vorderen Wand der Kapsel ziehen sie meist schmal und strangför- 
mig vom medialen Knöchel zum vorderen Rande der Gelenkfläche des 
Sprungbeins. 

Sehr mächtige Fettmassen liegen auf der vorderen und hinteren Kap- 
selwand und springen als fetthaltige Synovialfalten in die Gelenkhöhle vor. 
In dem vorderen Fettpolster sind, unterhalb der Sehnen der langen Streck- 
muskeln der Zehen, die Gefässstämme des Fussrückens eingeschlossen; das 
hintere Fettpolster reicht bis zur Sehne der Wadenmuskeln; es wird von 
einer Fascie umschlossen, in welche die Sehne des M. plantaris sich aus- 
breitet, und sammt der Kapsel durch die Contraction dieses Muskels nach 
hinten gezogen. 


') Lig. obligquum Waltheri Weitbr. 


158 Fussgelenke. 


2. Hinteres Sprungbeingelenk '). 


= en In dem hinteren Sprungbeingelenk artieuliren die lateralen Gelenkflä- 

gelenk. chen (Fac. artt. laterales, Knochen]. S. 270) des Sprung- und Fersenbeins, 

von einem Knorpel überzogen, der in Charakter und Mächtigkeit dem des 
Knöchelgelenkes gleicht. 

Die Gelenkfläche des Fersenbeins ist in den meisten Fällen unregel- 
mässig begrenzt und gekrümmt; doch giebt es Füsse, in welchen sie der 
Gelenkfläche des Sprungbeins in Umfang und Krümmung genau entspricht. 

Legen wir diese, wie wohl selteneren, 
Fig. 138. doch eigentlich gesetzmässigeren 
Exemplare unserer Beschreibung zu 


Fal Grunde, so erkennen wir in der Ar- 
Edb . 5 2 

Fapl tieulationsebene deshinteren Sprung- 

beingelenks ein Stück Cylinderfläche 

Peb und zwar eines Cylinders von etwa 

28mm Radius, dessen Axe durch das 

Abh Fersenbein von dem hinteren Rande 


der lateralen zum vorderen Rande 
a der medialen Fläche in der Nähe 
2 Pe] 


NSS = “ 

ISIS > SI, der unteren verläuft. Sie schneidet 
>I7a die Längsaxe des Fusses unter ei- 

1 nem Winkel von etwa 30° und läuft 


Mar ee ra ehe daher der Medianebene fast paral- 
eg ee Iel, wenn der Fuss sich mit der 
schnitten. Vorderes Segment. A Aponeurose. Spitze so, wie es beim aufrechten 
Pel, Peb Sehnen der Mm. peron. long. und Stehen Regel ist, lateralwärts wen- 
br. Fdl Sehne des M. flex dig. long. Fadpl - - - B 
Planterer Kopf dieses Muskels. Edb M. ext. det. Die Articulationsebene ist el- 
dig. br. Abh M. abduct. hall. Adg M. abd. liptisch, und bei der eben erwähn- 
Beau. ten Stellung des Fusses liegt die 
grosse Axe derEllipse genau trans- 
versal, die kleine sagittal. Das Fersenbein trägt den Kopf, das Sprung- 
bein die Pfanne dieses Gelenkes (Fig. 138) und die Drehung, die der Kopf 
in der Pfanne macht, entspricht einer Rotation des Fersenbeins und mit ihm 
des Fusses um seine Längsaxe, wodurch der Rand desselben gehoben und 
gesenkt wird. 

Die Abweichungen von dieser regelmässigen Form beruhen nun darin, 
dass 1) die Drehungsaxe des Gelenkes die Längsaxe des Fusses unter. 
einem minder spitzen Winkel schneidet und dass sie demnach auch bei la- 
teralwärts gestellter Fussspitze der Medianebene nicht parallel läuft, son- 
dern sich mit dem vorderen Ende gegen dieselbe neigt; dass 2) der Um- 
fang der Gelenkfläche, insbesondere des Fersenbeins, sich stellenweise ein- 
zieht, an anderen Stellen ausbuchtet; sie wird dadurch dreieckig oder pal- 
men- oder kleeblattförmig; sie nähert sich der Kreisform und kann sogar 
im sagittalen Durchmesser grösser werden als im transversalen. Endlich 


1) Articulatio astragalo-calcanea propria Meckel. 


Fussgelenke. 159 


3) kommen auch Unregelmässigkeiten der Krümmung vor. Die Fersen- 
beinfläche wird sattelförmig, indem sie sich im sagittalen Durchmesser leicht 
vertieft, oder sie höhlt sich in der Nähe der Ränder aus, oder fällt nach der 
einen Seite, am häufigsten nach der lateralen, steiler ab. Die Incongruen- 
zen, welche auf diese Art entstehen, werden durch starke Fettpolster ausge- 
glichen und die Bewegung des Fersenbeines auf dem Sprungbein ist in die- 
sem Falle mehr ein Wiegen von einer Seite zur anderen, als ein Drehen 
um die Axe. Zuweilen ist ein kleiner, hinterer Abschnitt der Articulations- 
ebene in einer stumpfen Kante abgesetzt, wodurch jede Möglichkeit des 
Vorrückens des Sprungbeins auf dem Fersenbein abgeschnitten wird. 

Die Kapselmembran sitzt an der dem Can. tarsi zugewandten Seite 
des Gelenkes dicht am Rande der überknorpelten Flächen; hinter dem Sinus 
tarsi befestigt sie sich am Sprungbeine, zuweilen auch am Fersenbeine in 
geringer Entfernung vom Rande der Gelenkfläche an der Vorderfläche der 
Knochen. Hinter dem lateralen Knöchel wird ein grosser Theil der Ober- 
fläche des Fersenbeines in die Gelenkhöhle mit aufgenommen, während hin- 
ter dem medialen Knöchel, wo die Sehne des M. Flex. hall. longus an dem 
Gelenke herabläuft, die Anheftung der Kapsel wieder genau mit dem Rande 
der Gelenkflächen zusammenfällt. Der hinteren Kapselwand sind an ihrem 
Sprungbein - Ursprunge einige feste, dem Knochenrande parallele Faserbün- 
del eingewebt, welche eine Art Gelenklippe bilden. Im Uebrigen ist diese 
Wand der Kapsel fein und lehnt sich an das Fettlager, an welches auch 
die hintere Wand des Knöchelgelenks grenzt (Fig. 136). Eine nicht minder 
reichliche Fettmasse deckt in der Gegend des Sinus tarsi die vordere Wand 
der Kapsel und selbst der Can. tarsi ist vor und hinter dem Lig. interarti- 
eulare (s. unten) mit Fett erfüllt. 


Barkow beobachtete eine Communication der Kapseln des Knöchel- und des 
hinteren Talusgelenkes vor dem lateralen Knöchel. 


3. Vorderes Sprungbeingelenk !), 


Das vordere Sprungbeingelenk gehört zu den Kugelgelenken; der 3. vorderes 
Kopf nimmt die vordere Fläche und den vorderen Theil der unteren Be Nas. 


che des Sprungbeins ein; die Pfanne wird zusammengesetzt von der late- 
ralen Gelenkfläche des Fersenbeins, der hinteren Gelenkfläche des Schiff- 
beins, dem Lig. tibio-calcaneo-naviculare und der Bandscheibe desselben. 
Sieht man ab von den Facetten, welche den unteren Theil des Kopfes un- 
regelmässig machen und auf welche ich zurückkomme, so findet man den 
Radius dieses Kugelgelenkes ganz gleich dem Radius der Cylinderfläche 
des hinteren Talusgelenkes. Nicht nur ergeben alle senkrecht auf die 


) Art. communis s. astragalo-calcaneo-scaphoidea Meck. Den hinteren Theil dieses 
Gelenkes, die Articulation zwischen Talus und Calcaneus, zieht H,Meyer mit unserem hin- 
teren Sprungbeingelenke zusammen zu einem „unteren Astragalusgelenk“; den vor- 
deren Theil unseres vorderen Sprungbeingelenkes, die Articulation zwischen Sprung- und 
Schiffbein, nennt Meyer, in Verbindung mit dem hinteren Würfelbeingelenk, mittleres 
Fussgelenk. Diese Zusammenstellung ist offenbar aus Ansichten des skelettirten Fusses, 
ohne Beachtung der Kapselmembranen, hervorgegangen 


160 Fussgelenke. 


vordere Fläche des Talus und durch den Mittelpunkt derselben geführten 
Schnitte Kreisbogen von gleicher Krümmung, sondern es passt auch jeder 


Lig. tibio- 
ealecaneo- 
navic. 


Fig. 139. Das vordere Sprungbeingelenk, bei lateralwärts gerichteter Fussspitze fronta 
durchschnitten. * Knöchelgelenk, von vorn geöffnet. 7p Sehne des M. tib. post. Fhl 
Sehne des M. flex. hall. l. dl des Fl. dig. long. Fdbl planterer Kopf des letzteren. 
Fdb M. flex. dig. br. Abh, Abg M. abduct. hall. nnd dig. quint Ehl, EdIM. ext. 
hall. long. u. dig. long. Edb M. ext. dig. br. Peb, Pel Sehne des M. peron long. u. br. 


Fig. 140. Verticaler Durchschnitt des vorderen Sprungbeingelenkes parallel der Längsaxe 
des Fusses durch den Mittel-Fussknochen der grossen Zehe, * Hinteres Sprungbeingelenk. 
tei Lig. talo-calean. inteross. 
dieser Schnitte genau in die dem hinteren Sprungbeingelenk angehörige 
concave Gelenkfläche des gleichen Knochens. Der transversale Durchschnitt 
des Gelenkkopfes entspricht einem Bogen von etwa 120°; der Bogen des 

verticalen Durchschnittes ist in der Regel kleiner. 
Das Lig. libio-caleaneo-naviculare, dessen Beschreibung aus dem 
oben angeführten Grunde hier eingeschaltet werden muss, füllt den Raum 


Fig. 141. 


Bänder der Fussgelenke, von der medialer Seite. tcp, tem Lig. talo-calcaneum post, und 

mediale. t£p Lig. talo-tibiale post. ct Lig. caleaneo-tib, tbn Lig. tibio-naviculare Ta, Tp 

M. tibialis ant. u. post. dicht an der Insertion abgeschnitten, die Sehne des Tib a. abwärts 
zurückgeschlagen. 7 A Sehne der Wadenmuskeln: 


Fussgelenke. 161 


aus, der in der Fusssohle und am medialen Fussrande zwischen dem 
Schiff- und Fersenbein übrig bleibt. In der Fusssohle ‚entspringt es mit 
parallelen, starken Faserbündeln, vom medialen Rande der vorderen Gelenk- 
fläche des Fersenbeins und vom Vorderrande des Sustentaculum tali oberhalb 
des Suleus flex. hall. long. Die vordersten dieser Bündel (Fig. 141 cn) gehen 
vor- und medianwärts zur Tuberosität des Schiffbeins !); die weiter rück- 
wärts gelegenen Bündel treten am Seitenrande des Fusses, hinter dem 
Schiffbein mit Bandmassen zusammen, welche von der Spitze des medialen 
Knöchels abwärts (ten’), vom hinteren oberen Rande des Schiffbeins rück- 
wärts (fen“), von dem die Rinne des M. flexor. hall. |. am Sprungbeine 
medialerseits begrenzenden Vorsprung vorwärts (ten“) verlaufen. Aus 
der Verflechtung aller dieser Fasern geht eine knorpelharte und nicht selten 
theilweise verknöcherte, elliptische, bis 6mm mächtige Bandscheibe hervor 


(ten*), welche mit der einen Fläche in die Höhle des vorderen Sprung- 
beingelenks sieht und 


dem Sprungbeinkopfe 
genau anliegt, mit 
der anderen, eben- 
falls ausgehöhlten 
Fläche ein Stück der 
Rinne bildet, in wel- 
cher die Sehne des 
M. tibialis posticus 
anı medialen Fuss- 
rande gleitet. 

An der Pfanne 
des vorderen Sprung- 
beingelenkes, wenn 
man sie für sich be- 
trachtet, machen sich 
in der Regel drei Ab- 
theilungen od. Zonen 
bemerklich. Die erste 
(Fig.142.1)entspricht 
der Facies art. med. 
post. des Fersenbeins; 
sie ist von hinten nach 
vorn abhängig. Die 
zweite, tiefste Zone 
der Pfanne besteht 
aus drei neben einan- 


Pfanne des vorderen Sprungbeingelenks. ci Bündel des Lig, der gelegenen Ab- 
talo-calcan. inteross. Zc/ Lig. talo-calcan. later. end, ced Lig. . 2 
caleaneo-naviculare u. calcaneo-cuboid, dorsale, Fhl, Fdl, Tp theilungen: der Face. 
Sehnen der Mm. flex. hallucis 1., Fl. dig. comm. u Tibialis post. art. med. ant. des 
Fersenbeins (2°), dem 


Fig. 142. 


') Lig. planum cum trochlea cartilaginea Weitbr. Lig. calcaneo-scaphoideum inf. Meck. 
Lig, eartilagineum calcaneo-navie. Weber-H. Lig. cale.-scaph. int. Barkow. Lig. calcaneo- 
naviculare plantare Krause. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 2. 11 


162 Fussgelenke. 


Lig. tibio-caleaneo-naviculare (Fig. 143 2“) und der Bandscheibe dieses 
Ligaments (2°). . Die dritte Zone (3), die vordere Wand der Pfanne, ge- 


Fig. 143. 


Pfanne des vorderen Sprungbeingelenks. tci Bündel des Lig. talo-calcan. nteross. 

tel Lig. talo-calcan. laterale. end, ced Lig. caleaneo-naviculare u. calcaneo-cuboid. 

dorsale. Fhl, Fdl, Tp Sehnen der Mm. flex. hallucis 1, Flex. dig. comm. und 
Tibialis post. 


hört dem Schiffbein an. Alle diese Knochenflächen sind von mehr oder 
minder tiefen Furchen und von fetthaltigen Synovialfalten umgeben; die 
Zwischenräume, namentlich auch die Furche zwischen den beiden medialen 
Gelenkflächen des Fersenbeins, sind von Fett ausgefüllt. 

Der Gelenkkopf zeigt drei Facetten, die aber nicht vollkommen diesen 
Zonen entsprechen. Die Grenze zwischen der vorderen Zone (3) und dem 
lateralen Theil der mittleren (2°) zeichnet sich nämlich minder deutlich ab, 
als die zwischen dem Feld 2“ und 2” der mittleren Zone oder zwischen 
dem Lig. tibio-calecaneo-naviceulare und der Bandscheibe desselben. Ganz 
gewöhnlich erstreckt sich die Knorpelbekleidung des Sprungbeinkopfs, wel- 
che hier, wie auf allen anderen Gelenkflächen der Fusswurzel und des Mit- 
“ telfusses, hyalinisch ist, von der vorderen Fläche einige Mm. weit über den 
Rand der oberen Fläche nach hinten. Der auf diese Weise überknorpelte 


Fussgelenke. 163 


und abgerundete Rand des Sprungbeins ragt in jeder Stellung des Fusses 
merklich über den Rand des Schiffbeins hervor und bildet einen queren 
Vorsprung hinter dem sogenannten Spann des Fusses, der sich in der Regel 
durch die Haut durchfühlen lässt. 

Die Varietäten des Gelenkes ergeben sich schon aus den in der Knochenlehre 
beschriebenen Varietäten der medialen Gelenkflächen des Sprung- und Fersenbeins. 
Nicht selten fliessen diese beiden Gelenkflächen (1 und 2°) in Eine zusammen; häu- 
figer noch fehlt die vordere Gelenkfläche (2‘) und damit ist also die Articulations- 
ebene um so viel verkleinert, und Fett, von der Kapsel umschlossen oder ausser- 
halb derselben, nimmt die Stelle ein. 

Auffallende Varietäten der Krümmung zeigen die auf einander gleitenden Fa- 
cies artt. med. postt. des Sprung- und Fersenbeins. Immer ist dieser Theil der 
Articulationsebene flacher als die übrigen Regionen des Gelenks, aber zuweilen ist 
er ganz plan und es kann die Gelenkfläche des Sprungbeins sogar in Einer Rich- 
tung concav, sattelförmig oder ganz ausgehöhlt sein, so dass sie der Sprungbeinflä- 
che des hinteren Talusgelenks gleicht und eine Fortsetzung derselben zu sein scheint. 
Doch liegt sie höher als diese und ist flacher gebogen; auch wird die ihr entspre- 
chende Fläche des Fersenbeins nicht in gleicher Weise convex. 


Die Kapsel des vorderen Sprungbeingelenkes entspringt am Boden des 
Gelenkes nahe am Rande der Gelenkflächen, oben von der oberen Fläche 
sowohl des Sprung- als Schiffbeins in einiger Entfernung von der Gelenk- 
fläche ; medialerseits erstreckt sie sich unterhalb des Knöchelursprunges des 
Lig. tibio-caleaneo - naviculare weit hinauf, bis in die Nähe des Knöchel- 
gelenkes (Fig. 139). 


ß. Haftbänder. 


Die Haftbänder der Sprungbeingelenke gehen theils längs der Kapsel- 
membranen und in dieselben eingewebt von einem Knochen zum anderen, 
theils überspringen sie ein Gelenk und verbinden die Unterschenkelknochen 
direct mit den entlegeneren Knochen der Fusswurzel. ‚Die Bänder der er- 
steren Art ordnen wir der leichteren Uebersicht wegen in drei Gruppen, 
je nachdem sie vom Sprungbein zum Unterschenkel, zum Fersenbein oder 
Schiffbein verlaufen. Die Bänder zwischen dem Fersenbein und Schiffbein 
gehören nicht hierher, sondern sind, da wir bei den Bewegungen im vorde- 
ren Sprunggelenke die Fusswurzel dem Talus gegenüber als ein Ganzes be- 
trachten, in Verbindung mit den Haftbändern der Amphiarthrosen des Fus- 
ses zu beschreiben. 

Die Bänder dieser Abtheilung haben eine symmetrische Anordnung, 
die aber durch Ungleichheiten in Form und Grösse verhüllt ist. Im Allge- 
meinen sind die Bänder der lateralen Seite länger und stärker als die der 
medialen. 


I. Haftbänder zwischen Unterschenkelknochen und Sprungbein, 
Ligg. talo -cruralia. 


Sie gehen vom lateralen und medialen Knöchel schräg herab zum 
Sprungbein, von jedem Knöchel zwei, das eine rückwärts, das andere vor- 
wärts, die hinteren Bänder wie die vorderen gegen einander convergirend, 

1105 


Haftbän- 
P. der. 


I. Ligg. ta 
lo-cruralia. 


164 Fussgelenke. 


die hinteren aber mit ihren unteren Enden einander näher gestellt als die 
vorderen, eine Folge der Verschmälerung der oberen Sprungbeingelenk- 
fläche nach hinten. 

Mittelst dieser Bänder ist das Sprungbein an den Knöcheln so aufge- 
hängt, dass jede Drehung des Talus um die sagittale Axe unmöglich ge- 
macht wird. Bei Erhebung der Fussspitze spannen sich die beiden hinteren, 
bei Senkung derselben die beiden vorderen Bänder. 


1. Lig. talo-fibulare posticum Krause /fp D. 


1. Lig. talo- Platt, mit schräg auf- und abwärts gerichteten Flächen, am hinteren 
"ware post Rande höher als am vorderen, oft unvollständig vom hinteren Rande aus 
in Schichten getheilt. Ursprung 
aus der Grube der Fibula hinter der 
Knöchelgelenkfläche derselben; In- 
sertion: an der hinteren Fläche des 
Sprungbeins zwischen dem lateralen 
Höcker des Suleus flex. hall. 1. und 
dem unteren Rande der Facette des 
Gelenkkopfs, auf welcher das Lig. 
malleoli lat. post. ruht und von da 
eine Strecke vorwärts längs dem 
unteren Rande der lateralen Ge- 
lenkfläche (Fig. 144). 


Oft fliesst dies Band mit den oben 
beschriebenen schrägen Verstärkungs- 
fasern der hinteren Kapselwand des 
Knöchelgelenks zusammen und diese 
Verstärkungsfasern zweigen sich als- 
dann von dem Lig. talo-fibulare post. 

Knöchelgelenk von hinten. ab. Oder es giebt längs seinem unte- 

(Vergl. Fig. 135.) ren Rande Verstärkungsfasern zur hin- 

teren Wand der Kapsel des hinteren 

Sprungbeingelenks (Barkow). Zuweilen geht es theilweise in die Scheide des 
M. flex. hail. long. über. 


A I 


\\\ 
ll (UK 
NV. 


2. Lig. talo-tibiale post. m. {lp ?). 


2. Lig. talo- Ein sehr mächtiges platt-eylindrisches Band, dessen Breite (12”m) nach 

Hbiale post: nten etwas zunimmt, mit vor- und rückwärts schauenden Flächen. Ur- 
sprung: aus einer Grube hinter der Spitze des medialen Knöchels. Inser- 
tion: eine glatte Stelle des Sprungbeins unter der hinteren Hälfte der me- 
dialen Gelenkfläche desselben (Fig. 144). 


\) Lig. fibulae posticum Weitbr. Lig. fibulare tali post. superficiale et prof. Meckel. 
?) Lig. talo-tibiale H. Meyer. 


Fussgelenke. 165 


3. Lig. talo-fibulare ant. Krause fa D. 


Dies Band entspringt zwischen dem gleichnamigen hinteren Bande 
und dem Lig. mall. lat. ant. vom late- 
ralen Knöchel dicht vor dessen unterer 
Spitze und befestigt sich neben der un- 
teren Spitze und vor der unteren Hälfte 
des vorderen Randes der lateralen Ge- 
lenkfläche des®Sprungbeins. Es ist dün- 
ner als die hinteren Bänder, 10mm preit 
am Ursprunge und gegen die Insertion 
etwas breiter, meistens in zwei Abthei- 
lungen geschieden (Fig. 145). 


4. Lig. talo-tibiale ant. m. Fla. 


Ein kurzes, nur 3m breites Bänd- 
chen, tief versteckt unter dem Lig. cal- 
caneo-tibiale und dem tibialen Ursprung 
des Lig. tibio-calcaneo-naviculare. Ur- 
sprung: unmittelbar vor dem gleichna- 
Knöchelgelenk, von vorn, der Fuss im migen hinteren Band an der Spitze des 
vorderen Sprungbein- und Würfelbeinge-- medialen Knöchels(Fig. 133.145). Inser- 

lenk exarticulirt. (Vergl. Fig. 134.) tion: hinter der abgerundeten Spitze der 
medialen Gelenkfläche des Sprungbeins. 


1. Haftbänder zwischen Sprung- und Fersenbein. 
Ligg. talo - calcanea. 


1. Lig. talo-calcaneum posticum Krause /Cp 2). 


Entspringt spitz am lateralen Höcker des Sulcus flex. hall. long. des 
Sprungbeins und inserirt sich breit, zuweilen mit zwei Zipfeln, an die obere 
und mediale Fläche des Fersenbeins (Fig. 144). 


2, Lig. talo- calcaneum laterale cl). 


Entspringt von der oberen und lateralen Fläche des Fersenbeins (Fig. 145. 
147), bedeckt vomM. ext. dig.br., dessen tiefste mediale Bündel auf dem Bande 
wurzeln, und geht am Eingange des Sinus tarsi, im Fett versteckt und 


») Lig fibulae ant. Weitbr. Lig. fibulare tali ant. ext. Meck. Lig. fibulare tali ant. 
Barkow. 

2) Lig. astragalo-calecaneum int. post. Meckel. 

®) Lig. planum sinus tarsi Weitbr. Apparatus ligamentosus sinus tari Weber-H. 
Lig. astragalo-calcaneum interosseum ant. Barkow. Lig. lalo -calcaneum externum Krause, 
Weitbrecht’s Lig. perpendiculare sinus tarsi scheint ein isolirtes Bündel eben dieses Ban- 
des zu sein. 


3.Lig. talo- 
fibul. ant. 


4. Lie. talo- 
tib. ant. 


U. Ligg. ta- 
lo-calcanea. 


1. Lig. talo- 
cale. post. 


2. Lig. talo- 
cale. lat. 


166 Fussgelenke. 


öfters auch durch das Fett in mehreren Portionen geschieden , schräg me- 
dian-, auf- und rückwärts, die Fasern der vorderen Lagen steiler als die der 
hinteren, an die bogenförmige Kante des Sprungbeins, die den Zugang zum 
Can. tarsi überwölbt. In dem Fett des Sinus tarsi liegt neben dem Bande 
zuweilen ein Schleimbeutel. 


3 Lig. talo-calcaneum mediale tem 2). 


ENTAS Halr Ein schmaler Bandstreif, welcher in fast horizontaler, nur wenig ab- 
cale. medial. 


Bänder der Fussgelenke, von der medialen Seite. (Vergl. Fig. 141.) 


steigender Richtung vom medialen Höcker des Suleus flexor. hall. 1. zum 
hinteren Rande des Sustentaculum tali geht (Fig. 146). 


4. Lig. talo-calcaneum interosseum Krause fC2 2). 


4. Lig. talo- Die Bandmasse, die den Canalis tarsi ausfüllt, besteht aus mehreren 

ealc-inteross Iatten und meist kurzen Faserzügen. Im engsten Theile des Canals liegen 
zwei, in gekreuzter Richtung schräg aufsteigende Schichten hinter einander; 
an der gegen den Sinus tarsi gerichteten Mündung steigt ein Band mit 
steileren Fasern medianwärts auf; vom medialen Ausgange des Canals 
reicht eine Lage fast perpendiculärer kurzer Fasern eine Strecke weit nach 
vorn herum, die medialen Ränder der hinteren medialen Gelenkflächen des 
Sprung- und Fersenbeins an einander heftend (Fig. 132.140.143). 


!) Lig. talo-calcaneum int. Krause. 

*) Massa ligamentosa und Lig. teres sinuositatis tarsi Weitbr. Lig. astragalo-calcaneum 
inteross post. Bark. Meckel’s Lig. astragalo-calcaneum ext. s. interosseum und Hyrtl's 
Lig. intertarseum entsprechen unserem Lig. talo-calcan. lat. u. interosseum. Das Lig. astra- 
galo-calcaneum int. ant. Meck. (talo- calcan. int. Arnold) ist der mediale Ausläufer des 
Lig interosseum. 


Fussgelenke. 167 


1. Haftbänder zwischen Sprung- und Schiftbein. 


Ausser den Fasern des Lig. tibio- calcaneo-naviculare, welche, vom 
Sprungbein entspringend, durch Vermittelung der Bandscheibe mit dem 
Schiffbein zusammenhängen 1), gehört hierher ein plattes Band, 


Lig. talo - naviculare {nn ?), 


welches auf der oberen rauhen Fläche des Sprungbeins, zwischen den Kap- 
seln des Knöchel- und vorderen Sprungbeingelenkes seinen Ursprung nimmt, 
und sich ansehnlich verschmälert in einer queren Linie auf der Mitte der 
Rückenfläche des Sprungbeins befestigt. Es besteht aus zwei Abtheilungen, 
welche am Sprungbein neben einander liegen, sich aber gegen das Schiff- 
bein so über einander schieben, dass die laterale, medianwärts absteigende 
Hälfte des Bandes ®) sich über die mediale, lateralwärts absteigende #) her- 
legt. Einige der oberflächlichen, dem lateralen Rande zunächst gelegenen 
Bündel setzen sich über das Schiffbein hinaus auf das zweite Keilbein fort 
(Fig. 147. 150). 


IV. Lange Haftbänder zwischen Unterschenkel- und 
Fusswurzelknochen. 


Es giebt deren drei, ein vorderes und zwei seitliche, das vordere zum 
Schiffbein, die beiden seitlichen zum Fersenbein. Das vordere wird noch 
unterstützt durch die Bündel des Lig. tibio-calcaneo-naviculare, welche durch 
Vermittelung der Bandscheibe einerseits mit der Tibia, andererseits mit 
dem Schiffbein in Verbindung stehen. 


1. Lig. tibio-naviculare H. Meyer /bn >). 


Entspringt platt, 7” breit, am vorderen Rande des medialen Knöchels, 
steigt lateralwärts herab und endet auf der Mitte der Rückenfläche des 
Schiffbeins, zwischen dem Schiffbeinursprunge des Lig. tibio-calcaneo-navi- 
ceulare, den es theilweise bedeckt, und der Insertion des Lig. talo-naviculare, 
von dem es theilweise bedeckt wird (Fig. 146. 150). 


2. Lig. calcaneo-fibulare cf $). 


Ein dicker, platt cylindrischer Strang von 8”" Breite; entspringt an der 
Spitze des lateralen Knöchels nach aussen von den Ligg. talo-fibular. (Fig. 133) 


1) Lig. astragalo-scaphoideum int. Weber-H.; Lig. int. s. oblique adscendens Bar kow. 

*) Zig. latum supernum Weitbr. Lig. dorsale talo-naviculare latum s. supremum We- 
ber-H. Lig. talo-navieulare dorsale Krause. Das von Meckel sogenannte Lig. astra- 
galo-scaphoideum (Lig. talo-naviculare s. gubernaculum tali Arn.) begreift nebst unserem Lig. 
talo-naviculare die Fasern vom Schiffbein zur Bandscheibe des Lig. tibio-calcaneo-navieulare. 

?) Lig. astragalo-scaphoid. ext. s. obligue adscendens Barkow. 

®) Lig. astragalo-scaphoid. med. s. rectum Barkow. 

®) Lig. anterius internum Meck. 

°) Lig. fibulae medium perpendiculare Weitbr. . Zig. trigueirum Meck. Lig. lat. ext, 
articuli pedis s. fibulare calcanei s. lat. ext. fibulae rectum Barkow. Arnold fasst dieses 
Band nebst den Zigg. talo-fibularia post. und ant. unter dem Namen Zig. art. ped. laterale 
ext. zusammen. 


III. Lig. ta- 
lo-navicul. 


IV. Lange 
Haftbänder. 


1. Lig. 
tib.-nav. 


2. Lig. 
cale.-fibul. 


168 Fussgelenke. 


und verläuft schräg rückwärts, um sich an einem Knötchen der lateralen 
Fläche des Fersenbeins etwa in der Mitte seiner Höhe und unter der Mitte 


IS 
F 
DES 
Pe 


Peb Ch 


Pel 


Bänder der Fussgelenke, laterale Seite. mla, mlp Lig. mall. later. ant. u. post. 
end Lig. calcaneo-navic. dorsale. TA Achillessehne. Pe/, Peb Sehnen des M, 
peron. long. und br, 


des hinteren Talusgelenks zu befestigen (Fig. 147). Das Band ist an der 
äusseren Fläche mit glatter Membran bekleidet und so um die Axe gedreht, 
dass es eine nach oben und vorn offene Rinne bildet, welche einen Theil der 
Scheide ausmacht, in der die Sehnen der M. peronei gleiten. 


Es ist zuweilen verstärkt durch einen Strang '), der sich mit ihm am Fersen- 
bein ansetzt, aber weiter nach innen und unten, und etwas nach vorn am Sprung- 
bein entsteht (Fig. 147 *). Arnold sah das Band verdoppelt; das zweite ?) ging 
von der hinteren Seite des lateralen Knöchels zum Rücken des Fersenbeins. 


3. Lig. calcaneo-tibiale H. Meyer ct 3). 


3. Lig. eale. ‚ Entspringt, S"m breit, über den Ligg. talo-tibialia, steigt vor dem Lig. 
Üble talo-tibiale post., nach vorn bedeckt vom Lie. tibio-navieulare, fast vertical 
herab und befestigt sich am hinteren Rande des Sustentaculum tali (Fig. 146). 


c. Amphiarthrosen der Fusswurzel. 


c. Amphiar- Nach der ausführlichen Beschreibung der articulirenden Flächen, wel- 
{hrosen. che ich in der Knochenlehre ($. 274 ff.) gegeben habe, bleibt hier nur noch 
die Anordnung des Bandapparats zu schildern. Er besteht aus Kapsel- und 
Haftbändern, von welchen die letzteren theils den Rücken, theils die Sohlen- 

fläche des Fusses einnehmen. 


\) Lig. talo-calcaneum ext. Barkow. 

*) Lig. fibulare calcanei posticum Arn. 

°) Ganz allgemein wurde das Band zusammengezogen mit dem Lig. talo-tbiale post, 
dem tibialen Ursprunge des L. tibio-caleaneo-navieulare und dem L. tibio-navieulare unter dem 
Namen eines Lig. deltoides Weitbr. Lig. trapezium s. lat. int, artic. pedis Meckel. 


Fussgelenke. 169 
«. Kapselbänder. 


Die Zahl der Kapseln zwischen den minder beweglichen Knochen der 
Fusswurzel und den Mittelfussknochen ist veränderlich; sie vereinfacht sich 
durch Schwinden der oft nur dünnen Scheidewände, welche benachbarte 
Gelenkhöhlen von einander trennen; sie vervielfältigt sich durch Abschnü- 
rung einzelner Ausstülpungen. Kämen die anomalen Communicationen, die 
man beobachtet hat, zusammen in einem Fusse vor, so würden sämmtliche 
Gelenkflächen in eine einzige, vielfach ausgebuchtete Höhle schauen ; fänden 
sich alle bisher beobachteten Scheidewände an Einem Exemplar, so stiege 
die Zahl der Gelenkhöhlen auf neun (Barkow). Die Gelenkknorpel ha- 
ben 1/; bis 2mm Mächtigkeit; sie sind beträchtlich dünner auf den Flächen, 
welche die Knochen Einer Reihe einander zuwenden, als auf den vor- und 
rückwärts gerichteten Gelenkflächen. Die mächtigsten Knorpelüberzüge be- 

sitzt das Tarso-Metatarsalgelenk der grossen Zehe. 
j Die Kapselmembranen sind, wie bei allen Amphiarthrosen, straff und 
meistens dicht am Rande der Gelenkflächen angewachsen; die Synovial- 
falten sind mächtig, fettreich, aber schmal, und bedecken nur die Ränder 
der Gelenkflächen. 


1. Würfelbeingelenk )). 


In demselben artieulirt die vordere Fläche des Fersen - mit der hinte- 
ren Fläche des Würfelbeins. Die Articulationsebene ist dreiseitig, sattel- 
förmig, im verticalen Durchschnitt nach vorn concav (Fig. 148), im hori- 
zontalen Durchschnitt nach vorn convex; die Anheftung der Kapsel weicht 
nur am oberen und lateralen Rande der Gelenkspalte um Weniges von dem 
Rande der überknorpelten Flächen zurück. 


Fig. 148. 


Durchschnitt der Fusswurzel, vom medialen Rande aus in einer lateral- und 

abwärts (unter 50° gegen den Horizont) geneigten Ebene. Laterales Segment, 

von unten. Zei Lig. talo -calcaneum interosseum. Fhl, Pel Sehnen des 
M. Flex. hall. long. und des M. peron. long. 


D) Articulatio calcameo-cuboidea Meck. 


c. Kapsel- 
bänder, 


1. Würfel- 
beingelenk. 


170 Fussgelenke. 


Barkow fand einmal die Höhle des Würfelbeingelenks mit der Höhle des 
vorderen Sprungbeingelenks durch eine 2“ lange Spalte der gemeinsamen Scheide- 
wand vereinigt. 


2. Schiffbeingelenk \). 


2. Schiffbein- Die Kapsel des Schiffbeingelenks schliesst die Fläche ein, durch die 


geleuk. 


3. Tarso- 
Metatarsal- 
gelenke. 


das Schiffbein mit den drei Keilbeinen, die Keilbeine unter sich und das 
Würfelbein mit dem Schiffbein und dritten Keilbein articuliren. Die Ge- 
lenkhöhle ist also im Wesentlichen von fron- 
tal gestellten Flächen begrenzt, hat aber drei 
sagittale Ausbuchtungen, von welchen zwei 
nach vorn zwischen die Keilbeine, die dritte 
nach vorn und zugleich um den lateralen 
Rand des Schiffbeins nach hinten längs der 
medialen Gelenkfläche des Würfelbeins sich 
erstrecken. 

Die Artieulation zwischen Schiff- und 
Würfelbein ist nicht constant, und mit ihr fehlt, 
wie sich von selbst versteht, der entsprechende 
Theil der Kapsel. In diesem Falle wird häu- 
fig das Gelenk zwischen dem dritten Keil- 
und Würfelbein selbstständig; in seltenen 
Fällen schnürt sich auch das Schiff-Würfel- 
beingelenk von dem gemeinsamen Schiffbein- 
gelenk ab. 

Horizontaldurchschnitt des Ganz gewöhnlich steht das Schiffbeinge- 
Schiffbeins mit den Keilbeinen Jenk zwischen dem ersten und zweiten Keil- 
N bein mit dem zweiten Tarso-Metatarsalgelenk 

in Zusammenhang. 


Fig. 149, 


3. Tarso - Metatarsalgelenke. 


Die Artieulationsebenen dieser Gelenke sind schwach gekrümmt, in 
verschiedenem Sinne, zwischen dem ersten und zweiten Keilbein und den 
beiden ersten Mittelfussknochen vorwärts convex, zwischen dem dritten 
Mittelfussknochen und Keilbein fast plan, am vierten Mittelfussknochen sat- 
telförmig, im verticalen Durchschnitt vorwärts concav, im horizontalen vor- 
wärts convex, am fünften Mittelfussknochen vorwärts concav. Der erste 
und fünfte Mittelfussknochen sind beweglicher als die übrigen, und der erste 
insbesondere zeichnet sich durch die Fähigkeit einer allerdings geringen 
Rotationsbewegung aus. Kapseln finden sich zwischen den Knochen der 
Fusswurzel und des Mittelfusses in der Regel drei. Die erste gehört dem 
Gelenke des ersten Keilbeins mit dem Mittelfussknochen der grossen Zehe 
an, die zweite umfasst die Gelenkflächen des zweiten und dritten Keilbeins 
und den entsprechenden Mittelfussknochen ; sie schickt Ausstülpungen vor- 
wärts zwischen die Gelenkflächen, durch welche der zweite Mittelfusskno- 


U) Art. cuneo-navicularis Arnold. 


Fussgelenke. 171 


chen mit dem ersten und dritten Keilbein und dem dritten Mittelfussknochen 
und der dritte Mittelfussknochen mit dem vierten artieulirt. Wo die Spalte 
zwischen dem zweiten Keilbein und dem zweiten Mittelfussknochen die la- 
terale Wand des ersten Keilbeins erreicht, öffnet sie sich in der Regel, 
wie erwähnt, in die zwischen dem ersten und zweiten Keilbein vordringende 
Ausstülpung des Schiffbeingelenks. Die dritte Tarso-Metatarsalkapsel geht 
vom Würfelbein zum vierten und fünften Mittelfussknochen und schliesst die 
einander zugewandten Articulationsflächen beider Knochen mit ein. 

Die Kapsel des ersten und dritten Metatarsalgelenks ist um Weniges 
schlaffer als die des mittleren; die erste erstreckt sich über einen schmalen 
Saum der Seitenflächen der Basis des ersten Mittelfussknochens, die dritte 
über einen ähnlichen Saum der Rücken- und Sohlenfläche des Würfelbeins. 


Unter 23 Füssen, welche Barkow untersuchte, fand derselbe nur ein einziges 
Mal die Kapsel zwischen dem ersten und zweiten Keilbein nach vorn geschlossen 
und von der Kapsel des zweiten Tarso-Metatarsalgelenkes abgegrenzt. 

Ausnahmsweise kommt ein Gelenk mit einer eigenen, ringsum geschlossenen 
Kapsel zwischen den einander zugekehrten Flächen der Basen der beiden ersten 
. Mittelfussknochen vor. Nicht selten schliesst sich die Kapsel des Gelenkes der ein- 
ander berührenden Seitenflächen des dritten und vierten Mittelfussknochen von der 
Kapsel des zweiten Tarso-Metatarsalgelenkes ab. Auch kann dies Gelenk durch eine 
Scheidewand in zwei, deren jedes die Articulation eines Keilbeins mit einem Mit- 
telfussknochen umfasst, zerfallen. Das dritte Tarso-Metatarsalgelenk zeigt die we- 
nigsten Varietäten. Sehr selten fliesst es mit dem zweiten zusammen. Ausnahms- 
weise tritt die Kapsel des Gelenkes zwischen den Basen des dritten und vierten 
Mittelfussknochen statt mit dem zweiten, mit dem dritten Tarso-Metatarsalgelenk 
in Verbindung. 


ß. Haftbänder. 
]J. Haftbänder der Rückenfläche. 


Zwischen den minder beweglich verbundenen Knochen der Fusswurzel 
und des Mittelfusses giebt es auf der Rückenfläche nur kurze, platte, mei- 
stens fest in die Kapseln eingewebte Haftbänder. 

Man kann dieselben, je nachdem sie die Knochen einer Querreihe un- 
ter sich oder die Knochen einer Reihe mit denen der nächstfolgenden ver- 
binden, eintheilen in transversale und sagittale Bänder; man darf aber diese 
Ausdrücke hier nicht in ihrer strengen Bedeutung nehmen, da sowohl die 
transversalen als die sagittalen Bänder einen schrägen Verlauf nehmen, 
transversale Bänder vorwärts, sagittale Bänder zur Seite abweichen und so 
die Richtung der einen und anderen eine parallele werden kann. Eine 
andere Schwierigkeit entsteht dadurch, dass das Würfelbein einer zweifa- 
chen Knochenreihe der medialen Hälfte des Fusses entspricht. Sie ist da- 
durch zu beseitigen, dass wir die Spalte zwischen dem Schiffbein und den 
Keilbeinen in Gedanken durch das Würfelbein fortsetzen und die Bänder 
zwischen Würfel- und Schiffbein den transversalen Bändern der zweiten, 
die zwischen Würfel- und Keilbein den transversalen Bändern der dritten 
Reihe zuzählen. 


„ Haftbän- 
der. 


I. der Rü- 


ckenfläche. 


172 Fussgelenke. 


Nachdem nunmehr die Bänder zwischen den beiden Knochen der er- 
sten Reihe und zwischen dem Sprungbeine und den Knochen der zweiten 
Reihe im Vorigen abgehandelt sind, ordnen sich die übrigen folgender- 
maassen: 
Transversale. ]. Transversale: 
a) der zweiten Reihe, zwischen Schiff- und Würfelbein, Ligg. na- 
vieulari-cuboidea, ein oberflächliches, breit, lateralwärts gerichtet 
(Fig. 150)1), und ein tiefes, schmaleres, genau transversal am hin- 
teren Rande beider Knochen (Fig. 151) 2). 


Fig. 150. 


Dieselben, tiefere Schichte. +} Schnitt- 
fläche des oberflächlichen Lig. naviculari- 
euboid. 


Bänder der Rückenfläche des Fusses. mla Lig. 
mall. lat. ant. Ta, Peb abgeschnittene Inser- 
tionssehnen der Mm. tibial. ant. und peron. br. 


b) der dritten Reihe: 

1) zwischen dem Würfelbein und dem dritten Keilbein, ein hinte- 
res, lateralrückwärts und ein vorderes, lateralvorwärts 3) 
(Fig. 151); 

2) zwischen dem dritten und zweiten Keilbein, in mehreren queren 
Abtheilungen ®); 

3) zwischen dem zweiten und ersten ebenso >). 


!) Lig. scaphoideo-cuboideum dorsale Meck. 

®) Lig. dorsale navieulari-culoid. Weber-H. Lig. scapho-cuboid. dorsale Lauth. Lig. 
eubo-navieulare dorsale Krause, 

®) Lig. eubo-cuneiforme dorsale Lauth. Lig. sphenoideo-cuboideum dorsale transversum 
Barkow. Zig. cuneo - cuboid. Krause. Lig. dorsale oss. cuneif. et cuboidei tertü W e- 
ber-H,. In diesem Handbuche ist ausserdem ein gleichnamiges Lig. primum und secun- 
dum beschrieben, welche vom Würfelbein zum ersten und zweiten Keilbein verlaufen sollen. 

*) Lig. sphenoideum transversum ext. B. 

°) Lig. sphenoid. tramsv. int. B. Ligg. eumei-cumeiformia d. Lauth. Ligg. ossium cu- 
neiformium d. Krause. fi 


Fussgelenke. 173 


e) Der Mittelfussknochen, Ligg. intermetatarsea dorsalia 1). Sie 
fehlen zwischen dem ersten und zweiten, liegen zwischen dem drit- 
ten und vierten transversal, zwischen dem zweiten und dritten ein 
hinteres lateralvorwärts, ein vorderes lateralrückwärts, zwischen 
dem vierten und fünften ein hinteres transversal, ein vorderes 
lateralrückwärts. 

II. Sagittale: 

a) der ersten und zweiten Reihe (Fig. 150). 

1) Zwischen Fersen- und Schiffbein, Lig. calcaneo - navieulare 
dorsale Weber -H. 2), stark, platt eylindrisch, vom vorderen 
Rande des Fersenbeins zur hinteren lateralen Ecke des Schiff- 
beins; 

2) zwischen Fersen- und Würfelbein, Ligg. caleaneo-cuboidea 
dorsalia ®), zwei bis drei gerade vorwärts gerichtete Stränge, 
schmaler oder breiter, der stärkste am lateralen Fussrande. 

b) der zweiten und dritten Reihe, zwischen dem Schiffbein und 
den Keilbeinen %). 

1) Vom Schiffbein zum dritten Keilbein, breit, lateralwärts >). 

2) Vom Schiffbein zum zweiten Keilbein, ein laterales, gerade vor- 
wärts 6), und ein mediales, lateralvorwärts. 

3) Vom Schiffbein zum ersten Keilbein zwei starke Bänder, gerade 
vorwärts; ein laterales, unter dem medialen des zweiten Keil- 
beins entspringend ?), und ein mediales, am Fussrande, an die 
Sehne des M. tib. post. grenzend S). 

e) Der dritten Reihe und der Mittelfussknochen, Ligg. tarso- 
metatarsea dorsalia Krause. Sie sind am einfachsten und bestän- 
digsten am ersten und fünften Mittelfussknochen, am ersten vom er- 
sten Keilbein, breit, gerade vorwärts gerichtet, medianwärts an den 
Schleimbeutel der Sehne des M. tibialis ant. grenzend °); am fünf- 
ten ebenfalls breit, vom Würfelbein lateralwärts 1%). Der zweite 
Mittelfussknochen erhält drei vorwärts convergirende Bänder, eins 
von jedem Keilbein 11), der vierte bald Ein vorwärts gerichtetes 
Band, bald zwei vom Würfelbein. Sehr veränderlich sind die 


\) Ligg. propria dorsalia tarsi Weber-H. Ligg. basium oss. metat. dorsalia B. Ligg. 
basium transversalia s. interbasica dorsalia Hyrtl. 

2) Lig. calcaneo-naviculare profundum s. prismaticum Weitbr. Lig. calcaneo-scaphoideum 
sup. Meck. Lig. calcaneo-scaphoid. dorsale s. ext. Barkow. 

?) Ligg. caleaneo-cuboidea superficiaria ext. und int. und profund. Weitbr. Ligg. cal- 
caneo-cuboidea superiora s. dorsalia und ext, s. fibulare Meck. 

4) Ligg. scapho-cuneiformia dorsalia Lauth. Ligg. cuneo-nawieularia d. Krause. 

?) Lig. dorsale oss. nawieularis et cumeif. tertü Weber-H. Von Barkow mit dem 
Schiff-Würfelbeinband, an welches es angrenzt, zusammengezogen als Zig. scaphoideo - sphe- 
noideum dorsale ext. 

6) Lig. dorsale ossis navicularis et cumeif. secundi Weber-H. Lig. scaphoideo-sphenoi- 
deum dorsale med. Bark. 

?) Lig. dorsale ossis navic. et cumeif. primi supernum Weber-H. Lig. scaphoideo- 
sphenoid. dorsale int. Bark. 

©) Lig. dors. oss. nav. et cumeif. primi intern. Weber-H. 

°) Lig. tarseum dorsale oss. metatarsi hallueis Weber-H. h 

10) Lig. tarseum dorsale oss. metatarsi quinti Weber-H. Lig. dorsale juncturae tarsi 
c. osse melatarsi quinti Bark. Ä 

ID) Lig. int. med. und ext. Weber-H. Ligg. trigemina Arn. 


Sagittale. 


174 Fussgelenke. 
Rückenbänder des dritten Mittelfussknochens: die Kapsel ist bald 
gleichförmig dünn, bald gleichförmig stark, bald durch vereinzelte 


Bandstreifen verstärkt, welche vom zweiten und dritten Keilbein 
kommen 1). 


Fig. 152. 


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Sohlenfläche des Fusses nach Entfernung 


der oberflächlichen Muskelschichten. Pel, 

Tp Sehnen des M. peron. long. u. tibial. 

post. Fhl Abgeschnittene Sehne des M. 

flexor hall. longus.. Abh desgleichen des 

M. abduct. hallueis. 7’hb M. flexor. hall. 
br. Adh M. adductor hallueis. 


Sohlenfläche des Fusses nach Entfernung 
der oberflächlichen Schichte des Lig. cal- 
. eaneo-cub, plant. u. der mit demselben zu- 


sammenhängenden Muskeln. Die Sehne 
des M. peron. long. (Pel) ist aus ihrer 
Scheide herausgenommen und dicht an der 
Insertion abgeschnitten, T’c Tuber oss. ceu- 
boid. Tp, Abg Sehnen des M.tibial. post 
und Abduetor dig. quinti. Fhl, Fadl Rin- 
nen der Sehnen des Flexor hall. long. und 
Flexor digit. long. fen Lig. tibio-caleaneo- 
naviculare. 


ı) Weber-H. führt ein Zig. int., med. und exit. auf, vom zweiten und dritten Keil- 
bein und vom Würfelbein. Arnold’s Zigg. bigemina int. haben den Ursprung am dritten 
Keilbein gemein ; sie gehen das eine zum dritten, das andere zum vierten Mittelfusskno - 
chen; die Ligg. bigemina ext. Arn. gehen vom Würfelbein zum vierten und fünften Mittel- 
fussknochen. 


Fussgelenke. 175 


II. Haftbänder der Plantarfläche. 


In der Fusssohle finden sich lange Bänder, welche sich über mehrere 
Knochen erstrecken, und kurze Bänder, die die neben einander gelegenen 
Knochen an einander heften. 

Die langen Bänder sind, wie sich von selbst versteht, auch die ober- 
flächlicheren ; die kurzen liegen, von der Plantarfläche aus betrachtet, in 
der Tiefe, und reichen zum 'T'heil zwischen den einander zugekehrten rau- 
hen Seitenflächen der Fusswurzel- und Mittelfussknochen hoch, ja bis ge- 
gen die Bänder des Fussrückens, hinauf 1). 


a. Lange Bänder. 


Sie sind platt, breit und verlaufen, 
drei an der Zahl, das eine in sagittaler 
Richtung vom Fersenbein zum Ballen, 
die beiden anderen transversal längs den 
Basen der Mittelfussknochen. 

Das Lig. calcaneo - cuboideum 
planlare nimmt seinen Ursprung von 
der ganzen rauhen unteren Fläche des 
Tp Fersenbeins zwischen den beiden Zacken 
des hinteren Randes und dem stumpfen 
| ZFM Höcker (Knochenlehre Fig. 206 *) in der 
eep"{i MZFTA Nähe des vorderen. Es lässt sich in 

Schichten zerlegen, deren Fasern um so 

kürzer werden, je tiefer sie liegen und 
cep N f 
“ 


Ta 


je weiter vorn sie entspringen. Das ganze, 
mächtige Band füllt die Concavität der 
unteren Fläche des Fersenbeins voll- 
kommen aus (vgl. Fig. 156). 
Die oberflächlichste Schichte (Fig. 
152 u. 153 ccp) ?) geht über die Tube- 
rosität des Würfelbeins hinweg und setzt 
3 ee sich zum Theil in die Sehne des sagit- 
ee ee talen Kopfs des M. adductor hallueis, so- 
cub. plantare. Die Sehne des M. tibialis wie in die Sehnen der Mm. interossei 
nule) or ee ne en fort, zum Theil erstreckt sie sich an 
Sehne des M. tibial. ae Tr cal- der Rückseite dieser Muskeln zu den 
caneo-cuboid. dorsale. Basen der Mittelfussknochen. Die Fa- 
sern der letzteren Art werden verstärkt 
durch einzelne, am vorderen Rande der Tuberositas ossis cuboidei ent- 
springende Faserbündel3). Mit den in die Sehne des M. abductor hallueis 
übergehenden Fasern verbinden sich quere Züge, die von der Sehne desM. 


N ( 
N 


2 


!) Die in den Zwischenräumen der Knochen befindlichen Bänder werden gewöhnlich 
unter dem Namen Ligg. interosses von den eigentlichen Ligg. plantaria unterschieden. 

®) Lig. calcaneo-cuboid. long. Weitbr. Lig. calc. cub. infimum Weber-H. Lig. cal- 
caneo-cuboid. rectum s. superficiale Barkow. 

3) Lig. cuboideo-metatarseum long. Bark. Lig. laciniatum Arnold. 


U. der Plan- 
tarfläche. 


a. Lange 
Bänder. 


176 Fussgelenke. 


tibialis posticus abstammen und zugleich mit der Aponeurosis plantaris 
(Fig. 152 *) in Verbindung stehen. 

Die genannte Schichte bildet von der Tuberositas oss. cuboidei an bis 
zu den Mittelfussknochen die plantare Wand der Scheide, in welcher die 
Sehne des M. peron. longus gleitet. 

Die nächst tiefere Schichte des Lig. caleaneo-cuboid. plantare (Fig. 
155 u. 156 ccp‘) !) reicht nur bis zur Tuberosität des Würfelbeins (Te) 
und entfaltet sich fächerartig längs derselben. 

Die tiefste Schichte (Fig. 156 cep“) 2) wendet sich mit ihren Fasern 
schräg vor- und medianwärts, kommt am medialen Rande der oberfläch- 
licheren Schichten zum Vorschein und inserirt sich auf der unteren Flä- 
che des Würfelbeins hinter der Tuberosität. 


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Sohlenfläche des Fusses nach Entfernung der Sohlenfläche des Fusses nach Entfernung 

oberflächlichen Schichte des Lig.. calcaneo-cub,. der mittleren Schichte des Lig. calcaneo- 

plant. und der mit demselben zusammenhän- cub. plantare. (Vgl. Fig. 154.) 
genden Muskeln. (Vergl. Fig. 153.) 


Das Lig. tarseum transversum laterale?) geht von der Schneide 
des dritten Keilbeins, plantarwärts gedeckt durch die Sehne des M. peron. 
longus, zur Tuberosität des fünften Mittelfussknochens; seinem hinteren 
. Rande schliessen sich Fasern an, welche aus dem lateralen Rande der Sehne 


') Lig. calcaneo-euboid. obliguum Weitbr. Lig. calcaneo-cuboid. medium Weber H. 

*) Lig. calcaneo-cuboid, rhomboideum Weitbr. Lig. caleaneo- cuboid. summum We- 
ber-H. Lig calcaneo-cuboid. transversum s. profundum Bark. 

°) Lig. transversale ossis metat. quinti Weitbr. Lig. tarseum plantare transversum und: 
Lig. transversale ossis metat. quinti Weber-H. Lig. sphenoideo-metatarseum transv. Bark. 


Fussgelenke. 177 


des M. tibialis post. sich abzweigen, ferner, nicht ganz beständig, kurze, 
vom vorderen Rande des Würfelbeins stammende Fasern. 

Das Lig. tarseum transversum mediale ») verläuft von der me- 
dialen Fläche des ersten Keilbeins schräg lateral- und vorwärts zur Basis 
des dritten, nicht selten auch des vierten Mittelfussknochens. Zwischen 
dem dritten und vierten Mittelfussknochen kreuzt es sich mit den Fasern 
des entsprechenden Lig. intermetatarseum. 

Weitbrecht gedenkt eines Lig. plantare comm. (Lig. basium comm. longum 
Barkow, Lig. transversarium long. s. Jugale Arnold), welches über die Basen der 
mittleren Zehen hinweg von dem zweiten Mittelfussknochen zum fünften verlaufe. 


b. Kurze Bänder. 


Sie lassen sich zweckmässig, gleich den Bändern der Rückenfläche, in 
transversale und sagittale ordnen; doch sind sie im Allgemeinen minder be- 
ständig und minder genau umschrieben als die Bänder der Rückenfläche, 
und insbesondere werden sie an der medialen Hälfte des Fusses häufig durch 
Sehnenbündel des M. tibialis ant. ersetzt oder verschmelzen mit diesen. 

I. Transversale: Transversale. 
a) der zweiten Reihe, ein 
Lig. cuboideo -naviculare 
plantare (Fig.156) zwischen 
den einander zugewendeten 
Aushöhlungen des Schiff- und 
Würfelbeins 2); 


b. Kurze 
Bänder. 


Fig. 157. 


N Na MI b) der dritten Reihe, 
2 EDDIE NT, zwischen dem Würfelbein und 
2 ra, ) : Ze : 
BIRD? ng dem dritten Keilbein, sowie ° 
F En 7 are zwischen den Keilbeinen, je 
if H . . - . . 
2 A Fab-Fdpı eine eontinuirliche oder eine 
Frontaldurchschnitt des Fusses. A Aponeur. in mehreren Abtheilungen 


zerfallene Bandmasse (Fig. 
155. 157) 3). 


plantar. Abdbh, Abg Querdurchschnitte des 
M. abduct. hallueis und dig. quint. Fdb M. 


flex. dig. br. Fdpl/ plantarer Kopf des M., flex. 

dig. long. Edb M. ext. dig. br. Zdl Seh- 

nen des M. ext. dig. long. Ta Sehne des M. 

tib. ant. Pel des M. peron. long. Fhl, Fal 

des M. flex. hall. long. und dig. long. Fhb 
des Flex. hall. brevis, 


Der Mittelfussknochen, 
Ligg. intermetatarsea planta- 
ria. Sie kommen, gleich den 
entsprechenden Bändern des 
Fussrückens, nur zwischen 
den vier lateralen Mittelfuss- 


knochen vor, indem die Stelle eines Lig. intermetatarseum zwi- 
schen der ersten und zweiten Zehe durch ein vom ersten Keilbein 


») Lig. ossis metatarsi secundi plantare und oss. metat, tertü obliguum et rhomboides 


Weitbr. 
sublime Arnold. 


Lig. tarseum plantare ossis metatarsi secundi et tertü Weber-H. Lig. bifurcatum 


2) Weitbrecht führt ein Lig. naviculari-cuboid. transversale und interosseum auf; 
Weber-H. eine Massa ligamentosa navieulari-cuboidea. 
3) Zwischen dem dritten Keilbein und Würfelbein unterscheidet Weitbr. vier Bänder, 
Weber-H. ein Lig. plantare und interosseum, Baxkow drei (Zigg. cuboideo-sphenoidea) in- 


Henle, Anatomie. Bd. I, Abthig. 2. 


12 


178 Fussgelenke. 


zum zweiten Mittelfussknochen verlaufendes Band vertreten wird. 
An den dritten Mittelfussknochen setzen sich von beiden Seiten her 
die Ligg. intermetatarsea symmetrisch an, dergestalt, dass sie vom 
zweiten und vierten gegen den dritten schräg vorwärts laufen; 
ebenso schräg vorwärts verläuft das Lig. intermetatarseum von 
der fünften Zehe zur vierten (Fig. 155. 156). Von dem Verhält- 
niss der Ligg. intermetatarses zum Lig. tarseum transv. mediale 
war oben die Rede. 
Sagittale. II. Sagittale. 

a) Der ersten und zweiten Reihe. 

Zwischen Fersen- und Schiffbein, Lig. calcaneo -naviculare 
plantare (Fig. 155) !), ein kurzes, platteylindrisches Band mit 
schräg von der medialen vorderen Ecke des Fersenbeins median- 
und vorwärts verlaufenden Fasern, an den medialen Rand des Lig. 
calcaneo-cuboid. plantare sich anschliessend, von dem plantaren 
Theile des Lig. tibio-calcaneo-euboid. zum Theil gedeckt. 

b) Der zweiten und dritten Reihe, vom Schiffbeine zu den 
Keilbeinen 2). Plantarwärts gedeckt von der Sehne des M. tibial. 
post. und oft untrennbar mit derselben verwachsen, geht ein brei- 
tes Band vom vorderen Rande des Schiffbeins schräg lateralwärts 
zum ersten und zweiten Keilbein, ein sehmaleres und mehr selbst- 
ständiges zum dritten Keilbein. 

e) Der drittenReihe und der Mittelfussknochen, Ligg. tarso- 
metatarsea plantaria 3). Die grosse Zehe erhält ein breites und sehr 
starkes Band (Fig.156) ) vom ersten Keilbein, welches sich an den 
hinteren Rand des Mittelfussknochens zwischen den Insertionen des 
M. tibialis ant. und des M. peron. long. befestigt. Die Kapsel des 
Tarso - Metatarsalgelenks der fünften Zehe ist an der Plantarfläche 
durch Faserbündel verstärkt, deren ich schon bei Beschreibung des 
Lig. tars. transv. lat. gedachte. Der zweite Mittelfussknochen er- 
hält schwache Bündelchen vom zweiten und dritten Keilbein 5), 
der vierte erhält stärkere oder schwächere bald vom dritten Keil- 
bein, bald vom Würfelbein, bald von beiden €). Der dritte Mittel- 
fussknochen steht durch schmale und kurze Bandstreifen mit dem 
zweiten und dritten Keilbein und dem Würfelbein in Verbindung 7). 


feriora, ein post. med. und ant und ein profundum. Zwischen den Keilbeinen erwähnt 
Krause Zigg. plantaria und interosseaa Barkow zählt auf (zwischen dem ersten und 
zweiten Keilbein) ein Lig. sphenoideum internum interosseum inf. s. post. und ant. s. sup. und 
(zwischen dem zweiten und dritten Keilbein) ein Zig. sphenoid. ext. plantare et interosseum. 

1) Lig. ealcameo-navieulare teres Weitbr. Lig. calcaneo-scaphoid. med. Bark. 

*) Ligg. cuneo-navicularia plantaria Krause. Ligg. scapho-cuneiformia Lauth. Lig. 
scaphoideo-cumeiforme int. med, und ext. Barkow. 

“) Zigg. sphenoideo-metatarsea, Lig, cuboideo-metatarseum breve und Ligg. tarseo-metatar- 
sea lateralia Bark. 

*) Lig. tarseum plantare ossis metat. hallueis Weber-H. Lig. sphenoideo-metatarseum 
‚plantare int., tarseum ossis metatarsi primi laterale int. und ext. Barkow. 

°) Lig. rectum longitudinale Weitbr. Lig. tarseum laterale ossis metat. secundi W e- 
ber-H. Lig. tarseum laterale metatarsi sec. ext. rectum und obliguum Barkow. 

°) Arnold’s Zig. bifurcatum profundum geht vom dritten Keilbein zum dritten und 
vierten Mittelfussknochen. 


7) Weitbrecht unterscheidet ein Lig. int. profundum vom zweiten Keilbein (Zig. int. 


Fussgelenke. 179 


Arnold fand zuweilen ein oder zwei gekreuzte Bänder, Ligg. cruciata mela- 
tarsi tertü, das eine vom Rücken des dritten Keilbeins ab- und vorwärts, das an- 
dere von der Plantarfläche des Würfelbeins auf- und vorwärts zur lateralen Gelenk- 
fläche des Mittelfussknochens. 


WM. In den Zwischenräumen der Mittelfussknochen. 


Ligg. intermetatarsea interossea Y) liegen in den Zwischenräumen der 
Mittelfussknochen in oder unmittelbar vor der vorderen Wand der 
Kapseln, in welchen die Seitenflächen der Basen der Mittelfussknochen un- 
ter einander articuliren. 


Im Knöchelgelenke dreht sich das Sprungbein und mit ihm der Fuss um eine, 
bei gerade vorwärts gerichteter Fussspitze genau transversale Axe aufwärts (Stre- 
ekung, Dorsalflexion) und abwärts (Beugung, Plantarflexion). Die Excursion dieser 
Bewegung beträgt, nach Gebrüder Weber, 78 Grad; sie beträgt aus der ge- 
raden, gegen den Unterschenkel rechtwinklichen Haltung, die der Fuss beim auf- 
rechten Stehen annimmt, nach der einen und anderen Richtung hin ungefähr gleich 
viel. Der genaue Gang dieser Bewegung ist durch die Gestalt der Gelenkflächen 
mehr als bei irgend einem anderen Winkelgelenk gesichert ; dennoch weicht auch 
das Knöchelgelenk in einer wesentlichen Beziehung von der regelmässigen Form 
ab, darin nämlich, dass der transversale Durchmesser des Kopfes wie der Pfanne 
von hinten nach vorn zunimmt. Schliessen beim aufrechten Stehen die Gelenkflä- 
chen genau an einander, eo ist Streckung des Fusses (Heben der Fussspitze) nicht 
anders möglich, als indem die Tibia und Fibula im unteren Tibiofibulargelenk aus- 
einandergedrängt werden, und beim Beugen des Fusses (Senken der Fussspitze) 
muss im Gelenk ein leerer Raum entstehen, den die zuströmende Synovia ausfüllt- 
Der Spielraum, den hierbei der Kopf in der Pfanne gewinnt, wird zu Bewegungen 
um die verticale Axe (mit der Fussspitze lateral- und medianwärts) benutzt, die 
aber immerhin nur sehr geringfügig sind, ein blosses Wackeln, bei welchem auch 
die artieulirenden Seitenflächen des Sprungbeins sich von den entsprechenden Knö- 
chelgelenkflichen abheben. ä 

Für die richtige Faltung der hinteren Kapselwand bei der Beugung des Fus- 
ses ist durch die Ausbreitung der Sehne des M. plantaris in dem die Kapsel von 
hinten her deckenden Fettgewebe gesorgt. Die vordere Kapselwand folgt, bei der 
Streckung des Fusses, den Sehnen der langen Streckmuskeln, welche straff mit 
derselben verbunden sind. 

Eigenthümlich, wie die Form der Gelenkflächen,, ist auch die Anordnung der 
Haftbänder am Knöchelgelenk. Es ist ein Winkelgelenk ohne Seitenbänder. Die 
Ligg. calcaneo-fibulare und calcaneo-tibiale, welche man dafür genommen hat, sind 

_ für die Bewegungen des Sprungbeins in seiner Pfanne ganz indifferent und werden 
weder durch die Streckung noch durch die Beugung des Fusses gespannt. Auf 
ihre eigentliche Function werde ich sogleich zurückkommen. Hemmungsbänder des 
Knöchelgelenks sind lediglich die vier, zwischen den Unterschenkelknochen und 
dem Sprungbein ausgespannten Ligamenta talo-fibularia und talo-tibialia antt. und 
postt., und zwar, wie sich von selbst versteht, beschränken die vorderen die Beu- 
gung, die hinteren die Streckung. 

Ausser der Bewegung des Fusses um die transversale und um die verticale 
Axe giebt es noch eine Drehung um die sagittale Axe, Rotation des Fusses ?), 


longitudinale prof. Weber-H. Lig. internum incurvum M. J. Weber) und ein Zig. int. 
laterale vom dritten Keilbein (Lig. internum rectum Weber-H.), ein Zig. ext. rectum vom 
dritten Keilbein und ein Zig. ext. incurvum (s. obliguum B ark.) vom Würfelbein. 

!) Ligg. metatarsi lateralia Weitbr., media Meckel, propria lateraia Weber-H. 

2) Adduction und Abduction nach Weber, Torsion nach Cruveilhier, Bei We- 
ber heisst Rotation die Drehung in der Horizontalebene um die verticale Axe, die gewöhn- 
lich als Adduction und Abduction bezeichnet wird und, nach Analogie der entsprechenden 
Bewegungen der Hand, auch Tibial- und Fibularflexion genannt werden kann. 


127 


II. Ligg. 

intermeta- 

tarsea inter- 
ossea. 


Physiolog. 
Bemerkun- 
gen. 


180 Fussgelenke. . 


wodurch der mediale oder laterale Fussrand erhoben wird; an dieser Bewegung hat 
das Knöchelgelenk keinen Antheil. Für sie scheint insbesondere das hintere Sprung- 
beingelenk eingerichtet zu sein, doch dürfen wir, da Ein Knochen an den Bewe- 
gungen der beiden Sprungbeingelenke Antheil nimmt, das Eine nur’im Zusammen- 
hange mit dem anderen betrachten. 

Allerdings begünstigt die Configuration des hinteren Sprungbeingelenkes (vgl. 
Fig. 138) nicht nur die Drehung um die sagittale Axe, sondern sie schliesst ver- 
möge der Cylinderform der Articulationsebene auch jede andere Bewegung, nament- 
lich die Bewegung um die verticale und transversale Axe aus; der Verschiebung 
der Gelenkflächen über einander in einer der Drehungsaxe parallelen Richtung, 
wodurch das Sprungbein auf dem Fersenbeine vorwärts gleiten würde, ist, ausser 
durch die Bänder, vorgebeugt 1) durch den Widerstand, den die vordere Gelenk- 
fläche des Sprungbeins an der hinteren des Schiffbeins findet, und 2) durch die ab- 
hängige, in manchen Fällen fast frontale Lage des hinteren Theils der Articula- 
tionsebene des hinteren Sprungbeingelenkes selbst. 

Das vordere Sprungbeingelenk ist, von den Facetten des Gelenkkopfes abge- 
sehen, eine Arthrodie; es würde also, für sich allein, Drehungen um alle drei 
Axen gestatten: um den Sprungbeinkopf würde der ganze Fuss rotiren, sich mit 
der Spitze lateral- und medianwärts, sowie auf- und abwärts drehen können. 

Alle diese Bewegungsmöglichkeiten werden dadurch, dass die Pfanne des Einen 
Gelenkes und der Kopf des anderen unverschiebbar gegen einander auf dem Sprung- 
bein fixirt sind, geradezu aufgehoben, und wenn die Pfanne des vorderen Sprung- 
beingelenkes aus hartem Material, wie andere Gelenkpfannen, bestände, so gäbe es, 
trotz der cylinderförmigen und kugelförmigen Gelenkflächen, kaum eine starrere 
Knochenverbindung, als die des Sprungbeins mit dem übrigen Fusse. Der Mittel- 
punkt des Kugelgelenkes liegt nämlich über der Axe des Cylindergelenkes und wenn 
also auch durch das Kugelgelenk ein Durchmesser gedacht werden kann, welcher 
der Axe des Cylindergelenkes parallel verläuft, so fielen doch beide Axen nicht zu- 
sammen. Stellt in Fig. 158 der um y beschriebene Bogen einen (frontalen) Durch- 

Fig. 158. schnitt der Articulationsebene des hinteren Sprungbeingelenkes, der 
um x beschriebene Kreis einen Durchschnitt des Sprungbeinkopfes 
vor, so ist klar, dass, so lange x und y nicht zusammenfallen, die 
= Pfanne, die den Sprungbeinkopf umfasst, jede Rotation der Cylin- 
dergelenkflächen um y verhindern, sowie die Cylinderfläche, in de- 
ren Axe y liegt, jede Drehung des Kopfes in seiner Pfanne unmög- 

lich machen muss. 
3A Auch beweist schon die wie bei Amphiarthrosen fast genaue 
Uebereinstimmung des Umfanges der je einander entsprechenden Ar- 
tieulationsflächen der Sprungbeingelenke, dass ihre Bewegungen nur geringe Excur- 
sion haben. Die Excursion aber, die sie haben, verdanken sie dem Umstande, 
dass in die Pfanne des vorderen Sprungbeingelenkes ein breiter- Streifen weicher 
Substanz, das Lig. tibio-calcaneo-naviculare, eingefügt ist, wodurch die Pfanne ihre 
Form ändern, über dem Kopfe gedehnt und zusammengeschoben werden kann. Auf 
diese Weise wird es möglich, dass der ganze Fuss einer Axendrehung des Fersen- 
beins im hinteren Sprunggelenke folge, ferner auch, dass das Schiffbein sich um 
den vorderen Theil des Sprungbeinkopfes drehe, indess der untere Theil dieses 
Kopfes auf dem Sustentaculum tali ruhend verharrt. Eine gleichzeitige Drehung 
auch des Fersenbeins am Sprungbeine im vorderen Talusgelenke wird dann zu 
Stande kommen können, wenn die Gelenkfläche des Sustentaculum tali und die 
demselben entsprechende Facette des Sprungbeinkopfes übereinstimmend mit der 
vorderen Partie der Articulationsebene gekrümmt sind. Dazu gehört dann noch 
eine nicht zu genaue Congruenz der Gelenkflächen des hinteren Sprungbeinge- 
lenkes, ein Lager mächtiger und comprimirbarer Synovialfalten zwischen denselben. 
In gelenkigen Füssen werden sich diese Einrichtungen finden und sicherlich beruht 
die Mannigfaltigkeit, die die Gelenkflächen der Fusswurzelknochen zeigen, auf den 
grossen Verschiedenheiten im Gebrauche und in der Ausbildung der Füsse. — 


Pr: Fussgelenke. 181 


Uebrigens müssen auch Verschiedenheiten der Anlage zur Ausbildung der Fuss- 
gelenke existiren; die Articulationsebene der eben erwähnten medialen Gelenk- 
fläche des Fersenbeins und der entsprechenden Facette des Sprungbeins zeigt sich 
schon bei Neugeborenen in verschiedenem Sinne gekrümmt. 

Dreht das Schiffbein sich für sich allein, so kann es zur Beugung und Stre- 
ckung des Fusses, sowie zur Adduction und Abduction, wenn auch beides nur in 
geringem Maasse, beitragen. Es ist bemerkenswerth, dass fast allgemein beim auf- 
rechten Stehen der obere Rand der vorderen Gelenkfläche des Sprungbeinkopfes 
frei über den Rand des Schiffbeins hervorragt, eine Hervorragung, die, wie erwähnt, 
schon durch die Haut gefühlt werden kann (die hervorragendste Stelle des Fuss- 
rückens, der sogenante Spann des Fusses, entspricht dem Gelenke zwischen dem 
zweiten Keilbein und dem zweiten Mittelfussknochen). Jenes Ueberragen der Ge- 
lenkfläche des Sprungbeins scheint darauf zu deuten, dass eine Aufwärtsbewegung 
des Schiffbeins am Sprungbeine, als ein Beitrag zur Streckung, vorgesehen sei. 

Haft- und Hemmungsbänder der Sprungbeingelenke sind ausser den eigentli- 
chen Ligg. talo-calcanea die langen Haftbänder zwischen Unterschenkel und Fuss- 
wurzel. Das Lig. calcaneo-tibiale spannt sich, wenn der Fuss lateralwärts rotirt 
(mit dem lateralen Rande gehoben) wird, das Lig. calcaneo-fibulare, wenn er me- 
dianwärts rotirt wird; das Lig. tibio-naviculare hilft die Beugung des Fusses be- 
schränken. Das Lig. calcaneo-tibiale wird von den Ligg. talo- calcaneum posticum 
und mediale unterstützt, das Lig calcaneo-ibulare vom Lig. talo-calcaneum laterale. 
Das Lig. talo-calcaneum interosseum hindert, gleich den Ligg. cruciata des Knie- 
gelenkes, die Entfernung der Knochen von einander; möglich, dass es auch. als fe- 
ster Punkt, als eine Art verticaler Axe zur Drehung des Fersenbeins in horizonta- 
ler Richtung benützt wird. 

Wichtig für den Mechanismus des vorderen Sprungbeingelenkes ist der M. ti- 
bialis post., dessen Sehne unter dem membranösen Theile der Pfanne vorüberzieht 
und den Sprungbeinkopf tragen hilft. Erschlaffung dieses Muskels wäre für sich 
allein schon ein hinreichender Grund, dass das Sprungbein zwischen dem Fersen- 
und Schiffbein allmälig sich herabsenkte und die Wölbung des medialen Fussran- 
des verloren ginge. 

Die geringen Verschiebungen der Fusswurzelknochen in den Amphiarthrosen 
summiren sich mit den Bewegungen in den Hauptgelenken. Insbesondere dient die 
Drehung des Würfelbeins auf der vorderen Fersenbeingelenkfläche dazu, den Aus- 
schlag der Rotationsbewegungen des Schiffbeins zu vergrössern. Ausserdem bie- 
ten die Gelenke der vordersten Reihe der Fusswurzel- und der Mittelfussknochen 
Gelegenheit zu Aenderungen der Wölbung des Fusses im transversalen Durchmes- 
ser. Die Art, wie die Haftbänder der Fusssohle sich der Abplattung widersetzen, 
erklärt sich von selbst. 

Von den Bewegungen um die sagittale und verticale Axe sind diejenigen am 
ergiebigsten, durch welche der Fuss am medialen Rande erhoben und mit der 
Spitze medianwärts geführt wird; die Erhebung des lateralen Fussrandes ist in der 
Regel nur in geringerem Maasse möglich, Abduction der Fussspitze fast gar nicht. 
Die grössere Beweglichkeit der medialen Fusshälfte liegt darin, dass hier zwei 
transversale Gelenke sind, während in der lateralen Fusshälfte nur eins, und dass 
die freiesten Gelenke, das vordere Sprungbeingelenk und das Tarso-Metatarsalge- 
lenk der grossen Zehe, dem medialen Fussrande angehören. Dem entsprechend 
sind die die Rotation beschränkenden Haftbänder länger am lateralen als am me- 
dialen Rande des Fusses und reicht der laterale Knöchel tiefer herab, 


182 Zehentarsalgelenke. * 


F. Zehentarsalgelenke. 


ee, Im Wesentlichen stimmen diese Gelenke, was den Typus sowohl der 
“artieulirenden Flächen, als auch der Kapsel- und Haftbänder betrifft, mit 
den entsprechenden Gelenken der oberen Extremität überein; doch finden 
sich, ausser den abweichenden Grössenverhältnissen, noch einige bemer- 
kenswerthe Eigenthümlichkeiten der Form und Anordnung. 

Die Pfannen der Grundphalangen der Zehen sind an sich und in ihrem 
Verhältnisse zu den Köpfehen der Mittelfussknochen den Pfannen der Fin- 
gerphalangen ähnlich; die Köpfchen aber haben eine ungleichmässigere 
Krümmung als an der Hand. Ihre Gelenkfläche zieht sich an der Rücken- 
fläche verhältnissmässig weiter hinauf; auf diesem Rückentheile steht die 
Grundphalange des ruhenden Fusses, mit dem vorderen Ende schräg auf- 


Fig. 160. 


Senkrechter Durchschnitt, der Längsaxe 
des Fusses parallel, durch ein Zehentar- 
salgelenk, bei gestreckter Zehe. * Vor- 


dere Kapselwand. Durchschnitt in derselben Richtung an 
einem anderen Exemplar, bei gebeug- 
ter Zehe, 


wärts gerichtet; in dieser Stellung sind die Gelenkflächen der Phalange 
und des Mittelfussknochens vollkommen congruent und bleiben es bei fort- 
gesetzter Streckung (Fig. 159). Der vordere und untere Theil des Köpfchens 
aber, auf welchen die Zehe bei der Beugung tritt, hat eine von dem Rücken- 
theil verschiedene Krümmung, und ist nicht selten gegen den letzteren durch 
eine seichte Furche oder selbst durch eine scharfe Kante abgesetzt. Bei 
der Beugung hört also die Congruenz der Gelenkflächen auf; die Ungleich- 
förmigkeit wird in manchen Gelenken durch mächtige Synovialfalten 
(Fig. 160), in anderen vielleicht nur durch Synovia ausgeglichen. Den 
unteren Rand der Gelenkfläche erreicht übrigens die Phalange auch bei 
foreirter Beugung nicht. 

Auf dem Mittelfussknochen der grossen Zehe hat die Grundphalange 
nur eine beschränkte Bewegung. Den unteren Theil der Gelenkfläche des 
Köpfchens nehmen die beiden Sesambeine ein, welchen entsprechend jene 


-Zehentarsalgelenke. Zehengelenke. 183 


Gelenkfläche mit drei sagittalen Firsten und zwei dazwischenliegenden tie- 
fen Furchen versehen ist. Jedes Sesambein ist stark sat- 
telförmig gekrümmt, concav im sagittalen, convex im 
transversalen Durchmesser; eine Rotation des Mittelfuss- 
knochens um seine Längsaxe, wenn der Fuss auf den Ze- 
hen, d. h. auf den Sesambeinen steht, ist demnach un- 
möglich 1). 
Frontaldurch- Die Kapseln der Zehentarsalgelenke sind auf dieselbe 
um Weise, wie die der Fingercarpalgelenke, durch Ligg. ca- 
knochens mit den Pitulorum pluntaria 2) und dorsalia an einander befestigt, 
Sesambeinen (0s) doch beträgt die Zahl dieser Bänder am Fusse vier, da 
auch die grosse Zehe mit der zweiten so, wie die übrigen 
unter einander, verbunden ist. Beide Bänder des ersten Spatium interos- 
seum entspringen dicht über einander an der Kapsel des zweiten Mittel- 
fussknochens und divergiren gegen die Kapsel des ersten, indem das dorsale 
Band gegen den Fussrücken auf-, das volare gegen die Planta absteigt. 
In dem dreiseitig prismatischen Raume, den sie mit dem Mittelfussknochen 
der grossen Zehe umschliessen, liegt die Insertionssehne des M. adductor 
hallucis. Das Lig. capitulorum plantare des dritten zum vierten Mittelfuss- 
knochen, welches über dem Ursprunge des queren Kopfs des M. adductor 
hallueis liegt, ist meistens schmaler und dünner als die übrigen. Die Ligg. 
capitulorum dorsalia sind an allen Zehen, ausser der grossen, sehr schwach. 


G. Zehengelenke. 


Ich darf bezüglich derselben auf die Beschreibung der Fingergelenke 
verweisen. 


!) Die Querfasern der Kapsel zwischen den Sesambeinen werden als Zig. oss. sesa- 
moideorum (Lig. jugale Arn.) unterschieden. Barkow nennt Zig,. tarseo-sesamoideum (Lig. 
laterale oss. sesam.) die Fasern der Kapsel zwischen der Seitenfläche des Köpfchens der 
grossen Zehe und dem Sesambeine. 

®) Ligg. melatarsi anteriora plantaria Meck. Ligg. transversaria antt. Arn. 


G. Zehen- 
geleuke. 


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ar 


“ 


Die Herausgabe einer Uebersetzung in englischer, französischer und anderen 


modernen Sprachen wird vorbehalten. 


2) 


HANDBUCH 


SYSTEMATISCHEN 
ANATODOMTER 
MENSCHEN. 

Da. J. HENLE, 


Professor der Anatomie in Göttingen. 


IN DREI BÄNDEN. 


ERSTER BAND. DRITTE ABTHEILUNG. 


MUSKELLEHRE. 


ck MUSS, 
RN, = 


x 
TED 8 


5 BT 
MIT UnGEICHEN-MERFARBIGEN IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN. 
I 


= 


+ 


BRAUNSCHWEIG, 


DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN. 


1.8°5. 8, 


HANDBUCH 


DER 


MUSKELLEHRE 


DES 


| MENSCHEN. 


VON 


Dr. J. HENLE, 


) 
Professor der Anatomie in Göttingen. 


MIT 159 MEHRFARBIGEN IN DEN TEXT-EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN. 


BRAUNSCHWEIG, 


DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN. 


2e295.% 


Holzschnitte 
aus dem xylographischen Atelier 
von Friedrich Vieweg und Sohn 
in Braunschweig. 


Prarp’ırer 
aus der mechanischen Papier-Fabrik 
der Gebrüder Vieweg zu Wendhausen 
bei Braunschweig. 


Fu hr-a.Lt. 


EI. Muskellehre .....-.... 
A. Muskeln des Stammes 
I. Rückenmuskeln EI a ER REELEERE N  EN e ie 
a. Oberflächlice, von den Fortsätzen lateralwärts verlaufende 
SeRichternen A at as. et an Seen 
«@.‘ Erste Schichte 
M. trapezius 
ß. Zweite Schichte B 
. 1. M. rhomboideus minor 
2. M. rhomboideus major 
3. M. teres major 
4. M. latissimus dorsi I: 
Dritte Schichte. Mm. serrat. post. . 
1. M. serrat. post. sup. 
2. M.serrat. post. inf. 
d. Vierte Schichte. Mm. splenü 
1. M. splenius capitis 
2. M. splenius cervicis 
b. Tiefe longitudinale Muskeln 
a. Lange Muskeln 
1. M. sacrospinalis MATT TORE N, 
2%. Mm.’'spinales:; ; 2.02 U RE ERS Su 
t M. spinalis dorsi . . 
tr M. spinalis cervicis . 
3.2 MYtmansverso-spinahs: 2. Se res 
* Mm. semispinalks . 
t M. semispinalis dorsi 
tt M. semispinalis cervicis . 
fir M. semispinalis capitis 
** M. multifidus s 
rl Mm. Totatores - 0. leiten. 
1 Mm. rotatores longi . 
11 Mm. rotatores breves . 
$. Kurze Muskeln 


> 


Inhalt. 


]. Kurze Muskeln der Beugewirbel. . . ... .* 
1. Mm. interspinales I 
2. Mm. intertransversarü posteriores 
3. Mm. levatores costarum 


II. Kurze Muskeln der Drehwirbel uni Be Fiaieikanpiebline - 


1. M. reet. cap. post. may. 
2. M. oblig. cap. inf. 

3. M. rect. cap. post. minor. 
4. M. oblig. cap. sup. 

5. - M. rect. cap. lateralis . 


Bauchmuskeln 


Verticale Burfehranskeln. 

1. M. rect. abdominis 
2. M. pyramidalıs 
Transversale Bauchmuskeln 
1. M. obliquus ext. . 
2. M. obliquus int. ° 
3. M. transv. abd. 


Fascien der Bauchwand . 
Zwerchfell, Diaphragma . 
Brustmuskeln 


Oberflächliche RE 
Erste Schichte Es 
IM pectoralisumajor. „22 u, 2 022 00 00m = RE 

ß. Zweite Schichte . 
1. M. subelavius 
2. M pectoralis minor . 
y. Dritte Schichte 
M. serrat ant. . 

M. sternalis . . . 

M. supraclavieularis . 


b. Tiefe Brustmuskeln 


Erste Schichte : 

Mm, intercostales externi . 
ß. Zweite Schichte . Fr 
Mm. intercostales interni. . . a UT TE 
y. Dritte Schichte. Mm. transversi a REN 
1. M. transversus thoracis post. . 
2. M. transversus thoracis ant. 


IV. Halsmuskeln 


Vordere Beh 

Lange vordere Halsmuskeln 
1. M. subeutaneus colli 
2. M. sternocleidomastoideus 
3. M. biventer mandibulae 


ß. Zungenbeinmuskeln 


]. Zwischen Schädelbasis und en ; 
M, stylohyoideus BE: 
1I. Zwischen Brustkorb ud. Zunesnbent B . 
aa. Erste Schichten. - is rigen de 1 
1. M. sternohyoideus 
2. M. omohyoideus 
bb. Zweite Schichte - 
1. M. sternothyreoidus . » en. 
2. M. thyreohyoideus 


Inhalt. VII 


II]. Zwischen Unterkiefer und Zungenbein . .. ».22..2....19 
aaı „Erste, SChIChte uam: p Sch sl ur. — 
M. mylohyoideus 
bb. Zweite Schichte 
M. geniohyoideus . Sal ae ee Me A BERERN. 
be rEimterevEinlemuskein. \ la. a. ar ncten ze Ba ae 199 
«. Laterale ee 5. 17 < S Kae 
TOR MEPScHlenUs: anı: ı tn Le. Are ee, 199 
2. M. scalenus medius TE er 
DOEMNSCA[ENUS?-DOSTICUSE 1 nern A en _ 
AS MA levator scapulaer „Idee ern cn, SE een 195 
BupMedialee wa rare nn br Eyes Lern se 196 
]J. Lange 5 
1. M. longus er & ec te Ro A RE 
22, MM lOngUsallamtası 2 0 20 EEE en wat, 197 
B00 MESTongusZcaptese nen 2. Volles No 
H: Kürze... a RE. ° 
1. Mm. intertransversarü anteriores : » - 22 2 2 2 2. _ 
25 Misrechs Copi anten 0 ee rn. 12g 
V. Kopfmuskeln . .. . DE RENTE Te ee ee 192 
a. Muskeln der Schüdeldecke re re A 27.1 
IVEREHICHUN USE Den ne ar De RE TER Se, —_ 
ba 2 Muskeln der "Augerlieden #2... 0.02.. bis een Ne ea a 139 
IM orbieulariscculipe. ve 22 A. ea sh. = — 
er #Gesichtsinuskeln- "24. DARIN NN a er a 1A 
«. Erste Schichte EL ENEE HR ER En a _ 
IRA .E 2yg0Maticus; urn ENTE ee ea a 1A 
DI TEN TTS USE SE a on 2 Re er, A 
F 3, "Mostmiangılaris, nen ee NE _ 
ß. Zweite Schichte . . . . ET En Allee er sn. 
a Mo quadratslabtissup. =... OS he ee a — 
DEREN CANITUSE wesen ae ee ME re 5, 149 
2:2 LM... 'quadrat:s mente Berta re ee 8:22: 150 
VE Dritten Schichtere re era SOUL A, a een Tot 
= 'Seitliche- Muskeln: +... easamn Aue Be Mn sne..:- 182 
Mi "BUCCMALOr.S en 220 AT ED ee — 
II='Mediane , Muskeln, ww reise el Su: al 
JE Sphincterw ortswm cn nu. ARE a Re — 
9e0=- Mm, InelstWun en Barker he, SR er IE ln ne SA 
5» M. nasalısı? 7 ar, Da N NESRBEE et et 155 
Ar Mix mentalise wen zur an TREE en nr 
Ur aRsetermuskelm. 2: 2 a PAR er: Se ee 15 
1.0: MA masseten: 3.2 wur. Su, ee ee —_ 
DEM tEMpORGlISi. wu un 2% nn a, TEE TEE A ee ne JOH 
SE MERmter;goid., einer 0A, ea a ea er ner. 108 
A Wi nterygoid. Int E98) essen Se ae een. —_ 
B: ; Muskeln\.der;Extremitäfen. 3. | 22.7: gs ee nr 2.168 
L..- Obere Pxtrematat ser u. u. „Meere Re ke EB ae — 
a. Muskeln der Schulter . .. . NEE Aha 1 ERRLILEENR _ 
«.  Verticale Sehhlterblattmunkein a N ee 206 
M. deltoideus . . . . ae A ee en — 
ß. Hintere SeHulierhläkknaskelun 2 le lie ee 16 
1... :M! süpraspinatus= =. .  Nelkeiueiitegeuneaiee, Brno — 
2% 'M. infraspinatusu..ı rw aueh nn... 7170 
3a. Mi. teres :minon.:i.0 BB ee aa — 


Inhalt. 


1. MM. abduetor digiti quinti . 
2. M. flexor brev. dig. quinti 
3. MM. opponens ER quinti ...% 
y. Mm. interossei ee: 
Fascie der oberen Extremität 
II. Untere Extremität 
a. Muskeln der Hüfte 
«@. Innere Hüftmuskeln - 
1. _M. quadrat. lumborum . 
2. M. ihopsoas . 
SEIN PS0GS} MINDOT RE EN EN 
ß. Aeussere Hüftmuskeln 
I, Erste Schichte . 
M. gluteus maximus 
II. Zweite Schichte 
M. gluteus medius 


371. Drittey Schichten ne 1. 2m. 2 u Kr ER SE 
1. M. gluteus minimus . TREE. nr 
9.0. M. JDYmiJPrImIS" anne oe ee SERNE R 


3. M. obturator int. . 
4. M. quadrat.femoris . 
IV. Vierte Schichte . 
M. obturator ext. De 
b;» ‚Muskeln.des (Oberschenkels. x. Eh 
&.. . Vordere Oberschenkelmuskeln . . . . el. nnmmöh, 
Ts BirsteySchichte.o-. 0,2 40 un zo 
1. 2 Mi tensor fasctae. . -wuns 
2. M. sartorius . 
II. Zweite Schichte . 
IM. Exlensor . CHESN. 2 ehe en urn ee 
III, Dritte Schichte . 
M. suberuralis . 
ß. Hintere Ober eherikeimiskcli =: 
1:5..M. birepssfemoris, „... „re 
2. _M. semitendinosus 
3. M. semimembranosus . . 
y. Mediale Oberschenkelmuskeln 
I. Erste Schichte . 
1. M. pectineus 
2. M. adductor fem. N FEN 
SS. M  Gnacis Pi: a eine = We a 
II. Zweite Schichte 
M. adductor ‚fem. brevis 
III. Dritte Schichte . . » Ye 
1. M. adductor fem. minimus . . .- 
2. M. adductor ‚fem. magnus 
ec. Muskeln des Unterschenkels . . 
«. Muskeln der Vorderseite 


1..-=M. hbialis.ant .x.2b.. 2.2.8 tat- ah ee 

2. M. extens. hall. lng. » »....-.- Eee Lie 

3. M. extens. digit.long. . =: - ur. eee re. 

4. M. peroneus tertius = em ner ee 
ß.- Fibulare Muskeln .... u nmceun ee. 

1... M. peroneus long. - - =» n.c.e ee. > Em meets) a 


2. M. peroneus brwis .. =... *- 


Inhalt. 


y. Vordere Schulterblattmuskeln 
M, subscapularis . 
Muskeln des Oberarms . 
«@. Muskeln der Vorderseite 
1]. Erste Schichte : 
M. biceps brachü 
II. Zweite Sehichte 


1. 
2. 


M. coracobrachialis . 
M. brachialis int. 


ß. Muskeln der Rückseite 
M. extensor triceps 
Muskeln des Unterarms 
«@. Muskeln der Vorderseite 
I. Oberflächliche Muskeln 


Io 


2 
3. 
4 


a 


M. pronator teres 
M. radialıs. int. 
M. palmaris long. 
M. ulnaris int. . 
M. flexor digü. Be : 


II, Tiefe Muskeln . . 
aa. 


lo 
2. 


Erste Schichte . . .. - 
M. Aexor digit. profund. 
M. flexor poll. long. 


bb. Zweite Schichte . . 
M. pronator quadratus . . 
ß. Muskeln des radialen Randes 


1. 
2. 
3. 


M. brachioradialis . 
M. radialis ext. long. . . - 
M. radialis ext. brevis 


y. Muskeln der Rückseite 
/. Oberflächliche Schichte . . 


ılE 
2. 
3. 
4. 


M. extensor digit. comm. 


M. extensor digit. quinti propr. - 


M. ulnaris ext. 
M. anconeus quartus 


II. Tiefe Schichte . . - 


1. 
2. 
3. 
4. 
5. 


M. supnator ... = - 
M. abductor poll. on 

M. extensor poll. long. 

 M. extensor indieis propr. 
M. extensor poll. brevis 


Muskeln der Hand ns 
«@. Auf der Rückenfläcke ... 
ß. Muskeln der Volarfläche 

I]. Oberflächliche Muskeln . 
M. palmaris brevis . 
1I, Tiefe Muskeln . 

aa. 
Mm. lumbricales . 
bb. 


1 
2 
3. 
4 


cc. 


in der Mitte . . 


Muskeln des Dee 
M. abductor poll. br. . 

M. flexor pollieis br. 

M. adductor pollicis br. 

M. opponens pollicis br. 
Muskeln des Kleinfingerballens 


-X Inhalt. 


y. Hintere. Unterschenkelmuskeln rc 2 nr. . 2,282 
I.. Oberflächliche near... Mh 9 6 rn 
1. Mitriceps suraewem. 0. ; =: SIRMRRAACH I IRRE. — 

2... M.. plantanıss.. nn 3 tMemıcirh), Su: laden 058: 

Br MS DOPÜeUS vn ln. EEE MEER a ee RD, 

TI: "Rietes nee ee he 
1. M. flexor digit. ped. or eo es ah a 

2. = My trbialıs. roSt.r «> BUNDES 1 ea 

3. M. flexor hallueis long. Ale Töne er en 

d..=Muskeiny dessHussesi. =. 2.0. 1.0. Amann rl HR oe 
@. Muskeln des Fussrückens RE 
1.22 MU extensor. «dig: jp-ibrevis: Wimsnnaksık Kuh. 18 Be 

2.3 M.„extensor, hallucisibnensiuiabsa? 00 IOHEUEE „u 7294 

ß.2 Muskeln-derEusssohle ;..... Med WERNE 
1.2In der) Mitte „> 20.02 0. Des se I, BE NE 2ID 
1. M. flexor digit. Bi rede 3 ET ER Eee 

2.- Caput ‚plantare flezorisucg. vlonyu.n oo. 2 0. 296 

3.7 Mm. ılumbnioles: ı.» &0. m. 2.bee SENSE A 1 eg 


II. Muskeln des Grosszehenrandes . . . ..2.. 2... ee" ur 298 
1. M. abduetor hallucis .-...% —_— 


2. M. flexor brevis hallueis . IR IR. a 
3.- Mn adductor hallves A, WR Aka re 290 
ZII. Muskeln des Kleinzehenrandes :. ©.» » 2.2. 2.2. ....800 
1. M.labductor:.dig.:,p:. Quinta SEEN — 
2. M. jlexor brevis dig. p. quinti 
3. MM. opponens a: DINGER HR, 
y. Mm. interossei ... . br si War Dh re er Te O3 
Hascrerdersunteren#Bixhreroraft „7. % ER BENREDET RR 2 


II. Muskellehre. 


Gegenstand der Muskellehre sind die contractilen animalischen Fasern 
des sogenannten Fleisches, welche in den Wänden des Stammes und in den 
Extremitäten liegen und Theile des Skelettes unter sich und mit der Cutis 
verbinden, mit Ausschluss jedoch der den Mündungen der Eingeweide und 
den Sinnesapparaten angehörigen Fasern, deren Beschreibung, ohne eine 
Kenntniss dieser Eingeweide und Apparate vorauszusetzen, nicht gegeben 
werden kann. 

Die Muskulatur des Stammes bedeckt in mehr oder minder mächtiger 
Schichte das Skelett und füllt die Lücken zwischen den einzelnen Theilen 
desselben aus; an den Extremitäten hüllt sie die Knochen als eine im Ganzen 
cylindrische Masse ein. Am Stamme, wie an den Gliedern zerfälltsie je nach 
den Regionen in Gruppen oder Lagen; die Gruppen zerlegt man in die 
einzelnen Muskeln, welche am Stamme in der Regel platt, an den Gliedern 
eylindrisch oder prismatisch gestaltet sind. Der Muskel zerfällt in eine 
Anzahl gröberer paralleler oder convergirender Bündel; die gröberen 
Bündel zerfallen in feinere und feinere bis zu den Primitivbündeln, deren 
jedes in einer einfach häutigen Scheide eine bestimmte Menge der mikrosko- 
pischen Primitivfasern einschliesst. 

Wo die Zerlegung der Muskelgruppe in einzelne Muskeln ihre Grenze 
finden, was demnach als Muskel-Individuum betrachtet werden solle, ist 
nicht immer leicht zu bestimmen. Im Allgemeinen richtet sich die Ent- 
scheidung nach dem Verhältniss der Muskel- zu den Sehnenfasern. Die 


Muskeln setzen sich nämlich an die Hartgebilde, zu deren Bewegung sie- 


dienen, nicht geradezu fest, sondern durch Vermittelung längerer oder kür- 
zerer Bindegewebsstränge, der sogenannten Sehnen (Tendines) 1), welche 
zwar auch aus parallelen Bündeln bestehen und der Länge nach beliebig 
zerfasert werden können, aber doch einerseits fester gewebt, andererseits 
durch deutlichere Zwischenräume von einander gesondert und daher im 
Ganzen selbständiger sind. Von den Sehnen aus beginnt man deshalb die 


D) Flechsen. Die breiten und platten Sehnen oder Sehnenausbreitungen werden 
auch Aponeurosen genannt. a 
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 3. 1 


Inhalt. 


Zahl der 
Muskeln. 


2 Muskellehre. 


Präparation und Trennung der Muskeln, und als besonderen Muskel betrach- 
tet man die Summe der Bündel, welche gemeinschaftlich an Einer Sehne 
entspringen und ebenso an Einer Sehne enden. 

Das Verhältniss der Muskeln zu den Sehnen wird aber in mannigfa- 
cher Weise complieirt. Die von Einer Sehne ausgehende Muskelsubstanz 
kann sich nach der anderen Seite hin an mehrere Sehnen vertheilen; oder 
es fliessen die von einer Anzahl Sehnen entspringenden Muskelmassen in 
Einen Bauch zusammen und durchflechten sich, um neu abgetheilt wieder 
in eine Anzahl Sehnen überzugehen; oder Eine Sehne giebt nach zwei 
entgegengesetzten Richtungen Muskelfasern ab, die beiderseits in Sehnen 
enden. In solchen Fällen entsteht die Frage, ob die einzelnen Bäuche als 
eben so viele, nur theilweise verschmolzene Muskeln, oder ob sie in ihrem 
Zusammenhange ala Theile von gespaltenen oder durch sehnige Zwischen- 
substanz unterbrochenen Muskeln aufzufassen seien. 

Die gangbare Nomenclatur ist hierin keineswegs consequent und durch 
nichts als das Herkommen gerechtfertigt. Denn wenn manz. B. den M. biceps 
brachii oder femoris zweiköpfig nennt, so ist nicht abzusehen, warum von den 
in ähnlicher Weise in eine Sehne zusammenfliessenden Muskelbäuchen des 
Psoas und Iliacus, oder des Biventer cervicis und Complexus, oder des Flexor 
dig. pedis longus und der Caro quadrata Sylvii jeder als besonderer Muskel 
aufgeführt werden soll. Es ist ebenso wenig zu verstehen, warum die ge- 
meinsamen Ursprünge der Muskelbäuche nicht dieselbe Berücksichtigung 
gefunden haben, wie deren gemeinsame Insertionen. Verfolgt man den 
kurzen Kopf des Biceps brachii und den Coracobrachialis aufwärts zum 
Schulterhaken, oder den langen Kopf des Biceps femoris und den M. semi- 
tendinosus gegen den Sitzhöcker, so wird man sie ganz nach Art zweiköpfiger 
Muskeln paarweise mittelst einer einfachen Sehne an den Knochen befestigt 
finden. Zwar sagt man von Muskeln mit mehrfachen Ursprüngen oder In- 
sertionen, dass sie mit dem muskulösen Theile ihrer Köpfe zu je Einem 
Bauche verschmelzen, und dass sie aus einem einfachen Bauche ihre Sehnen 
entsenden. Doch ist dies nicht wörtlich zunehmen. Nur in seltenen Fällen, 
in einzelnen Muskeln des Rückens und des Gesichtes, verflechten und durch- 
kreuzen sich die Muskelbündel dergestalt, dass es unmöglich wird, einzelne 
auf grössere Strecken zu verfolgen; die meisten zusammengesetzten Muskeln, 
namentlich die der Extremitäten, können von Einem Ende zum Anderen in 
so viele Portionen zerlegt werden, als sie Sehnen aufnehmen oder abgeben; 
die Bäuche legen sich nur genau an einander und wenn es den Anschein 
hat, als ob sie sich vermischten, so führt eine genauere Untersuchung jedes- 
mal zu der Ueberzeugung, dass sich in den scheinbar einfachen Bauch mehr 
oder minder weit hinauf Ausläufer der Endsehnen erstrecken, an welche die 
Muskelbündel von verschiedenen Seiten herantreten. So besteht nur ein 
gradweiser Unterschied zwischen einfachen Muskeln mit convergirenden 
Fasern, zwei- oder mehrköpfigen Muskeln und Muskeln, welche, wie der 
Extensor digitorum pedis longus und brevis, erst mit den peripherischen 
Enden ihrer Sehnen in der Nähe der Insertion in einander übergehen. 
Physiologisch haben sie sämmtlich die gleiche Bedeutung; sie zeigen eine 
Kraft, deren Richtung durch den Lauf der gemeinsamen Sehne angezeigt 
wird, in mehrere Kräfte von der Richtung der Faserung der einzelnen 


Muskellehre. 3 


Köpfe oder Muskeln zerlegt, wodurch die Möglichkeit gegeben ist, 1) über- 
haupt mehr Muskelbündel an Einer Sehne anzubringen und auf Einen Punkt 
des Knochens wirken zu lassen, und 2) je nach der Innervation der einzel- 
nen Köpfe die Richtung des Angriffes der Sehne zu verändern. Wegen 
dieser Gemeinschaft der Wirkung ist es zweckmässig, was sich zugleich 
wegen Vereinfachung der Beschreibung und Nomenclatur empfiehlt, die an 
Eine Sehne sich ansetzenden Muskelbäuche als Theile je eines Muskels im 
System aufzuführen. Eine Ausnahme statuiren wir nur für die Fälle, 
wo die einzelnen Bäuche verschiedene Regionen einnehmen, so wie für die 
Muskeln, deren Sehnen sich nach längerem Verlauf erst in der Nähe der 
Insertion verbinden. 

Eine Differenz in der Aufzählung der Muskeln entsteht ferner durch 
die in der Mittellinie gelegenen oder die Mittellinie transversal durch- 
setzenden Muskeln des Körpers (M. mylohyoideus, transv. menti, azygos 
uvulae u. A.), die man ganz nach Belieben für unpaare oder für in einan- 
der fliessende paarige erklären kann. 

Was die Anordnung des Stoffes, die Classification und Reihenfolge, 
nach welcher die Muskeln abgehandelt werden sollen, betrifft, so machen 
sich zwei Principien geltend, die man schlechthin als das anatomische und 
physiologische einander gegenüberstellen kann. Das erste theilt die Mus- 
keln ein nach Regionen und Schichten, das zweite nach ihren Wirkungen. 
So weit sich die systematische Anatomie die Orientirung und das Ver- 
ständniss der Formen zur Aufgabe macht, kann sie wegen der Wahl zwi- 
schen jenen beiden Eintheilungsprincipien nicht zweifelhaft sein. Für den 
Arzt hat die Form und Lagerung der Muskeln, ohne alle Beziehung zur 
Function, schon deshalb Werth, weil hauptsächlich sie es sind, die die Ge- 
staltung der Oberfläche bestimmen und die Räume begrenzen, in welchen 
Gefässe und Nerven hinziehen. Aber selbst als Grundlage für die Mechanik 
der Bewegungen hat die Eintheilung der Muskeln nach den Functionen 
ihr Missliches. Nicht zu gedenken, dass die Function Sache der Beurthei- 
lung ist und dass sie, wie die Geschichte bis in die neuesten Zeiten lehrt, 
falsch beurtheilt werden kann, so liegt darin ein Uebelstand, dass sich die 
mechanische Bedeutung der Muskeln bei den wenigsten auf einen einfachen 
Ausdruck bringen lässt. Sie ist verschieden je nach den Combinationen, 
in welchen sich die Muskeln verbinden; ferner je nachdem ein Muskel in 
allen oder einzelnen Theilen thätig ist, und bei gewissen, über mehrere Ge- 
lenke weggehenden Muskeln sogar nach dem Grade der Contraction. 

An dem einzelnen Muskel unterscheidet man den Körper oder 
Bauch, Venter, den Kopf oder Ursprung, Origo!) und den Schwanz, 
Ansatz oder die Insertion?). Welches Ende den Ursprung, welches den 
Ansatz darstelle, bestimmt sich nach der Wirkung, die man dem Muskel zu- 
schreibt: der Ursprung soll dem ruhenden, der Ansatz dem zu bewegenden 
Punkte entsprechen. Hier ist einige Willkür unvermeidlich. Nicht immer 
ist mit der Contraction und Verkürzung der Fasern des Muskels eine Ver- 
rückung seiner Anheftungspunkte bedingt. Die Muskeln eines Gliedes 


1!) Punctum adhaesionis, Insertion fixe. 
2) Punctum insertionis, Insertion mobile. 


ı1* 


Anordnung 


Theile des 
Muskels. 


Formen. 


4 Muskellehre. 


können sich spannen, ohne dass die Lage des letzteren sich irgendwie ver- 
ändert; dann findet die Verkürzung der Muskelfasern auf Kosten einer Deh- 
nung der Sehnenfasern Statt. Bei allen Muskeln, welche ruhend im Bogen 
verlaufen, bewirkt die Contraction vor Allem eine Abflachung des Bogens; 
Muskeln dieser Art können zwischen je zwei unbeweglichen Punkten aus- 
gespannt sein, zunächst zu dem Zwecke, Theile, über welche sie hinziehen, 
zu comprimiren (Zwerchfell, Bauchmuskeln), oder Theile, welche auf ihnen 
ruhen, zu heben (Mylohyoideus). Gehen sie transversal von Einer Seite 
zur anderen über die Mittellinie hinweg, so sind sie in dieser meistens seh- 
nig unterbrochen, und dann gilt die Knochenanheftung jederseits als Ur- 
sprung, der mediane Sehnenstreif, Linea alba, als Insertion. Wie zwischen 
gleich unbeweglichen, so giebt es auch Muskelfasern zwischen gleich be- 
weglichen Punkten, deren jeder also in Folge der Contraction dem anderen 
gleich weit entgegenrückt; derartige Fasern finden sich im Zwerchfell zwi- 
schen den Rändern des Aorten- und des Hohlvenenschlitzes. Meistens 
aber ist die Beweglichkeit beider Anheftungen wirklich ungleich und zwar 
entweder so, dass die Verkürzung absolut nur in der Einen Richtung mög- 
lich ist, wie z. B. bei Muskeln, die vom Knochen in Weichtheile gehen 
(Muskeln der Lippen, Azygos uvulae, Cremaster) oder so, dass der sich 
verkürzende Muskel wenigstens bei dem gewöhnlichsten und natürlichsten 
Gebrauch den Einen Punkt zu dem anderen, ruhenden heranzieht. So be- 
wegen in der Regel die Muskeln zwischen Rumpf und Gliedern die Glieder 
gegen den Rumpf, die zwischen höheren und tieferen Abtheilungen der 
Glieder verlaufenden Muskeln bewegen die tiefere Abtheilung gegen die 
höhere, die Nackenmuskeln den Kopf gegen die Wirbelsäule, die Kiefer- 
muskeln den Kiefer gegen den Schädel. Doch kommen Ausnahmen von 
dieser Regel vor, wie denn z. B. die Beckenmuskeln vielleicht eben so 
häufig zur Bewegung des Beckens auf dem Beine, als umgekehrt benutzt 
werden. Und fast bei jedem an zwei gegeneinander beweglichen Knochen 
befestigten Muskel kann die Zugrichtung sich umkehren, wenn der im Ge- 
wöhnlichen freiere Knochen durch Muskelkräfte oder in anderer Weise 
fixirt wird; so bewegen die Brustmuskeln von den fixirten Armen aus die 
Rippen, die Kiefermuskeln vom aufgeskemmten Unterkiefer aus den Kopf 
1 BEE 6 

Rinsförmig in sich selbst zurücklaufende Muskelbündel, wie‘ man sie 
allgemein in den Sphinkteren zu sehen glaubte, kommen im Gebiete der 
Muskeln des Stammes nicht vor. Der Sphincter ani, welcher wirklich 
kreisförmige Muskeln besitzt, übrigens erst mit den Dammmuskeln in der 
Eingeweidelehre zur Sprache kommen wird, entspricht nicht dem Sphincter 
oris, sondern den Ringfasern der Speiseröhre. 

Was die Formen der Muskeln betrifft, so giebt es sehr zahlreiche Ver- 
schiedenheiten, von welchen indess nur diejenigen eine allgemeinere Be- 
trachtung erfordern, die sich auf das Verhältniss der Muskel- zu den Seh- 
nenfasern beziehen. Es giebt sowohl lange als breite, sowohl platte als 
cylindrische Muskeln, deren Bündel sämmtlich einander parallel liegen und 
sich in gleicher Richtung in die Sehnenbündel fortsetzen; die Sehnen dieser 
Muskeln sind in der Regel dünner, aber nur wenig schmaler, als die Mus- 
kelbäuche. Andere Muskeln zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Bündel 


Muskellehre. 5 


sämmtlich oder theilweise unter Winkeln an die Sehne anstossen. Ist der 
Muskel am Ursprunge breiter als an der Insertion, so convergiren natürlich 
die Muskelbündel gegen die Sehne und setzen sich dann entweder hinter- 
einander oder übereinander an dieselbe an. Ist die Insertion breiter, so 
divergiren sie von der Ursprungssehne aus (Mm. recti cap. post.). Schräge 
Ansätze der Muskel- an die Sehnenfasern finden sich aber auch in Muskeln 
mit paralleler Faserung und namentlich an vielen Muskeln der Extremitä- 
ten. Von einem Röhrenknochen oder von zwei einander benachbarten ent- 
springen reihenweise Fleischfasern, welche einander parallel schräg abwärts 
verlaufen und sich von der Einen oder von zwei Seiten her an eine der 
Längsaxe dieser Knochen parallel verlaufende Sehne befestigen; im letzteren 
Falle giebt der Muskel das Bild eines gefiederten, M.pennatus (Mm. inter- 
ossei), im ersten Falle eines halbgefiederten, semipennatus (die meisten 
Muskeln des Unterschenkels). Die Rolle, die hier der Knochen spielt, kann 
aber auch von einer Sehne übernommen oder vielmehr fortgeführt werden. 
Die Ursprungssehne läuft dann an dem Einen Rande oder der Einen Fläche 
des Muskels eine Strecke weit herab, die Insertionssehne ebenso eine Strecke 
weit hinauf, die Muskelbündel gehen mehr oder minder steil von einer 
Sehne zur anderen und heben die Eine der anderen entgegen. Der 
Muskel macht den Eindruck eines halbgefiederten, wenn die Sehnen an den 
Rändern einander gegenüber liegen, und eines gefiederten, wenn die Sehnen 
sich über die Flächen ausbreiten und die Muskelbündel sich jederseits um 
den Rand des Muskels herum von der Einen Fläche auf die andere begeben. 

Einer eigenthümlichen Verbindung von Convergenz und Fiederung 
der Fasern begegnen wir an einigen platten Muskeln (Deltoideus, Sub- 
scapularis). Vom Ursprunge, wie von der Insertion aus, erstrecken sich 
verticale Sehnenblätter in den Muskel, dergestalt alternirend, dass jedes 
Ursprungsblatt nach zwei Seiten hin Muskelbündel absendet und jedes In- 
sertionsblatt die Bündel von je zwei Ursprungsblättern aufnimmt, zwischen 
welchen es liegt. Indem die Bündel, die am Ursprunge in einer Fläche 
nebeneinander liegen, sich gegen die Insertion übereinander (in eine gegen 
jene Fläche rechtwinklig gestellte Ebene) ordnen, wird der Muskel zu- 
gleich schmaler und dicker. 

Wie sich bei diesen verschiedenen Verbindungsweisen von Muskel und 
Sehne die histologischen Elemente beider zu einander verhalten, dies ist, 
wie der Zusammenhang der Muskel- und Sehnenfasern überhaupt, schwer 
zu ermitteln und zur Zeit noch nicht genügend festgestellt. Es bestehen 
drei Meinungen, die erste, dass die Primitivbündel des Muskels überall 
abgerundet oder zugespitzt zwischen den Bündeln des Sehnengewebes 
enden und von ihnen umfasst werden (Gerber, Valentin), die zweite, 
dass sich überall gleichmässig jedes Muskelbündel in ein Sehnenbündel fort- 
setzt (A. Fick), die dritte, dass beides vorkomme, bei geradlinigem 
Uebergange der Muskel- in die Sehnenfaserung eine direete Fortsetzung, 
bei geneigter Richtung der Muskel- zur Sehnenfaserung eine abgeschlossene En- 
digung der Muskelbündel zwischen den Elementen der Sehne (Kölliker!). 


)) Kölliker, mikroskop. Anat. Bd. I, $S. 217 f.; A. Fick, Müll, Arch. 1856. 
S. 425. 


6 Muskellehre. 


Fragt man nach dem Zweck oder Erfolg dieser Einrichtungen, so muss 
ein Muskelbauch, dessen Fasern schräg in die Sehne eingepflanzt sind, 
zahlreiche, aber kürzere Fasern enthalten, als ein Muskelbauch von gleichem 
Volumen mit gerader Faserung; er muss also an Resistenz und Stärke ge- 
winnen, an Hubhöhe verlieren. Dieser letzgenannte Verlust wird noch 
vergrössert dadurch, dass die Verkürzung der Fasern gefiederter oder halb- 
gefiederter Muskeln nicht ganz der Zugrichtung der Sehne zu Gute kommt. 
Man kann demnach annehmen, dass diese Art Muskeln da angebracht sind, 
wo es mehr auf die Kraft als auf die Exeursion der Bewegung ankommt; 
vielleicht sind sie auch, wo sie, wie der Rectus femoris und Soleus, neben 
gerade in die Sehne übergehenden Muskeln sich finden, hauptsächlich auf 
die Ausdauer in der Contraction berechnet. 

Halbgefiederte Muskeln müssen die Sehne, die sie anziehen, zugleich 
zur Seite bewegen; dieser Uebelstand wird durch die Art der Gelenkver- 
bindung, wenn sie nämlich Bewegungen nur in Einer Ebene gestattet oder 
durch andere mechanische Einrichtungen, Rollen oder Scheiden, in welchen 
die Sehnen gleiten, unschädlich gemacht. 

Die Natur scheint, wie E. H. Weber sagt, die Muskelfasern nicht 
länger gemacht zu haben, als nöthig ist, damit sie fähig sind, sich um ein 
so grosses Stück zusammenzuziehen, als die Bewegung erfordert, die sie 
ausführen sollen; nach dem von E. Weber ermittelten Gesetze wird die 
dazu erforderliche Länge der Muskelfasern näher dadurch bestimmt, dass 
die stärkste, am Lebenden in Anwendung gebrachte Verkürzung des Mus- 
kels sich zu seiner grössten Ausdehnung nahezu wie 1: 2 verhält. Ist der 
Raum zwischen den entlegensten Anheftungspunkten eines Muskels grösser 
als nothwendig, d. h. also, grösser als die doppelte Differenz zwischen dem 
grösstmöglichen Abstande und der grössten Näherung jener beiden Punkte, 
so wird der überschüssige Raum entweder in angegebener Weise zur Ver- 
stärkung des Muskels durch Befiederung der Sehne benutzt, oder er wird 
durch eine relativ lange Sehne ausgefüllt. Durch auffallende Länge der 
Sehnen zeichnen sich daher die nicht eigentlich bewegenden, sondern nur 
spannenden Muskeln, wie der M. palmaris long. und plantaris aus. Für 
die eigentliche Function des Muskels hat die Länge der Sehne keine Be- 
deutung; ebenso bedeutungslos ist es, ob der fleischige Theil eines Muskels 
mehr dem beweglichen Punkte genähert ist, wie beim langen Kopfe des 
M. biceps humeri und beim M. semimembranosus, oder mehr dem fixen Punkte, 
wie beim M. semitendinosus und den meisten Muskeln der Hand und des 
Fusses; dies wird bewiesen durch die so häufige Varietät des M. palmaris 
longus, die in einer Versetzung der Sehne an das obere, des Muskelbauches 
an das untere Ende besteht, so wie auch durch das Vermögen, die Zugs- 
richtung jedes Muskels umzukehren. Wenn dennoch an den Gliedern, wo 
nicht etwa besondere Verhältnisse eine Ausnahme verlangen, die Insertions- 
sehne regelmässig die längere ist, so ist dies aus der Nothwendigkeit zu 
erklären, dass die Extremität gegen das freie Ende eine schlanke Form ge- 
winnen sollte. 

Den einfachen Muskeln gegenüber, deren Fasern gerade, convergi- 
rend oder schräg von dem Einen Anheftungspunkte zum anderen gehen, 
unterscheidet man zusammengesetzte Muskeln in verschiedenem Sinne. 


Muskellehre. 7 


Den einfachen zunächst stehen die gezähnten oder sägeförmigen, 
Mm. serrati oder dentati breite Muskeln mit parallelen Fasern, welche an 
einer Anzahl gleichnamiger Knochen oder Knochenfortsätze des Stammes 
sich befestigen und, diesen Befestigungen entsprechend, in Zacken oder Den- 
tationen zerlegt werden können. Durchflechten sich die Fasern eines Mus- 
kels, der mit mehreren Zacken entspringt und endet, so dass sich die von 
Einer Zacke stammenden Fasern an mehrere Insertionszacken vertheilen, 
so nennt man den Muskel vielspaltig, multifidus. Die vielspaltigen Mus- 
keln kommen ebenfalls nur am Stamme, namentlich an der Wirbelsäule vor. 
Zwischen den gezähnten’und vielspaltigen steht eine Form, die sich nur im 
Inneren der Brustwand findet, Muskeln, deren Ursprungszacken sich je an 
zwei Insertionszacken vertheilen, ohne sich zu verflechten. 

Terrassenförmig, stratiformes, möchte ich eine Art zusammenge- 
setzter Muskel nennen, die man auch den mehrköpfigen zurechnen könnte, 
von welchen sie sich indess dadurch unterscheiden, dass die Köpfe einen 
parallelen Faserverlauf haben. Es sind breite Muskeln, deren Fasern in zwei, 
seltener in drei parallelen oder concentrischen Linien oder Zackenreihen 
entspringen, die zweite Reihe der Insertion näher, von der ersten Reihe ge- 
deckt und an deren dem Skelette zugekehrten Fläche sich verlierend. Häufig 
ist die zweite Reihe auf einige wenige schmale Zacken redueirt und daher 
leicht zu übersehen. In dem lockeren Bindegewebe zwischen beiden Rei- 
hen pflegen Gefässstämme sich zu verbreiten. Der M. pectoralis major und 
minor, obliquus abd. ext., gluteus maximus, obturator ext., iliopsoas bieten 
Beispiele dieser Anordnung. 

Von den mehrköpfigen Muskeln (Mm. bieipites, trieipites etc.) und 
ihrer Beziehung zu den gefiederten war schon oben die Rede. Sie treten, 
je nach der Zahl, dem relativen Volumen und der Form der Köpfe in sehr 
mannigfaltigen Gestalten auf. Die häufigste Art der Verbindnng ist die, 
dass an eine, aus einem cylindrischen oder prismatischen Bauch gerade her- 
vorgehende Sehne sich Muskelfasern fiederförmig anlegen oder, umgekehrt, 
ein eylindrischer Bauch an die Sehne eines gefiederten Muskels herantritt. 
Von den ächt mehrköpfigen Muskeln, deren Bäuche eine Insertionssehne 
gemein haben, sind zu sondern die Muskeln, deren einfacher Bauch an einer 
zweischenkeligen Ursprungssehne haftet (M. anconeus longus, rectus femoris). 

Dieselbe Sonderung ist auch hinsichtlich der mehrschwänzigen 
Muskeln (Mm. bicaudati etc.) zu machen. An die gegen die Insertion sich 
membranförmig ausbreitenden Sehnen schliessen sich mit unmerklichen 
Uebergängen die mehrzipfligen (Flexor digit. pedis longus) an, deren Thei- 
lung sich in dem Muskelbauche nicht vorgebildet findet. Auch die Mus- 
keln verdienen den Namen der mehrschwänzigen nicht, deren Bäuche, bis 
zum Ursprunge trennbar, gemeinschaftlich an Einer Sehne entspringen. 
Und so wären, wie bereits erwähnt, auch die Streck- und Beugemuskeln 
der einzelnen Finger grösstentheils als selbständige Bäuche zu betrachten, 
wenngleich man sie der Bequemlichkeit wegen unter Einem Namen (Flexor 
und Ext. comm.) zusammenfasst. Einige wenige Muskeln bleiben übrig, 
deren Sehne sich noch innerhalb des Bauches theilt oder von deren mehr- 
fachen Sehnen aus sich die Muskelfasern nicht reinlich bis zu ihrem Ur- 
sprunge von einander trennen lassen: dies sind die eigentlich mehrschwän- 


Anheftung. 


8 Muskellehre. 


zigen (Abductor pollicis longus, Ext. dig. pedis longus).. Mit den mehr- 
zipfligen haben sie das gemein, dass ihre Insertionssehnen nicht unabhängig 
von einander wirken können, und ihre Sehnen sind deshalb auch durch 
festeres Bindegewebe untereinander verbunden, als dies bei den scheinbar 
mehrschwänzigen, den Flexoren und Extensoren der Finger, der Fall ist. 
Ist das Fleisch eines Muskels durch Sehnenfasern mehr oder minder 
vollständig unterbrochen, so nennt man ihn zwei- oder mehrbäuchig 
(digastrieus), polygastricus). Es versteht sich, dass man die Sehne, welche 
zwischen die beiden Muskelbäuche eingeschoben ist, auch als Insertions- 
sehne der beiden Bäuche betrachten kann, zumal wenn sie an Theile ange- 
heftet ist, zu deren Bewegung sie bestimmt ist, wie die Zwischensehre des 
M. biventer mandibulae an das Zungenbein, des M. omohyoideus an die 
Bindegewebsscheide der Halsgefässe. Die Längsaxen der beiden Bäuche 
bilden mit einander einen Winkel, der in Folge der Contraetion stumpfer 
wird. In einigen geraden und platten mehrbäuchigen Muskeln entsprechen 
die Zwischensehnen, die man hier Inscriptiones tendineae nennt, ebenfalls 
je zwei zusammengeflossenen Endsehnen, wenn man nämlich annehmen 
darf, dass sie, wie am M. rectus abdominis, sternohyoideus u. A., die Stelle 
von Knochen (Rippen) einnehmen, die nicht zur Entwickelung gelangt 
wären. Andere Zwischensehnen, wie die der tiefen Portion des M. flexor 
dig. sublimis, des M. semispinalis capitis u. A., fügen sich einer solchen 
Deutung nicht. Hier bleibt nur die Erklärung aus dem Zweck übrig, wel- 
cher zunächst kein anderer sein kann, als den Muskel zu befähigen, sich in 
aliquoten Theilen seiner Länge zu contrahiren. Nebenbei kommen die 
Vortheile in Betracht, welche das unveränderliche Volumen der Zwischen- 
sehne bei mehrfacher Uebereinanderlagerung der Muskeln gewährt. So liegt 
z. B. die Zwischensehne des M. omohyoideus gerade an der Stelle, wo die- 
ser Muskel den M. sternocleidomastoideus kreuzt, und sich bei der Contrae- 
tion nicht verdicken könnte, ohne zugleich entweder den Sternoeleidomas- 
toideus zu erheben oder auf die tiefer liegenden Theile einen Druck auszuüben. 
Wie das Skelett die eigentlichen Angriffspunkte für die Zugkräfte der 
grossen Mehrzahl der Muskeln liefert, so bietet es ihnen oder vielmehr ihren 
Sehnen auch im Wesentlichen die Gelegenheiten zur Befestigung dar und 
ist zudem Ende mit Vorsprüngen, Fortsätzen, Rauhigkeiten versehen, welche 
die Knochenlehre beschreibt. Häufig aber ist die Anheftung der Sehne an 
die Knochen noch durch andere fibröse Gebilde vermittelt, oder es dehnt 
sich, namentlich wo die Muskelansätze sich drängen, die Insertion einzelner 
auf die benachbarten Weichtheile aus. Die tiefen, die Gelenke zunächst 
deckenden Muskeln sind nicht nur, so weit sie fleischig sind, durch straffes 
Bindegewebe mit den Gelenkkapseln verbunden, um diese straff und glatt 
zu erhalten, sondern auch durch ihre Sehnen mit den Kapseln verschmol- 
zen, so dass sie ganz oder theilweise aus den Kapselmembranen zu ent- 
springen oder in denselben zu enden scheinen. Es wird dadurch, so oft 
der Muskel in Thätigkeit tritt, die Kapsel von den Gelenkflächen abgezo- 
gen. Wie wichtig diese Einrichtung für das freie Spiel der Gelenke ist, 
wurde schon in der Bänderlehre angedeutet und wird im Folgenden bei 


D) M. biventer. 


Muskellehre. 9 


den betreffenden Muskeln erörtert werden. ° Möglicherweise beruhen die 
Gefahren der Verstauchung, des sogenannten Vertretens u. s. f., zum Theil 
darin, dass bei einer passiven, nicht intendirten Bewegung auch die Muskel- 
thätigkeiten ausbleiben, die die Gelenkkapsel gegen Einklemmung zu sichern 
bestimmt sind. 

Wo an einem Knochenfortsatze oder einer Kante eine Anzahl von Mus- 
keln haftet, werden, je kräftiger die Muskulatur entwickelt ist, in um so 
grösserem Bereiche die Sehnen und selbst die Fascien des Einen zur An- 
heftung der Sehnen- und Fleischfasern des anderen in Anspruch genom- 
men. So entspringen beispielsweise Fasern des M. teres major auf der 
Fascia infraspinata, des M. flexor dig. prof. auf der Sehne des M. brachia- 
lis int., des M. ext. dig. pedis longus und peroneus tertius auf der Fascie 
des M. peroneus longus. Die Sehne des M. pectoralis maj. endet zum Theil 
an der Sehne des M. deltoideus. Ganz gewöhnlich versetzt sich Ursprung 
oder Insertion der Rückenmuskeln von den Fortsätzen der Wirbel auf die 
an denselben haftenden Sehnen, und die kurzen Muskeln der Wirbelsäule 
sieht man zuweilen an den Sehnen der längeren entspringen.und enden. 
Bei dieser Gelegenheit ist auch des eigenthümlichen Verlaufs der Mm. lum- 
bricales der Hand und des Fusses zu gedenken, welche an den Sehnen der 
langen Beugemuskeln entspringen und, nebst den Mm. interossei, in den 
Strecksehnen der Finger enden. 

Viele Muskelbäuche erhalten Zuwachs durch Fasern, welche an der 
inneren Oberfläche der sie bedeckenden Fascie und an den von derselben in 
die Tiefe dringenden Blättern entspringen, so wie auch von den Endsehnen 
der Muskeln häufig Fasern sich abzweigen, um in die Fascie auszustrahlen, 
sie zu spannen und mittelst derselben die Glieder zu bewegen. 

Einige oberflächlich unter der Cutis gelegene platte und dünne Muskeln 
nehmen ihren Ursprung von der äusseren Fläche von Fascien. Sie enden 
an Knochen (M. subcutaneus colli) oder in der Cutis (M. risorius) oder 
wieder in einer Fascie (M. palmaris brevis). 

Vielfach ist im animalischen Muskelsysteme von einer Einrichtung Ge- 
brauch gemacht, wodurch, ohne die Continuität der Faserursprünge oder 
Insertionen zu unterbrechen,’ der Durchtritt von Weichtheilen zwischen dem 
Knochen und dem Muskelansatze ermöglicht wird. Diese Einrichtung be- 
steht darin, dass die längs dem Knochen hinziehenden Weichtheile, Gefässe, 
Nerven, Muskeln oder Sehnen, von fibrösen Bogen (Arcus tendinei) über- 
brückt werden, auf welche der Muskelfaserursprung von dem Knochen sich 
ohne’ Unterbrechung fortsetzt. Der Sehnenbogen ist entweder mit beiden 
Enden an den Knochen befestigt oder er steht an dem Einen Ende mit 
einer Fascie, einer Gelenkkapsel in Zusammenhang. Er ist, wenn er über 
einen Muskel oder vielmehr über dessen Fascie sich hinüberschlägt, fest 
in diese eingewebt, wie z. B. der Sehnenbogen, von welchem die lateralen 
Zacken des Vertebraltheiles des Zwerchfells entspringen, in die Fascie des 
M. psoas und quadrat. lumborum. Hilft der Sehnenbogen aber eine Lücke 
zum Durchtritt von Gefässen, Nerven oder Sehnen begrenzen, so schliesst 
sich an seinen freien Rand eine Lage lockeren Bindegewebes oder selbst 
ein Schleimbeutel an, und es wird dadurch noch der Nebenzweck erreicht, 
dass jede Muskelcontraction den Sehnenbogen von dem Knochen abzieht, 


Fascien. 


“ 


10 Muskellehre. 


die Lücke vergrössert und die in derselben enthaltenen Gebilde freier und 
beweglicher macht. 

Die Sehnenbogen kommen in sehr verschiedenen Grössen vor, klein, 
unbeachtet und in der That keiner besonderen Erwähnung werth, wo sie 
über untergeordnete Gefässzweige hinweggespannt sind, dagegen in dop- 
pelter Hinsicht interessant, wenn sie zum Schutze bedeutenderer Organe 
dienen und zugleich auf die Richtung des Zuges der Muskelfasern von Einfluss 
sind. Ich verweise insbesondere auf die Beschreibungen des Zwerchfells, des 
M. serrot. ant., coracobrachialis, anconeus brevis, radialis ext. brevis, abductor 
pollieis long., psoas, gluteus medius, adductor fem. magnus, dessen Ver- 
hältniss zu den Vasa cruralia bekannt ist, soleus und flexor dig. pedis longus. 

Bei der Beschreibung der Muskeln die Fascien!) zu berücksichtigen, ist 
schon wegen ihres eben erwähnten Zusammenhanges mit den Muskelbäuchen 
und Sehnen unerlässlich. An den Knochenkanten haften in der Regel die 
Fascien zugleich mit den Sehnen der oberflächlichen Muskeln so, dass sie, 
am Ursprunge unzertrennlich verwachsen, erst eine Strecke jenseits dessel- 
ben in zwei Blätter auseinanderweichen. Noch eine andere enge Beziehung 
besteht zwischen Fascien und Muskelsehnen: der Fascie eingewebt oder doch 
fest mit derselben verbunden sind nämlich die meisten der Bänder, Retina- 
cula, welehe die in Knochenrinnen gleitenden Sehnen in ihrer Lage fest- 
halten und jene Rinnen zu Röhren vervollständigen. Die Röhren wirken 
nach dem Prineip von Rollen bestimmend auf den Zug der Muskeln ein; 
die vermittelst der Rolle ausihrer ursprünglichen Richtung abgelenkte Sehne 
verhält sich gegen den Angriffspunkt so, als ob sie an der Rolle entspränge. 
Diese Function der Rolle fällt aber in den fibrös-knöchernen Röhren, in- 
nerhalb welcher die Sehnen eingeschlossen sind, bald der Knochenrinne, 
bald dem Retinaculum zu. So gleiten z. B. die Sehnen der Fingerbeuger 
bei gebeugter Hand über’ das Lig. carpi volare propr., bei überstreckter 
Hand über die volaren Flächen der Handwurzelknochen. Oft werden in 
solchen Rinnen die einzelnen Sehnen durch Fortsätze der Fascie gegen den 
Knochen von einander geschieden. 

Wenn es aber einerseits nöthig ist, die Fascien zur Beschreibung der 
Muskeln heranzuziehen, so knüpft sich andererseits wieder die Darstellung 
der Faseien am natürlichsten an die der Muskeln an, da ja Form und Verlauf 
der Fascien hauptsächlich durch die Muskeln bestimmt wird, zu deren Um- 
hüllung sie dienen. Was von dem atmosphärischen Bindegewebe überhaupt, 
das gilt auch von den Fascien; nähme man die wesentlichen Theile, hier 
also die Muskeln, hinweg, so bliebe ein Fachwerk übrig, dessen Hohlräume 
nur die Abgüsse der wesentlichen Theile sind, und es wäre überflüssig, nach 
den Muskeln auch noch die Blätter dieses Fachwerkes zu schildern, wenn 
sie nicht in Bezug auf ihre Stärke und Dehnbarkeit Verschiedenheiten dar- 
böten, die für die ärztliche Praxis von Werth sind. Dieser Werth beruht 
darauf, dass 1) die Neigung der Körpertheile, durch Exsudate zu schwellen, 
so wie der Druck, den die Exsudate ausüben, durch den Widerstand der 
Fascien bestimmt wird, und 2) F lüssigkeiten und bewegliche fremde Körper, 
welche in die Zwischenräume der Muskeln durch Absonderung, Riss oder 


!) Sehnen- oder Muskelbinden. 


Muskellehre. 11 


direct von aussen eindringen, von den festen Fascien abgewiesen und so zu 
Wanderungen veranlasst werden, die sich also nach den normalen Structur- 
verhältnissen des Körpers voraus bestimmen lassen. 

Nach dem praktischen Bedürfniss ist nun aber auch die Grenze zu 
ziehen zwischen Fascien, die einer ausdrücklichen Benennung und Beschrei- 
bung werth sind, und den atmosphärischen Bindegewebslagen, die sich von 
selbst verstehen und deren Aufzählung nur für denjenigen von Nutzen wäre, 
der ihnen und damit sich selbst einen Namen machte. Die neueren Autoren, 
besonders in Frankreich, sind darin häufig zu weit gegangen. Wir be- 
schränken den Namen Fascien auf die eigentlich sehnigen, durch parallele 
Faserung ausgezeichneten Umhüllungen der Muskeln !). Die Schichte locke- 
ren Bindegewebes, welche die Cutis an die darunter gelegenen Theile mehr 
oder minder verschiebbar heftet, die sogenannte Fascia superficialis, gehört 
nach dieser Definition nicht zu den Fascien; ihre Besonderheiten werden in 
der Eingeweidelehre, im Zusammenhange mit der Cutis beschrieben und 
wenn kein anderes, als dies subeutane Bindegewebe die Oberfläche eines 
Muskels deckt, so ermangelt er der Fascie. 

Die Fascie, welche Gruppen von Muskeln oder die Muskulatur eines 
sanzen Gliedes einhüllt, ist von der die einzelnen Muskelbäuche bedecken- 
den Bindegewebslage, dem Perimysium, durch eine Schichte lockeren Bin- 
degewebes geschieden. Fascie und Muskel lassen sich mit dem Finger oder 
mit stumpfen Werkzeugen von einander trennen. Bei einigen oberfläch- 
lichen Muskeln (Pectoralis maj., Deltoideus, Gluteus max.) fällt die Fascie 
mit dem Perimysium zusammen; sie schickt Fortsätze zwischen die einzel- 
nen Muskelbündel und es bedarf des Skalpells, um sie von der Oberfläche 
des Muskels abzulösen. Von den allgemeinen Fascien der Glieder begeben 
sich zwischen den Muskelgruppen und selbst zwischen einzelnen Muskeln 
Blätter in die Tiefe, die sich mit der Beinhaut verbinden. Dies sind die 
sogenannten Ligg. intermuscularia. Meistens dienen sie, gleich den Fascien, 
Muskelfasern zum Ursprung. 

Der Faserverlauf in den Fascien kreuzt in der Regel unter rechtem 
Winkel den Faserverlauf der Muskeln; er ist daher an den Gliedern mei- 
stens transversal und wo ein am Ursprunge einfaches Sehnenblatt sich im 
weiteren Verlauf in Muskelsehne und Fascie trennt, da sind beide Gebilde 
durch zwei einander rechtwinkelig kreuzende Faserlagen vorgebildet. An 
vielen Stellen erhalten indess die Faseien durch die in dieselben ausstrah- 
lenden Muskelfasern eine Beimischung longitudinaler und schräger Fasern. 
Die stärksten Fascien, die Volar- und Plantarfascie, bestehen in ihrer ganzen 
Ausdehnung aus zwei Faserschichten, einer oberflächlichen, longitudinalen 
und strahlenförmig gegen die Phalangen divergirenden und einer tiefen, 
transversalen. 

Wo Muskeln oder Sehnen über scharfe Kanten und Vorsprünge der 
Knochen verlaufen, sind zur Verminderung der Reibung dünnwandige, mit 
geringen Mengen einer der Synovia ähnlichen Flüssigkeit gefüllte Säcke, 
die Schleimbeutel, Dursae mucosae, unterlegt. Sie sind kuglig oder 
eiförmig; an der Handwurzel und Mittelhand, wo sie die Sehnen eine 


») Die in specie sogenannten Aponeurosen. 


. 


Schleim- 
beutel. 


Schleim- 
scheiden. 


Nerven. 


12 Muskellehre. 


Strecke weit begleiten, haben sie im gefüllten oder aufgeblasenen Zustande 
eine eylindrische Form. Ihre Aussenfläche ist, so weit sie den Knochen 
und die dem Knochen zugekehrte Fläche der Sehne bedecken, untrennbar 
mit dem Bindegewebe der Beinhaut und der Sehne verwachsen, und nur im 
Uebergange vom Knochen zur Sehne sind sie frei ausgespannt. Die an 
Gelenkkapseln angelehnten Schleimbeutel, welche sich, die Einen beständig, 
die anderen ausnahmsweise, in die Kapsel öffnen, wurden unter der Benen- 
nung Synovialbeutel, Dursae synoviales, als Ausstülpungen der Gelenk- 
kapseln bereits in der Bänderlehre beschrieben. Die geschlossenen Schleim- 
beutel haben ganz denselben Bau. 

Von den Schleimbeuteln unterscheiden sich die Schleimscheiden, 
Vaginae mucosae!), welche die durch Röhren verlaufenden Sehnen an ihrer 
Aussenfläche und die Röhren an ihrer Innenfläche überziehen; sie stellen 
zwei ineinander steckende Hohleylinder dar, von welchen der innere mit seiner 
Innenfläche an die Sehne, der äussere mit seiner Aussenfläche an die Kno- 
chenrinne und das zugehörige Retinaculum angewachsen ist, indess sie ein- 
ander die freien Flächen zuwenden und an den, den Endflächen der Cylin- 
der entsprechenden Rändern mit einander zusammenhängen oder, wie man 
sagt, sich von der Rinne und dem Retinaculum auf die Sehne hinüberschla- 
gen. Diese Scheiden enthalten in der Regel nur so viel Flüssigkeit, als 
nöthig ist, um die Oberflächen schlüpfrig zu erhalten. Beständiger, als die 
Schleimbeutel, sind sie mit einem Ueberzuge von einfachem Pflasterepithe- 
lium versehen und die Synovialzotten, die sie tragen, gehören zu den 
feinsten. 

Bei einem längeren Verlauf durch Röhren, z. B. an der Beugeseite der 
Finger und Zehen, wo es nöthig wird, den Sehnen Blutgefässe zuzuführen, 
geschieht dies durch Vermittelung platter oder cylindrischer Bindegewebs- 
stränge, der sogenannten Vincula tendinum, welche sich von der Innenfläche 
der Röhre, und zwar von der Knochenrinne, zur Sehne erstrecken. 

Die Ausbreitung der Gefässe und Nerven in den Muskeln zu schildern, 
ist Sache der Gewebelehre und den Verlauf der Gefäss- und Nervenstämme 
bis zum Eintritt in den Muskel zu verfolgen, sollte eigentlich der Gefäss- und 
Nervenlehre vorbehalten bleiben. Da indess die Frage, von welchem Ner- 
ven und an welcher Stelle der besondere Muskel seine Zweige erhalte, in 
praktischen Fällen nicht minder häufig Beantwortung verlangt, als die Frage, 
wohin der besondere Nervenstamm seine Zweige sende: so habe ich, so 
weit es interessant schien, bei jedem Muskel die Bezugsquelle seiner Ner- 
ven und deren Eintrittsstelle angegeben. Interessant schien dies besonders 
bei den Muskeln der Extremitäten, weil die platten Muskeln des Stammes 
in ziemlich gleicher Weise von dem Nervenstamme der Wirbelgegend oder 
des Intercostalraumes versorgt werden, dem sie angehören, und daher auch 
so viele Nervenzweige erhalten, als sie Intercostalräume durchmessen. Den 
Muskelbäuchen der Glieder führt in der Regel nur Ein Zweig Nervenfa- 
sern zu, den man hier, wo die Vergleichung leicht ist, im Verhältniss zu 
der Muskelmasse, die er beherrscht, auffallend fein finden wird. Er tritt, 
jedoch nicht ohne Ausnahme, in der oberen, d. h. dem Stamme näheren 


!) Sehnenscheiden, Vaginae tendinum, 


Muskellehre. 13 


Hälfte des Muskels und auf der dem Knochen zugekehrten Fläche ein. 
Oefters geht, wie dies vom N. accessorius, eutaneus humeri ext. u. A. be- 
kannt ist, zwischen den Bündeln Eines Muskels der einem zweiten bestimmte 
Nervenzweig hindurch. 


Herkömmlicher Weise fügen die anatomischen Handbücher jedesmal 
der Beschreibung des einzelnen Muskels eine Angabe über seine Wirkung 
bei. In der That scheinen die Schlussfolgerungen aus der Betrachtung 
der Anheftungspunkte und der Richtung der Muskelfasern auf die Leistun- 
gen der letzteren so nahe zu liegen, dass man gleichsam Anstand genom- 
men hat, die physiologische Forschung deshalb erst noch besonders zu be- 
mühen. Auch ist die Methode der Untersuchung zum Theil eine anato- 
mische, so dass das Resultat sich bei der Präparation des Muskels von 
selbst darbietet. Dennoch halte ich jene kurzen Notizen über die Function, 
wie sie gewöhnlich gegeben werden, nicht für zweckmässig. Für die ein- 
fachen, klaren Fälle, für welche sie hinreichen würden, sind sie entbehrlich. 
Denn dass ein Muskel, der vom Stamm zum Oberarm geht, den Arm an 
den Stamm oder, bei befestigtem Arm, den Stamm an den Arm heranzieht, 
braucht, wenn die Muskelwirkung im Allgemeinen erörtert ist, nicht speciell 
hervorgehoben zu werden. Bei anderen und zwar bei vielen Muskeln 
liest, wie schon die darüber bestehenden Controversen bezeugen, die Func- 
tion nicht so auf flacher Hand, und dann ist es auch unthunlich, sie mit ein 
paar Worten zu erledigen. Es genügt nicht, den Ursprung und die Inser- 
tion des Muskels zu berücksichtigen oder mittelst des frei präparirten Mus- 
kels eine Zerrung auszuüben; denn die Art, wie ein Muskel innerhalb seiner 
Fascie eingeschlossen ist, hat wesentlichen Einfluss auf die Richtung seines 
Zuges. Sicherere Anhaltspunkte lassen sich gewinnen, wenn man die Stel- 
lungen der Glieder ermittelt, bei welchen der fragliche Muskel abwechselnd 
sich spannt und erschlafft; dieselbe Stellung, bei welcher er im Tode er- 
schlafft, wird im Leben die Folge seiner Contraction sein. Manche Auf- 
schlüsse über die Wirkung einzelner Muskeln giebt an Leichen die Unter- 
suchung während der Todtenstarre und die Durchschneidung der starren 
Muskeln, wonach Bewegungen der Glieder ausführbar werden, welche der 
contrahirte Muskel verhindert hatte, sodann am Lebenden die Beobachtung 
der Lähmungen und Contracturen, der Schwellungen und Spannungen der 
Muskeln bei angestrengten willkürlichen Bewegungen, die Prüfung mittelst 
localer Anwendung des Galvanismus nach Duchenne’s Vorgang. Aber 
schliesslich lehrt uns Alles dies nur die möglichen Functionen der Mus- 
keln kennen, und giebt keine Gewähr, dass der Organismus von diesen 
Möglichkeiten Gebrauch mache, so lange nicht auch die Combinationen, in 
welchen die Muskeln wirken, in Betracht gezogen werden. Es giebt Mus- 
keln, von welchen wir einzelne Fasern bewegen lernen, und andere, die 
vielleicht nie anders als in Gruppen thätig sind. Diese angeborne Coor- 
dination der Muskeln erklärt, warum mitunter für denselben Zweck zwei 
verschiedene Muskeln bestellt sind, wie-z. B. je zwei Spanner der Beuge- 
seite der Knie- und Ellenbogengelenkkapsel, von denen der Eine (M. bra- 
chialis, semimembranosus) mit den Muskeln des Oberarms und Oberschen- 


Wirkung. 


Bedeutung. 


14 Muskellehre. 


kels, der andere (M. radialis.ext. br., popliteus) mit den Muskeln des Un- 
terarmes und Unterschenkels in Contraetion geräth. Ueberhaupt wird man 
bei der Theorie der Muskelbewegungen am besten den Weg einschlagen, 
der sich auch in anderen physiologischen Fragen bewährt; von den that- 
sächlichen Bewegungen aus wird man zur Untersuchung der Mittel, durch 
welche sie zu Stande kommen, fortschreiten. In dieser Weise fangen 
auch die neueren Handbücher der Plıysiologie an, sich des Stoffes zu be- 
mächtigen, und so werden die anatomischen Handbücher, wenn sie weder 
Selbstverständliches breit wiederholen, noch Zweifelhaftes kurz abmachen 
wollen, die Rubrik „Wirkung“ in der Muskellehre am besten ganz auf- 
geben. 

Ich wollte die Trennung der physiologischen Seite der Muskellehre 
von der anatomischen prineipiell rechtfertigen, damit sich danach die An- 
sprüche bemessen, die an ein anatomisches Werk zu machen sind; diese 
Trennung streng durchzuführen, liegt aber nicht in meiner Absicht. Eine 
sorgfältigere Zergliederung der Muskeln liefert ungesucht Winke über deren 
Thätigkeit, die dem Physiologen zu Statten kommen; was sich an derartigem 
Material ergab, habe ich in Anmerkungen beigefügt. Auf der anderen 
Seite darf man auch die Vortheile nicht verschmähen, welche bei dem Stu- 
dium der Muskeln die Rücksicht auf den Zweck, dem sie dienen, gewährt. 
Die Einrichtung der Gelenke sagt uns voraus, wie die Muskeln, um die 
möglichen Bewegungen auszuführen, angeordnet sein können und müssen ; 
das Vertrauen auf die Zweckmässigkeit unserer mechanischen Apparate 
spornt zu weiteren Forschungen an, so lange die Resultate der vorhandenen 
keinen vernünftigen Sinn geben. 

Indessen ist der teleologische Gesichtspunkt oder der Nutzen nicht das 
Einzige, was den Formen der Muskeln Bedeutung giebt; sie werden auch 
durch die genetische Betrachtung erklärt, welche den verwickelten Apparat 
des menschlichen Muskelsystems von den einfacheren Entwickelungsstufen 
ableitet, die sich im Embryo oder bei niederen Thieren finden. Eine solche 
vergleichende Myologie steht, wie von selbst einleuchtet, mit der verglei- 
chenden Osteologie im engsten Verbande und setzt die letztere voraus. Im 
Allgemeinen sind zwei Beziehungen hervorzuheben, in welchen sich die Ab- 
hängigkeit der Entwickelung der Muskeln von der des Skelettes zeigt. 

1) Die Eine wurde’ schon in der Bänderlehre erwähnt; sie betrifft 
das Verhältniss der muskulösen Stränge zu den fibrösen und lässt sich so 
aussprechen: Stränge, welche der ursprünglichen Anlage nach muskulös 
sind, werden fibrös, wenn die Knochen, zwischen welchen sie verlaufen, 
ihre Beweglichkeit verlieren, und so treten analoge Faserzüge hier als Haft- 
bänder, dort als Muskeln auf, je nachdem die Skeletttheile, die sie verbin- 
den, fest oder beweglich zusammenhängen. Als Beispiele führe ich die 
kurzen Muskeln der Hals- und Bauchwirbel und die ihnen entsprechenden 
Bänder der Brustwirbel an. Auch die Faserausbreitung zwischen der Spina 
ischiadica und dem unteren Ende der Wirbelsäule erscheint, je nach der 
Beweglichkeit der Beckenstücke, bald als Band (Lig. sacrospinosum), bald 
als Muskel (M. coceygeus). Bänderl. S. 116. 

2) Muskeln, welche sich von entgegengesetzten Richtungen an einem 
Knochen ansetzen, fliessen ineinander, wenn dieser Knochen schwindet; um- 


Muskellehre. 15 


gekehrt zerfallen einfache Muskeln in zwei und mehr, wenn sie auf ihrem 
Wege Gelegenheit zur Anheftung an Knochen finden; sie werden durch denein- 
geschobenen Skeletttheil unterbrochen und sie machen gleichsam an demselben 
Station, bevor sie sich weiter fortsetzen. Der gerade Muskel der vorderen 
Rumpfwand, der sich beiden niederen Reptilien vom Becken zum Unterkiefer 
erstreckt, zerfällt, wie Thorax und Zungenbein hinzutreten, in Reetus abdo- 
minis, Sternohyoideus und vorderen Bauch des Biventer mandibulae. Aus den 
schiefen Bauchmuskeln werden an dem Theile des Rumpfes, welcher ent- 
wickelte Rippen trägt, die Intercostalmuskeln; die Muskeln, welche kreis- 
förmig den obersten Theil des Schlundes umgeben, scheiden sich durch Da- 
zwischenkunft des Kiefers in Bucceinator und Constrictor pharyngis; ein dem 
Latissimus analoger Muskel zerlegt sich an der unteren Spitze des Schulter- 
blattes in Rhomboideus und Teres maj. Die Richtigkeit dieser Auffassung 
erweist sich dadurch, dass von manchen dieser Muskeln constant einzelne 
Bündel an dem Knochen, der die Unterbrechung bewirkt, ununterbrochen 
vorübergehen. So entspringen mit dem M. sternothyreoideus Fasern, welche 
an dessen lateralem Rande bis zum Zungenbeine verlaufen, wo sie sich mit 
dem M. thyreohyoideus inseriren; so giebt der M. subcutaneus colli an 
seinen beiden Rändern Fasern zum Mundwinkel und zur Unterlippe, wäh- 
rend sein breiter mittlerer Theil am Unterkiefer endet, um sogleich neu 
von demselben zu entspringen und als M. quadratus menti zur Unterlippe 
zu verlaufen. 

Mit dieser Vervielfältigung der Muskeln durch Zerlegung ist öfters 
noch eine Vervielfältigung durch Schichtung verbunden. Während eine 
Faserlage an den Knochen, über welche sie hinzieht, sich unterbricht; setzt 
eine andere über die intermediären Anheftungsstellen hinweg. Natürlich ist 
diese letztere Lage, welche entlegenere Punkte verbindet, die oberfläch- 
lichere; doch kommen Ausnahmen vor, wo die Sehnen eines tieferen Mus- 
kels durch Lücken der Sehnen eines oberflächlicheren setzen, um jenseits 
der Insertionen der oberflächlichen sich anzuheften (Finger- und Zehen- 
beuger), oder wo die oberflächlichen Muskeln nach zwei Seiten auseinander- 
weichen, um die tieferen durchzulassen. 

Auf jenes Prineip kann man namentlich die Muskulatur der Extremi- 
täten zurückführen, deren dem Rumpfe nächstes Glied an der Beuge-, wie 
an der Streckseite zwei Schichten enthält, eine oberflächliche, über zwei 
Gelenke (Schulter- und Ellenbogengelenk, Hüft- und Kniegelenk) sich 
fortsetzende, und eine tiefere, welche in zwei Absätzen, vom Gürtel zum 
Arm- oder Schenkelbeine und wieder von diesem über das Ellenbogen- oder 
Kniegelenk zum Unterarm und Unterschenkel geht. Auch bezüglich der 
Function sehen wir in dem zweigelenkigen Muskel der oberflächlichen 
Schicht ein Aequivalent der beiden Muskeln oder Muskelgruppen der. tie- 
feren Schichte. -Der zweigelenkige Muskel wird im Anfang seiner Contrac- 
tion von dem oberen der entsprechenden eingelenkigen Muskeln un- 
terstützt. 


A. Muskeln 
des 
Stammes. 


16 Muskeln des Stammes. 


A. Muskeln des Stammes. 


Die eigentlichen Muskeln des Stammes, in den Wänden des Doppel- 
rohres gelegen, welches die Centralorgane des Nervensystems und die Ein- 
geweide umschliesst, können zunächst keinen anderen Zweck haben, als 
Form und Caliber des Rohres zu ändern. Bedingung ihrer Wirksamkeit 
ist, dass das Volumen des Inhaltes des Rohres veränderlich, oder dass der 
Inhalt weich und verschiebbar sei. Ist er von veränderlichem Volumen, 
so kann durch eine gleichzeitige Verkürzung aller Muskelfasern der Raum- 
inhalt des Rohres vermindert werden. Ist der Inhalt nur verschiebbar, so 
sind nur partielle Contractionen möglich, die active Verengung an Einer 
Stelle ist zugleich Ursache einer passiven Erweiterung an einer anderen. 

Das Volumen des Inhaltes kann in doppelter Weise sich verringern, 
indem es entweder vermöge seiner Elasticität zusammengedrückt oder durch 
Oeffnungen der Röhre theilweise ausgetrieben wird. Im vegetativen Rohre 
der höheren Wirbelthiere bestehen beide Möglichkeiten nebeneinander: 
jede Verengung der Brust- und Bauchhöhle dient, insofern nicht die natür- 
lichen Oeffnungen Widerstand leisten, zugleich zur Entleerung der Höhlen 
und zur Compression der in denselben beständig enthaltenen elastisch-füs- 
sigen Stoffe. Von der zur Austreibung des Inhaltes der Höhlen verwend- 
baren Muskelkraft geht regelmässig ein Theil durch die Compression der 
in der Lunge und im Darm enthaltenen Luft verloren. Ausserdem findet 
noch, bei ungleichmässiger Zusammenziehung der Wände, ein Verlust an 
Kraft dadurch Statt, dass die schlafferen Theile der Wand dem Andrange 
des Inhalts nachgeben. 

Die einfachste Anordnung der Muskulatur zur Verengung eines Schlau- 
ches, wie sie sich in der Leibeshülle niederer Gliederthiere und in den con- 
tractilen Canälen der höheren Thiere findet, ist die in zwei einander recht- 
winklig kreuzenden Schichten, einer longitudinalen und einer transversalen 
oder ringförmigen. Fast allgemein liegt, wo diese beiden Schichten in 
ihrer Einfachheit bestehen, die longitudinale an der äusseren Seite der 
transversalen. Dass die longitudinalen Fasern zur Verkürzung, die kreis- 
föormigen zur Verengung des Rohres dienen, braucht nicht gesagt zu wer- 
den; partielle, auf einzelne Bündel der Schichten beschränkte Zusammen- 
ziehungen bewirken von Seiten der kreisförmigen Fasern Einschnürungen 
des Rohres, von Seiten der longitudinalen Fasern Einknickungen oder Beu- 
gungen nach der zusammengezogenen Seite. 

Mit dem Auftreten des Skelettes modifieirt sich die Wirkung und com- 
plieirt sich der Bau der Muskeln des Stammes. Jede der beiden ursprüng- 
lichen Hauptschichten zerfällt in eine Anzahl von untergeordneten Schichten, 
welche zum Theil die äussere, zum Theil die innere Fläche des knöchernen 
Gerüstes einnehmen. Von den untergeordneten Schichten zerlegt sich die 
eine und andere wieder je nach der Zahl beweglicher Ringe, in die das 
Rohr zerfällt, in mehr oder minder selbständige und, gleich den Wirbeln 
und Rippen, über einander gereihte Muskeln. Die Unterabtheilungen einer 
Hauptschichte nehmen schräge, je einander kreuzende Richtungen an; so 


Muskeln des Stammes. 17 


werden einzelne Muskeln der Einen und anderen Hauptgruppe in Bezug 
auf den Faserverlauf einander ähnlich und unterstützen einander in ihren 
Bewegungen. 

Wenn an der Berührungsstelle des vegetativen und animalischen Rohres 
eine starre Axe, die Säule der Wirbelkörper, sich entwickelt, so verlieren 
die longitudinalen Faserzüge die Fähigkeit, den Stamm zu verkürzen, und 
es bleibt ihnen nur die Function, denselben nach verschiedenen Richtungen 
zu beugen. Sie lassen alsdann die seitlichen Wände des Rumpfes frei und 
redueiren sich auf eine vordere und hintere, bandartige oder prismatische 
Masse, deren jede aus zwei symmetrischen Hälften besteht. Die symme- 
trischen Hälften der vorderen longitudinalen Masse scheidet an Bauch und 
Hals (im Bereiche des Brustkorbs fehlen sie) ein schmaler Sehnenstreif, 
eine Linea alba; die symmetrischen Hälften der hinteren longitudinalen Masse 
liegen zum grössten Theile in den Furchen zu beiden Seiten der Wirbel- 
dornen und reichen bei den höheren Wirbelthieren lateralwärts nicht 
weiter, als bis zu den Winkeln der Rippen. Nur eine verhältnissmässig 
geringe Zahl von Muskeln nimmt, in gleichfalls symmetrischer Anordnung, 
die vordere Fläche der Wirbelkörper und Querfortsätze ein. Bezüglich 
ihrer Wirkung gleichen diese den in der vorderen Rumpfwand gelegenen 
longitudinalen Muskeln; sie beugen den Stamm vorwärts, während die an der 
Rückseite der Wirbelsäule gelegenen Muskeln ihn rückwärts beugen (strecken). 

Was die kreisförmigen Fasern betrifit, so bietet ihnen das animalische 
Rohr, dessen Inhalt unveränderlich ist, dessen Wände entweder vollkommen 
knöchern oder aus alternirenden knöchernen und häutigen Ringen gebildet 
sind, keine Gelegenheit zur Thätigkeit; daher wird ihr Zusammenhang in 
der hinteren Mittellinie vollständig unterbrochen: sie zerfallen in zwei sym- 
metrische Platten, welche jederseits neben der Wirbelsäule oder an der- 
selben beginnen und, wo sie am vollkommensten ausgebildet sind, in der 
vorderen Mittellinie mittelst ihrer Sehnen zusammenstossen. Diesen voll- 
kommensten Grad der Ausbildung erreichen sie am Bauche; jede Platte 
besteht aus drei Schichten, einer äusseren, medianwärts absteigenden, einer 
mittleren, medianwärts aufsteigenden und einer innersten, eigentlich trans- 
versalen. Am Brustkorbe sind die beiden Platten auch in der vorderen 
Mittellinie durch das Brustbein getrennt; die innerste Schichte erstreckt 
sich vom Brustbeine seitwärts in der Regel nicht über die Rippenknorpel 
hinaus, sie fehlt an der Seitenwand und erscheint erst wieder an der hinte- 
ren Wand neben der Wirbelsäule; die äussere und mittlere Schichte theilt 
sich jederseits in so viele Muskeln, als es Intereostalräume giebt. Am 
Halse kommen Muskeln vor, die Scaleni, welche durch ihren Zusammen- 
hang mit den Rippen und den rippenartigen Querfortsätzen der Halswirbel, 
so wie durch ihre Schichtung, in dreifacher Lage hintereinander, an die 
kreisförmige Muskulatur der Brust- und Bauchwand erinnern; die Richtung 
ihrer Fasern, welche eine ziemlich gleichmässig lateralwärts absteigende ist, 
weicht allerdings von derFaserrichtung der Muskulatur der Bauchwand bedeu- 
tend ab; von den longitudinalen Muskeln der vorderen Region des Halses 
sind sie durch ansehnliche Zwischenräume geschieden. 

Ich habe erwähnt, dass in Wänden, welche von longitudinalen und 
ringförmigen Muskelzügen gebildet werden, die ersteren in der Regel die 

Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 3. 2 


18 Muskeln des Stammes. 


äussere, die letzteren die innere Schichte einnehmen. So ist auch das Ver- 
hältniss beider Muskelzügen, so weit sie einander decken, am Stamme der 
Wirbelthiere. Doch kann dies dadurch verhüllt werden, dass von der 
transversalen Muskelplatte ein Sehnen- oder Fascienblatt entspringt und 
sich über die Aussenfläche der longitudinalen Muskeln hinüberlegt. Der 
vordere longitudinale Bauchmuskel (M. rectus abdom.) wird so von einer 
fibrösen Scheide umschlossen, deren äusseres Blatt die Sehne der äussersten 
Schichte der transversalen Muskelmasse (des M. oblig. abd. ext.) zu sein 
scheint. Die longitudinalen Muskeln an der hinteren Fläche der Wirbel- 
säule bedeckt eine Fascie, welche theilweise der mittleren Schichte der 
transversalen Muskeln (dem M. obl. abd. int.) zum Ursprunge dient. Mus- 
keln, welche, wie die Serrati post., über die longitudinalen Muskeln hin- 
weg, in wesentlich transversaler Richtung, von Dornfortsätzen zu Rippen 
verlaufen, sind als höher entwickelte, d.h. contractil gewordene Theile dieser 
Fascie zu betrachten. 

Um zu der eigentlichen Muskulatur des Stammes zu gelangen, muss 
man eine Anzahl oberflächlicher Muskeln ablösen, welche von der Wirbel- 
säule, dem Brustbeine und den Rippen an die Extremitäten und deren Gür- 
tel gehen. Sie verstärken, besonders am Brusttheile des Rumpfes, die Lage 
der transversalen Muskeln und sollen sich denselben, wenn die Extremitäten 
festgestellt werden, zur Bewegung der Rippen associiren. So gehören sie 
vielleicht nicht einmal functionell ausschliesslich den Extremitäten an. Nach 
den in der Einleitung ausgesprochenen Grundsätzen handle ich sie mit den 
Muskeln des Stammes ab. Für den vorliegenden Fall rechtfertigt sich dies 
um so mehr, da, wie sich zeigen wird, auch eigentliche Muskeln des Stam- 
mes sich mit ihren Ursprüngen auf den Extremitätengürtel versetzen (die 
vorderen Halsmuskeln auf das Sternalende des Schlüsselbeines, der M. 
sacrospinalis auf das Darmbein). 

Da die Bogen des animalischen Rohres, entsprechend der Gleichmäs- 
sigkeit seines Inhaltes, sich gleichförmiger verhalten, als die Bogen des ve- 
getativen Rohres mit seinen mannigfaltigen Eingeweiden, so sind auch die 
Muskeln längs des Rückens gleichförmiger als an der vorderen und seit- 
lichen Rumpfwand und es erweist sich zweckmässig, die Muskeln der 
Rückengegend im Zusammenhange zu beschreiben, dagegen die Muskeln 
der vorderen und Seitenwand des Stammes je nach den Regionen zu tren- 
nen in Bauch-, Brust- und Halsmuskeln. Unter Rückenmuskeln ver- 
stehen wir aber, dem allgemeinen Brauche gemäss, nur die an der Rück- 
seite der Wirbelsäule befindlichen; die Vorderfläche der Hals- und oberen 
Brustwirbel bedecken Muskeln, die sich bequemer an die Halsmuskeln an- 
reihen; von der Vorderfläche der oberen Bauchwirbel entspringt das 
Zwerchfell, ein die Rumpfhöhle horizontal durchsetzender Muskel, der 
die Brust- und Bauchhöhle von einander scheidet und bei den Bauchmus- 
keln seine Stelle finde. Die Muskeln, welche von der Vorderfläche der 
Bauch-, Kreuz- und Steisswirbel theils ab-, theils lateralwärts zum Gürtel 
und oberen Ende der unteren Extremität verlaufen, lassen sich von den am 
Becken entspringenden Muskeln der unteren Extremität nicht trennen. 

Am Kopfe und an der unteren Beckenwand macht der Durchbruch 
der vegetativen Organe eigenthümliche Muskeleinrichtungen nothwendig; 


Riickenmuskeln. 19 


man stellt die Muskeln am oberen Ausgange des vegetativen Rohres mit 
den oberflächlich gelegenen Muskeln der Sinnesorgane und denen der Haut 
des Schädels unter dem Namen Kopfmuskeln zusammen. Die Muskeln 
der Dammgegend können, da die Beschreibung der äusseren Genitalien 
vorausgehen muss, erst in der Eingeweidelehre dargestellt werden. 


I. Rückenmuskeln. 


Die Rückenmuskeln verbinden Knochen der Wirbelsäule unter sich, 
mit dem Schädel, mit Rippen und mit Knochen der oberen Extremität. Am 
Schädel ist es die Nackenfläche des Hinterhauptbeines (Knochenl. $. 74) 
und die Gegend des Warzenfortsatzes, welche von den Insertionen der 
Muskeln eingenommen wird, und zwar ist bezüglich der Muskelansätze die 
Hinterhauptsschuppe geradezu einem Dornfortsatz, der Warzenfortsatz und 
die Umgegend einem Querfortsatze gleich zu achten. 

Im Verhältniss zum Stamme sind die Extremitäten, im Verhältniss 
zur Wirbelsäule sind die Rippen der beweglichere Theil. Darnach setzen 
wir also den Ursprung der Muskeln, die zwischen Stamm und Extremitäten 
verlaufen, auf den Stamm, den Ursprung der zwischen Wirbelsäule und 
Rippen verlaufenden Muskeln auf die Wirbelsäule. Für die Muskeln, wel- 
che einzelne Abtheilungen der Wirbelsäule (den Schädel eingeschlossen) 
gegen einander bewegen, darf man, da die Wirbelsäule im Allgemeinen 
und besonders in aufrechter Stellung von unten nach oben an Beweglich- 
keit zunimmt, je die abwärts gelegenen Anheftungen als Ursprünge, die 
aufwärts gelegenen als Insertionen betrachten und demnach alle longitudi- 
nalen Rückenmuskeln aufsteigende nennen. Dies gilt auch für diejenigen 
Muskeln der Wirbelsäule, welche, so weit sie sich am Brustkorbe hinauf er- 
strecken, mit Rippen in Verbindung treten. 

Die Masse der Rückenmuskeln reicht unten bis an den vierten Kreuz- 
wirbel, oben bis zur oberen Nackenlinie des Hinterhauptbeines; median- 
wärts grenzt sie an die entsprechende Muskelmasse der anderen Körper- 
hälfte und ist von ihr längs den Kreuz-, Bauch- und Rückenwirbeln durch 
die Wirbeldornen und die Ligg. interspinalia, längs den Halswirbeln bis 
zum Schädel, durch das Lig. nuchae getrennt. Bis zum siebenten Hals- 
wirbel hinauf begrenzen die symmetrischen Muskelmassen eine mediane 
Furche, in deren Grund die Spitzen der Wirbeldornen leicht sichtbar und 
oft selbst für das Auge unterscheidbar sind; im Nacken verflacht sich diese 
Grube und gegen die Protuberantia oceip. ext. verbreitert sie sich; die 
Dornen sind nur bei tiefem Drucke zu fühlen, und die Muskeln lassen sich 
über die Mittellinie hinaus von Einer Seite zur anderen verschieben. La- 
teralwärts ist die Grenze der Musculatur des Rückens am wenigsten scharf. 

Eine Anzahl oberflächlicher Lagen, deren Fasern sämmtlich von Wirbel- 
dornen oder den Dornen analogen Theilen an Hals und Schädel entsprin- 
gen und im Ganzen lateralwärts gerichtet sind, endet staffelförmig, die 
äusserste Lage (M. cucullaris) an dem knöchernen Gürtel der oberen Ex- 
tremität, die nächst tiefere (Mm. rhomboidei, teres maj., latissimus) an der 
Basis des Schulterblattes und am Armbein, die dritte (Mm. serrati postiei) an 

9* 


I. Rücken- 
muskeln. 


20 Rickenmuskeln. 


den Rippen. Es folgt eine vierte Schichte (Mm. splenii), welche den Ueber- 


Fascia lum- 
bodorsalis. 


gang zu den eigentlich longitudinalen Muskeln bildet, auf die Nackenge- 
gend beschränkt, ebenfalls von Dornen entspringend und zu Querfortsätzen 
der oberen Halswirbel und des Schädels steil aufsteigend. 

Die tiefen, eigentlich longitudinalen Muskeln des Rückens füllen am 
Beckentheile der Wirbelsäule den Raum zwischen den Dornen des Kreuz- 
beines und der Tuberosität des Darmbeines; an den Bauch- und Halswirbeln 
decken sie die Querfortsätze bis zu deren Spitzen, am Brustkorbe reichen 
sie seitlich bis zu den Winkeln der Rippen, am Schädel bis zum Warzen- 
fortsatze. Wir theilen sie zunächst ein in lange oder zusammengesetzte 
und kurze oder einfache Muskeln. Kurze Muskeln verlaufen von Wirbel zu 
Wirbel meist zwischen gleichnamigen Fortsätzen und von Querfortsätzen ab- 
wärts zur nächsten oder zweitnächsten Rippe; sie liegen zum Theil neben 
dem Rande der langen Muskeln, zum Theil bedeckt von denselben. Die 
langen Muskeln sind gleichsam aus vielen kurzen zusammengeflossen: der 
fleischige Theil derselben nimmt zahlreiche Ursprungssehnen auf und giebt 
nach der anderen Seite ebenso zahlreiche Insertionen ab; nur in grösseren 
Zwischenräumen deuten tiefere Einschnitte zwischen den Fascikeln eine 
Trennung des Muskels in Abtheilungen an, die den Regionen der Wirbel- 
säule entsprechen. E 

Solcher zusammengesetzter Muskeln giebt es drei, die in der Lenden- 
gegend einander theilweise decken, nach oben aber sich fächerförmig ent- 
falten und mehr nebeneinander zu liegen kommen. Der mittelste und 
stärkste (M. transverso-spinalis) füllt den Raum zwischen den Wirbeltubero- 
sitäten (Knochenl. S. 30) und den Dornen; er besteht aus mehreren Schich- 
ten, deren Fasern, je oberflächlicher sie liegen, um so steiler und über eine 
um so grössere Zahl von Wirbeln hinweg medianwärts aufsteigen. An 
seinem medialen Rande verläuft, von Dornen zu Dornen, der M. spinalis; 
lateralwärts neben dem M. transversö -spinalis findet sich der M. sacro- 
spinalis, welcher, einfach am Kreuzbein und Darmbeinrande entspringend, 
sich in der Gegend der untersten Rippe in zwei nebeneinander gelegene 
Portionen (M. iliocostalis und longissimus) theilt. 

Kein Muskel der oberflächlichen lateralwärts gerichteten Schichten 
hat eine eigentliche Fascie; sie sind gegen die Cutis und unter einander 
nur durch lockeres Bindegewebe abgesetzt, welches am reichlichsten, von 
Aesten der Vasa dorsalia scapulae durchzogen, zwischen der zweiten und 
dritten Schichte angehäuft ist. Die longitudinale Muskelmasse dagegen ist 
von einer ansehnlichen, straffen Fascie, F'ascia lumbodorsalis, bedeckt, 
welche die Knochenrinne, in der die Muskeln eingebettet liegen, förmlich 
zum Rohre schliesst und erst in der Gegend des oberen Randes des Brust- 
korbes sich verliert. Dem oben erwähnten Gesetze zufolge ist der Verlauf 
der Fasern in dieser Fascie im Allgemeinen transversal, die Richtung der 
von ihr umhüllten Muskelfasern kreuzend. Sie gehen von den Spitzen 
der Dornen und von den hinteren Rändern der Ligg. interspinalia aus, 
unter dem Lig. supraspinale hervor (Bänderl. S. 36); von den Dornen des 
Kreuzbeines treten sie zum hinteren Rande des Hüftbeines und verlieren 
sich zum Theil in die verticalen Bündel des Lig. saerotuberosum (Fig. 1, 
st); von den Bauchwirbeldornen aus inseriren sie sich in das Lig. lumbo- 


Rückenmuskeln. 21 


eostale, jenseits der Spitzen der Querfortsätze (Fig. 2); von den Brustwir- 
beln verlaufen sie zu den Winkeln und unteren Rändern der Rippen. Am 
Fig. 1. 


+ 


Hintere Beckenwand, von hinten. Mm. gluteus Horizontalschnitt der Bauchwind durch 
max. (Gm) und med. an den Ursprüngen abge- den Körper des dritten Bauchwirbels. 
schnitten. G@mi Ursprung des M. gluteus mini- 7e Lig. lumbocostale. /p M. iliopsoas. 
mus an der Ineisura ischiad. maj. Oi M. obtu- IM. quadr. lumb. ZqaM. latissi- 
rator int. von seiner Fascie bedeckt. Oi’ derselbe, mus dorsi. Oae, Oai Mm. oblig. abd. 
beim Austritt aus der Ineisura ischiad. min. durch- ext. u. int. Ta M. transv. abd. Ra 
schnitten. ? M. pyrif., beim Austritt aus der M. rectus abdominis. 
Ineisura ischiad, maj. durchschnitten. (€ M/ 

eoceygeus. Bf! M. biceps fem. cap. long. St, 

Sm M. semitendinosus u. semimembranosus. 

* Fascia lumbodorsalis. ** Eingewebtes Bündel 

von der Spina post. sup. oss. ilium zum Proc. artic. 

spur. des dritten Kreuzwirbels, 


untersten Ende ist die Fascie mit den Ursprungssehnen der langen Muskeln 
verwachsen; von ihrer äusseren Fläche entspringt, etwa in der Mitte zwi- 
schen ihrer Kreuzbein- und Beckenanheftung, der M. gluteus max., weiter 
hinauf dient sie Fasern der transversalen Rückenmuskeln und Bauchmus- 
keln (M. obliq. int.) zum Ursprunge. Indem die Ursprungsfasern dieser 
Muskeln sich mit ihr vermischen, gewinnt sie in den unteren Regionen eine 
bedeutende Mächtigkeit, die nach oben allmälig abnimmt. Dem unteren 
Theile, der nach aussen nur von der Cutis gedeckt wird, sind äusserlich 


. 


a. Oberfl. 
Muskeln. 


e&. Erste 
Schichte, 


Trapezius. 


22 Trapezius. 


schräg auf und absteigende Fasern und fast verticale, zwischen den Fort- 
sätzen des Kreuzbeines ausgespannte Fascikel eingewebt (Fig. 1**a. v. 8.); 
am Brustkorbe dagegen, wo die transversalen Rückenmuskeln die Fascie 
decken, finden sich nur zarte transversale Fascikel, in nicht einmal ganz 
continuirlicher Reihe. 

Den oberen Theil der Fascia lumbodorsalis sah Krause zuweilen mit einem 
langen dünnen Spannmuskel versehen, den er M. subcutaneus nuchae nennt; er 
entspringt vom äusseren Ende der oberen Nackenlinie, steigt anfangs oberfläch- 
lich zwischen Trapezius und Sternocleidomastoideus, dann hinter dem M. splenius 
cervicis beinahe senkrecht herab und verliert sich unter dem M. rhomboideus sup. 
in die den M. serrat. post. sup. bedeckende Region der Fascie. 


a. ÖOberflächliche, von Dornfortsätzen lateralwärts 
verlaufende Schichten. 


a«@. Erste Schichte. 


M. trapezius !) AT: 


Der einzige Muskel dieser Schichte, M. trapezius, nimmt die Nacken- 
und Rückengegend ein in Form eines stumpfwinkligen Dreiecks, dessen 
längste Seite der Wirbelsäule entspricht, mit oberem abgerundeten, unterem 
spitzen Winkel. Er entspringt continuirlich am medialen Drittel der Li- 
nea nuchae sup. (oss. occip.), am hinteren Rande des Lig. nuchae und an 
den Dornen und den Ligg. interspinalia vom siebenten Halswirbelan bis zum 
letzten Brustwirbel; vom Schädel und dem oberen Theile des Nackenbandes 
dünn mittelst kurzer, straff mit der Haut verwachsener Sehnenfasern, von 
den untersten Hals- und oberen Brustwirbeln mächtiger mittelst längerer, 
glänzender, von beiden Seiten in der Medianlinie zusammenfliessender Seh- 
nenfasern, vom vierten Brustwirbel an wieder kurzsehnig und von den letzten 
Brustwirbeln mittelst eines sehnigen Blattes, das die eben erwähnte, scharfe 
Spitze des Dreiecks bildet. Die Muskelfasern convergiren gegen den 
Schultergürtel; von den oberen Brustwirbeln aus verlaufen sie gerade late- 
ralwärts; die höher entspringenden sind um so steiler abwärts, die tiefer 
entspringenden um so steiler aufwärts gerichtet, je mehr sie sich den End- 
punkten des Muskelursprunges näheren. 

Die absteigenden Fasern befestigen sich an dem oberen oder inneren 
Rande des Schultergürtels, von der Mitte des Schlüsselbeines oder vom la- 
teralen Ende des mittleren Drittels dieses Knochens an bis an das drei- 
eckige Feld, mit welchem der Schulterkamm am medialen Rande des Schul- 
terblattes beginnt. Die am meisten lateralwärts am Schädel entspringenden 
Fasern greifen am weitesten nach vorn herum, und die folgenden setzen 
sich der Reihe nach um so weiter nach hinten an, je weiter abwärts sie 
entspringen (Fig. 4). Die transversalen und aufsteigenden Fasern sam- 
meln sich am Rande des Schulterblattes in eine membranartige Sehne, die 
über das ebengenannte dreieckige Feld des Schulterkammes locker angehef- 


£ =) M. eucullaris aut. Kappenmuskel, Mönchskappenmuskel. Die Namen beziehen 
sich auf die Form, welche die vereinigten Muskeln beider Körperhälften darbieten. 


“Fig: 3.. 


Trapezius. 


M 


\ 


IN N V Nr 
SAW 
WE e N Va5 


Sy 


LION, 


” 
AN 


LdM. latissi- 


deltoideus D ist abgeschnitten. 


Theil des M. 
Tmj, Tm M. teres maj. u. min, 


Gmd, Gm M. gluteus medius u. maximus, 


Der hintere 
Ab, Al M. anconeus long. u. br. 


Spep M. splenius cap, 
Oae, Oai M. obl. abd. ext. u. int. 


Muskulatur der hinteren Fläche des Stammes, nach Entfernung der Cutis. 
mus dorsi. 


Scm M. sternocleidomast. 


23 


Physiologi- 


24 Trapezius. 


tet hinweggleitet und an einem Knötchen oder einer Rauhigkeit des Schul- 
terkammes jenseits dieses Feldes angewachsen ist. 

Die obere Hälfte des M. trapezius stellt den Mantel eines halben 
Kegels dar, dessen abgestutzte Spitze der oberen Nackenlinie des Hinter- 
hauptbeines, dessen halbkreisförmige Basis dem Schultergürtel entspricht. 
Zwischen seinem vorderen Rande und dem oberen Rande des M. sterno- 
cleidomastoideus bleibt eine schmale Spalte (Fig. 3), die sich aufwärts zu- 
spitzt und oft noch unterhalb der Insertion der beiden Muskeln am Schä- 
del dadurch geschlossen wird, dass Schnen- oder Muskelfasern beider Muskeln 
sich gegen einander neigen und unter spitzen Winkeln durchflechten (vergl. 
Halsmuskeln). 


Der Hauptnerv (N. accessorius) kommt in der Gegend des Unterkie- 
ferwinkels hinter dem Rande des M. sternocleidomastoideus hervor und 
tritt, schräg ab- und rückwärts verlaufend, in der Gegend des siebenten 
Halswirbels unter den M. trapezius; gerade über dem oberen medialen 
Winkel des Schulterblattes giebt er eine Anzahl Aeste in den Muskel; die 
Fortsetzung des Stammes lässt sich medianwärts neben dem Schulterblatte 
auf der Vorderfläche des Muskels fast bis zu seiner unteren Spitze verfol- 
gen. Zum vorderen Rande des Trapezius oberhalb des Schlüsselbeines 
gelangen einige Aeste von den Nn. supraclaviculares aus dem Plexus cer- 
vicalis. 


Var. Der Ursprung des Muskels z&cht abwärts auf Einer Seite oder auf 
beiden nur bis zum achten Brust einem auf hiesiger Anatomie beobach- 
teten Falle nur bis zum vierten Brustwirbel, aufwärts nur bis zum Dorn des Epi- 
stropheus (Fleischmann, Abhandlung der Erlanger phys. med. Societät. Bd. I, 
S. 25. Zagorsky, Mem. de lPacad. de Petersb.. T, I, p. 359). Er fand sich 
auf die vier unteren Hals- und drei oberen Brustwirbel reducirt, oder es fehlte 
ein Stück aus der Mitte (Sömmerring). Seine Insertion reicht nicht auf das 
Schlüsselbein oder erstreckt sich ungewöhnlich weit auf dasselbe, bis zum M. ster- 
nocleidomastoideus und selbst noch hinter diesem Muskel bis zum medialen Drit- 
tel des Schlüsselbeines (Quain). Erstreckt sich der Muskel weiter vorwärts als 
gewöhnlich, so befestigen sich seine Fasern nicht unmittelbar ans Schlüsselbein, 
sondern zum Theil an einen über diesen Knochen gespannten Sehnenbogen, unter 
welchem die V. jugularis ext. einwärts zur V.subelavia tritt und die Nn.-supracla- 
vieulares heraustreten (Gruber, vier Abh. a. d. Geb. d. medic.-chirurg. Anat. 
Berl. 1847, S. 17, Thl. ID). Einmal sah Gruber (ebendas. S. 22) vom vorderen 
Rande des Trapezius einen cylindrischen Sehnenstreifen hinter dem Omshyoideus 
herabgehen und sich am Brustbein ausbreiten. Gedoppelt, in zwei Schichten auf 
einander gelegt fand ihn Tiedemann (Meck. Archiv, Bd. IV, S. 413) in der 
Leiche eines athletischen Mannes. #Ein acessorisches, vom Warzenfortsatze ent- 
springendes und bis Acromion”getrenntes Bündel sah R. Wagner (Heusin- 
ger’s Zeitschrift fü an. Phy d. IH, S. 337). 

Die oberen Fasern des M. trapezius sind nicht einfache Heber der Schulter, 


sche Bemer-noch weniger dienen die zum Schulterkamme aufsteigenden Fasern dazu, das 


kungen. 


Schulterblatt herabzuziehen, sondern in ihrer Gesammtheit theilen sie dem Schul- 
tergürtel die Bewegung mit, wodurch derselbe gehoben, zugleich aber das Schul- 
terblatt mit dem unteren Winkel lateralwärts gestellt, also um eine sagittale Axe 
rotirt wird. Diese Bewegung findet Statt, so oft man den Oberarm über die Ho- 
rizontale hinaus erhebt. Antagonisten des M. trapezius, d. h. zur Zurückführung 
des unteren Winkels des Schulterblattes gegen die Medianebene bestimmt, sind 
ausser den Muskeln, die das Armbein herabziehen, die sogleich zu beschreibenden 
Mm. rhomboidei. In Verbindung mit den Mm. rhomboidei und dem Levator sca- 
FE 


& 


Rhomboidei, Teres ma). 25 


pulae kann der obere Theil des M. trapezius die Schulter gerade aufziehen ; der 
untere Theil des Trapezius zieht, wenn er in Verbindung mit den Rhomboidei 
thätig ist, da die hebende und herabziehende Wirkung beider Muskeln sich gegen- 
seitig das Gleichgewicht hält, die Basis des Schulterblattes, wie auf das Commando: 
„Brust heraus!‘ gegen die Wirbelsäule heran. 

Mit dem Inductionsapparate gereizt, zieht nachDuchenne (de lelectrisation 
localisee. Paris 1855, p. 278) die Schlüsselbeinportion des Trapezius den Kopf 
seit- und rückwärts und dreht ihn zugleich mit dem Kinne nach der entgegenge- 
setzten Seite; es bedarf einer kräftigen Fixation des Kopfes, wenn dieser Theil 
des Muskels die Schulter gegen den Kopf heraufziehen soll. In Folge fettiger 
Atrophie des Trapezius, welche sich meistens auf dessen untere Hälfte beschränkt, 
rückt das Schulterblatt (bis auf 10 Cm. und mehr) von der Reihe der Wirbeldornen ab. 


ß. Zweite Schichte. 


Die Fasern dieser Schichte, deren Ursprung von den unteren Hals- 
wirbeln bis zur Beckengegend sich erstreckt, sind bestimmt, das obere Ende 
des Oberarms an den Rumpf und rückwärts zu bewegen. Aber nicht alle 
erreichen das Armbein direct. Die oberen, von Hals- und oberen Brust- 
wirbeln entspringenden Fasern verschmelzen in ihrem Verlaufe mit dem 
Schulterblatte: sie heften sich an den unteren Theil seines hinteren Randes 
und entspringen neu vom unteren Theile des vorderen; sie steigen von der 
Wirbelsäule zum Schulterblatte herab, vom Schulterblatte zum Arme wieder 
‚hinauf, legen also ihren Weg in einer gebrochenen und an dem Scheitel des 
Winkels unterbrochenen Linie zurück. Die Fasermasse zwischen Wirbel- 
säule und Schulterblatt stellt die Mm. rhomboidei dar; sie ist nämlich fast 
beständig durch eine, den freien Rändern parallele Spalte in.zwei Muskeln 
getheilt, von welchen der untere drei bis vier Mal so hoch ist als der 
obere. Die zwischen Schulterblatt und Armbein verlaufenden Fasern bil- 
den den M. teres major. Die direet zum Armbein ziehenden Fasern der 
zweiten Schichte, M. latissimus dorsi, schliessen sich nur ausnahmsweise 
gleich an den unteren Rand des M. rhomboideus maj. an; meistens sind 
sie durch eine vier bis fünf Wirbel hohe Lücke von demselben getrennt. 

Der Ursprung der ganzen Reihe von Muskelfasern am Rücken ist seh- 
nig. Der Uebergang der Sehnen- in die Muskelsubstanz erfolgt oben in 
der Gegend der Basen der Querfortsätze und rückt allmälig je weiter nach 
unten, um so mehr seitwärts. Die Ursprungssehnen der Mm. rhomboidei 
und des oberen Theiles des M. latissimus lassen sich von der nächst tiefe- 
ren Muskelschichte und von der Fascia lumbodorsalis trennen und in Form 
dünner Blätter bis an das Lig. nuchae und die Brustwirbeldornen verfol- 
gen; in der Lendengegend verschmilzt die Sehne des M. latissimus untrenn- 
bar mit der genannten Fascie, so dass die Muskelfasern unmittelbar von 
ihr ihren Ursprung nehmen. 

Der M. rhomboideus minor ist ganz und der M. major zum grössten 
Theil unter dem M. cucullaris verborgen; ein kleines, dreieckiges Feld des 
M. rhomb. maj. kommt zwischen dem Schulterblatte, dem lateralen Rande 
des M. cucullaris und dem oberen Rande des M. latiss. dorsi zum Vorschein 
(Fig. 3, a. f. S.). Der letzgenannte Muskel geht mit dem oberen Rande 
über die untere Spitze des Schulterblattes und den untersten Theil der An- 
heftung des M. rhomb. maj. an diesen Knochen hinweg, und ist seinerseits 


ß. Zweite 
Schichte. 


1. Rhomb. 
min. 


26 Rhomboidei, Teres ma). 


an der medialen oberen Ecke durch die untere Spitze des M. cucullaris 
verdeckt. Der M. teres maj. zeigt sich als schmaler Saum am lateralen 


Fig. 4. 


Zweite Schichte der Rückenmuskeln. Der M. trapezius (Tr) ist bis auf die Insertion 
amSchultergürtel abgeschnitten, vom M. deltoideus ein hinteres Stück ausgeschnitten, wie 
in Fig. 3. Der Latissimus dorsi hinter der Spitze des Schulterblattes eine kleine Strecke 
vertical gespalten und die Ränder der Spalte nach unten umgeschlagen. Der Arm ge- 
hoben und stark medianwärts rotirt. Vom M. ancon. longus ist ein Stück, welches den 
Teres maj. von hinten her deckt, entfernt. Zs M., levator scapulae. Ssp M. supraspi- 
natus. Tm M. teres minor. Ab M. ancon. br AI M. ancon. longus. A dicht unter 
dem Ursprunge abgeschnittene Sehne desselben. 4Aö Ancon,. int. Cb M. coracobrach. 
Ss M. subscapularis. /sp M. infraspinatus. 


Rande des Schulterblattes oberhalb des M. latiss.; seine laterale Hälfte ver- 
steckt sich unter dem M. deltoideus. 


1. M. rhomboideus minor‘) Rm. 


Ursprung: am Lig. nuchae in der Gegend der unteren Halswirbel 
und vom Dorn des letzten Halswirbels. Insertion: am medialen Rande 
des Schulterblattes, neben dem dreieckigen Felde, mit welchem der Schul- 


2) M. rh. superior. Kleiner Rautenmuskel. 


Pe y HE 


Rhomboidei, Teres maj. 97 


terkamm beginnt. An den oberen Rand dieser Insertion, welche sehnig 
und etwas niedriger ist, als der Körper des Muskels, grenzt die Schulter- 
blattinsertion des M. levator scapulae (s. Halsmuskeln). 


[9] 


M. rhomboideus major Rmj)). 


Von den vier oberen Brustwirbeldornen zum medialen Rande des 
Schulterblattes unterhalb der Insertion des M. rhomb. minor. 

Var. Die Ursprünge der Mm. rhomboidei erstrecken sich weiter hinauf (bis 
zum vierten Halswirbel), oder weiter hinab (bis zum fünften Brustwirbel). Dabei 
findet entweder eine blosse Verschiebung oder eine Vermehrung der Ursprünge 
des Einen oder anderen Muskels Statt. Auch die Insertion am Schulterblatte steigt 
hinauf, viel häufiger herab, so dass die Fasern gegen die untere Spitze des Schul- 
terblattes convergiren. Oft setzen sie sich dann nicht unmittelbar an den Kno- 
chenrand, sondern an einen Sehnenstreifen an, welcher längs dem Schulterblatt- 
rande brückenförmig über Blutgefässe verläuft. — Die Insertionen beider Rhomboi- 
dei kreuzen sich. — Der Rh. maj. zerfällt in Fascikel. Albin sah den Rh. maj. 
mit dem oberen Rande des M. latissimus d. zusammenhängen; ich sah die unter- 
sten Bündel jenes Muskels geradezu in den M. teres maj. umbiegen. 


3. M. teres major T'mj?). 


Platt-eylindrisch mit vor- und rückwärts schauenden Flächen und ab- 
gerundetem oberen und unteren Rande; entspringt fleischig von der hinte- 
ren Fläche des Schulterblattes in der Nähe der unteren Spitze (Knochen], 
Fig. 196 {mj) und von der Faseia infraspinata. An der hinteren Fläche 
des Muskels gehen die Fasern in einer, den Rändern parallelen Richtung, 
lateral-aufwärts, an der vorderen Fläche, mehr horizontal, vom oberen gegen 
den unteren Rand. Die Insertionssehne, wenig schmaler als der Muskel, 
wird zuerst am unteren Rande und an der vorderen Fläche desselben sicht- 
bar; sie setzt sich, indem sie sich besonders nach unten verbreitert, an die 
Rauhigkeit an, in welche die Spina tuberculi minoris des Armbeins endet; 
die vordersten Faserzüge derselben kleiden, immer fest an den Knochen 
angeheftet, den Sulcus intertubercularis aus. Der Nerv, Zweig eines N. 
subscapularis aus dem Plexus brachialis, tritt auf der Vorderfläche des 
Muskels ein, ziemlich gleichweit vom Ursprunge und der Insertion entfernt. 


4. M. latissimus dorsi Ld?). 


Aehnelt im Ganzen einem rechtwinkligen Dreieck, dessen rechter 
Winkel von dem an der Wirbelsäule angewachsenen und dem oberen freien 
Rande des Muskels eingeschlossen wird. Er entspringt sehnig von den 
vier bis fünf unteren Brustwirbeln, fleischig von der Lumbodorsalfaseie 
und zwar, je weiter nach unten, um so mächtiger und um so näher dem 
lateralen Rande derselben, dann, in einer kurzen Strecke, mittelst eines 
niederen starken Sehnenblattes neben der genannten Fascie vom oberen 


1) M. rh inferior. Grosser Rautenmuskel. Viele ziehen den M. rh. minor und major 
zu einem einzigen Muskel (M. rhomb.) zusammen. 
2) Grosser runder Armmuskel. Grand rond. 
®) M. anitersor s. amiscalptor. Breiter Rückenmuskel. Grand dorsal. 
[2 


2. Rhıomb. 
maj. 


3. Teres 
maj. 


4. Latiss. 
dorsi, 


28 Latissimus dorsi. 


Rande des Darmbeines. ®Bie obersten Fasern verlaufen transversal, die 
weiter ab- und seitwärts entspringenden immer steiler aufwärts; an die 
vom Becken schräg aufsteigenden fügen sich successiv schmale, von der 
Aussenfläche der vier oder drei untersten oder der drei (selten vier) 
nächst unteren Rippen, auch wohl vom Lig. lumbocostale in der Nähe 
der untersten Rippe stammende Muskelbündel (Ld‘, Ld“, Ld”, Fig. 6). 
Der hinteren Wand und dem unteren Theile der seitlichen Wand des 
Rumpfes liegt der Muskel genau an; er geht dabei, wie erwähnt, über 
die Spitze des Schulterblattes, über den unteren Theil der Anheftung des 
M. rhomboid. maj. und des Ursprungs des M. teres maj. hinweg und wird 
in dieser Lage durch den Zusammenhang seines Bindegewebsüberzuges mit 
der Fascie der hinteren Schulterblattmuskeln erhalten ). Jenseits des 
Schulterblattes windet er sich um den M. teres maj. herum, um zum Arme 
aufzusteigen. Die Fasern haben sich indess zusammengedrängt, um an 
der platten, verhältnissmässig schmalen (1 bis 11/, Zoll hohen) Sehne Platz 
zu finden. Gewöhnlich ordnen sie sich zu dem Ende in zwei Abtlıeilun- 
gen: die Fasern der oberen Hälfte des Muskels setzen sich direct in die 
Insertionssehne fort und umfassen sie von allen Seiten, indem sich die dem 
oberen und unteren Rande nächsten über diese Ränder hinweg auf die 
Vorderfläche der Sehne begeben; die Fasern der unteren Hälfte des Muskels 
convergiren, die oberen in Einer Ebene, die untersten um den lateralen 
oder vorderen Rand des Muskels herumgreifend, in ein Sehnenblatt, das 
sich unter spitzem Winkel an die Vorderfläche der eigentlichen Sehne anlegt. 

Der Uebergang der Muskel- in die Sehnenfasern ist unterhalb der 
Mitte der Länge des M. teres maj. vollendet. Die Sehne selbst zieht so- 
dann flach auf der Vorderfläche dieses Muskels, genau derselben anliegend, 
weiter, indem sie die Richtung seiner Fasern unter einem sehr spitzen Win- 
kel kreuzt. Mit dem oberen Rande erreicht sie das Tuberc. minus des 
Armbeines, wo sie an die Insertionssehne des M. subscapularis grenzt; 
weiter nach unten erstreckt sie sich über den Sulcus intertuberec. hinweg 
an die Spina tuberculi majoris, wo sie mit der Sehne desM. pectoralis ma). 
zusammenfliesst. Die Höhe der Insertion ist wechselnd: zuweilen liegt der 
untere Rand der Sehne des Latiss. in gleicher Höhe mit dem oberen Rande 
der Sehne des Teres maj.; häufiger reicht die erstgenannte Sehne vor der 
letzteren mehr oder minder weit herab und oft verschmelzen sie mit den 
unteren Rändern. 

An die den Sulceus intertub. auskleidenden Sehnenfasern des M. teres 
ist die Sehne des Latiss. durch lockeres Bindegewebe befestigt, und wird 
in dieser Lage ausserdem durch Faserbündel festgehalten, welche über ihr 
der Längsaxe des Armbeins parallel, vom Tub. minus herablaufen (siehe 
Schultermuskeln).. Medianwärts vom Suleus intertubercularis trennt ein 
ansehnlicher Schleinibeutel beide Sehnen. 

Den hinteren wulstigen Rand der Achselgrube bildet, dem Rumpfe zu- 
nächst, der M. latiss. dorsi, weiter seitwärts bis zum Arme der M. teres maj. 


Var. Dass der Latissimus zuweilen mit seinem Ursprunge höher und bis an 


') Einen Schleimbeutel, dessen Cloquet gedenkt, habe ich an dieser Stelle nie 
gesehen. 


Latissimus dorsi. 
Fig. 444, 215 [EVA 

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Gmd, Gm M. gluteus medius u. maximus. 


ext. u. int. 


29 


30 Serrati postici. 


die Rhomboidei hinaufreicht, wurde bereits erwähnt. Sehr häufig erhält er ein 
accessorisches Fascikel von der Spitze des Schulterblattes, welches von den ober- 
sten Fasern des Muskels bedeckt und denselben parallel lateralwärts verläuft. Die 
Insertion des Latissimus varüirt nicht selten in der Weise, dass die untersten, von 
den Rippen stammenden Bündel, statt sich an die Hauptsehne anzulegen, in der 
Fascie der Achselhöhle enden. Diese Fascie nämlich, welche zunächst unter der 
Cutis die Achselhöhle auskleidet und vom M. pect. maj. zum Latissimus sich her- 
überschlägt, enthält, wo sie an die Scheide der zum Arme herabsteigenden Ge- 
fässe und Nerven grenzt, einen Sehnenbogen, Langer’s Achselbogen, mit late- 
ral-aufwärts, d. h. gegen den Arm und zunächst gegen die Armgefässe und Ner- 
ven gerichteter Concavität. Dieser Sehnenbogen ist es, an welchen sich die abir- 
renden Fascikel des Latissimus heften, die demnach bei der Action des Muskels 
die Faseie herabziehen und von den Armgefüssen entfernen. Wird der Sehnen- 
bogen bei der Präparation durchschnitten, so scheinen sich die abirrenden Fascikel, 
vor den Gefässen der Achselhöhle vorübergehend, an den lateralen Rand des M. 
pectoralis maj. oder minor anzulegen und durch Vermittelung der Fascie mit die- 
sen Muskeln zu inseriren. Es treten aber auch wirklich die untersten Bündel die- 
ser anomalen Portion zuweilen an die Sehne des M. pectoralis major oder an den 
Schulterhaken. Nach Meckel findet sich diese Varietät unter dreissig Fällen 
Einmal. Genau beschrieben wurde sie zuerst von Langer (Oesterr. med. Wochen- 
schr. 1846, Nro. 15 u. 16). Eine Abbildung giebt Gruber, Neue Anomalien als 
Beitr. zur physiolog.-chirurg. u. pathol. Anat. Berl. 1849, S. 31, Taf. VI, Fig. 1. 
Phystoldgl- Wegen der Verbindung des Latissimus mit dem Anconeus long. verweise ich 
sche Bemer-auf die Beschreibung des letztgenannten Muskels. 

Kuzser Ausser der Wirkung, den Arm an den Rumpf und, bei befestigtem Arm, den 
Rumpf gegen den Arm zu ziehen, hat der Latissimus einen wesentlichen Antheil 
an den Rotationsbewegungen des Oberarmes. Bei der gezwungenen Haltung des 
Armes, bei welcher die Handflächen gerade vorwärts schauen, ist die Sehne des 
Latissimus, die bis an die Spina tuberculi majoris reicht, um das Arımbein aufge- 
rollt; die Zusammenziehung des Muskels muss demnach zuerst ein Abrollen der 
Sehne, eine Rotation des Armbeines mit der Vorderfläche medianwärts zur Folge 
haben. 

Mit Hülfe des Armbeines trägt der Latissimus dazu bei, das Schulterblatt der 
Wirbelsäule zu nähern. Durch ihn ist diese Bewegung noch ausführbar, wenn 
Trapezius und Rhomboidei gelähmt sind (Duchenne). 


y. Dritte Schichte. 
Mm. serrati postti.'). 


Y. Dritte Sie besteht aus zwei Muskeln, von welchen der Eine am oberen Ende 

Schiehte. des Thorax von unteren Hals- und oberen Brustwirbeln abwärts an die 
nächst oberen Rippen, der andere am unteren Ende des Thorax von unte- 
ren Brust- und oberen Bauchwirbeln aufwärts an die unteren Rippen geht. 
Der obere ist am Ursprunge mit den Rhomboidei, wie der untere mit 
dem Latissimus verwachsen; der obere aber ragt mit dem oberen Rande 
über den Rh. minor hervor, während der untere vom Latissimus völlig be- 
deckt is. In dem Raume zwischen beiden Mm. serrati wird die Fascia 
lumbodorsalis sichtbar; ihre Fasern verlaufen der Faserung des unteren 
Muskels parallel und kreuzen sich demnach mit der Faserung des oberen, 
unter welchem sie sich hinaufziehen, um ihn von der nächst tieferen Schichte 
zu scheiden. 


‘) Hintere Sägemuskeln. Petits denteles posterieurs. 


Serrati postici. 


31 


1. M. serratus post. sup Sps. 


Entspringt von den zwei (selten drei) oberen Brustwirbeln, vom sie- 


benten Halswirbel und dem Nackenbande 


Trapezius und 


Rückenmuskeln. 
Rhomboidei am Ursprunge abgeschnitten und zurück- 


Dritte Schichte der 


geschlagen. Die Rücken- und Rippenursprünge des 
Lat. dorsi ebenfalls am Ursprunge, u, M.teres maj. u. 
min. (7 mj, Tm) an der Insertion abgeschnitten Spep, 
Spev M. splenius capitis u, cervieis. Sem M. ster- 
nocleidomast. Scp M. scalenus post. Sa M. serra- 
tus ant. Oae, Oai M. oblig. abd. ext. u, int. 


über dem sechsten (zuweilen 


auch fünften und vierten). 
Die Ursprünge fliessen zu 
einer platten Sehne zusam- 
men, die erst jenseits der 
(uerfortsätze muskulös wird, 
später an der hinteren als an 
der vorderen Fläche. Der 
Muskelbauch theilt sich in 
vier Zacken, die sich an den 
oberen Rand und die hintere 
Fläche der zweiten bis fünf- 
ten Rippe, wenig seitwärts 
vom Winkel derselben, an- 
setzen. 


Var. Die Zahl der Zacken 
vermindert sich auf drei, oder 
vermehrt sich bis zu sechs, wel- 
che von der ersten bis sechsten 
Rippe reichen. 


2. M. serratus post. inf. Spi. 


Entspringt von der Fascia 
lumbodorsalis in der Gegend 
der untersten Brust- und obe- 
ren Bauchwirbel, seitwärts 
neben den Ursprüngen des 
M. latissimus und spaltet sich 
in vier Bäuche, die sich bald 
tleischig, bald sehnig an den 
unteren Rand der vier un- 
teren Rippen ansetzen. Die 
beiden mittleren Zacken sind 
die breitesten und mächtig- 
sten; die oberste und unter- 
ste sind in der Regel nur 
schmal und fehlen nicht sel- 
Der obere Rand jeder 

wird vom unteren 
Rande der nächst höheren 
bedeckt. An jeder Rippe 
reicht die Insertion seitwärts 
bis zum Ursprung des Fas- 


ten. 


Zacke 


1. Serrat. 
p- 8 


2. Serrat. 
pas: 


32 


Splenii. 


cikels des M. latissimus; sie reicht demnach an jeder höheren Rippe etwas 


weiter seitwärts. 


d. Vierte Schichte. 


Mm. splenii !). 


d. Vierte 


Diese Schichte beschränkt sich auf die Nackengegend und besteht aus 


Schichte. Fasern, welche schräg lateralwärts zum Schädel und den oberen Halswir- 
beln aufsteigen. Die Schädel- und Halswirbelportion sind nicht immer vom 
Ursprunge an deutlich getrennt; 


Fig. 7. 


DICH E 


La 


Vierte Schichte der Rückenmuskeln, 
Mm. Trapezius, Latissimus dorsi und 
Rhomboidei wie in Fig. 3. M. serrat. 
post. sup. durchschnitten und nach 
beiden Seiten zurückgeschlagen. Scm 
Insertion des M. sternocleidomastoideus 
aufwärts geschlagen, Sscp M. semispi- 
nalis Capitis. Sces*, Sces** M. sacro- 
spinalis medialer und lateraler Theil. 
Scp M. scalenus post. Zs M. levator 
scapulae, unter dem Ursprung abge- 
trennt und nach aussen gezogen. 


2) Bausch- oder Riemenmuskeln. 


die letztere hat einen steileren Verlauf, 
Fie. 8. 


Sscp 


Spep 


Spev 


ee: 


WW \ 
Y 


G 


u 
2 er 


Dieselben Muskeln, Profilansicht. Scm, Sscp, 
Scs*, Scs**, Scp, Ls, wie in Fig. 4. Scm, 
M. scalenus medius. 


tritt neben dem lateralen Rand der erste- 
ren in die Tiefe und wird schliesslich 
von ihr bedeckt. Nach Wegnahme der 
Haut wird ein Streifen der Splenii zwi- 
schen den einander zugekehrten Rändern 
des M. Trapezius und Sternocleidomastoi- 
deus sichtbar (Fig. 5); sind diese Mus- 
keln entfernt, so ragt die untere Spitze 
des Ursprungs der Spleni am unteren 
Rand des M. Rhomboideus maj. hervor 
und ihr Muskelbauch liegt oberhalb des 
Serrat. post. sup. zu Tage (Fig. 6). Die 


Sacrospinalıs. 33 


medialen Ränder der beiden Schädelportionen schliessen mit der oberen Nacken- 
linie des Hinterhauptbeins ein Dreieck ein, in welchem die oberen Enden des M. 
transverso-spinalis (M. semispinalis capitis) zum Vorschein kommen (Fig .7). 


1. M. splenius capitis, Spep. 


Vom Lig. nuchae über dem dritten (selten zweiten) bis sechsten Hals- ı. spien. 
wirbel und von den Dornen des siebenten Halswirbels und des ersten bis 
dritten Brustwirbels; verschmälert sich nach oben und nimmt gegen den la- 
teralen Rand an Dicke zu. Insertion: kurzsehnig an die Seitenfläche und 
den hinteren Rand des Warzenfortsatzes und an den nächst angrenzenden 
Theil der Lin. nuchae sup. bis in die Nähe der Insertion des M. trapezius. 


Var. In zwei Insertionen zerfallen für den Warzenfortsatz und die Nacken- 
linie (Theile). 


2. M. splenius cervicis, Spev I): 


Ursprung: in der Fortsetzung des vorigen von drei bis fünf Wir- 2. spien. 
beldornen, jedoch nicht tiefer als vom sechsten Brustwirbel; die oberen 
Bündel kurzsehnig, die folgenden mit um so längeren Sehnenfasern, je wei- 
ter unten sie entspringen. Insertion:.an die Spitze des Querfortsatzes 
des ersten und zweiten, zuweilen auch des dritten Halswirbels. 


Var. Die Zacke, die sich an den ersten Halswirbel befestigt, hängt genauer 
mit dem M. splenius capitis als mit den tieferen Bündeln des M. splenius cervicis 
zusammen. Als Varietät des Splenius cervieis glaube ich einen Muskel anreihen 
zu müssen, der sich mit jenem an den Querfortsatz des ersten Halswirbels an- 
setzte, aber über (hinter) dem Serrat. post. sup. schmal und sehnig von den Dor- 
nen des sechsten und siebenten Halswirbels entsprang. 


b. Tiefe, longitudinale Muskeln. 


«a. Lange Muskeln. 


1. M. sacrospinalis, $cs?). 


Dieser Muskel entspringt am Becken und am unteren Theil der Wir- „, miere, 
belsäule theils sehnig, theils unmittelbar fleischig. long. Musk. 
Die Sehne entwickelt sich einerseits vom hinteren Theil des oberen we 
Randes des Darmbeins und zwar von der Gegend der Spina post. sup. an a 
bis zum oberen Ende der Linea glutea post. (Knl. S. 245), so dass ihre 
laterale Grenze am Becken mit dem lateralen Rande des M. gluteus max. 
zusammenfällt; andererseits entspringt sie an den Dornen der zwei bis 
drei untersten Bauch- und der oberen Kreuzwirbel; zwischen dem Darm- 
bein und den Kreuzbeindornen nimmt sie ihren Ursprung von der Innen- 
fläche der Fascia lumbodorsalis, mit der sie also an der unteren Spitze der 


») M, splenius coli, Von Vielen mit dem M. splenius capitis zu einem M. splenius zu- 
sammengezogen. 

2) Ich gebrauche diesen Namen (Syn.: M. opistothenar Sömm. M. extensor dorsi com- 
munis. Langer Rückgratsstrecker) in einem weiteren Sinne als Krause, indem ich den 
Kopftheil des M. longissimus (M. trachelo- mastoideus aut.) hinzurechne. Arnold be- 
schränkt ihn auf den Rückentheil und schliesst den M. spinalis mit ein. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. - 3 ? 


34 Sacrospinalis. 


SÜNREINNY7— 


TER 
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TE ei GG 
= 


Tiefe Rückenmuskeln; die oberflächlichen Schich- 
ten nebst dem grössten Theil der Fascia lumbo- 
dorsalis (ld) sind entfernt; der unterste Theil 
dieser Fascie vertical gespalten und nach beiden 
Seiten zurückgeschlagen. Oae M. oblig. abd. 
ext. Sd M. spinalis dors. Sscp M. semi- 
spinalis capitis. 


Rinne, die die langen Rücken- 
muskeln einnehmen, untrennbar 
verwachsen ist, während weiter 
aufwärts eine feine Bindege- 
webslage sich zwischen Faseie und 
Sehne einschiebt. Unter dieser 
Bindegewebslage liegt die Sehne 
mit ihrer hinteren Fläche an- 
fangs vollkommen frei; ihre Fa- 
sern sind auf- und nur wenig 
lateralwärts gerichtet; ihr unte- 
rer Theil ist ein continuirliches 
Blatt, und nur die von den Bauch- 
wirbeln ausgehenden Fasern sind, 
den Dornen entsprechend, in 
Fascikel gesondert. Muskelfasern 
treten an der hinteren Fläche 
zuerst über dem Darmbeinur- 
sprung der Sehne in geringer 
Entfernung oberhalb des Beckens 
auf, in Form eines platten, etwas 
stärker lateralwärts geneigten 
Bauchs, der fortan selbständig, 
wenn auch nur durch eine dünne 
Bindegewebsschichte von der 
übrigen Masse getrennt, an den 
Rippen aufsteigt. Dieser Bauch 
ist der Anfang-des M. iliocosta- 
lis 1). Der Rest bildet den M. 
longissimus. Ihm gehören die 
Muskelfasern an, die direct am 
Knochen entspringen. Sie kom- 
men zugleich mit der Sehne, aber 
an der Vorderfläche derselben, 
vom oberen Rande des Darm- 
beins, sowie von der Tuberosität 
dieses Knochens: sie füllen den 
lateralen Theil der hinter und 
über dem Iliosacralgelenk be- 
findlichen Grube und grenzen 
medianwärts an die Ursprünge 
des M. transverso-spinalis. An 
der Sehne entstehen Muskelfa- 


2) Nach Theile; M saerolumbaris 
s. lumbocostalis aut. Doch beziehen 
sich alle diese Namen nur auf den 
Rückentheil des Muskels mit Ausschluss 
des Jliocostalis cervicis 


Sacrospinalıs. 


Tiefe Rückenmuskeln, M. iliocostalis medianwärts um- 
gelegt, um die Rippen- und Halswirbel-Insertionen zu 
zeigen. Fld der zurückgeschlagene laterale Theil der ver- 
tical gespaltenen Faseia lumbodorsalis, Zd M. latissimus 
dorsi, Beckenursprung, Spi Insertionszacken des M. 
serrat. post. infer. S$cp M, scalenus post. 


35 


sern des Longissimus auf 
beiden Flächen, auf der 
hinteren oberhalb des Ab- 
gangs des M. iliocostalis, 
auf der vorderen Fläche 
schon früher (weiter unten) 
und den Dornen näher, je- 
doch immer erst seitwärts 
von den Tuberositäten 
(Proc. accessorii) und also 
erst jenseits des M. trans- 
verso-spinalis. 

Der M. iliocostalis er- 
streckt sich längs den Rip- 
pen und drei bis vier unte- 
ren Halswirbeln; auf den 
Rippen liegt er an der me- 
dialen Seite der Winkel 
und giebt von seinem late- 
ralen Rande aus dem unte- 
ren Rande jedes Rippen- 
winkels eine Insertion (Fig. 
9, 10); die letzten gehen 
an die hinteren Spitzen 
der  Querfortsätze der 
Halswirbel (Fig. 10). Die 
Insertionen nehmen von 
unten nach oben an Breite 
und Mächtigkeit ab; an den 
zwei unteren Rippen sind 
sie fleischig, weiter hinauf 
ni, platt und um so 
länger, je näher dem obe- 
ren Ende des Muskels. 
Während er aber so an je- 
der Rippe einen Theil sei- 
ner Fasern abgiebt und 
sich im Aufsteigen vom la- 
teralen Rande und von der 
hinteren Fläche aus ver- 
schmälert und verschmäch- 
tigt, führen ihm accesso- 
rische, von den Rippen auf- 
steigende Ursprünge am 
medialen Rande und an der 
vorderen Fläche neue Mus- 
kelsubstanz zu. Sie ent- 
stehen sehnig vom oberen 

3* 


Tliocostalis. 


36 Sacrospinalis. 


Rande der Rippen, die unteren platt, breit und kurz, die oberen immer 
schmaler und länger. In der Regel ist die Muskelsubstanz, die der Tlioco- 


Me Fig. 12. 


\\ N 
| 

AN 

d UN 

AN 

N 

\ \NN \\\ 
WIN AN \ N \ 

N IN .\ 


M. iliocostalis cervieis, lateralwärts 
umgelegt. Sscp M. semispinalis cap. 


stalis vom Becken mitbringt, mit 
M, iliocostalis lumborum quer durchschnitten, der siebenten Insertion beinahe er- 
das obere Ende lateralwärts umgelegt. Fld schöpft (Fig. 11), die sechs bis sie- 
die a. En ri ben untersten accessorischen Ur- 
VE are sprünge haben sich indess zu einem 
Muskelbauch vereinigt, der ein 

schmales Bündel von der unteren 

Portion aufnimmt und sich in die Insertionen für die fünf oberen Rippen 
und den untersten Halswirbel spaltet. Ebenso vereinigen sich die fünf bis 
sechs oberen accessorischen Ursprünge zu einem Bauch, dessen Fasern inni- 
ger unter sich, als mit den nächst unteren zusammenhängen und den Seh- 
nen für die Halswirbel den Ursprung geben (Fig. 12). Man kann diese 
drei Theile, deren jeder eine von dem anderen unabhängige Bewegung 


Sacrospinalıs. 37 


auszuführen vermag, als Ilocostalis lumborum, Hliocostalis dorsi‘) 
und Jliocostalis cervicis ?) unterscheiden. 

Var. Die untersten und obersten accessorischen Ursprünge des M. iliocosta- 
lis fehlen nicht selten. Die Ursprünge des M. iliocostalis cervicis reichen weiter 
hinab (bis zur zehnten Rippe), seine Insertionen weiter hinauf (bis zum dritten 
Halswirbel). 

Der M. longissimus steigt bis zum Schädel auf, platt, am lateralen 
Rande vom lliocostalis gedeckt, mit dem medialen Rande den M. transverso- 
spinalis deckend.. An der Bauch- und Brustwirbelsäule giebt er jedem 
Abschnitt doppelte Insertionen, je eine mediale an die Tuberositäten (an 
die Pr. accessorii der Bauch- und unteren Brustwirbel, an die Pr. transversi 
der oberen Brustwirbel), und eine 


laterale an den unteren Rand der 
Rippen und der rippenartigen Fort- 
1vtı2 sätze (Pr. transversi) der Bauchwir- 
bel (Fig. 13); denHalswirbeln sendet 
er einfache Insertionen, welche me- 
rıa dianwärts von den Insertionen des 
Iliocostalis an den hinteren Spitzen 
der Querfortsätze haften; am Schä- 
Mf del befestigt er sich mit einem schma- 
len, platten Bauch, gedeckt vom 


des Warzenfortsatzes (Fig. 12, 14). 
Abgesehen von dieser Schädelinser- 
tion nehmen die Insertionen des Lon- 
gissimus, wie des Iliocostalis von un- 
ten nach oben an Breite und Mäch- 
tigkeit ab, während zugleich ihr seh- 
niger Theil immer länger wird. An 


den Bauchwirbeln setzen sie sich flei- 
Doppelte Insertionsfaseikel des M. longissimus R r e 
an den Bauchwirbeln, durch Entfernung des schig an und an den Querfortsätzen 
M. iliocostalis lumb. und der oberflächlicheren derselben in solcher Breite, dass sie 


Muskelmasse des M. longissimus frei gelegt. 1; 5 ] “ 2 
Fld Fascia lumbodorsalis, nach beiden Seiten häufig noch een Thei des Lig. lum 
zurückgeschlagen. Oae M. obl. abd. ext, bocostale jenseits der Spitzen der 


Querfortsätze zur Anheftung mit 

benutzen (vgl. Fig. 16); die Insertio- 
nen liegen an der vorderen Fläche des Muskelbauchs und werden vollkom- 
men von ihm verdeckt. Am Brustkorbe gehen die lateralen Insertionen von 
der hinteren Fläche, die medialen von der vorderen Fläche des Muskels 
aus; die ersteren heften sich an den unteren Rippen ziemlich genau unter 
den accessorischen Ursprüngen des Iliocostalis an und weichen, je weiter 
aufwärts, um so mehr medianwärts von denselben zurück; der ersten Rippe 
fehlen sie fast immer, den nächst oberen sehr häufig, aber auch an der zwölf- 
ten Rippe werden sie öfters vermisst. 


ı) M. costalis dorsi Luschka Müller’s Arch. 1854, S. 155. 
?) M. cervicalis descendens s. adscendens aut, 


Splenius, längs dem hinteren Rande 


Longissi- 
mus. 


38 Sacrospinalis. 


Dem Tliocostalis gleicht der Longissimus darin, dass er die Muskelsub- 
stanz, die er abgiebt, durch accessorische Ursprünge allmälig wieder ersetzt. 


Fig. 14. 


M. longissimus lateralwärts umgelest. Sd M. 

spinalis dorsi dicht am Ursprung auf der Sehne.des 

Longissimus abgeschnitten. Mf M. multifidus. 

Ssd M. semispin. d. Sscp M. semispinalis cap. 
Oae M. oblig. abd. ext. 


Eine Anzahl solcher accessori- 
scher Ursprünge entspringt von 
den Bauch- und Brustwirbeldor- 
nen zunächst oberhalb des Ur- 
sprungs der eigentlichen Sehnen 
des Longissimus. Es sind lange, 
sehnige, lateral-aufwärts ziehende 
Fascikel, die man mit eben so 
gutem Rechte zum Longissimus 
als zum Spinalis dorsi (s. unten) 
rechnen kann, da sie sich zwar 
auf der hinteren Fläche des Lon- 
gissimus verlieren, aber zugleich 
von ihrer hinteren Fläche Mus- 
kelbündel zum Spinalis abgeben. 
Andere accessorische Ursprünge 
(Fig. 14 Lg*) kommen, median- 
wärts neben den Insertionen, von 
Wirbeltuberositäten. Sie sind an 
den Bauch- und unteren Brust- 
wirbeln spärlich und unregel- 
mässig, fleischig oder sehnig; in 
mehr continuirlicher Reihe kom- 
men sie von den oberen Brust- 
wirbeln; indem diese Fascikel 
sich vorzugsweise in die Hals- 
wirbel-Insertionen des Longissi- 
mus fortsetzen, haben sie Anlass 
gegeben, den Halstheil dieses 
Muskels, Longissimus cervi- 
eis !), vom Rückentheil, Lon- 
gissimus dorsi?), zu trennen. 
Zur Schädelinsertion des Longis- 
simus vereinigen sich die acces- 
sorischen Ursprünge, die von 
den Querfortsätzen der obersten 
Brust- und des untersten Hals- 
wirbels, und den hinteren Spitzen 
der Querfortsätze und den Rau- 
higkeiten der Gelenkfortsätze des 
sechsten bis dritten, selten noch 
des zweiten Halswirbels entste- 
hen. Sie bilden den M. lon- 


D) M. transversalis cervicis aut. 
2) M. transversalis dorsi Arn. 


Spinales. 39 


gissimus capilis‘). Nicht selten gehen von den oberen Brustwirbeln 
doppelte accessorische Ursprünge ab, die einen zum Longiss. cervicis, die 
anderen zum Longiss. capitis. 


Var. Der M. longiss. dorsi erhält aufsteigende Bündel von den Rippen, aus den 
Levat. costarum (Theile, S. 174). Der M. longiss. capitis ist sehnig durchfloch- 
ten, durch eine Sehne in zwei Köpfe getheilt. Die Zahl seiner Ursprünge kann 
sich auf zwei reduciren. 


2 Musculi spinales’°). 


Den Namen Spinalis führen Muskeln, deren Bauch aus mehreren, von>, spinales. 
Dornen stammenden Ursprungssehnen zusammengesetzt wird und Inser- 
tionen an mehrere Dornen abgiebt. Es giebt einen Spinalis dorsi, welcher 
vom dritten oder zweiten Bauchwirbel bis zum zweiten oder ersten Brust- 
wirbel reicht, und einen Spinalis cervieis, der sich über die Halswirbel er- 
streckt. Der letztere ist sehr veränderlich und reducirt sich zuweilen auf 
ein oder einige Fascikel, die sich von kurzen Dornmuskeln (Interspinales) 
nur dadurch unterscheiden, dass sie Wirbel überspringen. Diesem Cri- 
terium zufolge liesse sich als M. spinalis capitis ein Muskel hier anreihen, 
(M. rect. cap. post. maj.), der vom zweiten Halswirbeldorn zur unteren 
Nackenlinie des Schädels aufsteigt. Doch stelle ich der bequemeren Ueber- 
sicht wegen diesen Muskel mit den tiefen, kurzen Schädelmuskeln zu- 
sammen. 


tM. spinalis dorsi, Sd. 


Ein schmaler, platter Muskel, zur Seite der Dornen über (hinter) dem + Spinalis 
M. transverso-spinalis, an seinem lateralen Rande mit dem Longissimus dorsi dorsi. 
verwachsen. Die Reihe seiner Ursprünge endet am elften oder zehnten 
Brustwirbel, die Reihe seiner Insertionen beginnt am zehnten oder neunten, 
so dass zwischen dem letzten Ursprungs- und dem ersten Insertionsfascikel 
der zehnte oder neunte Brustwirbeldorn frei bleibt (Fig. 15, a. f. S.). 

Die Ursprungsfascikel sind sehnig, lang und platt und, wie erwähnt, 
grösstentheils dem Spinalis mit dem Longissimus gemein. Die untersten 
steigen gerades Wegs in lateraler Richtung in der hinteren Fläche des Lon- 
gissimus auf; von ihnen gehen, unter stumpfem Winkel, in medialer Rich- 
tung aufwärts, platte Muskelbündel ab, die sich in die obersten Zacken des 
Spinalis fortsetzen; wie kleinere concentrische Bogen sind innerhalb jener 
Ursprünge und dieser Insertionen die höheren Ursprünge und tieferen In- 
sertionen des Spinalis eingeschlossen. 


Var. Die Zahl der Insertionssehnen kann bis auf drei sinken; es fehlen dann 
sowohl obere als untere Insertionen. Oder sie vermehrt sich dergestalt, dass 
Ein Dorn mehrere Sehnen erhält. Oft setzen sich die Insertionen, statt an Dor- 
nen, an die Insertionssehnen des M. semispinalis dorsi. 


D) M. trachelomastoideus. M. complexus minor s. parvus aut. M. transwersalis capt- 
üs Arn. 
2) Dornmuskeln. 


40 Spinales. 


++ M. spinalis cervieis, Nev)). 


Von sehr unbeständigem Verlauf, oft auf der rechten und linken Seite 
Fig. 15. . derselben Leiche ver- 

l.ll.3 schieden. Am häufig- 

sten entspringt er vom 
Dorn des sechsten und 
fünften Halswirbels, fer- 
ner vom Dorn des drit- 
ten, auch des siebenten 
Halswirbels und der bei- 
den oberen Brustwirbel 
mit zwei bis vier flei- 
schigen oder sehnigen 
Köpfen, die entweder 
einzeln oder zu einem 
Muskelbauch theilweise 
oder sämmtlich verbun- 
den, über einen oder 
mehrere Wirbel wegge- 
hen und sich meistens mit 
mehreren Sehnen an den 
Dorn des zweiten, dritten 
und vierten Halswirbels 
inseriren (Fig. 16). Die 
Insertionen hängen oft 
mit dem M. semispina- 
lis cervicis, die Ur- 
sprünge mit diesem und 
dem Nackenbande zu- 
sammen. Zuweilen er- 
halten sich nur einzelne 
Bündel zwischen den In- 
sertionen des M. semi- 
spinalis; selten fehlen 
die Mm. spinales cervi- 
cis völlig. Sie liegen 
neben den Dornen oder 
auf (hinter) denselben 
zu beiden Seiten des 
Nackenbandes, oder es 
findet sich statt derselben 


1t Spinalis 
cerv. 


ı) Superspinalis colli Co w- 
per. Interspinales supernu- 
merarü Albin. Mm. super- 
spinales Meckel. 


Tiefe Rückenmuskeln, die oberflächlichen am Ursprung ab- 

_ geschnitten. Fascia lumbodorsalis F/d, dureh einen Vertical- 

schnitt geöffnet und zurückgeschlagen. Ssd, Sscv, M. 
semispin. dorsi und cervieis. Oae M. oblig. abd. ext. 


Transverso-spinalis. 41 


ein einziger unpaarer Muskel in der Rinne zwischen den zwei Spitzen der 
Dornen. 

Einmal sah ich ein Bündel des Spin. cervicis von 3 Linien Breite zur oberen 
Nackenlinie des Hinterhauptbeins aufsteigen, wo es sich dicht unter dem medialen 
Theile der Insertion des Semisp. capitis befestigte. Einen M. spinalis cervieis, der 
sich mit dem R. cap. post. maj. an’s Hinterhaupt befestigte, beobachtete Theile 
(S. 167). 


3. Musculus transverso-spinalis'). 


Unter diesem Namen vereinige ich die Muskeln, die in mehreren 3. Transver- 
Schichten und in den einzelnen Schichten wieder in mehreren Abtheilungen “ "Pvalis. 
von Tuberositäten der Wirbel zu Dornen median- und aufwärts verlaufen. 

In der oberflächlichsten Schichte liegen Muskeln, deren Ursprünge am 
letzten Brustwirbel anfangen, und am vierten, selten am dritten Halswirbel 
enden, deren Insertionen vom sechsten Brustwirbel bis an den Schädel sich 
erstrecken, deren Fasern also im Allgemeinen über fünf bis sechs Wirbel 
hinwegziehen. Es sind die Mm. semispinales, geschieden je nach den Ab- 
theilungen des Stammes in M. semispinalis dorsi, cervieis und capitis. Die 
nächst tiefere Schichte nimmt ein continuirlich längs der ganzen Wirbel- 
säule verlaufender Muskel ein, der M. multijidus, welcher mit seinen Ur- 
sprüngen vom dritten Kreuzwirbel bis zum dritten Halswirbel reicht und 
Insertionen an alle Beugewirbel und den untersten Drehwirbel abgiebt. Die 
steilsten seiner Bündel gehen über vier, die meisten nur über drei oder zwei 
Wirbel fort. Hat man vorsichtig die Masse der unter einander verflochte- 
nen Muskelfasern des Multifidus entfernt, so bleiben auf den Brustwirbeln 
vereinzelte, mehr oder minder genau abgegrenzte Muskeln liegen, wieder 
in zwei Schichten, die oberflächlicheren, Frotatores longi, von der Wurzel 
jedes Querfortsatzes, Einen Wirbel überspringend, zum Seitenrande des 
zweithöheren Wirbeldorns, die tieferen, Zotatores breves, von der Wurzel 
des Querfortsatzes zur Wurzel des nächst höheren Dorns. Diese letzteren 
wären, strenggenommen, den kurzen Rückenmuskeln beizuzählen; doch sind 
sie den langen Rotatoren und den übrigen Lagen des Transverso-spinalis in 
ihrer Wirkung zu sehr verwandt, um sie von denselben zu trennen. 


* Mm. semispinales ?). 


+ M. semispinalis dorsi, N sd. 


Fünf oder sechs Sehnen von den Tuberositäten der fünf oder sechs *semispi- 
untersten oder der drei nächst untersten Brustwirbel entspringend, fliessen Kaamien. a. 
in einen Muskelbauch zusammen, aus welchem ebenso viele Sehnen, zu den 
Dornen der oberen Brustwirbel und des unteren oder der beiden unteren 
Halswirbel hervorgehen (Fig. 16). 


Var. Die Zahl der Ursprünge schwankt zwischen zwei und sieben, die der 
Insertionen zwischen zwei und acht (Albin). 


!) Bei Cruveilhier heisst Transversaire epineux der M. multifidus in Verbindung 
mit dem Semispinalis dorsi und cerweis. 
2) Halbdornmuskeln. 


tr Semisp 
cerv. 


ttt Semisp. 


cap. 


42 


Tiefe -. Rückenmuskeln 
M. sacrospinalis; M. 


nach Wegnahme des 
semispinalis capitis in 
der Nähe der Insertion quer durchschnitten 


und lateralwärts umgelegt. ld Fascia lum- 

bodorsalis. Zgd Bauchwirbelinsertion des M. 

longiss. dorsi. Mf M. multif. Tipm, Itpl Mm. 

intertransvers. lumb. medial. u. lateral. Zcb, 

Lecl Mm. levatores costarum longi u. br. Oae 
5.M. oblig. abd. ext. 


Transverso-spinalis. 


Tr M. semispinalis cervieis, !scv)). 


Die Ursprünge dieses Muskels, so- 
wie seine Insertionen, schliessen sich 
entweder unmittelbar an die Ur- 
sprünge und Insertionen des M. se- 
mispinalis dorsi an, oder lassen einen 
Wirbel frei. Die Ursprünge haften 
an den Querfortsätzen der fünf oder 
sechs oberen Brustwirbel, die Inser- 
tionen an den Spitzen der Dornen 
des sechsten oder fünften bis zwei- 
ten Halswirbels; die Insertion an 
den zweiten Halswirbel ist beson- 
ders stark und fleischig (Fig. 16). 


Var. Die Zahl der Ursprünge steigt 
auf sieben und sinkt auf vier, sie reicht 
abwärts bis zum achten Brustwirbel, 
aufwärts bis zum siebenten Halswirbel 
(Albin). Oft sind die Muskelbäuche 
des Semispinalis dorsi und cervicis mit 
einander verwachsen ?). 


t1rM. semispinalis capitis Arn. 
Sscp?). 


Der M. semispin. cap. besteht aus 
zwei platten Köpfen, die sich erst 
in der Nähe der Schädelinsertion 
vereinigen. 

Der mediale Kopf *) entspringt 
seitwärts neben den Ursprungsseh- 
nen des M. semispinalis cervicis von 
drei bis vier Brustwirbeln zwischen 
dem zweiten und sechsten. Seine 
Ursprünge verhalten sich demnach 
zu den Ursprüngen des Semispina- 
lis cervicis, wie die accessorischen 
Köpfe des Longiss. capitis zu denen 
des Longiss. cervieis; in beiden Fäl- 
len tritt am oberen Theil der Brust- 


ı) M. spinalis cervieis Albin. 

2) Krause vereinigt beide unter dem 
Namen M. semispinalis colli et dorsi. 

3) M. complexus Cowper. M. comple- 
zus maj. Krause, Grand complexus Cruv. 

») M, biventer cervieis aut. 


Transverso-spinalıs. 43 


wirbelsäule eine Verdoppelung oder Spaltung der Ursprünge eines conti- 
nuirlichen Muskels ein, um dem Kopftheil der Reihe eine grössere Zahl von 
Faseikeln zuzuführen. 

Der aus den genannten Ursprüngen zusammengesetzte Muskelbauch 
legt sich über den M. semispinalis colli her mit etwas steiler ansteigenden 
Fasern, die gegen die Protuberantia occip. ext. mit den Fasern des gleichnami- 
gen Muskels der anderen Körperhälfte convergiren (Fig. 9, 14). Er liegt am 
Ursprunge dem Semispinalis cervieis genau auf, hebt sich aber allmälig von 
demselben ab. In der Mitte seiner Höhe wird er an der hinteren Fläche 
durch sehnige Substanz unterbrochen, und zugleich eingeschnürt; oft findet 
sich eine zweite sehnige Inscription, vom lateralen Rande mehr oder minder 
weit-gegen den medialen vorragend, in der Nähe des oberen Endes. Ganz 
gewöhnlich erhält der Muskel vom medialen Rande her noch einen Zuwachs 
an Fasern, die von Dornen der obersten Brust- und untersten Halswirbel, 
seltener vom Nackenbande, sehnig oder fleischig entspringen, eine Art Spina- 
lis capitis (Fig. 9, Sscp‘). Seine Befestigung am Schädel findet mittelst 
der oberflächlichen (hinteren) Fasern am medialen Ende der Linea nuchae 
superior Statt, dieht unterhalb der Insertion des M. trapezius; seine tiefen 
Fasern gehen mit denen des lateralen Kopfes die sogleich zu beschreibende 
Verbindung ein. 

Der laterale Kopf!) nimmt seinen Ursprung von den oberen Brust- 
und drei bis vier unteren Halswirbeln, an den Brustwirbeln und dem sie- 
benten Halswirbel vom Querfortsatze, an jedem der übrigen Halswirbel mit 
je zwei kurzen Zacken von der hinteren Spitze des Querfortsatzes und der 
Rauhigkeit des unteren Gelenkfortsatzes. Er hängt hier sehr genau mit 
den Ursprüngen des M. longiss. capitis zusammen, von welchem er am la- 
teralen Rande und von der hinteren Seite gedeckt wird, während er sich 
mit der Vorderfläche an den M. multifidus lehnt. Die unteren Ursprünge 
sind sehnig, die oberen von Anfang an fleischig; die Richtung der Fasern, 
schon am unteren Rande minder steil als die am medialen Kopf, wird um 
so geneigter, je näher dem oberen Rande sie entspringen. So gewinnt der 
dünne, von einzelnen Sehnenstreifen durchzogene Muskelbauch eine unre- 
gelmässig vierseitige, gegen den medialen Rand verschmälerte Form. Mit 
diesem medialen Rande tritt er unter den lateralen Rand des medialen Ko- 
pfes und vereinigt sich mit den tiefen Fasern des letzteren dergestalt, dass 
beide unter spitzem Winkel zum Theil einander kreuzen, zum Theil von 
beiden Seiten her an verticalen Sehnenstreifen zusammenstossen. Mit sei- 
nen oberen Fasern setzt sich der laterale Kopf des M. semispinalis cap. un- 
mittelbar an den Schädel an und zwar lateralwärts vom medialen Kopf und 
um Weniges unterhalb desselben. Seine Anheftung reicht seitwärts bis 
zum Rande des M. splenius capitis (Fig. 17, a. f. S.). 

Die Gesammtinsertion des M. semispinalis capitis nimmt die ganze 
Fläche zwischen der oberen und unteren Nackenlinie des Hinterhauptbeins 
ein. Am Ansatz grenzt dieser Muskel also mit den Ansätzen der kurzen 
Kopfmuskeln zusammen; weiter abwärts aber ist er von denselben, wie vom 
oberen Theile des M. semispinalis cervieis, durch reichliches Bindegewebe 


D) M. complexus aut. 


** Multifi- 
dus. 


44 


geschieden. 


Transverso-spinalis. 


Zwischen der hinteren Fläche des M. semispinalis capitis und 


der vorderen des M. splenius cap. und trapezius findet sich nur eine feine, 


straffe Bindegewebslage. 


Var. Abgesehen von Varietäten in der Zahl der Ursprünge, welche beim 
medialen Kopf zwischen zwei und sieben schwanken, kommen Verbindungen bei- 
der Köpfe mit dem Longissimus, des lateralen Kopfes mit dem Long. dorsi, des 


Fig. 17. 


IN | Repmj 
IA 
001 Pop 
AN NE, 


4) 


Tiefe Rückenmuskeln, nach Entfernung des 
M. sacrospinalis und des M. semispinalis. 
Sscp Insertion des M. semispinalis cap. 
Spcp des M. splenius cap. Lgcp desM. 
longiss. cap. Is Mm. interspinales. Itp 
Mm. intertransv. post. Zcb Mm. levato- 
res cost. br. Wegen der übrigen Bezeich- 
nung vgl. S.,49. 


medialen mit dem Long. capitis vor. Ein 
Fascikel von der Zwischensehne des me- 
dialen Kopfes inserirt sich am Nackenbande 
(Theile). Vom Querfortsatze des zweiten 
Brustwirbels steigt ein dünner Muskel zum 
Schädel auf, der sich, bedeckt vom Semi- 
spinalis cap., unterhalb des letzteren inserirt. 


* M. multifidus, Mf)). 


Die untersten Bündel dieses Mus- 
kels entstehen dicht neben dem Becken- 
ursprunge des M. sacrospinalis und 
bedeckt von der Fascia lumbodorsalis, 
auf der hinteren Fläche des Kreuzbeins, 
von den Procc. artieulares spurii die- 
ses Knochens und dem Lig. ilio-sacrale 
posticum (Bänderl. Fig. 100); an den 
Bauch- und untersten Brustwirbeln 
kommen seine Ursprünge von Proce. 
mamillares, an den übrigen Brustwir- 
beln und den siebenten Halswirbel von 
Proce. transversi, an dem sechsten bis 
vierten Halswirbel von der Tuberosi- 
tät der Procc. articulares. Die Inser- 
tionen treten an die unteren Ränder 
und die Spitzen der Dornen vom un- 
ten Bauch- bis zum zweiten Halswirbel. 

Die Ursprünge sind an jedem Wir- 
bel zugleich sehnig und fleischig, seh- 
nig an der Oberfläche, fleischig in der 
Tiefe; die sehnigen Fasern strahlen von 
den Kreuz- und Bauchwirbeln ab- und 
aufwärts aus, von den höheren Wirbeln 
gehen sie in dünnen Streifen schräg 
aufwärts. Die oberflächlichsten und 
namentlich die aus den Sehnenstreifen 
sich entwickelnden Muskelfasern stei- 
gen je über drei Wirbel weg zum Dorn 
des vierten auf; die übrigen Fasern 
gehen um so geneigter, je weiter in 


') M. multifidus spinee aut. Vieltheiliger Rückgratsmuskel. 


Transverso-spinalıs. 45 


der "Tiefe sie entspringen, an die Dornen jedes dritten, zweiten, am Halse 
auch des nächst höheren Wirbels, wobei sie sich jedesmal mit den steileren, 
von weiter abwärts gelegenen Wirbeln stammenden Fasern kreuzen und ver- 
flechten (Fig. 17). So füllt der Muskel, von dreiseitig prismatischer Gestalt, 
die Rinne zu den Seiten der Dornen ganz (an den Halswirbeln) oder zum gröss- 
ten Theil (an den Brust- und Bauchwirbeln) aus; mit seiner freien Fläche 
geht er von unten nach oben in dem Maasse, als die Vorragung der Wir- 
beldornen abnimmt, aus einer fast sagittalen Stellung in die mehr frontale 
über, und mit Fasern von gleicher Excursion, d. h. mit den über eine gleiche 
Zahl von Wirbeln gespannten, nimmt er von unten nach oben, wie die Höhe 
der Wirbelkörper geringer wird, eine mehr und mehr geneigte Lage an. 
Fig. 18. Var. Das Ursprungs- 
bündelvom siebenten Hals- 
wirbel fehlt (Albin). Das 
oberste Bündel heftet sich 
ausser an den Dorn auch 


noch an den Bogen des 
Epistropheus (Theile). 


"** Y/m. rotatores. 


+ Mm. rotatores longi, Rl. 


Selbständige platte 
Bündel, fleischig oder 
theilweise sehnig, welche 
vereinzelt vom oberen 
Rande eines Querfort- 
satzes, Einen seltner zwei 
Wirbel überspringend, 
zum Seitenrande der 
Wurzeleines Dornfortsa- 
tzes verlaufen (Fig. 18). 
Sie finden sich nur an 
den dachziegelförmig 
abwärts geneigten Dor- 
nen der Rückengegend. 


++Mm. rotatores breves Ab D, 


Kurze und platte vier- 


Tiefste Schichte au M. transverso-spinalis. Zes, tei Lig. alle Muskeln, mit fast 
tuberculi costae sup. und inf. 4A1/” Abgeschnittener Ur- horizontalem Faserver- 
sprung des M. multifidus. Ssd, Sscp Ursprungssehne des lauf, vom oberen Rande 
M. semispinalis dorsi und capitis. Ssd‘ Insertionssehne 


des M. semispinalis dorsi. ZLceb Levator costae br. der Querfortsätze der 


Brustwirbel zum unteren 


\) Rotatores dorsi Theile. M. arcuum transversales Günther (chirurg. Muskel- 
lehre). Mm. spinotransversales brevissimi E. Weber. 


rk Rota 
tores. 
tRotat. ]. 


ttRotat. br. 


P. Kurze 
Muskeln. 


I. Kurze 


Muskeln der 


1 


Beugewir- 
bel. 
Interspi- 
nales. 


46 Interspinales. 


Rande der nächst höheren Wirbelbogen (Fig. 18). In der Regel finden 
sich ihrer so viele jederseits als Brustwirbelzwischenräume, doch fehlen 
zuweilen die oberen oder unteren. „Zwischen den Bauchwirbeln sind sie zu- 
weilen durch Sehnenbündel von entsprechendem Verlauf ersetzt. 


$f. Kurze Muskeln. 


Zu den kurzen longitudinalen Muskeln der Wirbelsäule rechnen wir 
alle diejenigen, welche sich von einem Gliede der Wirbelsäule nicht weiter 
als zum nächsten erstrecken; wir nehmen, aus bereits angeführten Gründen, 
davon aus die Mm. rotatores, und stellen dagegen zu den kurzen Muskeln 
den M. rectus cap. post. maj., obgleich er den Atlas überspringt, sowie die 
Mi. levatores cost. longi, obgleich sie über eine Rippe hinweg zur nächst 
unteren gehen. 

Die kurzen Muskeln liegen entweder vertical zwischen gleichnamigen 
Theilen (Mm. interspinales, intertransversarii) oder schräg, zwischen Dorn- 
und (Juerfortsätzen (Mm. obliqui capitis); die Mm. levatores gehören streng 
genommen weder zu der Einen, noch zu der anderen Art, da die Quer- 
fortsätze, von welchen sie entspringen, und die Rippen, zu welchen sie 
schräg herablaufen, im Grunde nur Theile desselben vorderen Bogens sind, 
und die Muskeln selbst sich unmittelbar in die äusseren Intercostalmuskeln 
fortsetzen. 

Die kurzen Rückenmuskeln wiederholen sich längs dem Stamme in 
ähnlicher Weise, wie die Knochen und Bänder der Wirbelsäule und mit 
ähnlichen Modifieationen, indem sie in Einer Region eine besondere Stärke 
erreichen, in der anderen fibrös werden oder schwinden. Ihre Ausbildung 
steht mit der Beweglichkeit der Wirbel in geradem Verhältniss; sie erreicht 
daher den höchsten Grad an den Halswirbeln und steht am niedrigsten an 
den Brustwirbeln; am Kreuzbein fehlen sie völlig. 


I. Kurze Muskeln der Beugewirbel. 


1. Mm, interspinales, Is). 


Am unteren Ende der Wirbelsäule liegen sie platt, oft in einzelne Bün- 
del geschieden und vom Multifidus bedeckt, zur Seite der Ligg. interspina- 
lia, der unterste, welcher nicht selten fehlt, zwischen dem obersten Kreuz- 
und letzten Bauchwirbel. Sie enden am zwölften oder elften Brustwirbel, 
um am ersten, selten schon am zweiten wieder aufzutreten. Am Halse zie- 
hen sie, neben dem Nackenband, fleischig, eylindrisch über die Spitzen der 
Dornen und erstrecken sich nicht selten auf die Insertionssehnen des M. se- 
mispinalis cervieis (Fig. 17). An den Bauchwirbeln entspringen sie von 
der Seitenfläche des unteren Dorns und enden am unteren Rande des obe- 
ren; an den Halswirbeln beginnt jeder höhere Muskel dicht über der Inser- 
tion des unteren. 


") Zwischendornmuskeln. 


Intertransversarii. 47 


Fig. 19. Var. Sie breiten sich am Halse auf 
ige, die Bogen der Wirbel aus (Theile). 
ei Kurze Muskeln von verticalem Verlauf 


kommen, einer Mittheilung von Clau- 
dius zufolge, auch zwischen den Bo- 
gen der Bauchwirbel vor, jedoch ge- 
trennt von den Mm. interspinales und 
deshalb vielleicht eher an die Rotato- 
res anzuschliessen. 


2. Mm. intertransversarii poste- 


riores!'). 


Als hintere Intertransversarli 2. Inter- 
müssen diese Muskeln deshalb be- "Pos 
zeichnet werden, weil an den Hals- 
wirbeln längs den vorderen Spi- 
tzen der Querfortsätze eine Reihe 
ähnlicher Muskeln verläuft, die in 
Verbindung mit den Muskeln der 
Vorderfläche des Halses beschrie- 
ben werden. Sie sind an den Bauch- 
{ wirbeln in je zwei Portionen ge- 
Lei schieden: eine mediale, M. inter- 
IN fransv. posl. medial.?), schlanke 
und eylindrische, entspringt zugleich 
mit den Fascikeln des M. multifidus 
vom Proc. mamillaris und befe- 
stigt sich an den Proc. accessorius 
oder mamillaris des nächst höheren 
Wirbels; eine laterale, M. intertr. 
p- later. ), platte und breite, ver- 
läuft zwischen den Querfortsätzen 
je zweier Bauchwirbel. Die me- 
diale Portion verbindet nicht nur 
die Bauchwirbel, sondern findet sich 
oft auch zwischen dem letzten Bauch- 
und ersten Kreuzwirbel, sowie in 
der Regel zwischen dem obersten 
Bauch- und letzten Brustwirbel und 
zwischen den untersten Brustwirbeln. 
Die laterale Portion kommt noch 


I ein = 


IN 


I Min) uintertramsuers z 3 
Tiefe Rückenmuskeln nach Wegnahme des M. ), Mm. intertransyersales aut. Zwischen 
querfortsatzmuskeln. 


sacrospinalis; M. semispinalis capitis in der ®) Mm. interobligui s. interarticulares 
Nähe der Insertion quer durchschnitten und : Be R R 
= 2 .,  lumborum M. J. Weber. Mm. intertrans- 
lateralwärts umgelegt. FldFascia lumbodorsalis. en : 
ren : F . versarü lumborum posteriores aut. 
Lgd Bauchwirbelinsertion des M. longiss. dorsi, 2) Mit. _ interiramsvarsera Umlorum an- 
Mf M. multifidus. Zeb, Lei Levatores cost. x j 


longi und br. Oae M. obliq. abd. ext. en 


3. Levat. 
cost. 


II. Kurze 
Muskeln der 
Drehwirbel. 


48 Levatores costarum. 


in dem Zwischenraume des letzten Brust- und ersten Bauchwirbels vor, 
gleicht aber hier mehr einem M. levator costae, indem sie schräg lateral- 
abwärts vom Proc. accessor. des Brustwirbels sich gegen den Rand des 
Querfortsatzes des Bauchwirbels ausbreitet (Fig. 13). 


Am Rücken wird die mediale Portion des Intertransversarius durch die 
Ligg. tuberositatum vertebralium, die laterale durch die Mm. levat. cost. 
und Intercost. ext. vertreten. Schon an den obersten Brustwirbeln wer- 
den die genannten Ligamente wieder fleischig; sie setzen sich in solcher 
Gestalt, als die eylindrischen, verhältnissmässig dicken Mm. interlransv. 
post., auf die Halswirbel fort, an welchen sie zwischen den hinteren Spi- 
tzen der Querfortsätze bis zum zweiten, und vom zweiten zum unteren Rande 
der breiten Spitze des Querfortsatzes des ersten Halswirbels emporsteigen 
(Fig. 20). Die Mm. intertransvers. postt. liegen an den Beugewirbeln des 
Halses hinter den Stämmen der Cervicalnerven, die Intertransvers. antt. 
vor den letzteren. Der zweite Halsnerv aber, zwischen Atlas und Epi- 
stropheus, tritt hinter dem betreffenden Intertransv. post. hervor. 


Var. Einzelne Bündel der Intertransversarii der Bauch- und Halsgegend 
überspringen einen Wirbel (Albin). 


3. Mm. levatores costarum'). 


Platte, dreiseitige, sehnig entspringende Muskeln, welche, ganz bedeckt 
vom M. sacrospinalis, von den Tuberositäten des untersten Hals- und der 
elf oberen Brustwirbel zum oberen Rande und zur hinteren Fläche der 
nächst- oder zweitnächst unteren Rippe schräg lateralwärts absteigen. Je 
nachdem sie zur nächsten Rippe gehen oder eine Rippe überspringen, werden 
sie in Lev. cost. breves und Lev. cost. longi unterschieden (Fig. 19). 
Der ersteren giebt es zwölf, die von oben nach unten, wie der Winkel der 
Rippe lateralwärts rückt, an Breite allmälig zunehmen. Der oberste entspringt 
an der hinteren Zacke des Querfortsatzes des siebenten Halswirbels, hängt 
medianwärts mit dem M. intertransversarius, lateralwärts mit dem M. sca- 
lenus med. genau zusammen und heftet sich an den Höcker der Rippe. 


Levatores cost. longi gehen zu den drei bis vier untersten Rippen, aus- 
nahmsweise zu höheren, namentlich zur vierten, fünften und sechsten. Sie 
liegen am Ursprunge über (hinter) den Lev. cost. breves und an der Insertion 
lateralwärts von denselben. Die Levatores cost. br. und longi schliessen sich 
mit dem lateralen Rande an den M. intercost. ext. an. 


I. Kurze Muskeln der Drehwirbel und des Hinterhauptbeins. 


Es sind jederseits fünf, von welchen zwei am zweiten, drei am ersten 
Halswirbel entspringen. Die am zweiten Halswirbel entspringenden gehen 
beide vom Dorn aus, der Eine, einem Kopf des Splenius analog, schräg la- 
teral-aufwärts zum Querfortsatz des Atlas, der andere, ebenfalls schräg aber 
minder geneigt aufsteigend, eine Art Spinalis capitis, zur Nackenlinie des 


\) Mm. supracostales, Rippenheber. M. surcostauz Cruv. 


Rect. cap. p. maj. Obl. cap. inf. Rect. cap. post. min. 49 


Hinterhauptbeins. Die Muskeln, welche am Atlas ihren Ursprung nehmen, 
verlaufen sämmtlich ziemlich gerade hinauf zum Schädel, der Eine, die 
Fig. 20. Interspinales wiederholend, die beiden 

anderen zusammen einem Intertrans- 

Tr versarius posterior entsprechend. Das 

Mi \\ "ll straffe Bindegewebe, welches diese 

Des A oJ -Sse? Muskeln von der hinteren Seite her 
Au DIES bekleidet und die Lücke zwischen 

Rel NA ihnen und dem M. semispinalis und 
splenius capitis ausfüllt, setzt sich 
auch in die Zwischenräume zwischen 
die vom zweiten und ersten Halswir- 
bel stammenden Muskeln fort. Zwi- 
schen den Muskeln und den Knochen 


ist dies Bindegewebe von dichten 
Venengeflechten durchzogen. 


1. M2 zect. cap. post. may. Repmj). 


Entspringt schmal und schräg an 
der Spitze und oberen Kante des 
Dorns des Epistropheus, breitet sich 
nach oben mit mehr sagittal, als fron- 
tal gestellten Flächen fächerförmig 
aus und befestigt sich etwa an das 
mittlere Drittel der unteren Nacken- 
linie. 


2. M. obliquus capitis inf. Oci?). 


Ein.starker, ganz fleischiger, spin- 
delförmiger, gegen Ursprung und In- 
sertion zugespitzter Muskel, unterhalb 
des vorigen am oberen und am hin- 
Tiefe Rückenmuskeln nach Entfernung des teren Theile des Bogens des Epistro- 
M. sacrospinalis und der Mm. semispinales. pheus entspringend und an der hin- 
Tr Sehne des M, trapezius. Spep Inser- z 
tionssehne des M. splenius cap. ZLgcp des teren Leiste des Querfortsatzes des 
M. longiss. cap. Sscp des M. semispinalis Atlas sich befestigend. 
cap. Js Mm. interspinales. Jtp Mm. inter- 


transvers. post. ZcDd Mm. levatores cost. 3_ M, rect. cap. post. min. Rep m). 
brev. Mf M. multifidus. - 


Platt, dreiseitig, vom Tuberculum 

post. des Atlas zum medialen Drittel 

der unteren Nackenlinie schräg rückwärts aufsteigend, am lateralen Rande 
vom R. cap. post. maj. gedeckt. 


) M. r. c. p. superficialis s. inferior. ?) M. obl. ec. ma). °®) M. r. c. p. profundus. 
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 4 


1. Rect. ce. 
p. maj. 


2. Obl. cap. 
inf. 


3. Rect. ce. 
p- min, 


4. Obl. cap. 
sup. 


5. Rect. cap. 
lat. 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


50 Obl. cap. sup. Rect. cap. lat. 


4. M. obliquus cap. sup. Ocs)). 


Ebenfalls dreiseitig, gegen den Scheitel sich ausbreitend, bedeckt mit 
seinem Ursprunge am Querfortsatze des Atlas die Insertion des M. obl. cap. 
inferior, und mit seiner Insertion zwischen der oberen und unteren Nacken- 
linie die Insertion des R. capitis post. maj. 


5. M. reetus capitis lateralis Rel. 


Von der vorderen Fläche der Spitze des Querfortsatzes des Atlas fast 
gerade aufwärts zum Proc. jugularis des Hinterhauptbeins, an den er sich 
in dessen ganzer Breite ansetzt. 


.Var. Von den kurzen Muskeln der Drehwirbel und des Hinterhauptbeins 
kommen nicht selten verdoppelt oder in zwei neben einander gelegenen Portionen 
zerfallen vor der M. rect. cap. post. maj. und rect. cap. lateralis. Verdoppelung 
des M. rect. cap. post. min. beobachtete Gruber (Abhandl. aus d. menschl. und 
vergl. Anat. Petersburg 1852. S. 125). 


Ein zuerst von Günther (Chir. Muskellehre, Taf. 34. Fig. II. 19. Taf. 35. 
Fig. III. 19) beschriebener Muskel, M. sacro-coccygeus posticus (M. exiensor coc- 
cygis Theile) soll aus dünnen Fasern bestehen, welche vom Kreuzbeine oder auch 
von der Spina iliaca post. inf. zum Steissbein herabgehen; nach Theile nimmt 
er von der hinteren Fläche des fünften Kreuz- oder ersten Steisswirbels seinen 
Ursprung. Wäre dieser Muskel typisch und der häufige Mangel desselben die 
Folge einer Verkümmerung, so müsste er in der Reihe der kurzen aufsteigenden 
Rückenmuskeln eine dritte Abtheilung bilden. Er ist aber bei Kindern keinenfalls 
beständiger als bei Erwachsenen und macht in Günther’s Abbildungen eher den 
Eindruck einer abnormen Portion des M. coceygeus. 


Alle an der Rückenfläche der Wirbelsäule gelegenen Muskeln, mögen sie ihre 
Angriffspunkte an Dornen, Querfortsätzen oder Rippen haben, mögen sie vertical 
zwischen gleichnamigen Theilen oder schräg und mehr oder minder geneigt zwi- 
schen ungleichnamigen verlaufen, wirken, wenn sie auf beiden Seiten gleichzeitig 
und gleichmässig in Thätigkeit versetzt werden, zur Streckung der Wirbelsäule. 
Sie unterscheiden sich von einander nur insofern, als sie die ganze Wirbelsäule 
oder einzelne kleinere oder grössere Gebiete derselben bewegen; besonders be- 
günstigt ist aus begreiflichen Gründen der Schädel nebst den obersten Halswirbeln 
durch die Entwickelung des M. semispinalis und durch Hinzufügung einer beson- 
deren Schichte, der Mm. splenii. 

Ziehen sich die Muskeln einer Körperhälfte einseitig zusammen, so sind zwei 
Drehungen möglich, um die sagittale Axe, Seitwärtsbewegung nach der contrahir- 
ten Seite, und um die verticale Axe, Rotation im engeren Sinne mit Vor- oder 
Zurücktreten der contrahirten Seite. Wie die Lage der Gelenkflächen die ver- 
schiedenen Abschnitte der Wirbelsäule zu der einen oder anderen dieser Drehun- 
gen geschickter macht, wurde bereits in der Bänderlehre (S. 21) dargestellt. Was 
die Muskeln betrifft, so sind zuerst die verticalen und schrägen zu unterscheiden. 
Je mehr die Richtung der Muskelfasern sich der verticalen nähert, um so mehr ist 
ihre Wirkung auf Seitwärtsbeugung beschränkt. Demnach sind die Muskeln zwi- 
schen gleichnamigen Fortsätzen, Spinales, Interspinales, Intertransversarii, haupt- 
sächlich Seitwärtsbeuger; doch werden auch sie zu Rotatoren, wenn sie vorgängig 
durch Rotation der Wirbel gedehnt und schräg gestellt sind. Als Rotatoren wir- 
ken dagegen die Muskeln, welche zwischen Quer- und Dornfortsätzen verlaufen, 


D) M. obl. c. min. 


Bauchmuskeln. 51 


mit um so grösserer Kraft, je mehr ihre Endpunkte in verticaler Richtung einander 
genähert sind und in der Richtung von hinten nach vorn von einander abstehen. 
Die von Dornen zu Querfortsätzen aufsteigenden Muskeln ziehen den Querfortsatz 
ihrer Seite, die von Querfortsätzen zu Dornen aufsteigenden ziehen den Querfort- 
satz der entgegengesetzten Seite rückwärts. Es kann daher am Halse und Kopfe, 
bei gleichzeitiger Wirkung der Mm. splenii und transverso-spinales, die rotirende 
Wirkung beider sich aufheben und eine Seitwärtsbeugung erfolgen. Der eigent- 
liche Drehmuskel des Kopfes ist, da diese Drehung nur mittelst des Atlas auf dem 
Epistropheus ausgeführt werden kann, der Obliquus capitis inf, Die eigenthüm- 
liche Einrichtung der Drehwirbelgelenke, die die Reibung in denselben auf ein 
Minimum zurückführt, bewirkt, dass ein Muskel von so geringen Dimensionen 
dieser Aufgabe genügt. Die kurzen Muskeln, die sich an’s Hinterhauptbein in- 
seriren, können, vermöge der Einrichtung der Hinterhauptgelenke, den Schädel nur 
entweder um die sagittale oder transversale Axe drehen: beiderseitig wirkend führen 
sie die letztere, einseitig wirkend die erstgenannte Bewegung aus; doch fragt es 
sich, ob eine einseitige Thätigkeit der Mm. recti capitis post. jemals vorkommt. 

Der M. sacrospinalis, dessen Sehnen zum Theil nur durch Vermittelung der 
Rippen die Wirbelsäule strecken, muss einen Nebeneinfluss auf die Stellung der 
Rippen zu den Wirbeln haben, auf welchen ich, wie auf die Function der Mm. 
serrati postici und levatores costarum, bei der Beschreibung der Brustmuskeln 
zurückkomme. 


I. Bauchmuskeln. 


Die Bauchmuskeln füllen die Lücke, welche am Skelette in der vorderen 
und seitlichen Rumpfwand zwischen dem Brustkorbe, den Bauchwirbeln und 
dem Becken besteht. In ihrer Gesammtheit bilden sie demnach eine Platte, 


II. Bauch- 
muskeln 


von deren symmetrischen Hälften jede einem nach der Fläche gekrümmten E 


Trapez mit zwei parallelen, verticalen Seiten gleicht. Mit den längeren 
verticalen Seiten sind sie in der vorderen Medianlinie aneinander gefügt. 
Die kürzere verticale Seite geht an den Spitzen der (Jueriortsätze der Bauch- 
wirbel herab; von diesen aus divergiren die obere und untere Seite, jene 
vor- und aufwärts längs dem unteren Rande des Brustkorbs, diese vor- und 
abwärts längs dem oberen Beckenrande verlaufend. 

Der langen verticalen Seite des Trapez entlang zieht von der äusseren 
Fläche des Brustkorbs zur äusseren Fläche des Beckens der platte, longitu- 
dinale Muskel der vorderen Rumpfwand, M. reetus abdominis. So weit er 
über die Bauchhöhle herabgeht, liegt er in einer fibrösen Scheide, deren 
beide Blätter am medialen und lateralen Rande des Muskels in scharfen 
Kanten zusammenstossen. Die medialen Kanten der beiden Reetus-Scheiden 
sind durch einen schmalen und derben Streif fibröser Substanz in der Mittel- 
linie des Bauchs verbunden. Dieser Streif ist die Linea alba. Sie erscheint 
an der äusseren Fläche der Bauchwand als eine seichte Furche zwischen 
den Wülsten der Reeti, in der Mitte oder etwas unterhalb der Mitte ihrer 
Höhe durch den Nabel unterbrochen, linear in der unteren Hälfte, 4 bis 7mm 
breit in der oberen, beträchtlich breiter in Folge von Schwangerschaft und 
krankhaften Zuständen, welche eine bedeutende und anhaltende Dehnung 
der Bauchwand bewirken }). 


!) Cruveilhier fand bei einer Neu-Entbundenen die Linea alba in der Nabelgegend 
3“, und an der schmalsten Stelle 15‘ breit. 


4* 


52 Bauchmuskeln. 


Die Faserung der Linea alba ist hauptsächlich transversal, eine Fort- 
setzung der in den Scheiden der Recti enthaltenen, transversalen Fasern, 
welche von der Einen Körperhälfte zur anderen und dabei theilweise von 
dem vorderen Blatte zum hinteren und umgekehrt übergehen. Verticale 
Fasern treten hinzu am oberen Ende vom Schwertfortsatze, am unteren Ende 
vom Becken aus. Die letzteren erheben sich vom oberen Rande der Scham- 


Vordere Bauchwand, hintere Fläche nach Entfernung des Bauchfells, 
der Samenstrang (1) beim Eintritt in die Bauchwand abgeschnitten, die Harnblase (3) 
über dem unteren Ende abgeschnitten und zurückgeschlagen. pp Ligg. puboprostatica. 
iim, iil Ligg. inguinale mediale und laterale. Ra M. rectus abd. Ps Plica semilunaris 
fasciae transversalis, s. unten, 


beine, zwischen den beiderseitigen Höckern hinter den Sehnen der Mm. recti 
und durch Fett von denselben geschieden in Form einer gleichseitig drei- 
eckigen Platte, Adminiculum lineae albae!), welche über die Schambein- 
synchondrose mit freiem concaven Rande ausgespannt ist und aufwärts in eine 
zwischen die Mm. recti eindringende Spitze ausläuf. Die Nabelöffnung 
umgiebt ein Wulst von kreisförmigen Fasern, die mit der Haut und mit den 
durch die Oeffnung zur Haut tretenden fibrösen Strängen, den obliterirten 
Nabelgefässen, eng verwachsen sind. 


Ein kleiner, nicht ganz beständiger Muskel, M. pyramidalis, steigt schräg 


!) Lig. triangulare I, a. Ligament sus-pubien Breschet (These de concours. Paris 1819. 
p. 125). Ein Theil desselben ist als Zig. arcuatum pelvis sup. beschrieben, vergl. Bdl. S. 120. 


Recetus abdominis. 53, 


vor der unteren medialen Sehne des M. rectus vorüber, vom Schambeine 
zur Linea alba auf, er ist als Spannmuskel der Linea alba zu betrachten 
und den verticalen Bauchmuskeln beizuzählen. 

Den hinteren und Seitentheil der trapezförmigen Platte nehmen die 
drei Muskelschichten ein, die man unter dem Namen der transversalen 
vereinigen darf, wenn auch stellenweise ihre Fasern weit von der trans- 
versalen Richtung abweichen und vielmehr die obere knöcherne Begrenzung 
der vorderen Bauchwand mit der unteren zu verbinden scheinen. Am rein- 
sten transversal ist die innere Schichte, M. transversus abdominis, welche an 
der oberen, hinteren und unteren Seite des Trapez, d. h. von Rippen, von 
Bauchwirbeln (durch Vermittlung des Lig. lumbocostale) und vom Becken 
entspringt und mit allen Fasern in die Scheide des M. rectus, also mittel- 
bar in die Linea alba übergeht. Aber auch die mittlere und äussere Schichte 
enden grösstentheils in den Sehnenblättern, die den Rectus zwischen sich 
fassen, und gehen nur gleichsam nebenbei mit ihren Insertionen auf die 
obere oder untere Seite des Trapez über, die äusserste, M. obliquus ext., 
von Rippen entspringend, mit den untersten ihrer medianabwärts verlaufen- 
den Fasern auf das Becken, die mittlere, M. obliquus int., vom Becken und 
der Faseia lumbodorsalis entspringend, mit den obersten ihrer medianauf- 
wärts verlaufenden Fasern auf die unteren Rippen. 


a. Verticale Bauchmuskeln. 
1. M. rectus abdominis Ra). 


Er entspringt fleischig, platt und breit an der fünften, sechsten und 
siebenten Rippe, an der fünften von der vorderen Spitze des Rippenknochens 
und der lateralen Hälfte des Knorpels, an der sechsten und siebenten Rippe 
weiter median- und also auch weiter abwärts mit schmaleren Zacken vom 
unteren Rande des Knorpels; die am siebenten Rippenknorpel wurzelnde 
Zacke nimmt oft noch Fasern von der Basis des Schwertfortsatzes auf 2). 
Der Muskelbauch wird vom Ursprunge bis zum Rande des Brustkorbs um 
Weniges schmäler, steigt dann in unveränderter Breite bis zur Gegend des 
Nabels herab und nimmt von da an gegen die Insertion am Becken wieder 
an Breite ab und zugleich an Dicke zu, um in die verhältnissmässig schmale 
Sehne sich fortzusetzen. Diese Sehne, welche etwa einen Zoll oberhalb 
des oberen Beckenrandes platt aus dem Muskel hervorgeht, spaltet sich in 
einen breiteren lateralen und einen schmaleren medialen Streifen. Der laterale 
(Fig.22 Ra 1) setzt sich an die vom Tubere. pubis zur Schambeinsynehondrose 
ziehende rauhe Linie (Knl. S. 249) und, wenn der M. pyramidalis fehlt, an 


D) Gerader Bauchmuskel. Grand droit Cruv. 

2) Albin, welchem Langenbeck, Weber-Hildebrandt, M. J. Weber und 
Theile folgen, nennt das obere Ende des Muskels Insertion, das untere Ursprung, und 
dies ist insofern consequent, als bei aufrecht stehendem Rumpfe die Rippen beweglicher 
sind als das Becken. Indess rechtfertigt sich die von der Mehrzahl beliebte und von 
mir festgehaltene Auflassungsweise dadurch, dass die Beckenanheftung des Muskels zum 
Theil in weiche Gebilde, Fascien, übergeht, deren Spannung sie vom Brustkorbe aus 
vermittelt. 


a. Verticale 
1.Rect. abd. 


54 Rectus abdominis. 


die unter dieser Linie befindliche rauhe Fläche fest; einige der lateralsten 
Bündel endigen schon oberhalb des Beckens in der Scheide des Reetus. Die 

Fig. 2. medialen Sehnen der bei- 
den Recti (Ra 2) gehen 
vor der Synchondrose, in- 
dem sie einander unter 
spitzem Winkel kreuzen, 
auf die entgegengesetzte 
Körperhälfte über; unter- 
halb der medialen Sehne 
des M. obliquus ext. der 
entgegengesetzten Körper- 
hälfte hervortretend, sen- 
det jede dieser Rectus- 
Sehnen ihre Fasern theils 
ab- und lateralwärts in 
die Faseie der Adductoren 
des Schenkels, theils ab- 
und medianwärts in die 
Fascie des Penis (der 
Klitoris). 

Der M. rectus enthält 
wenig oder keine Fasern 
von der Länge des ganzen 
Muskels. Durch drei oder 
vier transversal-ziekzack- 
förmige  Sehnenstreifen, 
Inseriptionen !), ist er in 
vier bis fünf Abtheilungen 
geschieden, deren jede 
einer besonderen Zusam- 
menziehung fähig sein 
muss, wenn auch einzelne 
Bündel über eine oder 
ınehrere Inscriptionen un- 
unterbrochen sich fort- 
Bauchwand von vorn, das vordere Blatt der Scheide des setzen. Die oberste findet 
Reetus (Vra) durch einen Verticalschnitt geöffnet und nach sich längs dem Rande des 
beiden Seiten zurückgeschlagen. Pmj” Fascikel des M. Byustkorbs, die dritte et- 
KOM. Inlios doret. Sa M, serrat. ant. Oue M. ob. was oberhalb des Nabels, 
liq. abd. ext. Ci Unterer Schenkel des Leistenrings, die zweite ungefähr in der 
t Sehnittrand, an welchem der obere Schenkel desselben Mitte zwischen diesen bei- 

abgetrennt ist. £ a 
den und die vierte, wenn 
sie vorhanden ist, mitten zwischen Nabel und Becken. Die oberste erstreckt 
sich häufig nur iiber die mediale Hälfte des Muskels, die untere reicht fast 
niemals über die laterale Hälfte hinaus; auch nehmen die Inscriptionen 


\) Inscriptiones tendineae. 


Pyramidalis. Obliquus ext. 55 


nicht immer die ganze Dicke des Muskels ein und dann lassen sie die der 
hinteren Fläche zunächst liegenden Fasern unberührt. Mit der vorderen 
Wand der Scheide des Rectus ist die Sehnenwand der Inscriptionen un- 
trennbar verwachsen, so dass die äussere Faserlage des Rectus sich eben- 
sowohl an die Scheide, wie an die Inscription inserirt; im Uebrigen wird 
der Zusammenhang zwischen dem Rectus und seiner Scheide nur durch 
lockeres, hier und da, besonders am oberen Theil der hinteren Wand, fett- 
haltiges Bindegewebe, sowie durch die in den Muskel eintretenden Gefässe 
und Nerven vermittelt. So weit der Rectus auf dem Brustkorbe herabgeht, 
heftet ihn ein straffes Bindegewebe an die Rippenknorpel und die Inter- 
costalmuskeln. 


Var. Kelch (Beitr. zur pathol. Anat. Berlin 1813. S. 41) beschreibt einen 
M. rect. lateralis abdom., 1‘ breit, zwischen dem M. obliq. ext. und int. mit einer 
sehr kurzen Sehne entspringend, von der Mitte des unteren Randes der zehnten 
Rippe und gerade abwärts über die elfte Rippe zur Mitte des Randes des Hütt- 
beinkammes verlaufend. 

Der Ursprung des Muskels kann sich seitlich auf den Knochen der vierten 
und selbst der dritten Rippe ausdehnen (Meckel). 


2. M. pyramidalis. Py)). 


Entspringt schräg an der Vorderfläche des Beckens, unterhalb der 
Insertion der lateralen Sehne des M. rectus, läuft alsdann fleischig von 
dieser Sehne mit den medialen Fasern gerade, mit den lateralen Fasern 
schräg medianwärts empor und befestigt sich an die Linea alba. 

Der ganze Muskel gleicht einem rechtwinklig ungleichseitigen Dreieck, 
die kürzere Kathete entspricht dem Ursprunge, die obere Hälfte der längeren 
Kathete entspricht der Insertion. Er ist in der Scheide des Rectus mit 
eingeschlossen, von deın letzteren aber durch ein besonderes Fascienblatt 
getrennt. 

Bei Kindern ist er verhältnissmässig gross. 


Var. Die Höhe des Muskels ist sehr veränderlich und oft auf beiden Seiten 
ungleich, oft fehlt der Eine derselben und noch öfter fehlen beide. Dagegen soll 
er auch verdoppelt vorkommen auf Einer Seite (Winslow), oder auf beiden 
(Sabatier). 


b.» Transversale Muskeln. 


1. M. obliquus externus. OVae?). 


Diesen Muskel setzen in der Regel sieben platte Zacken (Dentationen) 
zusammen, welche an den sieben unteren Rippen entspringen, die breiteste 
von der achten Rippe, von da an sowohl auf- als abwärts allmälig schmalere, 
zu welchen sich nicht selten noch eine schmalste Zacke oben von der fünften 
Rippe, unten von dem Lig. lumbodorsale in der Verlängerung des Quer- 
fortsatzes des ersten Bauchwirbels gesellt (Fig. 23 V«ae*). 


!) M. pyram. abdominis. :; 
2) M. oblig. abdominis ext. s. descendens s. obligue descendens. Aeusserer schiefer 
Bauchmuskel. Grand oblique. 


2. Pyramid. 


b. Trans- 
versale 
1. Obl. ext, 


56 Obliquus ext. 


Die ganze Reihe der Ursprünge liegt in einer schrägen, nur schwach 
Fig. 23. aufwärts convexen, 

Sa von der Gegend des 

vorderen Endes des 
fünften oder sechsten 
Rippenknochens ge- 
gen die Spitze der 
zwölften Rippe gezo- 
genen Linie. Dem- 
nach entfernen sie 
sich zwischen der 
fünften und achten 
Rippe immer weiter 
vom vorderen Ende 
des Rippenknochens 
und nähern sich die- 
sem Ende wieder von 
der achten bis zur 
zwölften Rippe. An - 
der achten Rippe 
sitzt die Zacke un- 
gelähr in der Mitte 
zwischen dem vorde- 
ren Ende und dem 
Winkel. An jeder 
Rippe ist der Ur- 
sprung  kurzsehnig ; 
er nimmt eine Linie 
ein, welche auf der 
äusseren Fläche des 
Knochens fast hori- 
zontal vom oberen 
Rande zum unteren 
und eine Strecke dem 
Bauchwand im Profil. Zd M. longissimus dorsi. FldFasecia unteren Rande ent- 
lumbodorsalis. Sa a SS ant. Pmj* Zacke des lang zieht; jede Den- 
KaRU tation deekt mit ih- 

rem unteren Rande den oberen Rand der nächstfolgenden; die Sehnen der an 
den oberen Rippen bis zur neunten (inclus.) entspringenden Dentationen ver- 
bergen sich unter den horizontal rückwärts verlaufenden, je von den näm- 
lichen Rippen stammenden Dentationen des M. serratus ant. (Sa Fig. 23); von 
der zehnten Rippe an werden die Dentationen des M. obl. ext. am Ursprunge 
Jede von dem nächst unteren Rippenursprunge des M. latissimus (Zd) bedeckt. 
Sämmtliche Ursprünge schliessen sich alsbald aneinander zu einem 
continuirlichen Muskelblatt, dessen Bündel schräg median-abwärts verlaufen, 
dem oberen Rande zunächst in einer zwischen der horizontalen und verti- 
calen mittleren Richtung und dann allmälig um so steiler abwärts, an je 
tieferen Rippen sie entspringen. Mit dem oberen Rande fügt sich der 


Obliquus ext. 


57 


Muskel an das Lig. costoxiphoideum (Bänderl. $S.51), doch wird dieser Rand 
und theilweise die oberste Dentation verdeckt durch ein Fascikel, welches vom 
unteren Rande des M. pectoralis maj. sich ablöst und in steiler absteigen- 
dem Verlaufe, als die oberen Zacken des M. obliquus ext., in die von den 


Fig. 24. 


ER 
ZIRFITITER 
EEE 


l& Lsp 


Vordere Bauchwand von vorn. Samenstrang- (1) anı Austritt 

aus der Bauchwand, Penis an der Wurzel abgeschnitten. 

Lsp Lig. suspensorium penis. (Cs, Ci Öberer und unterer 

Schenkel des äusseren Leistenrings. F'fi Fibrae intercolumnares, 
Ld, Sa, Pmj.* wie in Fig. 23. 


letzteren gebildete 
Sehne übergeht 
(Fig. 23,24 Pmj*). 
Die unterste Zacke 
des Obliquus geht 
fast vertical zum 
Becken herab; ihr 
freier Rand grenzt 
nach hinten ent- 
weder genau an 
den vorderen Rand 
des Beckenur- 
sprungs des La- 
tissimus oder wird 
von demselben in 
geringer Ausdeh- 
nung bedeckt oder 


es bleibt zwischen 


beiden eine 
schmale, aufwärts 
sich zuspitzende 
Spaltel), in wel- 
cher der M. ob- 
liquus int. sicht- 
bar wird (Fig. 23). 
Mit der inneren 
Fläche ist der M. 
oblig. ext. durch 
straffes Bindege- 
webe oben an die 
Rippen und die In- 
tercostalmuskeln, 
weiter abwärts an 
den M. oblig. int. 
angeheftet. An 
dieser Fläche em- 
pfängt er noch 
eine zweite, nicht 
ganz  beständige 
Reihe tieferer 
schmaler Zacken, 


welche von den vorderen Enden der oberen falschen Rippen entspringen 


(Fig. 28 Vae). 


) Triangulus Petiti aut. 


58 Obliquus ext. 


Der Uebergang der Muskel- in die Sehnensubstanz geschieht in einer 
rechtwinklig oder selbst spitzwinklig gebrochenen Linie mit abgerundetem 
Scheitel (Fig. 23.24). Der Eine Schenkel dieser Linie läuft gerade oder sanft 
wellenförmig gebogen, fast vertical neben dem lateralen Rande der Rectus 
herab, den er am oberen Ende medianwärts um Weniges überragt, während 
er gegen das untere Ende, wo der Rectus schmaler wird, lateralwärts von 
demselben zurückweicht; der andere Schenkel zieht horizontal längs dem 
oberen Rande des Hüftbeins von hinten nach vorn, anfangs dicht über dem 
Beckenrande, nach vorn sich von demselben erhebend. Der abgerundete 
Scheitel, in welchem jene verticale und diese horizontale Linie sich ver- 
einigen, liegt demnach medianwärts neben und über der Spina iliaca ant. 
sup. Die Fasern der Sehne haben zum Theil die gleiche Richtung mit den 
Muskelfasern, als deren Fortsetzungen sie erscheinen. Die hintersten oder 
untersten, den beiden untersten Muskelzacken entsprechend, heften sich 
nach kurzem Verlaufe an den oberen Rand des Darmbeins oder an die 
äussere Fläche dieses Knochens in der Nähe des oberen Randes bis zur 
Spina ant. sup., indem sie theilweise in die Fascie des M. gluteus med. über- 
gehen. Die Sehnen, welche aus den vier bis fünf oberen Muskelzacken sich 
entwickeln, reihen sich zu einem breiten und festen fibrösen Blatt anein- 
ander, welches vor dem M. obl. int. und rect. vorüber zur Mittellinie ver- 
läuft, mit dem medialen Rande in der Linea alba und mit der vorderen ab- 
gestumpften Spitze auf dem oberen Rande des Schambeins endet. 

Zwischen den an das Darmbein und den geradezu an das Schambein sich 
ansetzenden Fasern liegt noch eine Anzahl, deren Verlauf dadurch ver- 
wickelt wird, dass sie auf Gebilde treffen, welche über die Ineisura iliaca 
minor und major aus der Leibeshöhle heraus und an die Vorderfläche des 
Schenkels herabgehen, und dass sie mit diesen Gebilden theils Verbindun- 
gen eingehen, theils sich über dieselben hinwegschlagen. £ 

Lig. inguin. Zwischen der Spina iliaca ant. sup. und der Eminentia iliopectinea deckt 
°S _ derM.iliopsoas (Fig.25.Jp) den Rand des Beckens; von dem medialen Theile 
der Linea iliopectinea aus läuft der M. pectineus (Fe) lateralwärts herab, beide 

von Fascien bekleidet, welche an der Eminentia iliopectinea mit der Beinhaut 

des Beckens verwachsen sind. In der Aushöhlung zwischen der median- 
wärts abfallenden Fläche des M, iliopsoas und dem M. pectineus liegen die 
Schenkelgefässe, die Arterien lateral, die Vene in der Mitte, die Lymph- 
gefässe mit den Drüsen am nächsten der Medianebene. Der F. iliaca, 
welche im Becken den M. iliopsoas deckt, mischen sich, an der Austritts- 
stelle dieses Muskels aus dem Becken, vom oberen und vorderen Rande des 
Darmbeins her Faserbündel bei von hauptsächlich transversaler Richtung; 
unter diesen zeichnet sich ein mächtigerer Strang aus, den man wegen 
seiner besonderen Stärke, und weil er nach kurzem Verlaufe die Fascia iliaca 
wieder verlässt, als ein eigenthümliches, dieser Faseia eingewebtes Band 
betrachten darf. Ich nenne es Lig. inguinale ext.‘). Es entspringt von 

der Spina il. ant. sup. mit zwei platten Wurzeln, einer vorderen und hin- 
teren, die, mit den Flächen frontal gestellt und bald nach dem Ursprunge 


!) Ein nicht in Aufnahme gekommener Name, womit Hesselbach den gewöhnlich 
sogenannten Schenkelbogen bezeichnet. Der Schenkelbogen, Arcus eruralis (Lig. Fallopiae 


Obliquus ext. 59 


zusammentretend, einen kurzen und engen Canal umschliessen, in welchem der 


Fig. 25. 


N. cutaneus lat. (Nel 
Fig.25) nach aussen tritt. 
Sodann verläuft es quer 
in der Fascia iliaca, bis 
zu der Stelle, wo die 
Art. cerur. auf diese 
Fascie zu liegen kommt, 
und hier trennt es sich 
von der letzteren, um 
vor der Arterie vorüber- 
zuziehen. In den der 
Fascia iliaca eingeweb- 
ten Theil des Lig. in- 
guinale ext. und, soweit 
es aus zwei Schenkeln 
besteht, in seinen vor- 
deren Schenkel treten 
von oben her Sehnen- 
fasern des M. obl. ext.; 
aus demselben entsprin- 
gen, worauf ich zurück- 
komme, die untersten 
Bündel des M. obl. int. 
und transversus: nach 
abwärts sendet es Fasern 
aus, welche eine ober- 


Unterer Theil der vorderen Bauchwand mit dem oberen schlich 
Theile des sanft gebeugten und auswärts gerollten Schen- flächliche Lamelle der 
kels. Die oberflächliche Schenkelfaseie über dem M. sar- Schenkelfascie, über dem 
torius (Sar) der Länge nach eingeschnitten und nach bei- Sun 
den Seiten zurückgeschlagen. Die Fascie des M. iliopsoas = der Spina il. ant. sup. 
(Jp) schräg eingeschnitten, um die Faserung dieses Mu- entspringenden M. sar- 
skels und den N. cruralis (Nc) sichtbar zu machen. Die torius (Fig.25 Sar) bil- 
tiefe Schenkelfascie vom Ursprung des M, pectineus (Pe) da I ittal 
an abgeschnitten, Afl, Afm Mm. adduct. fem. long und n: = BASBANEN 
magn. Ne? N. cutaneus lateralis. Ac Arcus crurali. Durchschnitt gewähren 
Cs, @i oberer und unterer Schenkel des äusseren Leisten- diein dem Lig. inguinale 
rings. @ Lig. Gimbernati. 1 Samenstrang. 
ext. zusammentreffenden 
Fascien das Bild eines Andreaskreuzes. Der obere und untere Arm der 
Einen Seite gehört der Faseia iliaca (Fig. 26 Fil), von der anderen Seite 
gehört der obere Arm der Sehne des Obl. ext. (Oae), der untere dem 
oberflächlichen Blatte der Schenkelfascie (#'fs) an. Kurz vor ihrer Ver- 
schmelzung mit der Sehne des Obl. ext., und also gewissermaassen noch 
innerhalb des Beckens ist die Fascia iliaca mit einer anderen Fascie bereits 
“ zusammengetreten, der Fascia transversalis (7'i), welche die hintere Fläche 
8 ’ 


der vorderen Bauchwand oder den M. transv. abd. an seiner freien Fläche 


s. Poupartü s. Vesali aut. Lig. iliopubicum Velpeau) ist ein willkürlich abgegrenzter, 
von der Spina iliaca amt. sup. zum Tuberc. pubis gespannter Streifen Sehnensubstanz, 
welcher unser Lig. inguinale ext. nebst einem Stück des unteren Randes der Sehne 
des M. obl. ext enthält. 


Arcus 
cruralis 


60 Obliquus ext. 


überzieht, demnach einen der Sehne des Obl. ext. parallelen Verlauf hat, und 
unter dem gleichen Winkel, wie diese Sehne, sich an die Fascia iliaca anlegt. 
An der beschriebenen Kreuzform des sagittalen Durchschnitts erscheint da- 

Fir. 2%. durch der Eine obere Arm (hier 
der linke) verdoppelt. Der Raum 
zwischen den parallelen Linien 
bezeichnet die Mächtigkeit der 
Museulatur der Bauchwand und 
wird von den Durchschnitten 
des M. obl. int. (Oai) und Trans- 
versus (7'a) erfüllt; den Raum 
zwischen der inneren Parallel- 
linie und dem anderen oberen 
Arme nehmen Baucheingeweide 
ein; der nach oben offene Winkel 
selbst ist Boden der Bauchhöhle ; 
er ist durch ein Fascienblatt, wel- 
ches die in diesem Winkel late- 
ralwärts verlaufenden Vasa cir- 
cumflexa il. deckt, und durch 
den Uebergang des Peritoneum 
von der vorderen auf die hin- 
tere Wand ausgerundet. 

Mit dem Lig. inguinale ext. (ie) 
hängt endlich noch die Fascia 
superficialis (/"s), welche übri- 
genscontinuirlich von der Bauch- 


Sagittaldurchschnitt der Bauchwände und des Zur Schenkelgegend übergeht, 
Oberschenkels durch das Hüftgelenk, lateraleSchnitt- durch straffe Fasern zusammen. 


fläche. C’p Schenkelkopf. /p M. iliopsoas, zum iese F: “ - 
Theil schräg durchschnitten. Ip‘ Sehne dessel- De EN) befestigen 


ben. Sar M. sartorius. Rf M. rectus femoris. die Fascia superficialis und mit 
ihr die Haut an die tieferen 

Theile längs der Linie, welche in der Haut als Leistenfurche, Suleus 
inguinalis, erscheint und die Grenze zwischen Unterleibswand und Schen- 
kel bezeichnet. Vermöge der Kreuzung der genannten Bindegewebsblätter am 
Lig. ing. ext. findet ein Theil der Sehnenfasern des M. obl. ext. Gelegen- 
heit, in das oberflächliche Blatt der Schenkelfascie und in die Faseia iliaca 
überzugehen und durch Vermittelung der letzteren den Trochanter minor 
zu erreichen. Wo aber das Lig. inguinale ext. sich aus der Verbindung 
mit der Fascia iliaca löst, um quer vor den Schenkelgefässen vorüber zu 
gehen, da biegen auch die Fasern der Sehne des M. oblig. ext., die nächsten 
fast rechtwinklig, die median- und aufwärts folgenden in immer sanfteren Bo- 
gen um und streichen vor den Gefässen weg zur Gegend des Tub. pubis. 
Auch hier über den Schenkelgefässen ist der Rand der Sehne nicht frei; 
nach hinten biegt er, wie noch näher beschrieben werden soll, in die Fas- 
cia transversalis um; abwärts setzt er sich, worauf ich bei den Muskeln der 
unteren Extremität zurückkomme, in das oberflächliche Blatt der Schenkel- 
faseie fort und steht ausserdem nach vorn mit der Faseia superficialis, nach 


Obliquus ext. 61 


hinten und unten mit dem mehr oder minder straffen Bindegewebe der Ge- 
fässcheide in Zusammenhang. Doch ist die Sehne durch die Stärke, den 
parallelen Verlauf und den Glanz ihrer Faserung hinreichend charakterisirt, 
um reinlich, wenn auch zum Theil nur mittelst des Messers, von den angren- 
zenden Theilen geschieden werden zu können (Fig. 25). So im isolirten 
Zustande bildet ihr Rand den sogenannten Schenkelbogen, Arcus eru- 
ralis \), der sich brückenförmig von der Fascia iliaca zum medialen Ende 
der Linea iliopectinea spannt und von vorn und oben her die Lücke über- 
wölbt, durch welche die Schenkelgefässe aus dem Becken hervorkommen. 

Das Verhältniss des Lig. inguinale ext. zum Arcus cruralis ist ver- 
schieden. Bald verlieren sich die Fasern des Bandes unmerklich zwischen 
denen der Sehne, bald gehen sie um den unteren Rand ‘der Bauchwand 
herum auf die hintere Fläche derselben und in das Lig. inguinale int. 
(s. unten) über, bald strahlen sie vom unteren Rande her über die vordere 
Fläche der Sehne des M. obl. ext. aus, wo wir ihnen als Fibrae intercolum- 
nares sogleich bei der Beschreibung des Leistenrings wieder begegnen werden. Acusserer 

Die Sehne des M. ob]. ext., im oberen Theile der vorderen Bauchwand "“tenrine- 
gleichförmig fest und nur von kleinen rundlichen Oeffnungen zum Durch- 
tritt der Hautgefässe und -Nerven durchbrochen, erhält gegen den unteren 
Rand ein mehr streifiges Ansehen, indem die Fasern sich auf breitere und 
schmalere glänzende Bänder zusammendrängen, welche mit dünneren, durch- 
sichtigen Stellen alterniren oder selbst Lücken, durch welche die tiefere 
Muskelschichte hervorsieht, zwischen sich lassen. Eine solche Lücke findet 
sich beständig in der Nähe der vorderen Beckeninsertion, zwischen den 
Fasern, die an das obere Ende der Schambeinsynchondrose, und den Fa- 
sern, die an die Gegend des Tuberculum pubis treten. Die Divergenz der 
Fasern beginnt schon auf halbem Wege zwischen dem Ursprunge der Seh- 
nen am Muskel einerseits und ihrer Endigung am Knochen andererseits; 
jedoch schliessen transversale oder schräg aufsteigende, aus dem Lig. ing. ext. 
ausstrahlende Fasern, die bereits erwähnten Fibrae intercolumnares 2) (Fig. 
27 F’fi), den oberen Theil der Lücke und lassen zuweilen eine nur kreis- 
förmige, in der Regel jedoch in einer dem Faserzug der Sehne parallelen 
Richtung verlängerte, elliptische bis spaltförmige Oefinung übrig. Dies ist 
der äussere Leistenring, Annulus inguinalis ext. 3), durch welchen 
beim Manne der Samenstrang, beim Weibe das runde Mutterband aus der 
Bauchhöhle hervortritt. 

Die Sehnenfasern des M. obl. ext., so weit sie zur Begrenzung des äusse- 
ren Leistenrings beitragen, werden Pfeiler oder Schenkel desselben ge- 
nannt: man unterscheidet einen oberen Pfeiler, welcher zugleich der me- 
diale ist, und einen unteren, zugleich lateralen®). 

Der obere Pfeiler, Ürus superius, des äusseren Leistenrings setzt sich 
aufwärts ununterbrochen in das Sehnenblatt des M. obl. ext. fort; er ist, wie aus 


"OB BE WER 

D) Ich nehme das Wort hier in einem engeren, als dem gewöhnlichen Sinne, van 
nach es, wie bereits erwähnt, auf einen Sehnenstreifen bezogen wird, der lateralwärts bis ‘ 
an die Spina iliaca ant. sup. reicht. 

2) Fibrae collaterales, Winslow. 

3) Anmulus abdominalis s. abd. ext. Apertura ext. canalis inguinalis, vorderer, unterer, 
äusserer Leisten- oder Bauchring. 

*) Crus internum und externum aut, 


62 Obliquus ext. 


der eben gegebenen Darstellung hervorgeht, nichts Anderes, als der freie Rand 
des bis zur Mittellinie fortschreitenden Theils dieses Sehnenblattes selbst. 
Indem der rechte dem linken unter einem rechten oder spitzen Winkel be- 
gegnet, stellen sie in ihrer einfachsten Form eine Art Spitze oder Schneppe 
dar, mittelst welcher die Fasersubstanz der Linea alba an die Vorderfläche 


Vordere Bauchwand von vorn. Samenstrang (1) am Austritt aus 

der Bauchwand und Penis an der Wurzel abgeschnitten. Zsp Lig. 

suspensorium penis. 7fi Fibrae intercolumnares. ZdM. latiss. d. 
Sa M. serrat. ant. Pmj* Zacke des M. pect. maj. * S. p. 64 


derSchambeinsyn- 
chondrose mehr 
oder minder straff 
angeheftet ist. Oft 
gehen über diese 
Spitzen hinaus die 
untersten Fasern 
beider Sehnen in 
die Fascie der Ad- 
ductoren ihrer 
Seiteoder gekreuzt 
vondereinen Seite 
in die Fascie der 
Adductoren der 
anderen über; ein 
paar Fasern bie- 
gen zuweilen ge- 
gen den Rücken 
des Penis in des- 
sen Lig. suspenso- 
rium (Lsp) um. 
Der untere Pfei- 
ler des äusseren 
Leistenrings, Ür. 
inferius, macht 
eher den Eindruck 
eines selbstständi- 
gen Sehnenstran- 
ges. Er ist schmal 
und platt, mächti- 
ger, als der obere 
Pfeiler und durch 
den medianwärts 
absteigenden Ver- 
lauf seiner glän- 
zenden Fasern 
scharf gegen die 
Fascie des Obew 
schenkels, die sich 
von unten her an 
ihn anlegt, abge- 


setzt. Die Insertion am Becken nimmt, wie erwähnt, die Gegend des Tubere. 
pubis ein; sie reicht sowohl median- und abwärts, als auch lateral- und auf- 


Obliquus ext. 63 


wärts eine Strecke weit über dasselbe hinaus, so zwar, dass die den Bauchring 
zunächst begrenzenden, obersten Fasern des Stranges über das Tuberculum 
hinweg auf die vordere Wand des Beckens und, verschmolzen mit der la- 
teralen Sehne des Rectus, in die Fascie der Adductoren ihrer Seite aus- 
strahlen, die übrigen Fasern aber in der Reihe, wie sie nach abwärts fol- 
gen, sich vom Tubereulum an weiter lateral- und rückwärts an das vordere 
Ende der Crista ilio-pectinea und theilweise an die Fascia pectinea selbst 
ansetzen. Durch diese Art der Ausbreitung geht der unterste Theil der 
Sehne des Obliquus ext. in dem Maasse, als er sich dem Tuberc. pubis nä- 
hert, aus der anfänglich frontalen Lage seiner Flächen in die horizontale 
über; die oberen an der Vorderfläche des Schambeins haftenden Fasern bil- 
den, die Bauchwand von vorn betrachtet, die Fortsetzung des Schenkelbo- 
gens und den unteren scheinbar scharfen Rand der Sehne des M. obligq. ext.; 
ich werde sie, wo es auf genaue Bestimmung ankommt, eigentlichen un- 
tern Pfeiler des Leistenrings, Urus infer. annuli inguin. s. s., nennen. Die 
tieferen Fasern weichen hinter diesen Rand zurück und füllen den Winkel 
aus, den er mit dem vorderen Ende der Crista iliopectinea einschliesst. Sie 
stellen demnach ein dreieckiges Bändchen, Lig. Gimbernati (Fig. 25 @ }), dar, 
mit angeheftetem vorderen und hinteren, lateralwärts schauendem freien Rande; 
im isolirten Zustand plan, wird das Bändchen durch die Schenkelfascie, die 
sich längs einer vom freien Rande zum medialen Winkel verlaufenden Linie 
an seine untere Fläche ansetzt, abwärts gewölbt und in eine aufwärts offene 
Rinne verwandelt, in welcher der Samenstrang (das Lig. uteri teres) ruht, 
bevor er (es) aus dem Bauchringe hervortritt. 

Wird der Samenstrang und das lockere Bindegewebe, welches neben 
demselben das Lumen des Bauchrings erfüllt, weggenommen, so erscheint 
im Grunde des letzteren, als dessen hintere Wand ?) das querfaserige von 
den Sehnen der tieferen Bauchmuskeln gebildete vordere Blatt der Scheide 
des Rectus. Dasselbe lässt in der Regel den M. pyramidalis oder, wenn 
dieser fehlt, das verticalfaserige untere Ende des M. rectus hindurch- 
schimmern, dessen Sehne hinter dem oberen und vor dem unteren Pfeiler 
des Leistenrings über den Beckenrand herabsteigt. Je nachdem sodann der 
Bauchring lateralwärts mehr oder minder weit geöffnet ist, wird neben der 
Rectusscheide ein grösserer oder geringerer Theil der Sehnen und wohl 
auch der Muskulatur der tieferen transversalen Schichten sichtbar. Häufig 
trägt indess der M. obliq. ext. selbst zur Verstärkung der Hinterwand des 
Leistenrings bei. Das Gimbernat’sche Band endet nämlich nicht immer 
an der Crista iliopectinea; es überschreitet sie, verschiebbar mit seiner un- 


U) Doblez o pliegue del arco crural, Gimbernat (nuevo metodo de operar en la hernia 
erural. Madrid 1793). Ich brauche den Namen hier in dem Sinne wie Hey (practical 
observations on surgery, 3. Edit. Lond. 1815, p. 146) und Cloquet (recherches anatomiques 
sur les hernies de labdomen. Paris 1817, p. 60). Auf die Bedeutung, welche er bei ande- 
ren Autoren hat, komme ich bei Beschreibung des Schenkelcanals zurück, Cruveil- 
hier unterscheidet den eigentlichen unteren Pfeiler des äusseren Leistenrings und das 
Gimbernat’sche Band als portion directe und portion reflechie. Cooper (the anatomy 
and surgical treatment of abdominal hernia 2. Edit. Lond. 1827, p. 4) nennt das Gimber- 
nat’sche Band ‚‚dritte Insertion des M. obl, ext.“ 

®) Schenkelfläche (Facies int:reruralis) des vorderen Leistenrings Hesselbach (neueste 
Untersuchungen über den Ursprung und das Fortschreiten der Leisten- und Schenkel- 
brüche. Würzb. 1815, S. 4). 


64 Obliquus internus. 


teren Fläche an dieselbe angeheftet und setzt sich in dem vorderen Blatte 
der Scheide des Rectus, als vorderste Schichte desselben, bis zur Linea alba 
und demnach bis zur Vereinigung mit dem medialen Ende des oberen Pfei- 
lers des Leistenrings fort (Fig. 27 *). Der obere Rand dieser den Hinter- 
grund des Bauchrings auskleidenden Portion des Gimbernat’schen Bandes, 
man könnte es Lig. Gimbernati reflexum nennen !), ist dann entweder 
scharf, schräg medianwärts aufsteigend abgesetzt, oder er verliert sich in die 
Sehnenfasern des M. obliq. internus. 

Ich habe erwähnt, dass der spitzwinklig dreiseitige, mit der Spitze la- 
teralaufwärts gerichtete Schlitz, den die auseinander weichenden Sehnen- 
fasern des M. oblig. abd. ext. begrenzen, von der oberen Spitze her mehr 
oder minder weit hinab durch die Fibrae intercolumnares geschlossen wird. 
So erhält die obere Spitze des äusseren Leistenrings eine abgestumpfte, 
häufig eine abgerundete Form und da auch gegen das untere Ende dessel- 
ben die Pfeiler sich gegen einander neigen, so ist seine gewöhnliche Form 
die eines Ovals oder selbst einer Ellipse; die längste Axe hat beim Manne 
etwa 25 bis 30, die kürzere etwa 12 bis 15 Millim. Durchmesser. Jedoch 
sind Grösse und Form vielen Schwankungen unterworfen, die Form inson- 
derheit auch dadurch, dass die Fibrae intereolumnares von sehr wechselnder 
Stärke sind und an dem Verschlusse der Oeffnung einen wechselnden An- 
theil nehmen. Nicht selten, besonders bei Frauen, sind sie ganz unschein- 
bar; in anderen Fällen setzen sie sich in ansehnlicher Stärke trichterförmig 
auf die aus dem Leistenringe hervortretenden Gebilde, namentlich auf das 
Bindegewebe des Samenstrangs fort und dann kann man die Ränder der 
äusseren Leistenöffnung nur künstlich und mit einiger Willkür darstellen. 

Durchgängig sind im weiblichen Körper die Dimensionen des Leisten- 
rings geringer, als im männlichen. 

Var. Eine merkwürdige Anomalie des M. obliq. abd. ext. beobachtete Po- 
land (Guy’s hospital rep. 1841. Apr. p. 191) bei einem Subjeet, bei welchem 
mehrere Muskeln des Stammes unvollkommen entwickelt waren. Der genannte 
Muskel entsprang von den Körpern der sechs untersten Rippen, mitten zwischen 
Winkel und vorderem Ende des Rippenknochens und erhielt noch ein Fascikel 
vom vorderen Ende des achten Rippenknochens.. Er wurde sehnig in der Höhe 
des Nabels, heftete sich an das Becken in gewöhnlicher Weise, blieb aber ohne 
alle Verbindung mit der Scheide des Rectus, so dass neben dem lateralen Rande 
dieser Scheide der M. oblig. int. eine Strecke weit unbedeckt lag. 


2. M. obliquus internus, Oai?). 


2. Obl. int. Der Ursprung dieses Muskels nimmt die nach aussen abhängige Fläche 
des oberen Randes des Darmbeins vom Ende der Linea glutea posterior 
bis zur Spina iliaca ant. sup. ein, geht nach hinten mehr oder minder weit 
an der Fascia lumbodorsalis oder am Lig. lumbocostale hinauf und setzt 
sich von der Spina iliaca ant. sup. nach vorn auf das Lig. inguinale ext. 


I) Cloquet’s faisceau ü fibres rayonnees appartenant a la gouttiere du grand oblique. 
Pl. I, fig. 1. 8; Pl. II, J. Lig. inguinale in. Bourgery. Lig. triangulare Colles. 
Malgaigne undCruveilhier betrachten diese Faserausbreitung, die sie unter dem Na- 
men „Ligament de Coles‘‘ anführen, als Fortsetzung des oberen Pfeilers des Leistenrings 
der entgegengesetzten Seite. 

2) M. oblig. abd. internus s. ascendens s. obligue ascendens. Innerer schiefer Bauch- 
muskel. Petit oblique. 


Obliguus int. 


65 


und zuweilen noch weiter auf die innere Fläche des Schenkelbogens fort. 
Er ist in dieser ganzen Ausdehnung sehnig; doch gehen alsbald die Sehnen 
in Muskelbündel über, welche fächerförmig, die hintern oder obern schräg 
und allmälig geneigter auf- und vorwärts, die an der Spina iliaca entsprin- 
senden horizontal, die vordersten dem Schenkelbogen parallel schräg ab- 


wärts sich ausbreiten. 


KES 
SE 


DE 
SEE 
II 


SS 
SS 
ET 


IS 
SEES 


——G 


I 


Bauchwand im Profil. Der M. obl. abd. ext. dicht unter 
den Rippenursprüngen, über dem Beckenursprunge und am 
Schenkelbogen abgeschnitten; der Beckenursprung nach un- 
ten umgeschlagen. Oae7 Schnittrand desM. obl. abd. ext. 
längs der Verbindung mit dem Obl. abd. int. Je, Ji M. 
intercost. ext. und int. **Lateraler Rand der Scheide des 
Rectus. ***Knorpelstreif und Inscriptio tendinea in der 
Flucht der elften Rippe s. Var. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 


Das auf diese Weise 
zusammengesetzte Mus- 
kelblatt ist gegen die 
Insertionssehne, gleich 
dem Muskelblatt des 
M. oblig.ext., durch eine 
recht- oder spitzwinklig 
gebrochene Linie abge- 
grenzt, ebenfalls mit ei- 
nem verticalen undeinem 
horizontalen Schenkel, 

deren horizontaler 
Schenkel aber dem unie- 
ren Rande des Brust- 
korbs parallel und dicht 
unterhalb desselben hin- 
läuft, und deren Scheitel 
sich unterhalb der vorde- 
ren Spitze des zehnten 
Rippenknorpels findet. 

DieInsertion der Sehne 
am Brustkorb erfolgtmit- 
telst drei Dentationen, 
die sich treppenförmig 
an den unteren Rand der 
Spitze der zwölften Rip- 
pe, an den je die nächst 
untere Rippe überra- 
genden Theil der elften 
und zehnten Rippe an- 
setzen und in den Inter- 

costalräumen überall 
continuirlich mit den 
vorderen Rändern der 
Mm. intercostales intt. 
zusammenhängen. Die 
Muskelfasern, welche 
sich zunächst an die 
vorderste Rippeninser- 
tion anschliessen, ver- 
laufen der neunten Rip- 
pe parallel, durch straffes 


9) 


66 Obliquus int. 


Bindegewebe an den M. transversus und durch Vermittelung dieses Muskels 
an den unteren Rand der Rippe befestigt. Sie setzen sich, wie die abwärts 
folgenden, in Sehnenfasern fort, die an der Bildung beider Blätter der 
Scheide des M. reetus Antheil nehmen, indem sie, die Einen vor dem M. 
rectus, die anderen hinter demselben her zur Linea alba ziehen. Die Lamelle 
der Sehne des Obl. int., welche vor dem Rectus verläuft, wird von der Sehne 
des M. oblig. ext. bedeckt und ver- 
Fig. 29. schmilzt unzertrennlichmitihr (Fig.29). 
Die Verschmelzung erfolgt im oberen 
Theile der Bauchwand am lateralen 
Rande des Rectus; in der Gegend der 
zweiten Inscription dieses Muskelsrückt 
die Verschmelzungsgrenze median- 
wärts vor und entfernt sich um etwa 
den dritten Theil der Breite des Rec- 
tus vom lateralen Rande desselben, 
von der vierten Inscription an rückt 
sie allmälig noch weiter medianwärts, 
so dass über dem unteren Ende des 
Rectus die Sehne des Obl. externus 
sich bis zur Linea alba von der Sehne 
des Obl. internus ablösen lässt (Fig.30). 
Die hinter dem Rectus verlaufende La- 
melle der Sehne des M. obl. int. fliesst 
mit der Sehne des M. transversus zu- 
sammen, reicht aber nur bis zur vier- 
ten Inscription des Rectus oder etwa 
bis zur Mitte zwischen Nabel und Be- 
Horizontalschnitt der Bauchwand durch den ekenrand, von welcher Stelle an die 
Körper des dritten Bauchwirbels. #ld Fas- Sehne des Transversus das vordere 
Yan. lambocsstale. Ip M. ütonsons. Gin Blatt der Scheide des Rectus bilden 
quadr. lumb. Zd@M. latissimus dorsi. Oae, hilit. 
Oai Mm. oblig. abd. ext. u. int. Ta M. In demselben Maasse, wie die Ver- 
transv. abd. Ra M. rectus abdominis. u 
schmelzungsgrenze der Sehnen des 
M. obl. ext. und int., nähertsich in dem 
letztgenannten Muskel auch die Grenze 
der Muskel- gegen die Sehnensubstanz von oben nach unten allmälig der 
Medianebene. Längs des grössten Theils des Muskels reichen die Fleisch- 
fasern bis nahe an die laterale Kante der Scheide des Rectus oder bis an 
die Kante selbst, und die Sehne geht sogleich in zwei Blätter gespalten aus 
dem Muskel hervor. Gegen das untere Ende aber, von der Stelle an, wo 
die Sehnenfusern des Transversus sich auf die vordere Fläche des Rectus 
wenden, erhalten sich die Fasern des M. obliq. int. über den lateralen Rand 
des Rectus hinaus fleischig.. Die untersten gerathen zugleich in eine Art 
von Unordnung, indem die tieferen Fasern zum Theil unter spitzem Win- 
kel über die höher entspringenden hinweggehen und einzelne schmale und 
platte Bündel mit selbständigen Sehnen fast bis zur Mittellinie vordringen, 
um sich in der Fascia des M. pyramidalis zu verlieren oder hinter dem 


Transversus abd. 67 


unteren Pfeiler des Leistenrings an das Tuberculum pubis und die Crista 
iliopectinea zu befestigen. 

Einzelne der untersten oder nächst untersten Bündel sind es, welche 
als Cremaster !) mit dem Samenstrange aus dem äusseren Leistenringe her- 
vortreten in Form einer Anzahl abwärts convexer Schleifen, von denen die 

Fio. 30. längsten schleuderartig unter dem 
Testikel herumgehen, so ala ob 
derselbe sie beim Durchtritt durch 
den Bauchmuskel gedehnt und 
vor sich her getrieben hätte, in- 
dess die kürzeren und flacher 
gebogenen in der vorderen, sel- 
tener in der hinteren Wand des 
Samenstrangs angeheftet liegen. 
Im weiblichen Körper geht das 
Lig. uteri teres häufig am unte- 
ren Rande des Obliq. int. und 
Transversus vorüber; durchsetzt 
es aber den Obliquus, so schiebt 
es ebenfalls Bündel dieses Mus- 
kels, die dem Cremaster analog 
sind, vor sich her. 


Var. Der M. obl. int. giebt zu- 
weilen den vier untersten Rippen 
Insertionen. Die Insertion, welche 
zur zehnten Rippe aufsteigi, ist von 
der Spitze der elften an durch eine 
sehnige Inscription unterbrochen, so 
dass vom M. obl. abd. int. eine Art 
Intercostalmuskel abgegrenzt wird, 
der von der genannten Inscription 
zur Rippe aufwärts steigt. Einige 
Male fand ich im vorderen Theile 
der Inseription einen schmaler und 
kurzen Knorpelstreifen (Fig. 28, 
30 ***), Alles Zeugnisse für die Iden- 
tität der Inscriptionen mit Rippen 
und des M. oblig. int. mit inneren 
Bauchwand von vorn; M. obl. ext. durchschnitten Intercostalmuskeln. 
und weggenommen wie in Fig. 28. nur noch 
dichter an den Rippenursprüngen, so dass die 3. 
tiefen Zacken (Oae‘) sichtbar werden. ie Lig. 
inguin. ext. 1 Samenstrang. Die übrige Be- 

zeichnung wie in Fig. 28. 


M. transv.abdominis, Ta. 


Entspringt mit sechs platten Za- 
cken von den sechs die untere 
Oeffnung des Brustkorbs begrenzenden Rippen, mit einem continuirlichen Blatt 
vom Lig. lumbocostale und durch dessen Vermittelung von den Querfortsätzen 
sämmtlicher Bauchwirbel, sodann vom inneren Abhange des oberen Darm- 
beinrandes und vom Lig. inguinale ext. gedeckt durch den Ursprung des 
M. oblig. int., von dem der Transversus indess gewöhnlich nach vorn und 


t) Hodenmuskel. 


5* 


3. 


Trausv. 
abd. 


68 Transversus abd. 


hinten etwas überragt wird. 


Die Rippenursprünge haften an der inneren 


Fläche der Knorpel, dicht vor deren Verbindung mit dem Knochen, treten 
also unter dem Rande des Brustkorbs um so weiter nach hinten hervor, 
von je tieferen Rippen sie abgehen; sie werden durch die Rippenursprünge 
des Zwerchfells, die sich zwischen sie einschieben, anfänglich auseinander 
gehalten, vereinigen sich aber alsbald unter dem Rande des Brustkorbs. 


Fig. 31. 


— \ 
N 3 hl h \ 
/ {RUREITEATRLDBIERLENUNN THAI 

IN —N 


Vordere Bauchwand.. M. obliq. abd. ext. und 
int. bis auf die herabgeschlagenen Beckenur- 
sprünge entfernt. Die Scheide des Rectus durch 
einen Verticalschnitt geöffnet. Der mediale Theil 
des vordern Blattes, Vra, mit den Spuren der 
Verwachsungsstellen des M. rect. abd. an den 
Inseriptiones tendineae zurückgeschlagen. M. rect. 
bis auf Ursprung und Insertion ausgeschnitten. 
Tta M. transv. thorant. 1, Samenstrang, 
2, Vasa epigastrica. 


Die ganze Reihe der Ursprünge 
liegt in einer stark gekrümmten, 
medianwärts concaven Linie. 
Längs einer Linie von gleicher, 
nur minder steiler Krümmung !) 
gehen die Muskelfasern des Trans- 
versus in die Insertionssehne über. 
Die oberste Zacke, an deren obe- 
renRandsich unmittelbar der spä- 
ter zu beschreibende M. transver- 
sus thoraeis ant. (Fig. 31 T'ta)an- 
schliesst, inserirt sich kurzsehnig 
an den Schwertfortsatz; von da 
an weicht die Grenzlinie zwi- 
schen Muskel- und Sehnensub- 
stanz bis zur vorletzten Rippen- 
zacke dem Rande des Brustkorbs 
ziemlich parallel lateralwärts zu- 
rück, und dringt erst gegen das 
untere Ende des Muskels wieder 
medianwärts vor. Die drei obe- 
ren Rippenzacken liegen ganz 
und die vierte zum grössten Theil 
hinter dem Rectus; sie sind zu- 
nächst bedeckt von einer am 
Rande des Brustkorbs entsprin- 
genden Fascie, mit welcher sich 
die Fasern der hinteren Lamelle 
der Sehne des M. obl. int. mischen 
und von dieser Lamelle selbst, 
welche sich von den Muskelfasern 
abziehen lässt, aber mit der Sehne 
des Transversus bald untrennbar 
verwächst.e. Von der zehnten 
Rippe an erreichen die Muskel- 
fasern nicht mehr den lateralen 
Rand der Scheide des Reectus, 
und gerade an diesem Rande 
findet die Verschmelzung der 


Sehne des Transversus mit dem hinteren Sehnenblatt des Oblig. int. Statt. 


\) Linea semihimaris Spigelü aut. 


Fascien der Bauchwand. 69 


Einige Zoll unterhalb des Nabels, in gleicher Höhe mit der vierten 
Inscription des Rectus, wenn eine solche vorhanden ist, erhalten die Sehnen, 
die zur. Bildung der Scheide des Rectus beitragen, plötzlich eine andere 
Anordnung. In dieser Gegend verdünnt sich nämlich das hintere Blatt 
dieser Scheide ; das glänzend fibröse, querstreifige Gewebe desselben endet 
mit scharfem, conecavem Rande D), und nur eine dünne gleichförmige Binde- 
gewebsschichte deekt von hier an die hintere Fläche des Muskels. Die 
Sehnenfasern des Transversus, welche bis dahin in jene fibrösen Streifen 
des hinteren Blattes der Scheide des Rectus sich fortsetzen, schlagen sich 
unterhalb des erwähnten Randes auf die Vorderfläche des Rectus hinüber 
und bilden nunmehr das vordere Blatt seiner Scheide, mit welchem erst die 
Sehne des Oblig. int. und weiter medianwärts die Sehne des Obliq. ext. 
sich vereinigt. Unten, dicht über dem Becken, verwachsen die Sehnenfasern 
des 'Transversus mit dem lateralen Rande der Sehne des Rectus. Der 
scharfe Rand aber, mit welchem im hinteren Blatte der Scheide des Rectus 
die Sehne des Transversus zu enden scheint, ist nur das obere Ende eines 
tiefen, halbmondförmigen, mit der Concavität medianwärts gerichteten Aus- 
schnitts, der offenbar zu Gunsten der Vasa epigastrica existirt und den 
Eintritt dieser Gefässe in die Scheide des Rectus gestattet. Genügte dazu 
auch eine kleinere Oeffnung, so kann es doch für die Bewegung des Blutes 
im Stamme der Art. und Vena epigastrica nur förderlich sein, dass ihnen 
nicht die straffe Fascie, sondern der lufthaltige und daher elastische Darm 
zur Unterlage dient. 

Ein Zweig der Art. und Vena circumfl. ilium geht zwischen dem M. oblig. 


abd. int. und transv. vom Schenkelbogen aus in die Höhe und trennt die beiden 
Muskeln. Dennoch, da sie beide gegen den unteren Rand in Bündel zerfallen, die 
nicht immer parallele Richtung einhalten, ist es zuweilen schwer, genau zu bestim- 
men, was dem Einen und anderen Muskel angehört, und es kann scheinen, als ob 
auch der Transversus mit einzelnen Fasern unterhalb des Samenstrangs verlaufe 
und sogar Fasern in den Cremaster abgebe. Keinenfalls aber ist dies die Regel, 
und meine Beobachtungen stimmen darin mit denen Scarpa’s (Sull’ ernie. Pavia 
1819. p. 5) überein, dass der Samenstrang normal unterhalb des unteren Randes 
des M. transversus die Bauchwand durchbricht. Im Uebrigen variirt die Ausdeh- 
nung des Ursprungs beider Muskeln vom Schenkelbogen, sowie auch die unter- 
sten Bündel mit ihren Insertionen an der Scheide des Rectus und am Tub. pubis 
vielfach übereinandergreifen. Vergl. Knox, Lond. med. gaz. Vol. XXXIIL p. 536. 
Oetters sah ich Bündel des Cremaster von der Fascia transversalis entspringen. 


Fascien der Bauchwand. 


Die Faseia superficialis ist mit den fibrösen Gebilden der Bauchwand yaseien 
straffer verbunden längs der Linea alba, am Nabelringe und, wie bereits er- F- superfic. 
wähnt, längs der von der Spina il. ant. sup. zum unteren Pfeiler des Bauch- 
rings schräg absteigenden Linie, in welcher die Sehne des M. obl. ext. mit dem 
oberflächlichen Blatte der Schenkelfascie zusammenstösst. Das Bindegewebs- 
blatt (Fig. 26. F's‘), welches sich horizontal oder richtiger rückwärts absteigend 
zwischen der inneren Fläche der Faseia superficialis und dem Schenkelbogen 
erstreckt ?), dient zugleich, die Saugadern der unteren Fläche der Bauch- 


2) Linea s. Plica semilumaris Douglassü aut. 
2) Fascia Scarpae Struthers (Monthly Journal 3. ser. Vol. IX. p. 405). 


F. 


trausv. 


70 Fascien der Bauchwand. 


wand zu den Inguinaldrüsen und die Vasa epigastr. extt. von den Schenkel- 
gefässen aus zur vorderen Bauchwand zu leiten. Der an den unteren 
Pfeiler des Bauchrings angeheftete Theil der Faseia superf.1) wird zur 
äusseren Hülle des aus dem Bauchringe hervortretenden Samenstrangs (und 
ebenso der aus dem Bauchringe hervortretenden Hernien, denen er die 
Richtung nach dem Serotum giebt). Je mehr Fett die Faseia superf. ent- 
hält, desto grösser ist — in sagittaler Richtung — die Ausdebnung des ge- 
dachten Blattes; in mageren Körpern dagegen liegt es dicht auf der Sehne 
des M. obliq. ext. mit Faserbündeln, welche mit den Fibrae intereolumnares 
gleiche Richtung haben und sich auf- und medianwärts verlieren. 

Zwischen den Bauchmuskeln finden sich dünne Bindegewebsschichten, 
welche zuweilen den Charakter fibröser Faseien annehmen. 


Fig. 32. 


Vordere Bauchwand, hintere Fläche nach Entfernung des Bauchfells, 
der Samenstrang (1) beim Eintritt in die Bauchwand abgeschnitten, die Harnblase (3) 
über dem unteren Ende abgeschnitten und zurückgeschlagen. pp Ligg. puboprostatica. 
Ra M. rectus abd. ‘A. Adminiculum lineae albae. 


Auf der inneren Fläche des M. transversus bleibt, wenn man das locker 
angeheftete Peritoneum von derselben abgelöst hat, eine Lage Bindegewebe 
zurück, die besonders in der Nähe des unteren Randes glänzend sehnenartig 
und in parallele Faserzüge geordnet ist. Dies ist die Fuscia transversalis ; 


1) Septum inguinale ext. Petr&quin. 


Fascien der Bauchwand. zei 


die stärkeren Faserzüge des unteren Randes!) gelien von der Gegend des 
medialen Endes der Linea iliopectinea nach zwei Richtungen ab, die Einen, 
Lig. inguinale int. lalerale?), parallel dem Schenkelbogen, also mit ge- 
ringer Steigung lateralwärts, die anderen, Lig. ing. int. mediale >), steil 
medianwärts aufsteigend. 

Das Lig. ing. int. laterale ist ein platter, an seinem Ursprunge zien- 
lich mächtiger Sehnenstreifen, der sich gegen die Spina il. ant. sup. hin 
fächeriörmig zertheilt und verliert. Den Fasern, welche hinter der Inser- 
tion des Gimbernat’schen Bandes und lateralwärts von derselben an der 
Linea iliopectinea und an der Fascia pectinea entspringen, gesellen sich in 
der Regel noch einige Bündel bei, welche vom oberen Rande des Adminiculum 
lineae albae (Fig. 32 A) geradezu in den oberen Rand des Lig. ing. int. laterale 
umbiegen. Die Ausstrahlung dieses Bandes geschieht gegen die Stelle, wo 
sich der Schenkelbogen von der Fascia iliaca trennt, in der Weise, dass 
der obere Theil der Fasern sich bogenförmig an der vorderen Bauchwand 
hinaufzieht, der untere Theil in die Fascia iliaca übergeht. Nur wenige 
setzen sich in das Lig. ing. ext. fort; die untersten neigen sich im Bogen 
abwärts, um den spitzen Winkel zwischen der Fascia iliaca und dem Schenkel- 
bogen auszurunden (Fig. 25). Während das Lig. ing. int. lat. aufwärts sich in 
die unentschiedene Faserung der Fascia transversalisallmälig verliert, tritt es 
am unteren Rande mit der Sehne des M. obliquus ext., die den Schenkel- 
bogen bildet, zusammen und schliesst so die Rinne, in welcher die untersten 
Bündel des M. obl. int. und transvers. abd. und der Samenstrang (das Lig. 
uteri teres) ruhen. 

DasLig. ing. int. mediale ist in Ausdehnung und Stärke verschieden. 
Es ist mitunter auf einige Faserbündel redueirt, welehe durchkreuzt mit 
den Ursprüngen des gleichnamigen äusseren Bandes, lateralwärts neben 
der Sehne des Reetus von der Linea iliopectinea entstehen und sich in me- 
dianwärts aufsteigender Richtung an den Rand des Reetus sämmtlich so 
anlegen, dass sie nur wie eine Ausbreitung der lateralen Sehne des Rectus 
erscheinen. In der Regel ist das Ligament breiter; dann erstreckt sich die 
Basis desselben auf den freien Theil des Lig. ing. int. laterale; seine seit- 
lichsten Fasern entspringen an dem Schenkelbogen und verlieren sich neben 
dem Rectus in der Fascia transversalis. 

Der laterale Rand des Lig. ing. int. mediale bildet mit dem oberen 
Rande des Lig. ing. int. laterale einen stumpfen Winkel, welcher durch bo- 
genförmig von dem Einen Rande auf den anderen übergehende Fasern aus- 
gerundet wird. Diese bogenförmigen Fasern begrenzen von der medialen und 
unteren Seite den inneren Leistenring, Ann. ing. int. %), wie die Lücke der 
Fascia transversalis genannt wird, an welcher die Elemente des Samenstrangs, 
das Vas deferens und die Vasa spermatica intt., sich begegnen, um vereint den 


») Lig. inguinale int. Hesselbach. 

2) Aeussere Portion der Fascia transversalis Cooper (a... 0. Part II. Taf. 3. Fig. 5 f). 
Aeusserer Schenkel des inneren Leistenrings Hesselbach. Bandelette ilio - pubienne 
Thomson. 

3) Innere Portion der Fascia transversalis Cooper (a. a. O. 9). Innerer Schenkel 
des inneren Leistenrings, Hesselbach. 

1) Annulus abdominalis int. Apertura int. can. inguinalis. Innerer, oberer oder hinterer 
Leistenring. 


Lig. ing. 
lat. 


Lig. ing. 
med. 


Ann. ing. 
int. 


72 Fascien der Bauchwand. 


Weg durch die Bauchwand fortzusetzen. Auf diesem Wege werden sie von 
einer Lage Bindegewebe begleitet, welches mit der Fascia transversalis zu- 
sammenhängt und sich demnach als eine aus der letzteren hervorgestülpte 
blindsackige Scheide — Proc. vaginalis fasciae transv. Nuhn!) — betrachten 
lässt. Der innere Leistenring wäre alsdann der Eingang dieses Proc. vagi- 
nalis, seine scharfe untere Begrenzung wäre eine Falte — Plica semihmaris 
Faseide transversalis, Krause — in deren Rande die eigentliche Fascia 
transversalis und die untere Wand des Proc. vaginalis unter einem sehr 
spitzen Winkel aneinanderstossen, während in die obere Wand der Aus- 
stülpung die Fascia transversalis fast eben und ohne scharfe Grenze über- 
geht 2). 


Ich bemerke wiederholt, dass diese Beschreibung der Fascia transversalis nicht 
auf alle Fälle passt. Zuweilen fehlt jede Spur der stärkeren Faserzüge, hiermit 
auch die Pliea semilunaris, und die Bindegewebsbekleidung der hinteren Bauch- 
wand erstreckt sich ganz Bene bis zu der Stelle, wo die Elemente des 
Samenstrangs in die Bauchwand eintreten. Offenbar bedingen die Verschieden- 
heiten der Stärke der Plica semilunaris die Grade der Disposition zu den soge- 
nannten äusseren Leistenbrüchen, die ich als Hernien des Proc. vaginalis zu = 
zeichnen vorziehen würde, und zwar die angeborenen als Bene] des Proc. va- 
ginalis peritonei, die erworbenen als Hernien des Proc. vaginalis fasciae trans- 
versalie. Je schärfer und gespannter die Plica semilunaris, desto ungleicher wird 
die Widerstandsfähigkeit der vorderen Bauchwand, und desto Tsichier wird durch 
Ausdehnung der oberhalb der Piica gelegenen Region (der Schenkelfläche des 
inneren Leistenrings) der Eingang des Proc. vaginalis erweitert, während zugleich 
die Festigkeit des Lig. ing. int. mediale, die a äusseren Leistenringe gegenüber 
die Bauchwand verstärkt, einen Schutz gegen sogenannte innere (eigentliche oder 
directe) Leistenbrüche verleiht. 


Der innere Leistenring liegt oberhalb des lateralen Theiles des Schen- 
kelbogens; der tiefste Punkt der Plica semilunaris ist vom Schenkelbogen 
in verticaler Richtung um $8mm entfernt. Die Entfernung des inneren Leisten- 
rings vom äusseren beträgt 4—5 Centimeter (11/; Zoll). Dies ist also die Länge 
des Weges, welchen Gefässe und Ausführungsgang des Testikels innerhalb 
der Bauchwand zurücklegen. Vom Processus vaginalis fasciae transversalis 
allmälig enger umschlossen, gehen sie zuerst eine kurze Strecke schräg 
hinter dem Transversus herab, stossen am unteren Rande desselben auf den 
Obliquus int. und bilden sich aus den Fasern desselben eine zweite, äussere, 
aber unvollständige, in vereinzelte Schleifen auseinanderweichende Scheide, 
mit welcher sie aus dem äusseren Leistenringe hervortreten, um als äusserste 
Scheide einen Fortsatz der Fascia superficialis vor sich her zu treiben. 
Dieser Fortsatz verhält sich zur Faseia superfieialis wie der Cremaster zum 
M. oblig. int. und wie der Proc. vagin. der Fascia transversalis zur Ausbrei- 
tung dieser Fascie an der hinteren Fläche der Bauchwand. Nur darf man 
den Ausdruck, dass der Testikel die verschiedenen Hüllen, die er von der 
Bauchwand erhält, beim Herabsteigen aus der Bauchhöhle „vor sich her- 


5) Untersuchungen und Beobachtungen aus dem ir der Anatomie, Physiologie 
und practischen Mediein. Heft I. Heidelberg 1849. S. 

*) Die, von der Bauchhöhle aus betrachtet, etwas Enaht, zunächst oberhalb der 
Plica inguinalis int. gelegene Fläche ist Hesse nakuk „Schenkelfläche des hinteren 
Leistenrings“. 


Bauchmuskeln. 73 


treibe“, nicht für eine Darstellung des Thatsächlichen halten, da schon der 
Processus vaginalis des Bauchfells, welcher zu einer Zeit, wo der Testikel 
noch in der Bauclhhöhle liegt, das Scrotum auskleidet, alle jene Hüllen 
besitzt). 


Der erste Erfolg einer Zusammenziehung der Bauchmuskeln ist offenbar Ver- 
engung der Bauchhöhle; sie wird dadurch erzielt, dass die Curven, welche die 
Muskelfasern zwischen ihren Anheftungs- und Insertionspunkten in der gewölbten 
Bauchwand, beschreiben, sich bei der Zusammenziehung der Fasern abzuflachen 
und einer geraden Linie zu nähern streben. Die Fasern der transversalen Bauch- 
muskeln beider Körperhälften, welche einander in der Lineaalba begegnen, müssen, 
weil diese Insertionspunkte selbst beweglich sind, als einfache, in der vorderen 
Mittellinie sehnig unterbrochene Bogen angesehen werden. Sie ziehen den Bauch 
ein; die Recti werden dabei passiv gegen die Wirbelsäule herangezogen. Man 
kann an die Möglichkeit denken, dass der M. oblig. ext. die Function habe, mit- 
telst des unteren Theils der Bauchwand die Eingeweide aufwärts zu heben, der 
M. oblig. int. dagegen mittelst des oberen Theils der Bauchwand die Eingeweide 
herab- und den Inhalt derselben gegen die Oeffnungen zu drängen bestimmt sei. 
Dazu gehörte aber vor Allem der Beweis, dass die Schichten der Bauchwand ein- 
zeln und unabhängig von einander zu wirken vermöchten. Weder die directe 
Beobachtung, noch die Vertheilung der Nerven sprechen dafür. Es scheint viel- 
mehr die Thätigkeit der Bauchmuskeln bei der Bauchpresse eine gemeinschaftliche 
und gleichmässige zu sein und das Resultat, aus welcher Oeflnung und ob nach 
oben oder unten Entleerung erfolge, von der Spannung und Mitwirkung der 
Wände der Canäle und von dem relativen Widerstande der Schliessmuskeln ab- 
zuhängen. 

Erst dann, wenn die Muskelfasern der Bauchwand sich dem gestreckten Ver- 
laufe so weit genähert haben, als die Zusammendrückbarkeit des Inhaltes der Bauch- 
höhle es gestattet, beginnt ihr Angriff auf die Skeletttheile, mit welchen sie in 
Verbindung stehen. Die Folge dieses Angriffs ist, wenn die Muskeln beider Kör- 
perhälften zusammenwirken, Vorwärtsbeugung der Wirbelsäule, und dazu tragen 
die einzelnen Muskeln um so mehr bei, je näher der vorderen Mittellinie sie liegen, 
und je näher der Verticalen die Richtung ihrer Fasern ist. Die kräftigsten An- 
tagonisten der Rückgratsstrecker sind also allerdings die Mm. recti, doch muss 
auch den transversalen Muskeln ein Antheil an der Beugung des Rumpfes zuge- 
standen werden: sie vollziehen sie theils direct, durch ihre zwischen Becken und 
Rippen ausgespannten Fasern, theils indirect. Indem nämlich die Fasern des M. 
oblig. int. und transversus die Linea alba fixiren, gewähren sie dem in der Linea 
alba endigenden Theile des M. obligq. ext. einen Stützpunkt, um von da aus die 
Rippen herabzuziehen, und so kann man, wenn es auf Beugung des Rumpfes an- 
kommt, den Oblig. ext. der Einen Seite als Fortsetzung des M. obliq. int. der 
anderen betrachten. 3 

Je resistenter der Inhalt der Bauchhöhle, um so mehr kommt Jie Zusammen- 


!) Ein Leistencanal, Can. inguinalis, wie er in den Handbüchern beschrieben wird, 
der die Bauchwand in schräg medianwärts absteigender Richtung durchbohren soll, mit 
dem inneren Leistenringe als innerer, dem äusseren Leistenringe als äusserer Mündung, 
existirt nicht. Der innere Leistenring führt in den vom Proc. vaginalis fasciae transver- 
salis und vom Cremaster umschlossenen Trichter; der äussere Leistenring führt über dem 
Samenstrang in einen unregelmässig begrenzten Raum, von welchem aus man durch Lö 
sung der lockeren Bindegewebslagen, welche die einzelnen Schichten der Bauchwand u) 
einanderheften, in die Zwischenräume dieser Schichten, also auch in den Raum zwische 
den M. transversalis und der Fascia desselben gelangen, endlich mittelst Durchbrechung 
des Oblig. int. und dieser Fascie den Ausweg aus dem inneren Leistenring gewinnen kann. 
Den Namen eines Canals trägt diese Bahn mit nicht besserem Rechte, als ihn eine der 
Lücken tragen würde, wen zum Behuf des Durchtritts der Nervenzweige sich in der 
Bauchwand finden. 


Physiol. 
Bemerk. 


74 Zwerchfell. 


ziehung der Bauchmuskeln den Bewegungen des Stammes zu Gute. Deshalb 
drängt man instinktmässig vor jeder Anstrengung durch tiefe Inspiration das 
Zwerchfell herab. Umgekehrt muss die Wirbelsäule mittelst ihrer Streckmuskeln 
fixirt werden, wenn die Bauchmuskeln ihr Aeusserstes in Compression der Bauch- 
höhle leisten sollen und namentlich, wenn sie durch stossweise, heftige Zusammen- 
ziebungen, wie beim Husten, die Luft aus der Brusthöhle treiben sollen. Auf den 
Antheil der Bauchmuskeln an den Bewegungen der Rippen komme ich bei den 
Brustmuskeln zurück. 


Aus der oben ($. 60) beschriebenen und abgebildeten Verbindung der Sehne 
des M. oblig. ext. mit der Fascia iliaca und mittelbar mit dem T’rrochanter minor 
des Schenkelbeins erklärt es sich, warum bei gestrecktem Rumpf und Schenkel 
die Bauchwand gespannt ist, und warum der Schenkel gegen den Rumpie gebeugt 
werden muss, wenn die Bauchwand und namentlich der Schenkeibogen (zum Behuf 

» der Reduetion von Brichen) erschlafft werden sollen. Der Ursprung einiger 
Bündel des M. obligq. int. und transy. vom Schenkelbogen hat die Nebenwirkung, 
dass bei allgemeiner Contraction der Bauchwände der Schenkelbogen von den 
Schenkelgefässen abgehoben und die Lücke besonders vor der Durchtrittsstelle 
der Arterie vergrössert wird. 


Was die dem M. rectus eigenthümlichen Inscriptionen betrifft, so hat man sich 
über ihre Bedeutung allgemein verständigt: man hält sie für Analoga von 
Rippen (Bauchrippen, wie sie beim Krokodil existiren) und sieht in der Linea 
alba ein fibröses Analogon des Brustbeins, an welchem die fibrösen Rippen von 
beiden Seiten her zusammenstossen. Die Frage nach dem Zweck der Inscrip- 
tionen dagegen ist nur von Wenigen erörtert worden. Cruveilhier widerlegt, 
was nicht schwer ist, die ältere Meinung, als ob die Vervielfältigung der Fasern, 
die eine Folge ihrer Zerlegung in einzelne Abschnitte ist, die Kraft des ganzen 
Muskels vermehre. Bertin legt Werth auf die Verschmelzung der Inscriptionen 
mit der Scheide des Rectus und dadurch mit den Sehnen der transversalen Bauchmus- 
keln und glaubt, dass auf diesem Wege die Wirkung der Zusammenziehung des Rectus 
sich bis zum Darmbein fortpflanze. Hyrtl ist der Meinung, die Verwachsung der 
Inscriptionen mit der Scheide des M. rectus sei nothwendig, damit, wenn die 
{ransversalen Bauchmuskeln die Scheide zur Seite ziehen, der Rectus in seiner 
ganzen Breite gleichmässig, ohne Zusammenschiebung, gespannt werde. Sicher ist 
nur, dass, wie schon in der Einleitung angegeben wurde, die Abtheilung des 
Muskels durch Inscriptionen die einzelnen Abschnitte beiähigt, sich unabhängig 
von einander zusammenzuziehen. 


Zwerchfell, Diaphragma!). 


Zwerchfell. Das Zwerchfell ist ein Muskel, dessen Fasern ringsum von der Innen- 
fläche der Wand des vegetativen 'Rohrs entspringen, um auf- und einwärts 
in ein Sehnenblatt, Centrum tendineum?), zusammenzulaufen, welches hori- 
zontal oder vielmehr kuppelförmig mit aufwärts gerichteter Convexität in 
dem Rohre ausgespannt ist. Die Muskelfasern in Verbindung mit diesem 
Sehnenblatte stellen eine Scheidewand dar, die in der Gegend der unteren 
Oeffnung des Brustkorbs die vegetative Rumpfhöhle quer theilt und zugleich 
als Decke der Bauchhöhle und als Boden der Brusthöhle fungirt. Die Con- 
traction des muskulösen Theils dieser Scheidewand hat den Zweck, auf 


') Septum transversum, M. phrenieus, Zwerchmuskel. 

2 = ” . - .n . a .. 

2) Centrum phrenicum. Tendo intermedius s. cordiformis. Speculum Helmonti aut. 
Trefle aponeurotique. 


Zwerchtell. 75 


Kosten ihrer Wölbung die Durchmesser derselben zu verkürzen und ins- 
besondere durch Herabführen des sehnigen Theils die Brusthöhle zu er- 
weitern; die Baucheingeweide werden gleichzeitig abwärts und wegen der 
Nachgiebigkeit der vorderen Bauchwand hauptsächlich vorwärts gedrängt. 
Sich selbst überlassen, nach Erschlaffung der Muskelfasern, wird das Zwerch- 
fell wieder gedehnt und gehoben durch den Andrang der Baucheingeweide, 
welchen schon die Elastieität oder der Tonus der Bauchwände, in höherem 
Maasse noch die active Zusammenziehung der letzteren veranlasst. 

Das Herabsteigen des Zwerchfells, indem es einen leeren Raum erzeugt, 
wirkt saugend auf die die Brusthöhle umlagernden Körper jedes Aggregat- 
zustandes: es befördert dadurch den Eintritt der Luft in die Respirations- 
wege, des Blutes in die grossen Gefässstämme und zieht die Weichgebilde 
des Halses und der Brustwand nach innen; Alles dies in relativ verschie- 
denem Maasse, je nachdem in Folge örtlicher Verhältnisse das Eine oder 
andere der genannten Medien den Vorsprung gewinnt. Ich werde bei der 
Beschreibung der Brust- und Halsmuskeln hierauf zurückkommen und er- 
wähne hier nur, dass die Lungen, welche mit der unteren Fläche frei auf 
.dem Zwerchfell ruhen, und das Herz mit dem Herzbeutel, welcher an die 
Sehne des Zwerchfells angewachsen ist, seinen Bewegungen genau folgen. 
Wird das Zwerchfell hinaufgetrieben, so verengt es den Raum der Brust- 
höhle und treibt Luft, Blut und die weichen Theile der oberen und Seiten- 
wand des Brustkorbs nach aussen. Könnte sich die Contraction des Zwerch- 
fells mit der Contraction der Bauchmuskeln verbinden, so müsste zugleich 
die Brusthöhle erweitert und die Bauchhöhle verengt werden. Doch scheint 
diese Association unausführbar zu sein. Bauchmuskeln und Zwerchfell 
ziehen sich nur alternirend zusammen und an der activen Verengung der 
Bauchhöhle, der sogenannten Bauchpresse, nimmt das Zwerchfell nur in 
der Art Theil, dass nach der Erweiterung der Brusthöhle die Stimmritze 
sich schliesst, der Luft den Austritt aus den Lungen verwehrt und das Auf- 
steigen des, wiewohl erschlafiten, Zwerchfells hindert. 

Gefässe, Nerven und Eingeweide durchsetzen das Zwerchfell, um aus 
der Einen der beiden Höhlen, die es scheidet, in die andere überzugehen. 
Es finden sich zu dem Ende Lücken sowohl im sehnigen, als im fleischigen 
Theile des Zwerchfells, die letzteren zwischen den einzelnen Ursprüngen 
oder Zacken. Die Lücken sind, so weit sie nicht von den durchtretenden 
Gebilden ausgefüllt werden, durch Bindegewebe hermetisch verschlossen. 
Bindegewebsschichten, gegen die freie Oberfläche von Epithelium bekleidet, 
fester mit dem sehnigen, als mit dem muskulösen Theile verwachsen, decken 
die der Brust- und Bauchhöhle zugewandten Flächen des Zwerchfells; sie 
sind Fortsetzungen der serösen Membranen der Brust- und Bauchhöhle und 
sollen in Verbindung mit diesen später beschrieben werden. 

Der muskulöse Theil des Zwerchfells entspringt von den die untere 
Oeffnung des Brustkastens begrenzenden knöchernen und knorpligen Theilen 
des Skeletts. Er zerfällt zunächst in eine rechte und linke Hälfte, deren 
Symmetrie längs dem von den Rippen gebildeten Rande des Thorax in der 
Regel vollkommen, am Wirbel- und Brustbeinursprung aber etwas gestört 
ist. Die medialen Ränder der Wirbelursprünge beider Seiten begrenzen 
nämlich eine Oeffnung, durch welche die Aorta aus der Brust- in die Bauch- 


Muskulöser 
Theil. 


Vertebral- 
Portion. 


76 Zwerchfell. 


höhle übergeht, und da dies Gefäss von der Medianlinie nach links abweicht, 
so dehnt sich der rechte Wirbelursprung auf Kosten des linken aus und 


reicht auch weiter abwärts. Der Brustbeinursprung ist sehr veränderlich, 
fehlt oft auf Einer Seite 


oder auf beiden oder ver- 
schmilzt von beiden Seiten 
her zu einer unpaaren, 
medianen Zacke. 

In jeder Zwerchfells- 
hälfte lassen sich, je nach 
dem Ursprunge, drei Ab- 
theilungen unterscheiden, 
eine Pars oder Portio ver- 
tebralis 1), costalis?) und 
sternalis?), welche zuwei- 
len durch anseknliche Zwi- 
schenräume von einander 
gesondert sind, in anderen 
Fällen aber, besonders 


Zwerchfell von unten, 1. Hiatus carot. 2. Hiat. oeso- bei stark entwickelter Mu- 
phageus. 3. For. venae cayae. Jp/M. psoas. Q M. skulatur, ohne Abgrenzung 
quadrat. lumb. aneinanderstossen. Der 


Vertebral- und Costaltheil, 
seltener auch der Sternaltheil, bestehen jeder aus einer Anzahl ebenfalls 
mehr oder minder deutlich geschiedener Zacken. 

Die Vertebralportion entspringt mit zwei Zacken ®), einer medialen 
und einer lateralen, deren jede wieder in mehrere Fascikel zerfallen kann. Die 
mediale Zacke (Fig. 34 «a, b), in ihrer einfachsten Form, nimmt ihren Ur- 
sprung von einer platten Sehne, welche sich am vierten oder dritten Bauchwir- 
belkörper, rechts gewöhnlich um einen Wirbel tiefer, als links, breit aus der 
Masse des Lig. vertebr. comm. ant. ablöst und neben der Aorta auf- und etwas 
vorwärts läuft. Muskelfasern gehen von unten an vom lateralen Rande dieser 
Sehne ab und greifen, je weiter hinauf, um so weiter sowohl auf der vor- 
deren als hinteren Fläche gegen den medialen Rand hinüber. In der Höhe 
der Synchondrose zwischen dem letzten Brust- und ersten Bauchwirbel ist 
am medialen Rande der einander entsprechenden (rechten und linken) 
Zacken nur ein schmaler, sehniger Saum übrig, der vor der Aorta im steilen 
Bogen von der Einen Seite auf die andere umbiegt und vom convexen Rande 
noch Muskelfasern aufwärts sendet. Die Aorta wird auf diese Weise von einem 
hohen schmalen, sehnigen Thor, Hiatus aorticus (Fig. 53. 34. 1) ?), überwölbt, 
welches sich nicht selten auch nach unten bogenförmig schliesst und zu 


D) P. lumbalis aut. 

?) Alae Langenhb. 

°) P. xziphoidea. Sie wird von manchen Autoren übergangen, von Anderen (Weber-H. 
Krause, Hyrtl) mit der P. costalis unter dem Namen /. sternocostalis zusammenge- 
zogen. 

") Capita Albin, Appendices Haller, Processus Santorini, Crura aut. Schenkel, 
Pfeiler. 

°) Foramen. aorticum. F. sinistr. inf. 


Zwerchtell. 77 


einer elliptischen Oeffnung gestaltet dadurch, dass medianwärts neben dem 
unteren Anfange beider Sehnen Faserzüge entstehen, die auf der Vorder- 
fläche der Wirbelkörper einander kreuzen und zur entgegengesetzten Sehne 
schräg aufsteigen. a 

Der einfache, aufwärts sich©fächerförmig entfaltende Muskelbauch, 
welcher aus der beschriebenen Sehne hervorgeht, zeigt einen longitudinalen 
Schlitz, welcher dem N. splanchnieus und der Vena azygos rechterseits, der 
V. hemiazygos linkerseits zum Durchtritt dient, und weiter seitwärts ge- 


Fig. 34. 


Vertebraltheil des Zwerchfells, a, 5b linke und rechte mediale Zacke, c, d rechte laterale 
Zacke, e, f Costaltheil, Zacken von der zwölften Rippe, durch welche die Pleura (*) 

"sichtbar wird. 1. Hiat. aort. 2. Hiat. oesophag. 3. Foramen venae cavaee Psm M. 
psoas min. Ip, Ip‘ Ursprungszacken des medialen Kopfes des M. iliopsoas. @! M. quadr. 
] lumb. Ta M. transv. abd. 


78 Zwerchfell. 


langt entweder zwischen der medialen und lateralen Zacke, oder durch 
eine schmalere Spalte zwischen den Muskelfasern der medialen, der Grenz- 
strang des N. sympathicus in die Bauchhöhle. Setzt sich die Eine oder 
andere dieser Spalten abwärts bis auf den sehnigen Ursprung fort, so ist 
die mediale Zacke des Vertebraltheils in zwei oder drei Unterabtheilungen 
zerfallen, welche um so schmaler sind und in der Regel um so höher an 
der Wirbelsäule entspringen, je weiter seitwärts sie liegen. Die Sehne, von 
welcher diese lateralen Unterabtheilungen sich entwickeln, ist häufig ein 
vertical oder schräg über die Aushöhlung des Wirbelkörpers und über die 
Vasa lumbalia gespannter Bogen. Andere accessorische Fascikel entsprin- 
gen sehnig oder fleischig in einer Reihe, vertical über dem medialen’ Rande 
der Hauptsehne, von Wirbelkörpern oder Synchondrosen bis hinauf zum 
ersten Bauchwirbel und bilden, indem sie sich successiv an die hintere 
Fläche der medialen Zacke anlegen, eine Art Rohr für die Aorta. 


Das an der oberen Spitze des Hiatus aortieus entspringende Muskel- 
faseikel theilt sich alsbald in eine rechte und linke Hälfte, welche, zu beiden 
Seiten des Oesophagus, in der Flucht der iibrigen, weiter seitwärts gelegenen 
Fasern auf- und vorwärts gehen. Vor dem Oesophagus neigen sich beide 
Hälften wieder gegen einander und setzen sich, Eine die andere von vorn 
und unten her deckend, an den hinteren Rand des Centrum tendineum fest; 
sie umschliessen eine longitudinale (sagittale) Spalte, den Hiatus oesopha- 
geus \) (Fig. 33. 34. 2), welche also nur durch eine schmale Brücke vom Hiatus 
aorticus getrennt ist. Diese Brücke gewinnt an Höhe und Mächtigkeit da- 
durch, dass in der unteren Ecke des Hiat. oesophag. Muskelfasern der rechten 
und linken medialen Zacke, einander kreuzend, von der Einen auf die andere 
Seite iibertreten, und zwar geht beständig ein breites, plattes Fascikel an 
der oberen Fläche des Zwerchfells von der rechten Seite zur linken, wo- 
gegen das entsprechende, von der linken Seite stammende Kreuzungsfascikel 
schmal ist, unregelmässig bald an der oberen, bald der unteren Fläche ver- 
läuft, zuweilen auch ganz fehlt. 


Während also der Aortenspalt von fibrösen Theilen umgrenzt ist, die 
bei den Zusammenziehungen des Zwerchfells nur von der Aorta abgehoben 
werden können, liegt der Oesophagus zwischen Muskelfasern, deren Con- 
traction zunächst den Erfolg haben muss, durch Uebergang des bogenför- 
migen Verlaufs der Fasern in den geradlinigen die Spalten zu verengen, 
dann sie zu verkürzen. 


Die laterale Zacke der Vertebralportion des Zwerchfells ist im Ver- 
hältniss zur medialen dünn und platt. Sie entspringt continuirlich oder in 
Abtlheilungen von der Seitenfläche des zweiten oder ersten Bauchwirbel- 
körpers ınd vom convexen Rande eines Sehnenbogens, welcher sich vom 
Wirbelkörperursprunge dieser Zacke zur Spitze des Querfortsatzes des zweiten 
Bauchwirbels oder zur Spitze der zwölften Rippe erstreckt (Fig. 34 ed). Im letz- 
teren Falle ist er mittelst eines straffen Bandstreifens an den Querfortsatz 


!) Foramen oesophageum. F. sinistr. sup. Sphincter oesophageus Langenb. 
7 ] 7 


Zwerchfell. 79 


des zweiten Bauchwirbels befestigt und eingebogen, wie aus zwei Bogen 
mit einem gemeinsamen mittleren Pfeiler zusammengesetzt. Der er:te, dem 
Wirbelkörper nächste und beständige Bogen überbrückt den M. psoas, der 
zweite den M. quadrat. lumborum; wo ein M. psoas minor vorhanden ist 
(Fig. 34), geht er entweder ebenfalls unter dem ersten Sehnenbogen oder 
zwischen der lateralen und medialen Zacke herab }). 


Erstreckt sich der Sehnenbogen, von welchem die Fasern der lateralen 
Zacke ihren Ursprung nehmen, seitwärts nur bis zum Querfortsatz, so bleibt 
zwischen dem Vertebral- und Costaltheil des Zwerchfells eine dreieckige 
Lücke, deren Basis der Breite des M. quadrat. lumb. entspricht. Reicht 
der Sehnenbogen bis zur Spitze der Rippe, so kann der Rand des Verte- 
braltheils mit dem des Costaltheils zusammenstossen, obgleich auch dann mei- 
stens eine Lücke bleibt, innerhalb welcher vereinzelte Faserbündel (Fig. 34 e) 
vom Sehnenbogen oder der Rippe zum Centrum tendineum aufsteigen. Noch 
ein dritter Fall kommt nicht selten vor: die Stelle des Sehnenbogens in der 
Fascie des M. quadrat. lumborum nimmt nämlich eine Lage Muskelfasern 
ein, welche quer vom (Qerfortsatz des zweiten Bauchwirbels zur Spitze der 
zwölften Rippe ziehen, die untersten nur wenig, aufwärts convex, die nach 
oben folgenden allmälig steiler und die obersten in gebrochener Linie, im 
Ganzen also ein Dreieck, welches die Lücke zwischen der medialen und 
lateralen Zacke genau ausfüllt 2). 


Der Costaltheil des Zwerchfells entsteht vom Rande des Brustkorbs 
in einer ziemlich geraden oder leicht abwärts convexen, von der Spitze der 
zwölften Rippe gegen die Mitte der Länge des siebenten Rippenknorpels 
schräg aufsteigenden Linie mit einer Anzahl Zacken, welche übrigens der 
Zahl der Rippen nur selten genau entsprechen. Manche Zacken setzen sich 
ohne Unterbrechung von einer Rippe zur anderen fort, indem sie im Inter- 


!) Der in der Fascie des M. gquadrat. lumb. verlaufende Sehnenbogen erhält von 
einigen Autoren (Krause, Arnold, H. Meyer) den Namen Lig. lumbocostale, was auf 
einer Verwechselung mit dem hinter dem M. guadrat. gelegenen Haftbande zwischen 
Querfortsätzen der Bauchwirbel und der unteren Rippe beruht (Bänderl. S. 32). Bei 
Cruveilhier wird jener Sehnenbogen ‚Zigament cintre du diaphragme“ genannt. Röderer 
(de arcubus tendineis musculorum originibus. Gotting. 1760) beschreibt beide Sehnenbogen 
als arcus int. und are. ext.; Quain-Sharpey als Zig. arcuat. int. und Lig. arcuat. ext. 

°) Abgebildet bei Albin, Taf XIV. Fig. 5 bis 7 rechterseits, Portio lumbo-costalis 
M. J. Weber. — Uehrigens herrscht in der Bezeichnung der Zacken des Vertebraltheils 
grosse Verwirrung. Albin zerlegt unsere mediale Zacke in drei Schenke! und fügt als 
vierten den Ursprung aus dem Sehnenbogen hinzu, der den M. psoas überwölbt Die 
Späteren reduciren die Zahl der Schenkel auf drei, einen inneren, mittleren und äusseren. 
Weber-Hildebrandt, Krause und Arnold lassen den äusseren Schenkel vom Körper 
und Querfortsatz des ersten oder zweiten Bauchwirbels entspringen und zählen die zwi- 
schen der Wirbelsäule und der zwölften Rippe aus dem Sehnenbogen des M. quadrat. 
lumb. stammenden Fasern zum Costaltheil.e. Bei Theile, Günther, d’Aalton und 
Luschka führen diese Fasern den Namen des äusseren Schenkels des Lendentheils, bei 
Meckel und Hyrtl geschieht ihrer keine Erwähnung, M. J. Weber betrachtet sie, 
neben den drei mit den Wirbeln in Verbindung stehenden Zacken, als eine besondere 
Portion des Lendentheils, und H. Meyer, welcher in der Beschreibung Theile folgt, 
fasst die von den Sehnenbogen entspringenden Fasern, unsere laterale Zacke, unter dem 
Namen einer Portio lumbocostalis zusammen. Cruveilhier leitet die Muskelfasern des 
Vertebraltheils von fünf aponeurotischen Arcaden ab, einer medianen (den vereinigten 
medialen Zacken) und zwei paarigen (den beiden Abtheilungen der lateralen Zacke). 


Costal- 
portion. 


= Zwerchfell. 


costalraume von einem, die Rippen verbindenden Sehnenbogen entspringen ; 
andere wurzeln neben und selbst hinter (über) einander mit spitzwinklig 
gekreuzten Fasern, auf derselben Rippe. In die oberen Ripponursfiißnse, 
von der sechsten bis zur achten oder neunten Rippe, greifen die Zacken des 
M. transversus abd. kammförmig ein; selten geht hier ein Bündel des letz- 
teren unter einem Sehnenbogen durch, welcher Muskelfasern des Zwerchfells 
zum Ursprunge dient, noch seltener setzen sich Fasern des Einen Muskels, 
mit oder ohne sehnige Unterbrechung, in die des anderen fort. In den 
letzten Intercostalräumen dagegen entspringen in der Regel die Zacken ‚des 
Zwerchfells, wie des M. transversus, ausser von den Rippen, von Sehnen- 


Fig. 35. 


Pr 


IR RN \ 


Ben Ra 
Yen 


11/7 


Vordere Brustwand, von der hinteren Fläche, das Zwerchfell transversal durchschnitten 
und aufwärts geschlagen. 7’a M. trans. abd.. Tta M. transv. thor ant. 


Zwerchfell. s1 


streifen, welche, schräg und auf- oder rückwärts convex, zwischen den hin- 
teren Enden der Rippenknorpel ausgespannt sind). Die unterste Zacke 
des Costaltheils des Zwerchfells geht häufig vom Lig. Iumbocostale über 
der Spitze der zwölften Rippe aus. 


Zwischen dem Costal- und Sternaltheil besteht, wie zwischen dem pars ster- 
Costal- und Vertebraltheil, eine dreieckige, aufwärts spitze Lücke von ver- "ls. 
änderlicher Breite. Der Costaltheil überschreitet nicht leicht das Gelenk 
zwischen dem sechsten und siebenten Rippenknorpel; der Sternaltheil aber 
dehnt sich oft über den Schwertfortsatz seitwärts aus. Er erhält eine breite 
oder schmale Zacke oder mehrere schmale vom unteren Rande des Schwert- 
fortsatzes und schmale, schräg medianwärts aufsteigende Zacken neben dem 
Schwertfortsatz von der hinteren Fläche der Sehne des M.transv. abdominis 
oder, was dasselbe ist, des hinteren Blattes der Scheide des Rectus. 


Das Centrum tendineum hat im Wesentlichen die Umrisse des Quer- Centrum 
schnittes der Brusthöhle, also eine Bohnen- oder Nierenform mit eonvexem ferdineum. 
vorderen, concavem hinteren Rande. Durch ein ungleichmässiges Vordrin- 
gen des muskulösen Theils gegen den sehnigen wird diese Form vielfach 
alterirt, im sagittalen Durchmesser breiter oder schmaler, an den Rändern 
glatt oder ausgerandet. Am häufigsten tritt wegen der Kürze oder des 
Mangels der Pars sternalis, der mittlere Theil des vorderen Randes spitz 
oder abgerundet vor; eine Kleeblatt- oder Trefle-Form ergiebt sich, wenn 
zugleich, wie dies Regel ist, die nächst vorderen Rippenzacken über die 
benachbarten hinausragen. , 


Nicht minder variabel, wie die Form, ist die F aserung des Öentrum tendi- 
neum. Die Grundlage bildet ein Strickwerk von sagittalen, unter sehr spitzen 
Winkeln einander durchflechtenden Sehnenbündeln, die in der Mitte des 
Zwerchfells fast gerade, näher den Seitenrändern schräg medianwärts und 
demnach gekreuzt vom vorderen Rande zum hinteren und umgekehrt ver- 
laufen. Dicht vor dem vorderen Rande des medialen Schenkels der rechten 
Vertebralportion weichen die sagittalen Sehnenfasern von einander, um eine 
Oeffnung, das Foramen venae cavae?), einzuschliessen, mit deren Rande 
die Wand der Hohlvene äusserlich verbunden ist. An der Brust- und 
Bauchhöhlenfläche der sagittalen Fasern finden sich transversale, theils 
Fortsetzungen der an den Seiten eintretenden Zacken des Costaltheils, theils 
selbständiger Natur. Erleidet die Muskulatur des Zwerchfells zwischen der 
Vertebral- und Costalportion eine Unterbrechung, so unterscheidet man die 
Sehne des Costaltheils, welche sich an die untere Fläche der Sehne des 
Vertebraltheils anlegt, bevor sie untrennbar mit ihr verschmilzt; ist der 
Sternaltheil schwach oder fehlt er, so verbinden sich die vordersten Bündel 
der Costaltheile mit einander hinter dem Brustbein durch starke Sehnen- 
fasern mit vorwärts concavem Rande. Die selbställlken transversalen 
Fasern liegen am BR, © zuweilen aufgelegten platten Wülsten ähn- 
lich, über der hinteren, auch wohl über der vorderen Grenze des muskulösen 


!) Pars intercostalis diaphragmatis Luschka (die Brustorgane, Tüb, 1857. 8. 6). 


*) F. quadratum s. quadrilaterum aut. FE. dextrum. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 6 


82 Zwerchfell. 


und sehnigen Theils; eine Partie zweigt sich ab, um bald den hinteren, 
bald den vorderen Rand des For. venae cavae zu umfassen und zu ver- 
stärken. 


Die Muskelfasern des Vertebraltheils des Zwerchfells nehmen mit ihrer 
Fig. 36. 


0, 
IH 


SOIMWD 
KONG 
SS 
So) » 


72 


4 


Frontaldurchschnitt des-Rumpfes an der Spitze der zwölften Rippe. 1 Luftröhre, an der 

Theilungsstelle geöffnet. 2, 3 Rechte und linke Lunge. 4 Hintere Wand des Pericardium 

mit den einmündenden Lungenvenen. 5 V. cava inf. 6 Oesophagus. 7 Magen, geöffnet. 

8 Leber, 9 Milz im Durchschnitt. 10 Duodenum. 11, 11 Durchschnitte des Colon 
transv. 12. 12 Durchschnitte einer Windung des Colon sinistr. 


Insertion die ganze Breite des concaven Randes des Centrum tendineum 
ein; die an Länge von hinten nach vorn erst zu- und dann 
wieder abnehmend, befestigen sich mit parallelen, aber untereinander anasto- 
mosirenden Bündeln an die seitliche Spitze und den vorderen convexen 
Rand. Die Wölbung dieser Muskelpartien ist keine gleichmässige; hinten 
und zü den Seiten steigen die Fasern fast gerade auf und liegen fast in 
ihrer ganzen Länge der Rumpfwand an; vorn dagegen weichen sie vom 
Ursprunge an sogleich rückwärts von der Brustwand ab. Wenn man daher 
nach Entfernung der Brusteingeweide das Zwerchfell gerade von oben be- 


Zwerchfell. 83 


trachtet, so erscheint in jeder Brusthälfte die vordere Hälfte desselben muskulös, 
die hintere sehnig, und im Sagittalschnitt einer Brusthälfte fällt der Gipfel der 
Wölbung des Zwerchfells mit dem vorderen Rande des Centrum tendineum zu- 
sammen (Fig. 37). Der Grund dieser Verschiedenheit liegt ohne Zweifel in 
der Stellung des Herzens, wel- 
ches die vorderen Theile des 
Zwerchfells ab- und nieder- 
drängt und wohl auch bewirkt, 
dass die linke Hälfte des 
Zwerchfells tiefer steht als die 
rechte (Fig. 36). Der höchste 
Punkt des Zwerchfells liegt, bei 
völliger Exspiration, der Ver- 
bindung der fünften Rippe mit 
dem Brustbein ungefähr ge- 
genüber. Bei der Contraction 
muss die Leber, wegen ihrer 
unveränderlichen Form, wie 
eine Rolle wirken, über welche 
die Fasern hingespannt sind; 
ob dabei das Centrum tendi- 
neum nur herab- oder auch 


Fig. 37. 


GG vor- oder rückwärts bewegt 

DD, wird, hängt von der relativen 
SUCHE Länge der vorderen und hin- 

SIG teren Muskelfasern ab. In 

der linken Körperhälfte könnte 

Sagittaldurchschnitt des Rumpfes durch den die Contraetion eher eine Ent- 


Rand der zweiten Rippe rechterseits. 1 Lunge. fernung der hinteren und seit- 
2 Leber. 3 Niere. lichen Muskelfasern von der 
Rumpfwand zur Folge haben. 


Var. In seltenen Fällen bemerkt man quere Muskelbündel vor und selbst 
hinter der Aorta oder mitten auf dem Centrum tendineum (Sömmerring). Ein 
Muskelbündel begiebt sich vom Rande des Foramen oesophageum zur Speiseröhre 
(Cruveilhier). Knox (Lond. med. gaz. Vol. 32. p. 531) beschreibt einen M. 
hepatico-diaphragmaticus, welcher an der unteren Fläche der linken Hälfte des 
Centrum tendineum. entsprang und vor dem Oesophagus vorüber nach rechts ver- 
lief. Hier theilte er sich in zwei Zipfel, der Eine, absteigende, verlor sich vor 
dem rechten Vertebraltheil im Peritoneum, der andere erreichte die untere Fläche 
der Leber und verband sich sehnig mit dem obliterirten Ductus venosus und einem 
Theil der gleichfalls obliterirten V. umbilicalis. Unter den vorderen Ursprüngen 
des Diaphragma, in der Furche zwischen diesem und dem M. transversus abd. sah 
ich auf Einer Seite ein schmales Bündel schräg aufwärts von dem Knorpel der 
neunten Rippe theils zum Knorpel der siebenten, theils über die Mittellinie hinaus 
zum entgegengesetzten Rande des Sternaltheils verlaufen; ein Muskelchen von 
ähnlicher Lage bildet Bourgery ab (Taf. 75. 2) als ein Bündel des M. transversus 
thoraeis ant., von dem es sich aber durch seine Lage und die Richtung seiner Fa- 
sern unterscheidet. 


6* 


III. Brust- 
muskeln. 


a. Oberfl. 
Brustm. 


&. Erste 
Schichte. 
Pector. maj. 


84 . Brustmuskeln. 


\ 
II. Brustmuskeln. 


Es finden sich an der Brust, wie am Rücken, oberflächliche Muskeln, 
welche an die Ober-Extremität und deren Gürtel gehen, und tiefe, auf die 
Knochen des Stammes beschränkte. 

Die Bündel der oberflächlichen Muskeln verlaufen im Allgemeinen 
lateralwärts, theils horizontal, theils mehr oder minder schräg auf- oder ab- 
steigend, in jedem Muskel gegen die Insertion convergirend. Die tiefen 
Muskeln liegen, wie die transversalen der Bauchwand, in drei Schichten 
übereinander, einer äusseren medianwärts absteigenden, einer mittleren, me- 
dianwärts aufsteigenden, und einer innersten, deren Bündel in der Nähe 
des unteren Randes eine transversale, weiter hinauf aber eine mehr und 
mehr median -abwärts geneigte Lage haben. 


a. Oberflächliche Brustmuskeln. 


Sie bilden drei Lagen; die äusserste reicht vom Brustbein zum Arm- 
bein, deckt die Vorderfläiche der Brust und bildet die vordere Wand der 
Achselhöhle; die zweite, aus zwei Muskeln bestehend, entspringt weiter 
lateralwärts von der Vorderfläche oberer Rippen und endet am Schlüssel- 
bein und Schulterhaken; die dritte geht von der Seitenfläche der Rippen 
um den Brustkorb herum zur Basis des Schulterblattes. 


«@. Erste Schichte. 
M. pectoralis major, PmJ '). 


Die Oberfläche des M. pectoralis maj. hat bei ruhig herabhängendem 
Arm die Form eines Kreisausschnitts, welcher einem Quadranten nahe 
kömmt; die dem Kreisbogen ähnliche Linie, welche dem Ursprunge des 
Muskels entspricht, steht so, dass eine die Endpunkte derselben verbindende 
Sehne nur wenig von der verticalen abweicht; die beiden Halbmesser, ent- 
sprechend dem oberen und unteren freien Rande des Muskels, stossen an 
der Spina tub. maj. des Armbeins zusammen. 

Die bogenförmige Linie des Ursprungs beginnt auf der Mitte oder et- 
was lateralwärts von der Mitte des Schlüsselbeins, geht vom sternalen 
Ende dieses Knochens und der Kapsel des Sternoclaviculargelenks längs 
dem Rande des Handgriffes auf den Körper des Brustbeins über, von wel- 
chem sie sich auf den Knorpel der sechsten, seltener der siebenten Rippe 
und endlich auf das vordere Blatt der Scheide des Rectus wendet. Am 
Schlüsselbein entspringt der Muskel kurzsehnig, auf dem Körper des Brust- 
beins fast unmittelbar fleischig, und, je stärker er ist, um so näher der Mittel- 
linie, so dass einzelne Bündel der gleichnamigen Muskeln beider Seiten 
durch transversale Sehnenfasern und in seltenen Fällen sogar direct zu- 
sammenhängen. Die Zacke, die aus der Scheide des Rectus abd. sich ent- 


') M. pectoralis Albin. Grosser Brustmuskel. 


Pectoralis ma]. 85 


wickelt, wurde beirden Bauchmuskeln als eine aus dem M. pectoralis ma). 
hervorgehende Zacke des Obl. ext. bereits erwähnt; die Sehnenfasern, mit 
welchen sie am unteren 
Ende entspringt oder aus- 
strahlt, kreuzen sich, wie 
dort ebenfalls schon ange- 
geben wurde, spitzwinklig 
mit den Sehnenfasern der 
obersten Rippenzacke des 
genannten Bauchmuskels. 
Beim Uebergange vom 
Schlüsselbein auf den 
Handgriff des Brustbeins 
ist die übrigens continuir- 
liche Reihe der Muskel- 
ursprünge unterbrochen; 
die Spalte, welche dadurch 
entsteht, erstreckt sich 
durch die ganze Dicke des 
Muskels und bis zur In- 
sertionssehne und theilt 
denselben in zwei Portio- 
nen (Köpfe), dieSchlüs- 
selbeinportion, Portio 
clavicularis, und die Ster- 
nocostalportion, Portio 
sterno-costalis 2). Die er- 
stere ist verhältnissmässig 
schmal, und aus lateral- 
wärts absteigenden, fast 


M. peet. maj. von vorn. * Zacke desselben, welche sich mit ganz parallelen, gegen die 

dem M. obl. abd. ext. (Oae) verbindet. Tr M.trapezius. Insertion nur wenig über 

LdM. latiss. dorsi. Sa M. serrat. ant. Scm M. sterno- 
cleidomast. D M. deltoideus. 


Fig. 38. 


einander geschobenen 

Bündeln zusammenge- 

setzt. Die Sternocostalportion besteht aus einer oberflächlichen und einer tie- 
fen Schichte. Die oberflächliche Schichte (Fig. 38) enthält die bereits beschrie- 
benen Ursprünge am Brustbein, der sechsten oder siebenten Rippe und der 
Scheide des Rectus; die tiefe Schichte (Fig. 39 Pmj?), völlig von der oberfläch- 
lichen gedeckt, entsteht mit einer Reihe platter Zacken von den Knorpeln der er- 
sten oder zweiten bis zur fünften oder sechsten Rippe, von den obersten Rippen 
dicht am Brustbein, von den folgenden allmälig näher dem Rippenknochen 
und theilweise am Knochen selbst. Die obersten Rippenzacken fehlen nicht 
selten oder verwachsen mit der oberflächlichen Schichte; die unteren ver- 
doppeln sich zuweilen; alle legen sich nach kürzerem oder längerem Ver- 
lauf an die hintere Fläche der oberflächlichen Schichte an. In dem Raum 


{ 


») Portio thoracica. Von Manchen in eine P, sternalis und costalis unterschieden. 


86 Pectoralis ma). 


zwischen den Ursprüngen beider \ Schichten vertheilen sich die vorderen 
Aeste (Rr. perforantes antt.) der Intercostalgefässe und Nerven )). 

Die Fasern beider Lagen des Sternocostaltheils convergiren, die obe- 
ren absteigend, die mittleren transversal, die unteren aufsteigend, gegen die 
Insertion am Armbein. Dabei schlagen sich die unteren Fasern der ober- 
flächlichen Portion, als die am steilsten aufsteigenden, um den unteren Rand 
des Muskels herum auf dessen Rückseite. Alle begeben sich in einiger Ent- 
fernung vom Armbein an eine im sagittalen Durchschnitt hufeisenförmig ge- 
bogene Sehne (Fig. 39); die beiden Blätter dieser Sehne, von welchen das hin- 
tere etwa die doppelte Höhe des vorderen hat, sind am unteren Rande ver- 
einigt und verschmelzen lateralwärts mit einander; sie begrenzen eine nach 
der medialen Seite und nach oben offene, von lockerem Bindegewebe und Fett 
erfüllte, taschenförmige Höhle. An das hintere Blatt der Tasche befestigen 
sich, wie erwähnt, die unteren, aufsteigenden Fasern des M. pectoralis ma- 
Jor und zwar um so näher dem oberen Rande, je weiter unten am Brustkorb 
sie entspringen; an das vordere Blatt und an die Vorderfläche der aus der 
Verschmelzung beider Blätter hervorgehenden einfachen Sehne befestigen 
sich die oberen und mittleren Bündel des Muskels in der Ordnung, wie sie 
entspringen. Weiter medianwärts vereinigt sich mit der einfachen Sehne der 
Sternocostalportion die Sehne der Schlüsselbeinportion und überragt sie 
nach unten, wodurch der untere Rand des Muskels gegen die Insertion die 
concave Form erhält, die sich bei Erhebung des Arms ausgleicht. Die Ge- 
sammtsehne, deren Mächtigkeit von oben nach unten zunimmt, setzt sich, 
leicht fächerförmig ausgebreitet, an die Spina tuberculi majoris an, von 
welcher sie das obere Viertel frei lässt, während sie unten bis zur oberen 
Spitze der Deltoideus - Rauhigkeit (Knl. Fig. 201 — 203 d) reicht. Die 
untersten Fasern gehen zum Theil in die Sehne des Deltoideus und in die 
Oberarmfascie, die obersten in die verticalen Sehnenbündel über, die den 
Sulcus intertubereularis auskleiden; die hintere Faserlage biegt in die den 
Suleus bieipitalis auskleidende Sehne des Latissimus um. Auf der Vorder- 
fläche inseriren sich dicht an der Insertion und in einer dem Insertions- 
rande parallelen Linie Bündel des Deltoideus, auf die ich bei Beschgeians 
dieses Muskels zurückkomme. 

Die Nerven des M. pectoralis maj. kommen aus dem Plexus brachialis 
unterhalb des Schlüsselbeins; in die Portio clavieularis tritt der Nerve dicht 
am unteren Rande ihres Ursprungs; die Aeste, welche der Portio sterno- 
costalis bestimmt sind, laufen an deren hinterer Fläche, in der Mitte zwi- 
schen dem Brustbeinursprung und der Insertion, fast vertical herab. 

Var. Die Lücke zwischen der Clavicular- und Sternocostalportion des M. 
pectoralis maj. kann eine beträchtliche Breite erreichen. Es fehlt die Clavieular- 
portion (Nuhn, Unters. u. Beob. Hft. I, S. 19), häufiger noch ganz oder theil- 
weise die Sternocostalportion (Poland, Guy’s Hosp. rep. 1841, Apr. p. 192. 
Quain-Sharpey, p. 317. Nuhn, a.a.O. Betz, Froriep’s Tagesber. Nro. 211). 


\) Die tiefe Schichte des Sternocostaltheils des M. pectoralis ma). hat Tiedemann 
gesehen und als Varietät (Verdoppelung des Muskels) beschrieben (Meckel’s Archiv. 
Bd. IV, S. 412). Sie ist nicht immer so ausgebildet, wie in dem von Tiedemann er- 
wähnten Fall und in unserer Abbildung; doch gehört der gänzliche Mangel derselben zu 
den seltenen Ausnahmen, 


Subelavius. 87 


Aus der Fascie, welche den M. serratus ant. bedeckt, entspringt über der sechsten 
Zacke des letzteren ein 4mm breites, plattes Bündel, welches am unteren Rande des 
M. pect. maj. zum Arme verläuft (Eigene Beob.). Vom unteren Rande des Muskels 
lösen sich Bündel ab, welche in die Tiefe gehen und sich den Fasern des M. pect. 
minor beigesellen, um entweder dessen Insertion am Schulterhaken zu erreichen 
oder in die Beugemuskeln des Arms umzubiegen. Von der unteren Spitze der 
Armbeininsertion lässt sich ein sehniges, zuweilen eine Strecke weit muskulöses 
Bündel in das Lig. intermusculare mediale des Oberarms verfolgen. In einem von 
Cruveilhier (p. 149) beschriebenen Falle erhält dies Sehnenbündel einen kleinen 
Muskelbauch aus dem Lig. intermusculare; Gruber (Neue Anomal. S. 31.) sah es 
in drei Zipfel gespalten, von welchen einer über die Armgefässe und Nerven weg 
an den medialen Epicondylus verlief. 

Ausser der augenfälligen Wirkung, den Arm gegen den Rumpf heranzuziehen, Physiol. 
hat, nach Duchenne’s Mittheilungen, der M. pectoralis major einen bedeutenden Bemerk. 
Antheil an den Bewegungen der Schulter. Die Clavicularportion hebt die Schul- 
ter und erweist sich thätig beim Tragen von Lasten auf derselben; sie führt zu- 
gleich den Arm nach vorn, rundet den Rücken ab und vertieft die Aushöhlung 
zwischen Schulter und Brust. Die Sternocostalportion zieht die Schulter herab. 
Den vertical erhobenen Arm mit Kraft zu senken, wie beim Einhauen, verbündet 
sich der M. pectoralis major mit dem Latissimus dorsi; den horizontal seit- oder 
rückwärts ausgestreckten Arm führt er nach vorn. Welches sonst die Lage des 
Arms sei, so rollt ihn der Pectoralis maj., in Verbindung mit dem M. latissimus, vor- 
wärts um. Den Oberarm vor der Brust medianwärts zu bewegen, zum Kreuzen 
und Verschränken der Arme, scheint nicht Aufgabe des Pectoralis .maj., sondern 
des Deltoideus zu sein. = 


ß. Zweite Schichte. 
1. M. subelavius Sc D. 


Liegt in der schmalen Spalte zwischen dem Schlüsselbein und der er- ß. Zweite 
sten Rippe; er gleicht, von vorn betrachtet, einem niedrig stumpfwinklig ee 
ungleichseitigen Dreieck, dessen kürzeste Seite dem medialen Rande, dessen 
längste Seite von der Rippe zum Schlüsselbein heraufziehend, dem unteren 
freien Rande entspricht, indess der grössere der beiden spitzen Winkel an 
der Rippe als Ursprung, und die diesem Winkel gegenüberliegende Seite am 
Schlüsselbein, als Insertion, befestigt ist (Fig. 39) 2). Den Ursprung vermit- 
telt eine starke, platt cylindrische (im sagittalen Durchmesser comprimirte) 

Sehne, die zwischen den Fasern des Lig. costoclaviculare (vgl. Bdl. Fig. 50) 
an der oberen Fläche der ersten Rippe, vom lateralen Ende des Knorpels 
und dem angrenzenden Theil des Knochens entspringt. An der hinteren 
Oberfläche und dem unteren Rande des Muskels bleibt die Sehne eine 
Strecke weit sichtbar; im Uebrigen wird sie von Muskelfasern umschlossen, 
welche fächerförmig, die medialen steil, die lateral- und abwärts folgenden 
allmälig geneigter und schliesslich beinahe der Längsaxe des Schlüssel- 
beins parallel aufsteigen. Nach einem um so längeren Verlauf und unter 
einem um so spitzeren Winkel, je weiter ab- und lateralwärts sie entsprin- 
gen, setzen sie sich in einer lateralwärts an Mächtigkeit zunehmenden 


1) Unterschlüsselbein- oder Schlüsselbeinmuskel. Sousclavier. 
®) Theile, Krause u. A. nennen das Costalende Insertion, die Befestigung am 
Schlüsselbein Ursprung. 


88 Subelavius. 


Schichte in einer Furche auf der unteren Fläche des Schlüsselbeinkörpers 
(Knl. Fig. 200) fest 1). $ 
Fig. 39. 


ac Aac Pc 


Oae 


Vordere Brustwand, nach Entfernung der vorderen Hälfte des M. deltoid. (D) und des 

M. pector. maj. Pmj!, Portio elavieularis, Pmj?, Pmj°, Portio sterno-costalis, oberfläch- 

liche und tiefe Schichte, Pc Proc. coracoideus, Aac Artieulatio acromio-clavieularis. ac 

Lig. acromio-clavieulare. Tr M. trapezius. LdM. latiss. d. Sem M. sternocleidomast. Sa 

M. serrat. ant. BI Sehne des langen Kopfes des M. biceps brachii. ** Gemeinsamer Ur- 

sprung des kurzen Kopfes desselben Muskels und des M. coracobrachialis, Bündel der 
Armgefässe und Nerven. 


Wegen des Schleimbeutels, der die hintere Fläche des Subelavius be- 
kleidet, vel. Bal. S. 64. 


Var. Der Subclavius giebt eine accessorische Sehne an den Schulterhaken 
(Haller, de corp. hum. fabr. T. VI, p. 77). Er verdoppelt sich theilweise, indem 
er von der ersten Rippe mit zwei Sehnen entspringt und sich in zwei Insertionen 
spaltet, eine am Acromion, die andere am Schlüsselbein und der Wurzel des 
Schulterhakens befestigt (Böhmer, observ. anat. rar. Hal. 1752, p. IX.). Er ver- 
doppelt sich vollständig, die Sehne des vorderen Muskels befestigt sich an den 
Schulterhaken, die des hinteren an die laterale Ecke des Schulterblattes neben 
dem M. omohyoideus (Rosenmüller, in R. u. Isenflamm, Beitr. Bd. I, Hit. 3, 
MT — [0 

') Die Bezeichnung dieses Muskels als eines halbgefiederten, die in den Handbüchern 
eingeführt ist, erweckt unrichtige Vorstellungen; sie passt nur auf die Anordnung der 


Muskelfasern in der Nähe des Ursprungs, während weiterhin die Hauptmasse der Muskel- 
fasern in der Flucht der Sehne liegt. 


Pectoralis minor. 89 


S. 375, Taf I1.). Ein überzähliger, vorderer Muskel, durch eine V. thoracica von 
dem regelmässigen Subelavius geschieden, verläuft zwischen der ersten Rippe und 
dem vorderen Rande des Schlüsselbeins (Theile). . 

Der Subelavius kann, nach der Richtung der grossen Masse seiner Fasern zu 
urtheilen, keine andere Wirkung haben, als das Schlüsselbein medianwärts zu be- 
wegen, d. h. fester in die Brustbeinpfanne hineinzudrücken. Das Schlüsselbein ab- 
wärts oder die Rippe aufwärts ziehen könnten nur die wenigen steiler aufsteigen- 
den medialen Fasern, die dazu eine sehr ungünstige Lage haben. Beim Herab- 
drücken der Schulter, wobei das Schlüsselbein mit dem lateralen Ende vorwärts 
geht, kommt der Subelavius in eine andere Ebene zu liegen, ohne dass seine 
Spannung sich ändert. Da aber der Knochen nach der Seite, nach welcher der 
Subelavius ihn zieht, nicht vorschreiten kann, so kann die Aufgabe dieses Muskels 
nur darin bestehen, einem Zuge nach der entgegengesetzten Seite nöthigenfalls 
Widerstand zu leisten und somit die Kapsel des Sternoclaviculargelenks zu unter- 
stützen und vor Zerrungen zu bewahren. 


2. M. pectoralis minor, PmD). 


Entsteht mit drei, am Ursprunge dünnsehnigen Zacken am oberen Rande 
des vorderen Endes des Knochens der dritten bis fünften Rippe (Fig. 39), 
seltener an der zweiten bis vierten oder vierten bis sechsten oder mit vier 
Zacken an der dritten bis sechsten, mit jeder weiter nach unten gelegenen 
Zacke weiter lateralwärts, nimmt zuweilen an der hinteren Fläche noch eine 
tiefe Zacke von der vierten Rippe auf (Fig. 41 Pm*), und erstreckt sich 
mit convergirenden Seitenrändern auf-, lateral- und zugleich etwas rück- 
wärts gegen den Schulterhaken, an dessen vorderen Rand er sich, der Basis 
zunächst, mit platter Sehne inserirt (vgl. Bdl. Fig. 48). s 

Wenn der Ursprung des M. pect. min. bis zur sechsten Rippe hinab- 
reicht, so wird ein schmaler Streif seines lateralen Randes neben dem un- 
teren Rande des Pect. maj. sichtbar. So käme auch die obere Spitze des 
M. pector. min. über dem oberen Rande des M. pect. maj. zum Vorschein, 
wenn sich nicht unmittelbar an den letzteren der M. deltoideus anlegte. 
Zwischen dem spitzen oberen Ende des M. pect. min. und der tieferen Muskel- 
schichte bleibt eine Lücke, in welcher die Armgefässe und Nerven in einer, 
die Faserung des M. pect. min. rechtwinklig kreuzenden Richtung zum Arm 
herabgehen (Fig. 39. 1). 

Unter der Insertion liegt zuweilen ein Schleimbeutel. 

Der Nerve des M. pect. min., aus dem Plexus brachialis, erreicht den 
Muskel in der Nähe seiner oberen Spitze. 


Var. In dem bereits erwähnten, von Poland beobachteten Falle (s. M. pect. 
maj.) fehlte auch der M. pectoralis minor. Bedeckt vom M. pectoralis min. ent- 
springen an einer oder mehreren oberen Rippen Fascikel, die sich an den Schulter- 
haken oder an die Kapsel des Schultergelenks inseriren (Rosenmüller, Gantzer 
s. Meckel, S.467). Der ganze Muskel kann sich, statt an den Schulterhaken, an 
die Kapsel des Schultergelenks befestigen (de Souza, Gaz. med. 1855. Nro. 12). 


D) M. serratus ant. Albin. M. s. a. minor. aut: M. coracopectoralis. Kleiner Brust- 
muskel. 


Physiol. 
Bemerk, 


2. Pector, 
min, 


90 Serratus antıcus. 


y. Dritte Schichte. 


M. serratus anticus 


Sa). 


y. Dritte Dieser Muskel würde, flach ausgebreitet, ein unregelmässiges Viereck 
Schichte. darstellen, mit zwei im Wesentlichen verticalen Seiten, einer vorderen (me- 
dialen) und einer hinteren (lateralen), und mit einer oberen und unteren 
schräg rückwärts aufsteigenden Seite, die beiden letzteren mit den hinteren 
Enden convergirend (Fig. 41). Die vordere Seite entspricht dem Ursprunge, 


Serrat. ant. 


sie geht an der Seite des Brustkorbes herab; die 


hintere ist Insertion und haftet 


an der Basis des Schulterblattes; obere und untere Seite sind frei. Die vor- 
dere Seite ist aber nicht einfach vertical, sondern, wie bei allen an einer 
Reihe von Rippen entspringenden oder endenden Muskeln, zackig und zu- 
gleich Sförmig gebogen, an den nächst oberen Rippen am weitesten lateral- 
wärts zurückweichend, an den nächst unteren am weitesten medianwärts 
vorspringend; ebenso ist die hintere Seite, wie es schon die Form der Ba- 
sis des Schulterblattes mit sich bringt, leicht concav. Die von diesen vier 
Seiten eingeschlossene Muskelplatte endlich ist nicht plan, sondern nach der 
Wölbung des Brustkorbes, dem sie genau anliegt, gekrümmt; sie reicht von 
der Seiten- auf die Rückenfläche des Brustkorbes und ist auf der Rücken- 
fläche vom Schulterblatt und zunächst vom M. subscapularis gedeckt (Fig. 40). 


Man unterscheidet an dem M. serratus 


ant. drei Abtheilungen, eine 


obere, mittlere und untere; die obere und mittlere sind am Ursprunge durch 
Fig. 40 2). 


Horizontalschnitt des Brustkorbes in der Nähe des 
unteren Randes des vierten Brustwirbelkörpers. Vt5 
Obere Gelenkfortsätze des fünften Brustwirbels. S 
Brustbein. S‘Schulterblatt. Pmj, PmM. pect. maj. und 
min. Zd M. latiss. de Tmj M. teres maj. /sp M. 
infraspin. Ss M. subscapularis. I, I Mm. intercost. 


dentele. 
®) Nach Piragoff, Fasc. II, Taf. VI, Fig. 1. 


den Verlauf der Fasern ge- 
schieden, die mittlere und un- 
tere gehen ohne deutliche 
Grenze in einander über. Die 
obere entsteht an dem Kno- 
chen der ersten und zweiten 
Rippe, etwa in der Mitte sei- 
ner Länge und an einem von 
der ersten zur zweiten Rippe 
herablaufenden Sehnenbogen 
mit einer einfachen, nur im 
Rippen-Zwischenraum etwas 
eingebogenen Zacke. Ihre Fa- 
sern gehen convergirend auf- 
wärts zur medialen oberen 
Spitze des Schulterblattes und 
inseriren sich (zwischen Le- 
vator scapulae und Omohyoi- 
deus) an den oberen und hin- 


!) M. serratus magnus Albin. M.s. a. major aut. Grosser Sägemuskel. Ze grand 


Serratus anticus. 91 


teren Rand des über der Fossa subscapularis gelegenen dreiseitigen Feldes 
(Fig. 42 Sa! vergl. Knl. Fig. 194 s). 
Die mittlere Abtheilung des Serratus besteht zuweilen nur aus Einer 


Fig. 41. 


, 
Th 
I 


SS 


N 


Vordere Brustwand, fast Profil. M. peet. maj. völlig und M. pect. min. bis auf die Ur- 

sprünge entfernt. Pm* tiefe Zacke des M. pecet. min. Das Schlüsselbein ist durch- 

sägt und das laterale Schnittende (C+}) mit dem Schulterblatt seitwärts umgestülpt. Die 

Rippenzacken des M. latiss. dorsi (Zd) dicht am Ursprung abgeschnitten. ?s Lig. transv. 

scapulae. T’mj. M. teres maj. Oae M. oblig. abd. ext. Ie, Ti Mm. intercost. ext und int. 

Scm M. sternocleidomast. Oh M. omohyoid. Zs M. levator scap. Ssp M. supraspinatus. 
Ss M. subscapularis. 


Physiol. 
Bemerk. 


92 Serratus anticus. 


breiten Zacke von sehr geringer Mächtigkeit, welche am unteren Rande der 
zweiten Rippe nach unten vom Ursprunge der oberen Abtheilung, theilweise 
bedeckt von der letzteren, ent- 
Fig. 42. springt und sich mit auf- und 
abwärts ausstrahlenden Fasern 
längs der Basis des Schulterblat- 
tes ansetzt. In diesem Falle ge- 
hören die von der. dritten und 
vierten Rippe stammenden Zacken 
zur unteren Abtheilung des Ser- 
ratus. Häufiger gehören sie ganz 
oder theilweise der mittleren an, 
indem sie im Anschluss an die 
von der zweiten Rippe abwärts 
verlaufenden Fasern zur Basis 
des Schulterblattes treten. 

Zur unteren Abtheilung ver- 
binden sich Zacken von der drit- 
ten oder vierten oder fünften bis 
zur neunten oder zehnten Rippe. 
Schulterblatt mit den an denselben haftenden Mus- Sie entstehen, die oberen mit den 
kl vn von, PO Ener a, Tmy M-tre (ransversalen Fasern der Lig, 
Sa?, Sa® M. serrat ant., obere, mittlere und un- intercostalia extt. zusammenhän- 
tere Abtheilung. OR M. omohyoid. Zs M. leva- gend, die unteren in die Zacken 

tor scapulae. Ss M. subscapularis. des Obl. abd. ext. eingreifend, 

von der äusseren Fläche und dem 

oberen Rand ihrer Rippe, in einer, wie erwähnt, medianwärts convexen 

Linie, die auf der sechsten Rippe ihren Culminationspunkt erreicht. Die 

Zacken erhalten sich, wiewohl dicht zusammentretend, doch unvermischt bis 

zur Insertion an der unteren Spitze des Schulterblattes, gegen welche sie 

dergestalt convergiren, dass, wie am Pectoralis maj., die unteren Fasern 

sich um den Rand des Muskels herumschlagen, und, bei natürlicher Haltung 
des Schulterblattes, vor den oberen befestigen (Fig. 42). 


Der Nerve, N. thoracicus long. aus dem Plex. brachial., läuft auf der 
äusseren Fläche des M. serrat. ant., gedeckt vom M. subscapularis, herab. 


Var. Fehlte in dem nach Poland angeführten Falle. Häufig fehlt die Zacke 
von der ersten Rippe oder eine der Zacken von der zweiten. Der Muskel kann 
in zwei Abtheilungen zerfallen, indem die mittlere, der Basis des Schulterblattes 
angehörige, ausfällt (Meckel). Eine tiefe Schichte entspringt zuweilen hinter und 
unter den gewöhnlichen Rippenzacken von der ersten oder den nüchstfolgenden Rip- 
pen in Form zarter, platter Bündel, die sich an die Innenfläche des Muskels an- 
legen. Theile sah eine solche von der zweiten Rippe entspringende Zacke gegen 
das Schulterblatt sich ausbreiten und sich selbstständig an die Basis desselben, vom 
Ursprunge des Kammes bis zum unteren Winkel befestigen. 

Die volle Action des M. serrat ant. tritt dann ein, wenn man eine Last hinter sich 
her zieht. In diesem Falle, wo das Schulterblatt nach hinten verrückt werden soll, sind 
alle Zacken des Muskels in gleichem Maasse in Anspruch genommen, um es vorwärts 
fest zu halten. Dass sich die grosse Mehrzahl der Fasern an der oberen und unteren 
Ecke des Schulterblattes sammelt und für die eigentliche Basis desselben nur eine 


Brustmuskeln. 93 


dünne Lage übrig bleibt, ist für diesen Fall gleichgültig. Zweckmässig dagegen 
scheint diese Einrichtung, und es scheint eine von den oberen Zacken unabhän- 
gige Wirkung der unteren möglich beim Aufheben von Lasten. Hier ist das 
Schulterblatt einem zweiarmigen Hebel oder Wagebalken zu vergleichen, den man 
sich an der oberen medialen Spitze aufgehängt denken kann; die Last ist mittelst 
der Ober-Extremität an der lateralen Ecke (dem Gelenkknopf) angebracht; den 
Zacken des Serratus wird es um so leichter fallen, das Gegengewicht zu halten, 
je näher der unteren Spitze des Schulterblattes sie sich ansetzen. Die obere Ab- 
theilung des M. serrat. ant., wenn sie selbstständig oder etwa in Verbindung mit 
dem. M. pect. minor wirken kann, müsste die entgegengesetzte Bewegung zur 
Folge haben und das Schultergelenk vor- und abwärts führen, wie wenn man, bei 
gerader Wirbelsäule, mit den Händen möglichst weit abwärts zu reichen sucht. 
Es müsste aber, um diese Bewegungen richtig zu beurtheilen, vorerst durch ge- 
naue Messungen ermittelt sein, ob, wie noch zur Zeit allgemein angenommen wird, 
das Schulterblatt sich um eine, durch irgend einen Punkt seiner Fläche gelegte 
sagittale Axe dreht, oder, wie Duchenne (S. 303) behauptet, jede Ecke dieses 
Knochens zum Drehpunkt werden kann. Dass die unteren Zacken des Serratus, 
ebenfalls nach Duchenne’s Behauptung, den unteren Winkel des Schulterblattes 
nach der Vorwärtsbewegung noch erheben sollen, ist nur aus der Mitwirkung der 
Fasern des Rhomboideus begreiflich, wenn man die vereinigten Fasern beider 
Muskeln je als gebrochene Linien mit aufwärts offenem stumpfen Winkel ansicht, 
die sich bei ihrer Verkürzung gerade zu strecken streben. 

Einen Nutzen des M. serratus lernen wir aus der Lähmung desselben kennen. 
Bei Versuchen, den Arm zu bewegen, wendet sich das Schulterblatt alsdann nicht 
nur mit dem unteren Winkel median-, und mit der Basis aufwärts, sondern es 
entfernt sich auch mit der Basis von den Rippen, und seine Flächen nehmen eine 
mehr sagittale Stellung an, wobei der untere Rand des M. rhomboideus gespannt 
unter der Haut zu fühlen ist (Marchessaux, arch. gen. 3. ser. T. VII, p. 313). 
Es gehört demnach zu den Functionen des Serratus, das Schulterblatt an den 
Rumpf angedrückt zu erhalten. 

Ueber die Wirkung dieses Muskels auf die Rippen s. unten. 


Betrachtet man die Muskulatur der Seitenwand des Rumpfes im Zu- 
sammenhange, so sieht man, dass von der neunten Rippe an aufwärts die 
Zacken des Serratus ant. ebenso zwischen die Ursprünge des M. obl. abd. 
ext. eingreifen, wie von da an abwärts die Rippenzacken des M. latissimus 
dorsi (Fig. 43). Doch geht von der neunten Rippe häufig über einer Zacke des 
Serratus noch eine Zacke des Latissimus ab. In der Richtung der Fasern 
weichen beide Muskeln von einander ab; sie ist im Latissimus steiler als im 
Serratus, und so steigt der erste, den letzteren bedeckend, über die hintere 
Hälfte desselben aufwärts. Den oberen und den vorderen Theil der mittle- 
ren Zacken des Serratus deckt der M. pectoralis maj.; zwischen den Rän- 
dern des Pectoralis und Latissimus aber bleibt ein vom Grund der Achsel- 
grube aus abwärts an Breite zunehmendes Feld, in welchem Theile der sechs 
unteren Zacken des Serratus frei unter der Haut zu fühlen sind. 

Mit der freien Oberfläche aller dieser Muskeln ist die Cutis durch eine 
Bindegewebsschichte verbunden, die nur auf dem Pectoralis maj., wo sie 
dem M. subeutaneus colli zum Ursprunge dient, und in der Achselgrube, 
wo sie sich vom Pectoralis maj. zum Latissimus hinüberschlägt, dem Cha- 
rakter einer Fascie sich nähert. Auch zwischen den einzelnen Muskellagen 
findet sieh kein anderes, als atmosphärisches Bindegewebe, und nur die 
gleichmässige Ausbreitung, nicht die besondere Straffheit der Bindegewebe- 
lage zwischen dem M. serratus ant. und der Brustwand, sowie zwischen M. 


Fascie der 
Brustm. 


94 Brustmuskeln. 


serrat. und der Fascia subscapularis hält alle Schichten an einander fest 
und ausgespannt. Eine Ausnahme macht der M. pectoralis minor, der von 


Seitenfläche der Brust. Pmj!, Pmj*? Portio elavicularis und sterno- 

costalis des M. pect. maj. Pmj* mit der Scheide des Rectus abd. 

zusammenhängende Zacke desselben Muskels. Sa M. serrat. ant. 
ZLdM. latiss. d.. Oae M. obl. abd. ext. D M. deltoideus. 


seinem Ursprunge 
am Schulterhaken 
an von einer wah- 
ren Fascie, Fascia 
coraco - pectora- 
lis 4), bekleidet 
wird. Diese brei- 
tet sich median- 
wärts gegen das 
Schlüsselbein aus; 
mit dem Lig. co- 
raco - elavieulare 
ant. (Badl. S. 66.) 
hängt sie durch 
lockeres Bindege- 
webe zusammen; 
lateralwärts setzt 
sie sich vor den 
Axillargefässen 
her auf die Mus- 
keln der Beuge- 
seite des Ober- 
arms fort; abwärts 
verdünnt sie sich 
allmälig auf dem 
M. pectoralis mi- 
nor, und lateral- 
wärts neben dem- 
selben inserirt sie 
sich mit scharfem 
Rande an die obe- 
re Fläche der Fas- 
cie der Achselgru- 
be, die sie sammt 
der Haut nach 
oben einzieht. In 
der Lücke zwi- 
schen M. pectora- 


lis maj. und deltoideus, auf welche ich bei Beschreibung der Faseie der 
oberen Extremität zurückkomme, setzt sie sich mit der oberflächlichen Fas- 


cie der Brust in Verbindung. 


Vor dem M. subelavius zieht eine Fascie her, ein verhältnissmässig 
dünnes Sehnenblatt, welches vom Lig. costoclavieulare zum Lig. coraco- 


) F. coraco-clavieularis Krause. \ 


(Or 


Brustmuskeln. 95 


elaviculare post. ausgespannt ist. An dasselbe ist die Scheide der Axillar- 
gefässe angewachsen. 


Es ist hier die Beschreibung zweier Muskeln ‚einzuschalten, welche nur als 
Varietät, und zwar als ziemlich seltene Ausnahme in der Brustgegend vorkommen. 


M. sternalis )). 


Ein platter, einen oder ein paar Finger breiter Muskel, welcher mit einer oder M.sternalis. 
mehreren, am Ursprunge dünnsehnigen Zacken von Knorpeln der siebenten bis 
fünften Rippe oder aus der Fascie des M. oblig. abd. ext. oder auch des M. pect. 
maj. entspringt, auf dem letztgenannten Muskel fast gerade in die Höhe geht und 
sich wieder mit einer oder mehreren Zacken an Knorpeln der obersten Rippen, 
am Handgriff des Brustbeins oder an die Fascie des M. pector. maj. ansetzt oder 
in den medialen Kopf des M. sternocleidomastoideus entweder geradezu oder mit- 
telst einer intermediären Sehne übergeht. In einem von Bergmann in das hie- 
sige Varietätenbuch eingeschriebenen Falle kreuzen beide Sternales einander über 
dem Brustbein, indem sie von der Gegend der sechsten Rippe einer Seite zum 
dritten Rippenknorpel der anderen aufsteigen. Kelch und Theile sahen die 
Muskeln beider Seiten im oberen sehnigen Theile durch zwei sehnige Querstrei- 
fen verbunden. In Portal’s Fall war der Sternalis, gleich dem M. rect. abd., 
mit sehnigen Inseriptionen versehen. Oft wurde er durch eine vom M. rectus 
zum Sternocleidomastoideus verlaufende Sehne angedeutet. 

Ein unmittelbarer Zusammenhang des M. sternalis mit dem Rectus abd. ist in 
keiner dieser Beobachtungen constatirt, denn auch Weitbrecht (Comment. Petrop. 
T. IV, p-. 258) spricht nur von einer Verbindung mit der obersten Insceription des 
Rectus, also doch durch Vermittelung der Scheide desselben; und so scheint jener 
Muskel vielmehr als eine Fortsetzung oder vielmehr als ein tiefer Ursprung des 
M. sternocleidomastoideus angesehen werden zu müssen, der am oberen Rande 
des Brustkorbes sehnig unterbrochen oder durch eine Insertion an die oberen Rip- 
pen völlig vom Sternocleidomastoideus abgetrennt wird. 


M. supraclavicularis Puachka =) 


Entspringt vom Handgriff des Brustbeins, am oberen Rande oder an der vor- M. supra- 
deren oder hinteren Fläche in der Nähe des oberen Randes, in einem von Te ellarie 
beobachteten Falle auch mit einem platten sehnigen Faseikel aus der Sehne des 
medialen Kopfes des M. sternocleidomastoideus. Die Sehne steigt über das Sterno- 
elaviculargelenk hinauf und setzt sich dann am oberen Rande des Muskels fort, 
dessen spindelförmiger, bis Tmm dicker Bauch aus Fasern besteht, die von dieser 
Sehne schräg lateralwärts zum Schlüsselbein absteigen. 

Was die Wirkung dieses Muskels betrifft, so scheint er den Subelavius zu 
unterstützen, gleich welchem er das Schlüsselbein in der Richtung seiner Längs- 
axe medianwärts zieht und einer Dehnung der Kapsel des Sternoclaviculargelenks 
sich widersetzt. Welche Stellung man ihm in morphologischer Beziehung anzu- 
weisen habe, ist zweifelhaft. Haller beschreibt ihn als überzähligen M. subela- 
vius; M. J. Weber, der ihn an der Innenfläche des Thorax fand, führt ihn als 
Varietät des M. transversus thor. ant. (s. unten) auf; Luschka bringt ihn in Be- 


) M. sternalis brutorum s. rectus sternalis s, thoracicus. Vergl. Haller, de par- 
tium c. h. fabrica, T. VI, p. 119, und Theile, S. 182, wo auch die älteren Beobachtun- 
geu gesammelt sind. Sabatier, mem. de lacad. de Paris 1790, p. 259. Denuce, Bulle- 
tin de la soc. anat. 1853, p. 15. Auch ich habe diesen Muskel in Heidelberg und Göttin- 


gen mehrmals gesehen. 
2) Müll. Arch. 1856, S. 282, Taf. X. Vergl. Haller, a. a. O0. 8. 77. M. J. We- 


ber, Handb. Bd. I, S. 560. 


b. Tiefe 
Brustm, 


96 Mm. intercostales. 


ziehung zum Os suprasternale, mit welchem er aber noch nicht zusammen wahr- 
genommen worden ist. 


b. Tiefe Brustmuskeln. 


Die beiden äusseren Schichten, die medianwärts absteigende und die 
medianwärts aufsteigende, liegen in den Zwischenräumen der Rippen und 
zerfallen demnach in so viel einzelne, kurzfaserige, platte Muskeln, als es 
Intercostalräume giebt. Die innerste Schichte liegt an der Innenfläche des 
Brustkorbes und ist in zwei zackige Blätter von veränderlicher Form und 
Ausbreitung, den. M. transversus thoracis anticus und posticus, zerfallen. 


a. Erste Schichte. 


Mm. intercostales externi, Te. 


&. Erste Sch, Die Fasern der Intercostales extt. verlaufen, reichlich mit Sehnenfasern 


Intere, ext. 


P- Zweite 
Schichte. 
Intere. int. 


untermischt, bald steiler, bald geneigter und meistens am hinteren Theil der 
Brustwand geneigter als am vorderen, median-abwärts zwischen den einan- 
der zugekehrten Rändern der Rippen. Sie füllen die Intercostalräume von 
den Mm. levatores costarum an, mit welchen ihr hinterer Rand nur künstlich 
trennbar zusammenstösst, bis zur Gegend des vorderen Endes der Rippen- 
knochen. Hier schliessen sie sich mit einem nicht immer scharf begrenzten 
Rande an die Ligg. intercostalia ext. an. In den drei bis vier obersten Inter- 
costalräumen enden sie gewöhnlich in einiger Entfernung (1 bis 11/5”) late- 
ralwärts von der Spitze der Rippenknochen; in den mittleren Intercostal- 
räumen reicht ihr unterer Rand, in den tiefsten dagegen ihr oberer Rand 
bis zur Spitze der Rippenknochen, so dass in den höheren Intercostalräu- 
men ein Theil des Knochens der je oberen Rippe frei bleibt, in den tieferen 
ein Theil des Knorpels der je unteren Rippe den Muskeln zum Ansatz dient. 
Ihre Mächtigkeit nimmt von hinten nach vorn etwas ab (Fig. 30, 31, 41). 


ß. Zweite Schichte. 
Mm. intercostales interni, It. 


Sie sind im Allgemeinen dünner und reiner muskulös, als die Intercost. 
extt., sehnig nur an der oberen Anheftung, so weit sie über den im Suleus 
costalis inf. verlaufenden Gefässen und Nerven liegen. Um diese gegen die 
Brusthöhle zu decken, befestigen sie sich mit ihrem oberen Rande an die 
obere Kante des genannten Sulcus; mit dem unteren Rande liegen sie im 
Niveau der inneren glatten Fläche der Rippe, und nicht selten reicht ein 
Muskel so weit auf dieser Fläche hinab, dass er mit dem oberen Rande des 
nächst unteren fast oder wirklich zusammenfliesst. 

Mit dem hinteren Rande lehnen sich die Intercostales intt. in der Re- 
gel an den M. transv. thor. post. an; ihre Ausdehnung nach hinten steht 
daher in umgekehrtem Verhältniss zur Entwickelung dieses Muskels; doch 
setzen sich die Intercost. intt. zuweilen hinter dem Transversus fort und 
auch, wo die Zacken des letzteren fehlen, erstrecken sie sich nicht weit über 
die Gegend des Rippenwinkels hinaus. An der vorderen Brustwand kom- 


Transversi thoraeis. 97 


men sie medianwärts neben dem vorderen Ende der äusseren Intercostal- 
muskeln zum Vorschein und reichen,‘ die oberen bis zum Brustbein, die 
unteren bis zu den Spitzen der Rippenknorpel; im sechsten und siebenten 
Intercostalraume enden sie an den Rippenknorpelgelenken, oder sie werden 
durch die letzteren nur unterbrochen und setzen sich medianwärts von den- 
selben bis zum vorderen Ende des Intercostalraums fort. So weit sie frei, 
d. h. von den äusseren Intercostalmuskeln unbedeckt liegen, sind sie mäch- 
tiger und sehniger; damit wird zugleich der Verlauf der Fasern unregel- 
mässiger; vom Rande der oberen und unteren, den Intercostalraum begren- 
zenden Rippe springen platte Sehnen vor, von welchen die Muskelfasern 
divergirend ausgehen !). Die beiden unteren Intercostt. intt. legen sich ge- 
radezu an die Zacken des M. obl. int. an (s. oben). 


Nicht selten, besonders bei stark entwickeltem M.transv. thor. post., fehlt der 
unterste Intercost. int., zuweilen auch der nächst untere. 


y. Dritte Schichte. 
Mm. transversi thoracis. 


Der mittlere Theil des M. transv. abd. entspringt durch Vermittelung J Daitte 
eines transversal-faserigen Sehnenblattes von den Querfortsätzen der Bauch- en 
wirbel, welche ihrem Wesen nach Rippen sind. Man denke sich einen thoraeis. 
Muskel, der sich in gleicher Weise auf die Innenfläche des Brustkorbes fort- 
setzt, also an der vorderen Fläche des hinteren Theils des Rippenkörpers 
entspringt und in der vorderen Medianlinie (Linea alba und Brustbein) 
endet; man nehme an, dass jederseits und in der ganzen Höhe des Brust- 
korbes die mittlere Partie dieses Muskels unentwickelt geblieben oder durch 
Verschmelzung mit den fibrösen Gebilden der Brustwand verloren gegangen 
sei: so wird man zwei Muskeln gewinnen, von welchen der Eine, hintere, 
aus Zacken besteht, die von Rippen entspringen und nach kurzem Verlauf 
an höheren Rippen enden, der andere, vordere, von Rippen zur Linea alba 
und zum Brustbein (oder den vorderen Enden der Rippenknorpel) tritt. Der 
hintere Muskel ist der M. transv. thoracis post.; der vordere wird, so weit 
er in der vorderen Bauchwand liegt und in der Linea alba sich inserirt, als 
Theil des Transversus abdominis betrachtet und ist als solcher beschrieben 
worden; die Zacken aber, deren Verbindung in der Medianlinie durch das 
Brustbein unterbrochen wird, bilden den M. transv. thoracis ant. Es ist 
noch hinzuzufügen, dass die Fasern beider Transversi thor., des hinteren 
und vorderen, in symmetrischer Weise, je höher im Brustkorbe sie liegen, um 
so mehr aus der transversalen Richtung in eine lateralwärts aufsteigende 
übergehen. 


!) Die zwischen den Rippenknorpeln verlaufenden Theile der Mm. intercostales intt. 
sind es, welche Hamberger (de respirationis mechanismo. Jenae 1788. p. 11. Physiologia 
med. $. 237) mit dem Namen Mm. intercartilaginei bezeichnet und von den eigentlichen 
Mm. intercost. intt. wegen der Wirkung, von den Mm. intercost. extt. wegen des Verlaufs un- 
terschieden wissen will. Meissner (Jahresber. 1856. S. 490) adoptirt den Namen für 
eine Muskelschichte, die nach seiner Ansicht die vorderen Enden der Mm. intercostt. interni 
deckt und durch eine steiler aufsteigende Richtung der Fasern vor denselben sich aus- 
zeichne. Mir scheinen die Fasern, durch die die vorderen Enden der Intercostales intt, sich 
allerdings verstärken, in den meisten Fällen nicht regelmässig genug und zu wenig scharf 
gesondert, um sie als selbständige Muskelschichte aufzustellen. 


Henle, Anatomie. Bd- I. Abthl. 3. 7 


98 Transvers. thor. post. 


Gleich dem M. iliocostalis, semispinalis und anderen vieltheiligen 
Rückenmuskeln bestehen die Mm. transversi thoracis je aus einem Muskel- 
bauche, der von der Einen Seite Ursprünge aufnimmt und nach der anderen 
sich in Insertionen spaltet. Sie unterscheiden sich aber von jenen Rücken- 
muskeln wesentlich darin, dass die Fasern der einzelnen Zacken sich in dem 
gemeinsamen Muskelbauche nicht vermischen, sondern nur dicht aneinander- 
legen, und dass der gemeinsame Bauch sich demnach ohne Zerschneidung 
von Fasern in eine Anzahl von Muskelbäuchen zerlegen lässt, deren jedem 
eine Ursprungs- und eine Insertionszacke entspricht. Auf dieser Selb- 
ständigkeit der einzelnen Theile der Muskeln beruht ihre grosse Neigung 
zu Varietäten, das Zerfallen in einzelne 
gesonderte Zacken und die mangelhafte 
Entwickelung der Einen oder anderen. 


Fig. 44. 


1. M. transversus thoracis post. m.'). 


1. Transv. 


Im ausgebildeten Zustande stellt dieser 
thor. post. 


Muskel ein hohes, verhältnissmässig schma- 
les und von unten nach oben sich ver- 
schmälerndes Blatt dar, welches am me- 
dialen Rande von den Rippen ansteigende 
platte Zacken aufnimmt und eben solche 
Zacken am lateralen Rande aufwärts ab- 
\ - " giebt. Die Ursprünge reichen von der 
\N AR} Mm IN zwölften Rippe bis zur dritten, die Inser- 
; h tionen von der zehnten bis zur zweiten 
Rippe. Ursprünge und Insertionen, also 
N die zackigen Ränder des Muskels, sind 
sul sehnig, der mittlere Theil ist fleischig. 
Die Fasern haben zum grössten Theil die 
Richtung vom unteren Rande einer Rippe 
zum oberen Rande der zweit höheren; 
zuweilen überspringen sie zwei Rippen; 
am oberen Ende findet sich eine Zacke 
von der dritten Rippe zur zweiten. Die 
Verschmälerung, die der Muskel nach 
oben erfährt, ist bei der Abnahme der 
Breite der einzelnen Zacken auch durch 
den steileren Verlauf der Fasern bedingt. 
Hintere Wand des Brustkorbes nach Am unteren Ende des Muskels liegen die 
Re = PRSETER Ursprünge näher an der Wirbelsäule; die 
unterste Zacke kann sogar Sehnenfasern 
vom ‚Wirbelkörper aufnehmen; von der neunten Rippe an liegt der mediale 
Rand etwa in der Mitte zwischen Köpfchen und Winkel der Rippe. 


Ji 


llz 


h 


\\ 
E55 
! . = a 


Se 


!) Die Zacken desselben sind von Albin (hist. muse. p. 401) als Theile der Mm. in- 
tercostt. intt. beschrieben, Es sind die Costarum depressores proprü Cowperi Dougl. Mm. 
intracostales Verheyen. Mm. infracostales Meckel. Mm. subcosiales (sous-costaux) Wins- 
low. M. serrat. int. Kelch. 


Transv. thor. ant. 99 


In dieser vollendeten Entwickelung zeigt sich der M. t. t. p. selten; in 
der Regel erstreckt er sich nicht über die untere Hälfte des Brustkorbes 
hinauf, zuweilen kommen neben zusammenhängenden unteren Zacken einige 
zerstreute Zacken an oberen Rippen vor, die eine Rippe überspringen, in 
der Fagerrichtung dem Intercost. int. gleichen, und von welchen sich nicht 
immer entscheiden lässt, ob sie dem Transversus angehören oder durch Zu- 
sammenfliessen von Fasern je zweier Intercost. intt. entstanden sind. Aber 
selbst die untersten Zacken des Transv. thor. post. können fehlen, und dann 
treten in den unteren Intercostalräumen die Intercost. intt. bis an die Wir- 
belkörper heran (Bdl. Fig. 25). 


2. M. transversus thoracis ant. m. Tta'). 


Entspringt im unmittelbaren Anschluss an den M. transv. abd. vom la- 
teralen Ende des Knorpels und zuweilen noch am Knochen der sechsten 


2 Ta 


Vordere Brustwand, von innen. Das Zwerchfell (Dp), dicht an den Ursprüngen von den 
Rippen und von der Sehne des M. transv. abd. (Ta) abgeschnitten, 


l) M. triangularis sterni s. sternocostalis aut. M. transversus pecloris Arnold, 
7* 


2. Transv. 
thor. aut. 


Fascie. 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


100 Brustmuskeln. 


oder fünften bis zur dritten oder zweiten Rippe mit platten, dünnen, sehni- 
gen Zacken und heftet sich mit dem unteren Theile des medialen Randes 
sehnig an den Rand des Schwertfortsatzes und des Brustbeinkörpers, weiter 
hinauf mit einzelnen, ebenfalls sehnigen Zacken an die vorderen Enden der 
Knorpel der fünften und vierten Rippe. Das unterste Bündel nimmt zu- 
weilen noch Fasern vom Knorpel der siebenten Rippe auf. Die oberen 
Zacken, welche an Rippen entspringen und enden, lassen zwischen Ursprung 
und Insertion eine Rippe frei). 

Der vordere Transversus ist beständiger als der hintere, jedoch eben- 
falls von veränderlicher Ausdehnung, nicht selten in einzelne Faseikel zer- 
fallen. 


Die Stelle einer Fascie der tiefen Brustmuskeln vertreten die Ligg. 
intercostalia (Bdl. S. 32); von ihnen aus setzen sich zartere Bindegewebs- 
lagen über die äussere und innere Fläche fort, die inneren von der Pleura 
bekleidet. Zwischen den äusseren und inneren Intercostalmuskeln liegt 
eine dünne, mitunter fibröse Bindegewebsschichte; reichlicheres und fetthal- 
tiges Bindegewebe findet sich in der Rinne, in welcher die Gefäss- und 
Nervenstämme verlaufen. 


Die Wirkung der Intercostalmuskeln, welche schon einmal Gegenstand einer 
lebhaften Controverse zwischen Hamberger und Haller gewesen, ist auch in 
neuester Zeit vielfach besprochen und von den meisten Physiologen im Hamber- 
ger’schen Sinne gedeutet worden. Da beim Heben der Rippen die Insertions- 
punkte der Fasern der äusseren Intercostalmuskeln sich einander nähern, die In- 
sertionspunkte der=Fasern der inneren Intercostalmuskeln dagegen sich von ein- 
ander entfernen (Donders, Physiol. d. Menschen. Bd. I. S. 390), so nimmt man 
an, dass die äusseren Intercostalmuskeln zur Hebung, die inneren zur Senkung 
der Rippen, jene zur Inspiration, diese zur Exspiration bestimmt seien. Ich will 
nicht einwenden, dass die inneren Intercostalmuskeln zwischen den vorderen, auf- 
steigenden Theilen der Rippenknorpel dieselbe Richtung habeny wie zwischen den 
absteigenden Rippenknochen; man hätte dann die Pheorie nur dahin zu modifici- 
ren, dass sich die vorderen Enden der inneren Intercostalmuskeln physiologisch 
gleich den äusseren verhielten. Wohl aber hätte zuerst erwogen werden müssen, 
25 eine solche alternirende Wirkung der äusseren und inneren Intercostalmuskeln 
bewiesen oder nur wahrscheinlich sei. Ich halte sie für unwahrscheinlich nach der 
Analogie mit den Bauchmuskeln, nach der Art der Nervenvertheilung, hauptsüch- 
lich aber wegen der Uebelstünde, welche die Contraetion der Einen Muskelschichte 
ohne die andere mit sich bringen würde. In der Leiche sieht man, wenn man die 
Rippen auf- und niederbewegt, abwechselnd die Intercostales externi und interni 
erschlaffen; in Folge dieser Erschlaffung bilden die Einen Wülste nach aussen, die 
anderen nach innen. Eine so höckerige Gestalt dieser Fläche, wie sie durch die 
nach innen vorspringenden Wülste der inneren Intercostalmuskeln beim Einathmen 
erzeugt werden müsste, würde aber, da die Lunge genau der inneren Oberfläche 
des Brustkorbes anliegen muss, auf die Form und Bewegung dieses Organs einen 
sehr merklichen, störenden Einfluss üben; die nach aussen vorspringenden Wülste 
der äusseren Intercostalmuskeln beim Ausathmen müssten sich, beiläufig gesagt, 
bei mageren Personen durch Gesicht oder Gefühl nachweisen lassen. 


Dreieckiger oder innerer Brustmuskel. Petit dentele ant. Cruv. Von Rosenmüller mit 
dem T'ransv. abd. unter dem Namen Sterno-abdominalis zusammengezogen. 

D) Nach Meckel's Vorgang betrachten die deutschen Autoren das Brustbeinende des 
Muskels als Ursprung, 


Brustmuskeln. 101 


Ein anderer Fehler dieser Theorie ist der, dass sie Heben und Senken der 
Rippen und Ein- und Ausathmen als unzertrennliche Begriffe verbindet, da man 
doch bei fest verschlossener Mund- und Nasenöffnung die Rippen heben und sen- 
ken und also die Form des Brustkorbes ändern kann ohne gleichzeitige Aenderung 
seiner Capacität. 


Betrachtet man die Wirkung der Intercostalmuskeln zuerst für sich, ohne 
Rücksicht auf ihren Antheil an den complicirten Athembewegungen, so lässt sich 
nicht zweifeln, dass Fasern, welche, wie schräg ihre Richtung sein möge, zwischen 
zwei Rippen verlaufen, durch ihre Zusammenziehung vor allen Dingen die beiden 
Rippen einander nähern müssen. Ein schief absteigender Muskel müsste zugleich 
die untere Rippe rückwärts, ein schief aufsteigender sie vorwärts ziehen; dass 
diese beiden Wirkungen einander gegenseitig aufheben und die resultirende Be- 
wegung eine gerade aufwärts ziehende sein müsse, ist um so sicherer, da die 
Rippen vermöge ihrer Befestigung nicht im Stande wären, dem Zuge rück- oder 
vorwärts zu folgen. 


Bevor indess die vereinte Thätigkeit des äusseren und inneren Intercostal- 
muskels eines Intercostalraums die Rippen einander entgegenführt, müssen die 
Muskelfasern sich zwischen den beiden Punkten, zwischen welchen sie ausgespannt 
sind, vollkommen gerade gerichtet haben; dies führt auf eine gewiss sehr wesent- 
liche, tonische Function derselben. Die weiche Substanz, die die Lücken zwischen 
den Rippen ausfüllt, hat nämlich beim Einathmen, wodurch in der Brusthöhle ein 
leerer Raum erzeugt wird, die Last der Atmosphäre zu tragen und ist beim Aus- 
athınen dem Drucke ausgesetzt, mit welchem die Luft aus der Brusthöhle aus- 
getrieben wird; jene Substanz würde, wenn sie nachgiebig wäre, bei der Inspiration 
einwärts, bei der Exspiration auswärts bauschen, und damit ein Theil der Kraft, 
die zu den Athembewegungen verwandt wird, nutzlos vergeudet werden. Die Auf- 
gabe, einen Widerstand zu leisten, der sich nicht erschöpfen darf, hat die Natur 
nirgends dem Binde- oder elastischen Gewebe anvertraut, das doch in einem lan- 
gen Leben allmälig schwach und runzlig wird; einer solchen Aufgabe ist nur das 
Muskelgewebe gewachsen. Dass dieser Zweck die Anordnung der Intercostal- 
muskeln wesentlich mit bestimmt hat, ist daraus zu ersehen, dass sie in doppelter 
Schichte nur so weit vorkommen, als nicht durch andere Muskeln die Widerstands- 
kraft der Intercostalräume gesichert ist; hinten, so weit die longitudinalen Rücken- 
muskeln sich lateralwärts erstrecken, und vorn, so weit der M.transversus thoracis 
ant. und rectus abd. reicht, liegen die Intercostalmuskeln in einfacher Schichte, und 
zwar fehlt dort der innere, hier der äussere. 


Um nun auf die Bewegungen der Rippen gegen einander zurückzukommen, 
welche die fortgesetzte Contraction der Intercostalmuskeln zu Stande bringt, so 
kann ıhr Gang nur von der relativen Beweglichkeit der Rippen abhängen, so 
zwar, dass die befestigte Rippe die bewegliche zu sich herauf- oder herabzieht. 
Die Beweglichkeit der Rippen, zuerst den einfachen Fall angenommen, dass keine 
anderweiten Muskelkräfte an denselben angebracht werden, ist bedingt durch ihre 
Befestigung am hinteren und vorderen Ende. Sägt man sämmtliche Rippen in 
einiger Entfernung von den Rippenhöckergelenken durch und führt man mittelst 
der Stümpfe Bewegungen um die das Gelenk des Köpichens und Höckers verbindende 
Axe aus, wobei sie mit dem Schnittende auf- und abgehen: so lehrt schon das 
Augenmaass, dass die Beweglichkeit von der ersten Rippe bis zur sechsten und 
siebenten ab- und von da bis zur untersten wieder zunimmt; in manchen Fällen 
findet man die mittleren Rippen fast unbeweglich. Was sodann die Befestigung 
des vorderen Endes betrifit, so ist der Vortheil, welchen in dieser Hinsicht die 
falschen Rippen vor den wahren, und wieder unter den falschen Rippen die unteren 
vor den oberen haben, bekannt und bedarf keinerErörterung; wie sich die wahren 
Rippen zu einander verhalten, ist freilich schwer zu ermitteln; jedenfalls aber wird 
eine Zusammenziehung der Intercostalmuskeln für sich allein die unteren Rippen 


102 Brustmuskeln. 


heraufziehen, somit den Brustkorb im verticalen Durchmesser verkleinern und 
durch Erhebung der Rippenursprünge des Zwerchfells die Ausathmung fördern. 

Aber auch das ist zweifelhaft, ob die Intercostalmuskeln jemals für sich allein 
zur Wirksamkeit gelangen, und dann, wenn sich ihre Thätigkeit mit der Thätigkeit 
anderer, von der Wirbelsäule und dem Becken entspringender Muskeln assocürt, 
kommt es auf einen Wettstreit dieser Muskeln an, welcher derselben die Rippe, 
an die er sich ansetzt, so fixirt, dass sie mittelst der Intercostalmuskeln die an- 
deren nach sich zieht. Es kann sein, dass, bei gehörig befestister Wirbelsäule, 
die Scaleni die erste und zweite Rippe, der Serrat. post.. sup. die nächstfolgenden 
Rippen heben und so festhalten, dass alle übrigen Rippen bei der Zusammenzie- 
hung der Intercostales diesem Zuge nach oben folgen müssen; umgekehrt kann 
möglicherweise der M. serratus post. inf. in Verbindung mit dem M. quadrat. 
lumborum und den äusseren Schichten der Bauchmuskeln die untersten Rippen 
dergestalt herabziehen und befestigen, dass jede höhere Rippe der nächst tieferen 
nachgiebt. Jene Bewegung würden die Levatores costarum, diese der M. sacro- 
spinalis und Rect. abd. unterstützen. Es ist aber ebensowohl möglich und nach 
meiner Meinung wahrscheinlicher, dass bei kräftiger Inspiration die oberste Rippe 
aufwärts, die unterste abwärts gezogen werde, dass der Einen wie der anderen eine 
Anzahl Rippen folge, und dass die mittleren am wenigsten von der Stelle rücken. 
Damit stimmt die relative Straffheit der mittleren Rippengelenke und die Anord- 
nung der Mm. serrati postt., von welchen die mittleren Rippen (die sechste bis 
achte) allein keine Zacken erhalten. In der That ist, wenn die Zusammenziehung 
des Zwerchfells ganz der Inspiration zu Gute kommen soll, eine Befestigung der 
unteren Rippen unerlässlich; das Zwerchfell würde sonst, wie dies auch Duchenne 
(S. 373) auf Reizung des N. phrenicus beobachtete, die Rippen, an welchen es 
entspringt, einwärts ziehen; dieselben dem Zuge des Zwerchfells entgegen, ab- 
und auswärts fest zu halten, scheint der M. serratus post. inf. ganz geschaffen, der 
sich an den unteren Rand der vier unteren Rippen gerade da ansetzt, wo von 
deren oserem Rande die Zwerchfellszacke abgeht. Andererseits scheint auch zum 
Behuf einer kräftigen Ausathmung die Fixirung der oberen Rippen erforderlich 
und das Husten erfolgt bei gehobener Brust. 

Die Mm. transversi thoracis scheinen noch geeigneter, als die Intercostales, ° 
um die Rippen einander zu nähern; da sie über wenigstens Eine Rippe wegsetzen, 
und also aus contractiler Substanz auch an der Stelle bestehen, wo zwischen den 
Intereostalmuskelfasern der beiden entsprechenden Intercostalräume die starre Sub- 
stanz des Rippenknochens oder Knorpels eingeschoben ist, so sind sie einer be- 
deutenderen Verkürzung fähig, als die Intercostalmuskeln. Ausserdem schützen 
die Zacken des M. transv. thor. ant. die Vasa mammaria intt., die Zacken des M. 
transv. thor. post. die Stämme der Intercostalgefässe gegen den Druck der Brust- 
eingeweide, indem sie sie gegen die Brusthöhle brückenförmig überspannen. 

Ich habe hier noch einmal der oberflächlichen Brustmuskeln zu gedenken, von 
welchen die Handbücher fast einstimmig!) berichten, dass sie, wenn Schulter und 
Arın anderweitig festgestellt seien, zur Bewegung der Rippen und namentlich zur 
Hebung derselben, bei grosser Athemnoth, benutzt würden. Ein Theil dieser Be- 
hauptung ist unzweifelhaft richtig. Ist der Arm befestigt, so wenden die Brust- 
muskeln den Rumpf gegen den Arm; ist der Körper an Einem Arme oder an 
beiden aufgehängt, so ziehen ihn die oberflächlichen Brust- und Rückenmuskeln 
nach ihrer Seite und zu sich empor. Aber gerade dass die Brustmuskeln eher 
das Gewicht des Körpers lüften, als eine Inspirationsbewegung vollziehen, und 


») Nur L. Fick erklärt sich dagegen in seinem Lehrbuche der Anatomie. Leipzig 
1843. $. 343 und kürzlich wieder in einer auf seine Anregung erschienenen Dissertation 
von Coester, über die Function des Serrat. magn. Marb. 1857. Von älteren Anatomen 
bekämpft Winslow in einer sehr lesenswerthen Abhandlung über die Bewegungen der 
Schulter (Möm. de Tacad. des sc. Paris 1728. p. 175) die damals schon allgemeine An- 
nahme einer ‚respiratorischen Function des Serratus. 


Halsmuskeln. 103 


dass man, an den Armen aufgehängt, ebenso frei ein- und ausathmet, wie auf dem 
Boden stehend, muss Bedenken erregen, ob eine Verwendung der oberflächlichen 
Brustmuskeln zur Beihülfe beim Athmen jemals stattfinde. In der That sind sie 
hierzu so ungünstig als möglich angeordnet. Die Fasern des M. peetor. maj. und 
Serrat. ant. laufen zum Theil den Rippen, die sie heben sollten, parallel, zum 
Theil steigen sie sogar von der Insertion an der oberen Extremität gegen die 
Rippen auf und müssten die letzteren abwärts bewegen. Eine Erhebung gerade 
nach aussen ist, nach der Einrichtung der Gelenke, nur den untersten Rippen ver- 
stattet, bis zu welchen die oberflächlichen Brustmuskeln sich nicht erstrecken. 
Einigermaassen günstig, um die Rippen aufwärts zu ziehen, ist die Richtung des 
M. pectoralis minor, doch fehlt es diesem an einem hinreichend kräftigen Antago- 
nisten, der dem Zuge vor- und abwärts das Gegengewicht hielte.e Duchenne 
konnte bei festgehaltenem Arm durch Reizung des M. pector. maj. keine Bewe- 
gungen, weder der Rippen, noch des Brustbeins, erzielen (S. 341). Was den M. 
serrat ant, betrifft, so zeugt schon die Verschiedenheit der Ansichten, die über 
den Effect seiner Zusammenziehung auf die Rippen geäussert worden sind, für 
die Unsicherheit der Thatsache. Die Meisten stellen ihn schlechthin zu den In- 
spirationsmuskeln und erklären ihn für einen Heber der Rippen; Cruveilhier 
nennt die obere und untere Portion inspiratorisch, die mittlere exspiratorisch; 
Theile hält gerade die mittleren Zacken für inspiratorische und Cöster (a.a.O.) 
beweist, dass nur die oberen Zacken inspiratorische sein könnten, die mittleren 
dagegen exspiratorische, und die unteren gar keine Wirkung auf die Rippen haben. 

Zwar erzielte Duchenne ($. 306) durch gleichzeitige Faradisation der Min. 
rhomboidei und des Serratus ant. eine kräftige Inspirationsbewegung; doch war 
hier möglicherweise der Strom auf das Zwerchfell übergegangen. 

Auf die Annahme einer Betheiligung der oberflächlichen Brustmuskeln an den 
Inspirationsbewegungen hat besonders das bekannte Factum geführt, dass Asth- 
matische die oberen Extremitäten in mancherlei Weisen festzustellen suchen, um, 
wie man meint, von den Extremitäten aus die Muskeln auf die Rippen wirken zu 
lassen. Vielleicht ist der Nutzen der Befestigung des Schulterblatts und Schlüssel- 
beins anderwärts zu suchen. Fick vermuthet, es solle dadurch der Brustkorb von 
dem Drucke befreit werden, den die obere Extremität allein durch ihr Gewicht 
übe. Ich möchte annehmen, dass, von der befestigten Schulter aus, die oberfläch- 
lichen Muskeln des Nackens, Trapezius, Rhomboidei, Levator scapulae, vielleicht 
auch der Sternocleidomastoideus zur Befestigung der Halswirbelsäule und des 
Kopfes mit verwandt werden, um danach die Energie der Contractionen der Min. 
scaleni und des Serrat. post. sup. erhöhen zu können. 


IV Er) Sm urscksel:n: 


Die Halsgegend ist nach unten durch den oberen Rand des Brustkorbes, 
nach oben durch den Unterkiefer begrenzt, hinter dessen Aesten sie sich 
jederseits bis zum Ohr oder zum Warzenfortsatz hinauf erstreckt. Die hin- 
tere Wand und zugleich die knöcherne Stütze des Halses wird von der 
Säule der Halswirbel gebildet. Die Vorderfläche dieser Wirbel ist von 
Muskeln bedeckt, welche zum Theil in den Brustkorb hinab- und an die 
Schädelbasis hinaufreichen und die Wirbel unter sich, mit der Schädelbasis, 
mit den oberen Rippen und dem oberen Rande des Schulterblattes in Ver- 
bindung setzen. Es sind die tiefen oder hinteren Halsmuskeln. Die 
Luft- und Speiseröhre und die grossen Gefäss- und Nervenstämme des 
Halses laufen vor ihnen herab und müssen entfernt werden, wenn jene 
Muskeln sichtbar gemacht werden sollen. Sie haben alle einen ziemlich 


IV. Hals- 
muskeln. 


104 Vordere Halsmuskeln. 


genau verticalen Faserverlauf, entsprechen aber, abgesehen von den dem 
Halse eigenen Muskeln der Wirbelkörper, transversalen Muskeln des Rum- 
pfes, insbesondere den Mm. intercostales und dem Serrat. ant. des Brust- 


korbes. 


Eine andere Gruppe von Halsmuskeln, die wir oberflächliche oder 
vordere nennen, liest an der Seiten- und Vorderwand des Halses, vor und 
neben den Eingeweiden und Gefässstäimmen. Auch unter diesen Muskeln 
sind die meisten von verticalem Verlauf, und einzelne derselben, welche in 
der vorderen Medianlinie mit ihren Rändern aneinanderstossen, erinnern an 
die Mm. recti des Bauches. Doch bedingen die Modification des Skelett- 
baues, die Vervielfältigung der Insertionspunkte, die Vermischung der Mus- 
kulatur der Rumpfwände mit der der Eingeweide und endlich die eigen- 
thümlichen Aufgaben der Muskeln des Halses Eigerthümlichkeiten der 
Bildung der letzteren, welche es unthunlich machen, sie auf das allgemeine 
Schema der Rumpfmuskeln zurückzuführen. 


a. Vordere Halsmuskeln. 


a. Vordere Die vom Brustkorbe und Unterkiefer begrenzte Gegend, die ich soeben 


Hals- 


muskem. als Halsgegend definirte, wird durch das Zungenbein getheilt. Die Partie 
unterhalb des Zungenbeins ist Hals im engeren (und gewöhnlichen) Sinne; 
die Fläche zwischen dem Zungenbeine und dem unteren Rande des Unter- 
kieferkörpers, die dem Boden der Mundhöhle entspricht, wird Unterkiefer- 
gegend, Regio submazillaris, genannt; sie schliesst sich bei gewöhnlicher 
Haltung des Kopfes unter einem rechten Winkel an die Vorderfläche des 


Halses. 


Eine Anzahl vorderer Halsmuskeln verläuft, das Zungenbein übersprin- 
gend, zwischen den knöchernen Begrenzungen der Halsgegend, dem Brust- 
korbe, Unterkiefer und Warzenfortsatze; dies sind die längeren und oberfläch- 
licheren. Kürzere und tiefere Muskeln begeben sich vom Brustkorbe, Unter- 


Fio. 46. 


Oo 


S E 


kiefer und der Gegend des Warzen- 
fortsatzes zum Zungenbein oder zu dem 
am Zungenbeine aufgehängten Kehl- 
kopf; sie mögen Zungenbeinmuskeln 
genannt werden. Bezeichnet in neben- 
stehender Figur 46, einer Profilansicht 
der rechten Fläche des Halses ent- 
sprechend, P den Warzenfortsatz, M 
den Unterkiefer, S den Band des 
Brustkorbes, und H das Zungenbein, 
so genügt es, die vier Punkte durch 
Linien zu verbinden, um eine Ueber- 
sicht der Lage der vorderen Hals- 
muskeln zu gewinnen. Drei Linien, 
SM, SP und PM vermitteln direct 
den Zusammenhang der drei entlegen- 
sten Grenzpunkte, sie repräsentiren 


re De ” 


Subeutaneus colli. 105 


den M. subeutaneus colli, sternocleidomastoideus und biventer mandibulae. 
Die Linien SH, PH und MH stellen die Muskeln zwischen jenen drei 
Grenzpunkten und dem Zungenbein dar; doch sind die diesen Linien ent- 
sprechenden Muskeln complieirter als die oberflächlichen. An der Stelle 
der Linie SH finden sich zwei Schichten, von welchen die äussere vertical, 
die innere transversal in zwei Muskeln getheilt ist (in der äusseren Schichte 
Mm. sternohyoideus und omohyoideus, in der inneren sternothyreoideus und 
thyreohyoideus). Ebenso zerfällt die Muskulatur MH in zwei Schichten, 
eine transversale und eine sagittale (M. mylohyoideus und geniohyoideus). 
Der Muskel PH (stylohyoideus) ist einfach, am Ursprung vom Warzenfort- 
satze weg auf die Basis des Griffelfortsatzes gerückt, in der Nähe der In- 
sertion gespalten, um die mittlere Sehne des Biventer mand. durchzulassen, 
die auf diese Weise gegen das Zungenbein herabgedrückt wird. 


@. Lange vordere Halsmuskeln. 


1. M. subeutaneus coli Sce)). 


Eine dünne Muskelplatte, aus.blassen, medianwärts aufsteigenden Fa- 
sern zusammengesetzt, an die Haut, wie an die tieferliegenden Theile der 
Hals-, Submaxillar- und Unterkiefergegend fest angeheftet. Die Haupt- 
ınasse der Fasern entspringt aus der Fascie des M. pectoralis major und 
des-M. deltoideus in einer von der Gegend des vorderen Endes des zwei- 
ten Rippenknochens zu dem Acromion sich hinziehenden Linie. Die vom 
Pect. maj. entspringenden Bündel liegen dicht zusammen, die vom Deltoid. 
entspringenden mehr zerstreut; jene gehen steil in die Höhe, diese, um sich 
mit den übrigen zu vereinigen, anfangs um so geneigter, je weiter seitwärts 
sie liegen. Der ganze Muskel wird dadurch beim Uebergang von der Brust 
auf den Hals schmaler und seine vom Ursprung an convergirenden Fasern 
gewinnen am Halse einen parallelen Verlauf (Fig.47). Dem lateralen Rande 
legen sich am Halse einige Bündel an, welche auf dem M. sternocleido- 
mastoideus von der Fascie dieses Muskels ihren Ursprung nehmen, und noch 
im Gesicht erhält der Subeutan. einen Zuwachs von blassen, platten, durch 
schmale Zwischenräume von einander gesonderten Bündelchen, welche seit- 
wärts neben den vom Halse heraufziehenden Fasern dicht über dem Unter- 
kieferrande aus der Fascie des Masseter und der Parotis hervorgehen. Der 
laterale Rand des Subeutaneus ist demnach treppenförmig oder zackig, doch 
ist die Halszacke sehr schmal und fast unter den von der Brust aufsteigen- 
den Fasern verborgen und die Unterkieferzacke erweist sich, ohne an die 
übrige Masse des Subcutaneus heranzutreten, nur durch die Richtung ihrer 
Faserung als Theil desselben. Der mediale Rand des Muskels ist gerad- 
linig und springt bei der Contraction scharf hervor. 

Die Breite des M. subeutaneus am Halse ist ungefähr gleich der Länge 
einer Unterkieferhälfte. Sein medialer Rand lässt das Sternoclavicular- 
gelenk und den Sternalursprung des M. sternocleidomast.. sowie die mitt- 


>) Platysma myoides; M. guadratus gemae Cowp. M. latissimus colli Albin. Breiter 
Halsmuskel, Hauthalsmuskel. Le peaueier Winsl. 


&. Lange 


Je 


vordere 
Hals- 
muskeln. 
Subeut. 
eolli. 


106 . Subeutaneus colli. 


leren Theile des Halses unbedeckt und vereinigt sich mit dem gleichnamigen 
Rande des entsprechenden Muskels der anderen Körperhälfte unter einem 
spitzen Winkel, etwa in der Mitte zwischen Zungenbein und Kinn oder 


Fig. 47. 


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Y 


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X - /, 
Y Ka, 
ILEDR, A, 


M. ‚subeut. colli, von vorn. 1 Kehlkopf. Scm Mediale Ursprungssehne des M. sterno- 
eleidomastoideus. 7r M. triangularis. Tr’ Schleifenförmig unter dem Kinn verbundene 
Fasern beider Triangulares. Z M. zygomat. RM. risorius. 


N i 
etwas näher dem Unterkiefer. Sein lateraler Rand bedeckt den vorderen 
Rand des M. trapezius, schlägt sich etwa in der Höhe des oberen Randes 
des Kehlkopfs auf den M. sternocleidomast. hinüber und erreicht den Unter- 
kiefer dicht vor dessen Winkel. Die Stellung der Flächen ergiebt sich von 
selbst aus der Betrachtung der Gegenden, die der Muskel durchläuft; am 
Halse erzeugt der Sternocleidomastoideus, hinter dem lateralen Theile des 


Subceutaneus collı. 107 


Unterkieferrandes erzeugt die Submaxillardrüse einen Wulst; jener steigt 
steil lateralwärts auf, dieser ist kreisförmig. 

Die Insertion des M. subeutaneus colli am Unterkiefer und im Gesicht 
ist durch seine Verbindung mit Gesichtsmuskeln complieirt. Unterhalb des 
Unterkieferrandes theilt er sich in zwei Portionen von ziemlich gleicher 
Breite, welche zuweilen durch einen von Bindegewebe ausgefüllten schmalen 
Zwischenraum geschieden sind. Der Zwischenraum entspricht genau der 
Stelle, an welcher die Art. max. ext. sich über den Kieferrand ins Gesicht 
begiebt. Die dem medialen Rande der medialen Portion zunächst gelege- 
nen Bündel befestigen sich an den Unterkiefer, und zwar nehmen die Enden 
der einander durchkreuzenden Bündel beider Subeutanei den unteren Rand 
dieses Knochens zwischen den Tubercula mentalia beider Seiten (die Basis 
der Protuberantia mentalis) ein; die übrigen Bündel der medialen Portion 
gehen über den Rand des Unterkiefers weg auf dessen vordere Fläche; 
einige gelangen, indem sie in die Tiefe dringen und sich, immer noch ge- 
kreuzt, an den Rand des M. levator menti der entgegengesetzten Seite an- 
legen, zu dessen Ursprungsstätte.e Die meisten enden in der Haut ihrer 
Seite des Kinns bis zur Mittellinie und in der Muskulatur der Unterlippe, 
jedoch mit einer Unterbrechung, welche Anlass gegeben hat, einen dem 
Wesen nach zum Subeutaneus colli gehörigen Muskel als M. quadrat. 
menti !) von ihm zu trennen. Allerdings trifft diese Unterbrechung den bei 
weitem grössten Theil der Fasern und lässt nur die den Rändern zunächst 
gelegenen unberührt. Sie nimmt sich so aus, als ob die Muskelsubstanz 
über dem unteren Rande des Unterkiefers mit der Beinhaut verschmolzen 

“ wäre; die vom Halse aufsteigenden Fasern inseriren sich hier und neue ent- 
springen oberhalb derselben in gleicher Breite, um sich in gleicher Rich- 
tung fortzusetzen. In dem schmalen Zwischenraume zwischen der Insertion 
jener und dem Ursprunge dieser Fasern haftet der M. triangularis menti, ein 
Muskel, dessen Beschreibung später folgen wird und von welchem hier nur 
noch erwähnt werden muss, dass er mit einem Theil seiner Fasern, unter 
dem Kinn von Einer Seite zur anderen ziehend, von unten her die Insertion 
der gekreuzten Fasern des M. subeutaneus colli deckt (Fig. 47). 

Von der lateralen Portion des M. subeutaneus colli trennt sich am me- 
dialen Rande ein verhältnissmässig schmaler Zipfel ab, der sich schräg me- 
dianwärts gegen den Mundwinkel neigt, indess die anderen Fasern sich in 
der Fascie der Wange verlieren. Jener Zipfel legt sich an die obere Spitze 
des M. triangularis menti an und erreicht mit ihr die Haut des Mundwin- 
kels2); einige Bündel desselben gehen in die Tiefe und mischen sich, be- 
deckt vom M. quadr. menti, der Muskulatur der Unterlippe bei. 

Var. Ich sah vom medialen Rande des Muskels Fasern abgehen, die auf der 


Seitenfläche der Cart. thyreoidea in der Nähe ihres oberen Randes sich befestigten. 
Von den den lateralen nächsten Fasern sollen einzelne an die untere Fläche des 


DM. depressor labü inferioris. 

®) In den neueren Handbüchern wird dieser Theil des Subeutaneus unter dem Namen 
Risorius Santorini beschrieben, mit doppeltem Unrecht, da er den Mundwinkel nicht zur 
Seite, sondern niederzieht und da Santorini's Risorius (a. a. O. 8. 32) ein vom Sub- 
cutaneus durchaus verschiedener, das obere Ende des letzteren bedeckender Muskel ist 
(s. Gesichtsmuskeln). i 


FhYysiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


2. Sterno- 
eleidom. 


108 Sternocleidomastoideus. 


Ohrknorpels treten (Cowper, cit. bei Albin, S. 194); nicht selten wendet sich 
eine Anzahl Fasern des lateralen Randes hinter das Ohr, um auf dem Proc. mastoi- 
deus zu enden (Zagorsky, mem. de Petersburg. T. I. p. 357. Taf. XI. XIH. 
Theile, $. 183). Diese Varietät bildet den Uebergang zu einer anderen, einmal 
in Heidelberg und einmal in Göttingen von mir beobachteten, wo ein platter, 
dünner Muskelstreif abwärts convex oder selbst in gebrochener Linie von der Ge- 
gend der oberen Nackenlinie unter dem Ohr vorüber zur Wange verlief und über 
dem Tuber zygomatieum in die Haut oder Fascie des Gesichtes ausstrahlte. So 
rechne ich zu den Varietäten des M. subeutaneus auch die queren Muskelbündel, 
Occeipitalis teres s. minor s. Corrugator posticus Santorini (Obs. cap. 1. $. 4), 
Peauciers sous-occipitaux Cruv. (p. 190), welche so häufig unterhalb der oberen 
Nackenlinie transversal auf den Sehnen des M. cucullaris und sterhocleidomastoi- 
deus vorkommen, aus der Fascie entspringend und in derselben endend. Ein vom 
Schlüsselbein entspringendes und über die untere Ausbreitung des Subeutaneus 
colli quer zur Fascie des M. deltoideus verlaufendes Muskelbündel beschreibt 
Gantzer (Meckel An. II. 472). An einer von Teichmann auf hiesiger Ana- 
tomie präparirten Leiche bogen die dem medialen Rande nächsten Fasern des 
M. subeut. colli auf dem M. pectoralis major abwärts um und gingen, indem sie 
sich mit ähnlichen Fasern des gleichnamigen Muskels der anderen Seite kreuzten, 
über das Brustbein weg zum zweiten bis dritten Rippenknorpel der entgegenge- 
setzten Seite. 

Die Wirkung der Bündel des M. subeutaneus colli, die in den Mundwinkel 
und in die Haut des Kinns übergehen, ist an sich klar. Soll man aber diejenigen, 
die sich an den Unterkiefer befestigen, zu den Herabziehern dieses Knochens 
zählen? Sie wären dazu sehr ungeschickt angeordnet, da sie, um auf den Un- 
terkiefer zu wirken, zuvor das Bindegewebe, mittelst dessen ihre innere Fläche 
an die tieferen Halsmukeln angeheftet ist, aufs Aeusserste gedehnt haben müssten. 
Viel wahrscheinlicher ist, dass sie bei geschlossenem Munde zwischen Brust und 
Kiefer sich gerade strecken sollen. Den Zweck dieser Streckung aber hat Foltz 
(Gaz. med. 1852. Nro. 31) vollkommen dadurch erklärt, dass dem Einsinken der 
Haut des Halses und dem Collabiren der Halsvenen beim Einathmen Widerstand 
geleistet werden müsse. In der That sieht man bei rascher oder angestrengter 
Inspiration, insbesondere beim Singen, die Subeutanei sich spannen und die Haut 
des Halses in Längsfalten legen. 

Dem lateralen Theile des M. subeut. colli lässt sich ein Antheil an der För- 
derung des Speichels aus der Parotis nicht wohl absprechen. Zwar sind die Fa- 
sern, welche die Parotis decken, meist nur zart; aber auch die aufzuwendende 
Kraft ist gering und gerade beim Kauen wird die Wirksamkeit des Muskels we- 
sentlich unterstützt durch die Dehnung, die er beim Oeffnen des Mundes erfährt. 


2. M. sternocleidomastoideus Scm). 


Entspringt mit zwei Köpfen breit und platt am Brust- und Schlüssel- 
bein und verschmälert und verdickt sich im Aufsteigen dadurch, dass der 
steiler aufsteigende laterale Kopf sich unter den medialen schiebt. 

Der Ursprung des medialen Kopfes?) befindet sich an der Vorderfläche 
des Brustbeins unter dem Schlüsselbeinausschnitt; der Ursprung des latera- 
len Kopfes?) nimmt den oberen Rand des sternalen Endes des Schlüsselbeins 


1) M. nutator capitis Meckel. M. masioideus coli Arn. Kopfnicker. Nach Wins- 
low’s Vorgang werden die beiden Portionen des Sternocleidomastoideus yon Albin, Meckel 
u. A. als zwei selbständige Muskeln beschrieben. Sömmerring und Theile fassen die 
Schädelinsertion als Ursprung, die Brustkorbinsertion als Endigung. 

2) Caput sternale. M. sternomastoideus Winslow. Nutator capitis int. s. ant. Meckel. 

3) Caput clavieulare. M. cleidomastoideus Winslow. Nutator c. ext. s. post. Meckel. 


Sternocleidomastoideus. 109 


bis nahe an die Gelenkfläche ein. Der mediale Kopf (Fig. 48 Scm?) ent- 
springt mit einer starken, plattrunden Sehne, die sich am medialen Rande 
desselben am längsten erhält; der laterale Kopf (Sem!) entspringt breit, 


Fig. 48. 


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\$ 7 


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IN 
IN 


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Hals im Profil, nach Entfernung des M. subeutaneus coli. Tr M. trapezius. SpepM. 
splenius cap. Zs M. levator scapulae. Scp M. scalenus post. Sin h M. sternohyoideus. 
Oh M. omohyoideus. 


aussen kurzsehnig, innen fleischig. Vermöge seines geneigt lateralwärts 
aufsteigenden Verlaufs deckt der mediale Kopf den medialen Rand des 
lateralen, und nur wenn der letztere ungewöhnlich schmal ist, bleibt zwischen 
beiden Köpfen ein niederer und schmaler, dreieckiger, nach oben zugespitz- 
ter Zwischenraum. Eine dünne Bindegewebslage füllt diesen Zwischenraum 
aus und heftet die beiden Köpfe aneinander, welche sich bis zur Endsehne 
und oft sogar bis zur Insertion am Schädel getrennt erhalten. Die starke, 
medianwärts an Höhe und Mächtigkeit abnehmende Endsehne befestigt sich 
an der Wurzel des Warzenfortsatzes und dem angrenzenden Theile der 


Physiolo- 


gische Be- 
merkungen. 


3. 


Bivent. 
mand, 


110 Biventer mandibulae. 


oberen Nackenlinie bis zum Rande der Sehne des M. trapezius, mit dem sie 
sich verflicht, unmittelbar über dem M. splenius. 


Die häufigen Varietäten des M. sternocleidomastoideus beruhen grösstentheils 
darauf, dass der laterale Kopf breiter wird und zugleich in Abtheilungen zerfällt, 
was das Ansehen einer Verdoppelung oder einer Bildung accessorischer Köpfe 
gewährt. Die accessorischen Portionen finden sich am medialen oder lateralen 
Rande. Als Verdopplung und zugleich Abirrung des lateralen Kopfes des Sterno- 
cleidomastoideus betrachte ich einen von Theile (S. 170) als Varietät des Scale- 
nus ant.-beschriebenen Muskel, der von der Mitte des Schlüsselbeins zollbreit ent- 
sprang und an den Querfortsätzen des fünften und vierten Halswirbels endete, 
Ein fleischiger oder sehniger Zipfel geht vom vorderen Rande des M. sternoclei- 
domastoideus zum Winkel des Unterkiefers (Brugnone bei Meckel, 8. 475). 


Durch einen einseitigen Zug des M. sternocleidomastoideus wird bekanntlich der 
Kopf nach der Seite des wirkenden Muskels herabgezogen und zugleich um die ver- 
ticale Axe etwas vorwärts und um die transversale Axe aufwärts gewandt. Die 
Annahme, dass die gleichzeitig und gleichmässig thätigen Muskeln beider Seiten 
den Kopf vorwärts beugten, die zu der deutschen Benennung Kopfnicker An- 
lass gegeben hat, ist ohne Zweifel unrichtig; ein Blick auf das Profil des Skeletts 
zeigt, dass der grösste Theil der Insertion des Sternocleidomastoideus hinter den 
Drehpunkt des Kopfes im Atlasgelenke fällt, und dass also die Bewegung, die dieser 
Muskel dem Kopfe im Atlasgelenke ertheilt, wenn sie überhaupt in Betracht käme, 
vielmehr eme Streckung wäre. Will man den Sternocleidomastoideus energisch 
sich contrahiren sehen, so muss man in ausgestreckter Rückenlage den Kopf zu 
heben versuchen. Nicht den Kopf zu beugen, sondern ihn vorwärts zu ziehen, wo- 
mit dann allerdings der Hals gebeugt wird, ist die Aufgabe der vereinigten Sterno- 
eleidomastoidei. 


3. M. biventer mandibulae Bm)). 

Dieser Muskel verläuft in einem aufwärts concaven Bogen oder in einer 
stumpfwinklig gebrochenen Linie vom Warzenfortsatz, am oberen Rande 
des Zungenbeinkörpers vorüber zum Unterkiefer. Er besteht aus zwei platt 
cylindrischen, spindelförmigen, durch eine eylindrische Sehne verbundenen 
Muskelbäuchen; der hintere (laterale) Muskelbauch (Fig. 49 Bm), im 
transversalen Durchmesser abgeplattet, wurzelt in der Incisura mastoidea, 
der vordere, mediale, im verticalen Durchmesser abgeplattete (Dm?), setzt 
sich in der Fossa digastrica und an dem unter derselben gelegenen Theile 
des Unterkieferrandes fest. Der hintere Bauch geht, verdeckt vom Sterno- 
cleidomastoideus, ‘aber durch lockeres Bindegewebe von diesem Muskel, 
sowie von den tiefer liegenden Muskeln geschieden, ab-median- und vor- 
wärts; der vordere Bauch geht in der Ebene der Submaxillargegend, also 
ziemlich horizontal, vor- und etwas medianwärts, an der oberen Fläche mit 
dem M. mylohyoideus, an der unteren Fläche in der Nähe der Insertion 
mit dem M. subeut. colli straff verbunden. 


Die zwischen den Muskelbäuchen eingeschaltete Sehne liegt vor und 
über dem Zungenbeine; zweierlei Vorrichtungen dienen dazu, sie in dieser 


DM. biventer s. digastricus mazwillae inferioris. M. digastricus ossis hyoidei M. J. Weber. 
Zweibäuchiger Unterkiefermuskel. M. digastrique. 


Biventer mandibulae. 111 


Lage auch bei der Zusammenziehung des Muskels zu erhalten. Erstlich 
ihr Verhältniss zum M. stylohyoideus, dessen Fasern dicht oberhalb der 
Insertion am grossen Zungenbeinhorne auseinanderweichen und einen von 
schleimigem Bindegewebe ausgekleideten Schlitz bilden, durch welchen die 


Fig. 49. 


3 N 


WAR 
7 IS 


IN 


& 
2 


Hals- und Unterkiefergegend von vorn. Der rechte M. subeut, colli ist an der Insertion, 
der M. sternocleidomastoideus derselben Seite am Ursprunge abgeschnitten und entfernt. 
h Zungenbein. 1 Kehlkopf. 2 Gland. thyreoidea. 3 Halsgefässstämme (V. jugul. int. 
und Art carotis comm.). Tr M. trapezius. 0% M. omohyoid. Sin% M. sternohyoid. 
StIh M. stylohyoideus. Sti M.sternothyreoid. 7’ M.thyreohyoid. Mh M. mylohyoideus. 


Sehne des Biventer”wie. durch einen am Zungenbeine befestigten Ring glei- 
tet. Zweitens ihre Verbindung mit dem Körper des Zungenbeins durch 
eine fascienartige Ausbreitung von mannigfaltiger Form. Zuweilen entfal- 
tet sich die ganze aus dem hinteren Bauch des Biventer hervorgehende 
Sehne fächerartig gegen den unteren Rand des Zungenbeinkörpers und der 
vordere Bauch entsteht mit neuen Bündeln an der unteren Fläghe dieser 
Sehne. Gewöhnlich biegen die oberen Fasern der Zwischensehne in den 
vorderen Bauch um, indess die unteren sich theilweise am Zungenbeine be- 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


ß. Zungen- 
beium. 

I. Von der 
Schädel- 
basis. 
Stylohyoid. 


112 Stylohyoideus.” 


festigen, 'theilweise von den Muskeln beider Seiten her in der Mittellinie in 
Form eines transversalen cylindrischen Stranges oder einer derben Faseie 
zusammenstossen. Auch in diesem Falle entwickeln sich Muskelfasern, die 
sich dem vorderen Bauch beigesellen, von den am Zungenbeine haftenden 
Sehnenfasern. 


Var. Häufig bilden die vom Zungenbeine stammenden Fasern einen besonderen 
Muskel, der entweder unsymmetrisch auf Einer Seite oder symmetrisch auf beiden 
Seiten oder unpaarig in der Mitte liest. Oder diese accessorischen Muskeln ver- 
laufen schräg und einander durchkreuzend von der Zwischensehre des Einen Bi- 
venter zur Kieferinsertion des anderen. Auch kommen mitunter von den Zwischen- 
sehnen der Muskeln beider Seiten fächerförmig gegen die Mittellinie ausstrahlende, 
in einer Art Linea alba sich vereinigende Muskelfasern vor, ein dreieckiges Blatt 
mit vorwärts gerichteter Spitze darstellend, dessen untere Fläche zuweilen noch 
von zerstreuten, sagittalen Bündeln bedeckt ist. Ein dreiseitiges Muskelblatt mit 
rückwärts gerichteter Spitze, die Basis am Unterkiefer, beobachtete R. Wagner 
(Heusinger’s Zeitschrift, Bd. III. S. 334). Ich sah mit dem vorderen Bauch des 
Biventer einen vom Rande des Unterkiefers dicht vor dem Winkel dieses Knochens 
entspringenden, cylindrischen Muskel sich vereinigen. In einem von Platner 
(de musc. digastr. max. infer. Lips. 1737) beschriebenen Falle theilt sich der vor- 
dere Bauch des rechten Biventer in zwei Zipfel, welche sich rechts und links neben 
der Mittellinie des Kinnes ansetzen. Der vordere Bauch des linken Biventer da- 
gegen zieht schräg seitwärts und befestigt sich an der Unterkieferhälite seiner 
Seite mitten zwischen Winkel und Kinn. 

Der Biventer zieht den Unterkiefer herab; die Befestigung seiner Zwischen- 
sehne am Zungenbeine bewirkt, dass entweder das Zungenbein beim Oeffnen des 
Mundes gehoben wird, oder dass, wenn zugleich mit dem Biventer die Muskeln in 
Zusammenziehung gerathen, die das Zungenbein abwärts festhalten, diese Muskeln 
mit zum Herabziehen des Unterkiefers beitragen. Wirkt der Biventer bei ge- 
schlossenem Munde, so gehört er zu den Hebern des Zungenbeins. 


ß. Zungenbeinmuskeln. 


I. Zwischen Schädelbasis und Zungenbein. 
M. stylohyoideus SHIh N. 


Geht vom äusseren Umfange der Basis des Proc. styloid., an dem er 
mit einer dünnen Sehne entspringt, ab- und vorwärts nur wenig steiler, als 
der hintere Bauch des Biventer, von welchem er oben durch lockeres Binde- 
gewebe getrennt ist, dem er sich aber im weiteren Verlaufe immer mehr nä- 
hert, bis er, dicht über dem Zungenbeine, mit einem Theile seiner Fasern über 
ihn hinwegsetzt (Fig. 49.50). Es ist bald die grössere, bald die kleinere Hälfte 
des Muskels, welche vor der Zwischensehne des Biventer vorübergeht; fast 
immer endet ein Bündel an dieser Sehne selbst; nur ausnahmsweise tritt 
der M. stylohyoideus ungetheilt vor oder hinter derselben ans Zungenbein. 
In der Regel erhalten sich die beiden Portionen, in welche die Zwischen- 
sehne den Stylohyoideus zerlegt, gesondert bis zur Insertion; zuweilen ver- 
einigen und durchkreuzen sich die Muskelfasern wieder unterhalb des 


!) Griffelzungenbeinmuskel. 


Sternohyoideus. 113 


Schlitzes. Beide Portionen setzen sich mit dünnen, breiten Sehnen an die 
Mitte oder das mediale Ende des grossen Horns des Zungenbeins, zuweilen 
Fig. 50. auf den Körper 

\ dieses Knochens 

herüberreichend. 
Oft hängt die vor- 
dere Portion mit 
den Sehnen desM. 
omohyoideus oder 
des M. hyothyreoi- 
deus, oder mit der 
Fascie, welche den 
vorderen Bauch 
des Biventer an 
das Zungenbein 
heftet, zusammen. 


OR 
IE. 


“ 


i IH, hi MM 
Stlh 7 Mi IM 
/ | 


Var. Verdoppelt 
sich oder fehlt auf 
einer oder beiden 
Seiten. Der über- 
zählige Muskel (M. 
stylochondrohyoideus 
Douglass. sStylo- 
hyoideus novus San- 
torini) setzt sich 
an das kleine Horn. 


Profilansicht des Halses nach Entfernung des M. subeut. colli und ve ee S 
Sternocleidomast. Der vordere Bauch des M. biventer vor der a) 
Zwischensehne abgeschnitten. A Zungenbein. 1 Cart. thyreoid. sah neben dem ge- 
2 Gland. tbyr. 6 Schlundmuskeln. Mh M. mylohyoid.  wöhnlichen und dem 

sm Lig. stylomyloid. Sg M. styloglossus. an das kleine Horn 

sich befestigenden 

Muskel einen dritten, der sich an das stumpfe Ende des grossen Horns inserirte. 


II. Zwischen Brustkorb und Zungenbein. 
aa. Erste Schichte. 


1. M. sternohyoideus Sinh). 


Von der inneren Fläche des sternalen Endes des Schlüsselbeins, des ır. vom 
Sternoclavieulargelenks und des angrenzenden Theils des Brustbeins zieht Wrusikorb- 
dieser anfangs platte und dünne, gegen die Insertion an Breite ab- und an Pelichte. 
Dicke zunehmende Muskel zuerst gegen die Mittellinie aufwärts, dem gleich- hyoid. 
namigen Muskel der anderen Seite entgegen, dann eine Strecke weit neben 
demselben her und schliesslich lateral-aufwärts, so dass der Winkel des 


Schildknorpels zwischen den Muskeln beider Körperseiten frei bleibt. Die 


= M. siernocleidohyoideus Winslow. MM. cleido-hyoidien Cruv. Brustbeinzungenbein- 
muskel. Brustzungenbeinmuskel. £ 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 3. 8 


114 Omohyoideus. 


Insertion am Zungenbeine, meist mit der Insertion des Omohyoideus ver- 
flochten, nimmt jederseits den unteren Rand des medialen Theils des Zun- 
genbeinkörpers ein (Fig. 51). 


Oft erinnert eine sehnige Inscription in der Nähe des unteren Randes 
des Muskels an die Analogie desselben mit dem M. rectus abdominis. 


2. M. omohyoideus Oh)). 


Ein gleich dem Biventer mandibulae zweibäuchiger Muskel, dessen 


Fig. 51. 


IA 


\ 


) 


POLL | 
u Stnh 
N 


Hals- und Unterkiefergegend von vorn. Der rechte M. subeut. colli ist an der Insertion, 
der M. sternocleidomastoideus derselben Seite am Ursprunge abgeschnitten und entfernt. 
h Zungenbein. 1 Kehlkopf. 2 Gland. thyreoidea.. 3 Halsgefässstämme (V. jugul. int. 
und Art. carotis comm,). Tr M. trapezius. Bm M, biventer mandib. S82/h M., stylo- 
hyoideus. Sit M. sternothyreoid. 7% M. thyreohyoid. MA M. mylohyoideus. 


2; 


1) M. coracohyoideus Riolan. M. costohyoideus Santorin. M. omoplat- ou scapulo- 
hyoidien Cruv. Schulterblattzungenbeinmuskel. Schulterzungenbeinmuskel. 


Omohyoideus. 115 


platte Zwischensehne sich oberhalb der Mitte des Schlüsselbeins und lateral- 
wärts neben den grossen Gefässstämmen des Halses befindet. Zu dieser 
= Sehne geht der hintere Bauch in fast transversaler, nur wenig aufsteigender 
Richtung über die Mm. scaleni um den Hals herum, vom oberen Rande des 


Fig. 52. 


WIN 
Y 


43 


IN N \ 
N\ 


RU \\- a 
N \ NN NN N 


Inn \ 


| 


Vordere Brustwand fast Profi. M. pect. maj. völlig und M. pect. min. bis auf die Ur- 
sprünge entfernt, Pm* tiefe Zacke. des M. pect. min. Das Schlüsselbein ist durch- 
sägt und das laterale Schnittende (C}) mit dem Schulterblatt seitwärts umgestülpt. Die 
Rippenzacken des M. latiss. dorsi (Ld) dicht am Ursprunge abgeschnitten. ?s Lig. transv. 
scapulae. 7Tmj M. teres maj. Oae M. oblig. abd. ext. Je, Ti Mm. intercost. ext. 
und int  Scm M. sternocleidomast. Zs M. levator scap. Ssp M. supraspinatus. 
Ss M. subscapularis. 


Ss 


Physiolo = 
gische Be- 
merkungen. 


116 Omohyoideus. 


Schulterblattes (medianwärts) neben dem Lig. transversum sup. und von diesem 
Ligamente selbst breit entspringend und sich allmälig verschmälernd (Fig. 52). 
Von der Zwischensehne aus verläuft der vordere Bauch auf-, median- und 
vorwärts; er wird vom Ursprunge an erst breiter, Jann wieder schmaler und 
heftet sich an den unteren Rand des Zungenbeins theils lateralwärts neben, 
theils vor der Insertion des Sternohyoideus; mit seinen medialsten Fasern 
geht er in den Rand des Sternohyoideus über, mit den lateralsten setzt er 
sich häufig in den Stylohyoideus fort (s. oben). 

Der hintere Bauch und die Zwischensehne hängen mit einer derben 
Fascie zusammen, welche mit beiden Enden an die innere Fläche des 
Schlüsselbeins befestigt ist und mit scharfem Rande von obenher eine Lücke 
begrenzt, durch die die Nn. supraclaviculares über diesen Knochen hervor- 
treten. Von dieser Fascie her erhält zuweilen der vordere Bauch am me- 
dialen Rande einen geringen Zuwachs an Muskelbündeln; von ihr aus ver- 
breiten sich sehnige Bündel in die Scheide der grossen Gefässstämme am 
Halse (Fig. 51). 


Neben dem hinteren Bauche des M. omohyoideus oder statt desselben (in wel- 
chem Falle der vordere Bauch fehlt) findet sich ein Muskel von ähnlicher Form 
und Breite, der in die Fascie des Halses ausstrahlt (Krause’s M. coracocervicalis. 
Quain anatomy of arteries pl. IV. Fig. 2) oder an der oberen knöchernen Be- 
grenzung des Brustkorbes sich ansetzt, an die erste Rippe (R. Wagner, Heusin- 
ger’s Zeitschrift, S. 335, Theile, als Varietüt des M. serrat. ant. S.227. Gru- 
ber, Neue Anomal. $. 19) oder an das Schlüsselbein (Rosenmüller, in ‘dessen 
und Isenflamm’s Beitr. Bd. I. Hft. 3. S. 375. Taf. II. Luschka, Müller’s 
Archiv 1856. S. 284). Der vordere Bauch kann in zwei zerfallen (Gruber, vier 
Abhandl. $. 13), oder es begleitet ihn ein zweiter, vom Schlüsselbein entspringen- 
der Bauch (Kelch, Beitr. S. 31. Cruveilhier, $. 173), welcher auch wohl die 
Stelle des vorderen Buches einnimmt, in welchem Falle der hintere Bauch fehlt 
(Albin, Quain a. a. O. pl. XXV.). Vierbäuchig, aus zwei hinteren und zwei 
vorderen Bäuchen zusammengesetzt, sah den M. omohyoideus Gruber (Vier Ab- 
handl. $. 14); die oberen Bäuche waren die normalen, von den unteren Bäuchen 
entsprang der hintere vom Schlüsselbeine, der vordere floss mit dem M. sterno- 
hyoideus zusammen. Ob der von Kelch (a. a. O. S. 32) und Gruber (Vier Ab- 
handl. S. 22) erwähnte Muskel, welcher zwischen dem Schulterende des Schlüssel- 
beins und den Querfortsätzen eines oder mehrerer Halswirbel verläuft, hierher 
oder zu den Varietäten der Mm. scaleni oder des Levator scapulae zu stellen sei, 
möchte ich unentschieden lassen. 

Die mittlere Sehne oder Inscription erstreckt sich zuweilen nur über einen 
Theil der Muskelbündel oder sie fehlt völlig. ; 

Diese Sehne hat, wie sich aus den Varietäten des Muskels erschliessen lässt, 
die Bedeutung einer Rippe; der hintere Bauch ist eine Serratuszacke, der vordere 
ein dem Sternohyoideus, der ja auch theilweise von Rippen entspringt, analoger 
Muskel. Da die Rippe (eine unterste Halsrippe) nicht zur Entwickelung gelangt, 
fliessen beide Bäuche mittelst einer sehnigen Inscription ineinander. 

Der Zusammenhang der mittleren Sehne mit der Fascie des Halses ist in der 
Regel straff genug, um den Muskel zu hindern, sich bei seiner Contraction gerade 
zu strecken; der hintere Bauch spannt also die Fascie; der vordere zieht, von der 
Fascie aus wirkend, das Zungenbein herab. Wirken beide Bäuche zugleich von 
ihren knöchernen Anheftungspunkten aus auf die intermediäre Sehne, so müssen 
sie dieselbe in der Richtung des sagittalen Durchmessers des Halses verschieben. 
Theile und Hyrtl sind der Ansicht, dass sie sie einwärts bewegen und damit 
einen Druck auf die V. jugularis üben. Mir scheint es, dass die beiden Bäuche 
des Omohyoideus einen nach aussen (vorn) offenen, allerdings sehr stumpfen 


Sternothyreoideus- 117 
Winkel einschliessen, dass sie also die intermediäre Sehne und die mit ihr verbun- 
dene Halsfascie, namentlich aber die Scheide der grossen Blutgefässe vorwärts 
ziehen und nach vorn festhalten; der Omohyoideus würde demnach mit dem Sub- 
cutaneus colli beitragen, die Halsgefüsse offen zu erhalten und dazu insbesondere 
bei kräftigen Inspirationsbewegungen in Anspruch genommen werden. 


bb. Zweite Schichte. 


Die beiden Muskeln dieser Schichte sind in Verbindung mit einander 
eine Wiederholung des M. sternohyoideus; sie stellen einen Sternohyoideus 
dar, der am Schildknorpel einen Ruhepunkt gefunden und auf diese Weise 
eine Unterbrechung erlitten hat. Beweis für die Richtigkeit dieser An- 
schauung ist, dass Fasern des unteren dieser Muskeln sich ununterbrochen 
und also dem Sternohyoideus vollkommen ähnlich bis zum Zungenbein fort- 
setzen. Doch machen selbst an dem Zungenbeine nicht alle Fasern Halt; 
einige derselben erstrecken sich nocb weiter aufwärts in die Zunge, dem 
Zungenmuskel sich beigesellend, der vom Zungenbeine seinen Ursprung 
nimmt (Hyoglossus). Meistens sind es die dem lateralen Rande zunächst 
gelegenen Bündel, welche sich über die Anheftungspunkte am Kelilkopfe und 
Zungenbeine hinaus erstrecken; doch kommen dergleichen auch an anderen 
Stellen des Muskels vor, und es giebt Fälle, wo sich der ganze mittlere 
Theil des unteren Muskels an einen Sehnenstreifen heftet, von welchem ein 
oberflächlicher Theil des oberen Muskels ausgeht, so dass beide einen ein- 
zigen, durch eine sehnige Inseription unterbrochenen Muskelbauch bilden. 

Die Muskeln dieser tiefen Schichte sind breiter als die der oberfläch- 
licheren; ihre Fasern haben eine von Anfang an steil lateralwärts aufstei- 
gende Richtung, so dass sie die Fasern der oberflächlichen Schichte unter 
spitzem Winkel kreuzen. Deshalb wird die tiefe Schichte unten am me- 
dialen Rande, oben am lateralen Rande der oberflächlichen sichtbar (Fig. 53). 
Sie liegt unmittelbar auf den Eingeweiden der Halsgegend, auf der Schild- 
drüse und dem Kehlkopfe, und ist von der Schilddrüse zum Schildknorpel 
hohl hinübergespannt, um die Art. thyreoidea sup. zu decken. 


1. M. sternothyreoideus ÖTL)). 


Entspringt hinter und unter dem Sternohyoideus, am medialen Rande 
oft mit dem gleichnamigen Muskel der anderen Seite verflochten, von der 
inneren Fläche des Brustbeingriffes und des ersten, auch wohl zweiten Rip- 
penknorpels, verschmälert sich im Aufsteigen und setzt sich, mit Ausnahme 
der lateralen, über den Kehlkopf hinwegziehenden Fasern, an die äussere 
Fläche des Schildknorpels, und zwar an eine schräg von einem Vorsprunge 
am unteren Rande dieses Knorpels zu einem Höcker an der Wurzel des 
“oberen Horns verlaufende Kante. Die kurze Sehne, mit welcher er sich an 
den Kehlkopf befestigt, deckt den Ursprung der obersten Fasern des unteren 
Schlundschnürers, und ihre innere Fläche dient einzelnen dieser Fasern zum 


Ursprunge. 


I) Brustbeinsehildknorpelmuskel. Brustbeinschildmuskel. Brustschildmuskel, 


bb. Zweite 
Schichte. 


1. Sterno- 
thyreoid. 


_ 


2. Thyreo- 
hyoid. 


118 Thyreohyoideus. 


Auch der Sternothyreoideus zeigt zuweilen am unteren Theile des 
Halses eine sehnige Inscription. 


Fig. 53. 


NUN 
wm 17 
bh 


> 


Brust- und Unterkiefergegend von vorn. Nächst dem M. subeut. colli und sternocleidom. 

ist rechterseits noch der vordere Bauch des M, biventer, der M. sternohyoideus und der 

grösste Theil des M. omohyoideus (Oh) entfernt. Aus dem M. trapezius (Tr) ist ein Stück 

ausgeschnitten. Die Halsgefässe ebenfalls weggenommen. % Zungenbein. Bm’ Hinterer 

Bauch des M. biventer mandib. StZ!h M. stylohyoideus. 1 Cart. thyreoid. 2 Gland. 

thyreoid. 4 Cart. cricoid. 5 M. cricothyreoid., eigener Muskel des Kehlkopfes. 
6 Schlundkopfmuskeln. * Tiefe laterale Halsmuskeln. ** Tiefe mediale Halsmuskeln. 


Var. Die medialen Fasern beider Sternothyreoidei kreuzen einander am Ur- 
sprunge oder Ein Muskel schickt dem anderen einige Bündel zu. Der Muskel 
findet sich der Länge nach in zwei oder drei (Cruveilhier) getheilt. An den 
lateralen Rand sah ich ein Bündel sich anlegen, welches aus der Scheide der 
Halsgefässe entsprang. 


2. M. thyreohyoideus Th}. 


Von der Insertionsstelle des Sternothyreoideus, verbunden mit den la- 
teralen Fasern des letzteren, zum seitlichen Drittel des unteren Randes des 


0) M. hyothyreoideus. Zungenbeinschildknorpelmuskel. Schildzungenbeinmuskel, 


Mylohyoideus. 119 


4 
Zungenbeinkörpers und zum angrenzenden Theile des grossen Horns des 
Zungenbeins (Fig. 53). 


Var. Gruber (Neue Anomal. 8.13) findet einen Muskel, Hyothyreoideus lat., 


von 1“ Dicke, jederseits am medialen Rande des Lig. hyothyreoideum von der 
Spitze des grossen Zungenbeinhorns zur Spitze des oberen Horns des Schild- 
knorpels. Zu den Varietäten des Thyreohyoideus ist wohl auch Zagorsky’s 
(Mem. de l’acad. de Petersb. T. I. p. 353) M. cricohyoideus zu stellen, der sich 
zwischen Zungenbein und Ringknorpel erstreckt. 


III. Zwischen Unterkiefer und Zungenbein. 
aa. Erste Schichte. 
M. mylohyoideus Mh). 
Ein unpaariger Muskel, der mit wesentlich querverlaufenden Fasern 


am Boden der Mundhöhle in dem vom Körper des Unterkiefers umschlos- 
senen Raume liegt. Er ist zwischen den Lineae mylohyoideae beider Unter- 


RN jplEN 


Frontalschnitt des Kopfes hinter dem letzten Backzahn. Md Unterkiefer. Peco Proc. 

coronoid. desselben, 2 Glandula saliv. subling. 4 Nasenhöhle. 5 Gland. Iymphat. sub- 

maxill. See M. subeut coll. Bm2 Vorderer Bauch des Biventer mand. Mh M. my- 
lohyoid. @% M. geniohyoid. @g M. genioglossus.. Pi M pterygoid. int. 


kieferhälften ausgespannt (Fig. 54), aber nur die vordersten, kürzesten 
Bündel unterhalb der Spina mentalis gehen unmittelbar und gestreckt von 
Einer Seite zur anderen; die anderen bilden, je weiter rückwärts und je 
höher aufwärts an der inneren Fläche des Unterkiefers sie entspringen, um 
so steiler gebogene, mit der Convexität zugleich rück- und abwärts gerich- 
tete Schleifen (Fig. 53). 

Gegen die Mitte des hinteren Randes des Muskels springt aber der 
vorwärts convexe Körper des Zungenbeins vor; er unterbricht gleichsam die 
hintersten Schleifen, deren Fasern demnach, statt von beiden Seiten her in 
der Mittellinie zusammenzutreffen, jederseits mittelst platter Sehnen an den 
unteren Rand des Zungenbeinkörpers und seitwärts an die obere Fläche der 
vom Zungenbein entspringenden Sehne des vorderen Bauchs des Biventer 


DM. Iransversus mandibulae. Kieferzungenbeinmuskel. 


III. Zum 
Unterkiefer. 
aa. Erste 
Schichte. 
Mylohyoid. 


120 Geniohyoideus. 


sich anheften. Auch noch vor dem Zungenbeine zeigen sich die Bündel eine 
Strecke weit in der Mittellinie durch eine schmale, mediane Sehnensubstanz 


Fig. 55. 


Mediandurchschnitt des Kopfes. A Zungenbein.. * Schleimbeutel unterhalb desselben. 
1 Kehlkopfhöhle. Stnh M. sternohyoid. Trm M. triangularis menti. Die übrigen Be- 
zeichnungen wie in der vorigen Figur. 


getheilt, weiter auf der oberen als auf der unteren Fläche des Muskels; 
einzelne Bündel durchflechten sich in der Mittellinie und tauschen ihre Fa- 
sern gegen einander aus. 


Var. Die Glandula saliv. submaxillaris drängt sich zuweilen mit einzelnen 
Lappen zwischen den Bündeln des M. mylohyoideus durch und zerlegt diesen .so 
in mehrere Abtheilungen. 


bb. Zweite Schichte. 
M. geniohyoideus @ N). 


bb. Zweite An der unteren Fläche vom M. mylohyoideus, an der oberen Fläche 
Genichua, vom M. genioglossus (Fig. 55) und an der medialen Fläche vom gleich- 
namigen Muskel der anderen Seite (Fig. 56) nur durch sehr feine Binde- 
gewebslagen geschieden, mit dem letzteren zuweilen zu einem unpaaren 


Muskel verschmolzen, geht der M. geniohyoideus in gerader Linie von der 


") Kinnzungenbeinmuskel. 


Geniohyoideus. 321 


Spina mentalis zum Zungenbeine. Er ist in der Nähe des Ursprungs fast 
eylindrisch, etwas von den Seiten zusammengedrückt; gegen die Insertion 


+ 


Fig. 56. 


Mh 


Submaxillargegend, M. mylohyoid. (Mk) durchschnitten und nach beiden Seiten zurück 
geschlagen. 1 Cart, thyreoidea.. 2 Gland. saliv. subling. Ag M. hyogl. Sg M. stylo- 
glossus. Pi M. pteryg. int. 


M. geniohyoid. am Ursprunge und an der Insertion abgeschnitten. M. hyoglossus (/ 9) 
durchschnitten, um das kleine Horn des Zungenbeins Am und den Ursprung des Schiund- 
muskels (3) zu zeigen. @g M. genioglossus. 


wird er breiter und in demselben Maasse platter. Sein Ansatz nimmt am 
Körper des Zungenbeins fast die ganze äussere Fläche ein; oft erstreckt er 
sich, schmächtiger, auf die Basis des grossen Horns. Er liegt unter dem 
Ursprunge des M. hyoglossus am Zungenbeinkörper, schickt aber häufig 
über den medialen Rand und die äussere Fläche dieses Muskels einzelne 
Bündel, die sich an das kleine Horn des Zungenbeins befestigen (Fig. 57). 


122 Hintere Halsmuskeln. 


Var. Verdoppelt sich jederseits (Mayer’s Beschreibung d. menschl. Körpers 
Bd. IH. S.547). Ich sah einen dreiseitigen unpaaren Muskel in der ganzen Breite 
des Zungenbeinkörpers von dessen oberen Rande an der äusseren (vorderen) Fläche 
des M. hyoglossus entspringen, dessen Fasern sich in schrig medianwärts conver- 
girendem, fast transversalem Verlaufe in eine mediane Spitze vereinigten und der 
Faserung des M. geniohyoideus beimischten. 


Physiolo- Die Wirkung der Zungenbeinmuskeln und ihre Combinationen ergeben sich 
gische Be- - . 
merkungen. Fig. 58, leicht aus nebenstehendem Schema. Zieht 


die Gruppe SH abwärts, PH rück- und 
aufwärts und MH vor- und aufwärts, so 
folgt aus der Verbindung von PH mit 
\ MH ein Zug gerade nach oben, aus der 
H Verbindung von SH mit MH ein Zug 
\ vorwärts, von SH mit PH ein Zug rück- 
\ wärts, der entweder gerade oder je nach 
| dem Vorherrschen der einen oder an- 
| deren Gruppe zugleich mehr auf- oder 
\ / abwärts gerichtet ist. Dabei kommen 
\ 7 noch einige Nebenwirkungen in Betracht. 
\ Von dem Verhältnisse des Omohyoideus 
zur Fascie war bereits die Rede; die 
\ tiefe Schichte der Gruppe SH kann durch 
\/ die Anheftung an die Cart. thyreoidea 
zu einem Heber oder Herabzieher des 
Kehlkopfes, ohne das Zungenbein, werden. 
Bei dem M. mylohyoideus ist der Ein- 
fluss auf die Bewegung des Zungenbeins 
untergeordnet, und seine wesentliche Bedeutung besteht in dem, was er als musku- 
löser Boden der Mundhöhle leistet, wenn seine Fasern sich zwischen den Unter- 
kieferästen verkürzen und dadurch erheben. 


b. Hintere Halsmuskeln. 


b. Hintere Die Muskeln dieser Region werden durch die Querfortsätze der Hals- 
as, wirbel in- zwei nebeneinander gelegene Gruppen geschieden. Die Eine, 
laterale Gruppe, enthält in mehreren Schichten Muskeln, welche von den 
Querfortsätzen abwärts zu Rippen und zum Gürtel der oberen Extremität 
gehen; die zu den Rippen herabsteigenden entsprechen zusammengeflossenen 
Intereostalmuskeln; der von Querfortsätzen der Halswirbel zum Schulter- 
blatt absteigende Muskel wiederholt am Halse den Serratus ant. der Brust- 
gegend. Die andere, mediale Gruppe, besteht aus Muskeln, welche von 
Querfortsätzen zu Querfortsätzen, von Wirbelkörpern zu Wirbelkörpern oder 
zwischen Querfortsätzen und Wirbelkörpern verlaufen. Wir haben diese 
Muskeln nach dem bei den Muskeln der hinteren Fläche der Wirbelsäule 
angendmmenen Principe als aufsteigende zu betrachten. Sie zerfallen in 
lange, zusammengesetzte und in kurze oder einfache. | 


e:slkaterale. 


Es sind platte Muskeln, höher als breit, in der Regel vier an der Zahl, 
welche hintereinander, jeder mit einer Reihe von Zacken, an Halswirbeln 
entspringen und am oberen Rande des Brustkorbes, zwischen dem vorderen 


c:. Laterale. 


Scaleni. 123 


Ende des ersten Rippenknochens und dem medialen oberen Winkel des 
Schulterblattes, neben- und hintereinander sich ansetzen. Ihre Form ist eine 
unregelmässig vierseitige; ihre langen Seiten, die mediale und laterale, sind 
einander parallel schräg ab- und seitwärts gerichtet, von den kürzeren Sei- 
ten verläuft die Eine, dem Ursprunge entsprechende, vertical, die andere, 
der Insertion entsprechende, annähernd horizontale Die Flächen dieser 
Muskeln, in der Nähe des Ursprunges frontal, erfahren gegen die Insertion 
eine mehr oder minder vollständige Drehung; die vorderen stellen sich 
dabei sagittal, so zwar, dass der anfänglich obere Rand allmälig zum vor- 
deren wird; die hinteren umfassen in einem Bogen die Nackenmuskeln und 
kehren also die am Ursprunge vordere Fläche schliesslich nach hinten. 
Von den vier Muskeln dieser Gruppe gehen die drei vordersten, 
. Scaleni !), zu Rippen; der vierte und hinterste, Levator scapulae, setzt sich 
an das Schulterblatt. Von den Scaleni inseriren sich zwei, Sc. ant. und 
med., an die erste Rippe; der dritte, ‚Se. posticus, an die zweite. Der M. 
scalenus ant. entspringt an den vorderen Spitzen der Querfortsätze. Die 
übrigen Muskeln entspringen, so weit die Querfortsätze in zwei Spitzen ge- 
theilt sind, an den hinteren Spitzen. Zwischen dem M. scalenus ant. und 
med. treten also die Stämme der Cervicalnerven hervor; den unteren Theil 
der spaltförmigen Lücke, gerade über der Rippe, benutzt die Art. subelavia, 
um aus der Brusthöhle auf die Aussenfläche des Brustkorbes zu gelangen. 


1. M. scalenus antieus !$ca?). 


Kommt mit drei oder vier anfangs sehnigen Zacken von den drei oder 
vier nächst unteren Halswirbeln und setzt sich, aussen sehnig, innen fleischig, 
an den oberen Rand und die äussere Fläche des Knochens der ersten Rippe. 
Die Insertion reicht nach vorn bis in die Nähe des Knorpels, nach hinten 
bis zum Tubere. scaleni (Knl. S. 66). 

An den unteren Theil der inneren Fläche des M. scalen. ant. ist die 
Pleura angeheftet; sein vorderer Rand begrenzt die obere Apertur des 
Brustkorbes. 


2. M. scalenus mediu Scemd?°). 


1. Scal. ant. 


Vor sämmtlichen Halswirbeln, von den oberen mit sehnigen, von den 32. Scal.mea. 


unteren mit fleischigen Zacken ; setzt sich vorn fleischig, hinten sehnig an 
den oberen Rand und die äussere Fläche der ersten Rippe seitwärts vom 
M. scalenus anticus. 


3. MM. scalenus postieus Scp®). 


Erhält Ursprünge von den drei untersten Halswirbeln und setzt sich ;, 5. post. 


sehnig an die Aussenfläche der zweiten Rippe, dicht vor der Insertion der 
Zacke des M. serratus post. 


!) Mm. triangulares, Rippenhalter. 

2) M. sc. prior Albin. M. sc. primus Krause. 

3) M. scalenus secundus. 

%) M. scalenus tertius Krause. Mit dem MM. scalenus med. vereinigt zum Scalene 
posterieur, Cruv. 


Sealeni. 


mim 
% DH, N : 
m DL Br 


R 


Hintere laterale Halsmuskeln. M. sternocleidomast. und splenius cap. sind an der In- 
sertion abgeschnitten. Das Schlüsselbein theilweise ausgesägt ; die Stümpfe desselben (ff) 
weit auseinandergezogen und das Schulterblatt lateralwärts umgelegt. M. pect. maj. 
(Pmj), pect. min. (Pm), subelavius (Sc) und omohyoideus (OA) am Ursprunge abge- 
schnitten. Tr M. trapezius. Sps M, serrat. post. sup mit dem oberen Rande zurück- 
gezogen. Jcce M. iliocostalis cervieis. Sa‘, Sa‘ Obere und mittlere Portion des M. ser- 
rat, ant. Ss M. subscapularis. ZLep M. long. cap. 1 Art carotis, 2 Art. subelavia. 
3 V, jugularis int. 4 V. subelavia. 


Levator scapulae. 125 


Var. Sehr häufig mehrt sich die Zahl der einzelnen Abtheilungen der &caleni. 
Albin stellt deren fünf auf, neben den drei anerkannten noch einen Scalenus 
minimus und lateralis, jener eine Wiederholung des M. scalenus ant., dicht hinter 
demselben von unteren Halswirbeln zur ersten Rippe; dieser zur Seite des M sca- 
lenus posticus von unteren Halswirbeln zur zweiten Rippe. Die überzähligen 
Scaleni sind aus Spaltung oder Vervielfältigung der typischen abzuleiten, so weit 
sie deren charakteristische Eigenschaften theilen; zum Scalenus ant. gehört, was 
vor der Subelavia an der ersten Rippe endet, zum Scalenus medius, was hinter 
der Subelavia an der ersten Rippe endet, zum Scalenus posticus, was an die zweite 
Rippe sich ansetzt. Doch kommen auch accessorische Scaleni vor, die unter keinen 
dieser Begriffe passen, vor der Art. subclavia an die zweite Rippe tretend (Theile), 
hinter der Subelavia an die erste und zweite und sogar an die drei oberen Rippen 
(Theile) sich inserirend; oder es fehlt jede Insertion an die zweite Rippe. 
Praktisch interessant ist unter diesen Varietäten besonders Eine, die mir bis jetzt 
in zwei Exemplaren begegnete, von welchen das Eine in hiesiger Sammlung auf- 
bewahrt ist: es zweigt sich nämlich von dem M. scalenus anticus ein schmales 
Bündelchen ab und befestigt sich hinter der Art. subelavia an einem ähnlichen 
Tubereulum der Rippe, wie der hintere (laterale) Rand des Scalenus ant., so dass 
also die Arterie zwischen zwei Höckern liest und der Zufall es fügen könnte, dass 
man beim Aufsuchen des Gefässes zuerst statt auf das normale, auf das hinter der 
Arterie gelegene anomale Tubereulum geriethe. 


Zur Aufhebung der obersten Rippe sammt dem Brustbeine ist besonders der 
M. scalenus ant., wie bereits früher erwähnt, schr günstig angeordnet, so dass 
es bei der grossen Beweglichkeit dieser Rippe im Vergleich zur Beweglichkeit 
der Halswirbel gegen einander bezweifelt werden dürfte, ob jener Muskel, ohne 
besondere Fixation der Rippen, den Hals gegen dieselben zu beugen im Stande 
sei. Auch würden die Zacken dieses Muskels, wenn Beugung des Halses seine 
wesentliche Verrichtung wäre, gewiss nicht vorzugsweise an den unteren Hals- 
wirbeln, sondern eher mit Uebergehung der unteren an den oberen befestigt sein. 
Der M. scalenus ant. und med. haben, indem sie die obere Brustapertur schliessen 
und mit ihrer hinteren Fläche unmittelbar auf der Pleura ruhen, eine den Min, 
intercostales ähnliche Aufgabe, dem Einsinken der oberen Brustwand beim Ein- 
athmen, dem Bauschen derselben beim Ausathmen Widerstand zu leisten. 


4. M. levator scapulae Ls». 


Entspringt mit vier, von oben nach unten an Stärke abnehmenden 
Zacken von den vier obersten Halswirbeln. Inserirt sich fleischig an den 
oberhalb des Schulterkammes gelegenen Theil der Basis des Schulterblattes, 
über dem Rhomboideus min. und vor den oberen Zacken des M. serrat. ant. 


Var. Die Zahl der Ursprünge dieses Muskels kann sich vermehren: Theile 
sah ihn mit fünf Zacken von ebensoviel Halswirbeln und mit einer sechsten vom 
Warzenfortsatze entspringen; ich sah ihn einmal von sämmtlichen Halswirbeln ent- 
springen; sein unterer Rand lehnte sich genau an den oberen Rand des M. serrat. 
ant. Er erhält accessorische Ursprünge aus dem Trapezius (eigene Beobacht.), 
von Dornen des zweiten bis vierten Brustwirbels (Meckel, dessen Archiv. 
Bd. V. S. 115), von der zweiten Rippe (Meckel, Theile). Er sendet abirrende 
Insertionen und zwar an die zweite Rippe direct (Theile) oder durch Verbin- 
dung mit dem M. scalenus post. (eigene Beobacht.), oder in die Fascie des M. ser- 
rat. post. sup. (Kelch, $. 33. Theile). In 


) M. levator anguli scapulae. M. patientiae. Schulterheber. Angulaire Winsl. 


Physivlo- 
gische Be- 
merkungen 


4. Levator 
scay). 


P. Mediale. 


T. 


1. 


Lange. 


Longus 
eolli. 


126 Longus colli. 


ß. Mediale. 
I. Lange. 


Die Masse der langen medialen hinteren Halsmuskeln erstreckt sich, 
unter einer diinnen, aber straffen Fascie, vom dritten Brustwirbel bis zum 
Körper des Hinterhauptbeins. Ihre Breite und Dicke nimmt von unten 
nach oben zu. Am unteren Ende sind die entsprechenden Muskelmassen 
beider Körperhälften fast durch die ganze Breite der Wirbelkörper getrennt; 
nach oben nähern sie sich einander und am unteren Rande des Epistropheus 
treten sie in der Mittellinie zusammen, zu beiden Seiten der dünnen fibrösen 
Scheidewand, welche vom oberen Ende des Lig. comm. vertebr. ant. gebil- 
det wird (Bdl. 8. 26). 

Man kann drei Muskeln unterscheiden, welche im Allgemeinen, je wei- 
ter sie hinaufreichen, um so oberflächlicher, um so höher und um so weiter 
lateralwärts entspringen. Von diesen ist der oberste, Longus capitis, am 
häufigsten ganz selbständig; die beiden unteren, Longus atlantis und coll, 
tauschen in der Regel Fascikel gegen einander aus und lassen sich nur 
künstlich von einander trennen. 


1. M. longus coli Le). 


Gleicht einem niederen, stumpfwinkligen Dreieck, dessen längste Seite 
sich fast vertieal vom Körper des dritten Brustwirbels bis zum Körper des 
zweiten Halswirbels erstreckt und dessen stumpfer Winkel mit der vorderen 
Spitze des Querfortsatzes des sechsten Halswirbels zusammentrifft. Den 
unteren spitzen Winkel bildet eine sehnig-fleischige Ursprungszacke, sehnig 
am medialen, fleischig am lateralen Rande, mit den Sehnenfasern gerade 
aufwärts, mit den Fleischfasern lateral-aufwärts gerichtet. Die gerade auf- 
steigenden Sehnenfasern gehen nach kurzem Verlaufe ebenfalls in Fleisch- 
fasern über; sie decken eine Anzahl sehniger Ursprünge, welche platt und 
immer schmaler, von der Vorderfläche der Körper der Halswirbel bis zum 
fünften oder vierten entstehen und sich an den medialen Rand und die den 
Wirbeln zugekehrte Fläche des Muskels allmälig anlegen. Eine zweite 
Reihe von Ursprungszacken tritt am lateralen Rande hinzu, platt, dünn und 
fleischig von dem Köpfchen der ersten Rippe, sehnig von den vorderen 
Spitzen der drei oder vier unteren Halswirbel (Fig. 60). 

Wie die Ursprünge, sind auch die Insertionen des M. longus colli auf 
beide Ränder vertheilt: die lateralen Insertionen strahlen vom untersten, die 
medialen vom obersten Theile des Muskels aus. Die lateralen Insertionen 
gehen hauptsächlich aus dem Fleische der untersten Ursprungszacke hervor; sie 


Y) Ich gebrauche diese Bezeichnung in einer von der gewöhnlichen abweichenden Be- 
deutung, indem der M. longus colli der Handbücher nebst dem hier unter diesem Namen 
beschriebenen Muskel auch noch unseren M. longus atlantis begreift. Unser Longus colli 
ist identisch mit der von Meckel und Krause sogenannten unteren oder unteren 
inneren Portion des Zongus colli aut. Er umfasst den epineux transversaire und Epi- 
neux anterieur Cruv., die innere und äussere untere Portion des M. longus coli M. J. 
‚Weber, die verticale und untere schiefe Portion Quain-Sharpey, den M. rectus colli 
und obliguus colli inf. Luschka (Müller’s Archiv. 1854. S. 103). 


Longus atlantis. 127 


liegen auf den untersten lateralen Ursprüngen und heften sich, diese Ursprünge 

Fie: 60. bedeckend,an die vorderen Spitzen 
ö der unteren Halswirbel. Die 
stärkste und beständigste der la- 
leralen Insertionen gehört dem 


) sechsten Halswirbel an; sie steigt 
vor den Vasa vertebralia auf, 
Lep birgt deren Eintritt in das Fo- 


ramen transversum des sechsten 
Halswirbels und scheint dazu be- 
stimmt, die Gefässe vor über- 
La mässigen Dehnungen (denen sie 
durch Beugung des Halses nach 
der entgegengesetzten Seite aus- 
gesetzt wären) zu bewahren. 
Die Insertionen an den siebenten, 
sowie an den fiinften und vierten 
Se Halswirbel sind feine Sehnen, 
fehlen häufig, verdoppeln sich 
aber auch )). 


Von den medialen Insertionen 
stellt die oberste den oberen 
spitzen Winkel des stumpfwink- 
ligen Dreiecks dar, dem wir die 
Gesammtform des Muskels ver- 
gleichen; sie befestigt sich flei- 
schig in der seitlichen Grube der 
Vorderfläche des Körpers des 
Epistropheus. Die folgenden In- 
sertionen treten sehnig und nach 
unten an Stärke abnehmend, an 
die Körper des dritten und vier- 
ten Halswirbels. 


Hintere mediale Halsmuskeln. M. longus capi- 

tis (Zep) in der Nähe der Insertion durch- \ 

schnitten und mit dem unteren Ende seitwärts ‚Var. Die unterste laterale In- 

zurückgeschlagen. Jtp M. intertransv. post, Sertion befestigt sich an das Köpf- 
RelM. rect. cap, lateralis. chen der ersten Rippe. 


2. M. longus atlantism. La?). 


Entspringt von Querfortsätzen oberer Halswirbel, vom sechsten, fünften 
oder vierten an bis zum dritten oder zweiten mit oberflächlichen, selbstän- 


!) Die lateralen Insertionen mit den auf dieselben bezüglichen Ursprungsfasern sind. 


es, welche die genannten Autoren als äussere untere, untere schiefe Portion, als epineux 
transversaire und Obliquus colli inf. unterscheiden. Auch Albin und Weber-Hildeb. 
trennen sie als untere Portion von dem Reste des M. longus coll; aut., den sie obere 
Portion nennen. Luschka fand sie zuweilen von der übrigen Muskelmasse vollständig 
gesondert. 

2) Obere äussere Portion des Longus colli M. J. Weber. Obere schiefe Portion 
Quain-Sharpey. M. obliquus coli sup. Luschka, Transversaire epineux Cruv. 


2 


. Longus 


atlantis. 


128 Longus cap. Intertransv. antt. 


digen und tiefen, aus den lateralen Ursprüngen des M. longus colli sich 
entwickelnden Sehnen und setzt sich fleischig an den seitlichen und unteren 
Umfang des Tubere. atlantis ant (Fig. 60). 


3. M. longus capitis m. Lep N). 


3. Longus Ein starker, platt eylindrischer Muskel, welcher meistens mit vier seh- 

wis nigen Zacken von den vorderen Spitzen der Querfortsätze des sechsten bis 

dritten Halswirbels entspringt und sich fleischig an der unteren Fläche des 

Körpers des Hinterhauptbeins, in einer Grube neben und vor dem Tuber- 

culum pharyngeum, inserirt. Der Muskel ist unvollkommen zweibäuchig, 

indem die Fasern desselben an der Vorderfläche durch eine sehnige Inscrip- 

tion unterbrochen werden. An seine Vorderfläche ist die hintere Wand des 
Schlundkopfes straff angeheftet (Fig. 59. 60). 


£ II. Kurze. 


1. Mm. intertransversarii anteriores Jta. 


IL. Kurze. Die vorderen Intertransversarii sind den hinteren ähnliche, cylindrische 
iransv aut. Muskelehen, welche, nach oben an Stärke zunehmend, zwischen den vorderen 
Spitzen der Querfortsätze der Hals- 
wirbel vor den Nervenstämmen verlau- 
fen (Fig. 61). Während der unterste, 
zwischen dem siebenten und sechsten 
Halswirbel, durch die Vertebralgefässe 
von der Masse der langen Halsmuskeln 
geschieden ist, hängen die nächstfol- 
genden mit den Ursprüngen und In- 
sertionen dieser Muskeln zusammen. 
Am zweiten Halswirbel, an welchem 
der vom dritten stammende Inter- 
transv. post. die einfache Spitze des 
Querfortsatzes einnimmt, inserirt sich 
der entsprechende Intertrarsv. ant. 
breit an den unteren Rand des vor- 
deren Bogens des Querfortsatzes und 
wird, nach Entfernung des M. longus 
capitis, zur Seite des Long. atlantis 
sichtbar. Der Intertransversarius ant. 
der beiden Drehwirbel fehlt nicht sel- 
ten; ist er vorhanden, so steigt er 
schmal vor der Articulatio atlanto- 
epistrophica berauf. 


Mm. intertransversarii der Halswirbel. v 6 gt 
Jtp M. intertr, post. ReIM. rect. cap. Var. Häufig kommen überzählige, 


lateralis. N Stamm der Cervicalnerven. einen Wirbel oder auch zwei übersprin- 
gende Bündel vor. 


!) M. rectus capitis ant. s. int. maj. aut, Transversaire Epineux anter. Cruy. 


ect. cap. ant. Fascia cervicalis. 129 


2. M. rectus capitis ant. Rea')). 


In der Fortsetzung der Intertransversarii anteriores, hinter dem Long. 
capitis, von der Wurzel des vorderen Bogens des Querfortsatzes des Atlas 
schmal median-aufwärts oder fächerförmig ausgebreitet zum Körper des 
Hinterhauptbeins und zu der die Fissura petrobasilaris ausfüllenden Band- 
masse. Er überragt seitwärts den M. longus capitis und bleibt mit dem 
medialen Ende der Insertion weiter von der Mittellinie entfernt. (Fig. 60). 


Var. Erhält Verstärkung am medialen Rande durch ein vom zweiten Hals- 
wirbel mit dem obersten Intertransversarius entspringendes Bündel. (Fig. 61.) 


Als Antagonisten der Nackenmuskeln dienen die hinteren Halsmuskeln, wenn 
sie beiderseits sich zusammenziehen, dazu, den Hals und Kopf vorwärts zu beugen. 
Einseitig thätig und in Verbindung mit den Nackenmuskeln ihrer Seite beugen 
sie den Hals seitwärts, unterstützen vielleicht auch, mit den von den Querfort- 
sätzen schräg aufsteigenden Fasern, die Drehung des Halses. Eigentlicher Dreher 
des Kopfes auf dem Epistropheus und Socius des M. obliquus capitis inf. ist der 
M. longus atlantis. Die Mm. rect. cap. antt. drehen den Schädel in den Hinter- 
hauptgelenken um seine transversale Axe vorwärts. Die Kürze der Fasern dieses 
Muskels ist der geringen Excursion des genannten Gelenkes angemessen. 


Die vordere Halsgegend, der Raum zwischen den vorderen Rändern 
der beiden Mm. trapezii, wird von den zwei, den Mm. sternocleidomastoidei 
entsprechenden Wülsten schräg durchzogen, und dadurch in fünf Regio- 
nen, eine mediane, unpaare und je zwei seitliche, paarige, getheilt. 

Die mediane Region (Aegio mediana coli) 2) ist bei möglichst rück- 
wärts gebeugtem Kopfe vierseitig, einem aufrecht stehenden Papierdrachen 
ähnlich; die von dem oberen, stumpf abgerundeten Winkel abfallenden 
Seiten bildet der untere Rand desUnterkiefers, die in dem unteren, spitzen, 
jedoch ebenfalls ausgerundeten Winkel zusammenstossenden Seiten gehören 
jederseits dem vorderen (medialen) Rande des M. sternocleidomastoideus 
an. In natürlicher Haltung des Kopfes liegt aber die mediane Halsregion 
nicht in Einer Ebene, sondern ist so im rechten Winkel gebogen, dass das 
_ obere stumpfwinklige Dreieck abwärts, das untere spitzwinklige Dreieck 
vorwärts sieht. Wo die Basen beider Dreiecke aneinanderstossen, liegt 
unter der Haut das Zungenbein. Das obere Dreieck wird daher Regio 
mediana colli suprahyoidea, oder kürzer, Pegio submazillaris, Unterkiefer- 
gegend, genannt, die Gegend unter dem Kinn oder der obere Winkel ins- 
besondere Regio submentalis, Unterkinngegend; das untere Dreieck, 
die Regio mediana colli infrahyoidea, versteht man, wenn man schlechthin 
von der Regio mediana colli spricht. Die abwärts gerichtete Spitze dieser 
Gegend, von der Incisura semilunaris des Brustbeins und den medialen 
Köpfen der beiden Mm. sternocleidomastoidei eingeschlossen, ist die Kehl- 
grube, Fossa suprasternalis ?); im oberen Theile der medianen Halsgegend 
erzeugt der Kehlkopf einen medianen Vorsprung zwischen zwei Furchen, 


D) M. rectus capitis ant. s. int. minor aut. Intertransversaire anter. Cruy. 
2) Region trachelienne. 
3) Jugulum. Fossa jugularis. Region tracheale Malg. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 9 


2. Rcet. 


cap. ant. 


Physiol 
Bemerk 


Regionen 
des Halses. 


Fascia 
cervic. 


130 Fascia cervicalis. 


den Sulei carotide Malgaigne!), in deren Grunde die grossen Halsge- 
fässe aufsteigen und der Schlag der Carotiden sichtbar ist. 

Von den paarigen seitlichen Regionen des Halses ist die vordere oder 
mediale, Regio sternocleidomastoidea, durch den Sternocleidomastoideus ein- 
genommen, unten breit und aufwärts verschmälert, mit ihrem vorderen 
Rande oben in die Furche sich fortsetzend, die den Unterkiefer vom Halse 
scheidet. Decken die beiden Köpfe des Sternocleidomastoideus einander 
am Ursprunge nicht, so findet sich über dem Sternalende des Schlüsselbeins 
eine seichte, auf- und lateralwärts gerichtete und aufwärts verschmälerte 
Grube, Fossa supraclavieularis minor. Die hintere oder laterale seitliche 
Halsgegend ist eine Vertiefung zwischen den Rändern des Sternocleido- 
mastoideus und Trapezius, ebenfalls unten über dem Schlüsselbeine breit und 
auf- und seitwärts zugespitzt. Sie wird Fossa supraclavieularis maj. oder 
auch einfach F. supraclav., Oberschlüsselbeingrube 2), genannt. Im 
unteren, breitesten Theile derselben erhebt sich in mageren Körpern bei hef- 
tiger Inspiration der hintere Bauch des M. omohyoideus wie ein querer, 
medianwärts sanft ansteigender Strang. 

Die Faseie der Halsgegend, Fine cervicalis?), ist an das Zuneönbei 
fest angewachsen und dadurch in eine Fascia suprahyoidea und infrahyoidea 
getheilt. Die Fascia suprahyoidea hat ein einigermaassen fibröses Ansehen 
nur an der unteren Fläche der Glandula saliv. submaxillaris, die den 
dreieckigen Raum #) zwischen dem Unterkiefer und den Bäuchen des M. 
biventer mandibulae einnimmt. Am lateralen Rande dieser Drüse hängt 
sie in der Tiefe mit dem Unterkiefer und dem Lig. stylomyloideum, ober- 
flächlich mit der Fascia parotidea (s. Kopfmuskeln) zusammen. Was man 
Fascia infrahyoidea nennt, ist ein die Muskeln, Eingeweide und Gefässe 
der Halsgegend deckendes uud verbindendes, meist lockeres Bindegewebe, 
dem nur an wenigen Stellen sehnige Fasern eingewebt sind. Man unter- 
scheidet zunächst zwei Schichten, von welchen die Eine, Fascia cervicalis 
im engeren Sinne, einfach über dem Kehlkopfe entsteht und sich ab- und 
seitwärts in ein oberflächliches und tiefes Blatt trennt, indess die andere, 
Fascia praevertebralis, von der Schädelbasis aus vor den tiefen Halsmuskeln 
herab- und mit dem M. longus colli in die Brusthöhle, mit den Mm. scaleni 
auf die äussere Fläche des Thorax übergeht und zugleich den oberen Theil 
des Plexus nerv. cervical. bekleidet. 

Das oberflächliche Blatt der Faseia cervicalis wird nach Wegnahme 
der Mm. subeutanei sichtbar; es hüllt die Mm. sternocleidomastoidei ein und 
ist zwischen denselben am oberen Rande und auf der vorderen Fläche des 
Brustbeins angewachsen, sowie es sich auch jenseits der Mm. sternoclei- 
domastoidei jederseits zum vorderen Rande des M. trapezius erstreckt, mit 
dessen dünner Fascie es verwächst. Es spannt sich demnach über die 
Fossa supraclavieularis, haftet mit dem unteren Rande am Schlüsselbeine und 
ist vielfach durchlöchert, um die V. jugularis ext. in die Tiefe und die Nn. 
supraclaviculares an die Oberfläche treten zu lassen. Eine mächtige Lage 


U) Trigonum cervicale. Tri igonum cervicale sup. Fossa triangularis coll. 
*) Trigonum supraclavieulare. Trigonum cervicale inf. 

®) Fascia coll. 

*) Trigonum submaxillare. 


Da 


Fascia cervicalis. 131 


fettreichen Bindegewebes mit zahlreichen Lymphdrüsen, durch welches die 
transversalen Aeste der Vasa subelavia verlaufen, trennt in der Fossa supra- 
clavicularis dies oberflächliche Blatt der Faseia cervicalis von dem tiefen. 


Fig. 62 *). 


KIN 


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ce} 


Bi 


B 
& 


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) S 
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8 
5 SS 
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Horizontalschnitt des Halses durch den vierten Halswirbel, untere Schnittfläche. 1 Cart. 
thyreoid. 1‘ Cart. arytaen. 2 Oesophagus. 3 Vasa vertebr. 4 N. cervicalis TV. 
5 Venae vertebr. 6 Rückenmark. 7 V. mediana coll. 8 Schlundmuskeln. 9 Gland. 
thyreoid. 10, 11 Art. und V. thyreoid. sup. 12. R. descendens N. hypoglossi. 13 Ca- 
rotis communis. 14 V. jugul. int. 15 N. vagus. 16 Ggl. cervicale supr. 17 V. jugul. 
ext. 18 Vasa cervie, prof. Tr M, trapezius. Spep, Spev M. splenius cap. und cerv. 
Jcc M. iliocostalis cervieis. ZLgev, Lgep M. longissimus cervieis und cap. Sscv, 
Sscp M. semispinalis cervieis und cap. Scv M. spinalis cerv. Mf M. multifidus, 
Js M. interspinalis. Scc M,. subeutaneus colli. Sem M. sternocleidomast. Sinh, Oh M. 
sternohyoid und omohyoid. Stt M. sternothyreoid. Scp M. scalenus post. Zs M. le- 
vator scapulae. Z mediale tiefe Halsmuskeln. ® 


*) Nach Nuhn, chirurg. Anat. Taf. IV. Fig. 2. 
9* 


132 |  Kopfmuskeln. 


Das tiefe Blatt umschliesst vom Zungenbeine abwärts die zwischen Brust- 
korb und Zungenbein verlaufenden Muskeln und geht in der Carotidenfurche 
vor den Gefässstämmen des Halses weg, um sich mit der Fascia praeverte- 
bralis zu vereinigen; am Brustbeine angelangt, begiebt es sich mit den Mm. 
sternohyoidei auf dessen innere Fläche, und auch hier ist der Raum zwischen 
dem oberflächlichen und tiefen Blatte durch Fett ausgefüllt. Am unteren 
Seitentheile des Halses, in der Tiefe der Fossa supraclavieularis, füllt das 
tiefe Blatt den Raum zwischen den am Brustbeine entspringenden Zungen- 
beinmuskeln und dem M. omohyoideus aus, und hier ist es, wo es, durch Seh- 
nenfasern vom hinteren Bauche des Omohyoideus verstärkt und mit der Bin- 
degewebsscheide der Halsgefässstämme verwachsen, einen mehr fibrösen Cha- 
rakter annimmt. Es ist in manchen Fällen besonders deutlich, wo die fibrösen 
Fasern einen bogenförmigen, aufwärts convexen Verlauf haben und mit der er- 
sten Rippe eine Querspalte begrenzen, durch welche die Vena subelavia auf 
die Aussenfläche des Brustkorbes tritt. (Fig. 51.) 

Hinter dem tiefen Blatte der Fascia cervicalis, zwischen ihm und der 
Fascia praevertebralisliegen, von lockeren Bindegewebsscheiden umschlossen, 
in der Mitte Trachea und Oesophagus und zu jeder Seite die grossen Gefäss- 
und Nervenstämme des Halses (Fig. 62). Die Verbindung des Bindegewebes, 
welches den Oesophagus umgiebt, mit der Fascia praevertebralis ist locker 
und kann leicht mit dem Finger zerstört werden. Man erzeugt dadurch 
einen cylindrischen Hohlraum, der in die Brusthöhle, in das Mediastinum 
postieum hinab führt, vorn vom Oesophagus, hinten von der Wirbelsäule mit 
ihren Muskeln, zu jeder Seite aber von einem Bindegewebs - Septum be- 
grenzt, welches die Scheide der Halsgefässe an die Fascia praevertebralis 
befestigt. Diese Befestigung ist sehr stark und in der Regel nicht ohne 
Hülfe des Messers trennbar. 


V. Kopfmuskeln. 


V. Kopf- Die Muskeln am Kopfe zerfallen in die des eigentlichen Schädels und des 
muskeln. Gesichtes. 

Die Schädelmuskeln nehmen die Schädeldecke zwischen der oberen 
Nackenlinie und den Supraorbitalrändern ein und erstrecken sich an den 
Seitenflächen des Schädels bis zum Jochbogen und zum Ohrknorpel herab. 
Die zwischen der Schädeldecke und dem Ohre verlaufenden Muskeln, wel- 
che in den Handbüchern als eine Abtheilung der Ohrmuskeln beschrieben 
zu werden pflegen, lassen sich von den Schädelmuskeln nicht trennen, indess 
wir die eigenen (kleinen) Muskeln des äusseren Ohres in die Eingeweide- 
lehre verweisen. 

Die Muskeln des Gesichtes theilen wir jederseits in drei Gruppen: Mus- 
keln der Augenlieder, der Mund-, Nasen- und Kinngegend und der Kiefer 
(Kaumuskeln). 

Von allen Muskeln des Kopfes sind allein die Kiefermuskeln entschie- 
den von einander und von den übrigen gesondert; die eigentlichen Gesichts- 
muskeln (ich werde unter diesem Namen die Muskeln der zweiten Gruppe 
der Gesichtsmuskeln im weiteren Sinne des Wortes, die Nasen-, Mund- und 


Kopfmuskeln. 133 


Kinnmuskeln, begreifen) fliessen in der Medianlinie von beiden Seiten zu- 
sammen, und an jeder Seite gehen die Schädelmuskeln in die Muskeln der 
Augenlieder, die letzteren in die Mundmuskeln, und selbst die Schädelmus- 
keln unmittelbar in die Gesichtsmuskeln mit einzelnen Bündeln über. So 
bilden diese unter der Haut gelegenen und zum grossen Theil in die Haut 
sich inserirenden Muskelgruppen eine continuirliche Schichte, die sich durch 
ihre Verbindnng mit dem M. subeutaneus colli auf den Hals fortsetzt und 
endlich auch mit den ringförmigen Schlundmuskeln so ununterbrochen zu- 
sammenhängt, dass sich an diesem oberen Theile des Darmrohres nur künst- 
lich die Grenze des Eingeweide- und Rumpfmuskelsystems bestimmen lässt. 


Am oberen und unteren Ende, auf der Schädeldecke, sowie beim 
Uebergange auf den Hals bilden die Kopfmuskeln eine einfache, platte und 
dünne Schichte, deren Fasern einen, wenn auch hier und da geneigten, doch 
im Ganzen verticalen Verlauf haben. Im Gesichte fassen zwei Schichten 
von im Wesentlichen transversalen Muskelfasern die verticalen zwischen 
sich. Jedoch ist die Ausbildung dieser Schichten in dem oberen und un- 
teren Theile des Gesichtes, in den Augenlied- und den eigentlichen Gesichts- 
muskeln, nicht die gleiche. Am Munde ist die erste oder oberfläch- 
liche transversaleSchichte überhaupt nur schwach und nur unter der Haut 
des Kinnes, der Unterlippe und der unteren Hälfte der Wange entwickelt. 
Indem ihre Fasern von allen Seiten strahlenförmig gegen den Mundwinkel 
convergiren, nehmen sie zum Theil eine schräg und sogar eine vertical auf- 
oder absteigende Richtung an. Einzelne werden somit parallel den Fasern der 
zweiten oder verticalen Schichte, von welchen die unteren in der Flucht 
des M. subeutaneus colli und theilweise als unmittelbare Fortsetzung dessel- 
ben, schräg medianwärts gegen die Unterlippe heraufgehen, die oberen eben- 
falls schräg medianwärts vom medialen Augenwinkel und vom Infraorbital- 
rande zur Haut des Nasenflügels und der Oberlippe absteigen. Die dritte 
Schichte, die tiefe transversale, bildet den wesentlichen Theil der que- 
ren Muskulatur der Lippen und der Wange. Sie ist es, welche von den 
Lippen aus in die ringförmige Muskellage des Schlundkopfes sich fortsetzt 
und demnach unter den Kiefermuskeln weggeht, während die beiden höheren 
Schichten äusserlich auf der Fascie der Kiefermuskeln entspringen oder en- 
den. Als tiefste, dem Knochen nächste Lage zerlegt sie sich, nach dem in 
der Einleitung ($. 15) besprochenen Gesetze, in eine Reihe von Muskeln, 
deren jeder mit seinem Ursprunge sich an die Insertion des vorhergehenden 
anreiht. Aus einer solchen Zerlegung gehen schon, jederseits entsprechend 
je der vorderen und hinteren Hälfte eines vom Mundwinkel zur hinteren 
verticalen Mittellinie des Schlundes sich erstreckenden Muskels, der Bucci- 
nator und Constrietor pharyngis hervor, indem die Fasern, mitten zwischen 
ihrer vorderen und hinteren Endigung, an der Infratemporalfläche des Ober- 
kieferbeins, am Hamulus pterygoideus und am Rande des Unterkiefers Ruhe- 
und Anheftungspunkte finden. Von der vorderen Hälfte aber, dem Bucei- 
nator, scheidet sich abermals am Ober- und Unterkiefer je eine Portion ab, 
dadurch dass dort die dem oberen, hier die dem unteren Rande des Mus- 
kels nächsten Fasern durch Anwachsen an die Kieferknochen unterbrochen 
werden; das mediale oder vordere Stück wird alsdann zu einem vom Ober- 


a. Muskeln 


der 
Schädel- 
decke. Epi- 
eranius, 


134 Epicranius. 


kiefer gegen die Nase, vom Unterkiefer gegen das Kinn ausstrahlenden 
Muskel. 


Die transversalen Fasern der Augenlieder gehören grösstentheils der 
oberflächlichen Schichte an; zur tiefen Schichte lassen sich nur einige Bün- 
del zählen, welche, bedeckt von der verticalen Faserung des M. frontalis, 
am Stirnbeine entspringen. Mit vollkommener Genauigkeit lässt sich übri- 
gens die Unterscheidung der Schichten, namentlich in der Nähe der Inser- 
tion, nicht durchführen, denn es ist eine Eigenthümlichkeit der platten Kopf- 
muskeln, dass ihre Bündel nicht nur in Einer Lage einander durchkreuzen, 
sondern auch aus Einer Lage in die andere übergehen. 


Die Nerven der beiden oberen Schichten der platten Kopfmuskeln 
stammen, wie es scheint, sämmtlich aus demN. facialis; die dritte Schichte 
wird in ihrer vorderen Hälfte ebenfalls vom N. facialis, in der hinteren 
Hälfte vom N. buceinatorius versorgt. Die Kiefermuskeln erhalten beson- 
dere Zweige aus dem dritten Aste des Trigeminus. 


a. Muskeln der Schädeldecke. 


M. epieranius'). 


Unter der behaarten Haut des Kopfes ist eine straffe Bindegewebslage, 
Gralea aponeurotica?), ausgebreitet, welche mit der Beinhaut des Schädels 
locker und verschiebbar, mit der Cutis aber sehr fest zusammenhängt. In 
diese Membran strahlen Muskelfasern aus, welche ringsum in der Gegend 
der Kante, die die Decke und Basis des Schädels von einander abgrenzt, 
und zum Theil an dieser Kante selbst ihren Ursprung nehmen und gerade 
oder schräg aufwärts gehen. Jede der beiden symmetrischen Hälften des 
Epicranius zerfällt zunächst durch Unterbrechungen in der Reihe der Mus- 
kelursprünge in drei Atheilungen: eine vordere, hintere und seitliche; in 
den Zwischenräumen erstreckt sich die Galea bis an den Rand der Schä- 
deldecke und weiter herab. Die hintere und seitliche Abtheilung werden 
nochmals in zwei Portionen geschieden, dadurch, dass ein Theil der Mus- 
kelfasern sich mit seinem Ursprunge oder seiner Insertion auf den Ohrknor- 
pel versetzt. Von der seitlichen Abtheilung entspringt die Mehrzahl am 
Ohrknorpel; von der hinteren Abtheilung zweigt sich eine verhältnissmässig 
schmale Portion zum Ohrknorpel ab. 


Je nachdem aber die Fasern desM. epieranius mit ihrem unteren Ende 
am Schädel selbst oder an beweglichen Theilen, wie das Ohr oder die Cu- 
tis, haften, ändert sich ihre Zugsrichtung; jene ziehen die Galea und mit 


\) M. eranü cutaneus Meck, Schädelmuskel, Oberschädelmuskel. Ich nehme diesen 
Namen in einer weiteren als der gewöhnlichen Bedeutung, nach welcher er nur den Stirn- 
und Hinterhaupttheil unseres Epieranius umfasst, synon. mit Occipito- frontalis. Cru,- 
veilhier begreift unter peaucier du cräne ausser dem Epicranius der Handbücher und den 
Ohrmuskeln noch unseren M, orbicularis palpebr. 

®) Aponeurosis epierania, Sehnenhaube. 


Epicranius. 135 


ihr die Kopfhaut abwärts, diese heben ihren unteren Anheftungspunkt zum 
Scheitel empor. Den allgemeinen Grundsätzen gemäss müssten also, wie 
dies auch allgemein üblich ist, jene Muskeln als aufsteigende. diese als ab- 
steigende beschrieben, von jenen müsste die Insertion, von diesen der Ur- 
sprung in ‘die. Galea verlegt werden. Um den Zusammenhang der Muskula- 
tur in das rechte Licht zu setzen, gehe ich von dieser Regel ab und halte 
dies für um so gerechtfertigter, da in Einer Abtheilung Fasern von beiderlei 
Zugsrichtung, am Knochen und in der Cutis entspringende, neben einander 
vorkommen. 

Die vordere Abtheilung des M. epieranius, M epier. frontalis, !) 


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Muskeln der Stirn- und Augengegend. Vgl. S. 142, 


2) M. frontalis aut. Stirnmuskel. 


Epier. 
front. 


136 Epieranius. 


entsteht mit einigen schmalen Zacken am Schädel, vom Nasenrücken und 
vom medialen Augenwinkel, und mit einer breiten Zacke aus der Cutis oder 
vielmehr aus einer fest mit der Cutis verbundenen Fascie längs der Augenbraue. 
Die Nasenzacke (Fig.63 Ef‘) !) besteht aus einer Reihe platter Bündel, welche 
eins über dem anderen zwischen dem Rande der Apertura pyriformis und 
der Nasenwurzel vom Nasenbeine aufsteigen und sich, je höher sie entsprin- 
gen, um so mehr lateralwärts wenden. Die untersten Bündel der gleich- 
namigen Muskeln beider Körperseiten durchkreuzen auf der Stirn einander 
in der Medianlinie; nach unten hängen sie häufig mit der Haut der Nasen- 
spitze zusammen. Die Augenwinkelzacke (#f”) beginnt mit mehreren, durch 
Gefäss- und Nervenzweige von einander gesonderten Spitzen am Stirnfort- 
satze des Oberkieferbeins, vor der Crista laerym. ant. und über dem vorderen 
Ende des Lig. palpebr. mediale (s. unten). Die eine oder andere dieser Spitzen 
nimmt Muskelfasern auf, welche aus der Haut des Nasenflügels aufsteigen; 
die meisten hängen durch einige Fasern, die sie lateralwärts abgeben, mit 
dem Augenliedmuskel zusammen. Nach der Vereinigung der verschiedenen 
Ursprünge breitet sich die Zacke aufwärts aus; ihre oberflächlichsten Fasern 
enden grösstentheils nebeneinander in derHaut der medialen Hälfte der Au- 
genbraue, und auch die tieferen, welche an die Stirn hinaufgehen, sind in 
der Höhe der Augenbraue meistens von einer sehnigen, besonders am hin- 
teren Rande deutlichen Inscription unterbrochen. Die Augenbrauenzacke 
(Ef'") enthält ziemlich parallele verticale Fasern, die sich medianwärts an 
die Augenwinkelzacke anlehnen, längs des Ursprunges aus der Cutis durch 
aufwärts umbiegende Bündel vom Augenliedmuskel, mit dem sie sich ver- 
flechten, verstärkt werden und ebenso am lateralen Rande einige von diesem 
Muskel abgezweigte Fasern aufnehmen. Nach der Vereinigung der Zacken 
durchkreuzen sich ihre Fasern unter spitzen Winkeln, und es hängen selbst 
die gleichnamigen Muskeln beider Körperhälften mittelst Kreuzung der Fa- 
sern in der Medianlinie der Stirn zusammen. Um Weniges nach oben brei- 
ter geworden, setzt sich der M. frontalis in der Gegend des Stirnhöckers 
mit aufwärts convexem Rande an die Galea an. Ausnahmsweise gehen 
einige Bündel zwischen den Augenbrauen in die Haut der Stirn über. 


Epier. tem- Von der seitlichen Abtheilung des M. epieranius nimmt die vordere, meist 
porals  schmalere und sehr dünne Zacke, M. epier. temporalis (Fig. 64.) 2), ihren Ur- 
sprung sehnig unter der Wurzel des Jochbogens am Rande des knöchernen 
Gehörganges; sie hängt mit dem knorpligen Gehörgange, mit der Kapsel 
des Kiefergelenkes und mit einem Sehnenbogen zusammen, unter welchem 
die Vasa temporalia in die Tiefe gehen. Ihre Muskelbündel verlaufen pa- 


) M. procerus nasi Santorini (obs. anat. $. 10). M. dorsalis narium Arn. M. py- 
ramidalis der französischen und englischen Autoren. 

”) Der M. auricularis ant. s. attrahens auriculae bei Albin, Courcelles (Icon. musc. 
capitis. Lugd. Bat, 1743. Taf. I. d) und Walther (Halleri disput anat T. VI. p. 614.), 
so wie der novus musc. conchae proprius Santorini’s (a. a. O. Taf. III. Fig, 4 d) sind, 
nach der Lage und dem Verlaufe der Fasern zu schliessen, mit unserem M. e. temporalis 
identisch; die Verbindung mit der medialen Fläche der Ohrmuschel, an welcher, wie von den 
Autoren angegeben wird, die Sehne enden soll, findet aber nur mittelbar Statt durch ein 


allerdings ziemlich festes Bindegewebe, welches den Raum zwischen jenen Muskeln und dem 
Ohrknorpel erfüllt. 


Epicranius. 137 


rallel vor- und aufwärts; einzelne erreichen den Rand des M. e. frontalis 
und des M. orbieularis oculi; sie biegen theils am lateralen Rande des 
Frontalis aufwärts um, theils durchsetzen sie ihn mit den obersten Fasern 
des Orbicularis und gelangen so bis zur Insertion des letzteren an der Gla- 
bella. In starken Körpern schliessen sich die untersten Bündel des M. epier- 


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Muskeln der Schädeldecke, Profil. 


temporalis an die obersten des M. subeutaneus colli an, wodurch sich die 
Muskulatur der Galea als Fortsetzung des letztgenannten Muskels erweist. 
Die oberen Bündel des M. e. temporalis sind in der Regel nicht von dem 
folgenden Muskel geschieden. 


Der M. (epier.) auricularis sup.‘) entspringt am Ohrknorpel mit gpier. 
zwei Zacken, die sich bald vereinigen, einer schmalen von dem stachelför- *"'e- sup- 
migen Fortsatze am vorderen Rande des Helix und einer breiteren von der 
Wölbung, die an der medialen Fläche des Ohres entsprechend der Grube 
zwischen beiden Schenkeln des Anthelix sich befindet. Aufwärts an Breite 
zunehmend, geht der Muskel in ungefähr gleicher Höhe mit dem M. fronta- 
lis und mit gleichfalls convexem Rande in die Galea über. 


!) M. aurieularis sup. s. attollens auriculae nebst dem M. auricularis ant. s. attrahens 
auriculae aut. M auriculo-tiemporalis Cruv. 


138 Epicranius. 


Eier Der M. (epier.) auricularis post.‘) gehört der hinteren Abtheilung 


post. 


Epier. ocei- 
pit. 


Physiol. 
Bemerk. 


des Epieranius an und besteht aus einer Anzahl mehr oder minder geson- 
derter Faseikel, welche am lateralen Ende der oberen Nackenlinie auf der 
Sehne des M. sternocleidomastoideus entspringen und horizontal vorwärts 
zur convexen medialen Fläche der Ohrmuschel ziehen. 

Unmittelbar neben dem Ursprunge dieses Muskels oder durch einen 
Zwischenraum von demselben getrennt, beginnt die Reihe der Ursprünge 
der Fasern des M. epier. occipitalis?) und setzt sich längs der oberen 
Nackenlinie bis in die Nähe der Protuberantia oceipitalis ext. fort. Sie stel- 
len, indem sie parallel lateral-aufwärts verlaufen, einen platten niederen 
Muskel von verschoben rhombischer Gestalt dar. Ihren Ursprung am Kno- 
chen vermitteln Sehnenfasern von ungleicher Länge; ihr Uebergang in die 
Galea erfolgt etwa in der Höhe des oberen Randes des Ohres in ebenfalls 
unregelmässig wellenförmiger Begrenzung durch Sehnenfasern, welche ver- 
möge ihrer parallelen Anordnung und ihres Glanzes sich vor den übrigen 
Regionen der Galea auszeichnen und sich zum Theil durch die Muskelbün- 
del des M. auric. sup. hindurch bis gegen den Frontalis verfolgen lassen. 

Die Galea aponeurotica erstreckt sich demnach continuirlich über den 
mittleren Theil der Schädeldecke, dringt mit einer schmalen Spitze zwischen 
die beiden Mm. frontales, mit einem breiten stumpfen Vorsprunge zwischen 
die beiden Mm. oceipitales ein und reicht nur an der Seitenwand des Schä- 
dels über den Schläfenbogen hinab bis auf die Wangengegend, um sich mit 
der Fascia parotidea zu verbinden oder in diese fortzusetzen. An den 
Schläfenbogen ist sie mittelst eines straffen Bindegewebes angeheftet. 


Nach Theile soll der Stirnmuskel gewöhnlich ein äusserstes Muskelbündel 
vom Process. zygomat. des Stirnbeins erhalten. Cruveilhier beschreibt einen, 
wie ihm schien, beständigen Musc. auricularis ant, prof., welcher, in tieferer Schichte 
als die vordersten Fasern des M. auric. sup., vom Jochbogen zur äusseren Fläche 
des Tragus gehe. 

Der. M. aurieularis post. erstreckt sich mit seiner Ursprungssehne oft weit 
medianwärts, bis in die Nähe der Protub. occ. ext. Er kann-in diesem Falle in der 
Nähe des Ursprunges wieder fleischig, also zweibäuchig, werden. Oder er verschmilzt 
mit den Quermuskelfasern der Nackengegend, welche oben als Varietät des M. 
subcutaneus colli erwähnt wurden. 

Gemeinschaftlich wirkend, spannen die Muskeln der Schädeldecke die Kopf- 
haut an und drücken sie an den Schädel. Ist sie durch den M. frontalis und oc- 
eipitalis festgehalten, so kann der M. epieranius temporalis als Spanner der Fascia 
temporalis fungiren. Dass er keine Beziehung zum Öhre hat, geht auch aus einer 
Bemerkung E.H. Weber’s hervor, der bei Individuen, die ihre Ohren willkürlich 
zu bewegen im Stande waren, doch niemals den sogenannten M. attrahens auricu- 
lae sich contrahiren sah. Nach Jung (Verh. der naturf. Gesellschaft in Basel. Bd. 
VIII. p. 54) findet übrigens die Contraction der vom Schädel zum Ohre tretenden 
Muskeln stets gleichzeitig Statt und ist nicht sowohl auf Verschiebung des Ohres 
als vielmehr auf Erweiterung des Einganges gerichtet. 

Der M. frontalis ist der einzige, dem man die Fähigkeit zuschreiben kann, 
die Augenbraue aufwärts zu ziehen; die Haut der Stirngegend wird dabei wegen 
ihrer lockeren Verbindung mit dem Muskel, nicht mit in die Höhe gezogen, son- 
dern in quere Falten gelegt. Um den M. frontalis zur Zusammenziehung in dieser 


') Mm. auriculares posit. s. retrahentes auriculae aut. 
®) M. occipitalis aut. 


Orbicularis oculı. 139 


Richtung zu befühigen, muss die Galea, die als Ursprungssehne dient, durch den 
M. oceipitalis nach hinten festgehalten sein. Darf‘ man annehmen, dass, wenn der 
M. oceipitalis schlaff ist, die Zusammenziehung des Frontalis, nach unten gegen den 
von Natur stärker befestigten Knochenursprung oder gegen die durch den M. orbie. 
oculi festgehaltene Augenbraue erfolge? Theile hält es nicht für wahrscheinlich, 
dass derselbe Muskel zum Aufziehen und zum Herabziehen der Haut der Stirn 
und also zu Bewegungen benutzt werde, die den physiognomischen Ausdruck ganz 
entgegengesetzter Leidenschaften gewähren. Duchenne (S. 376) erhielt durch 
Reizung des M. frontalis an der Stirn nie andere Bewegungen der Stirnhaut, als 
von unten nach oben, dagegen durch Application Jdes Excitators auf die Nasen- 
wurzel, d. h. auf die Nasenzacke des M. frontalis stets Querfaltung der Haut die- 
ser Region, so dass die Haut der Stirn und des Nasenrückens einander entgegen 
gezogen wurden. Die oben beschriebene sehnige Inseription der vordern Zacken 
des M. frontalis erklärt diese Erscheinung und macht es verständlich, wie die Zu- 
sammenziehung der unter der Nasenwurzel gelegenen Fasern ganz unabhängig 
von der oberen Ausbreitung des Stirnmuskels erfolgen kann. 


b. Muskeln der Augenlieder. 


In den Augenliedern breiten sich zwei Muskeln aus. Der Eine, Leva- 
tor palpebrae (sup.), zur Erhebung des oberen Augenliedes bestimmt, ent- 
springt im Grunde der Augenhöhle und geht an deren Decke vorwärts, um 
über den Augapfel herab in die Bandscheibe des Augenliedes auszustrahlen. 
Eine genauere Beschreibung desselben folgt später in Verbindung mit den 
übrıgen Muskeln der Augenhöhle. Der andere Muskel, welcher theilweise 
beiden Augenliedern gemeinschaftlich und, so weit er dem oberen Augen- 
liede angehört, ein Antagonist des erstgenannten Muskels ist, besteht aus 
transversalen ‘oder schlingenförmig die Augenliedspalte umkreisenden Fa- 
sern, deren Contraction die Augenliedränder einander nähert. Es ist der 


M. orbicularis oculi!). 


Dieser Muskel liegt in der Dicke der Augenlieder und im Umkreise 
derselben, allseitig den knöchernen Rand der Augenhöhle überragend, und 
besteht aus einer continuirlichen Lage von concentrisch um die Augenlied- 
spalte verlaufenden platten, gegen die Augenliedspalte an Mächtigkeit ab- 
nehmenden Bündeln, welche ihre Fasern so gegeneinander austauschen, dass 
ein Netzwerk mit langgestreckten Maschen, den längsten Durchmesser pa- 
rallel dem Faserverlaufe entsteht. Die Mehrzahl dieser Bündel entspringt in 
der Gegend des medialen Augenwinkels und kehrt nach einer schlingenför- 
migen Tour wieder dahin zurück. Der innerste, der Augenliedspalte näch- 
ste Theil des Muskels wird aber durch eine sehnige Unterbrechung am 
lateralen Augenwinkel in eine obere und untere Hälfte geschieden, und 
von den äussersten Fasern brechen einzelne gleichsam aus dem Kreise 
aus um sich mit den Schädel- und Mundmuskeln in Verbindung zu 
setzen: so geben die oberen der vom medialen Augenwinkel her in das 
obere Augenlied ausstrahlenden Bündel Fasern in den M. frontalis ab; die un- 


») M. orbicularis palpebr. s. sphincter palpebr. nebst dem M. corrugator supereilü aut. 


b. Augen- 
lied- 
muskeln. 


"Orbie. pal- 
pebr., 


140 Orbicularis oculi. 


tersten, vom medialen Augenwinkel ausgehenden Bündel des unteren Augen- 
liedes senden Fasern in die Aufhebemuskeln der Oberlippe oder in die Haut 
der Wange und treffen hier zusammen und kreuzen sich mit Bündeln, 
welche vom lateralen Rande des M. orbicularis oculi her, theils aus diesem 
Muskel, theils neu aus der Fascie der Schläfengegend entspringend, median- 
abwärts gehen. 

Gemäss diesen Verschiedenheiten des Verlaufes kann man amM. orbi- 
eularis oculi drei Portionen unterscheiden, die sich auch am Ursprunge von 
einander sondern und einzeln bewegen lassen (Fig. 65.66). Die innerste Por- 
tion, eine besondere für jedes Augenlied, M. (0. 0) palpebralis sup. u. 
inf., liegt in der Dicke der Augenlieder und erreicht mit ihrem äusse- 
ren Rande nicht den Rand der knöchernen Augenhöhle; an sie schliesst sich 
die schlingenförmige, beiden Liedern gemeinsame Portion, M.(O.o.) orbitalis, 
welche den Rand der Augenhöhle nach allen Seiten überragt; unter dem 
Namen eines M. (©. 0.) malaris begreife ich die äusserste und unterste, 
dem unteren Augenliede eigenthümliche Portion, die den Uebergang zur 
Muskulatur der Lippen vermittelt. Die dem M. malaris entsprechende 
äusserste Portion des oberen Augenliedes wurde bereits mit dem M. fronta- 
lis beschrieben. 

Da man die beiden medialen Enden der Mm. palpebrales als Ursprünge 
von Muskeln anzusehen hat, die sich in der Gegend des lateralen Augenwinkels 
inseriren, so empfiehlt es sich, auch vom M. orbitalis den oberen und unteren An- 
satz am medialen Augenwinkel als Ursprünge je einer oberen und unteren Por- 
tion, eines M. orb. sup. u. 0.inf., aufzufassen, die am lateralen Augenwinkel 
in einander umbiegen; am M. mal. aber stellen sowohl das mediale, als das la- 
terale Ende Ursprünge dar, und die Insertionen der einander entgegenziehenden 
Fasern finden sich in der Wangengegend. Natürlich rücken die medialen Ur- 
sprünge jeder Portion um so weiter lateralwärts, je näher dem Augenlied- 
rande die Abtheilung liegt; in demselben Maasse nähern sich einander auch 
in verticaler Richtung die Ursprünge der inneren und mittleren Portion; die 
des M. palpebralis decken einander theilweise; die äussersten des M. orbi- 
talis stehen um mehr als Fingerbreite von einander ab. 

Die Mm. palpebrales!) entspringen von der oberen Hälfte der Crista 
lacrym. post.2) und von einem halbmondförmigen Sehnenbogen, Lig. palpebr. 
mediule m. (Fig. 66.)3), welcher über die obere Spitze des Thränensackes 
hinzieht mit horizontalen Flächen, den concaven Rand medianwärts gerich- 
tet und mit der Wand des 'Thränensackes verwachsen, den convexen, wul- 
stigen Rand seitwärts gekehrt, mit der Einen, hinteren Spitze am 'Thränen- 
beine, mit der anderen, vorderen, am Nasenfortsatze des Oberkieferbeins an- 
gewachsen. Der M. palpebr. sup. ist am Thränenbeinursprunge der oberfläch- 


!) M. orbicularis internus s. palpebralis aut. 

*) Der Thränenbeinursprung wird unter den Namen Horner’scher Muskel, M. sacei 
lacrymalis s. tensor tarsi als ein besonderer Muskel aufgeführt, der am medialen Augenwin- 
kel ende, 

*) Das Zig. palpebrale int, aut. Tendo palpebrarum Quain- Sharpey ist der vordere Schen- 
kel dieses Bogens, der sich, wenn man die Haut der Augenlieder lateralwärts spannt, vom me- 
dialen Augenwinkel gegen die Nase erstreckt. Cruveilhier nennt diesen Schenkel Ten- 
don direct du muscle orbieulaire und den hinteren Schenkel Tendon reflechi desselben Muskels. 


Orbicularis oculıi. 141 


lichere, und bedeckt fast vollkommen die laterale Fläche des M. palpebr. 
inf. (Fig. 65); vom Rande des Lig. palpebr. entspringen die Fasern beider 


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Profilansicht des Schädels; die Augenhöhle entleert, die Augenlieder in der Nähe des me- 

dialen Augenwinkels vertical durchgeschnitten, das mediale Ende nach vorn umgeschlagen 

und von der Augenhöhlenfläche praeparirt. 1. M. oblig. bulbi inf., am Ursprunge abge- 

schnitten. 2, Thränensack. 5. Ansatzstelle der Trochlea. 4. Ligament, welches die In- 
eisura supraorb. schliesst. 


Muskeln unmittelbar übereinander und weichen unter spitzen Winkeln aus- 
einander. Die Thränenbeinursprünge setzen sich fast horizontal in den dem 
Augenliedrande zunächst gelegenen, etwas wulstigen Theil des M. palpe- 
bralis!) fort; die vom Lig. palpebr. stammenden Fasern entfernen sich um 
so weiter vom Rande des Augenliedes, je näher dem medialen und vorderen 
Ende des Bandes sie entspringen (Fig. 65). Eine Anzahl der dem Augenlied- 
rande nächsten Bündel ?) begiebt sich hinter dem Tarsus zwischen den Haar- 
bälgen und Drüsen zur Schleimhautfläche des Augenliedrandes und erreicht 
nicht den lateralen Augenwinkel; alle übrigen Fasern des oberen und unteren 


)) M. ciliaris Riolan. i 
?) M. subtarsalis Moll (Bydragen tot der anatomie en physiologie der oogleden. Utrecht 
1857. p. 9). 


Orbie. 
orbit. 


142 Orbieularis oeuli. 


Augenliedes treffen am lateralen Augenwinkel unter spitzem Winkel und in 
einer horizontalen Linie in dem Lig. palpebr. laterale zusammen, einem 
nicht genau umschriebenen, aus einer grösseren oder geringeren Zahl pa- 
ralleler Faserbündel bestehenden Bande, das sich zwischen der lateralen 
Commissur der Augenlieder und dem Rande oder dem vorderen Theile der 
lateralen Wand der Augenhöhle horizontal ausspannt (Fig. 66). 

Der M. orbitalis!) des oberen Augenliedes entsteht mit einer Reihe 
platter Zacken, theils über, theils hinter dem Orbitalursprunge des M. fron- 
talis. Die unterste Zacke haftet am Lig. palpebr. med. dicht über dem M. 
palpebr.; indem ihre Fasern aus der Augenhöhle hervortreten, ordnen sie 


Fig. 66. 


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Muskeln der Stirn- und Augengegend. Vgl. 8. 135. ZM. zygomaticus, Q/s‘ Infraorbital- 
zacke, Qls‘' Jochbeinzacke des M. quadratus labii sup. 


)) M. orbieularis ext. s. orbitalis aut. 


Orbieularis oculi. 143 


sich so, dass die hintersten sich dem Rande desM. palpebralis zunächst an- 
schliessen. Zwei bis vier schmale Zacken nehmen den Supraorbitalrand 
von der Gegend der Fossa trochlearis bis zur Ineisura supraorbitalis ein. 
Dicht über diesen und weiter medianwärts von der Glabella des Stirnbeins 
kommen zwei bis drei platte Zacken !), die einander theilweise dergestalt 
decken, dass sie je weiter hinauf, um so tiefer liegen und um so mehr 


aus einem sanft ansteigenden in einem transversalen Verlauf übergehen. 


(Fig. 65. 66.0 s‘). AlleZacken des oberen M. orbitalis geben, wie erwähnt, 
Fasern in denM. frontalis ab; die von der Glabella stammenden setzen bün- 
delweise zwischen den Fasern der Augenbrauenzacke des M. frontalis hin- 
durch; einige enden an der Haut der Augenbraue (0 s”). Die meisten 
aber setzen sich um den lateralen Augenwinkel herum in den M. orbitalis 
des unteren Augenliedes fort. 

Der Ursprung des N. orbitalis inf. nimmt den unteren Rand der Augen- 
höhle vom Lig. palpebr. med. bis zum lateralen Rande der Crista lacryma- 
lis und den an den Infraorbitalrand angrenzenden Theil der vorderen Wand 
des Thränensackes ein (Fig. 65). 

Mittelst eines sehr straffen Bindegewebes, welches bei dem geringen 
Maass der Kräfte, die zur Dehnung desselben verwendbar sind, als vollkom- 
men unnachgiebig betrachtet werden darf, ist der laterale Theil des M. or- 
bitalis auf der Fascia temporalis ausgebreitet und an dieselbe angeheftet. 

Der M. malaris entspringt medialerseits vom Nasenrücken neben der 
vorderen Insertion des Lig. palpebr. med. und vom Infraorbitalrande unter 
dem M. orbitalis inf., lateralerseits aus dem M, orbitalis und neben dessen 
lateralem Rande über dem Schläfenbogen von der Galea (Fig. 66 Om’). 
Die Fasern gehen von beiden Ursprüngen bogenförmig in einander über; 
einzelne inseriren sich, unter stumpfem oder spitzem Winkel convergirend 
und einander durchkreuzend, in der Haut der Wange in grösserer oder ge- 
ringerer Entfernung unterhalb des Augenhöhlenrandes. Vom lateralen Ur- 
sprunge gehen beständig einige Bündel?) am lateralen Rande der Jochbein- 
zacke des M.quadr. labii sup. in die Haut der Oberlippe über, und oft ver- 
treten diese Bündel, indem sie an Zahl zunehmen, die letztgenannte Mus- 
kelportion. 


Die laterale Portion des M. malaris kann bis zum Nasenflügel herüberrei- 
chen. Häufig giebt sie dem M. zygomaticus einige Bündel ab. Vom lateralen 
Rande der Augenhöhle sah ich einige zarte Muskelfasern längs dem Lig. palpe- 
brale laterale in die beiden Mm. palpebrales ausstrahlen. Moseley (Monthly 
Journ. 1853. Decbr. S. 581) fand an mehreren Köpfen einen Muskel, der in der 
Augenhöhle vom Jochbein vor der Naht dieses Knochens mit dem Orbitalflügel 
entspringt und sich in der Bindegewebsmasse des lateralen Augenwinkels verliert. 

Die Mm. palpebrales haben im erschlafften Zustande einen in doppeltem 
Sinne bogenförmigen Verlauf; die Fasern des oberen Augenliedes sind durch die 
Wirkung des Levator palpebrae aufwärts convex, die Fasern des unteren Augen- 
liedes durch ihre eigene Schwere, wenn auch in sehr geringem Grade, abwärts 
convex, und beide durch die Spannung, die ihnen der Augapfel ertheilt, vorwärts 
convex. Der Effect ihrer Zusammenziehung ist also zunächst Senken des oberen, 


D) M. corrugator supercilü aut. Soureilier Cruv. 
2) Perpetuus lacertulus ab imo orbieulari Santorin. 


Orbie. 
malaris. 


Physiol. 
Bemerk. 


c. Gesichts- 
muskeln. 
a. Erste 
Schichte, 


144 Gesichtsmuskeln. 


geringes Aufsteigen des unteren Augenliedes und Druck auf die Oberfläche des 
Augapfels. Da ein Theil des Inhaltes der Augenhöhle, das Blut in den Gefässen, 
flüssig und verdrängbar ist, so kann ein Druck auf den Augapfel denselben tiefer 
in die Augenhöhle drängen, so wie eine Lähmung der Mm. palpebrales das Vor- 
treten desselben begünstigen, und so ist der Contractionsgrad dieser Muskeln viel- 
leicht nicht ganz ohne Einfluss auf den Füllungszustand der Blutgefüsse des Aug- 
apfels und der Augenhöhle. 

Wegen der straffen Anheftung des lateralen Theiles der Mm. palpebrales und 
des M. orbitalis, die einer Anheftung an Knochen gleichkommt, muss die Zusam- 
menziehung dieser Muskeln nothwendig mit einer Spannung, d. h. mit einer Ver- 
mehrung der Wölbung des Lig. palpebr. mediale verbunden sein, und da diesem 
Ligament die vordere oder laterale Wand des Thränensackes folgt, sö bedingt die 
Contraction der Augenliedmuskeln, schon beim Augenliedschlag, eine Erweiterung 
des Thränensackes, mittelst welcher die im medialen Augenwinkel angesammelte 
Flüssigkeit angesogen wird. Gegen Theile ($. 30) muss ich nach meinen Erfah- 
rungen behaupten, dass der M.palpebr. inf. sich unabhängig von dem entsprechen- 
den Muskel des oberen Augenliedes zusammenziehen kann; indem er das untere 
Augenlied hebt, zieht er es zugleich etwas gegen die Nase, und der untere Thrä- 
nenpunkt steigt schräg medianwärts auf. Ich glaube hierin die Wirkungen einiger 
Fasern zu erkennen, welche, wie mir dies auch am oberen Augenliede vorkam, 
schon in der Nähe des medialen Augenwinkels sich in der Haut des Augenliedes 
endigen. 

Die Contraction der in der Haut endenden Fasern des M. frontalis und orbi- 
talis prägt sich am Lebenden sehr deutlich aus durch einige Grübchen über dem 
medialen Drittel der Augenbraue und durch die von denselben schräg lateralwärts 
aufsteigenden Falten. So wie diese Falten sich bilden, wird zugleich die ganze Au- 
genbraue median- und abwärts gezogen und das eigentliche obere Augenlied tiefer 
unter den Wulst, der es beschattet, versteckt. Die Contraction der unteren Hälfte 
des M. orbitalis schiebt das untere Augenlied aufwärts. Die Contraction des M. 
malaris, welche ganz selbständig erfolgen kann, hebt die Wange und vertieft die 
Furche, welche das untere Augenlied und die Wange gegeneinander abgrenzt, Der 
Zusammenhang des lateralen Ursprunges dieses Muskels mit dem M. quadrat. lab. 
sup. giebt Anlass, dass sich bei der Erhebung der Wange, zum Blinzeln, auch die 
Insertion des letztgenannten Muskels in der Oberlippe bemerklich macht. Die 
gleichzeitige Erhebung des Mundwinkels mag bei Vielen eine angewöhnte oder 
vielmehr nicht abgewöhnte Mitbewegung, manchmal aber auch die Folge einer Ver- 
bindung des M. malaris mit dem zygomaticus sein. Wenn Fascikel des M. malaris 
sich tiefer unten in die Haut der Wange einpflanzen, so verräth sich dies durch 
die Entstehung des Wangengrübchens bei den Zusammenziehungen des Muskels. 


ce. Gesichtsmuskeln. 
a. Erste Schichte. 


Sie bildet in seltenen Fällen, bei muskulösen Individuen, ein continuir- 
liches Blatt unmittelbar unter der Cutis, dessen Fasern convergirend vom 
vorderen Ende des Jochbogens, vom hinteren Rande des Astes und vom 
unteren Rande des Körpers des Unterkiefers und selbst von der Haut des 
Kinnes und der Unterlippe gegen den Mundwinkel zusammentreten. In der 
Regel aber ist diese Schichte in drei, zum Theil schmächtige, durch Zwi- 
schenräume getrennte Muskeln zerfallen. 


Zygomaticus. 145 


1. M. zygomaticus Z. 


Platt eylindrisch, entspringt kurzsehnig vom oberen Rande des Joch- ı.z 


bogens in der Gegend der Naht des Proc. zygomat. des Schläfenbeins mit 
der Wangenplatte des Jochbeins, geht zuerst dicht auf dem Masseter, dann 
über dem Fette, welches die Grube unter dem Tuber zygomaticum (Fossa 
infrazygomatica) ausfüllt, schräg abwärts gegen den Mundwinkel. Die Fa- 


N j ] 
Mn 
KIELUNNERN 


> 
Fa 
BEL 
ZZ 


Y 


Gesicht, fast Profil. Der M. malaris am medialen und lateralen Ursprunge abgeschnitten, 
am medialen aufwärts umgeschlagen. On‘ Zacke des M. malaris zum M. quadrat. labii 
sup. (Qls). Ef‘ Ef'' Nasen- und Augenwinkelzacke des M. frontalis. C. M. caninus. 

Scc M. subeut. colli. - 


sern, die sich auf diesem ganzen Wege spitzwinkelig verflechten, weichen in 
der Nähe des Mundwinkels in zwei Lagen auseinander, zwischen welchen 
sich ein von glattem Bindegewebe ausgekleideter Canal für die Vasa coro- 
naria der Oberlippe befindet. Die Fasern beider Lagen durchkreuzen sich 
am Mundwinkel mit Fasern des M. caninus und triangularis; einige bie- 
gen in den lateralen Rand des letztgenannten Muskels um, andere gelangen 


D) M. zygomaticus maj. aut. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abth. 3. 10 


ygomat. 


146 Risorius. Triangularis. 


in die Tiefe und schliessen sich den in die Lippe eintretenden Fasern des 
M. buccinator an, die meisten enden in der Haut der Ober- und Unterlippe 
dicht am Mundwinkel und in einem Sehnehstreifen, der sich von der Com- 
missur der Lippen einige Linien weit seitwärts erstreckt. 


2. M. risorius R). 


9 Risbrier Besteht aus einigen zusammenhängenden oder vereinzelten, mitunter 
sehr zarten Bündeln, welche vor dem hinteren Rande des Unterkieferastes 
von der Fascia parotidea entspringen und über den M. subceutaneus colli 
hinweg, die Ausstrahlung desselben unter spitzem Winkel kreuzend, conver- 
girend zum Mundwinkel verlaufen (Fig. 67). Wenn sie sich nicht in ihrer 
ganzen Länge an den oberen Rand des M. triangularis anschliessen, so ver- 
binden sie sich doch an der Mundwinkelinsertion mit ihm und verhalten 
sich wie ein querer Kopf desselben. 


3. M. triangularis Tr 2). 


3. Trian- Der wesentlichste und beständigste Theil dieses Muskels besteht aus 

sularis. einer Reihe von Zacken, welche vom Kinn bis zur Gegend der hinteren 
Backzähne am unteren Rande des Unterkiefers zwischen der Insertion des 
M. subeut. colli und dem Ursprunge des M. quadr. menti entspringen (Fig.69). 
Die Zacken kommen zwischen Lücken des M. quadratus menti an die Ober- 
fläche und fügen sich alsbald zu einem dünnen Blatte aneinander, das den 
Quadratus bedeckt und durch straffes Bindegewebe sehr fest an denselben 
angeheftet ist. Indem die Fasern gegen den Mundwinkel convergiren, stel- 
len sie ein Dreieck dar, dessen Basis dem Kieferrande, dessen Spitze dem 
Mundwinkel entspricht, von dessen Seiten die vordere concav, und stark 
rückwärts, die hintere convex vorwärts geneigt ist (Fig. 67). 

An den hinteren Rand dieses Muskels schliessen sich continuirliche oder 
zerstreute Bündel, die ihn mit dem Risorius in Verbindung setzen; an den 
vorderen (medialen) Rand schliessen sich zunächst Fasern, welche in die ent- 
sprechenden Fasern des gleichnamigen Muskels der anderen Seite in der 
Mittellinie übergehen, eine Schleife bildend, die unter dem Kinn vorüber von 
einem Mundwinkel zum anderen zieht und von unten her die Insertion der 
medialen gekreuzten Fasern der Mm. subeutanei colli deckt (Fig. 67 Tr"). 
Weiter medianwärts folgt noch eine meist sehr zarte Faserlage, die vom 
Mundwinkel aus in die Haut des Kinnes ihrer Seite ausstrahlt (7’r“) 3). 

Am Mundwinkel setzen sich die Fasern des Triangularis theilweise, 
wie erwähnt, längs dem lateralen Rande des M. zygomaticus zu dessen Ur- 
sprunge fort; theilweise kreuzen sie sich mit den Fasern desM. zygomaticus, 


!) M, risorius Santorini (Obs. anat. $. 34,) und Theile. Der M. risorius der 
übrigen Autoren ist ein Theil des M. subcutaneus colli, s. o. 

®) M. depressor anguli oris s. depressor labiorum comm. M. triangularis menti. M. py- 
ramidalis ment. Langenb. " 

°) Corrugator s. Protrusor labü inf. Santorini (Observ, anat. $. 31). Muscle trian- 
gulaire interne Cruv. 


(Quadr. lab. sup. 147 


um in die Haut der Oberlippe auszustrahlen; zum grössten Theil inseriren 
sie sich von unten an das Ligament der Lippencommissur, welches auch den 
Zygomaticus aufnimmt. 


Aus der Lage der unter dem Kinn vereinigten schleifenförmigen Fasern des 
M. triangularis menti erklärt sich die Entwickelung des Doppelkinns. Die Fettan- 
häufung in der Submaxillargegend reicht nur bis zum hinteren Rande der Schleife. 

Zuweilen ist sie in der Mitte sehnig, andere Male zerfällt sie, indem sie bei- 
derseits an den Kieferrand anwächst, in drei Theile, zwei paarige, die sich nicht vor 
den übrigen Fasern des M. triangularis auszeichnen, und ein unpaares, quer in dem 
Winkel, in welchem die Ränder beider Unterkieferhälften vorn zusammenstossen, von 
Einer Seite zur anderen verlaufendes Muskelchen. Dies ist der von Santorini 
(Obs. anat. S. 27) zuerst beschriebene M. transversus menti (Faisceau sous-sym- 
physien Cruv.). 


ß. Zweite Schichte. 


. 1. M. quadratus labii superioris m. Ols. 


Besteht aus drei, am Ursprunge mehr oder minder deutlich gesonderten ß. Zweite 


Zacken, welche vom medialen Augenwinkel und dem unteren Rande der Au- 
genhöhle eonvergirend abwärts in die Haut des Nasenflügels und der Ober- 
lippe sich begeben. 

Die mediale oder Augenwinkelzacke, Caput angulare \) (Fig. 67.68 
Qls) beschränkt sich bei schwach ausgebildeter Muskulatur mit ihrem Ur- 
sprunge auf die obere Spitze des Stirnfortsatzes des Oberkieferbeins, wo sie 
aus dem Winkel zwischen der Nasen- und Augenwinkelzacke des M. fron- 
talis platt hervortritt, mit der letzteren fast immer durch einzelne Bündel- 
chen zusammenhängend, die sich aus Einem Muskel in den anderen fortsetzen. 
Nicht selten erhält diese Zacke einen zweiten tieferen und weiter medianwärts 
entspringenden Kopf vom Nasenrücken, der mit dem unteren Rande an den 
oberen Rand einer älinlichen Zacke des M. caninus grenzt. Die Fasern der 
Augenwinkelzacke verlaufen steil lateralabwärts und enden in der Haut 
des Seitentheils des Nasenflügels und des an den Nasenflügel grenzenden 
Theiles der Oberlippe oder vielmehr der Wange?). 

Die mittlere oder Infraorbitalzacke, Caput infraorbitale 3) (Qls“) 
entspringt, bedeckt vom unteren Rande des M. orbicularis oculi, breit und 
platt an der vorderen Fläche des Körpers des Oberkieferbeins und dessen 
Processus zygomatico-orbitalis längs einer rauhen Linie unter dem Infraor- 
bitalrande, welche lateral-abwärts über das Foramen infraorbitale um we- 


) M. levator (communis) labü superioris alaeque nasi aut. M. pyramidalis s. pyrami- 
dalis narium Santorini. Releveur supenficiel Cruv, 

2) Krause trennt die Nasen- und Wangeninsertion als M. levator alae nasi u. M. 
levator labii sup. minor. H, Meyer will ebenfalls den dem Nasenfiügel angehörigen Theil 
des Muskels M. levator alae narium major s. posterior von dem in die Oberlippe tretenden 
Theil geschieden wissen und zieht den letzteren mit dem LZevator labiü sup. propr. aut. 
zusammen, Diese Art der Scheidung ist nicht einmal physiologisch gerechtfertigt, da der 
Nasentheil des Caput angulare nie ohne den Wangentheil sich zusammenzieht. 

») M. levator labil sup. proprius aut. M. lev. I s. major Krause. M. ineisorius San 
torini, Die Nasenwinkel- und Infraorbitalzacke zusammen stellen Winslow’s M. inci- 
sivus lateralis dar. Releveur profond Cruv. 


10* 


Schichte. 
1, Quadr. 
lab. sup. 


148 Quadr. lab. sup. 


niges hinausreicht und, der Naht zwischen Oberkiefer- und Jochbein folgend, 
sich abwärts senkt. Die Fasern steigen steil median-abwärts und befestigen 
sich, die medialen hinter der Insertion des Caput angulare versteckt, in die 
Haut des Nasenflügels und der Oberlippe. Zuweilen geht eine Zacke dieses 
Muskels fast quer herüber zum oberen Rande des Nasenflügels. 


Fig. 68, 
Ze ER Ef” 
EHTESQ, RN 
N NRRIIQY U 
VEN N \ 
Om! IL Sy 


> | 


u\ S 
N \ 


Gesicht, fast Proßl. Der M. malaris am medialen und lateralen Ursprunge abgeschnitten, 
am medialen aufwärts umgeschlagen. Om’ Zacke des M. malaris zum M. quadrat. labii 
sup. Ef‘ Ef’‘' Nasen- und Augenwinkelzacke des M, frontalis, € M. caninus. 


Die laterale oder Jochbeinzacke, Caput zygomaticum )), ist ein 
schmaler platter Muskel, welcher auf der Höhe des Tuber zygomaticum, vor 
der Gesichtsöffnung des Can. zygomatico-facialis, entspringt und gewöhnlich 
durch einige Bündelchen vom M. malaris verstärkt (oder auch durch diesen 
ersetzt) schräg medianwärts zur Haut der Oberlippe geht, um sich neben 
dem Caput infraorbitale in dieselbe zu verlieren (Qls“). Er geht zuweilen 
mit einigen Fasern unter der Infraorbitalzacke in den M. buccinator über. 

In Köpfen mit stark ausgebildeten Muskeln schwinden die Zwischen- 
räume zwischen den Zacken; die Augenwinkelzacke erstreckt sich längs 
dem Infraorbitalrande so weit, als die Ursprünge des M. orbieularis oculi 
(so in dem abgebildeten Falle Fig. 68); die Infraorbitalzacke erreicht unter 


ID) M. zygomaticus minor aut. 


Caninus. 149 


der Augenwinkelzacke den Stirnfortsatz des Oberkiefers; die Jochbeinzacke 
kann sich mit einem Theile ihrer Fasern gleich hoch oben an die Infraorbi- 
talzacke anlegen; sie kann sogar an der vorderen oder hinteren Fläche der 
letzteren bis zum Nasenflügel hinüberreichen. z 


Deshalb ist der M. levator labii sup. propr. aut. und selbst zuweilen der M. Physiolo- 
zygomaticus eben so gut gemeinschaftlicher Heber des Nasenflügels und der Ober- een. 
lippe, wie der M. levator communis aut. Beide können genau dieselbe Breite der 
Insertion haben und der Unterschied ihrer Wirkung besteht nur darin, dass der 
Eine den Nasenflügel und die Lippe lateral-aufwärts, der andere sie median-auf- 
wärts hebt, vorausgesetzt, dass sie isolirt zu wirken und nicht vielmehr durch gleich- 


zeitigen Zug Nasenflügel und Lippe gerade aufzuheben bestimmt sind. 


2. M. caninus ey. 


Entspringt kurzsehnig, platt aus der ganzen Breite der Fossa maxilla- 3, Ganinus. 


Sce 


Gesicht, fast Profil, die Augenhöhle entleert, der M. orbieularis oculi (0) nebst dem M. 
frontalis (Ef) zurückgeschlagen (vgl. Fig. 65). ZZ Ursprung und Insertion des M. zy- 
gomat. R M. risorius, Insertion. 7r Tr Ursprung und Insertion des M, triangularis. @ 75”, 
Qls‘“, Caput infraorbit. und zygomaticum des M. quadrat, labii sup. am Ursprunge abge- 
schnitten. Q@rm M. quadrat. menti. B M. buceinator, 1 Ausführungsgang der Parotis, 
am Eintritt in den Muskel abgeschnitten, Sp% Sphineter oris. N M. nasalis. 
M, M' oberflächliche und tiefe Portion des M. masseter. Scc M. subeut. colli. 


?) M, Ievator anguli oris s. lewator labiorum communis. 
I 


3. Quadr. 
menti. 


150 Quadratus menti, 


ris (Knl. $. 156) unter dem Foramen infraorbitale, vom M. quadratus labii 
sup. verdeckt. Der Raum zwischen beiden Muskeln wird durch Fett, sowie 
durch die aus dem Foramen infraorbitale hervortretenden Gefäss- und Ner- 
venzweige ausgefüllt. Da derM. caninus, um zum Mundwinkel zu gelangen, 
gerade oder in geringem Maasse lateralwärts abweichend abwärts geht, so 
kommt er in der Nähe seiner Insertion am lateralen Rande des M. quadrat., 
l. s., zwischen ihm und dem M. zygomatieus, zu Tage (Fig. 68). Ein Theil 
seiner Fasern tritt, wie erwähnt, zwischen den Fasern des M. zygomaticus 
hindurch an die Oberfläche und endet in der Haut oder setzt sich in Bündel 
des M. triangularis fort; die anderen heften sich, demM. triangularis gegen- 
über, an das vom Mundwinkel lateralwärts ausgehende Ligament; nur we- 
nige mischen sich der Muskulatur der Unterlippe bei. 

Fast constant erhält der M. caninus am medialen Rande eine schmale 
Zacke, welche am Proc. frontalis des Oberkiefers, dicht unter dem Caput 
angulare des M. quadratus 1. s. und öfters genau mit diesem verwachsen 
ihren Ursprung nimmt (Fig.69); nicht selten tritt weiter abwärts eine zweite, 
breitere, fleischig auf dem knöchernen Rücken und selbst auf dem häutigen 
Theile der Nase entspringende Zacke hinzu, die sich mit dem unteren Rande 
an den oberen Rand des M. nasalis anlehnt und auf die ich bei Beschrei- 
bung des letztgenannten Muskels zurückkomme. 


3. M. quadratus menti Om). 


Den zwei Muskeln oder drei Schichten (da der M. quadratus labii sup. 
aus zwei Schichten besteht), welche am Oberkiefer zur Haut der Lippe und 
zum Mundwinkel absteigen, entspricht am Unterkiefer ein einziger Muskel, 
welcher dünner, aber breiter, zur Haut der Unterlippe und des Mundwinkels 
heraufgeht (Fig. 69). Es ist der M. quadratus menti, welcher im Wesentlichen 
schon mit dem M. subeutaneus colli, dessen Fortsetzung er ist, beschrieben 
wurde. Zwar ist die Irennung gerechtfertigt durch die Unterbrechung am 
Unterkiefer, wo die vom Brustkorbe heraufziehenden Fasern als Subeutaneus 
colli enden, um als Quadratus menti weiter zu gehen. Aber man muss zu 
dem letztgenannten Muskel auch Fasern zählen, welche vom Brustkorbe aus 
zu beiden Seiten der am Unterkieferrande entspringenden und zum Theil 
als oberflächlichere Schiehten ununterbrochen ihren Weg zum Mundwinkel 
und zur Haut der Unterlippe fortsetzen. 

Im Gesichte angelangt, giebt die zum Mundwinkel ziehende Portion des 
M. subeutaneus (oder Quadratus) oberflächliche Fasern in die Haut und 
tiefe, die sich der Faserung des M. buccinator beigesellen; die medianwärts 
folgende Portion befestigt sich grösstentheils in die Haut zwischen dem 
rothen Lippenrande und der Querfurche, die das Kinn von der Unterlippe 
scheidet. Einige in die Tiefe dringende Bündel, die sich an den M. men- 
talis der entgegengesetzten Seite anlegen und ihn bis zu seinem Ursprunge 
begleiten, werde ich in Verbindung mit diesem Muskel wieder erwähnen. 


V) M. depressor labü inferioris. 


(Juadratus menti, 151 


Durch Zusammenziehung des M. subeutaneus colli und quadratus menti wird 
die ganze Lippe herabgezogen und zugleich ausgebreitet und an den Kiefer ange- 
drückt. Um dem Munde die aufwärts convexe Form zu geben, welche Hochmuth 
und Verachtung ausdrücken, kommt es aber nicht sowohl auf Depression der Mund- 
winkel, als vielmehr auf Erhebung des mittleren Theiles der Lippe durch den M. 
mentalis an, wobei der Mundwinkel von den an ihn sich anheftenden Muskeln nur 
festgehalten wird. 


y. Dritte Schichte. 


Um die Uebersicht der Muskeln dieser Schichte zu erleichtern, theilen 
wir sie zunächst in drei Gruppen, eine mediane unpaare, welche der Lip- 
pen-, Nasen- und Kinngegend entspricht, und zwei einander symmetrische 
seitliche, den Wangen entsprechende. Die künstliche Grenze zwischen der 
medianen und der seitlichen Muskelgruppe bildet der Mundwinkel; künst- 
lich, weil die grosse Mehrzahl der von den Wangen gegen den Mundwinkel 
convergirenden Fasern ununterbrochen gegen die Mittellinie vorschreitet !). 

Die Wangengegend nimmt eine einzige Muskellage ein, M. buccina- 
tor, die mediane Gruppe zerfällt in Muskeln, welche continuirlich zwischen 
beiden Mundwinkeln verlaufen, oder doch nur in der Mittellinie eine Unter- 
brechung erleiden und in solche, welehe zwischen dem Mundwinkel und der 
Mittellinie jederseits einen Knochenansatz finden und dadurch in je eine 
laterale und mediale Portion geschieden werden. Die ununterbrochenen 
Muskeln liegen in der Dieke der Lippen; gewohnter Weise vereinigen wir 
die entsprechenden Lagen der Unter- und Oberlippe unter dem Namen eines 
Sphincter oris, wobei jedoch, wie schon früher erwähnt, von der Vorstellung 
kreisförmiger, die Mundspalte umziehender Fasern abstrahirt werden muss. 
Die unterbrochenen Muskeln der medianen Gruppe sind zwar am Ober- und 
Unterkiefer nach gleichem Plane angelegt und gegen die Mundspalte sym- 
metrisch; doch sind sie auch, wie Ober- und Unterkiefer, wie Nase und 
Kinn, in wesentlichen Punkten verschieden. 

Die Unterbrechung erfolgt durch Insertion der Fasern in einer Grube, 
die sich am Oberkiefer über, am Unterkiefer unter dem Ecekzahne befindet 
und mehr oder minder weit gegen die Mittellinie erstreckt. Die Fasern 
zwischen dem Mundwinkel und dieser Grube, obgleich zum Theil Fort- 
setzungen des M. buceinator, erhalten ihren fixen Punkt und also ihren Ur- 
sprung in dieser Grube und ziehen den beweglicheren Mundwinkel median- 
wärts; es sind die Mm. ineisivi lab. sup. und lab. inf.?). Die von der 
Grube medianwärts ausgehenden Fasern strahlen am Öberkiefer gegen die 
Nase, am Unterkiefer gegen das Kinn aus. Wir bilden aus den zur Nase 
tretenden Fasern den M. nasalis; die zum Kinn tretenden stellen den M. 
mentalis dar. Beide Muskeln können, je nach den Insertionspunkten, in 
Unterabtheilungen zerlegt werden, zwischen welchen die Grenzen indess nur 
künstlich zu ziehen sind. Von beiden, auf dem Nasenrücken wie am Kinn, 
gehen Fasern in der Mittellinie sehnig und selbst fleischig in einander über. 


!) Cruveilhier vereinigt den Wangenmuskel nebst den von ihm aus in die Lippen 
sich fortsetzenden Fasern unter dem Namen \Buceinato-labial, s 

2) Ich betrachte diesen Namen als vacant, da er in den Handbüchern (Syn. Mm. 
ineisivi Cowperi, Mm. depressores labü sup. und elevatores labü inf.) auf Muskeln bezogen 
wird, die nichts anderes sind, als die vom Vestibulum der Mundhöhle aus entblössten Ur- 
sprünge der Mm. nasalis und mentalis. 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen 


Y- Dritte 
Schichte. 


152 Buceinator. 


I. Seitliche Muskeln. 


M. buceinator B N). 


I. Seitliche 
Muskeln. 
Buceinator. und 


Die Schleimhaut der Wangen ist an der äusseren Fläche des Ober- 


Ansicht des Schlundes von der hinteren; 
des Unterkiefers von der inneren Fläche; 
die hintere Wand und der Boden der 
Mundhöhle seit- und aufwärts vom Un- 
terkiefer abgezogen. h Spitze des gros- 
sen Zungenbeinhorns. 1 Epiglottis dicht 
über dem Kelilkopfe abgeschnitten. Stnh 
M. sternohyoideus an der Insertion ab- 
geschnitten. 2 Hintere Wand des Schlun- 
des. 3. Boden der Mundhöhle, von aussen. 
Cph! Cph? Constrietor pharyng. sup. 
und med. Stph M. stylopharyng. SgM. 
styloglossus. Bm, Mh, M, biventer mand. 
und mylohyoid. an der Insertion abge- 
schnitten MM. masseter. T M. tem- 
poralis. Pe M. pterygoid. ext. unterer 
Kopf. Pi, Pi, M. pterygoid. int. Ur- 
sprung und Insertion. 


\) Portion buccale du muscle buceinato-labial Cruv. 


2) Lig. iniermazillare. 


Unterkiefers dicht am Alvelarrande angewachsen:und erstreckt sich 
Fig. 70. 


von dieser Anheftungsstelle über den 
Kieferrand und einen Theil der Zahn- 
krone hinauf oder hinab, um das Zahn- 
fleisch zu bilden. Zwischen beiden Kie- 
fern setzt sie sich längs den Muskeln, 
die die innere Fläche des Unterkiefer- 
astes bedecken (Mm. pterygoidei und 
temporalis), in die Schleimhaut der 
hinteren Wand der Mundhöhle oder 
des Schlundkopfes fort. Hier, an der 
Umbeugungsstelle von der seitlichen 
auf die hintere Wand der Mundhöhle, 
ist der Schleimhaut ein Band einge- 
webt, Lig. plerygomasiliare 2), wel- 
ches eylindrisch am Hamulus pterygoi- 
deus entsteht und indem es sich ab- 
wärts ausbreitet, an der Linea mylo- 
hyoidea zwischen der Insertion des 
M. temporalis und dem hintersten Back- 
zahn seine Anheftung findet (Fig. 70). 

Der M. buccinator entspringt mit 
Fasern, die im Allgemeinen horizontal 
und vor- oder medianwärts, vom Ober- 
kiefer zugleich abwärts, vom Unterkie- 
fer aufwärts gerichtet sind, dicht über 
der äusseren Fläche der Mundhöhlen- 
schleimhaut von der Gegend der hin- 
teren Backzähne beider Kiefer und vom 
Lig. pterygomaxillare, über welches 
hinweg einzelne Fasern in den Con- 
strietor pharyngis (Cph!) übergehen. 
Sein Ursprung beschreibt eine hufeisen- 
förmige Linie; dieselbe beginnt vor 
dem vorletzten Backzahn des Oberkie- 
fers, geht zuerst gerade rückwärts und 
an der Tuberosität des Oberkiefers 
dicht vor und unter dem Rande des 
Gaumenflügels vorbei, dann auf das 
Lig. pterygomaxillare über und an die- 


Backen- oder Trompetermuskel, 


E 


Sphincter oris. 153 


sem zum Unterkiefer herab; am Unterkiefer wendet sie sich auf der Crista 
buceinatoria (Knl. $S. 193) wieder nach vorn, und endet, ziemlich genau un- 
ter dem Anfange, am vorletzten Backzahn. An der Tuberosität desOberkie- 
fers ist der Ursprung, so weit er vom M. pterygoid. int. bedeckt wird, seh- 
nig; in dem Winkel hinter dem letzten Unterkieferbackzahn, zwischen der 
Linea mylohyoidea und Crista buceinatoria, wo der Ursprung des Buceinator 
und die Insertion des Lig. pterygomaxillare auseinanderweichen, findet sich 
beständig ein ansehnliches Packet Schleimdrüsen. 

Sogleich vom Ursprunge an verflechten sich die Bündel, den Ausfüh- 
rungsgang der Parotis (Fig. 69.1) zwischen sich fassend, netzförmig mit ein- 
ander unter spitzen Winkeln, wodurch zuletzt die vom Unterkiefer stammen- 
den Fasern theilweise dem oberen Rande, die vom Öberkiefer stammenden 
Fasern ebenso dem unteren Rande-des Muskels sich rähern und der Muskel 
im Ganzen an Höhe einbüsst, an Mächtigkeit zunimmt. Einige dünne Fa- 
sern enden in der Schleimhaut des Mundwinkels; eine Anzahl oberflächlicher, 
schräg abwärts geneigter Bündel inserirt sich mit dünnen platten Sehnen 
am Alveolarrande des Unterkiefers vor dem Ursprunge der aufsteigenden 
Bündel, längs den vorderen Backzähnen; die übrigen setzen sich, wie so- 
gleich angegeben werden soll, in die Ober- und Unterlippe fort. 


Il. Mediane Muskeln. 
1. Sphineter oris SpÄ!). 


Der M. sphineter oris (Fig. 71) besteht aus den Fasern, welche die beiden 
Mm. buceinatores einander in den Lippen entgegenschicken. Während die Fa- 
sern von beiden Seiten her in der Mittellinie zusammenfliessen, findet zu- 
gleich, wie sich schon aus der Beschreibung des M. buccinator ergiebt, ein 
Austausch derselben in der Richtung von oben nach unten Statt, so dass die 
Querfasern der Oberlippe zum grossen Theil vom Unterkiefer stammen und 
umgekehrt. Ein straffes Gerüst von Bindegewebsfäden, welches in der Dicke 
der Lippen von der Cutis zur Schleimhaut gespannt ist, erhält die Bündel 
in der Ordnung, wie sie vom Mundwinkel ausstrahlen, zwischen dem freien 
und angewachsenen Rand der Lippe ausgebreitet; doch ist die Mächtigkeit 
der Lage nicht ganz gleichmässig, sondern dem freien Rande zunächst, so 
weit die Röthe der Lippe reicht, ist sie verstärkt und mitunter wie durch einen 
Umschlag nach aussen verdoppelt?). 

Die Bündel, welehe sich von den oberflächlichen Gesichtsmuskeln, na- 
mentlich vom M. zygomaticus, quadratus labii sup., caninus und quadra- 


1) M. sphincter s. consirictor labiorum. Constrictor prolabü sup. et inf. Merkel (An- 
thropophonik. Lpz. 1856. p. 254). M. orbieularis oris. Portion labiale du muscle buceinato- 
labial. Cruv. 

2) Bichat, Meckel, Weber-Hildebrandt, Theile u. A. theilen demnach den 
Sphincter in eine innere, dem Rande nächste Schichte (pars marginalis Arn.) und eine 
äussere; die innere Schichte enthält nach Bichat die vom Buceinator, die äussere die 
von den oberflächlichen Gesichtsmuskeln stammenden Fasern. Ich kann dies so wenig 
bestätigen, wie die Behauptung Cruveilhier’s, dass die Fasern des Buccinator in der 
äusseren Schichte der Ober- und Unterlippe einander nur durchkreuzen, um sich jenseits 
der Mittellinie am Kieferknochen anzusetzen. 


II. Mediane 
Muskeln. 
1. Sphineter 

oris, 


2: 


Iueisivi 
lab. sup. 


Lab. inf. 


154 Ineisivi. 


tus menti dem Buccinator beimischen und mit ihm in den Sphincter eintre- 
ten, liegen am Mundwinkel oberflächlich, verlieren sich aber zwischen den 
übrigen Fasern). 


Die in der Oberlippe dem oberen Rande zunächst gelegenen Bündel 
des Sphincter zeichnen sich vor den anderen dadurch aus, dass sie sich 
nicht continuirlich über die 
Medianlinie fortsetzen, son- 
dern von beiden Seiten an 
den Rand des Knorpels der 
Nasenscheidewand heraufge- 
hen. Sie setzen so den un- 
paaren M.nasalis labü sup. ?) 
(Fig. 69) zusammen. Frei- 
lich kann man auch, und 
physiologisch vielleicht rich- 
tiger, ihren Ursprung auf 
die Nasenscheidewand setzen 
und sie den Muskeln beizäh- 
len, welche, wie die Ineisivi, 
die Mundwinkel medianwärts 
führen. 


2. Mm. incisivi‘). 


Der M. ineisivus labiüi 


Wange und Lippe nebst dem Nasenflügel von innen sup. entspringt dieht über dem 
nach Entfernung der Schleimhaut; die Muskeln sämmt- Ri ande Fee 
lich von ihren Knochenursprüngen abgetrennt. Z En 7 


M. zygomat. RM. risorius. Tr M. trigangularis. erstenSchneide- und Eekzahn 


Als’ Qls' Qls'" Caput. angul., infraorbit. u. zygo- mit einer Reihe schmaler, 


mat. des M. quadr. labii sup. €’ M. caninus. @m . R 
»M. quadr. menti;. «T1s, Il$ M, ineie, labii sup. und Platter, Zacken  'dıe, an Ur- 


inf. sprunge schräg aufsteigend, 

sich im flachen Bogen an 

der hinteren Fläche des Sphineter lateralwärts wenden, um sich in der 
Nähe des Mundwinkels oder noch früher in dem Sphincter zu verlieren. Die 
der Mittellinie zunächst entspringende Zacke nimmt zuweilen Fasern von 
dem an den Oberkiefer angewachsenen Theil des Nasenflügels auf (Fig. 72). 


Der M. ineisivus labü inferiorist) entspringt meist einfach am Al- 
veolarrande des Unterkiefers unter dem Eekzahn, geht am unteren Rande 


') Krause und M, J. Weber unterscheiden eine äussere, oberflächliehe und 
innere, tiefe Lage des Sphineter und H. Meyer leitet die in diesem Sinne innere 
Lage, M sphineter oris int., vom Buceinator, die äussere, M. sphineler oris ext, von den 
oberflächlichen Gesichtsmuskeln ab. 

?) M. depressor septi mobilis narium. M. depressor apieis naris. 

») Hm. adductores anguli oris Theile. Mm. accessores orbieulares Sharpey. Mm. 
protractores anguli oris Merkel. 

') M. productor labü infer. Santorini (Observ. anat. Taf, I. s). M. accessor buceina- 
toris Courcelles (Taf. III. N). 


Nasalis. 155 


und dann an der vorderen Fläche des Sphineter seit- und aufwärts und ver- 
schmilzt 'mit ihm in der Nähe des Mundwinkels (Fig. 72). 


Fig. 72. 


MN 
BEN 


M In l 
U 
LADEN TU, 
i M ) h 
IE I 


Gesicht, fast Profil. Augenhöhle entleert, M. orbicularis oculi entfernt. Die oberllächliche 
Portion des M. masseter (M) am Ursprunge und der Insertion abgeschnitten. N tiefe 
Portion desselben Muskels. 2” Ef“ M. frontalis. Z M. zygomaticus Ursprung. Q/s 
als" Qls“ am Ursprunge abgeschnittene Köpfe des M. quadrat. labii sup. CC“ M. ca- 
ninus, Ursprung und Insertion, Qm M. quadr. menti, Ursprung. BM. buccinator. 1 Durch- 
sehnittner Ausführungsgang der Parotis Sph Sphineter oris. SphYy Durchschnittsstelle 
des Sphincter der Oberlippe, die rechte Hälfte nach unten umgeschlagen. N’ M, nasalis 
der linken Seite. Me‘ M. mentalis der linken Seite, 


3. M. nasalis N). 


Zwischen den Bündeln des M. ineisivus, zum Theil mit ihnen, und in 
gleicher Ausdehnung entspringen Muskelfasern, welche in der aufsteigenden 


») Die Handbücher unterscheiden einen Depressor alae nasi (M. myrtiformis Gasser, 
M. dilatator pinnae Santor. M. dilatator narium An. M. lateralis nasi Hyrtl.. M. fixa- 
tor labii sup Merk. Pinnal radie Cruv.) und einen Compressor s. briangularis nasi (M. 
attrahens s. constrietor alae nasi Cowper. M. compressor narium may). H. Meyer. Pinnal 
transverse Cruv.). Jener ist die mediale, dieser die laterale Portion unseres M. nasalis. 
Santorini versteht unter M, transv. nasi die Compressores beider Seiten zu Einem Muskel 
zusammengezogen. M. J. Weber's M. compressor nasi, der vom Mundwinkel zum Nasen- 
winkel verläuft, ist der Nasenursprung des M. caninus. Die Nasenscheidewandinsertion des 
M. nasalis ist H. Meyer’s M. depressor septi mobilis. 


5} 
7 


Nasalis. 


4. Mentalis. 


156 Mentalıs. 


Richtung verharren und mehr oder minder deutlich in eine mediale und la- 
terale Portion getheilt, an der Nase enden. Die Bündel der medialen Portion 
(Fig.72 N“) welche die breitere ist, befestigen sich ringsum an das hintere Ende 
des Knorpels der Nasenscheidewand, und an den unteren und Seitenrand 
des Nasenflügels und verflechten sich an ihrer Insertion mit den Fasern des 
M. quadr.labiisup. Die laterale Portion (Fig.72 N“) geht zum Theil zwischen 
den Bündeln des M. quadr. labii sup., zum Theil hinter ihnen her zum Rücken 
des knorpeligen Theiles der Nase. Auf demselben verbindet sie sich mit 
den Fasern des gleichnamigen Muskels der anderen Seite zu einer dünnen 
Platte, welche an die knorpelige Unterlage verschiebbar, dagegen straff an 
die Haut der Nasenspitze angewachsen ist. Einige der obersten Bündel 
setzen sich ohne Unterbrechung in die Nasenzacke des M. frontalis ihrer 
Seite fort, der auf diese Weise Fasern von der Ursprungsstelle des Ineisivus 
bezieht. 

Die Ausbildung der lateralen Portion desM. nasalis ist verschieden, je 
nachdem der Nasenursprung des M. caninus mehr oder minder entwickelt 
ist und mehr oder minder weit hinabreicht. Reicht er weit hinab, so wird 
er vom oberen Theile des M. nasalis bedeckt. Mit ihren einander entspre- 
chenden Rändern sind beide Muskeln so genau verbunden, dass man häufig 
Bündel, welche auf dem Nasenrücken einfach entspringen, abwärts sich spal- 
ten sieht, um einen Theil ihrer Fasern dem M. caninus zuzuführen und mit 
einem anderen Theile sich den Ursprüngen des M. nasalis beizugesellen. 
Auf diese Weise geschieht es, dass Muskelbündel vom Stirnfortsatze des 
Oberkiefers zum Alveolarrande desselben Knochens verlaufen (Fig. 72 (”), 
eine Thatsache, die, so unbegreiflich sie erscheint, doch keineswegs zu den 
Seltenheiten gehört )). 


Var. Im Anschluss an den oberen Rand der lateralen Portion des M. na- 
salis und gedeckt vom Nasenursprunge desM. caninus kommen dünne Muskellagen 
auf dem unteren Theile der knöchernen Nase vor, deren Fasern vom Rande der 
Apertura pyriformis und weiter hinauf vom Stirnfortsatze des Oberkiefers entsprin- 
gen, sich über den Nasenrücken fücherförmig ausbreiten und an die Beinhaut des- 
selben befestigen, nach Theile auch sich mit entsprechenden Muskeln der anderen 
Seite vereinigen ?). 


4. M. mentalis m. Me°). 


Entspringt dicht unter dem M. incisivus labii inf. und begiebt sich, in- 


. dem er sich zugleich im verticalen und transversalen Durchmesser ausbrei- 


') Santorini führt zwei solche Muskeln auf, einen M, lateralis nasi (Observ. anat. 
$. 13) und einen M. rhomboideus (ebendaselbst $. 25). Dem ersteren, welcher mit einem 
Theile seines medialen Randes über den Rand der Apertura pyriformis vorspringt, schreibt 
er die Fähigkeit zu, die Schleimhaut der Nase, an deren äusserer Fläche er befestigt sei, 
auswärts zu ziehen und so die Nasenhöhle zu erweitern. Der M. rhomboideus Sant. (M. 
anomalus Albin 8.167. M. anomalus mazillae sup. Meck. und Sömmerring) liegt weiter 
seitwärts mit oberem breiten, unterem spitzen Ende. Ich finde, wie Theile, die Form 
dieser anomalen Bündel sehr wechselnd, meist schlank, cylindrischh Nach Theile sind 
sie immer, wenn auch zuweilen sehr rudimentär, vorhanden. 

*) Die tieferen, dem häutigknorpeligen Theile der Nase angehörigen Muskeln werden 
in der Eingeweidelehre beschrieben. 

°) M. Ievator menti aut. M. levator labü inf. s. ineisivus inf. M. J. Weber. Muscle 
de la houppe du menton Cruv, 


Mentalıs. 157 


tet, abwärts gegen das Kinn. Von oben gesehen (Fig. 73), entfalten sich 
die Fasern fächerförmig, lateral- und medianwärts; im Profil sieht man sie 
abwärts geneigt, um so steiler, je näher dem unteren Rande des Muskels 


(Fig. 72). 


Fig. 73. 


Frontaldurchschnitt der Nasenhöhle und des Oberkiefers hinter dem harten Gaumen. Die 

Unterlippe rechts vor dem Eckzahn durchschnitten und abwärts umgelegt, die Schleimhaut 

der Wange und Unterlippe entfernt. 7 Durchschnitt des Schläfenbogens. p m Lig pterygo- 
maxillare. Pe M. pterygoid. ext. 


Zwischen den Ursprüngen beider Mm. mentales liegt auf der Mitte der . 
äusseren Fläche des Unterkiefers, fest mit der Beinhaut verbunden, ein halb- 
kugelförmiges Polster von fettreichem Bindegewebe !). Ueber diesem Pol- 
ster treten die Muskeln beider Seiten durch Vermittelung eines schmalen, 
transversalfaserigen Sehnenstreifens zusammen (Fig. 74 a.f.8.). Derselbe ist 
unten mehr oder minder fest mit der Haut des Kinnes verbunden, und er- 
zeugt, wenn er fest mit der Haut verbunden ist, die Furche oder das Grübchen 
des Kinnes. Von den unteren Bündeln des M. mentalis setzen sich einige, wie 
bereits erwähnt, in den M. subeutaneus colli der entgegengesetzten Seite 
fort (Fig. 74). 

Eine ähnliche, räthselhafte Muskelfaserschichte, wie neben dem M. na- 
salis, findet sich auch lateralwärts vom M. mentalis: eine dünne Schichte 
von Fasern, welche in der Fortsetzung des M. mentalis bis zur Gegend des 
For. mentale sehnig entspringen, aber zugleich am Unterkieferrande über 


2) Ligament jaune de la houppe du menton Cruv. 


Faseie. 


Physiolo- 
gische Be 
merkungen. 


158 Fascia buccopharyngea. 


dem Ursprung des M. quadratus menti wieder sehnig sich inseriren. 
(Bie.72%) 1): 


Eine eigentliche Fascie besitzt von den Muskeln des Gesichtes nur 


der Buceinator. Es ist eine dem Muskel sehr fest adhärirende Binde- 
gewebslage, welche am Mundwinkel sich in die Fascia superficia- 
Fig. 74. lis verliert, nach hinten aber über 


das Lig. pterygomaxillare hinweg in 
die Fascie der Rückwand des Schlun- 
des sich fortsetzt und deshalb den 
Namen einer Fascia buecopharyn- 
gea 2) führt. An ihrer äusseren Flä- 
che wird sie von dem Fett überzo- 
gen, welches die oberflächliche Lage 
der Gesichtsmuskeln von der tiefen 
scheidet und den Gefäss- und Ner- 
venausbreitungen zum Lager dient; 
ein besonders starker, durch eine 

eigenthümliche Bindegewebshülle 
Gesicht von vorn, die Unterlippe vor dem reinlich abgegrenzter Fettklumpen, 


rechten Eckzahn vertical gespalten nndnach der sich auch bei allgemeiner Ab- 
Entfernung der Schleimhaut, gegen die linke 


Seite zurückgeschlagen. Mj Durchschnitts- magerung erhält, füllt den Zwischen- 
flächen des rechten M, mentalis. Sph Sphinc-- raum zwischen der Fascia buccopha- 
ter oris, von innen. @m Ursprung des M. „unoea und den Kiefermuskeln aus. 
quadrat. menti. Scc, Scc’ Fasern des lin- Bw 2 * , N 
ken und rechten M. subeutaneus colli, wel- Mit ihrer inneren Fläche ist diese 
che zur Ursprungsstelle des M. mentalis der Fascie durch Vermittelung der Bin- 
entgegengesetzten Seite gelangen. degewebssepta des M. buecimator 
an die Mundschleimhaut geheftet. Die Anheftung ist besonders straff am 
hinteren Theile der Wange; sie lockert sich in der Nähe des Mundwin- 
kels, wo die Lippendrüsen sich zwischen Muskel und Schleimhaut drängen. 
Präparirt man den Sphincter oris von der Schleimhaut der Lippen ab, so 
hat es den Anschein, als ob die Drüsen in Zwischenräumen der Muskelbündel 
enthalten seien. Ein Durchschnitt der Lippe widerlegt dies. Die Drüsen 
bilden eine besondere Schichte zwischen der Muskelschichte der Lippen und 
der Schleimhaut. 


Die Wirkung der meisten Gesichtsmuskeln ergiebt sich aus der Richtung ihrer 
Fasern von selbst; um so räthselhafter ist die Beziehung, welche einzelne Gruppen 
derselben zu den besonderen Gemüthsbewegungen haben. Den Ausdruck der Hei- 
terkeit, des Lächelns und Lachens scheinen, nebst den Augenliedmuskeln, die Mus- 
keln der oberflächlichen Schichte, Zygomaticus, Risorius, Triangularis zu vermitteln, 
und es scheint dabei der M. triangularis seinen festen Punkt am Mundwinkel zu 
haben und die Haut des Kinnes in die Quere glatt zu ziehen. Zugleich entsteht 
die Wangenfalte, welche vom unteren Theil des Nasenflügels aus einige Linien ne- 
ben der Lippencommissur am Mundwinkel herabläuft. Im höchsten Grade dieses 
Affectes wird die Oberlippe so sehr auf Kosten ikrer Höhe in die Breite gezogen, 
dass sie zur Bedeckung der Zähne nicht mehr hinreicht. Ein ganz entgegengesetz- 
tes Verhalten zeigen die Buccinatores mit ihrem unpaaren Mittelstücke, dem Sphin- 
ceter oris. Da nämlich diese Muskeln in ihrem Zusammenhange eine Schichte dar 


!) M. anomalus menti Theile. 
?) F. buccalis s. buceinatoria, 


Masseter. 159 


stellen, deren Fasern doppelt bogenförmig, in der Unterlippe aufwärts convex, in der 
Oberlippe abwärts convex und in beiden Lippen zugleich vorwärts convex verlaufen, 
so müssen sie, je kräftiger sie sich zusammenziehn, um so mehr die Lippen gegen 
einander und gegen die Zähne pressen; fehlen die Zihne oder werden die Kiefer 
von einander entfernt, so ziehen sie in dem Maasse, als sich der zwischen den bei- 
den Ursprüngen vorwärts convexe Bogen abzuflachen strebt, den rothen Lippen- 
rand einwärts. Zum Austreiben der Luft aus der Mundhöhle beim Blasen u. s. w. 
trägt der M. buceinator nichts bei, denn die Wange erhält sich, so lange die Luft 
ausströmt, eleichförmig ausgedehnt, nicht einmal auf die Spannung der in der Mund- 
höhle enthaltenen Luft ist der Buceinator von Einfluss; vielmehr würde die Con- 
traction dieses Muskels einer Aufblähung der Wange, wie sie beim Blasen statt 
findet, geradezu entgegen sein. 

Das Spitzen des Mundes zum Pfeifen, Küssen, zum Aussprechen der Vocale 
O und U, ist zunächst nicht Sache des M. sphincter oris, sondern der Mm. ineisivi 
der Ober- und Unterlippe und des M. nasalis labii sup., wobei unterstützend der 
M. caninus und die am Rande des Unterkieters entspringenden Fasern des M. 
triangularis hinzutreten mögen. Der Sphincter hat aber dabei die Aufgabe, die 
Mundspalte eng oder geschlossen zu erhalten und den Lippenfalten eine gewisse 
Tension zu ertheilen; die Fasern des Buceinator werden passiv vorwärts gezogen. 
Verhält sich auch der Sphincter bei der Zusammenziehung der Incisivi passiv, so 
werden die schlaffen Lippenränder faltig nach aussen umgeschlagen. 

Von der Wirkung des M. mentalis war schon oben die Rede; der M. nasalis 
ist in allen seinen Theilen Herabzieher der Nase und hält die Scheidewand und 
den unteren Theil des Nasenflügels fest, wenn der M. frontalis und quadr. labii 
sup. den Nasenflügel aufheben. Gleichzeitig wirkend sind daher beide Antagonisten, 
Erweiterer des Nasenlochs. 

Die bereits bei dem M. subcutaneus colli aufgeworfene Frage, ob die die Pa- 
rotis deckende Portion desselben zur Entleerung dieser Drüse mitwirke, muss mit 
Beziehung auf die quer über die Parotis verlaufenden Fasern des M. risorius und 
triangularis wiederholt werden. 


d. Kiefermuskeln. 


Es sind vier Paare, zwei an der äusseren und zwei an der inneren Seite 
der Kiefer, die beiden äusseren und der Eine der inneren mit Fasern von 
absteigendem Verlauf, also hauptsächlich zum Heben des Unterkiefers be- 
stimmt, der andere innere Muskel mit wesentlich horizontalem Verlauf der 
Fasern für die Vor- und Seitwärtsbewegung des Unterkiefers angelegt. 

Die Nerven stammen sämmtlich vom dritten Aste des N. trigeminus. 


1. M. masseter Mn». 


Vierseitig, platt, vom Jochbogen zur äusseren Fläche des Unterkiefer- 
Astes; besteht aus zwei Schichten, welche hinten dadurch deutlich geschie- 
den sind, dass die äussere Schichte einen Theil der inneren unbedeckt lässt, 
welche sich aber vorn gewöhnlich zu einem wulstigen abgerundeten Rande 
verbinden, so dass eine Tasche entsteht, deren Eingang rückwärts gerichtet, 
deren äussere Wand im sagittalen Durchmesser kürzer ist als die innere. 
Im verticalen Durchmesser ist die äussere Wand länger. Sie entspringt mit 
einer Sehne, die sich mit einzelnen Spitzen, wie geflammt, auf der Aussen- 


D) M. mandibularis ext. Meck. M. manducatorius Langenb. Kaumuskel, Kiefermuskel. 


d. Kiefer- 
muskeln. 


1. Masseter. 


160 Masseter. 


fläche des Muskels hinab erstreckt, vom unteren Rande des Jochbogens, so 
weit derselbe vom Proc. zygomatico-orbitalis des Oberkieferbeins und vom 
Jochbein gebildet wird. Ihre Fasern gehen nahe zu parallel, jedoch in ein- 
zelne, vom Unterkieferrande aufwärts ragende, dünne«Sehnenstreifen spitz- 
winkelig convergirend, rückwärts geneigt herab und befestigen sich, aussen 
fleischig, innen sehnig, an dem Rande und eine Strecke weit aufwärts an 
der äusseren Fläche des Unterkieferwinkels (Fig.75 M). Die Insertion erhebt 


Fig. 75. 


N) 
I; / 
n 


u, / 


Gesicht, fast Profil, die Augenhöhle entleert, der M. orbieularis oculi (0) nebst dem M. 
frontalis (Ef) zurückgeschlagen (vgl. Fig. 68). ZZ Ursprung und Insertion des M. zy- 
gomat,. R M. risorius, Insertion. ’r Tr Ursprung und Insertion des M. triangularis. @ 1", 
Qls‘, Caput. infraorbit. und zygomaticum desM. quadrat. labii sup. am Ursprunge abge- 
schnitten. Q@m M. quadrat. menti. B M. buceinator. 1 Ausführungsgang der Parotis, 
am Eintritt in den Muskel abgeschnitten. $p% Sphincter ori. N M. nasalis. 
Sce M. subeut. colli. 


sich am hinteren Rande des Astes bis zum Niveau des Alveolarrandes des 
Körpers, am unteren Rande dringt sie bis etwa hinter den dritten Back- 
zahn vor. 

Die innere Schichte des Masseter (Fig. 75 M‘) nimmt mit ihrem Ur- 
sprunge die innere Fläche des vorderen Theiles und den ganzen unteren 
Rand des Jochbogens, bis zum Tubere. articulare ein. Ihre Fasern gehen 
steiler abwärts; sie inseriren sich am Unterkieferaste auf einer Fläche, 


Temporalis. 161 


welche von der Insertion der äusseren Schichte vorwärts bis in die Nähe des 
Randes, aufwärts bis an die Basis der Proc. coronoid. und condyloid, reicht. 
Fio. 76. Die Bündel sind um so 
5 ot kürzer, je näher dem 
hinteren Rande des 
AR Muskels; das hinter- 
& ste ist vom übrigen 
Muskel durch eine 
Spalte abgesondert, 
in welcher der N. 
massetericus aus der 
Unterschläfen grube 
„ hervortritt. 
Zwischen beiden 
Schichten des Muskels 
N, kommt nach Monro 
, (Icon. burs. corp. hum. 
Taf. II, Fig. 1. 2.) ein 
einfacher oder doppel- 
ter Schleimbeutel (Bur- 
sa masseterica Arn.) 
vor. Hyrtl(topograph. 
Anat. Bd. I, S. 299) 
N Me’ bemerkte Einmal einen 
\ Schleimbeutel vonForm 
und Grösse einer quer- 
liegenden Bohne zwi- 
schen dem Masseter und 
der Kapsel des Kiefer- 
gelenkes. 


Gesicht fast Profil. Augenhöhle entleert, M. orbieularis oculi ent- 2 M.temporalis T'!). 
fernt. Die oberflächliche Portion des M. masseter (M) am Ur- 
sprunge und der Insertion abgeschnitten. M’ tiefe Portion des- "EB 
selben Muskels. #f' Ef'' M. frontalis. ZM. zygomaticus Ursprung. Von der halbkreis 
@Qls' Als’! Qls''! am Ursprunge abgeschnittene Köpfe des M. qua- förmigen Begrenzung 
drat. labii sup. CC! M. caninus, Ursprung und Insertion. ‚Qm des Planum tempora- 
M. quadr. menti, Ursprung. B M. buceinator. 1 Durchschnitte- & 
ner Ausführungsgang der Parotis. Sph Spincter oris. Spht le spannt sich zum 
Durchschnittsstelle des Sphineter der Oberlippe, die rechte Hälfte Jochbogen herab eine 
AI TU Tut 4 N . 
nach unten umgeschlagen. N'N N' Mm. nasales. Me M. men- straffe Fascie, Fascia 
talis der linken Seite. J/s, Jli M. incis. lab. sup. u. inf. i 
tempor.alis, welche 


aus der Beinhaut des Schädels sehr zart hervorgeht, abwärts allmälig mäch- 
tiger wird und in der Nähe der Insertion am Jochbogen in zwei, eine Fett- 
schichte einschliessende, derbe Blätter auseinander gewichen ist, deren Ab- 
stand von einander der Dicke des Jochbogens entspricht (Fig. 77 a. f. S.). 

Die Fossa temporalis stellt mit dieser Fascie eine platte, von den Seiten 
comprimirte Tasche dar mit unterem Eingange und mit allmälig gegen 
den geschlossenen, kreisförmigen Rand verjüngtem Lumen. Von der knö- 


) M. crotaphites. Schlaf- oder Schläfenmuskel. 


Heule, Anatomie. Bd. I. Abth. 3. 11 


2. Tempo 
ralis. 


162 Temporalis. 


chernen sowohl, wie von der fibrösen Wand dieser Tasche nehmen die Fa- 
sern des M. temporalis fleischig ihren Ursprung. Die Knochenfläche, die 
den Fasern zum Ursprunge dient, ist nach unten begrenzt durch die Crista 
infratemporalis, durch eine von dieser Crista hinter dem oberen Rande der 
Fissura orbitalis inf. hinziehende 
Kante und eine von da aus gegen 
den Proc. zygomaticus des Stirnbei- 
nes gezogene Linie, so dass der 
grösste Theil der lateralen Wand 
der Augenhöhle und namentlich das 
Jochbein von Muskelansätzen ver- 
schont bleibt und nur von Fett be- 
deckt wird. Alle Fasern convergi- 
ren gegen die untere Oeffnung der 
Grube; es verlaufen also die mitt- 
leren vertical, die vorderen steil 
rückwärts, die hintersten fast horizon- 
tal vorwärts. Zuweilen scheidet ein 
lockeres und fetthaltiges Gewebe die 
oberflächliche, an der Fascie, und 
die tiefe, am Knochen entspringende 
Lage. Die Sehne entsteht in der 
Dicke des Muskels in der halben 
Höhe zwischen dem obern Rande der 
Schläfengrube und dem Jochbogen 
und nähert sich, wie sie abwärts an 
Mächtigkeit zunimmt, der äusseren 
Oberfläche des Muskels; aus der un- 
teren Oeffnung der Tasche hervor- 
tretend, empfängt sie noch eine Lage 
platter Bündel von der inneren 
Oberfläche des mittleren Drittels des 


Fig: 77. 


I 
Q 


DS 


II 


Frontalschnitt des Kopfes hinter den Jochbogens und der Ursprungssehne 
Gaumenflügeln. Hintere Schnittfläche. des Masseter, die nicht immer leicht 
A Arcus zygomat. Et M. epieran. temp. : - 2 

M, M' oberflächliche und tiefe Portion von der tiefen Portion dieses Mus- 
des Masseter. Pe, Pe‘ unterer und kels zu trennen und immer nur durch 
oberer Kopf des M. pteryg. ext. Pi eine sehr feine Bindegewebslage von 


M. pteryg. int. 1 Parotis. . . e" 
RE ER demselben geschieden sind ; gewöhn- 


lich zeichnen sich auch an der hinteren Fläche einige stärkere, eylindrische, 
vom Tuberceulum spinosum oder von anderen Rauhigkeiten der Crista tem- 
poralis stammende Bündel aus. 

Die Insertionssehne umfasst den Proc. coronoideus des Unterkiefers der- 
gestalt, dass die an der Faseie und am Jochbogen entspringenden Fasern an 
die Aussenfläche, die aus der vorderen Rinne der Fossa temporalis entsprin- 
genden Fasern an den vorderen Rand dieses Fortsatzes, alle übrigen aber, 
die am Tubere. spinosum entspringenden Fasern zuweilen als besondere 
Zacke, an die innere Fläche des Proc. coronoideus sich befestigen. 


Pterygoid, ext. und int. 163 


3. MM. pterygoideus ext. Pe N). 


Entspringt am Gaumenflügel und an der Schädelbasis mit zwei Köpfen, 
welche durch eine engere oder weitere, von venenreichem Bindegewebe er- 
füllte Spalte getrennt sind. 

Der Gaumenflügelkopf, der untere und stärkere (Fig. 77 Pe), nimmt mit 
seinem Ursprunge die ganze laterale, oft grubenartig vertiefte Fläche der late- 
ralen Platte des Gaumenflügels und die Grube ein, die sich hinter der Umbie- 
gung des hinteren Randes der Fissura sphenomaxillaris in den oberen Rand 
der Fissura orbital. inf. findet. Der starke Muskel, dessen Durchschnitt der Ur- 
sprungsfläche ähnlich, also elliptisch und mit dem längsten Durchmesser vertical 
gestellt ist, zieht sich gegen die Insertion etwas zusammen und befestigt sich 
mit rück- und etwas seitwärts und vom unteren Rande des Ursprunges zu- 
gleich aufwärts laufenden Fasern an der Vorderfläche des Proc. condyloideus 
des Unterkiefers, in der Grube, welche unterhalb der Gelenkfläche und me- 
dianwärts neben der in den Proc. coronoid. übergehenden Kante liegt. 

Der von der Schädelbasis stammende Kopf, der obere und schwächere 
(Pe), ist platt, deprimirt. Er entspringt an der Crista infratemporalis so, dass 
seine Fasern genau mit den tiefen Ursprüngen des M. temporalis zusammen- 
stossen und oft dasselbe Fascikel sich in abwärts verlaufende Fasern zum 
Proc. coronoideus und in rückwärts verlaufende zum Proc. condyloideus 
spaltet. Die Insertionssehne fliesst theilweise mit der des unteren Kopfes 
zusammen, theilweise webt sie sich der vorderen Wand der Kapsel und dem 
vorderen Rande der Bandscheibe ein (Bdl. Fig. 42.). Die Richtung der Fa- 
sern geht also fast genau rückwärts, bei geschlossenem Kiefer über das Tu- 
berc. articulare; den Zwischenraum zwischen der oberen Fläche des Mus- 
kels und dem Schädel füllen ebenfalls Venenplexus aus. 


Var. Eine gesonderte Portion des unteren Kopfes geht zum Kapselbande des 
Unterkiefergelenkes (Fäsebeck, Müll. Arch. 1842. S. 475). 


4. M. pterygoideus int. Pi. 


Entspringt mit zwei fleischigen Platten an den beiden einander zuge- 
kehrten Wänden der Fossa pterygoidea und mit einer fibrösen Portion, wel- 
che die unteren Ränder der beiden Muskelplatten verbindet, am unteren 
Rande dieser Grube, ferner mittelst einer dünnen Sehne, lateralwärts vom 
M. pteryg. ext., am Oberkieferbeine, längs der Naht, in welcher die Tubero- 
sität desselben mit dem Gaumenflügel zusammengefügt ist. Alle Fasern ge- 
hen parallel, schräg ab-, rück- und seitwärts; sie befestigen sich am Unter- 
kieferwinkel genau in derselben Ausdehnung, wie der Masseter, und an der 
inneren Fläche des Unterkiefers bis zum oberen Rande des Sulcus mylohyoi- 
deus, also auch noch an der fibrösen Haut, die den Suleus mylohyoid. und 
die in demselben gelegenen Gefäss- und Nervenzweige von innen her deckt. 


DM. pteryg. min. Aeusserer oder kleiner Flügelmuskel. Hinterer oberer Kaumuskel- 
2) M. pteryg. maj. Innerer oder grosser Flügelmuskel. Hinterer unterer Kaumuskel. 


al 


3, Pterye. 
ext. 


4. Pteryg. 
int. 


164 Fascia parotidea. 


Oft geht ein dünner, stark mit Sehnenfasern durchzogener Muskelstreifen, den 
man M. pterygoid. proprius nennen könnte, in grösserer oder geringerer Breite 
von der Crista infratemporalis oder einem Theile derselben am lateralen Rande des 
oberen Kopfes des M. pterygoid. ext. schräg herab, um sich an Zacken des hinte- 
ren Randes der lateralen Platte des Proc. pterygoid. zu inseriren. Dieser Muskel, 
der zwischen unbeweglich verbundenen Knochentheilen verläuft, kann keine andere 
Wirkung haben, als den unteren Kopf des M. pterygoid. ext. zusammenzupressen. 
Theile sah das Ligament, welches zwischen dem hinteren Rande der lateralen 
Platte des Gaumenflügels und der Spina angularis verläuft, Lig. pterygopetrosum 
Civin. (Knl. S.112), von Muskelfasern begleitet oder durch Muskelfasern ersetzt. 
In einem von Gruber (Neue Anom.-$. 13) mitgetheilten Falle kommen aus der 
Fossa pterygoidea Muskelfasern, welche sich an ein zwischen der Spina angularis 
und dem Unterkieferwinkel ausgespanntes Band inseriren. 


Faseie. Den grössten Theil der freien Oberfläche des M. masseter bedeckt die 
Parotis. Diese Drüse ist zwischen zwei Blättern einer derben Fascie, Fascia 
parotidea !), eingeschlossen; das untere Blatt ist zugleich Fascie des Masse- 
ter und setzt sich, allerdings bedeutend schwächer, vom vorderen Rande 
der Drüse aus über den vorderen Theil des Muskels und weiter in die Fett- 
lage fort, die sich zwischen der oberen und mittleren Schichte der Gesichts- 
muskeln ausbreitet. 

In dem dünnen Bindegewebe, welches von innen her die Min. pterygoi- 
dei bedeckt, zeichnen sich zwei platte fibröse Stränge aus, das Lig. acces- 
sorium mediale des Kiefergelenkes und das Lig. stylomyloideum, welche be- 
reits in der Bänderlehre (S. 57) beschrieben wurden. 


Physiolo- Unter den Bewegungen, welche die Kiefermuskeln ausführen, ist die wesent- 

gische Be- ]ichste diejenige, durch welche der herabgesenkte Unterkiefer gehoben, die untere 

merkungen. P ° &n . 5 . .,. = 
Zahnreihe gegen die obere angedrückt wird. Hierzu tragen gleichzeitig aufbeiden 
Seiten der M.temporalis, masseter und pterygoideus int. bei; die in entgegengesetz- 
ter Richtung transversal verschiebende Wirkung der Mm. pterygoidei intt. beider 
Seiten hält sich in diesem Falle das Gleichgewicht; ebenso scheint der Zug nach 
vorn, welchen die äussere Portion des M. masseter und der M. pterygoid. int. we- 
gen des rückwärts absteigenden Verlaufes ihrer Fasern dem Unterkiefer nothwen- 
dig ertheilen müssen, durch die innere Portion des M. masseter und die hinteren 
Fasern des M. temporalis wieder aufgehoben zu werden. Ja, insofern beim Oeff- 
nen des Mundes der Unterkiefer vom M. pterygoid. ext. auf das Tuberculum arti- 
culare hervorgezogen wird (Bdl. S. 58), muss bei der Bewegung des Schliessens 
der Einfluss der Fasern überwiegen, welche den Kopf des Unterkiefers in die Fossa 
mandibularis zurückführen; die fast horizontal verlaufenden hinteren Fasern des 
M. temporalis sind dazu sehr günstig angeordnet. 

Den Kiefer seitwärts zu bewegen oder vielmehr ihn um den Einen Gelenkkopf 

zu rotiren, dienen die vereinigten Mm. pterygoidei Einer Seite. 


!) Fascia parotideo-masseterica, Fascia masseterine Cruv. 


Schultermuskeln. 165 


B. Muskeln der Extremitäten. 
Il. Obere Extremität. 
a. Muskeln der Schulter. 


Die Muskulatur der Schulter bildet, vom Schultergürtel entspringend B. Muskeln 
und am oberen Theile des Armbeines sich inserirend, zwei platte Massen, eine u 
mit wesentlich verticalen, abwärts convergirenden Fasern, welche den Kopf olaeı. 
des Armbeines um die sagittale Axe auf- und um die transversale Axe vor- & Schulter 
und rückwärts bewegt; und eine mit wesentlich transversalen, lateralwärts 
convergirenden Fasern, zur Rotation des Armibeines um die verticale Axe. 
Die verticalfaserige Masse besteht aus einem einzigen Muskel, Deltoideus, 


welcher, der Insertion des M. trapezius gegenüber, am vorragenden Theile 


Fig. 78. 


Verticalschnitt des Rumpfes mit dem Schulterblatte durch die höchste Wölbung der zweiten 
Rippe. Tr M, trapezius. ZLd M. latiss. dorsi. Sa, Sa M. serrat. ant. Zs M. levator 
scapulae. Ssp M. supraspinatus. Jsp M. infraspinat. Ss M. subscapularis. 


166 Deltoideus. 


des Schultergürtels entspringt und das Schultergelenk von aussen her kapsel- 
artig bedeckt. Die transversalfaserige Masse nimmt die Aushöhlungen des 
Schulterblattes ein und zerfällt wieder in zwei, in Lage und Wirkung ein- 
ander entgegengesetzte Abtheilungen, eine vordere und hintere. Die vordere, 
welche ein einziger Muskel, Subscapularis, repräsentirt, begiebt sich aus der 
Fossa subscapularis zum Tub. minus des Armbeines; sie rollt den Arm 
vorwärts; die hintere Masse besteht aus drei Muskeln, Supraspinatus, Infra- 
spinat. und Teres minor, welche, der erstere aus der Fossa supraspinata, die 
beiden letzteren aus der F. infraspinata, zum Tub. majus des Armbeines ver- 
laufen; sie rollen den Arm rückwärts. 

Der M. deltoideus liegt unmittelbar unter der Haut und besitzt nur bei be- 
sonders ausgebildeter Muskulatur eine von der Fascia superficialis unterscheid- 
bare, fibröse Fascie. Die Schulterblattmuskeln dagegen sind von deutlichen 
Fascien bedeckt, welche hier vorläufig beschrieben werden müssen, weil sie 
theilweise zum Ursprunge von Muskelfasern benutzt werden. Es sind drei Blät- 
ter, eine Fascia supraspinata, infraspinata!) und subscapularıs, welche, straff 

Fig. 79. über die gleichnamigen 
Gruben und Muskeln (,S8sp, 
Jsp und Ss Fig. 75) des 
Schulterblattes ausge- 
spannt, am oberen, me- 
dialen und in der Nähe 
des lateralen Randes des 
Schulterblattes und an dem 
oberen und unteren Rande 
des Schulterkammes an- 
gewachsen sind und die 
Gruben des Schulterblat- 
tes in flache, medianwärts 
geöffnete Kapseln verwan- 
deln. Medianwärts verlie- 
ren sich sämmtliche Fas- 
cien in das lockere, die 
Kapsel des Schultergelen- 
kes umhüllende Bindege- 
webe. 


a. Verticale Schulter- 
blattmuskeln. 


M. deltoideus D2). 


Seine Fasern entsprin- 
N gen continuirlich vom la- 
« teralen Drittel des Schlüs- 


Muskeln der Brust- und Schultergegend von vorn. Tr selbeines, vom Ei 
M. trapezius. Scm M. sternocleidomastoid. LdM. Bande des Acromion, 
latiss. dorsi. Sa M. serrat.ant. Oae M. obligq.abd,ext. yom unteren Rande des 
!) F. suprascapularis Krause entspricht der F, supra- und infraspinata. 
®) M. attollens humerum. Dreieckiger Armmuskel, Deltamuskel, Armheber. 


&. Verticale- 
Deltoideus. 


Deltoideus. 167 


Schulterkammes und von der Fascia infraspinata in der Nähe des me- 
dialen Randes des Schulterblattes (Fig. 80) und steigen, die vorderen und 
hinteren schräg lateral-abwärts, die mittleren im Bogen über den Arm- 


Schultergegend von hinten, mit ausgelöstem und zurückgelestem Schlüsselbeine bei etwas 
erhobenem Arme. Tr M. trapezius. Jsp M. infraspin. Tmj M. teres major. Al, Ab 
M. ancon, long. und br. Bi M. brach. int. . 
beinkopf erst lateral-, dann abwärts herab zu der Rauhigkeit des Armbeines, 
in welche die Spina tuberceuli majoris endet (Knl. Fig. 204 d). Der 
Ursprung am Schlüsselbeine ist kurzsehnig; von der an das Schlüsselbein 
srenzenden Ecke des Acromion geht ein langer, die Aussenfläche des 
Muskels deckender Sehnenstreifen aus. Mit einer platten, dünnen Sehne 
entspringen gewöhnlich auch die hintersten Bündel vom Schulterkamme und 
der Fascia infraspinata. Uebrigens entspringt die Masse vom Schulterkamme 
theils unmittelbar, theils durch Vermittelung oberflächlicher und tiefer 
sehniger Blätter; von diesen strahlen die Muskelfasern, unter spitzen Winkeln 
divergirend, nach zwei Seiten aus; durch die Lücken, die sie zwischen sich 
lassen, gelangen Bündel tieferer Schichten an die Oberfläche. Ein vorderer, 
grösserer oder kleinerer Theil des Muskels, zuweilen bis einschliesslich zum 
Acromialursprunge, verläuft mehr oder minder selbständig zur Spina tuber- 
euli majoris, an die er sich mit einer besonders an der Aussenfläche weit 
hinaufragenden Sehne neben dem M. pectoralis major und weiter hinab, oft 
bis gegen die Mitte der Höhe des Armbeinkörpers anheftet. In der Nähe der 
Insertion verwachsen beide Sehnen mit einander, und in starken Körpern 
enden einzelne Bündel der vorderen Portion des Deltoideus auf der Sehne 
des M. pectoralis major. Auch vom hinteren Rande des Muskels löst sich 
zuweilen eine platte, auf der Fascia infraspinata entspringende Portion ab. 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


168 Deltoideus. 


Die dreiseitige, abwärts zugespitzte Form erhält der Deltoideus dadurch, 
dass Reihen von Fasern, welche am Schultergürtel neben einander geordnet 
sind, sich am Arme in verticaler Richtung über einander befestigen, eben- 
falls durch Vermittelung einer Sehne, welche die dem Knochen zugewandte 
Fläche des Muskels bekleidet und parallele Scheidewände zwischen seine 
Bündel serdet. Die massive Spitze der Sehne haftet an der erwähnten 
Rauhigkeit des Armbeines; einzelne oberflächliche Stränge setzen sich in das 
Lig. intermusculare laterale des Oberarmes und in den M. brachialis int. fort. 

Der M. deltoideus grenzt mit dem vorderen Rande an den oberen Rand 
des Pectoralis maj., von welchem er gewöhnlich erst in der Nähe des Schlüs- 
selbeines durch eine schmale, aufwärts sich erweiternde Spalte geschieden ist, 
auf die ich bei Beschreibung der Fascie zurückkomme (Fig.79). Der hintere 
Rand des Deltoideus ist frei und verbirgt sich nur am oberen Ende unter 
der Insertionssehne des unteren Theiles des M. cucullaris (Fig.80). Die innere 
Fläche ist mit dem Lig. acromio - coracoid. straff verbunden, von dem Tub. 
majus des Armbeines aber durch einen grossen Schleimbeutel !) geschieden. 

Der Nerv, N. axillaris, verläuft im horizontalen Bogen um die hintere 
Fläche des Armbeines herum nach vorn, zwischen dem Knochen und dem 
Muskel, am unteren Ende des oberen Drittels der Höhe des letzteren. 


Var. OÖefters entspringt von der Fascia infraspinata, mehr oder minder nahe 
der unteren Spitze des Schulterblattes, ein besonderer schmaler Kopf, der sich an 
den hinteren Rand der übrigen Muskelmasse anlegt. Ein ähnlicher Kopf kann 
auch vom lateralen Rande des Schulterblattes, zwischen M. infraspinatus und teres 
minor, seinen Ursprung nehmen (Albin). Mangel des Clavieulartheiles des Deltoi- 
deus erwähnt Otto (path. Anat. 1830. S. 249), eine Ausdehnung desselben bis zuın 
Sternalende des Schlüsselbeines Seiler (Theile S. 230). 

Duchenne’s Versuche ($. 313) bestätigen die Ansicht, die man sich allgemein 
nach dem Verlaufe der Fasern des M. deltoideus von ihrer Wirkung gebildet hat, 
dass sie nämlich dazu dienen, den Arm seitwärts auszustrecken; die mittleren ge- 
rade seitwärts, die vorderen und hinteren zugleich je vor- und rückwärts. Jene 
Versuche widerlegen die Meinung Bichat’s, dass die vorderen und hinteren Bün- 
del des Deltoideus in Gemeinschaft miteinander den erhobenen Arm herabziehen, eine 
Ansicht, die übrigens schon durch die Erschlaffung dieser Bündel, die man an der 
Leiche beim Erheben des Armes beobachtet, widerlegt wird. Indess bemerkt Du- 
chenne, dass die hintere Portion den Arm nicht über einen Winkel von 45° ge- 
gen den Horizont erhebt, und somit kann ihre Contraction allerdings, wenn der 
Arm gerade und im rechten Winkel zum Stamme ausgestreckt ist, eine ruckgängige 
Bewegung desselben veranlassen. Höher als bis zu einem Winkel von 90° ver- 
mag auch der mittlere und vordere Theil des Deltoideus den Arm nicht zu för- 
dern; die weitere Erhebung findet, wie bereits früher erwähnt, durch eine Bewe- 
gung des Schulterblattes um die sagittale Axe mit dem lateralen Winkel aufwärts 
statt. Der Grund der Hemmung liegt, wie man aus Fig. 56 der Bänderlehre er- 
sieht, in der Spannung der unteren Kapselwand. Wenn die Contraction des Del- 
toideus noch weiter ginge, müsste sie das Armbein luxiren. 

Könnte der M. deltoideus für sich allein in Thätigkeit versetzt werden, so 
müsste er, bei der lockeren Befestigung des Schulterblattes am Rumpfe, dasselbe 
wenigstens eine Strecke weit seiner Armbeininsertion entgegen und herabziehen. 
Dies wird dadurch verhütet, dass beim Lebenden immer zugleich mit dem M. del- 
toideus der Serrat. ant. sich zusammenzieht. 


\) Bursa muc, acromialis s. humeralis s. musculi deltoidei. 


Supraspinatus. 169 


ß- Hintere Schulterblattmuskeln. 


Die drei Muskeln, welche ich unter diesem Namen zusammenfasse (der 
M. teres maj., welcher ebenfalls von der hinteren Fläche des Schulterblat- 
tes seinen Ursprung nimmt, wurde bei den Rückenmuskeln aufgeführt), ge- 
hen hinter dem Schultergelenke vorüber zum Tuberc. majus des Armbeines. 


Fig. 81. 


Sa 


I 
SS 


Q 


Schulterblatt und Armbein von hinten, nach 

Entfernung des M. Trapezius und Deltoideus. D. 

seitwärts abgebogene Insertion des letzteren, T 

Schulterkamm, das Acromion abgesägt. Tmj 

M. teres maj. Al, Ab, Ai, M. Anconeus longus, 
- brevis und int. 


Der Bauch des M. supraspinatus liegt 


) Obergrätenmuskel. Sus-epineux. 


Ihre starken Sehnen sind mit der 
Gelenkkapsel, auf welcher sie 
liegen, fest verbunden und in 
der Nähe derInsertion untrenn- 
bar verwachsen; sie inseriren 
sich an den drei Facetten der 
oberen glatten Fläche des ge- 
nannten Armbeinhöckers um so 
weiter seitwärts, je höheren Mus- 
keln sie angehören. 


1. M supraspinatus Ssp)). 


Entspringt mit tiefen, trans- 
versalen Fasern aus dem media- 
len Theile der Fossa supraspi- 
nata bis zur Gegend der Inci- 


sura scapulae und mit oberfläch-. 


licheren, spitzwinkelig convergi- 
renden Fasern einerseits vom 
oberen Rande des Schulterblat- 
tes und dem Lig. transversum 
sup., andererseits vom Schulter- 
kamme theils unmittelbar, theils 
durch Vermittelung der Fascia 
supraspinata. Die Sehne ent- 
steht auf dem Schulterblatte im 
Inneren der tiefen Portion, wird 
aber fast bis zur Insertion von 
den oberflächlichen Portionen 
verdeckt. 

Die Sehne geht zwischen dem 
Acromioclavieulargelenke und 
dem Lig. coraco-elaviculare post., 
dann unter dem Lig. acromio- 
coracoideum zur vordersten Fa- 
cette des Tub. maj. des Arm- 
beines. 

vollkommen verborgen unter dem 


ß- Hintere. 


1. Supra- 
spinatus, 


0) 


2. Tnfra- 


spinatus, 


Q 
I. 


Teres 
min. 


170 Infraspinatus. Teres minor. 


M. trapezius; den Raum zwischen dem letzteren und der Fascia supraspinata 
erfüllt Fett. 

Der N. suprascapularis, welcher mit den Gefässen über der Ineisura 
scapulae in die Fossa supraspinata und weiter an der Basis des Schulter- 
blattes vorüber gerade abwärts in die Fossa infraspinata tritt, giebt einen 
medianwärts verlaufenden, die Fascia supraspinata durchbohrenden Ast zum 
M. supraspinatus. 


2. M. infraspinatus Jsp)). 


Entspringt wie der M. supraspinatus mit tiefen, lateralwärts conver- 
girenden Fasern aus dem medialen Theile der Fossa infraspinata und mit 
oberflächlicher gelegenen Portionen, einer oberen vom Rande des Schulter- 
kammes (Fig. 81 Jsp‘), einer unteren vom lateralen Rande des Schulter- 
blattes und den angrenzenden Theilen der Fascia infraspinata (Fig. 81 Jsp”). 
Die Sehne, die auf der hinteren Fläche der tiefen Portion entsteht, versteckt 
sich bis in die Nähe der Insertion unter den spitzwinklig convergirenden 
oberflächlichen Portionen und befestigt sich an der mittleren Facette des 
Tub. maj. des Armbeines. 

Der Nerv kommt aus dem R. suprascapularis um die Basis des hai: 
terkammes herum, der Insertionssehne gleichsam entgegen. 


Arnold findet einen Schleimbeutel, Bursa mucosa infraspinata, der keinen- 
falls constant ist, zwischen der Sehne und der Gelenkkapsel. 


Var. Von der äusseren (?) Fläche des Deltoideus, entsprechend der Mitte des 
Schulterkammes, entsprang ein Muskelstreifen, der sich mit der Sehne des M. in- 
fraspinatus vereinigte (Theile). 


3. M. teres minor Tm>2). 


Entspringt mit parallelen, lateral-aufwärts ziehenden Fasern von der 
äusseren Fläche des unteren Theiles der Fascia infraspinata und vom latera- 
len Rande des Schulterblattes zwischen dem M. teres major, von welchem 
er eine Strecke weit bedeckt wird, und dem Tuberc. infraglenoidale und 
inserirt sich an die hinterste Facette und den hinteren Rand des Tuberc. maj. 
(Fig.81). Am Ursprunge trägt der Muskel ein Sehnenblatt auf der vorderen 
Fläche, mit welchem auch der Ursprung des M. subscapularis und weiter 
lateralwärts des M. ancon. long. zusammenhängt; von der Insertion aus 
erstreckt sich die Sehne auf der hinteren Fläche weiter in den Muskel hin- 
ein, als auf der vorderen. 

Der Uebergang der Muskel- in die Sehnenfasern bildet gegen die In- 
sertion eine schräg lateralwärts absteigende Linie. Die untersten Muskel- 
fasern reichen fast bis an das Armbein; die Fasern des Teres minor sind 
daher aus doppeltem Grunde um so kürzer, je näher dem Schulterblatthalse 
sie entspringen. 


!) Untergrätenmuskel. Sous-epineuz. 
2) Kleiner runder Armmuskel. Petit rond, Von H. Meyer zum M. infraspinatus 
gezogen. 


Subscapularis. ya 


Der Nerv des M. teres minor ist ein Zweig des N. axillaris und tritt 
an der vorderen Fläche des Muskels in der Nähe der Insertion ein. 


Var. Ist besonders am Ursprunge nicht deutlich vom M. infraspinatus ge- 


sondert. 


y. Vordere Schulterblattmuskeln. 
M. subscapularis Ss D. 


Der M. subscapularis füllt die gleichnamige Grube des Schulterblattes Y- Vordere. 
vollkommen aus, und ruht, so weit das Schulterblatt an dem Rumpfe an- en 
liegt, mit der freien, planen (vorderen), von der Fascia subscapularis be- 
deekten Fläche auf der freien Fläche des M. serratus ant. (Fig. 40). Er 
ist dreiseitig, mit Rändern, 
welche den Rändern des 
Schulterblattes entsprechen, 
und mit einer vertical ab- 
gestutzten lateralen Spitze, 
welche über das Schulter- 
gelenk hinaus an das Tu- 
berculum minus und den 
obersten Theil der Spina 
tuberculi minoris hinter 
der Sehne des M. latissimus 
sich inserirt. Von den drei 
Rändern fällt der mediale 
mit dem medialen Rande 
der Fossa subscapularis zu- 
sammen, der obere zieht 
sich leicht concav unter 
dem Schulterblattrande hin, 
Schulterblatt, vom Rumpfe gelöst, von vorn, nach Ent- der laterale überragt den 


fernung der Fascia subscapularis. is Lig. transv. scap. entsprechenden Rand des 


sup. Ld Insertionssehne des M. latiss. dorsi. Tm,j Schulterblattes, indem er 
M. teres maj. Pmj An der Insertion abgeschnittene , a 
Sehne des M. pect. mal. Ssp M. supraspinatus, BI 1N gerader Linie vom un- 
Sehne des langen Kopfes des M. biceps. Al, Ab, Ai teren Winkel des letzteren 
Köpfe des M. anconeus. Bss Bursa synovialis sub- . . 

; zum Armbeine sich aus- 


scapularis. 0 
spannt (Fig. 82). 


Der grösste Theil der Muskelfasern entspringt am medialen Rande der 
Fossa subscapularis vom Knochen und der Fascie und von einer Anzahl 
vertical auf die leistenartigen Vorsprünge (Knl. S. 211) der Fossa sub- 
scapularis gestellter sehniger Blätter. Von diesen Blättern gehen die 
Muskelfasern unter spitzen Winkeln auf- und abwärts ab, um sich, von je 


2) M. infrascapularis. M. immersus. Unterschulterblattmuskel, Vorderschulterblatt- 
muskel Arn, Sous-scapulaire. 


172 Oberarmmuskeln. 


zwei benachbarten Blättern her convergirend, wieder unter spitzen Winkeln 
an die Anfänge der Insertionssehne zu begeben. In die Lücken zwischen 
die lateralwärts divergirenden Faserbündel fügen sich dreiseitige, median- 
wärts zugespitzte Portionen, die aus der Fläche der Fossa subscapularis 
entspringen. Hierzu kommen einzelne, tiefe, platte Bündel aus der Fossa 
subscapularis und Fasern, welche vom oberen Rande der Fossa subscap. 
schräg abwärts, von ihrem unteren Rande schräg aufwärts gehen, die letz- 
teren nur an der Rückseite des Muskels sichtbar, vom unteren Winkel des 
Schulterblattes bis zu dessen Halse, theilweise auch von der Vorderfläche der 
Sehne des M. anconeus long. ihren Ursprung nehmend und medianwärts 
von dieser Sehne mit den Ursprüngen des M. teres minor zusammenfliessend. 

Unter dem Schulterhaken deckt der M.subscapularis von vornher einen 
Theil der Bursa synov. subscapularis (Bdl. S. 71), von welcher er durch 
einen besonderen, geschlossenen Schleimbeutel !) geschieden zu sein pflegt. 
An die vordere Wand der Kapsel des Schultergelenkes ist die Insertions- 
sehne des M. subscapularis straff angeheftet und in der Nähe des Armbeines 
angewachsen (vergl. Bal. Fig. 53. 54. 59). 

Auch auf der Vorderfläche des M. subscapularis liegt vor dem Schulter- 
gelenke ein Schleimbeutel, über welchen die am Schulterhaken entspringen- 
den Armmuskeln gleiten ?). 

Die Nn. subscapulares stammen direct aus dem Plexus brachialis. 

Var. Gruber (Abh. aus d. menschl. u. vgld. Anat. Petersb. 1854. S. 109) 
sah vom unteren Theile des lateralen Schulterblattrandes ein anfangs getrenntes 
Fascikel des M. subscapularis entstehen. Als einen accessorischen Subscapularis 
kann man einen 2‘ dicken, cylindrischen Muskel betrachten, welchen Theile an 
beiden oberen Extremitäten einer Leiche vom lateralen Rande des Schulterblattes 
vor dem M. anconeus longus entspringen und über die Gelenkkapsel, mit der er 
genau zusammenhing, zum Armbein gehen sah, wo er sich zwischen dem M. sub- 
scapularis und teres maj. befestigte. 

Insofern der M. subscapularis sich mit einem grossen Theile seiner Fasern in 
die Kapsel des Schultergelenkes verliert und zur Spannung derselben bei der Ro- 
tation des Armes nach innen bestimmt ist, glaube ich als Varietät des M. sub- 
scapularis hier einen Muskel anreihen zu dürfen, welchen Theile (8. 230), Otto 
(seltene Beobachtungen Bd. II. S. 40) und Gruber (Müller ’s Archiv. 1848. S. 425) 
als tiefen Deltoideus beschreiben, und den ich in zwei Leichen, jedesmal symme- 
trisch, auf beiden Seiten angetroffen habe. Er entsprang in den von mir beobach- 
teten Fällen, platt und fingerbreit, von einem abnormen Höcker des Armbeimes, 
unterhalb des Tub. minus und von einem Sehnenstreifen, der die Insertion des M. 
latissimus dorsi überbrückte, ging aufwärts und endete sehnig in der Kapsel, mit 
der sehnigen Ausbreitung des M. subscapularis theils gekreuzt, theils zusammen- 
fliessend, so dass er wie ein zweiter Kopf desselben erschien. Mit einem ähnlichen 
Muskel war in Otto’s und Gruber’sFalle ein Bündel verschmolzen, welches am 
Proc. coracoideus haftete und also eher einem Coracobrachialis glich. 


b. Muskeln des Oberarmes. 


Der wesentliche Theil der Muskulatur des Oberarmes besteht aus zwei, 
für die Beugung und Streckung des Unterarmes bestimmten Massen, welche, 


') Bursa mucosa subscapularis s. coracoidea. 
) Bursa mucosa coraco-brachialis Monro. 


Oberarmmuskeln. 173 


mit hauptsächlich verticalem Faserverlaufe, jene an der vorderen, diese an 
der hinteren Fläche des Armbeines liegen. Auf beiden Flächen findet sich 
in oberflächlicher Lage je ein platt eylindrischer Muskel, welcher, über zwei 
Gelenke hinweg, vom Schulterblatte zum oberen Ende des Unterarmes ver- 
läuft (M. biceps an der Beugeseite, M. ancon. long. an der Streckseite). 
Die tiefe Lage besteht an der Streckseite aus zwei, vom Oberarme zum 
Unterarme verlaufenden Köpfen, welche, da sie sich mit dem Ancon. long. 
an eine gemeinsame Sehne anheften, mit dem letzteren zusammen unter 
dem Namen des M. extensor triceps beschrieben werden. An der Beugeseite 
nimmt die tiefe Lage die ganze Länge der oberflächlichen ein, aber mit 
einer Unterbrechung am Armbeine, so dass sie in zwei Muskeln zerfällt, 
einen oberen, vom Schulterblatte zum Oberarme, M. coraco-brachialis und 
einen unteren, vom Oberarme zum Unterarme, M. brachialis int. 


Die Gruppen der Beuge- und Streckmuskeln werden am oberen Theile 
des Oberarmes gegeneinander abgegrenzt durch die Insertionssehnen der- 
selben Muskeln, welehe die vordere und hintere Wand der Achselgrube 
bilden. In der Achselgrube ziehen die Beugemuskeln abwärts, den M. sub- 
scapularis, dann die Sehne des Latissimus und noch weiter unten den Teres 
major hinter sich, vor sich den M. pectoralis maj. Der hinteren Fläche des 
M. teres maj. genau anliegend, läuft der M. anconeus longus herab und 
füllt die schräg lateralwärts aufsteigende und in derselben Richtung sich 
verbreiternde Spalte zwischen M. teres maj. und minor dergestalt aus, dass 
sowohl an seinem medialen, als an seinem lateralen Rande je eine enge 
Lücke bleibt, jene für die Vasa circumfl. humeri postt. und den N. axillaris, 
diese für die Vasa eircumfl. scapulae. Zwischen die Insertion des M. pec- 
toralis major und den Anfang des M. anconeus brevis schiebt sich die 
Insertion des Deltoideus ein. So ist also der obere Theil der Muskulatur 
des Oberarmes von vorn her durch den M. pector. maj., von hinten her 
durch den M: deltoideus bedeckt, und erst vom unteren Rande dieser Mus- 
keln an löst sich das Glied völlig vom Rumpfe. 


Unterhalb der Insertion der Mm. deltoideus und coraco-brachialis bilden Liege. inter- 
fibröse Blätter, welche mit frontal gestellten Flächen von dem medialen und ""scularia. 
lateralen Winkel des Armbeines zur gemeinsamen Oberarmfascie treten, die 
Scheidewand zwischen Beuge- und Streckmuskeln und vergrössern zugleich 
die Fläche, aus welcher die Fasern der tieferen Muskeln ihren Ursprung 
nehmen. Dies sind die Ligg. intermuscularia. Das Lig. intfermusculare 
mediale (Fig.83) entsteht zugleich mit dem M. ancon. int. vom oberen Ende 
des Armbeinkörpers und nimmt von oben nach unten an Breite zu, indem es 
mit dem medialen, an die Fascie anstossenden Rande straff zur Spitze des 
Epicondylus medialis gespannt ist. Es besteht aus Fasern, welche zum 
Theil vom Knochen, zum Theil von der Sehne des M. coraco-brachialis 
stammen und meistens dem Rande parallel, nur gegen das untere Ende 
etwas mehr geneigt absteigen. Seine Vorderfläche ist frei und trägt den 
Rand des M. brachialis int., von seiner hinteren Fläche bis in die Gegend 
des oberen Randes der Fossa oleerani entspringen Bündel des M. anco- 
neus int. 


174 Oberarmmuskeln. 


Das Lig. intermusculare laterale beginnt unter der Insertion des Del- 


Fig. 83. 


BON 


) 


} 1) 


Schulterblatt und Oberarm von vorn mit exarticulirtem Scehlüsselbein. D Acromial- 
ursprung des M. deltoideus, kurz abgeschnitten. ZL.d Insertionssehne des M. latiss. dorsi. 
Pm,j, Pmj Schlüsselbeinkopf und Insertionssehne des M. pectoralis major., die letztere 
seitwärts umgelegt. Pm Insertionssehne des M. pectoralis minor. 7Tmj M. teres maj. 
Ss M. subscapularis. BZ, Bb Langer und kurzer Kopf des M. biceps. Cb M. coraco- 
brachialis. * N. eutaneus lat., an der Austrittsstelle abgeschnitten. Bi M. brachial. int. 
Al M.:-anconeus long. Br M. brachio-radialis. Su M. supinator. 7 Oberflächliche 
Muskelmasse der Beugeseite des Vorderarmes, abgeschnitten. 


toideus, durch Sehnenfasern dieses Muskels verstärkt, zugleich mit dem M. 
brachialis int. und reicht am lateralen Winkel des Oberarmes so weit hinab, 


Oberarmmuskeln. 


175 


als der Ancon. br., dessen Ursprünge die hintere Fläche des Ligamentes 


Oberarm, exarticulirt, laterale Fläche. D. M. 
deltoideus.. Tmj M. teres maj, AZ! M, ancon. 
longus, sämmtlich vom Ursprunge abgeschnitten. 
Ab, Ab M. anconeus br, vertical durchschnit- 
ten und nach beiden Seiten zurückgeschlagen. 
Ai M. ancon. int. Ag M. ancon. quart. Nr 
N. radialis. Nr‘ Hautast desselben. Bi M. 
brachialis int. Br M. brachio-rad. Re! M. ra. 
dialis ext. long. 


bedecken, während gegenüber 
auf der vorderen Fläche der 
M. brachialis int. und weiter ab- 
wärts die obersten Bündel des 
M. brachioradialis wurzeln.- 
Am unteren Drittel des Ober- 
armes vertritt dieser Muskel 
selbst nebst den sich an ihn an- 
schliessenden Mm.radiales ext. die 
Stelle eines Lig. intermusculare 
laterale; von der lateralen Kante 
des Armbeines unmittelbar ent- 
springend, drängt er sich zwi- 
schen die Muskeln der vorderen 
und hinteren Fläche ein. 


Die Anheftung des Lig. inter- 
museulare laterale an den Kno- 
chen ist in der Gegend, wo an 
der vorderen Fläche der Ur- 
sprung des M. brachialis int. und 
des brachioradialis an einander- 
grenzen, eine kurze Strecke unter- 
brochen; es entsteht dadurch eine 
Lücke, durch die der N. radialis 
von der Rückseite des Armes 
auf die Vorderseite und zwar 
sogleich zwischen M. brachialis 
int. und brachioradialis gelangt 
(Fig. 84). 


Die Muskeln der Streckseite 
liegen bis zur Insertion am OÖle- 
eranon oberflächlich unter der 
Haut; die Insertionssehnen der 
Muskeln der Beugeseite dagegen 
begeben sich jenseits des Ellen- 
bogengelenkes in die Tiefe und 
verstecken sich unter Muskeln, 
welche zwar dem Unterarme an- 
gehören, aber doch schon zum 
Theil ziemlich hoch am Ober- 
arme entspringen. Ich verweise 
wegen derselben, sowie wegen 
der durch sie mit bedingten Form 
der Ellenbogenbeuge, auf die Be- 
schreibung der Muskulatur des 
Unterarmes. 


176 Biceps. 


e Muskeln der Vorderseite, 


I. Erste Schichte. 


M. biceps brachii!). 


erde Von den beiden Köpfen dieses Muskels entspringt der kürzere, me- 


Ente diale 2), Becipitis caput breve, gemeinschaftlich mit dem M. coracobra- 


Schichte. 5 
Fig. 85. 


Biceps br. 


a 


NIS 


Schulterblatt und Oberarm von vorn. Vergl. 8. 174. 


1) M. flexor rad. M. Rexor antibrachü radialis. Zweiköpfiger Armmuskel. Speichen 
beuger. Biceps humeral Cruv. ?) M. coracoradialis, 


Biceps. 177 


chialis mittelst einer starken, platten Sehne an der Spitze des Schulter- 
hakens, zur Seite der Insertion des M. pectoralis minor; der längere, late- 
rale Kopf !), Bicipitis caput longum, geht mit zwei convergirenden Schen- 
keln, die sich sogleich zu einer plattrundlichen Sehne vereinigen, an der oberen 
Spitze der Schultergelenkpfanne aus deren Labrum glenoideum hervor 
(Bdl. Fig. 57.58 5). Die Sehne des kurzen Kopfes verläuft ab- und 
etwas lateralwärts; die Sehne des langen Kopfes geht zuerst durch das 
Schultergelenk frei über die Wölbung des Armbeinkopfes, dann im Suleus 
intertubercularis gerade abwärts, zwischen dem Tub.maj. und min. von der 
Bursa intertubereularis umhüllt und mittelst einer Art Mesenterium ange- 
heftet (Bdl. S. 71), weiter unten etwas beweglicher zwischen zwei Blättern 
der Sehne des M. pectoralis maj. eingeschlossen. Die Sehne des langen 
Kopfes des M. biceps geht erst in der Gegend des unteren Randes der 
Sehne des M. pector. maj. in den Muskelbauch über; die Sehne des kurzen 
Kopfes wird schon höher oben, um so höher, je stärker überhaupt die Mus- 
kulatur, und zwar zuerst an ihrer hinteren Fläche muskulös.. Von der 
Mitte des Oberarmes an legen sich beide Köpfe oder vielmehr Bäuche des 
Muskels aneinander; ihre Verschmelzung erfolgt aber erst weiter unten 
durch Vermittelung der Endsehne, welche zuerst in Gestalt eines schmalen, 
linearen Streifens zwischen den spitzwinklig convergirenden Bündeln beider 
Bäuche sichtbar wird und aus dem unteren Ende des Muskels platt und 
breit hervorgeht, um sich sogleich wieder zu spalten. Der grössere Theil 
der Sehnenfasern setzt sich in einen starken, platt ceylindrischen Strang, 
die eigentliche oder tiefe Sehre des Biceps (Fig. 85 D*), fort, der auf dem 
M. brachialis int. in die Tiefe geht und über einem Schleimbeutel ?2) an der 
Tuberositas radii sich anheftet. Ein kleinerer Theil zweigt sich, als ober- 
flächliche Sehne (Fig. 85 2“) 2), unter spitzem Winkel medianwärts ab 
und verschmilzt mit der Fascie des Vorderarmes am Ulnarrande desselben 
unterhalb des medialen Epicondylus; vom medialen Rande des kurzen 
Kopfes biegt eine Anzahl Bündel geradezu in diese Sehne um. 

Ihre Nerven erhalten beide Bäuche etwa in der Mitte ihrer Höhe vom 
N. cutaneus lateralis, welcher zwischen dem M. biceps und brachialis int. 
hindurchgeht, um vom medialen zum lateralen Rande des Armes zu ge- 
langen. 


Der M. biceps ist reich an Varietäten. Verhältnissmässig selten ist Defect 
eines Kopfes, des kurzen (Meckel, dessen Archiv. Bd. VIII. S. 587), oder des 
langen (Otto, N. seltene Beobacht. S. 40. Lauth, nouveau manuel de l’anato- 
miste p. 144. Hyrtl, Anat. S. 362); in einem der von Lauth beobachteten 
Fälle war der lange Kopf durch vermehrte Stärke des kurzen, in einem anderen 
Falle durch einen vom unteren Theile des Armbeines entspringenden dritten Kopf 
ersetzt. Viel öfter begegnet man einer Vervielfältigung der Ursprünge oder In- 
sertionen oder beider. Einen doppelten Ursprung des kurzen Kopfes, vom Schul- 
terhaken und mit einem breiten Fascikel aus der Schultergelenkkapsel sah Theile. 
Ebenso verdoppelt sich der lange Kopf, indem von der Schultergelenkkapsel, oder 
vom Tub. minus oder majus, oder vom lateralen oder medialen Rande des Sulcus 
intertubereularis ein schlanker Muskel entsteht, der sich höher oder tiefer aın 


D) M. glenoradialis. 

2) Bursa mucosa radialis. Bursa radio-bieipitalis Monro. 

3) Aponeurosis bicipitis. 
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 12 


Physiolo- 


gische Be 
merkunen, 


178 Biceps. 


Arme mit der Masse des Biceps verbindet (Moser, Meck. Arch. Bd. VII: S. 227. 
Gruber, Müller’s Archiv. 1848. S. 426. Neue Anomal. $. 20). Die gewöhn- 
lichste Art der Vervielfältigung ıst die, dass ein dritter platter Kopf hinzutritt, 
der, wie ein oberflächlicher Theil des M. brachialis int, an der Insertion bald des 
M. deltoideus, bald des Coracobrachialis entspringt, auch wohl von dem einen oder 
anderen dieser Muskeln Fasern aufnimmt und sich dann früher oder später vom 
M. brachialis int. ablöst, um mit einem der Köpfe des Biceps oder mit dessen 
gemeinsamer Insertionssehne sich zu verbinden (Abgebild. bei Gruber, Neue Anom. 

Taf. IV. Fig. 2). An einem auf hiesiger Anatomie secirten Arme ging dieser 
Kopf ganz und allein in die oDerAachlieke Sehne über. Gewöhnlich liest er late- 
an neben der Art. brach. und den sie begleitenden Venen und Nerven; er 
kann aber auch an der medialen Seite derselben entspringen und schräg über sie 
hinweglaufen (Sharpey) oder an einem dies- und jenseits des Gefäss- und Ner- 
venbündels am Armbeine und dem Lig. intermuseulare mediale befestigten Sehnen- 
bogen seinen Ursprung nehmen und parallel der Arterie auf ihr herabgehen 
(Gruber, vier Abhandlungen. S. 93. Neue Anomal. Taf. I. Fig. 2). 

Meckel (Archiv. Bd. V. S. 115) erwähnt einen vierköpfigen Bieeps; zu dem 
eben beschriebenen gewöhnlichen accessorischen Kopfe kam noch ein accessorischer 
Ursprung des normalen kurzen Kopfes vom Armbeine. Einen vierköpfigen Biceps 
anderer Art fand Moser (ebendas. Bd. VII. S. 227): der gewöhnliche lange Kopf 
fehlte, der kurze Kopf war verdoppelt, ein dritter Kopf glich dem gewöhnlichen 
dritten und ein vierter, sehr starker Kopf, der die Stelle des langen vertrat, ent- 
sprang vom Tuberc. maj. und der äusseren Fläche der Kapsel des Schulter- 
gelenkes. Ich sah den Biceps fünfköpfig; er erhielt ausser den normalen Köpfen 
einen dritten, 3‘ breit, in der Höhe des unteren Randes der Insertionssehne des 
M. pect. maj. vom medialen Rande des Sulcus intertubereularis; ‘einen vierten, 
1‘ breit, welcher unter jenem bis zum Ursprunge des M. brachial. int. neben der 
Insertionssehne des M. coracobrachialis entstand und an den medialen Rand des 
normalen kurzen Kopfes sich anlegte; einen fünften endlich, der von der Insertion 
des Deltoideus ausgehend, mit dem lateralen Rande des langen Kopfes verschmolz. 

Vervielfältigung der Insertionen beobachteten Theile und ich in der Weise, 
dass vom langen Kopfe des M. biceps ein dünnes Bündel sich trennte, das am 
Ellenbogen zwei Sehnen abgab, welche die beiden Hauptsehnen des Muskels zu 
ihren Insertionspunkten begleiteten. Vom medialen Rande des kurzen Kopfes 
gehen Bündel ab und über die Art. brachialis und die sie begleitenden Venen und 
Neu hinweg, um in die Fascie des Armes und das Lig. intermuse. med. sich zu 
verlieren (Quain, on arteries p. 57. Gruber, Neue Anomal. S. 30. Taf. VI. 
Fig. 1). Vom unteren Ende des kurzen Kopfes sah Gruber (ebendaselbst) ein 
Muskelbündel sich trennen, dessen Sehne, den M. brachialis int. umgreifend, auf 
der vorderen Wand der Kapsel des Ellenbogengelenkes und auf dem Proc. coro- 
noid. der Ulna sich ausbreitet, zuweilen auch mit einem zweiten Fascikel am Pro- 
nator teres in der Tiefe oder oberflächlich endet. Ein ähnliches, in die Kapsel 
ausstrahlendes Fascikel sah Theile vom langen Kopfe sich ablösen. Einigemal 
beobachtete ich ein aponeurotisches Fascikel, welches, von der tiefen Sehne des 
Biceps zum Flex. dig. sublimis verlaufend, den Schlitz für den N. medianus bil- 
den half. 

In dem von Pietsch beschriebenen Falle (Meckel Anat. $S. 504) bestanden 
neben einem dreiköpfigen Biceps noch zwei Köpfe, welche der Eine neben dem 
gewöhnlichen dritten Kopfe, der andere von der Sehne des kurzen Kopfes ent- 
sprangen und sich in einen besonderen Bauch verbanden, dessen Insertionssehne 
unter der regelmässigen Sehne sich am Radius inserirte. 

Der M. biceps ist nicht bloss Beuger des Vorderarmes; mittelst seiner ober- 
flächlichen Sehne spannt er die Fascie desselben an der Stelle, wo sie den Muskeln 
des Vorderarmes zum Ursprunge dient. Durch die Art, wie sich die tiefe Sehne 
des Biceps bei pronirtem Vorderarme um die Tuberosität des Radius wickelt, wird 
der Muskel zum Supinator., 


Coracobrachialıs. r 179 


Zweite Schichte. 
1. M. coracobrachialis CbN. 


Die Fasern des M.coracobrachialis entspringen sehnig vom Schulterhaken Zweite 


32 : x - : Schichte. 
und fleischig von der hinteren Fläche der Sehne des kurzen Kopfes des Bieeps 1, Goraco- 


und gehen lateral-rückwärts um so steiler am Armbeine herab, je weiter "hialis. 


Fig. 86. 


Oberextremität wie in Fig. 85. Die Sehne des langen Kopfes des M.biceps brachii (BU) 
aus dem Sule. intertubere. hervorgezogen und abgeschnitten. Der kurze Kopf des M. 
biceps (Bb) abgeschnitten und medianwärts umgelegt. 


unten sie entspringen. Die Hauptmasse befestigt sich kurzsehnig an eine 
Rauhigkeit (Knl. Fig. 204 ec), aus der die mediale Kante des Armbeines 
hervorgeht, gegenüber der unteren Spitze der Deltoideus-Rauhigkeit. Die 
oberen Fasern breiten sich successiv längs einem schmalen und platten, vom 
Tub. minus oder von der den Suleus intertub. deckenden Brücke zu der 
genannten Rauhigkeit frei gespannten Bandstreifen aus (Fig. 86 *), der die 
Vasa circumfl. humeri anteriora und die Sehne des Latissimus deckt. Das 
obere Ende dieser Insertion liegt etwa in gleicher Höhe mit der Mitte der 
Sehne des M. latissimus. 

Der Coracobrachialis besteht in seiner ganzen Länge aus zwei, von 
parallel verlaufenden Muskelbündeln gebildeten Platten, welche in der 


2) M, perforatus Casserü s. coracoideus. M. levator humeri int, Arn. Haken-Arm- 
muskel. Raben-Armmuskel Hyrtl. Hakenmuskel. 


12* 


2. Brachial. 
int. 


189 Brachialis int. 


oberen Hälfte mit ihren vorderen Rändern verbunden und an die Sehne des 
kurzen Kopfes des Biceps angeheftet, in der unteren Hälfte mit ihren hin- 
teren Rändern an den genannten Sehnenstreifen befestigt und nach vorn offen 
sind. Der N. cutaneus lat., welcher durch den Muskel schräg abwärts ver- 
läuft und ihn dabei mit Zweigen versorgt, liegt wie in einer Mappe, deren 
Deckel an gegenüberliegenden Rändern vorn von oben an, hinten von 
unten an bis zur Mitte aneinander geheftet sind. 

Var. Die Insertion des Muskels kann an den Arm weiter hinabrücken, bis 
an das untere Ende des mittleren Drittels. Häufig giebt er eine Sehne in das Lig. 
intermusc. mediale, welche in der Regel hinter der Art. brachialis, aber auch über 
dieselbe hinweggeht (Gruber, Neue Anomal. S. 28. Taf. I. Fig. 1). Ein tiefer, 
kurzer Muskel, Wiederholung des M. coracobrachialis, welcher von der Wurzel 
des Schulterhakens zur Spina tubere. min. verläuft, wurde von Cruveilhier und 
Theile (8. 230) beobachtet. 


2. M. brachialis int. Bi). 


Bedeckt die Vorderfläche der-Knochen des Armes von den Insertionen 
des M. deltoideus und coraco-brachialis an bis über das Ellenbogengelenk, 
und nimmt demnach, wie diese Fläche, von oben nach unten an Breite zu, 
bis er sich unterhalb des Ellenbogengelenkes wieder verschmälert, um sich 
mit starker Sehne in einer steil lateralwärts absteigenden Linie an den 
Proc. coronoideus und die Tuberosität der Ulna anzusetzen. 

Sein Ursprung bildet am oberen Ende zwei kurze Zacken, welche die 
Insertionsspitze des Deltoideus umfassen und Fasern von derselben anfneh- 
men (Fig.87); die mediale Zacke hängt ausserdem mit dem M. coracobrachialis 
zusammen, von dessen Insertion sie medialerseits begrenzt wird; die laterale 
Zacke stösst mit dem freien Rande an den M. anconeus brevis. Zu den 
Fasern, welche von jenen Zacken aus gerade abwärts ziehen, gesellen sich 
tiefere, von gleichem Verlauf, an der ganzen Vorderfläche des Armbeines 
bis nahe an den oberen Rand der Fossa ant. maj. entspringend, so dass der 
Muskel im Absteigen wie an Breite, so auch an Dicke wächst. Der Ur- 
sprung der am medialen Rande gelegenen Fasern greift kaum auf das Lig. 
intermusculare über; die Fasern des lateralen Randes entspringen eine 
Strecke weit vom Lig. intermusculare lat., und zwar bis an den oberen 
Rand des M. brachioradialis; dann aber, während die Fasern des letzt- 
genannten Muskels in der Fortsetzung des M. brachial. int. vom Lig. inter- 
musculare ihren Ursprung nehmen, weicht der Brach. int. mit seinem Ur- 
sprunge auf die Knochenfläche zurück. Er erhält auf diese Weise am late- 
ralen Rande einen Eindruck, der zur Aufnahme des M. brachioradialis hin- 
reicht, und der Brachioradialis legt sich über den Brachialis int., ohne auf- 
zutragen. 

Die über dem Brachioradialis vem Lig. intermusculare entstehende 
Partie des Brachial. int. macht oft eine selbständige Portion aus; die ge- 
deckt vom Brachioradialis vom Armbeine entspringenden Fasern gehen 
schräger als die übrigen und heften sich an den lateralen Rand und die 


\) M. brachiaeus int. M. brachialis anter. M. flexor antibrachü uln. Ellenbogenbeuger. 
Innerer Armmuskel. 


181 


Brachialis int. 


‚zoyeurdns 'y ng 


"3uof 'jpod zoxoay 'W 7d,7 wwoo "Sıp *yxo "N op &r "uosejyospgyoninz “ıq pun 'Zuof *Yxo "pey 
‚YUr pun "ıq snouooue "MW ?y ‘9P "SITeIgpwrgoowaoo " 9) "uagjeSsOp suyassuorLasup g "Juayguo sdoorq "W 


“UIOA UOA uMBIEJuN pun -ıaqQ 


'5919} Toguoıd "W sop auyassuolytasup 77 
'sperpwaonperg 'W gay Joy ‘ug 


‘yuuan93 aydumy woA (wg) leu sıpetogoad pum (7) snoproypop "W sap WoIMIOSUJ op Afetago 94812 dop 


P- Muskeln 
der Rück- 
seite. 
Extensor 
triceps. 


182 Extensor triceps. 


hintere Fläche der Sehne, die, einem Hohlkegel gleich, die übrigen Fasern 
empfängt und umschliesst So ist der Brach. int. über dem Fettpolster der 
Fossa ant. maj. und min. und über der Kapsel des Ellenbogengelenkes an 
der hinteren Fläche fleischig, an der vorderen sehnig. Die hintere Fläche 
ist straff mit der Kapsel verbunden und giebt zuweilen einige Bündel an 
dieselbe ab (Bdl. Fig. 62). 

Von der vorderen Fläche der Sehne gehen oberflächliche Fascikel 
schräg radialwärts in die Ursprünge des M. pronator teres über; einzelne 
der dem lateralen Rande zunächst gelegenen Bündel hängen mit dem Ur- 
sprunge des M. flex. dig. subl. zusammen. 

Die Nerven vom N. cutaneus lat. treten am oberen Drittel vom me- 
dialen Rande her ein. 


Var. Von dem M. brachialis int. und zwar von dessen äusserer Seite löst 
sich nicht selten ein Bündel ab, um sich im Ellenbogenbuge gleich dem Biceps 
und unter den Insertionen des letzteren theils am Radius, theils in die Fascie des 
Vorderarmes zu inseriren. Ich sah ein solches getrenntes Bündel unterhalb der 
eigentlichen Sehne des Brach. int. sich an die Ulna setzen, gekreuzt und verbun- 
den mit einer Sehne, die von der Ulna kommt und in einen langen schmalen 
Kopf des Mittelfingerbeugers vom Flex. dig. subl. übergeht. In einem von Gru- 
ber beschriebenen Falle geht ein derartiges Bündel in den Pronator teres oder 
wieder in die Sehne des M. brachialis int. über, nachdem es die Art. brachialis 
bedeckt hat. Bei robusten Individuen kann die Furche des Brach. int., in welcher 
Art. und V. brach. und N. medianus verlaufen, so tief werden, dass jene Stämme 
gänzlich durch den äusseren Theil des Muskels versteckt werden (Gruber, Müll. 
Archiv. 1848. S. 428. Neue Anomal. S. 30). 


8. Hintere Muskeln des Oberarmes. - 


M. extensor triceps‘). 


Von den drei Köpfen dieses Muskels liegen zwei in oberflächlicher 
Schichte neben einander; der dritte bildet für sich allein eine zweite, von 
den oberflächlichen Köpfen zum grössten Theil bedeckte Schichte. 

Die oberflächlichen Köpfe sind ein medialer und ein lateraler, beide 
platt, mit je parallelen, schräg abwärts laufenden, von beiden Köpfen her 
gegen die Mittellinie der hinteren Fläche des Oberarmes unter spitzem 
Winkel eonvergirenden Fasern, der mediale Kopf lang und verhältniss- 
mässig schmal, der laterale breit und kurz. 

Die Muskelfasern des medialen Kopfes, M. anconeus longus ?), ent- 
springen von einer platten trichterförmigen Sehne, welche am Tub. infra- 
glenoid. und dem zunächst angrenzenden Theile des lateralen Randes des 
Schulterblattes haftet, und an einem Sehnenbogen, welcher von dieser Ur- 
sprungsstelle unter dem M.teres maj. her zur Vorderfläche der Insertionssehne 
des M. latiss. dorsi zieht und der letzteren eingewebt ist (Fig.88 Al) 3). Die 


!) M. extensor cubiti. M. brachialis s. brachieus ext. s. post, Meckel. M. triceps brachii, 
Dreiköpfiger Armmuskel. Vorderarmstrecker. 

?) Caput longum s. primum. 

*) Die Verbindung eines an der Sehne des M. latiss, dorsi entspringenden Sehnen- 
blattes mit der Sehne des M. anconeus long. beschrieb zuerst Bergmann (Müller’s 


Extensor triceps. 183 


Hauptsehne wird hinten vom M. teres minor, vorn vom M. subscapularis 
bedeckt und dient den tiefsten Fasern dieser Muskeln zur Ursprungsstätte; 
sie erhält sich am vorderen Rande und der medialen Fläche des Muskels 
bis fast zur Mitte des Oberarmes. Die Flächen des Muskels, am Ursprunge 
parallel der Medianebene, stellen sich, indem sie sich an den Arm anlegen, 
allmälig frontal, so zwar, dass die mediale Fläche zur hinteren, der hintere 
Rand zum lateralen wird. Die Insertionssehne entsteht unter der Mitte des 


Profilansicht der Brust und des vorwärts erhobenen Armes, DM. deltoid. Tm, Tmyj 
M. teres minor und mal. Pmj M. peet. maj. BC Kurzer Kopf des M, biceps und 
M. coracobrach. 

Oberarmes zuerst auf der vorderen Fläche und am lateralen Rande des 
Muskels; auf ihrer hinteren Fläche inseriren sich die Muskelfasern in einer 
verticalen Linie, die bis nahe an das Olecranon reicht, um so tiefer, je 

weiter medianwärts sie entspringen. 
Der*laterale Kopf, M. anconeus brrevis Albin), entsteht von der 


Archiv. 1855. S. 347) als Varietät. Halbertsma (Versl. en mededeelingen der konink- 
lijke akademie v. wetensch. T. IV. p. 238) erkannte die Beständigkeit dieser Verbindung. 
I) Caput externum s. magnum 5. secundum aut. Vastus ext. Cruv. 


184 Extensor triceps. 


hinteren Fläche des Halses und Körpers des Armbeines und vom Lig. inter- 
musculare laterale bis unterhalb 
der Stelle, wo es die Knochen- 
furche für den N. radialis über- 
brückt (Fig.89). Im oberen Theile 
des Armes durch diesen Nerven 
vom tiefen Kopfe des Triceps ge- 
schieden, liegt er mit dem unte- 
ren Rande so unmittelbar und 
dicht auf dem letztgenannten 
Kopfe auf, dass eine aufmerksame 
Präparation dazu gehört, beide 
zu trennen. - Doch wird die 
Grenze meistens durch einen 
Hautast des N. radialis (N v”) be- 
zeichnet, der, begleitet von ei- 
nem der Endäste der Art. pro- 
funda brachii, unter dem Rande 
des M. ancon. brev. an die Ober- 
fläche gelangt. 


Fig. 89. 


Al 


Ab 


Ai 


Die Vereinigung des kurzen 
Kopfes mit dem langen erfolgt 
von der Stelle an, wo dieser seh- 
nig wird, auf die Weise, dass die 
obersten Bündel des kurzen Ko- 
pfes sich fleischig an die sehnige 
Vorderfläche des langen ansetzen, 
die folgenden aber allmälig, je 
weiter nach unten, um so näher 
dem lateralen Rande des Armes 
in Sehnenfasern übergehen. Die 
platte, abwärts an Breite zuneh- 
mende Sehne, welche sie bilden, 
verschmilzt einerseits mit der 
Sehne des langen Kopfes und 
setzt sich andererseits in die 
Fascie fort, die die Streckmuskeln 
des Unterarmes bedeckt. 


Aq 


Der tiefe Kopf, M. anco- 
neus internus \), entsteht, 
dem Brachialis int. gegenüber, 


Oberarm, exartieulirt, laterale Fläche. D M. yon der ganzen hinteren Fläche 


deltoideus, T’mj M. teres maj. vom Ursprunge e a He 
abgeschnitten. 4b, Ab M.anconeus br. vertical des Armbeines zwische 


durchschnitten und nach beiden Seiten zurück- 

geschlagen. Ag M. ancon. quart. Nr N. ') Caput internum s. tertium. s. par- 

radialis Nr‘ Hautast desselben. Bi M. bra- vum. M. brachialis ext. Albin. M. 

ehialis int. Br M. brachiorad. RelM.ra- gnconeus brevis Theile. M. vastus int. 
dialis ext. long. Cruv. 


Unterarmmuskeln, 185 


Radialisfurche und der Fossa olecrani und von der hinteren Fläche des 
Lig. intermusculare mediale. An der medialen Kante des Armbeines reicht 
sein Ursprung bis zum oberen Rande des Epicondylus; an der lateralen 
Kante des Armbeines geht der Ancon. int. meist ohne Unterbrechung in den 
vom lateralen Epicondylus entspringenden Ancon. quart. über (Fig.89 Ag), der 
mit den Muskeln der Streckseite des Unterarmes beschrieben werden wird. 
Alle Fasern verlaufen abwärts, die äussersten beiderseits zugleich conver- 
girend gegen die Mittellinie des Armes und treten an die Vorderfläche und 
den freien medialen Rand der Sehne der beiden oberflächlichen Köpfe, die 
untersten auch wohl selbständig an die Seitenränder des Olecranon. Von 
den an der medialen Kante entspringenden Bündeln gehen einige der unter- 
sten zuweilen hinter dem N. ulnaris weg. 

Die gemeinschaftliche Insertionssehne des M.triceps endet nach der Auf- 
nahme des tiefen Kopfes an der Rauhigkeit der oberen Fläche des Olecra- 
non (Knl. Fig. 211 et). Gleich der Sehne des Brachialis int. läuft sie über 
das Fettpolster, welches die Kapsel äusserlich deckt, gerade hinweg und 
ebenso giebt sie zuweilen einige Bündel an die Kapsel (Bdl. Fig. 62). 

Die Nerven stammen vom N. radialis; in den langen Kopf treten sie 
hoch oben dicht unterhalb der Verbindung der beiden Ursprungssehnen. 


Monro (Taf. VI. Fig. 1 h) bildet eine Bursa anconaea s. muscul tricipitis ab, 
zwischen dem Proc. anconeus und der Sehne des M. extensor triceps. Ich bin 
mit M. J. Weber der Ansicht, dass ein solcher Schleimbeutel in der Regel sich 
nicht findet. 

Der theilweise Ursprung des M. anconeus longus an der Sehne des Latissimus 
dorsi beweist, dass zur vollen Wirkung des ersteren eine gleichzeitige Contraction 
des letzteren erforderlich ist. Dann aber wird, durch die an dem Sehnenbogen 
entspringenden Fasern, der Zug des Anconeus eine der Längsaxe des Armes mehr 
parallele Richtung erhalten. Umgekehrt muss die Spannung abwärts, welche der 
Sehnenbogen durch Streckung des Vorderarmes erfährt, den Erfolg haben, die 
Zusammenziehung des M. teres maj. freier zu machen 


ec. Muskeln des Unterarmes. 


Der Unterarm mit seinen Muskeln hat die Gestalt eines langgestreck- 


ten, im sagittalen Durchmesser abgeplatteten Kegels, dessen abgestutzte ı 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


e. Unter- 
armmus- 
keln. 


Spitze dem Handgelenke entspricht. Die abwärts verjüngte Form kommt 


dadurch zu Stande, dass die Muskeln, abgesehen von einigen, die schon im 
oberen Theile des Unterarmes enden, fast sämmtlich gegen die Mitte des- 
selben in eylindrische Sehnen übergehen. Das Handgelenk ist ringsum nur 
von Sehnen umgeben. 

Die Muskeln liegen in drei Gruppen, an der vorderen und hinteren 
Seite und am radialen Rande des Unterarmes. Am ulnaren Rande sind 
die Muskeln der vorderen und hinteren Seite von einander getrennt durch 
die hintere Kante der Ulna, welche frei unter der Haut zu fühlen ist und 
der Fascie der vorderen, wie der hinteren Fläche zur Anheftung dient. 
Von den Muskeln der vorderen Seite entspringt der dem medialen Rande 
zunächst gelegene M. ulnaris int. zugleich mit der Faseie von der ganzen 
hinteren Kante der Ulna; er stellt eine lateralwärts offene Rinne dar, die 
von den tieferen Muskelschichten ausgefüllt wird und kommt daher mit dem 


186 Unterarmmuskeln. 


zunächst an die Ulna grenzenden Theile medianwärts neben dieselbe in die 
Fig. 91. 


Ph 


ı/ 
/E 
Muskeln des Vorderarmes, erste 
Schichte. B M. biceps. Bi M. bra- 
chialis int. _R Gruppe der radialen 
Muskeln. Pi M. pronator teres. Ri 
M. radial. int. ? 7 M, palmaris longus. 
Vi M.ulnaris int. 75 M.palmaris br. 
L M. lumbric. 


Fig. 90. 


Horizoutalschnitt des Vorderarmes nahe 
unter dem Ellenbogengelenke. Fdp M, flex. 
dig. prof. Ui M ulnaris int. Fds M. flex. 
dig. subl. 77 M. palmaris long, Pt M. 
pronator teres. Br M. brachioradialis. 
Rel, Reb M. radialis ext. long. und br. 
Su M. supinator, Ede M. ext. dig. 
comm. UeM. uloaris ext. 1 N, radialis. 
superf. 2 N. medianus. 3 N. und Vasa 
interossea. 4 N. ulnaris. 5 N. rad. prof. 


gleiche Flucht mit den Muskeln der 
Rückseite zu liegen, während er mit 
seinem vorderen oder freien Rande durch 
Vermittelung der Faseie über die Mus- 
keln der Vorderseite herübergezogen ist 
(Fig. 90). Gegen die radialen Muskeln 
grenzen sich die Muskeln der Rückseite 
durch eine Grube ab, welche die Gegend 
des lateralen Epieondylus einnimmt; an 
der Vorderseite des Ellenbogengelenkes 
bildet die Masse der radialen Muskeln die 
laterale, die Masse der vorderen Muskeln 
die mediale Begrenzung einer breiten und 
abwärts zugespitzten Vertiefung, deren 
Grund die Enden des M. biceps und 
brachial. einnehmen (Fig.91). Die oberste 
Schichte der eigentlichen Muskeln der 
Vorderseite entspringt nämlich am me- 
dialen Epieondylus und inserirt sich mit 
dem am meisten lateralwärts gelegenen 
Muskel, Pronator teres, etwa an die 
Mitte der Höhe des Radius; die radialen 
Muskeln entspringen an der lateralen 
Kante des Oberarmes; sie steigen zum 
lateralen Rande des unteren Endes des 


Muskeln der Vorderseite des Unterarmes. 187 


Unterarmes und zum Rücken der Hand herab, sind aber am oberen Theile 
des Unterarmes, gleich dem M. ulnaris int., mittelst der Fascie so auf die 
vordere Fläche herübergezogen und befestigt, dass sie die Insertion des 
Pronator teres bedecken. Im unteren Drittel des Unterarmes gehen dage- 
gen ihre Sehnen unter tiefen Muskeln der hinteren Seite durch, die sich 
zum Radialrande des Daumens begeben. 

Jede der drei Gruppen besteht aus mehreren Schichten; in jeder Gruppe 
finden sich Muskeln von verschiedener Länge, welche über ein, zwei und 
mehr Gelenke weggehen, vom Oberarme zum Unterarme, zur Handwurzel, 
zu den Fingerphalangen. Aber die längeren Muskeln nehmen hier nicht 
so regelmässig die höheren Schichten ein, wie dies in anderen Körpertheilen 
der Fall ist. Muskeln, welche von den Epicondylen des Oberarmes kom- 
men, enden an den Knochen des Unterarmes oder der Handwurzel und Mit- 
telhand; ihre Sehnen weichen nach. beiden Seiten auseinander, um die 
Sehnen tieferer, am Unterarme entspringender Muskeln durchzulassen, die 
sich bis zu den Fingern erstrecken; und. bei den Fingerbeugern findet sich 
die merkwürdige Einrichtung, dass durch Spalten der Sehnen des ober- 
flächlicheren Muskels, die sich an die Mittelphalangen ansetzen, die Sehnen 
der tieferen zu den Endgliedern der Finger treten. 

In der vorderen Muskelgruppe liegen Pronatoren des Vorderarmes und 
Beuger der ganzen Hand und der Finger; die hinteren und radialen Muskeln 
sind hauptsächlich Strecker, und zwar des Unterarmes, der Hand und der 
Finger; ein Supinator, der in der Tiefe liegt, kann ebensowohl den hinteren 
als den radialen Muskeln zugezählt werden. Wie erwähnt, befinden sich 
die Muskeln, welche durch ihre Insertion an Handwurzel- oder Mittelhand- 
knochen die Hand im Ganzen bewegen, an den Rändern des Armes; ver- 
binden sich die am nämlichen Rande gelegenen Beuger und Strecker zu 
gemeinsamer Wirkung, so erzeugen sie die Ulnar- und Radialflexion. 

Die Muskeln der oberflächlichen Schichte, sowohl der Beuge- als 
Streckseite, hängen am Ursprunge unter sich und mit der Fascie fest zu- 
sammen, indem ein Theil der Fasern sämmtlicher Muskeln von der inneren 
Fläche der Fascie und ein Theil der Fasern einzelner Muskeln von der 
Ursprungssehne der benachbarten sich entwickelt. Die Endsehnen gehen 
unter den queren Verstärkungsbändern der Fascie, die schon beim Hand- 
gelenke beschrieben wurden, hindurch und sind von einem schleimigen 
Bindegewebe und theilweise von wirklichen Synovialscheiden umhüllt, de- 
ren Beschreibung später folgen soll. 


@e Muskeln der Vorderseite. 


Wir unterscheiden oberflächliche Muskeln, welche mit einem wesent- 
lichen Theile ihrer Fasern am unteren Ende des Armbeines entspringen 
und tiefe, welche von den Knochen des Unterarmes ihren Ursprung nehmen. 

Die oberflächlichen Muskeln entspringen zusammen längs einer vom 
medialen Epicondylus zur Tuberosität der Ulna sich hinziehenden schrägen 
Linie; vom unteren Ende des Lig. intermusculare mediale, dann am media- 
len Epieondylus theils unmittelbar, theils durch Vermittelung der Verstär- 
kungsfasern, welche der vorderen Wand der Kapsel des Ellenbogengelenkes 


Ce. 


Vorder- 
seite, 


188 Muskeln der Vorderseite des Unterarmes. 


eingewebt sind, ferner an der Tuberosität der Ulna medianwärts neben der 
Insertion des M. brachialis int., auch wohl von der Insertionssehne dieses 
Muskels selbst. Meistens entspringen sie in zwei Massen, einer oberfläch- 


Fig. 92. 


lichen und einer tie- 
fen, zwischen welchen 
der Stamm des N. me- 
dianus hindurchgeht. 
Die Muskelfasern der 
oberflächlichen Masse 
(Fig. 92*) entstehen 
zum grössten Theile 
zwischen zwei brei- 
ten, sehnigen Blät- 
tern, von welchen das 
äussere (vordere) mit 
der Unterarmfasecie, 
das innere hintere u. 
mächtigere mit der 
Gelenkkapsel zusam- 
menhängt; einzelne 
Muskelbündel kom- 
men von der hinteren 
Fläche dieses inneren 
Sehnenblattes. Die 
tiefere, bei weitem 
schwächere Ur- 
sprungsmasse (Fig. 
92 **), welche hinter 
dem Stamme des N. 
medianus lateral - ab- 
wärts verläuft, ent- 
springt mit einer plat- 
ten Sehne von verän- 
N derlicher Breite am 
N medialen Rande der 


Sehne des M. bra- 

Unterarm, Vorderfläche, die oberflächlichen Muskeln am Hand- hialis int Ist di 
gelenke abgeschnitten und umgelegt. Der Armbeinkopf des Eee f n se 
Ulnaris int. (7) durchschnitten. Fds M. flexor dig. subl. tiefe Masse nicht ge- 
Fdp M. flexor dig. prof. FpIM. flexor poll. long. sondert, so geht der 


rn N. medianus mit den 


Gefässen durch dieselbe Spalte zwischen dem Armbein- und dem Radial- 
kopfe des Flex. subl., der letztere reicht alsdann hoch hinauf. 

Die Muskeln, in welche diese gemeinsamen Ursprünge sich scheiden, 
ordnen sich im weiteren Verlaufe in drei Schichten übereinander; zu ein- 
zelnen derselben treten Fasern, die an den Seitenrändern des Unterarmes, 
vom Radius und der Ulna sich entwickeln. In der obersten Schichte liegen 
vier. Muskeln, welche, vom medialen Epicondylus aus divergirend, successiv 
weiter ulnarwärts enden; der erste, M. pronator teres, in der Mitte der 


Pronator teres. 189 


Höhe des Radius, der zweite, M. radialis int., am Radialrande der Hand, 
der dritte, nicht ganz beständige, M. palmaris long., am Lig. carpi vol. 
propr., der vierte, M. ulnaris int., am Ulnarrande der Hand; der letztere 
nimmt Fasern von der hinteren Kante der Ulna auf. Zwischen den aus- 
einanderweichenden Bäuchen und Sehnen dieser Schichte blickt die zweite 
Schichte durch, bestehend aus den zwei Bäuchen des M. flexor dig. sublimis, 
welche sich in die dem dritten und vierten Finger bestimmten Sehnen fort- 
setzen; mit der Sehne des dritten Fingers vereinigt sich ein zweiter, platter 
und dünner, von der vorderen Kante des Radius ausgehender Kopf. Die 
dritte Schichte der oberflächlichen Unterarmmuskeln bilden die beiden an- 
deren, zum zweiten und fünften Finger sich erstreckenden Abtheilungen des 
M. flexor dig. sublimis. Dieser ganze Muskel ist der Beuger des zweiten 
Gliedes der dreigliedrigen Finger. 

Die tiefen Muskeln der Vorderseite des Unterarmes liegen in zwei 
Schichten. Zu oberst finden sich neben einander der M. flexor pollicis lon- 
gus und die vier Bäuche des M. flexor dig. profundus, des Beugers der 
Endphalange der dreigliedrigen Finger, jener am Radius und dem angren- 
zenden Theile des Lig. interosseum, diese am Lig. interosseum und der 
Ulna, in der Reihe weiter median- und tiefer abwärts entspringend, wie sie 
an weiter medianwärts gelegene Finger treten. Zwischen dem M. flexor 
poll. long. und dem tiefen Beuger des zweiten Fingers gehen auf dem Lig. 
inteross. die tiefen Gefässe und Nerven herab. Häufig besteht zwischen 
dem Flex. poll. long. und der gemeinsamen Ursprungsmasse der oberfläch- 
lichen Muskeln eine Verbindung durch einen kurzen, feinen Muskelbauch, 
welcher von der hinteren Fläche des ersteren sich löst und sich mit seiner 
dünnen Sehne an die Hauptsehne des M. flexor pollieis longus anschliesst. 

Die zweite Schichte der tieferen Muskeln des Unterarmes besteht aus 
einem Muskel mit transversalen Fasern, Pronator quadratus, der die unteren 
Enden der Unterarmkuochen deckt und sich nicht über das untere Viertel 
des Unterarmes hinauf erstreckt. 


I. Oberflächliche Muskeln. 


1. M. pronator teres Pti!). 


Besteht aus zwei Köpfen von sehr ungleicher Stärke, die in der Regel 
den N. medianus zwischen sich fassen. 

Der stärkere, oberflächlichere Kopf (Fig. 91) erhält lange Fasern vom un- 
teren Ende des Lig. intermusc. mediale und vom medialen Epieondylus, welche 
in der Richtung gegen die Mitte des Radius lateralabwärts laufen und sich 
in die Faserung der Insertionssehne geradezu fortsetzen, und kürzere, ge- 
neigter verlaufende und unter spitzem Winkel an die Insertionssehne tre- 
tende Fasern, theils vom vorderen, theils vom hinteren gemeinsamen Sehnen- 
blatte. Der schwächere, tiefe Kopf (Fig.92**) wurde schon oben bei Gelegenheit 
des Ursprunges der gemeinsamen Muskelmasse beschrieben; er geht in der 


") M. pronator rotundus. Länglicher oder runder Vorwärts- oder Einwärtswender oder 
Dreher. Long ou rond pronateur. 


TI. Oberfl. 
Muskeln. 
1. Pron. ter. 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


2. Rad. int. 


190 Radialis int. 


Regel ganz in den Pronator teres über. Die Endsehne wird etwa in der 
Mitte der Länge des Muskels zuerst am oberen Rande und an der hinteren 
Fläche desselben frei; sie heftet sich platt an eine Rauhigkeit der lateralen 
Fläche des Radius (Knl. Fig. 213 pt). 

Der Nerv, ein Ast des N. medianus, senkt sich in den Muskel von der 
hinteren Fläche her, nahe am Ursprunge, in der Mitte seiner Höhe. 


Die Varietäten des M. pronator teres bestehen hauptsächlich in Ausbreitung 
des Ursprunges, so dass derselbe am Armbeine aufwärts rückt oder am unteren 
Rande von der Oberfläche des M. flexor dig. subl. Zuwachs erhält. Der Ursprung 
am Oberarme kann sich verdoppeln, so dass der zweite Kopf entweder bedeckt 
von dem normalen oder nach oben neben demselben zu liegen kommt, im letz- 
teren Falle durch eine mehr oder minder weite Spalte von demselben getrennt 
(Gruber, Neue Anomal. S.28. Taf. I— VI.). Die vollkommenste Entwickelung 
dieser Varietät, wobei der M. pronator teres zu einem breiten, dicken, mit Aus- 
nahme einer Lücke zum Durchtritt des Gefäss- und Nervenpackets ungetheilten 
Muskel wird, ist nach Gruber mit der Entwickelung eines Processus supracon- 
dyloideus am Oberarıne verbunden (s. Knl. S. 220). Nuhn (Untersuchungen und 
Beobachtungen aus dem Gebiete der Anatomie S. 20. Taf. III. Fig. 1), der diese 
Varietät ebenfalls gesehen und abgebildet hat, erwähnt indess eines solchen ano- 
malen Knochenfortsatzes nicht, sondern sah vielmehr die obere, die Lücke be- 
grenzende Partie des Muskels von einem Sehnenbogen abgehen, welcher hinter 
der Arterie und dem Nerven auf dem M. brach. int. schräg nach oben und innen 
in die Höhe ging und theils am Lig. intermusculare int., theils am inneren Rande 
des Oberarmes befestigt war. Einen zweiten Kopf, vom medialen Winkel der 
Ulna ausgehend, erwähnt Brugnone (bei Meckel S. 524). Das tiefe Ursprungs- 
fascikel kann sich in der ganzen Länge getrennt erhalten (Albin). 

Der M. pronator teres hat ausser der augenfälligen pronirenden Wirkung 
noch eine beugende, die dann eintritt, wenn die Zusammenziehung nach vollen- 
deter Pronation weiter geht, vielleicht aber auch bei der Beugung des Vorder- 
armes in supinirter Haltung mit zu Hülfe genommen wird, wenn die supinirende 
Nebenwirkung des M. biceps brachii und die pronirende des M. pronator teres 
einander aufheben. 


2. M. radialis internus Ri). 


Sein spindelförmiger Bauch entspringt, ausser vom medialen Epicon- 
dylus, zwischen zwei Sehnenstreifen, von welchen der laterale andererseits 
durch die Ursprünge des Pronator teres, der mediale andererseits durch die 
Ursprünge des M. flex. dig. subl. eingenommen ist. Unter spitzem Winkel 
von den Fasern der beiden genannten Muskeln divergirend und abwärts 
convergirend, zuweilen durch Fasern vom tiefen Kopfe der gemeinsamen 
Ursprungsmasse verstärkt, setzen sich die Fasern des Rad. int. oberhalb der 
Mitte des Unterarmes in eine zuerst platte, dann platt eylindrische Sehne 
fort, welche steil lateralwärts und oberflächlich zum unteren Ende des Ra- 
dius und weiter in einer eigenen Scheide zur Vorderfläche der Basis des 
zweiten Mittelhandknochens herabläuft, an die sie sich ausgebreitet ansetzt. 

Die Scheide, von eigenthümlichen ringförmigen Fasern und von einer 
auf- und abwärts geschlossenen Vagina mucosa ?) ausgekleidet, wird median- 


l 


!) M. rad. anticus. M. flexor carpi radialis. Innerer Speichenmuskel. Speichenbeuger 
der Hand, Grand palmaire Bichat. 
®) Bursa radialis intern Monro. 


Palmaris longus. 191 


wärts begrenzt vom tiefen Ursprunge des Lig. ce. volare proprium; ihre la- 


Fie. 93. 


IM 
| 
N) 
j) 
v 


Muskeln des Vorderarmes, erste 
Schichte. B M. biceps. Bi M. bra- 
chialis int. R Gruppe der radialen 

Muskeln. Pb M. palmaris br. 


terale Begrenzung bildet auf dem un- 
teren Ende der Unterarmknochen das 
Lig. ecarpi comm., in der Handwurzel 
die Rinnen des Kahn- und Trapezbeines, 
an der Basis des Mittelhandknochens 
des Daumens der Daumenursprung des 
Lig. carpi vol. propr. (Bänderl. Fig. 
33 — 86). 

Der Nerv kommt, in Verbindung 
mit dem Nerven des M. palmaris long., 
vom Stamme des Medianus zwischen 
Sehnenfasern des M. pronator teres 
oder des Flex. dig. subl. zur hinteren 
Fläche des Muskelbauches. 

Var. Die Insertionssehne giebt Fa- 
sern an das Trapezbein (Albin), an die 
Basis des dritten und selbst des vierten 
Mittelhandknochens. Sie beschränkt sich 
auf die Insertion an das Lig. carpi vol. 
propr. und das Kahn- und Trapezbein 
(Fleischmann a. a. O. S. 25). 


3. M. palmaris longus Pri) 


Sein schlanker, spindelförmiger 
Bauch liegt in einer seichten Rinne, an 
deren Bildung die einander zugekehr- 
ten Ränder des M. rad. int. und flex. 
dig. subl. sich betheiligen und nimmt 
an seiner hinteren Fläche Fasern von 
der aponeurotischen Decke der beiden 
genannten Muskeln auf. Ungefähr in 
gleicher Höhe wie der Bauch des Rad. 
int. geht er in eine dünne, platt cylin- 
drische Sehne über, welche der Sehne 
des Rad. int. fast parallel und ebenso 
oberflächlich abwärts geht, in der Nähe 
des Handgelenkes sich abplattet und 
radialwärts ausbreitet und sich zwischen 
dem Daumen- und Kleinfingerballen, 
dem ersteren näher, über dem Lig. carpi 
comm. hinweg, theils in die Muskeln 
des Daumenballens, theils in die Volar- 
Aponeurose fortsetzt. Eine kurze Strecke 
weit ist sie als ein besonderes Blatt 
von dem am Lig. carpi v. propr. ent- 
springenden Blatte dieser Aponeurose 
trennbar. 


!) Langer Hohlhandmuskel, Handsehnenspanner. Palmaire grele Cruv. 


3. Palmaris 
longus, 


4. Ulnaris 
int. 


192 Ulnaris int. 


Var. Dass der M.palmaris zu den minder beständigen gehört, wurde bereits 
erwähnt; so zeigt er auch manche Varietäten der Form: die Sehne liest am 
oberen, der Muskelbauch am unteren Ende, oder der Muskelbauch nimmt das mitt- 
lere Drittel der Länge zwischen einer oberen und unteren Sehne ein. Ich sah 
den Palın. longus fleischig vom oberen bis zum unteren Ende; die Ursprungs- 
sehne reichte am radialen Rande bis zur Mitte hinab, die Insertionssehne am ul- 
naren Rande bis zur Mitte hinauf, und die Muskelfasern gingen unter spitzen Win- 
keln von der Einen Sehne zur anderen. In einem Falle, welchen Dursy in Hei- 
delberg notirte, war der Muskel auf eine lange schmale Sehne reducirt, welche 
vom medialen Epicondylus entsprang und wie gewöhnlich in die Aponeurose endete; 
ich sah eine ähnliche Sehne, 1‘ über dem Handgelenke, aus der Fascie entsprin- 
gen. Oefters soll der M. palmaris durch eine Sehne, die der Flexor dig. sublim. 
abgiebt, vertreten werden. Von Varietäten der Insertion ist zu erwähnen, dass 
der M. palmaris long. unter dem Lig. carpi vol. propr. hinweg in die Hohlhand 
tritt und sich mit einer Sehne des Flex. dig. subl. oder auch des Flex. dig. prof. 
(Fleischmann, Abhandl. der physikal. med. Soc. zu Erlangen. Bd.I. S. 25) 
verbindet oder an die Ulna oder an Knochen der Handwurzel inserirt; in anderen 
Fällen zweigen sich Bündel von ihm ab, die in die oberflächlichen oder tiefen 
Muskeln des Kleinfingerballens übergehen. 

Der M. palm. 1. verdoppelt sich in verschiedener Weise. Der accessorische 
Muskel liegt oberflächlich und ulnarwärts neben dem normalen und endet eben- 
falls in der Fascie der Hand oder am Kleinfingerballen (Quain, the arteries 
Tab. 45. Gruber, Abhandl. aus der menschl. und vergl. Anat. S. 124); oder der 
accessorische Muskel nimmt eine tiefere Schichte ein und erweist sich als Palmaris 
durch die Endigung im Lig. carpi volare; er entspringt vom Radius an dessen 
Tuberosität (Jansen, nederlandsch lancet. 1850. Jan. p. 431) oder weiter unten 
mit dem Radiuskopfe des M. flex. dig. sublim. (eigene Beobachtung), oder vom 
Proc. coronoid. der Ulna (Meckel). Die accessorischen Palmares können bezüg- 
lich der Lage des Muskelbauches dieselben Varietäten zeigen, wie die normalen. 
Auch kommt der tiefe accessorische Muskel bei Mangel des normalen und dem- 
nach als dessen Stellvertreter vor. 


4. M. ulnaris int. Ui). 


Der M. ulnaris int. entspringt mit Einem Kopfe am Armbeine (Fig. 94 
Ui), mit dem anderen, Ui?. an der Ulna; beide Köpfe begrenzen, in- 
dem sie gleich am Ursprunge zusammenfliessen, einen engen Schlitz, durch 
welchen der N. ulnaris aus der Rinne an der Rückenfläche des medialen 
Epicondylus an die Vorderfläche des Unterarmes gelangt. 

Der Armbeinursprung ist platt eylindrisch und schmal; er entsteht aus dem 
medialen Theile der gemeinsamen Ursprungsmasse, angrenzend an den M. 
flexor dig. sublimis und eine kurze Strecke weit mit demselben verbunden, 
indem entweder die Fasern beider Muskeln von einem gemeinsamen Sehnen- 
blatte abgehen oder die Fasern des Ulnaris auf der aponeurotischen Decke 
des Flexor sublimis wurzeln. 

Der Ulnarkopf ist platt, membranös; sein Ursprung reicht vom media- 
len Rande des Olecranon, wo er fast mit der Sehne des Triceps zusammen- 
stösst, bis zur unteren Grenze des mittleren Drittels des Körpers der Ulna. 
In dieser ganzen Länge entwickelt er sich von der hinteren Kante des 


D) M. flexor carpi ulnaris. Ellenbogenbeuger der Hand Innerer Ellenbogenbeuger. 
Innerer Ellenbogenmuskel. Cubital anterieur Cruv. 


Flexor digit. subl. 193 


Knochens durch Vermittelung eines festen Sehnenblattes, welches sich über 
die Ursprünge der Muskelfasern hinweg auch in die Unterarmfaseie fort- 
setzt und demnach so anzusehen 
ist, als sei es aus einer Verschmel- 
zung der Fascie und einer mem- 
branartigen Sehne des Ulnaris 
int. hervorgegangen. Die Mus- 
kelbündel lösen sich von der in- 
neren Fläche dieses Sehnenblattes 
in einer schrägen, mit dem un- 
teren Ende dem Knochen sich 
annähernden Linie. 

Die Muskelfasern des Arm- 
beinkopfes gehen fast gerade, die 
des Ulnarkopfes schräg lateral- 
abwärts, um so geneigter, je tie- 
fer sie entspringen; jene umfas- 


Ellenbogengelenk, von der medialen Seite. Der am Z v 2 N 
Condylus int. entspringende Kopf des M. uln. int. SEN die platt cylindrische Inser- 
Ui1 durchschnitten und zurückgeschlagen. Vi2 tionssehne des Muskels, die hoch 


Ulnarursprung des M. ulnaris int. A Sehne des en . x 
M. ext. triceeps. Bi Sehne des M. brachial. int. oben frei wird und dann die Fa 
B Sehne des Biceps. Nu N. ulnaris. sern des Ulnarkopfes, an dessen 


vorderem (lateralem) Rande sie 
herabläuft, suecessiv unter spitzem Winkel aufnimmt. Sie inserirt sich an 
das Erbsenbein und mit einem grossen Theile ihrer Fasern, die sich dem 
Lig. pisometacarpeum beimischen (Bdl. S. 102), an den fünften Mittelhand- 
knochen. 

Die Nerven stammen vom N. ulnaris; der Zweig zum Arbeinkopfe 
tritt dicht unter dem Ursprunge desselben ein; ein anderer Zweig läuft an 
der Vorderfläche des Ulnarkopfes, etwa in der Mitte seiner Breite, herab. 

Monro gedenkt eines kleinen Schleimbeutels, Bursa ulnaris interni 
(Taf. V. Fig. 2 e), zwischen der Sehne und dem Erbsenbeine. 


Am oberen Rande des Schlitzes zwischen den Ursprüngen beider Köpfe, durch 
welchen der N. ulnaris hindurchgeht, sah ich einmal zarte Muskelbündel quer 
vom medialen Epicondylus zur Ulna gespannt. 

Die Insertionssehne giebt mitunter Fasern in das Lig. carpi volare, welche 
auch wohl zum Ersatz eines fehlenden M. palmaris longus dienen. 


5. M. flexor digit. sublimis F'ds)). 


Er ist in ähnlicher Weise zweiköpfig, wie der M. ulnaris int., doch 
nimmt der accessorische platte Unterarmkopf am Radius seinen Ursprung 
und begrenzt mit dem mächtigen Armbeinkopfe eine grosse ovale Lücke, 
durch die der Stamm des N. medianus in die Tiefe geht, um zwischen bei- 
den Fingerbeugern weiter zu verlaufen. 

Der Armbeinkopf, der in der ganzen Breite der oberflächlichen Ur- 


') M. flexor dig. supenficialis s, perforatus. Überflächlicher oder durchbohrter Finger- 
beuger. Flechisseur superficiel ou sublime Cruv. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthlg. 3. 13 


5. Flex. dig. 
snbl. 


194 Flexor digit. subl. 


sprungsmasse und zwar von deren tiefem Sehnenblatte entspringt, theilt sich 
alsbald in zwei mehr oder minder scharf gesonderte Portionen, eine laterale 


Fas® 
Fds? 


Fas? 


Unterarm, vordere Fläche. M. pronator 
teres, radialis int. und palmaris long. 
zum Theil ausgeschnitten. * Ursprungs- 
masse derselben. Pt' Umgeschlagenes 
Insertionsende des M. pronat. teres. Ri, 
Pl Insertionssehnen des M.rad. int. und 
palmaris long. Ui M. ulnar. int. 
B M. biceps. 


und oberflächlicher gelegene, welche 
sich weiterhin in die beiden Bäuche 
theilt, aus welchen die Sehnen für den 
dritten und vierten Finger hervorgehen, 
und eine mediale, tiefere, die den Sehnen 
des zweiten und fünften Fingers den 
Ursprung giebt. Die für den Mittel- 
finger bestimmte, laterale Sehne der 
oberflächlichen Portion (Fig. 95 F'ds?) ist 
es, mit der sich der platte Radialkopf 
verbindet, dessen Fasern von der vor- 
deren Kante etwa des mittleren Drit- 
tels des Radius in continuirlicher oder 
unterbrochener Reihe ausgehen und 
sich, schräg medianwärts absteigend, 
die untersten in der Gegend des Hand- 
gelenkes an den lateralen Rand der 
genannten Sehne anheften. Die Sehne 
des vierten Fingers tritt unter der 
Mitte des Unterarmes aus ihrem spin- 
delförmigen Muskelbauche hervor; sie 
nimmt selten am medialen Rande einen 
platten Kopf von der Ulna, aber regel- 
mässig an ihrer hinteren Fläche Mus- 
kelbündel von der tiefen Portion auf, 
oft in solcher Menge, dass sie den we- 
sentlichen Theil des Muskels bilden 
und der Ursprung aus der oberfläch- 
lichen Portion dagegen zurücktritt. 
Sehr häufig tauschen die beiden ober- 
flächlichen Bäuche einzelne, schräg 
absteigende Bündel gegen einander aus. 

Die tiefe Portion ist ein einfacher, 
kegelförmiger, abwärts zugespitzter 
Bauch, welcher alsbald in eine, von dem 
Muskelfleische der oberflächlichen Por- 
tion gedeckte, starke, platteylindrische 
Sehne übergeht (Fig. 96). Diese liest 


eine kürzere oder längere Strecke frei, dann verbirgt sie sich zwischen drei, 
nach verschiedenen Richtungen von ihr abgehenden Muskelbäuchen. Der 
Eine begiebt sich, wie bereits erwähnt, vorwärts zur Beugesehne des vierten 
Fingers; von den beiden anderen geht der stärkere mit lateral-abwärts, der 
schwächere mit median-abwärts gerichteten Fasern je an eine platt-cylin- 
drische Sehne, die Beugesehnen des zweiten und des fünften Fingers. 
Die Sehnen gehen unter dem Lig. carpi vol. propr. in die Hohlhand. 
Ihre Lage in der Hand und die Art ihrer Insertion an der Basis der Mittel- 


Flexor dig. prof. ; 195 


phalange der betreffenden Finger wird mit der Muskulatur der Hand be- 
schrieben werden. F 

Der oberflächliche und tiefe Kopf des Flexor subl. des dritten Fingers 
erhält seinen Nerven nahe am Ursprunge aus dem Stamme des Medianus; 
die Nerven für den Flexor des vierten und fünften Fingers gehen zwischen 
Bündeln des Mittelfingerkopfes in die Tiefe. Der Zeigefingerkopf erhält 
einen besonderen Zweig aus dem N. medianus im unteren Drittel des 
Armes. 

Var. .Ein Theil des M. flex. dig. subl. entspringt vom Pronator teres (Otto, 
seltene Beobachtung Heft I. S. 90). Der Flexor des Mittelfingers erhält einen 
schmalen, platten Kopf von der Tuberosität des Radius, oder er erhält, gleich dem 
vierten, Fasern von der tiefen Portion. Die tiefe Portion geht ganz auf in den 
Kopf für den vierten und zweiten Finger; der fünfte Finger erhält keine Sehne 
vom Flexor sublimis. In einem solchen Falle fanden Moser (Meckel’s Archiv. 
Bd. VII. S. 231) und Theile (S. 269) einen oberflächlichen Beuger des kleinen 


Fingers, der von der inneren Fläche des Lig. carpi vol. propr. und der Fascia 
palmaris entsprang. 


II. . Tiefe Muskeln. 


* Erste Schichte. 
1. M. flexor digit. profundus Fdp N. 


Das Fleisch des Flex. dig. prof. besteht aus vier Portionen von ziem- 
lich gleicher Gestalt und Stärke, von welchen die beiden mittleren, dem 
dritten und vierten Finger entsprechend, in der Regel am Ursprunge durch 
Austausch von Fasern mit einander verschmolzen sind, während sich die 
äusseren, die des zweiten und fünften Fingers, gesondert erhalten. Nicht 
selten lassen sich alle vier Portionen vollständig von einander trennen. 

Ihr Ursprung reicht vom oberen Ende der Ulna bis in die Nähe des 
oberen Randes des M. pronator quadr. Sie sind sämmtlich platt, oben 
mächtiger als unten, aus Reihen von Bündeln zusammengesetzt, welche vor- 
und abwärts und von den Rändern des Armes her convergirend zu den 
Sehnen verlaufen, die auf der vorderen Fläche des Muskels herabgehen und 
die letzten Muskelfasern erst am Handgelenke aufnehmen (Fig. 96 a. f. S.) 
Die obersten Fasern steigen steiler abwärts als die übrigen; nicht selten 
gleicht die eine oder andere Portion einem zweiköpfigen Muskel, wenn 
eine Lücke den oberen, diekeren, mehr kegelförmigen Theil von dem unteren 
platten Theile scheidet. 

Die Zeigefingerportion reicht aufwärts bis zur Insertion des M. 
brachialis int., sie entspringt vom Lig. inteross. dicht an der Ulna und von 
der Vorderfläche der Crista interossea der letzteren. 

Die Mittelfingerportion nimmt ihren Ursprung auf der Sehne des 
M. brachialis int., dann auf der Vorderfläche der Ulna, medianwärts neben 
der Crista interossea und nur ganz unten vom Lig. interosseum. 

Die Portion für den vierten Finger entspringt neben der vori- 
gen von der Vorderfläche der Ulna, mit den obersten Fasern auch von 


I) M. f. d. perforans. 


I. Tiefe 

Muskeln. 

* Erste 

Schichte. 

1. Flex. dig. 
prof. 


196 Flexor dig. prof. 


der Sehne des M. ulnaris int., am unteren Ende mit einigen Bündeln vom 
Fig. 96. Lig. inteross. und von 
der medialen Fläche 

der Ulna. 

Die Kleinfin- 
gerportion entsteht 
zwischen den ober- 
sten und untersten 
Fasern der vorigen 
von der Vorderfläche 
der Sehne des M. ul- 

Ui naris -int. und von 
der medialen Fläche 
der Ulna. 

Die Sehnen sind 
durch festeres Binde- 
gewebe verbunden, 
als die des Flexor 
dig. subl., und insbe- 
sondere hängen die 

Fap4 Sehnen des dritten, 
vierten und fünften 
Fingers genau zu- 
sammen. Mit und 
Fdp5 unter (hinter) den 
Sehnen des M. flexor 
dig. subl. gehen sie 
N in die Hohlhand und, 
\ die oberflächlichen 
Sehnen durchboh- 


iTES\ rend, zur Basis der 
# WR, ZmMNN N 
Y 7 IN Endphalange. 
ER Dem Zeigefinger- 
a» Ale on kopfe sendet der Ram. 
erarm, Vorderfläche, die oberflächlichen Muskeln am Hand- ia- 
gelenke abgeschnitten und umgelegt. Der Armbeinkopf des = er 


Ulnaris int. (Vi) durchschnitten. Fds M. flexor dig. subl. MUS in der Mitte des 
Fdp M. flex. dig. prof. FpIM, flex. poll. long. Vorderarmes einen 


Pg M. pronator quadr. Zwei g zu; die übri- 
gen Köpfe erhalten hoch oben ihre Zweige vom N. ulnaris. Einmal sah 
ich den Mittelfingerkopf ausser vom Ulnaris auch durch einen Zweig des 
N. medianus versorgt. 


ZI 


= 


, Var. Statt des Flexor poll. longus erhält die Zeigefingerportion des Flex. 
dig. prof. einen schmalen Kopf aus der Ursprungsmasse der oberflächlichen Mus- 
keln. Ein vom Flex. poll. long. in der Gegend der Handwurzel sich abzweigen- 
der Muskelbauch verbindet sich durch seine Sehne mit der Sehne der Zeigefinger- 
portion (Gantzer bei Meckel S. 527). Die Zahl der Bäuche ist vermehrt, der 
überzählige giebt?zu zwei Fingern Sehnen ab (Arnold). 


Flexor pollieis long. 197 


- 


| 
Al 


ZA 
Nj ! 


ı 
il 


we r 
ISS>>ISS 


— ss 


SS 


> 


Ober- und Unterarm von vorn. Vergl. Fig. 87. 


2. M. flex, poll. long. Fp1)). 


Der M. flexor poll. long. 
entspringt unter und neben 
dem Radialkopfe des Flex. 
dig. subl. bis herab zum obe- 
ren Rande des Pronator qua- 
dratus an der Vorderfläche 
des Körpers des Radius und 
dem angrenzenden Theile des 
Lig. interosseum; dann, plötz- 
lich verdünnt, an der vorde- 
ren Kante des Radius, neben 
dem Pronat. quadr. und etwa 
bis zur Hälfte der Höhe die- 
ses Muskels (Fig. 98). Die 
Sehne des M. flex. poll. long. 
läuft am vorderen, medialen 
Rande des Muskels, und die 
Fleischfasern steigen schräg 
und ziemlich parallel zu der- 
selben herab. 


Sehr häufig kommt zu dem 
eben beschriebenen Kopfe ein 
zweiter, platter und schma- 
ler 2), welcher mit den ober- 
flächlichen Muskeln und zwar 
bald aus der oberflächlichen, 
bald aus der tiefen Ursprungs- 
masse derselben, bald aus bei- 
den zugleich entsteht und in 
eine dünne, mit der Sehne des 
beständigen Kopfes zusam- 
menfliessende Sehne übergeht 
(Fig. 97 FpLV). 


Der Nerv, ein Ast des R. 
prof. N. mediani läuft mit 
zwei Zweigen an der hinteren 
und vorderen Fläche des Mus- 
kelbauches herab. 


I) M. flexor poll. proprius I. 
2) Fasciculus exilis Langenbeck. 


.2. Flex. 
poll. long. 


198 Pronator quadr. 


Var. Der Raum zwischen dem schmalen Kopfe vom medialen Epicondylus 
und dem breiten Kopfe vom Radius wird durch eine oder einige von der Sehne 
des M. brachialis int. oder von der Tuberosität des Radius kommende, schmale 
Köpfe (Fig. 97 Fp!“) ausgefüllt. Wegen des Zusammenhanges mit dem M. flex. 
digit. prof. s. diesen. In einem von Moser (Meckel’s Archiv. Bd. VI. S. 230) 
mitgetheilten Falle bezog der M. flex. poll. long. einen Kopf von der Oberfläche 
des M. pronator teres. 


** Zweite Schichte. 
M. pronator quadratus Py 1). 


** Zweite Vierseitie, platt, das untere Drittel der Unterarınknochen und also 
5: P 


Schichte. A 
Pronat. auch das untere Radio-Ulnargelenk 


RUAAT, von vornher deckend, von der vor- 


deren Kante der Ulna zur Vorder- 
fläche des Radius. Die Fasern ver- 
laufen meist parallel, transversal; 
sie sind, je oberflächlicher, um so 
länger, die oberflächlichsten vom 
Ursprunge an eine Strecke weit 


sehnig. 


Der Endzweig des Ram. pro- 
fund. N. mediani tritt von der 
Mitte der hinteren Fläche in den 
Muskel ein. 


Var. Fehlte Einmal (Meckel). 
Zerfällt in zwei Schichten von ver- 
schiedenem, unter spitzem Winkel ge- 
kreuztem Faserverlaufe. 


Durch seine straffe Verbindung mit 
der äusseren Fläche der Kapsel des 
ı unteren Radio - Ulnargelenkes regulirt 
3 der M. pronanator quadratus die Fal- 

tung dieser Kapsel bei den Pronations- 
Unteres Ende des Unterarmes von vorn, die bewegungen. 
Beugemuskeln entfernt. M. flex. poll. long. 
(Fpl) abgeschnitten und zur Seite gelegt Der 
Pron. quadr. am Ursprunge und der Insertion 
abgeschnitten, Br Sehne des M. brachiorad. ») M. pr. inferior Meckel. Viereckiger 
Vorwärtswender. (Carre pronateur Oruv. 


Brachioradialis. 199 


ß. Muskeln des radialen Randes. 


Sie entspringen, drei an der Zahl, am unteren Drittel des Oberarmes 
und am oberen Drittel des Unterarmes in fast continuirlicher Reihe, jedoch 
so, dass der obere Rand jedes tieferen Muskels den unteren Rand des 
nächst oberen von hinten her deckt, zu oberst vom lateralen Lig. inter- 
musculare, dann von der lateralen Kante des Armbeines und, gemeinschaft- 
lich mit den oberflächlichen Muskeln der Streckseite, von der rauhen Vor- 
derfläche des lateralen Epicondylus und von einem, von diesem Epicondylus 
aus abwärts sich erstreckenden, mit der Kapsel des Ellenbogengelenkes ver- 
wachsenen Sehnenblatte;; endlich von einem freien, aufwärts concaven fibrö- 
sen Bogen, welcher von der Kapsel ausgeht und vorn in die Fascie des 
Supinator sich verliert. Die Bäuche sämmtlicher Radialmuskeln sind platt 
oder, bei besonders starker Muskulatur, prismatisch. Indem sie sich, dicht 
aneinander gefügt, schräg ab- und vorwärts um den Arm winden, füllen 
sie die oben erwähnte Rinne des M. brachialis int. aus und bedecken am 
Unterarme die vordere Fläche des Radius. Am mittleren Drittel des Unter- 
armes gehen sie der Reihe nach und in der Ordnung, wie sie am Armbeine 
entspringen, in platte Sehnen über und gegen das untere Ende des Unter- 
armes trennen sich diese Sehnen von einander, indem die Sehne des ober- 
sten Muskels, des M. brachioradialis, über dem M. abductor poll. long. 
zum Rande und zur Vorderfläche des Proc. styloid. radii geft, während die 
Sehnen der beiden anderen Muskeln, der Mm. radiall. extt. long. und brevis, 
unter dem genannten Daumenmuskel weg und durch eine besondere, vom 
Lig. carpi commune überbrückte Scheide sich auf die Rückenfläche der 
Hand zur Basis des zweiten und dritten Mittelhandknochens begeben. 

Die Sehnen der Mm. radiales externi sind bis an das Lig. carpi com- 
mune durch straffes Bindegewebe an einander befestigt und die unterste ist 
durch ein schleimiges Bindegewebe mit dem Knochen verbunden. In der 
vom Lig. carpi ecommune überbrückten Rinne des Handgelenkes, in welcher 
sie gemeinschaftlich eingeschlossen sind, werden sie von einer langgestreckt- 
eiförmigen Synovialscheide 1) umgeben, welche sich vom oberen Rande des 
genannten Ligamentes bis in die Nähe der Insertion der Sehnen erstreckt. 
Eine durchbrochene zarte Platte, die von der Knochenrinne zu dem die 
beiden Sehnen verbindenden Bindegewebe aufsteigt, theilt die Scheide un- 
vollkommen in zwei Fächer. Ihre Nerven erhalten die radialen Muskeln 
vom Stamme des N. radialis, der M. brachioradialis nach oberhalb des 
Ellenbogengelenkes, die Mm. radiales ext. dicht unterhalb desselben. 


1. M. brachioradialis Sömm. Br?) 


Entspringt mit einigen Bündeln fleischig aus dem Lig. intermusculare 
laterale und mit der Hauptmasse kurzsehnig an der lateralen Kante des 


») Bursa vaginalis vadialis comm. inf. Monro. 
2) M. supinator longus aut. Langer Rückwärtswender oder Dreher. Armspeichen- 
muskel. 


P. Radiale 
Muskeln. 


1. Brachio- 
radialis. 


200 Brachioradialis. 
Armbeines oberhalb des Epicondylus (Fig.99. 100). Der Muskel ist gleich 
Fig. 99. Fig. 100. 


Oberarm, exarticulirt, laterale Fläche. D M.del- Unterarm und Hand, Rückenfläche, Ag 
toideus. Tmj M.teresmaj. AI M.ancon. long. M.ancon. quart. Ve M, uln. ext. Egp 
sämmtlich vom Ursprunge abgeschnitten. Ad, M. extens. dig. quinti proopr. Ede M. 
Ab M. ancon. br, vertical durchschnitten und ext. dig. comm. Ap2 M. abd. poll. long. 
nach beiden Seiten zurückgeschlagn. Ai M. Epb, Ep! M. extensor poll. brev. und 
ancon. int. Ag M. ancon. quart. Nr N. ra- long. Eip Sehne des M, extensor 
dialis. Nr‘ Hautast desselben, ind. propr. 
Bi M, brach. int. 


Radialis ext. long. 201 


unterhalb des Ursprunges hoch dreiseitig prismatisch, mit einer vorderen, einer 
hinteren und einer schmalen und etwas ausgehöhlten unteren Fläche, welche 
letztere auf dem wulstigen oberen Rande des Radialis ext. long. ruht. Indem 
die Kante, in der seine vordere und hintere Fläche oben zusammenstossen, sich 
allmälig in dem Maasse abflacht, als die untere Fläche breiter wird, legt er 
sich platt auf die Vorderfläche des Unterarmes mit scharfen, median- und 
lateralwärts schauenden Rändern. Der mediale Rand ist durch Vermitte- 
lung der Faseie über den Vasa radialia an den lateralen Rand des M. radia- 
lis int. herangezogen. 


Die Insertionssehne beginnt auf der hinteren Fläche des Muskels in 
der ganzen Breite desselben, wird unter der Mitte des Unterarmes frei und 
schmal, breitet sich dann aber in der Nähe der Insertion wieder aus, um 
die Fläche des Proc. styloid. radii, in welcher die Sehnen des Abductor 
und Extensor br. pollieis sich bewegen, auszukleiden (Fig. 98). 


Vom lateralen Rande des Muskelbauches verlieren sich einige Fleisch- 
fasern in die Fascie der Rückseite des Unterarmes; die Insertionssehne 
hängt an den Rändern der Rinne, die sie auskleidet, mit dem Lig. carpi 
comm. und weiter oben mit der Fascie des M. pronator quadr. zusammen. 


Var. Er fehlt an beiden Extremitäten (eigene Beobachtung). Er kann in 
der ganzen Länge in zwei Portionen getrennt sein, die sich erst in der Insertions- 
sehne vereinigen. Ein accessorischer M. brachioradialis entspringt breit und dick 
neben und über dem Ursprunge des normalen und geht zwischen diesem und den 
Mm. radiales in die Tiefe, theils in den M. supinator über, theils an den Radius 
— ein wirklicher Supinator — (Gruber, Müller’s Archiv. 1848. S. 428). 


Es ist leicht, sich zu überzeugen und auch nunmehr allgemein anerkannt, dass 
der M. brachioradialis den Vorderarm auch aus der äussersten Pronation nicht zu 
supiniren vermag. Er ist reiner Beuger des Vorderarmes. 


2. M. radialis ext. long. Rel)). 


Sein Ursprung erstreckt sich bis zur Spitze des lateralen Epicondylus 
herab, an welcher er mit dem gleichnamigen kurzen Muskel verwachsen ist; 
aufwärts reicht er zuweilen an das Lig. intermusculare. Der Muskelbauch 
deckt das Capitulum des Armbeines; seine Fasern convergiren gegen die 
Insertionssehne, welche, anfänglich breit und platt, sich zuerst am lateralen 
Rande und an der inneren Fläche des Muskels zeigt und am oberen Ende 
des mittleren Drittels des Unterarmes völlig frei wird. In der Scheide des 
Lig. carpi comm., die ihr und der Sehne des Rad. ext. brevis gemein ist, 
liegt sie über der letzteren und befestigt sich, etwas ausgebreitet, an die 
Basis des zweiten Mittelhandknochens (Fig. 100). 


Var. Nimmt ein Bündel vom M. rad. ext. br. auf. Theilt sich in zwei Seh- 
nen, von welchen die Eine mit dem M. radialis ext. br. zum dritten Mittelhand- 
knochen verläuft. 


) M. extensor carpi rad. longus. Langer äusserer Speichenmuskel. Langer Speichen- 
strecker. Premier radial externe Cruv. 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


2. Rad. ext. 
long. 


292," Radial. ext. br. 


3. M. radialis ext. brevis Reb). 


3. Rad, ext. Entspringt mit der Masse der oberflächlichen Streckmuskeln vom Epi- 
condylus und der Kapsel des Ellenbogengelenkes und gemeinschaftlich mit 


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Bi M. brachialis int. vorwärts umgelegt. 
Pt Insertionssehne des M. pronator teres, 


4ApI! M. abductor poll, long. zurückgeschlagen. 


Fig. 101. 
Die Mm. brachioradialis und’ rad. ext. long. dicht am Ursprunge abgeschnitten, 


Ede M. ext. dig. comm. $u M. supinator. 


Epl, Epb _M. extens. poll. long. und br. 


von der Insertionssehne abgetrennt und zurückgeschlagen. 


Arm von vorn ın Pronation, 


M. biceps. 


\) M. extensor carpi radialis br. s. secundus. Kurzer äusserer Speichenmuskel. Kurzer 
Speichenstrecker. Second radial externe. 


Radial. ext. br. 203 


dem M. ext. dig. comm. von einem Sehnenstreifen, der bis ans Ende des oberen 
Drittels und selbst bis zur Mitte des Unterarmes herabreicht. Nach vorn 
setzt sich der Ursprung der Fasern auf den oben erwähnten fibrösen Bogen 
fort, der einerseits an der Seitenfläche der Kapsel, andererseits durch Ver- 
mittelung der Fascie des Supinator an der Vorderfläche der Kapsel fest- 
sitzt und von unten her eine Lücke begrenzt (Fig. 101*), durch die der 
tiefe Zweig des N. radialis zum Supinator und Zweige der Vasa recurr. 
radialia unter die Radialmuskeln und zum Gelenke gelangen. Die an die- 
sem fibrösen Bogen entspringenden -Muskelfasern gehen gerade abwärts, die 
weiter hinten entspringenden schräg ab- und um den Rand des Armes 
herum vorwärts an eine Sehne, die zuerst am medialen Rande und auf der 
Vorderfläche des Muskels sichtbar und am unteren Ende des mittleren Drit- 
tels des Unterarmes frei wird und, theilweise gedeckt von der Sehne des 
M. rad. ext. long., zur Basis des dritten Mittelhandknochens verläuft. 

Theile gedenkt eines Schleimbeutels zwischen dem Ursprunge des 
M. rad. ext. br. und dem M. supinator; ein anderer findet sich zuweilen 
unter der Insertion der Sehne am Mittelhandknochen. 


Var. Fehlt oder ist so mit dem M. rad. ext. long. verwachsen, dass der letz- 
tere zwei Sehnen abzugeben scheint. An einem Arme, an welchem der M. ext. 
rad. long. dem zweiten und dritten Mittelhandknochen Sehnen gab, sah Berg- 
mann (Handschr. Notiz) auch den M. rad. ext. br. in zwei Sehnen enden, eben- 
falls zum zweiten und dritten Mittelhandknochen. 

Neben der Bestimmung, die Hand zu strecken und, in Verbindung mit dem 
M. radialis int., sie radialwärts zu beugen, muss der M. radialis ext. long. auch 
eine Wirkung auf das Ellenbogengelenk haben, welche von den meisten Autoren 
für eine beugende, von Sharpey für eine streckende erklärt wird. Der M. rad. 
ext. brevis muss bei der Beugung im Ellenbogengelenke thätig sein, um die Kapsel 
zu spannen und vorwärts von den Knochen abzuheben. 


y. Muskeln der Rückseite. 


Sie liegen in zwei Schichten, deren Fasern im Allgemeinen einander 
unter spitzem Winkel kreuzen, indem die Muskeln der oberflächlichen 
Schichte von der Gegend des lateralen Epicondylus, wo sie mit den Mus- 
keln des radialen Randes zusammenstossen, mehr oder minder steil median- 
abwärts verlaufen, während die Muske!n der tieferen Schichte von der Ulna 
und dem Radius her lateral-abwärts ziehen. Die Muskeln der oberfläch- 
lichen Schichte inseriren sich an den Ulnarrand des Unterarmes und der 
Hand und an die Finger vom fünften bis zum zweiten; die Muskeln der 
tiefen Schichte inseriren sich an den Radialrand des Unterarmes und der 
Hand und an die zwei lateralen Finger. Daher werden die tiefen Muskeln 
unterhalb der Mitte des Unterarmes, wo die oberflächlichen und die radialen 
auseinander weichen, zwischen diesen beiden Muskelgruppen sichtbar; sie 
kommen neben dem lateralen Rande der ersteren zum Vorschein und treten, 
einer nach dem anderen, schräg über die Sehnen der Mm. radiales ext. 
hinweg (Fig. 102 a. f. S.). 

Die Muskeln der Rückseite des Unterarmes sind, jeder besonders, in 
einem festen, fibrösen Fachwerke eingeschlossen, welches dadurch entsteht, 
dass die oberflächliche Fascie mit derjenigen, die die tiefen Muskeln deckt, 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


Y-. Muskeln 
der Rück- 
seite. 


204 Muskeln der Rückseite. 


und diese wieder mit dem Lig. interosseum durch Blätter in Verbindung 
steht, die zwischen je zwei Muskeln in die Tiefe dringen. In den Fächern 


FE 

3 
Unterarm und Hand, Rückenfläche. Ag 
M. ancon. quart. De M, ulnaris ext. 


Egp M.extens. dig. quinti propr. Apl 

M. abd. poll. long. Epb, Ep!M. ext. 

poll. brev. und long. Eip Sehne des 
M. ext. ind. propr. 


liegen die Muskelbäuche unverrückbar 
fest; von der inneren Fläche der 
Fächer entspringen in variabler Zahl 
Muskelbündel, welche sich an die 
vom Knochen stammenden Bäuche an- 
legen und sie verstärken. So gleiten 
auch die bis zum Handgelenk und 
über dasselbe hinausreichenden Sehnen 
in röhrenförmigen Fächern, welche 
durch stellenweise Verwachsung des 
Lig. carpi comm. mit Leisten an den 
unteren Enden der Unterarmknochen 
gegen einander abgeschlossen werden. 

In der oberen Schichte liegen neben 
einander, mit den Insertionen immer 
weiter ulnarwärts rückend und dem- 
nach mit der Richtung der Fasern 
immer mehr von der Verticalen ab- 
weichend: M. ezxtensor dig. comm., 
extensor dig. quinti propr., ulnaris 
ext. und anconeus quartus. Es sind, 
mit Ausnahme des letztgenannten, Mus- 
keln, welche über das Ellenbogen- und 
Handgelenk wegsetzen. Die tiefere 
Schichte begreift zu oberst einen Mus- 
kel, der über das Ellenbogengelenk 
hinweg zum oberen Theile des Unter- 
armes geht, den M. supinator; an 
den unteren Rand dieses Muskels 
schliessen sich vier Muskeln, von ein- 
ander ähnlicher Form und ähnlichem 
Verlaufe an, welche, streng genommen, 
wieder zwei Schichten bilden. In 
beiden Schichten sind die Bäuche platt 
kegelförmig, mit radial-abwärts ge- 
richteter Spitze und gegen die Spitze 
convergirenden Fasern; die platteylin- 
drischen Sehnen gehen sämmtlich in 
der Richtung der Längsaxe der Bäu- 
che über das Handgelenk zum Mittel- 
handknochen des Daumens und zu den 
Phalangen des Daumens und Zeige- 
fingers.. Von diesen Muskeln nehmen 
drei die oberflächlichere Schichte ein, 
M. abductor poll. long., extens. poll. 
long. und ewtens. ind. propr. In der 


Extens. dig. comm. 205 


aufgezählten Reihe, wie sie sich mit den Endsehnen weiter medianwärts 
ansetzen, entspringen sie ausschliesslicher von der Ulna und weiter abwärts 
an derselben, so jedoch, dass jeder folgende mit seinem oberen Rande den 
unteren Rand des nächst höheren deckt, und in derselben Reihe gehen sie 
dem Handgelenke näher in ihre Sehnen über. Der einzige Muskel der 
tiefsten Schichte, M. extens. poll. br., entspringt bald dem Radius, bald der 
Ulna näher. Seine Sehne verläuft mit der des M. abductor poll. long. über 
die Sehnen der Mm. radiales extt. am Radialrande des Armes herab und 
durch ein gemeinsames Fach des Lig. carpi comm.; der zweite Muskel der 
oberen Schichte, M. ext. poll. long., läuft medianwärts neben den Mm. ra- 
diales extt. unter diesem Ligamente weg, der dritte, M. extens. ind. propr., 
schliesst sich im Verlaufe über das Handgelenk den Sehnen des M. ext. 
dig. comm. an. 

Die Muskeln, deren Sehnen sich zu den Fingern begeben, verfolge ich 
hier nur bis zum Handgelenke und verweise wegen ihres weiteren Ver- 
laufes in der Hand und ihrer Befestigung an den Fingern auf die Beschrei- 
bung der Muskulatur der Hand. 

Die Nerven der genannten Muskeln entspringen sämmtlich vom R. 
profundus N. radialis, den M. anconeus quartus allein ausgenommen, der 
von einem Zweige des N. radialis versorgt wird, welcher schon am Ober- 
arme vom Stamme ab- und zum M. anconeus int. geht. 


I. Oberflächliche Schichte. 


1. M. extensor digit. comm. Hide. 


Entspringt am Epicondylus lateralis mittelst desselben, an das Lig. 
annulare radii und den obersten Theil der Sehne des M. supinator ange- 
wachsenen Sehnenblattes, von welchem auch die Fasern des M. rad. ext. 
br. ihren Ursprung nahmen, und theilt sich sogleich in drei Bäuche, aus 
welchen die platteylindrischen Strecksehnen für die einzelnen Finger (mit 
Ausschluss des Daumens) hervorgehen. 

Der Strecker des zweiten Fingers (Fig.103 Ede?) wird am Ursprunge 
von hinten her durch den M. rad. ext. br. und durch den Strecker des drit- 
ten Fingers gedeckt, von dem letzteren auch an der Vorderfläche umfasst; 


seine Fasern gehen von dem gemeinschaftlichen Sehnenblatte und von der. 


Vorderfläche des Rad. ext. br., sodann von einer Sehne aus, die sich am 
lateralen Rande des Muskels bis gegen die Mitte des Armes herab erstreckt; 
sie begeben sich ziemlich steil median-abwärts an eine Sehne, die hoch 
oben am medialen Rande des Muskels entsteht und unter dem mittleren 
Drittel des Unterarmes frei wird. 

Der Strecker des dritten Fingers entspringt, den medialen Rand des 
vorigen umfassend, mit einem kegelförmigen, gegen die Insertionssehne 
sich zuspitzenden Bauche von der Gelenkkapsel und der oberflächlichen 
Fascie des Unterarmes und nimmt am oberen Drittel desselben noch einzelne 
Bündel von dem Fascienblatte auf, welches den- Ext. dig. comm. vom 
Ext. dig. quinti propr. trennt. 

Der Bauch des Ext. dig. comm., aus welchem die Sehnen für den 


I. Oberfl. 

Schichte. 

1. Ext. dig. 
comm. 


206 Extens. dig. comm. 


vierten und fünften Finger hervorgehen, erhält seine Fasern unterhalb des 
Fig. 103. oberen Endes des Ra- 

- dius und weiter hinab 
bis in die Nähe des 
Handgelenkes von 
dem eben erwähnten 
Blatte der Fascie, das 
zwischen dem Ext. 
dig. comm. und Ext. 
dig. quinti propr. in 
die Tiefe geht. Die 
Muskelbündel, die 
sich von unten an 
mehr oder weniger 
weit hinauf in zwei 
gesonderte Bäuche 
scheiden lassen, ver- 
laufen schräg abwärts 
zu den am lateralen 
Rande hervortreten- 
den Insertionssehnen. 


Var. Der Kopf 
zum zweiten Finger ent- 
sprinst ganz auf der 
Aussenfläichke des M. 
rad. ext. br., weiter 
nach unten als der Kopf 
zum dritten Finger. 
Der Muskel besteht nur 
aus zwei Bäuchen, de- 
ren jeder zwei Sehnen 
abgiebt, oder der dem 
vierten und fünften 
Finger bestimmte Bauch 
theilt sich in zwei oder 
selbst in drei; im letz- 
teren Falle erhält der 
vierte Finger zwei Seh- 
nen, oder eine Sehne 
ist dem vierten und 
fünften Finger gemein- 
schaftlich. Eine Spal- 
tung des dritten und 
Arm von vorn in Pronation, Die Mm. brachioradialisund rad. vierten Bauches wieder 
ext. ine: ie am pen? ann er nn ext. E in je zwei Sehnen be- 

on de nsertionssehne abgetrennt und zurückges agen. % ” = 
M. brachialis int. vorwärts ee B Tkafionencine des POUR LE Korn 
M. bicep. Su M, supinator. Pt Insertionssehne des M. MEnt. acad. petropol. 
pronator teres. Fp! M. flexor poll. long. Epl, Epb M. ext. T.. XD. p- 321). 
poll. long. und br. Apl M. abductor poll, long. zurück- 

geschlagen. AR Sehnen der Radialmuskeln, 


Ext. dig. quinti pr. Ulnaris ext. 207 


2. M. exiensor digit. quinti propr. Egp. 
* = 

Ein spindelförmiger Muskel, welcher mit abwärts convergirenden Bün- 
deln allseitig von den Wänden des fibrösen Faches, das ihn einschliesst, 
entspringt, von dem oberflächlichen, wie von dem tiefen Blatte’ der Fascie 
und ebenso von den Blättern derselben, die ihn von den beiden benachbar- 
ten Muskeln abgrenzen. Die obere Spitze des Muskelbauches liegt in glei- 
cher Höhe mit dem Halse des Radius; abwärts reichen die Muskelbündel 
nicht ganz so weit, wie an dem Kleinfingerbauche des M. ext. dig. comm. 

Sehr hänfig ist die fibröse Scheidewand zwischen dem M. extensor dig. 
quinti propr. und dem dritten Bauche des M. ext. dig. ecomm. nach unten 
unvollständig, ihre Verbindung mit dem tiefen Blatte locker, und erscheint 
dann als ein freier Sehnenstreif, von welchem die Fasern nach beiden Seiten 
abwärts divergirend ausstrahlen. 


Var. Fehlt und wird durch eine Sehne vom M. ext. dig. comm. oder vom 
M. ulnaris ext. (s. diesen) ersetzt. Spaltet sich in zwei Sehnen, welche entweder 
beide zum fünften Finger, oder von welchen Eine zum vierten Finger gehi. 


3. M. ulnaris externus UeN). 


Die Hauptmasse dieses Muskels entspringt mit abwärts verlaufenden Fa- 
sern zwischen der Fascie und einem besonderen längsfaserigen Sehnenblatte, 
welches an der Kapsel des Ellenbogengelenkes angewachsen ist und sich 
auf der vorderen Fläche des Muskels bis gegen die Mitte des Unterarmes 
hinab erstreckt (Fig. 102). An seinem medialen Rande stossen .diese beiden 
Blätter in einer scharfen Kante zusammen. Die Kante ist an die Fascie 
des Supinator straff angeheftet und verbindet sich mit der den Anconeus 
quart. deckenden Fascie. Der untere Theil des Muskelbauches und die 
breite Insertionssehne, die in der halben Höhe des Unterarmes auf der freien 
Fläche des Muskels sich entwickelt, liegen locker befestigt innerhalb einer 
engen Scheide, deren vordere Wand die Ulna, deren hintere Wänd die 
der Länge nach an die Ulna angewachsene Fascie bildet. Von dem latera- 
len Rande dieser Fascie, seltener von der Ulna her, gehen bis etwa zur 
Mitte der Höhe des Armes einzelne Muskelbündel schräg abwärts an den 
Bauch des Uln. ext. Weiter unten entstehen noch an dem tiefen Sehnen- 
blatte Bündel, um schräg rück-, lateral- und abwärts an die Insertionssehne 
sich zu befestigen. 

Die Sehne geht durch ein von schleimigem Bindegewebe ausgekleidetes 
Fach unter dem Lig. c. comm. hindurch zur Basis des fünften Mittelhand- 
knochens. 

Nach Meckel ist zwischen dem oberen Ende des Muskels und dem 
Köpfchen des Radius zuweilen ein Schleimbeutel eingeschaltet. 


Var. Giebt nicht selten eine feine Sehne ab, welche am Fingercarpalgelenke 
mit der Sehne des Extensor dig. quinti propr. verschmilzt (ein Analogon der Sehne 


0) M. extensor carpi ulnaris. Ellenbogenstrecker der Hand. Aeusserer Ellenmuskel. 
Cubital posterieur Cruv. 


2. Ext. dig. 
quinti 
propr. 


4. Aucou. 
quart. 


208 Ancon. quart. 


des M. peroneus br. zur fünften Zehe). Ich sah eine feine, vom M. ulnaris ext 


Fig. 104. 


NLÄÄTIST 


III 


TERN 


3 


Oberarm, exarticulirt, laterale Fläche. DM. 
deltoideus. 7mj M. teres maj. AZ M. ancon. 
long., sämmtlich vom Ursprunge abgeschnitten. 
Ab, Ab M. anconeus br., vertical durchschnit- 
ten und nach beiden Seiten zurückgeschlagen, 
Ai M. ancon. int. Nr N. radialis. Nr‘ Haut- 
ast desselben. Bi M. brachialis int. Br M. 
brachiorad. Rel M. radialis ext, long. 


abgezweigte Sehne sich an das fibröse 
Septum befestigen, welches die 
Scheide des M. ulnaris ext. am 
Handgelenke von der Scheide des 
M. ext. dig. quinti propr. trennt. 


4. M. anconeus quartus Ag). 


Ein in der Regel platt dreisei- 
tiger Muskel, an der hinteren 
Fläche von der Fascie bedeckt 
und durch lockeres Bindegewebe 
von derselben geschieden, mit 
der vorderen Fläche der Kapsel 
des Ellenbogengelenkes zuge- 
kehrt und fest an dieselbe an- 
gewachsen, den Raum zwischen 
dem unteren Rande des M.ancon. 
int. und dem oberen medialen 
Rande des M. ulnaris ext. ausfül- 
lend (Fig.104). Die lateralwärts 
gekehrte Spitze des Muskels ent- 
spricht dem Ursprunge dessel- 
ben; es ist eine starke, kurze, 
eylindrische Sehne, die in einer 
Grube der unteren Fläche des 
Epieondylus lateralis dicht über 
dem hinteren Rande des Capitu- 
lum wurzelt und sich an der vor- 
deren Fläche und dem unteren 
Rande des Muskels am längsten 
erhält. Vom Ursprunge aus ver- 
laufen die obersten Muskelfasern 
quer, die weiter abwärts folgen- 
den allmälig steiler medianwärts 
absteigend zum Ölecranon, um 
sich an dessen laterale Fläche 
und weiter abwärts an die vom 
Oleeranon absteigende Kante bis 
gegen das Ende des oberen Drit- 
tels der Ulna zu befestigen. 

Zum M. ancon. int. steht der 
ancon. quartus in einem verän- 
derlichen Verhältnisse und danach 
wechselt auch die Form seines 
oberen Randes. Nur ausnahms- 


) M. anc. parvus. Knorrenmuskel. 


Supinator. 209 


weise sind beide Muskeln deutlich gegen einander abgesetzt; in der Regel 
geht die Faserung des M. ancon. int. ohne Unterbrechung in die des ancon. 
quartus, der Ursprung des Muskels also continuirlich vom Körper des Arm- 
beines auf den Epicondylus, seine Insertion von der gemeinsamen Sehne 
des Extensor triceps auf die Seitenfläche des Oleeranon über. Zuweilen 
aber erstrecken sich in der Fortsetzung des M. ancon. quartus Muskelfasern 
von gleicher oder etwas schräger aufsteigender Richtung als eine tiefste 
Schichte unter die Faserung des Anconeus int. eine Strecke weit aufwärts D). 

Unter dem Ursprunge des M. anconeus quartus liegt ein kleiner, unbe- 
ständiger Schleimbeutel, der mit dem Gelenke communieirt und nur eine 
Ausbuchtung der Kapsel zu sein scheint. 


Die Bestimmung des M. anconeus wird klar, wenn man den Arm nach Ab- 
trennung dieses Muskels eine Streckbewesung ausführen lässt; die schlaffe und 
dünnwandige Kapsel klemmt sich dabei jedesmal zwischen die Gelenkflächen, ins- 
besondere des Armbeines und des Radius. Dies wird dadurch verhütet, dass sie an 
die Vorderfläche des M. anconeus quart. angewachsen ist und bei dessen Contrac- 
tion in feine Falten gelegt wird. 


U. Tiefe Schichte. 
1. M. supinator N u?). 


Der M. supinator ist ein platter Muskel, welcher nach Art einer Halb- 
rinne das obere Ende des Radius dicht umschliesst. Er geht vom lateralen 
Rande des Ellenbogengelenkes und der Ulna um den Radius herum zu 
dessen Vorderfläche mit schräg und je weiter nach unten um so steiler ab- 
steigenden Fasern, die bei der Pronation gedehnt und um den Radius kreis- 
förmig aufgewickelt werden und so in die Stellung kommen, um den Kno- 
chen wie mit hakenförmig um ihn gelegten Fingern in die Supinationslage 
zurückzuführen. 

Regelmässig besteht der Supinator aus zwei Schichten von fast glei- 
chem Faserverlaufe, von denen die tiefe die oberflächlichere am oberen und 
unteren Rande überragt; zwischen beiden nimmt der R. profund. N. radial. 
seinen Weg zum Rücken des Vorderarmes (Fig. 105. 106). 

Von der tiefen Schichte (Fig. 109 Sw‘) entspringen die obersten Bündel, ge- 
deckt durch die Ursprungssehne des M.rad. ext. br. und ext. dig. comm. aus 
dem lateralen Theile der vorderen Kapselwand des Ellenbogengelenkes, durch 
deren Faserung sie sich zum Theil aufwärts an den lateralen Epicondylus 
zurückverfolgen lassen. Diese Bündel befestigen sich, indem sie quer um 
die Vorderfläche des Halses des Radius herum und zwischen beiden Vorder- 
armknochen in die Tiefe gehen, an den Radius oberhalb seiner Tuberosität; 
zum kleinen Theil strahlen sie wieder aufwärts in die Kapsel aus. Durch» 


!) Ich vermuthe, dass diese schräg aufsteigenden Fasern, die, wenn man sie vom 
Oberarme aus präparirt, gegen die Gelenkkapsel abzusteigen scheinen, Theile zur Auf- 
stellung eines, dem M.suberuralis analogen M. subanconeus Anlass gegeben haben. Aller- 
dings lässt sich zuweilen auch der M. anconeus int. in oberflächliche und tiefe Schichten 
zerlegen, aber die tieferen Lagen gehen alsdann, wie die oberflächlichen, an den Proc. 
anconeus. Zur Kapsel zweigen sich immer nur ein paar feine Bündel ab. 

2) M. supinator brevis aut. Kurzer Rückwärtswender. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 14 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen, 


I. Tiefe 
Schichte. 
1. Supina- 
tor. 


210 Supinator. 


straffes Bindegewebe mit der unteren Kapselwand verbunden, helfen sie das 
Köpfchen des Radius tragen. Die folgenden Bündel der tiefen Schichte 


Fig. 105. "Fig. 106: 


Ellenbogengelenk und M. supinator nach Entfernung der Muskeln der Vorderfläche, von 

vorn. Fig. 105 in Supination, die Ulna durchsägt, um das obere Ende weiter vom Radius 

abzuziehen. Fig. 106 in Pronation. RR Ursprünge der radialen Muskeln, Bi des M. 

brach. int. * der Beugemuskeln. B Insertionssehne des M. biceps. ** Schleimbeutel 
unter derselben, geöfinet. A Insertionssehne des M, anconeus. 


entspringen sehnig vom hinteren Rande des Sinus lunatus der Ulna und 
von einer vom Sinus lunatus zur hinteren Kante der Ulna herabziehenden 
Leiste, unmittelbar vor der Insertion des M. anconeus quartus; sie inseriren 
sich am lateralen und unteren Rande der Tuberosität des Radius und an 
einer von dieser Tuberosität ab- und rückwärts laufenden Linie. 


Fig. 107. Die oberflächliche Portion entspringt mit der 

- B tiefen und nur in geringerer Ausdehnung von der 

Ulna und geht mit ihrer Insertion weiter vorwärts 
——g an eine ebenfalls von der Tuberositas radii parallel 

’ y dem oberen Rande des M. flex. poll. long. bis zu 
der Rauhigkeit, an welche der M. pronator teres sich 

. Horizontalschnitt der Vor- anheftet, ab- und rückwärts verlaufende Linie. Zwi- 
en a Se schen den Insertionen der oberflächlichen und tiefen 
dem M. supinator, in Pro- Schichte bleibt ein schmaler Streifen des Radius frei. 


Be Be nase Der ausgeschnittene Theil des Randes des Su- 
d pinator, welcher die Tuberosität des Radius umfasst, 


Abduct. poll. long. Extens. poll. long. 11 


wird eine Strecke weit von dem Schleimbeutel der Insertionssehne des 
Biceps (Fig. 105 **) bekleidet. 
Wie günstig der M. supinator zur Ausführung der Supination angelegt ist, 


zeigt am besten die Betrachtung des in Pronation horizontal durchschnittenen 
Unterarmes (Fig. 107), wo man jenen Muskel den Radius völlig umgreifen sieht. 


2. M..abduetor pollicis longus Appl). 


Sein Ursprung erstreckt sich in Form einer schmalen Spitze aufwärts 
zwischen dem M. ulnaris ext. und dem Supinator und befestigt sich an der 
Fascie des ersteren, am Lig. inteross. und am Radius längs dem Rande des 
Supinator, der ihn etwas überragt (Fig. 108). An der unteren Spitze des Supi- 
nator hängen die sehnigen Ursprungsfasern des M.abd. poll. mit der Inser- 
tionssehne des M. pron. teres zusammen; noch weiter ab- und vorwärts ent- 
springt er mit einer dünnen und zuweilen sehr blassen Muskellage von 
einem sehnigen Bogen, welcher frei über die Sehnen der Mm. radiales extt. 
zur Aponeurose des M. flex. poll. long. tritt (Fig. 109). Die Insertionssehne ist 
nicht selten doppelt und zeigt sich früher an der dem Knochen zugewandten 
Fläche des Muskels, als an der freien; den Anfang der Sehne, sowie die 
Sehnen der Mm. radiales überzieht, wo sie über einander gleiten, ein eiför- 
miger Schleimbeutel?2), der sich mit seiner unteren Spitze bis zu dem 
Schleimbeutel der Daumenmuskeln unter dem Lig. carpi comm. erstrecken 
und sich in diesen Schleimbeutel öffnen kann. 

Die Sehne verläuft, wie erwähnt, mit der Sehne des M. ext. poll. br. 
am Daumenrande der Hand zur Basis des ersten Mittelhandknochens. 


Var. Der M. abductor poll. long. reducirt sich zu Gunsten des M. extensor 
pollieis brevis auf einen dünnen, nur von dem Sehnenbogen und einem kleinen 
Theile des Radius entspringenden Muskel. Sehr häufig spaltet er sich in mehrere 
Sehnen; diese setzen sich neben einander an den Mittelhandknochen des Daumens 
an oder Eine derselben endet am Trapezbeine, eine andere dient Fasern des M. 
abductor poll. br. zum Ursprunge (s. diesen) und erscheint demnach als Zwischen- 
sehne eines zweibäuchigen Muskels (Abgeb. bei Fleischmann, Abhandl. der Er- 
langer phys. med. Soc. Bd. I. Taf. 1. Fig. 2). 

Der bisher übersehene Ursprung des M. abductor poll. long. am Sehnenbogen 
und an der Fascie des M. flexor poll. long. ist insofern wichtig für die Function 
dieses Mu:kels, als er den Fasern eine günstigere, der Längsaxe des Radius pa- 
rallele Lage giebt. 


3. M. extensor poll. longus Mipl?). 


Entspringt zum Theil am vorigen, am Lig. interosseum und an der 
fibrösen Scheidewand zwischen dem M. extensor dig. quinti propr. und 
uln. extern. bis zur oberen Grenze des unteren Drittels des Unterarmes un 
verläuft über die Insertionen der Mm. rad. externi gegen die Mitte der 
Rückenfläche des Daumens, an dessen erste Phalanx er sich ulnarwärts vom 
M. extensor poll. br. anlegt. 


) M. abd. poll. bieornis. Esxtens. ossis metacarpi poll. Sharpey. 
?) Bursa vaginalis rad. communis sup. Monro. 
®) M. ext. poll. maj. M. ext. secundi internodü pollicis. 


14* 


2. Abductor 
poll. long. 


Physiole- 
gische Be- 
merkungen. 


3. Extens. 
poll. long. 


212 


Muskeln der Streckseite des 
Unterarmes, tiefe Lage. RR 
Ursprung der Radialmuskeln. 
Rel, Reb Insertionssehnen des 
M. rad. ext. long. und br. seit- 
wärts umgebogen. Ag M. an- 
eoneus quartus. Su M. supinat. 


Extensor poll, long. 


SI N 
IN \ 
I 
—S 


Arm von vorn in Pronation. Die Mm. brachioradialis 
und rad. ext. long. dicht am Ursprunge abgeschnitten. 
M. rad. ext. br. (Reb) von der Insertionssehne abgetrennt 
und zurückgeschlagen. Bi M. brachialis int. vorwärts 
umgelegt. B Insertionssehne des M. biceps. Ede 
M. ext. dig. comm. Egp M. extens. dig. quinti pr. 
Su M. supinator. Pt Insertionssehne des M. pronator 
teres. Fpl M. flex. poll. long. 4ApZ2 M. abductor 
poll. long. zurückgeschlagen. RR Sehnen der 
Radialmuskeln. 


Extensor ind. propr. Extensor poll. br. 213 


4. M. extensor indicis propr. Eip 1), 


Von der Fascie des M. ulnaris ext., von dem Lig. interosseum und der 
Ulna bis in die Nähe des Köpfchens der letzteren entspringend, geht dieser 
Muskel in eine Sehne über, welche mit den Sehnen des Extens. dig. comm. 
und gedeckt von denselben unter dem Lig. carpi comm. durch und gegen 
den Zeigefinger verläuft, wo er sich mit der entsprechenden Sehne des M. 
ext. comm. verbindet. 


Var. Fehlt ganz oder ist durch einen kurzen Muskel des Handrückens er- 
setzt, der von dem Lig. carpi propr. (Moser in Meckel’s Arch. Bd. VII. S. 225) 
oder von der Basis des dritten Mittelhandknochens (Otto, selt. Beob. Hft. I. S. 91) 
seinen Ursprung nimmt. Er ist zweibäuchig, mit einer langen Zwischensehne, der 
untere Bauch auf dem Handrücken (Rosenmüller, De musculorum varietatibus 
p- 6). Häufig sind die verschiedenen Grade der Spaltung und Vermehrung: der 
einfache Muskel schiekt zwei Sehnen zum zweiten Finger oder je eine zum zweiten 
und dritten Finger, oder zwei zum zweiten, eine zum dritten Finger. Kommen 
zwei Muskelbäuche vor, so giebt der zweite, tiefere, eine Sehne zum dritten, oder 
zum zweiten und dritten, oder selbst drei Sehnen zum zweiten bis vierten Finger 
(Meckel). 


5. M. extensor poll. brevis Epb>2. 


Entspringt, bedeckt vom M. abductor und extensor poll. long. im mitt- 
eren Drittel des Unterarmes von dem Lig. interosseum und meistens auch 
‚om Körper des Radius. Die Sehne erscheint zuerst am lateralen Rande 
und wird erst in der Nähe des Handgelenkes ganz frei. Mit der Sehne 
des M. abd. poll. long. gelangt sie an den radialen Rand des Daumens, an 
dessen Grundphalange sie endet. 


Var. Vergrössert sich auf Kosten des M. abductor poll. long. (s. diesen). 
Giebt zwei Sehnen ab, von welchen die Eine an der Basis des ersten Mittelhand- 
knochens sich befestigt (Eigene Beobachtung). 


de Muskeln der Hand. 


e. Auf der Rückenfläche. 


Abgesehen von den die Räume zwischen den Mittelhandknochen er- 
füllenden Mm. interossei dorsales, die man zweckmässiger in Verbindung 
mit den Mm. interossei volares beschreibt, sind auf dem Rücken der Hand 
keine Muskeln, sondern in der Regel nur die Insertionssehnen der Hand- 
und Fingerstrecker sichtbar, deren Fleisch am Unterarme liegt. 

Diese Sehnen gehen unter dem Lig. carpi vol. propr. hinweg, in Schei- 
den eingeschlossen, deren Anordnung bereits früher (Bdl. S. 95) beschrie- 
ben wurde. Die Scheiden liegen, vom Ulnarrande gezählt, in folgender 


D) M. indicator s. indicatorius. M. abductor indieis. 
?) M. ext. p. minor. M. extensor primi internodiü poll. 


4. Extens. 
ind. pr. 


5. Extens. 
poll. long. 


d. Hand- 

muskeln. 

€. Rücken- 
fläche. 


d 


Streck- 
sehnen 
Finger. 


214 Sehnen des Handrückens. 


Ordnung (vgl. Fig. 110): 1) Für den M. uln. ext. 2) M. ext. propr. dig. quinti. 
3) M. ext. dig. eomm. und ext. ind. propr. 4) M. radialis ext. long. und br. 
5) M. extensor poll. long. 6) M. abductor poll. long. und ext. poll. br. Nach 
dem Austritte aus den 
Scheiden sind die Sehnen 
in zwei Schichten geord- 
net; in der oberflächlichen 
folgen einander, vom Ul- 
nar- zum Radialrande ge- 
Py zählt, dieSchnen desM. ext. 
H dig. quinti propr., des M. 
ext. dig. comm., ext. poll. 

1 long., ext. poll. brev. und 
abd.poll.long (Fig.102). In 

der tieferen Schichte liegen, 

in gleicher Reihenfolge, die 
Horizontalschnitt, des Handgelenkes durch die Spitze Sehnen des M. ulnaris ext., 
des Kopfbeines (0). cc Lig. carpi comm. »p Lig. carpi ext. ind. propr., rad. ext. br. 


vol. propr. 7 Scheide des M. rad. int. 8 Scheide rad. ext. lone. (Fig. 108). 
der Fingerbeuger. P/! Sehne des M. palmaris longus. = 


S Kahnbein. Z Mondbein, 4 Hakenbein. Py Pyra- Die oberflächlichen Sehnen 
midenbein. Pi Erbsenbein. sieht man sogleich gegen 


die Basen der Finger di- 
vergiren; von den tiefen enden die Sehnen des M. ulnaris ext., der Radiales 
extt. und des Abductor poll. long. schon an den Basen der Mittelhand- 
knochen, indess die Sehne des M. ext. indieis pr. sich an den ulnaren Rand 
der entsprechenden Sehne des M. ext. dig. comm. anlegt. 

Innerhalb der Scheiden sind die Sehnen auf Schleimbeutel gebettet 
und, wenn mehrere Sehnen in Einem Fache zusammenliegen, durch ein 
weiches, schleimiges Bindegewebe verbunden. Die auf diese Weise anein- 
ander gehefteten Endsehnen des M. ext. dig. comm. und des M. ext. indieis 
proprius sind zwischen zwei Schleimbeuteln, einem hinteren und vorderen 
(die Hand in hängender supinirter Lage gedacht), eingeschlossen : der. vor- 
dere erstreckt sich abwärts kaum über den Rand des Lig. carpi comm., der 
hintere, zugleich oberflächlichere, zieht sich in Eine oder mehrere Spitzen 
aus, welche mittelst durchbrochener sagittaler Scheidewände unvollkommen 
getrennt sind und sich, je näher der Ulna, um so weiter hinab und auf der 
Sehne des vierten Fingers bis fast zur Mitte des Metacarpus erstrecken. 
Die Schleimscheide der Sehne des M. ext. dig. quinti propr. erreicht, der 
Sehne eng anliegend, die Mitte des Metacarpus; sie umschliesst die Sehne 
von allen Seiten und sendet ihr in der Höhe des Lig. carpi comm. eine Art 
Mesenterium von weichem, gefässreichem Bindegewebe. 

Auf dem Rücken der Hand sind die oberflächlichen Strecksehnen der 
dreigliedrigen Finger durch fibröse Brücken aneinandergeheftet; diese haben 
theils den Charakter von Anastomosen, d. h. sie bestehen aus Fasern, die 
unter spitzem Winkel von einer Sehne ab- und an den Rand der nächst- 
gelegenen gehen, theils sind es quere, mit der freien Fläche der Sehnen 
verwachsene Verstärkungsfasern der oberflächlichen Fascie des Handrückens, 
theils endlich stehen sie zwischen diesen beiden Formen in der Mitte: sie 


Sehnen des Handrückens. 215 


entspringen mit queren Bündeln auf der Oberfläche einer Sehne und legen 
sich an den Rand der anderen, um mit deren Längsbündeln weiter zu ziehen. 
Die Brücke zwischen den Strecksehnen des zweiten und dritten Fingers 
besteht immer aus Querfasern; sie liegt ohne scharfe Abgrenzung auf der 
Mitte des Handrückens; die Sehne des vierten Fingers ist mit ihren beiden 
Nachbarn durch schmalere, aber mächtigere, dem Fingercarpalgelenke mehr 
genäherte Brücken verbunden, welche beide vom vierten Finger schräg ab- 
wärts laufen, steiler gegen den dritten als gegen den fünften Finger. Ver- 
vielfältigen sich die Sehnen des M. ext. dig. comm. und ext. dig. quinti 
propr., so werden auch die Anastomosen complicirter. Am Carpalfinger- 
gelenke des Zeigefingers kommen die Sehnen des M. ext. ind. propr. und 
die entsprechende Sehne des M. ext. comm., am Carpalfingergelenke des 
Daumens die Sehnen des M. ext. long. und br. nebeneinander zu liegen 
und machen von da an nur Eine Sehne aus. 

An den Fingern verhalten sich die Strecksehnen folgendermaassen: 
oberhalb des Fingercarpalgelenkes senden sie von der ganzen Breite ihrer 


= Ale 


3 Strecksehne des Fingers von vorn. 
v heftung an das Fingercarpalgelenk. ** Seh- 


Sagittaldurchschnitt einesFingers. Edc Sehne 

des M, ext. dig. comm. Fds, Fdp Sehnen 

des Flex. dig. subl. und prof. v Ligg. va- 

ginalia. * Vineulum der Beugesehren. 
** Tiefe Fascie des Handrückens. 


nenausbreitung der Mm. lumbricales und in- 
terossei nebst den Ligg. dorsalia. f Streck- 


sehne der Mittelphalange, dicht an der 
Anheftung abgeschnitten. 717 Strecksehne 
der Endphalange, ebenso, 


ß: Volar- 
fläche, 


216 Sehnen des Handrückens. 


vorderen Fläche Fasern zu der tiefen Fascie des Handrückens, die an der 
Basis der Grundphalange enden. und strecken mittelst dieser Fasern die 
Grundphalange (Fig. 111. 112*). Unterhalb des Fingercarpalgelenkes 
theilen sie sich in drei Schenkel, zwei seitliche, stärkere, die unter spitzem 
Winkel von dem schwächeren, mittleren, verticalen, abgehen. Die seitlichen 
umkreisen in flachen Bogen das Gelenk zwischen Grund- und Mittel- 
phalange und vereinigen sich wieder an der Basis der Endphalange 
(Fig. 112 ++), wo sie sich anheften. Der mittlere setzt sich an die Basis 
der Mittelphalange, ansehnlich verstärkt durch die Sehnenausbreitung der 
Mm. lumbricales und interossei, welche, von beiden Rändern des Fingers 
convergirend, unter den seitlichen Schenkeln, d. h. zwischen ihnen und dem 
Knochen, zu dem mittleren Schenkel stossen (Fig. 112 7). Den dreieckigen 
Raum, welcher auf der ersten Phalanx jederseits zwischen der Sehne des 
Ext. dig. comm. und den convergirenden Sehnen der Mm. interossei und 
lumbricales bleibt, füllen, wie schon in der Bänderlehre S. 106 beschrieben 
wurde, die Ligg. dorsalia und Ligg. capitulorum dorsalia mit ihren Quer- 
fasern aus; eben solche Bänder erfüllen das Dreieck zwischen den conver- 
girenden Schenkeln der Sehne des M. ext. dig. comm. auf dem Rücken der 
Mittelphalange. 

Am Daumen liegen die Sehnen des langen und kurzen ecke breit 
neben einander auf dem Gelenke der Grundphalange mit dem Mittelhand- 
knochen; indem sich die Sehne des Extensor longus auf der Grundphalange 
in zwei Schenkel theilt, entstehen dann auch hier, ähnlich wie an den drei- 
gliedrigen Fingern, drei Schenkel, von welchen aber die seitlichen, etwas 
convergirend, ebenso wie der mittlere an die Basis der Endphalange sich 
anhefen Auch tritt an den Seitenrand dieser Sehnen eine dreiseitige 
Sehnenausbreitung, ähnlich der der übrigen Finger; sie wird von den Haft- 
bändern des Daumencarpalgelenkes und den Mm. abductor poll. brev. und 
interosseus vol. primus geliefert. 


Bei Beschreibung des M. ext. ind. propr. wurde einer Varietät dieses Muskels 
gedacht, eines vom Lig. carpi comm. entspringenden Muskelbauches, dessen Sehne 
nit der Zeigefingersehne des Ext. dig. comm. verschmilzt. Ein solcher Muskel 
erinnert an den M. ext. dig. comm. brev. des Fussrückens. Noch grösser war die 
Analogie in einem von Dursy im Heidelberger Seeirsaale aufgefundenen Falle: 
an der Ulna dicht über dem Köpfchen und am Radius von der Hervorragung, 
welche ulnarwärts neben der Rinne für die Sehne des M. ext. poll. long. liegt, 
entspringen mit längeren und kürzeren Sehnen vier Muskelbäuche, von welchen 
drei zusammenfliessend an die Strecksehne des Mittelfingers, einer an die Sehne 
des Zeigefingers und zwar jedesmal an den ulnaren Rand der betreffenden Sehne 
sich ansetzen. Der gewöhnliche M. ext. ind. propr. fehlte in diesem Falle nicht. 
Einen Ext. dig. tertii brev., vom Lig. carpi comm. und vom vierten Mittelhand- 
knochen entspringend, beschreibt Otto (seltene Beobachtungen Heft I. S.91); vom 
Radius, unmittelbar über dem Handgelenke entspringend, beobachtete diesen Mus- 
kel Albin (Adnotat. acad. Lib. IV. p. 28. Tat. V. Fig. 3). 


ß. Muskeln der Volarfläche. 


Wir theilen sie in oberflächliche und tiefe. Die oberflächlichen liegen 
oberhalb, die tiefen unterhalb der Volaraponeurose. 
Die Volaraponeurose besteht aus zwei Schichten, einer oberflächlichen, 


Palmaris brevis. 


217 


deren Fasern einen verticalen und gegen die Wurzeln der Finger diver- 
Fie. 113, 


Muskeln des Vorderarmes, erste 


Schichte. B M. bicep. BiM. bra- 
chialis int. RR Gruppe der radialen 
Muskeln. Pt M. pron. teres. RiM. 
radial. int. ?PI2 M. palmaris longus. 


Zi M.ulnaris int. Z M. lumbricalis. 


girenden Verlauf haben, und einer tie- 
fen, transversalfaserigen. Die ober- 
flächliche Schichte ist selbst wieder in 
der Nähe des Carpus aus zwei einander 
unter spitzem Winkel kreuzenden Schich- 
ten zusammengesetzt, die alsbald un- 
trennbar verschmelzen; die oberste die- 
ser verticalfaserigen Schichten ist die 
Ausstrahlung der Sehne des M. palma- 
ris longus, die tiefere nimmt ihren Ur- 
sprung vom Lig. carpi vol. propr. Zwi- 
schen beiden kömmt am Ulnarrande 
der Hand der einzige oberflächliche 
Muskel der Volarfläche, M. palmaris 
brevis, zum Vorschein, und erstreckt 
sich über einen Theil der Fascie des 
Kleinfingerballens. 

Die tiefen Muskeln der Vola liegen 
in drei Gruppen. Eine Gruppe bildet 
den Daumenballen, Thenar, die 
andere den Kleinfingerballen, Hy- 
pothenar, in der Vertiefung zwischen 
beiden Ballen verlaufen die Sehnen der 
Fingerbeuger, von welchen die tieferen 
selbst wieder Muskeln, den Mm. lum- 
bricales, zum Ursprunge dienen. 


I. Oberflächliche Muskeln. 
M. palmaris brwis Pb. 


Transversale Bündel, welche zer- 
streut‘ oder zu einer vierseitigen Platte 
zusammengedrängt, auf dem Kleinfinger- 
ballen zwischen dem Carpal- und dem 
Fingercarpalgelenke vom Ulnarrande 
der Volaraponeurose zum Ulnarrande 
der Hand verlaufen. Sie entspringen 
kurzsehnig von der Oberfläche des Lig. 
c. vol. propr. in der Nähe seines vor- 
deren Randes und von dem angrenzen- 
den tiefen Blatte der longitudinalen 
Schichte der Volaraponeurose und enden 
in einer verticalen Linie in der Fascie 


2) M. palmaris cutaneus. Caro quadrata 
mamus. TPeaucier de la main Cruv, 


I. Ober- 
flächliche. 
Palmar. br. 


218 Lumbricales. 


des Kleinfingerballens am Ulnarrande der Hand und zugleich in der diesen 
Theil der Fascie bedeckenden Haut (Fig. 113). 


Physiolo- Var. Arnold konnte den Muskel zuweilen nicht finden. 
cn. Zwischen diesem Muskel und den tieferen Theilen der Hand verläuft der 


oberflächliche volare Ast der A. und V. ulnaris, die Haupternährungsgefässe der 
Finger, mit dem R. volaris N. ulnaris, der die Volarfläche der zwei ulnaren Finger 
versorgt (vergl. Bdl. Fig. 84). Der M. palmaris brevis hat die Bestimmung, diese 
Gefäss- und Nervenzweige vor Druck zu bewahren, wenn die Faust geschlossen, 
besonders aber, wenn ein fremder Körper gefasst wird, der auf den Kleinfinger- 
ballen drückt. Man sieht alsdann, der Insertion des M. palmaris entsprechend, 
eine verticale Furche in der Haut des Ulnarrandes der Hand sich bilden. 


II. Tiefe Muskeln. 
aa. In der Mitte. 


IT. Tiefe. Die Sehnen des Flexor dig. comm. sublimis und profundus und des 

“a Nttlere Flexor pollieis longus treten am unteren Rande des Lig. carpi vol. propr. 

in die Hohlhand ein. Sie sind durch ein gefässreiches, weiches und 

schlüpfriges, aber sehr festes Bindegewebe mit einander verbunden und 

ruhen in dem Rohre, welches das genannte Ligament in Verbindung mit 

den Knochen der Handwurzel umschliesst, auf zwei, mittelst einer dünnen 

Scheidewand von einander gesonderten Schleimbeuteln, Einem für die Sehne 

des Daumens !), den anderen für die sämmtlichen Sehnen der übrigen Fin- 

ger?). Beide reichen aufwärts bis zum Radiocarpalgelenke; abwärts beglei- 

tet der Schleimbeutel die Sehne des Daumens bis in die Nähe des Ge- 

lenkes des Mittelhandknochens mit der Grundphalange; der Schleimbeutel 

der übrigen Finger endet unterhalb der Basen der Mittelhandknochen und 

verlängert sich nur am Ulnarrande der Hand in einen engen Zipfel, wel- 

cher mit den Kleinfingersehnen bis nahe an das Fingercarpalgelenk sich 

erstreckt. Mittelst ihrer vorderen Wand sind diese Schleimbeutel an die 

Sehnen und das dieselben aneinanderheftende Bindegewebe angewachsen; ihre 

hintere Wand ist mit dem Lig. carpi volare profundum sehr fest verbunden 

und wird erst unterhalb des Carpo-Metacarpalgelenkes, so weit sie die Mm. 
interossei bedeckt, freier und als selbständige Membran ablösbar. 


Var. Gosselin (Mem. de l’acad. de medecine T. XVI. p- 367) sah Einmal 
den Schleimbeutel des M. flexor pollicis mit dem Schleimbeutel der Fingerbeuge- 
sehnen in Communication. Zuweilen traf er zwischen beiden Schleimbeuteln einen 
dritten, der Zeigefingersehne des Flex. dig. subl. angehörigen, welcher mit dem 
Einen oder anderen jener normalen Schleimbeutel, niemals aber mit beiden zu- 
gleich in Verbindung stand. 


An den Sehnen des Flex. dig. profundus entspringen die 


Mm. lumbricales Ü.. 


Lumbricales. Vier platt eylindrische Muskeln für die- vier dreigliedrigen Finger, 
Jeder ungefähr von der Stärke der Beugesehne seines Fingers und an der 


') Bourse tendineuse externe ou radiale Michon (des tumeurs synoviales de la partie 
inferieure de lavantbras etc. Paris 1853. p. 13). 
?) Bourse tendineuse interne ou cubitale Michon. 


Beugesehnen der Hand. 219 


Radialseite seines Fingers endend. An der Sehne des zweiten und dritten 
Fingers nimmt der M. lumbricalis seinen Ursprung vom mittleren Drittel 
zwischen dem unteren Rande des Lig. carpi vol. propr. und dem Carpal- 
fingergelenke, am radialen Rande und der dem radialen Rande zunächst 
gelegenen Hälfte der vorderen Fläche. Der dritte und vierte M. lumbri- 
calis entstehen in der Regel zweiköpfig, von der vorderen Fläche der beiden 
Sehnen des M. flexor dig. prof., zwischen welchen der M. lumbricalis ver- 
läuft. Die Muskelbündel gehen unter spitzem Winkel an den Sehnen des 
dritten bis fünften Fingers nach beiden Seiten divergirend ab; die beiden 
Köpfe der zweiköpfigen Lumbricales treten alsbald unter gleich spitzen 
Winkeln zusammen. Unter den Ligg. carpi volaria, vor welchen die Mm. 
lumbricales nebst den Nerven und Gefässen der Finger in glatt ausgeklei- 
deten Röhren hinweggehen (Bdl. S.106), erfolgt der Uebergang der Muskel- 
bäuche in platte Sehnen, die an der radialen Fläche ihres Fingers in Ver- 
bindung mit den Sehnenfasern der Mm. interossei und,den Ligg. dorsalia 
an den Seitenrand der Strecksehnen treten (ebendas. S. 107). 


Varietäten des Ursprunges der Mm. lumbricales sind nicht selten: häufig ent- 
springt schon der zweite zweiköpfig, oder der dritte und vierte entspringen eben- 
falls mit einfachem Kopfe vom Radialrande ihrer Sehnen. Einmal sah ich den 
ersten Lumbricalis vom M. flexor poll. long. abgehen. Theile sah ihn von einer 
Sehne entspringen, die am Unterarme aus einem Muskelbauche hervorging, der 
vom mittleren Drittel des Radius neben dem M. flexor pollicis long. seinen Ur- 
sprung nahm. In Bezug auf die Insertion variiren die beiden ersten Lumbricales 
selten; in fünfundfunfzig Fällen von hundert hatten nach Froment (Recherches 
sur plusieurs points d’anatomie. Paris 1853. p. 53) sämmtliche Lumbricales die 
normale Insertion; zehnmal hatten der dritte und vierte, fünfundzwanzigmal der 
dritte und zehnmal der vierte eine abweichende Insertion. Die häufigere Varietät 
besteht in Bifurcation der Insertion, so dass der betreffende Lumbricalis sich an 
zwei einander zugekehrte Ränder je zweier Finger begiebt; seltener geht der 
Muskel an die Ulnarseite eines Fingers. Theile fand den ersten Lumbricalis 
getheilt, den zweiten Bauch mit dem zweiten vereinigt. Der vierte M. lumbricalis 
soll zuweilen fehlen. Eine Vervielfältigung dieser Muskeln tritt ein durch Spal- 
tung der einfachen oder Nicht-Vereinigung der beiden Köpfe, die sich zu Einem 
Bauche verbinden sollten. Moser (Meck. Arch. Bd. VI. 8.230) will beobachtet 
haben, dass sich der erste Lumbricalis mit dem zweiten an den Mittelfinger be- 
festigte. 


Längs der Volarfläche der Finger liegen die Beugesehnen in Röhren, 
welche zur Hälfte von den Knochen, zur Hälfte von den später zu beschrei- 
benden Ligg. vaginalia gebildet und von einer Schleimscheide ausgekleidet 
werden. An der Mittelphalange findet der Durchtritt der Sehne des tiefen 
durch die Sehne des oberflächlichen Fingerbeugers Statt in folgender Weise: 
schon an der Grundphalange wird die oberflächliche Sehne breit, platt, im 
Querschnitt halbmondförmig, ımit gegen den Knochen gewandter Concavität 
(Fig. 114.115); so umgiebt und deckt sie die eylindrische tiefe Sehne. Auch 
findet sich schon auf ihrer äusseren Fläche eine Furche, welche die bevor- 
stehende Spaltung in zwei gleiche Seitenhälften andeutet. Diese Spaltung 
erfolgt unter dem ersten Fingergelenke, und alsbald weichen die beiden 
Hälften auseinander und zur Seite und gehen, immer rinnenförmig, um den 
Seitenrand der tiefen Sehne so herum, dass sie hinter oder unter ihr mit 


Beuge- 
sehnen. 


220 Beugesehnen der Hand. 


den Rändern zusammenstossen, welche vor der Spaltung die seitlichen 
waren, während die Ränder, welche anfangs die Spalte begrenzten, nun- 


Fig. 114. Fig. 115. 


Vorderfläche eines Fingers mit den Sehnen des M. flex. dig. 
subl. (Fds) und prof. (Fdp). Fig. 114 in natürlicher Lage, 
das Lig. vaginale der Grundphalange (v) geschlossen, der 
Mittel- und Endphalange (v') durch einen Verticalschnitt ge- 
öffnet und nach beiden Seiten zurückgeschlagen. Fig. 115. 
Das Lig. vaginale in der ganzen Länge geöffnet und zurück- 
geschlagen. Aus der Sehne des Flex. dig. prof. ist ein Stück 
ausgeschnitten, das untere Ende (Fdp') umgeschlagen, um 
die Vincula (*) zu zeigen. 


mehr die seitlichen 
Ränder der wieder- 
vereinigten Hälften 
abgeben. Bei der 
Wiedervereinigung 
kreuzen sich die ein- 
ander nächsten Bün- 
del beider Seitenhälf- 
ten I), die übrigen 
gehen gerade ab- 
wärts; doch drängen 
sie sich allmälig ge- 
gen die beiden Sei- 
tenränder der Mittel- 
phalange zusammen, 
um sich längs der- 
selben in zwei Zipfeln 
anzuheften. Zuweilen 
sind die auseinander- 
weichenden Schenkel 
des Flex. subl. noch 
eine kurze Strecke 
durch ein dünnes, 
dreiseitiges Bändchen 
mit abwärts conca- 
vem, freiem Rande 
verbunden; in der 
Regel spannt sich ein 
solches Bändchen mit 
aufwärts ausgeschnit- 
tenem und durch feine 
Synovialfortsätze un- 
regelmässig zackigem 
Rande zwischen den 
zur  Wiedervereini- 
gung convergiren- 
den Schenkeln (Fig. 
11579); 


Die Sehne des M. flex. profundus ist, so weit sie im Schlitz des Flex. 
sublimis liegt, verschmälert, eylindrisch ; sobald sie durch den Schlitz an 
die Oberfläche gelangt ist, wird sie breiter und platt; auf dem zweiten 
Fingergelenke verschmälert sie sich abermals, um sich schliesslich, fächer- 
förmig ausgebreitet, an die vordere Fläche der Endphalange unterhalb der 
Insertion der Kapsel zu befestigen (Fig.114). Auch diese Sehne ist auf der 


) Chiasma tendinosum Camperi aut. 


Beugesehnen der Hand. 221 


Mittel- und Endphalange durch eine Furche, die nicht selten zu einer Spalte 
wird, der Länge nach getheilt; eine Andeutung dieser Theilung findet sich 
schon weiter oben in Form eines sagittalen Bindegewebsseptum zwischen 
den sonst gleichförmig zusammenhängenden Bündeln. 


Von der hinteren Wand der Röhren werden den Beugesehnen Gefässe 
zugeführt durch Vermittelung mannigfaltig gestalteter bindegewebiger 
Stränge und Platten, Vincula tendinum!). An der Grundphalange ist das 
Vinculum in seiner vollkommensten Form eine zarte, vierseitige Lamelle, 
von der Höhe und Breite der Phalange; seine seitlichen Ränder sind frei, 
ausgerandet, reichlich mit Synovialzotten besetzt; sein oberer Rand ist an 
die Basis der Phalange, der untere Rand an die Sehne des M. flexor prof. 
angewachsen. Durch eine Lücke in dem am Knochen angewachsenen 
Rande erhält die Lamelle einen zweischenkeligen Ursprung; tiefer und 
tiefer ausgebuchtet, zerfällt sie in zwei schmale, platte Bändchen, und auch 
von diesen kann das Eine oder sie können beide verloren gehen?). Ein- 
zelne Fäden, Fortsetzungen dieses Vinceulum, durchsetzen die Lamelle, wel- 
che den Schenkel der oberflächlichen Sehne oberhalb ihrer Wiedervereini- 
gung verbindet, oder entspringen an dieser Lamelle und dringen zur Sehne 
des Flexor profundus vor. (In Fig. 115 ist bei ** ein solches Vineulum am 
Ursprunge abgeschnitten.) Die weiter abwärts folgenden Vineula stehen 
sagittal; ein sehr beständiges, das Vinculum der Mittelphalange, entspringt 
als starker, comprimirter Strang an der Kapsel des ersten Fingergelenkes, 
so dass es bei der Beugung der Finger die Kapsel spannt; sein unterer 
Rand ist frei, concav, scharf; sein oberer Rand ist entweder ebenfalls frei 
oder an die Kapsel und weiter hinauf an die Mittelphalange "bis zur Inser- 
tion der Sehne des Flexor subl. angewachsen; indem es zu den Sehnen 
vorwärts geht, breitet es sich aus und zerfällt in der Regel durch Spalten, 
die dem freien Rande parallel laufen, in eine Anzahl von Streifen, welche, 
je näher dem freien Rande, um so länger und um so feiner sind. Auch 
von diesem Vinculum gehen Fortsetzungen durch den dünnen mittleren 
Theil der Sehne des Flexor sublimis unterhalb der Kreuzung zur Sehne 
des Flexor profundus (Fig. 115 *), entweder als continuirliche Membran oder 
in Form zarter, platter und ceylindrischer Fäden, oder endlich eines feinen, 
weitmaschigen Netzwerkes 3). Durch einen grösseren oder kleineren Zwi- 
schenraum ist von dem Vinculum der Mittelphalange das Vinculum der 
Endphalange geschieden, eine in der Regel einfache, sagittale Platte, welche 
mehr oder minder vollkommen den Winkel zwischen der Vorderfläche der 
Mittelphalange und der Kapsel des zweiten Gelenkes einerseits und der 
Sehne des M. flexor prof. andererseits ausfüllt (Fig- a 


DC} 


ı) Vincula accessoria s. vasculosa. Ligg. mucosa. Tenacula tendinum. Man unter- 
scheidet sie weiter nach den Sehnen, zu welchen sie sich begeben (Vincula perforati und 
perforantis) oder nach der Form (Vincula longa und brevia). 

2) Nach Weitbrecht (Syndesmol. S. 52) wäre am zweiten und dritten Finger in 
der Regel nur der laterale, am vierten und fünften dagegen nur der mediale Schenkel 
mit einem Vinculum versehen. 

3) Abgeb. bei Weitbrecht, a. a. O. Taf. V. Fig. 17. 

%) In diesem Vinculum sollen nach Marshall (Medico-chirurg. review. 1853. Jan. 
p-. 225) elastische Bändchen von der hinteren Fläche der Sehne schräg vorwärts gegen 


Vineula 
tendinum 


Sehne des 
Flex. poll. 
long. 


Schleim- 
scheiden. 


222 Beugesehnen der Hand. 


Die Sehne des M. flexor poll. longus entspricht einer Sehne des tiefen 
Fingerbeugers; der Länge nach mehr oder minder tief gefurcht, geht sie 
über das Gelenk zwischen Grund- und Endphalange des Daumens hinweg 
und setzt sich breit an die letztere an. Sie besitzt in der Regel ein ein- 
faches Vineulum, welches sagittal und dreiseitig zwischen der Sehne und 
den Phalangen sich ausspannt, mit der Kapsel des Gelenkes der Phalangen 
zusammenhängt und an der Grundphalange mehr oder minder weit hinauf- 
reicht. 


Das Rohr, in welchem die Sehnen längs der Finger gleiten, erhält an 
der inneren Oberfläche, die Sehnen erhalten an ihrer äusseren Oberfläche 
einen Ueberzug von der gemeinsamen Schleimscheide. Von diesem Ueber- 
zuge werden die Sehnen stellenweise einzeln, stellenweise gemeinschaftlich 
umhüllt und dadurch an einander geheftet. Das letztere ist namentlich am 
oberen Ende der Grundphalange der Fall. An den Sehnen ist die Schleim- 
scheide, abgesehen vom Epithelium, in Form einer äusseren feinen Schichte 
kreisförmiger Bindegewebsbündel nachweisbar; man nimmt an, obgleich es 
sich nicht mit dem Messer verfolgen lässt, dass sie auch den Vincula Ueber- 
züge liefere. Ihr oberes und unteres Ende ist blind geschlossen, das untere 
auf der Basis der Endphalange, das obere in der Gegend des oberen Randes 
der Ligg. vaginalia. Den oberen blinden Enden der Schleimscheiden nähern 
sich am Daumen und fünften Finger die unteren blinden Enden der Schleim- 
beutel, die die Sehnen dieser Finger durch die Hohlhand begleiten. Beide, 
Schleimbeutel und Schleimscheide, können so zusammenstossen, dass nur 
eine feine, horizontale Scheidewand ihre Lumina trennt. Am Daumen 
scheint diese Scheidewand häufiger durchbrochen zu sein als vollständig, so 
dass alsdann der Schleimbeutel des Daumens sich geradezu bis zur End- 
phalange erstreckt. 


Wenn Mangel der Scheidewand und Communication des Schleimbeutels mit 
der Schleimscheide am fünften Finger ebenfalls angeboren vorkommt, so muss ich 
jedenfalls gegen Maslieurat-Lag&mard (Gaz. med. 1839. Nr. 18) und Theile 
bestreiten, dsss diese Communication beständig sei. Ich finde im Gegentheil mit 
Leguey (Michon, a.a.O. S. 15), dass wenigstens bei Erwachsenen der Schleim- 
beutel der Sehne des fünften Fingers am Köpfchen des Mittelhandknochens dieses 
Fingers blind endet. Nach Gosselin wäre die Communication bei Kindern con- 
stant, bei Erwachsenen Regel. Dass Eiteransammlungen in der Schleimscheide 
des fünften Fingers ebenso wie in der Schleimscheide des Daumens gegen die 
Hohlhand und das Handgelenk fortzuschreiten geneigt sind, was die Panaritien 
dieser beiden Finger gefährlicher macht, als die der übrigen, erklärt sich schon 
aus der Zartheit und Brüchigkeit der Scheidewand, welche die Schleimscheide des 
kleinen Fingers gegen den Schleimbeutel seiner Sehne begrenzt. 


” 


die Endphalange verlaufen; Marshall nennt sie Zigg. subflava. Ich habe nichts gesehen, 
worauf diese Beschreibung passte. 


Daumenballen. 223 


bb. Muskeln des Daumenballens. 


Die Muskeln des Daumenballens liegen in zwei Schichten, deren jede 
aus einer Anzahl theils neben, theils über einander gelagerter platter Köpfe 
oder Zacken besteht. Die Zacken der oberflächlichen Schichte entspringen 
in einer Reihe, die auf der Mitte des Lig. carpi vol. propr. beginnt, die 
laterale Hälfte dieses Ligamentes und des Lig. carpi vol. prof. einnimmt 
und auf dem dritten Mittelhandknochen herab zu den Fingercarpalgelenken 
reicht, also in einer hufeisenförmigen, horizontal und mit der Concavität 
ulnarwärts gestellten Linie, deren tiefer (hinterer) Schenkel sich in eine 
Verticale abwärts fortsetzt. Am Ursprunge fast continuirlich zusammen- 
hängend, weichen diese Zacken abwärts in zwei Gruppen aus einander, in- 
dem die vom Lig. c. volare propr. (vom vorderen Schenkel der hufeisen- 
förmigen Linie) entspringenden Zacken gegen das laterale, die vom Lig. 
c. vol. prof. und vom dritten Mittelhandknochen entspringenden gegen das 
mediale Sesambein und den entsprechenden Rand der Grundphalange des 
Daumens convergiren. Zwischen den lateralwärts convergirenden Fasern 
des vorderen Schenkels und den medianwärts convergirenden des hinteren 
Schenkels der hufeisenförmigen Linie zeichnet sich Eine, gleichsam neutrale 
Zacke aus, welche in der Gegend des unteren Endes der Tuberosität des 
Trapezbeines sehnig entspringt und sogleich in zwei fleischige Zipfel zer- 
fällt, die sich an die einander zugewandten Ränder der beiden Sesam- 


Fig. 116. 


vpr vp 


Tiefe Muskeln der Hohlhand. Lig. carpi vol. propr. (vp) vertical durchschnitten und 
auseinandergelegt. vpr Lig. carpi vol. prof. Z M. lumbricalis an der Insertion abge- 
schnitten. Fpl! Sehne des M. flexor poll. long. Jd! M. interosseus dorsalis primus. Der 
oberflächliche Bauch des M. abductor poll. br. (Apb) bis auf Ursprung und Insertion entfernt. 


bb. Dau- 
menballen. 


1. Abduct. 
poll. br. 


2. Flex. 
poll. br. 


224 Abductor und Flexor poll. br. 


beine anheften (Fig. 116 F’pb). Die Sehne des M. flexor pollieis longus 
tritt am lateralen Rande dieser Zacke in die Hohlhand ein und liegst am 
Daumencarpalgelenke zwischen beiden Zipfeln, kreuzt also den lateralen, 
vor dem sie vorübergeht, unter spitzem Winkel. Auf diese Zacke be- 
schränke ich die Bezeichnung eines M. flexor pollieis br. Die übrigen, am 
lateralen Daumenrande vereinigten Muskelzacken bilden den M. abductor 
pollieis brevis, die am medialen Daumenrande vereinigten den M. adduector 
pollcis. 


Die tiefe Schichte des Daumenballens verläuft, bedeckt vom M. ab- 
ductor und denselben lateralwärts überragend, vom lateralen Rande der 
Handwurzel zum Mittelhandknochen des Daumens. Dies ist der M. oppo- 
nens pollicis. 


1. M. abductor poll. brevis Apb. 


Besteht aus zwei, gewöhnlich in der ganzen Länge getrennten Bäuchen. 
Der oberflächliche (Fig. 116 Apb) !) entspringt auf der vorderen Fläche und 
dem freien Rande des Lig. carpi vol. propr. mit schrägen Fasern, die sich 
zum Theil bis gegen das Erbsenbein verfolgen lassen; am lateralen Rande 
erhält er in der Regel einen Zuwachs an Muskelfasern, aus einem von der 
Sehne des M. abductor long. abgezweigten kurzen Sehnenstreifen. 


Der tiefe Bauch (Fig.116 Apb’) ?) entspringt neben dem oberflächlichen 
und theilweise von diesem bedeckt, von dem gegen die Tuberosität des 
Trapezbeines umbeugenden Theile des Lig. carpi vol. propr. 


Der oberflächliche Bauch geht mit einer breiten, platten Sehne über 
das Daumencarpalgelenk hinweg zum Seitenrande der Grundphalange des 
Daumens und theilweise zum radialen Rande der Strecksehne desselben ; 
der tiefe Bauch heftet sich an die Innenfläche der Sehne des oberflächlichen 
und an das laterale Sesambein. 


Var. Der Muskel erhält einen dritten Bauch aus der Tiefe vom M. opponens 
pollieis. In einem von Cruveilhier beobachteten Falle erhielt der M. abductor 
brevis zwei accessorische Bäuche, Einen vom Radius neben dem Proe. styloideus, 
und einen zweiten von einem Fascikel der Sehne des M. radialis ext. long. 


2. M. flexor pollicis brevis F'pb. 


Der Ursprung dieses Muskels, seine Theilung in zwei Zipfel, sein Ver- 
hältniss zur Sehne des M. flexor poll. longus, ist im Obigen beschrieben. 
Die Insertion desselben an die Sesambeine ist regelmässig von der Insertion 
des M. abductor brevis und häufig auch von der Sehne des M. adductor 
überlagert. 


!) M. abductor poll. br. aut. M. abductor ext. Sömm. 

”) M. abductor brevis alter Albin (Tabb. scelet). Cauda prior flexoris brevis Derselbe 
(hist. musc.). M. abductor int, Sömmerring. Aeusserer Kopf des M. flexor brevis 
Krause. 


Adductor und Opponens pollieis. 


w 
[502 
or 


3. M. adductor pollicis Adp)). 


Die Zacken des Adductor entstehen fleischig in grösserer oder gerin- 
gerer Zahl, durch mehr oder minder ansehnliche Zwischenräume gesondert, 
meist im verticalen Durchmesser abgeplattet, vom Lig. carpi vol. prof. in 
der Gegend der Mitte der Vorderfläche des Kopfbeines, von der Basis, dem 
Körper und dem Köpfchen des dritten Mittelhandknochens, nicht selten 
auch von der Basis des zweiten und vom Köpfchen des zweiten und vierten 
Mittelhandknochen und aus der vorderen Wand der Kapsel des zweiten bis 
vierten Fingercarpalgelenkes. An den lateralen Rand und das laterale 
Sesambein des Daumens inseriren sie sich durch Vermittelung einer ver- 
hältnissmässig langen, allseitig von den Muskelfasern umfassten Sehne. 


Der M. flexor poll. br. ist an seinem Ursprunge nicht immer so gegen die 
Nachbarn abgegrenzt, wie in unserer Abbildung. Er ist häufig breiter, erstreckt 
sich weiter in die Vola hinein und zerfällt auch wohl vom Ursprunge an sogleich 
in zwei Köpfe, die dann von den Köpfen des Abductor br. und Adductor, mit 
welchen sie sich ansetzen, nicht zu unterscheiden und nur willkürlich zu trennen 
sind. Deshalb sind die Bestimmungen dieser Muskeln und namentlich die Schei- 
dung des Flexor br. vom Adductor bei den Autoren so verschieden ausgefallen ; 
es bestehen darüber zwei extreme Ansichten und eine dritte vermittelnde. Die 
Eine zieht alle Bündel, die sich an den medialen Rand des Daumens inseriren, zum 
Adductor (Cruveilhier); die zweite (Sömmerring, Weber-H., Theile nu. A.) 
beschränkt den Adductor auf den Ursprung -vom Mittelhandknochen; die dritte 
(Meckel, Krause) theilt dem M. flexor br. wie dem Adductor Fasern zu, die 
in der Handwurzel entspringen. Die Function kann keine Entscheidung geben, 
denn von physiologischer Seite betrachtet sind alle Fasern, die an den Einen 
oder anderen Rand der Grundphalange sich ansetzen, die Fasern des Flexor bre- 
vis mit eingeschlossen, bei einseitiger Wirkung Ab- und Adductoren, und alle 
Fasern, die der Mm. abductor br. und adductor nicht ausgeschlossen, sind Beuger 
der Grundphalange, wenn sie bei gleichzeitiger Zusammenziehung ihre ab- und 
adducirende Wirkung gegenseitig neutralisiren. Von physiologischer Seite würden 
sich also Bedenken gegen die Aufstellung eines besonderen Beugers erheben 
lassen. Ihn beizubehalten und die typische Form so zu beschreiben, wie oben ge- 
schehen, dazu gab besonders die Rücksicht auf die Analogie mit den Muskeln 
der grossen Zehe Anlass; die Rechtfertigung muss sich also bei der Betrachtung 
der Muskeln des Fusses ergeben. 


4. MM, opponens pollicis Op. 


Besteht aus zwei Schichten mit ziemlich parallelen, lateral-abwärts- 
laufenden Fasern, welche beide am Seitentheile des Lig. carpi vol. propr. 
und an der lateralen Fläche der Tuberosität des Trapezbeines entstehen. 
Die obere Schichte ist platter, im verticalen Durchmesser kürzer, so dass 
sie am oberen und unteren Rande von der tiefen Schichte überragt wird; 
sie setzt sich an den lateralen Rand des Körpers des Mittelhandknochens. 
Die tiefe Schichte inserirt sich in weiterer Ausdehnung an die Basis des 
Mittelhandknochens, mit einigen Bündeln auf die Sehne des M. abduetor 
long. übergehend, ferner an die Vorderfläche des Körpers und besonders 


D) Mesothenar Winslow. 
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 15 


3. Adduct. 
poll. 


4. Oppon. 
poll. 


cc. Klein- 
finger- 
muskeln. 


1. Abduct. 
dig. quinti. 


2. Flex. br. 
dig. quinti. 


3. Oppon. 
dig. quinti. 


996 Adductor, Flexor und Opponens dig. quinti. 


des Köpfchens des Mittelhandknochens, in der ganzen Breite des Randes 
der Gelenkfläche. 


ec. Muskeln des Kleinfingerballens. 


Am Kleinfingerballen finden sich zwei, den Schichten des Daumen- 
ballens entsprechende Schichten; in der oberflächlichen liegt ein M. abductor 
und ein M. flexor dig. quinti, beide platt eylindrisch, von fast parallelem, 
verticalem Faserverlaufe, in der tieferen ein M. opponens dig. quinti, platt 
mit schräg ulnarwärts zum fünften Mittelhandknochen absteigenden Fasern. 


1. M. abductor digiti quinti Abg. 


Entspringt von der unteren Hälfte des Erbsenbeines fast in der Fort- 
setzung der Sehne des M. ulnaris int. und befestigt sich am Ulnarrande der 
Grundphalange und am Sesambeine des fünften Fingers, indem er zugleich 
mit einem Theile seiner Fasern sich in den ulnaren Rand der Strecksehne 
ausbreitet. 


Var. Erhält einen zweiten, lateralen Kopf, welcher aus dem Lig. carpi vol. 
propr. oder aus der Fascie der Vorderfläche des Unterarmes über dem Hand- 
gelenke oder von der Ulna selbst seinen Ursprung nimnt (Günther, chirurgische 
Muskellehre. Taf. 20. Fig. V. 18). Spaltet sich der ganzen Länge nach in zwei 
Bäuche, von welchen der Eine den M. flexor brevis vertritt. In einem von Dursy 
in Heidelberg beobachteten Falle gab der Muskel drei Insertionen, ausser der ge- 
wöhnlichen eine breite an den Körper und eine schmalere an das Köpfchen des 
fünften Mittelhandknochens. 


2. M. flexor brevis dig. quinti Fg). 


Entspringt, durch den Ram. prof. N. ulnaris vom vorigen Muskel ge- 
schieden, von der ulnaren Fläche des Hakens des Hakenbeines und endet 
breit am convexen Rande‘ eines Sehnenbogens, welcher über die Beuge- 
sehnen hinweg vom ulnaren Rande der Grundphalange des fürften Fingers 
zum Lig. capituli volare am radialen Rande desselben Fingers sich aus- 
spannt. 

Var. Dieser Muskel gehört zu den unbeständigsten; er ist, wie bereits er- 
wähnt, durch eine Zacke des M. abductor dig. quinti oder durch ein vom Oppo- 
nens dieses Fingers sich ablösendes Fascikel ersetzt oder er fehlt völlig. Zuweilen 
findet sich statt desselben ein platter Sehnenstreifen, welcher von der Sehne des 
M. ulnaris ext. abgeht und sich bis an die Vorderfläche der Basis der Grund- 


phalange des fünften Fingers erstreckt, auch wohl durch ein paar Fasern an den 
Haken des Hakenbeines angeheftet wird. 


3. M. opponens dig. quinti O2). 


Ein einfacher oder aus zwei Schichten, wie am Daumen, zusammen- 
gesetzter Muskel, vom Erbsenbeine und vom unteren Rande der ulnaren 


‘) Von H. Meyer mit dem M. abductor dig. quinti, als lateraler Kopf des letzteren, 
zusammengezogen. 


”) M. adductor dig. quinti Meckel. M,.adductor ossis metacarpi dig. quinti Sömmerr. 


Interossei. 227 


Umbeugung des Lig. carpi volare propr. in das Lig. carpi vol. prof. ent- 
springend, endend am ulnaren Rande des Körpers und an der Vorderfläche 
des Köpfchens des fünften Mittelhandknochens. 


Fig. 117. 


Tiefe Muskeln der Hohlhand. Lig. carpi vol. propr. (vp) vertical durchschnitten und 
auseinandergelegt. vpr Lig. carpi vol. prof. Z M. lumbricalis an der Insertion abge- 
schnitten. Fpl Sehne des M. flexor poll. long. Jd! M. interosseus dors. primus. Der 
oberflächliche Bauch des M. abd. poll. br. ist bis auf Ursprung und Insertion entfernt. 


y. Mm. interossei. 


Die Mm. interossei füllen die Zwischenräume zwischen den Knochen y. 
der Mittelhand aus; sie entspringen an diesen Knochen und zuweilen mit ossei. 


einigen Fasern an Knochen der Handwurzel und enden an den seitlichen 
Rändern der Grundphalangen der Finger. 


Inter- 


Man unterscheidet Mm. interossei dorsales und volares1). Die Mm. Inteross. 


interossei dorsales sind auf dem Rücken der Hand, vier an der Zahl, regel- 
mässig in den Interstitien der Mittelhandknochen sichtbar. Sie setzen sich 
zusammen aus Bündeln, welche an jedem der drei mittleren Finger zu 
beiden Seiten der Firste, die sich über die obere Hälfte des Mittelhand- 
knochens herabzieht, am fünften Finger von der radialen Seite dieser Firste, 
am Daumen vom ulnaren -Rande ihren Ursprung nehmen. An den mitt- 
leren Fingern vom Ursprunge an unter spitzen Winkeln divergirend, da- 
gegen unter gleichem Winkel von den einander zugewandten Rändern je 
zweier Mittelhandknochen aus convergirend, vereinigen sich die Fasern in 


\) Mm. interossei exit, s. bicipites und interni s. simplices. 


15* : 


dors. 


“Tuteross. 
vol. 


228 Interossei. 


jedem Zwischenknochenraume zu einem gefiederten Muskel, dessen Sehne 
in der Gegend des Fingercarpalgelenkes entsteht und sich auf die sogleich 
zu beschreibende Art an je einen Fingerrand mit einer gewissen Symme- 
trie dergestalt inserirt, dass die Interossei dorsales der beiden mittleren 
Zwischenknochenräume zu beiden Seiten des Mittelfingers enden, die an- 
deren, dem Radial- und Ulnarrande der Hand zunächst gelegenen Interossei 
dorsales sich mit ihren Insertionen der Mitte der Hand, also dem zweiten 
und vierten Finger, zuwenden (Fig. 119). 

An der Rückenfläche der Hand erheben sich die Mm. interossei dor- 
sales nicht iiber das Niveau der Firsten der Mittelhandknochen und der 
Flächen, in welche diese Firsten abwärts sich entfalten. Eine feste, quer- 
faserige Fascie, die sich von Einem Mittelhandknochen zum anderen spannt, 
erhält die Muskeln eben und dient einzelnen Bündeln derselben zum Ur- 
sprunge; ausnahmsweise empfängt der eine oder andere Interosseus noch eine 
Zacke von der Rückenfläche der Basis des Mittelhandknochens oder selbst 
von einem Handwurzelknochen der zweiten Reihe; der M. interosseus dor- 
salis primus — man zählt vom Daumen an — empfängt regelmässig ein 
plattes schmales Faserbündel !) von einem Sehnenbogen, der über den tiefen 
Ast der Art. radialis von der Vorderfläche des Trapezbeines zur Rücken- 
fläche der Basen der beiden ersten Mittelhandknochen durch den Zwischen- 
knochenraum verläuft. 

Betrachtet man die Mm. interossei dorsales von der Volarfläche, so 
sieht man ihre Ursprünge sich mehr oder minder weit um die Seitenflächen 
der Mittelhandknochen herum nach vorn ziehen. Der Zeigefingerursprung 
des ersten Interosseus dorsalis?2), die Mittelfingerursprünge des zweiten 
und dritten und der Ursprung des vierten Interosseus dors. am vierten Finger 
nehmen die ganze betreffende Seitenfläche des Mittelhandknochens bis zur 
vorderen Firste ein; dagegen beschränkt sich der Daumenursprung des 
ersten Interosseus dorsalis auf den lateralen Rand des ersten Mittelhand- 
knochens, so dass die betreffende Zacke 3) zwar im Vergleich zu den übri- 
gen lang und breit, aber platt erscheint; ebenso dringen die Ursprünge des 
zweiten Interosseus dorsalis am zweiten Mittelhandknochen und die des 
dritten und vierten Interosseus dorsalis am vierten und fünften Mittel- 
handknochen nur wenig gegen die Hohlhand vor; den grössten Theil 
der ulnaren Fläche des ersten und zweiten und der radialen Fläche 
des vierten und fünften Mittelhandknochens bis zur vorderen Crista be- 
decken die Ursprünge der vier Mm. inteross. vol., die sich mit ihren In- 
sertionen an die entsprechenden Ränder der Grundphalangen und also an 
eben die Ränder begeben, welche die Mm. interossei dorsales frei lassen. 
Der M. inteross. vol. primus #) erhält einen constanten Kopf von der oberen 


!) Den Zeigefingerkopf von Dursy's M. extensor pollicis indieisgue (Zeitschr. für 
rat. Med. N. F. Bd. III. S.74. Taf. II. Fig. 4. 5). 

?) M. interosseus int, primus Albin, 

®) M. abductor indieis Albin. s 

*) Ich gebe diesen Namen einem Muskel, welcher von den Meisten übersehen, von 
Sömmerring und Theile unter den Ursprüngen des M. flexor br.‘ pollicis erwähnt, 
von Dursy mit einer Zacke des Zeigefingerkopfes des M. interosseus dorsalis primus zu 
einem M. interosseus pollicis indicisqgue zusammengezogen worden ist. Die Handbücher 


Interossei. 229 


Hälfte des Mittelhandknochens des Daumens, zu welchem sich häufig ein 
zweiter und dritter gesellt, der zweite von dem beim M. interosseus dorsalis 


Fig. 118. 


Tiefe Muskeln der Hohlhand, die Mm. abduetor poll. br, (Ap b), flexor poll. br. (F'pb), 

adductor pollieis (4dp), abductor und Axor br. dig. quinti (Abg und Fg) und die 

oberdächliche Portion des M, opponens pollieis (Op) bis auf Ursprung und Ende abge- 

schnitten. Z Insertionen der Mm. lumbricales. Op‘ Tiefe Portion des M. opponens poll. 
Og M. opponens dig. quinti. 


erwähnten Sehnenbogen, der dritte von der Basis oder vom lateralen Rande 
des oberen Theiles des Körpers des zweiten Mittelhandknochens (Fig. 118). 
Der M. inteross. vol. secund. empfängt nicht selten ebenfalls eine Zacke von 
der vorderen Fläche des dritten Mittelhandknochens. Der M. interosseus 
volaris tertius und quartus erstrecken sich aufwärts auf die Vorderfläche 
der Basen des vierten und fünften Mittelhandknochens, der vierte auch zu- 
weilen bis an den Haken des Hakenbeines. 


Durch die acht Mm. interossei in Verbindung mit den am radialen 
und ulnaren Rande der Hand gelegenen Abductoren werden die Grund- 
phalangen aller fünf Finger je an beiden Seiten versorgt. Jeder dieser 
Muskeln geht in eine platte Sehne über, welche sich, die Ligg. dorsalia 
durchsetzend, an dem Seitenrande der Basis ihrer Phalange befestigt und 
einen Theil ihrer Fasern in Verbindung mit den Ligg. dorsalia und den 
Mm. lumbricales zur Strecksehne der Finger sendet. Die Vertheilung findet 
so Statt, dass die Mm. interossei voll. an die dem Mittelfinger zugekehrten 
Ränder der vier übrigen Finger treten, die Mm. interossei dors. aber nebst 


statuiren nur drei Mm. interossei volares, von welchen also der erste nach meiner Zählung 
nunmehr zum zweiten wird u. s. f. 


230 Interossei; 


den Abductoren die beiden Ränder des Mittelfingers und die vom Mittel- 
finger abgewandten Ränder der übrigen Finger versehen. Jeder Finger 
kann also durch je zwei Mus- 
keln nach dem Einen und an- 
deren Rande der Hand gebo- 
gen werden; die Mm. inteross. 
voll. aber, allein wirkend, nä- 
hern die vier Finger dem Mit- 
telfinger und schliessen die 
Hand; die Interossei dors. und 
Abductoren spreizen sie, indem 
sie die vier Finger vom Mittel- 
finger und den letzteren aus 
der verticalen Richtung nach 
der Einen und anderen Seite 
entfernen. Combiniren sich die 
Wirkungen der beiden, Einem 
Finger angehörigen Interossei, 
so dienen sie, indem ihre ad- 
Schema der Mm. interossei und der Abductoren der dubirehden amd: Abdnemerien 
Hand, die Mm. interossei dorsales mit einfachen, 
die Interossei volares mit punktirten, die Abduc- Kräfte einander das Gleich- 
toren mit gestrichelten Linien bezeichnet. gewicht halten, zunächst dazu, 
die Grundphalange zu beugen. 
Var. Der am ersten Mittelhandknochen entspringende Kopf des M. inteross. 
dors. primus.giebt ein Bündel dem zweiten Mittelhandknochen (eigene Beobachtung). 
Ein Fall, wovon Meckel berichtet, in welchem die Insertionen des zweiten äusse- 
ren und zweiten inneren (nach meiner Zählung) Interosseus vertauscht waren, 
jener an den Ulnarrand des Zeigefingers, dieser an den Radialrand des Mittel- 
fingers sich ansetzte, ist deswegen sehr interessant, weil er eine vollständige 
Wiederholung der Anordnung darbietet, die am Fusse normal ist. 


Fig. 119. 


Physiol. Man ersieht aus der Beschreibung der Muskeln des Unterarmes und der Hand, 
Bemerk. Jass jede Phalange ihre eigenthümlichen Beugemuskeln hat. Die Endphalange der 
Finger wird vom Flex. dig. prot., — des Daumens vom Flex. poll. long. — die 


Mittelphalange wird vom Flex. dig. subl. gebeugt; zur Beugung der .Grund- 
phalange dienen, wie eben erwähnt, die beiden Mm. interossei, unterstützt von den 
Mm. lumbriecales — am Daumen die Muskeln des Ballens mit Ausnahme des M. 
opponens. Dass jeder dieser Muskeln an jedem Finger unabhängig von dem an- 
deren zu wirken vermag, kann Jeder an sich selbst beobachten. Am schwersten 
ist es, gewiss nur aus Mangel an Uebung, den Beuger der Endphalangen isolirt 
zu bewegen; indess gelingt auch dies, wenn man zuvor die Mittelphalange recht- 
winkelig gegen die Grundphalange beugt und in dieser Stellung kräftig festhält; 
die Endphalange wird hierbei bekanntlich schlaff und widerstandslos, so dass sie 
wie ein Läppchen passiv auf- und abbewegt werden kann; sie lässt sich dann aber 
auch activ leicht beugen. 

In die Streckbewegungen der Finger theilen sich die Muskeln des Unterarmes 
und der Hand folgendermaassen: Der M. ext. dig. comm. ist nebst den eigenthim- 
lichen Extensoren des zweiten und fünften Fingers, deren Sehnen mit den ent- 
sprechenden Sehnen des Ext. comm. verschmelzen, hauptsächlich Strecker der 
Grundphalange; nur wenn die Hand im Handgelenke stark gebeugt ist, streckt er 
auch die beiden anderen Glieder; diese Wirkung hört auf, sobald die Hand in 
einer zwischen Volar- und Dorsalflexion mittleren Stellung sich befindet. Eigent- 
liche Streckmuskeln der Mittelphalange sind die Mm. interossei mittelst derjenigen 


Fascie der oberen Extremität. 231 


Sehnenfasern, welche über die Grundphalange hinweg und zwischen den ausein- 
anderweichenden Fasern der Sehne des Ext. comm. an die Rückenfläche der Basis 
der Mittelphalange treten. Man erkennt dies aus der in Fig. 112 abgebildeten 
Richtung der Sehnenfasern; es wird bestätigt durch die von Duchenne (8. 185 ff.) 
mitgetheilten Versuche und durch die von demselben gesammelten Erfahrungen 
über die Folgen der Lähmung des einen und anderen Muskels. Zur Streckung 
der Endphalange scheinen die langen Streckmuskeln und die Min. interossei gleich- 
mässig beizutragen; eine Bedingung ihrer Wirksamkeit aber ist, dass die Mittel- 
phalange auf der Grundphalange gestreckt sei. Ist das erste Fingergelenk ge- 
beugt, so wird das zweite, wie erwähnt, locker, und es wird unmöglich, die End- 
phalangen in Streckung festzustellen. Der Grund dieser Erscheinung liegt darin, 
dass bei Beugung der Mittelphalange die seitlichen Schenkel der gemeinsamen 
Strecksehnen, die zur Streckung der Endphalange dienen, erschlaffen. Die 
Streekung der Endphalange des Daumens wird ebenfalls durch den M. abductor 
br. und adductor unterstützt. 

Die Mm. interossei sind demnach zugleich Beuger der Grundphalange und 
Strecker der Mittel- und Endphalange, indess die eigentlichen Flexoren nur auf die 
beiden letzten Phalangen wirken und die eigentlichen Extensoren nur die Grund- 
phalange strecken und auf die beiden anderen Phalangen fast ohne Einfluss sind. 
Dieser Einrichtung verdankt, wie Duchenne mit Recht hervorhebt, die mensch- 
liche Hand ihre Brauchbarkeit zu den Beschäftigungen, durch die sie sich aus- 
zeichnet. Beim Schreiben z. B. wechselt Beugung der Grundphalange und 
Streckung der Mittelphalange ab mit Streckung der Grund- und Beugung der 
Mittelphalange. Jener erste Act ist Wirkung Eines Muskels; der zweite Act wäre 
jedenfalls schwieriger, wenn der Strecker der Grundphalange den Widerstand 
eines Beugers oder der Beuger der Mittelphalange den Widerstand eines Streckers 
zu überwinden hätte. 

Die Schnen des Ext. dig. comm. divergiren von der Scheide aus, in welcher 
sie am Handgelenke verlaufen; eine Verkürzung des Muskels zieht eine Vermeh- 
rung dieser Divergenz nach sich, und so erscheint als Nebenwirkung der Streckung 
der Finger eine geringe Spreizung derselben, welcher durch die Mm. interossei 
volares entgegengewirkt werden muss. Zugleich werden die Finger durch die Seh- 
nen des M. ext. comm. etwas nach dem Ulnarrande hinübergebogen; es scheint, 
dass, um dies zu corrigiren, die Insertion der Mm. lumbrieales am Radialrande 
der Phalangen angebracht ist. 

Wie sehr die Freiheit in den’ Bewegungen der einzelnen Finger von der 
Uebung abhängig ist, ist bekannt; doch besteht in der Anordnung der Muskeln 
eine natürliche Disposition zum freieren Gebrauche des Einen oder anderen Fin- 
gers, und die grosse Zahl von Varietäten, welche insbesondere der Flexor dig. subl. 
zeigt, macht es begreiflich, warum in der Erlernung des isolirten Gebrauches der 
Finger die Individuen sich so verschieden verhalten. Wo der Flex. poll. long. 
einen Kopf vom Flex. dig. comm. erhält, ist dies daran bemerklich, dass bei rascher 
Beugung der vier Finger die Endphalange des Daumens unwillkürlich mitgebogen 
wird. Allgemein ist in den Muskeln der Beuge- wie der Streckseite die dem 
zweiten Finger zugehörige Portion durch Selbständigkeit ausgezeichnet. Dagegen 
gehen die Köpfe, die der vierte Finger vom oberflächlichen und tiefen Beuger 
erhält, in der Regel Verbindungen mit den Köpfen des dritten oder fünften Fin- 
gers oder beider ein, und ebenso anastomosirt die Strecksehne des vierten Fingers 
mit den benachbarten. So erklärt sich in den Bewegungen der Finger die Bevor- 
zugung des zweiten und die Vernachlässigung des vierten. 


Fascie der oberen Extremität. 


Die Fascie der oberen Extremität ist theils Fortsetzung der Fascie 
von Brust- und Rückenmuskeln, theils entspringt sie mit den eigenen Mus- 


Fascie. 


2332 Fascie der oberen Extremität. 


keln der Extremität von den Knochen des Schultergürtels.. Die verhält- 
nissmässig schwache, den M. pectoralis maj. bekleidende Fascie setzt sich 
tramsversal, d. h. der Längenaxe des Schlüsselbeines parallel gefasert, auf 
den M. deltoideus fort; sie senkt sich zwischen beiden Muskeln ein in eine 
schmale, lateral abwärts sich zuspitzende Spalte, Fossa infraclavieularis ı) 
(Fig. 122 *) und tritt innerhalb dieser Spalte mit der Fascia coraco-pecto- 
ralis (s. oben S. 94) in Verbindung; im oberen Theile der Fossa infra- 
elavicularis wird sie von der Vena cephalica durchbrochen, welche zur 
V. axillaris in die Tiefe dringt. 


Während übrigens die Hals- und Nackengegend, ziemlich gleichmässig 
gewölbt und mit einer durch den knöchernen Halbring des Schultergürtels 
nur angedeuteten Unterbrechung, auf die obere und nachher hintere und 
laterale Fläche der Extremität übergeht, bildet sich beim Uebergange der 
Rumpfwand auf die vordere mediale Fläche der Extremität eine tiefe Höhle, 
die man nach ihrer Begrenzung einem Zelte oder einem umgestürzten Kahne 
vergleichen kann. Dies ist die Achselgrube, Fossa azillaris. Die 
Firste des Zeltes oder den höchsten Punkt des flachen aufwärts gekehrten 
Kieles des Kahnes bildet das Schultergelenk (Fig. 120); von da an senkt 

Fig. 120. sich die obere Wand 
der Achselgrube einer- 
seits gegen den Rumpf, 
andererseits gegen den 
Oberarm herab, um so 
flacher gewölbt und da- 
gegen um so weiter ge- 
spannt, je mehr der Arm 
vom Rumpfe abgezogen 
und erhoben wird. Am 
Rumpfe bekleiden die 
oberen Zacken des M. 
serrat. ant., am Arme 
die verbundenen Ur- 
sprünge des M. coraco- 
brachialis und biceps 
die der Achselgrube zu- 


* 


Sagittalschnitt der. linken Schulter durch den Armbein- 


kopf, mediale Schnittfläche, Schlüsselbein (C7) und Acro- 
mion (4) in der Nähe ihrer Articulation durchschnitten. 
DM. deltoideus. Ssc M. subscapularis und dessen mit 
der Kapsel verschmolzene Sehne. Pmyj M. pect. maj. 
Bb Vereinigte Ursprungsmasse des M. coracobrachialis 
und des kurzen Kopfes des Bicep.. Ssp M. supraspi- 
natus. Tr M. trapezius. Jsp M. infraspinatus. Tm, 
Tmj M. teres min. und ma. ZadM. latiss, dorsi. 
* Armgefässe und Nerven. 


gewandten Flächen der 
Knochen (Fig.121). Als 
vordere Wand der Ach- 
selgrube fungirt der M. 
pectoralis maj., als hin- 
tere Wand derselben der 
M.latiss. dorsi und teres 
major; beide Wände 


sind an ihrem unteren freien Rande concav, wulstig, die vordere Wand 
durch die eigenthümliche Anordnung der unteren Fasern des. M. pectoralis 


\) Trigonum deltoideo - pectorale Krause. 


Fascie der oberen Extremität. 233 


maj., die sich um den Rand des Muskels nach hinten und oben schlagen, 
die hintere Wand dadurch, dass der M. latissimus dorsi, wo er sehnig wird, 
sich um den M. teres maj. vor- und aufwärts schlägt und es diesem über- 
lässt, den Rand zu bilden. Tiefer in die Grube hinein wird an der vor- 

Fig. 121. deren Wand derselben der 
M. pectoralis minor, an der 
hinteren Wand, bei stark 
erhobenem Arme, der M. 
subscapularis (Fig. 121 Ss) 
sichtbar. Die Gefäss- und 
Nervenstämme des Armes 
treten, hinter dem M. pec- 
toralis minor hervor, in die 
Achselgrube ein und laufen 
am medialen Rande der 
Beugemuskeln des Armes 
herab. 

Wie die Fascie die 
Achselgrube abwärts ver- 
schliesst, indem sie sich 
von der vorderen zur hin- 
teren Wand hinüberschlägt, 
und wie sie durch die In- 
sertion der Faseia coraco- 
pectoralis aufwärts einge- 
zogen wird, ist schon bei 


Muskulatur der Brust- und Schultergegend bei erho- & s 
benem Arme. Scm M. sternocleidomastoideus. Tr Beschreibung der Brust- 
M. trapezius. D M. deltoid. B M. biceps.. Cb M. muskeln (8. 94) angegeben. 
coracobrach. AZ M. ancon. long. Tmj M. teres Die Fascia deltoidea 


maj. Ss M. subscap. ZdM. latiss. dorsi. Sa M. _ = : 
serrat. ant. Oae M. obliq. abd. ext. liegt der Oberfläche ihres 
Pmj M. pect. maj. Muskels dadurch sehr genau 


an, dass sie überall in die 
Zwischenräume der groben Bündel Scheidewände sendet. Gegen den hin- 
teren Rand und die untere Spitze des Muskels wird sie mächtiger, entschie- 
den sehnig und schlägt sich, verstärkt durch Fasern, die sich von der 
eigentlichen Sehne des M. deltoideus abzweigen, auf die Oberarmmuskeln 
hinüber. 

Am Ober- und Unterarme ist die Fascie der Streckseite bedeutend 
mächtiger, als die der Beugeseite. Besonders zart ist sie über dem M. bi- 
ceps; sie vereinigt sich am medialen Rande dieses Muskels mit dem tiefen, 
zwischen Biceps und Brachialis int. verlaufenden Blatte und gewinnt da- 
durch an Stärke; längs der unteren Hälfte des Oberarmes wird sie zwischen 
dem M. brachial. int. und anconeus int. in Form einer Furche !) eingezogen 
durch die Anheftung des Lig. intermusculare mediale (Fig. 122), eines 
fibrösen Streifens, welcher, andererseits an den medialen Winkel des Arm- 
beines angewachsen, die Aushöhlung zwischen diesem Winkel und dem 


») Sulcus bieipitalis int. 


Oberarm. 


Fascie der oberen Extremität. 


122. 


oberen Rande des 
medialen Epicon- 
dylus ausgleicht. 
SG Der N. medianus 
G liegt mit der Art. 
brachialis vor dem 
Lig. intermuscu- 
lare mediale, der 
N. ulnaris liegt 
hinter diesem Li- 
gamente; öfters 
strahlen Sehnen- 
bündel des M. co- 
racobrachialis in 
dasselbe aus. Das 
Lig. intermuscu- 
lare laterale ist 
schmaler, minder 
straff, an der vor- 
Fascie des Ober- und deren und hinte- 
Unterarmes, von vorn. ren Fläche ganz 
Fossa infraclavicu- Er 

laris, **Eintrittsstelle YO den Ursprün- 
der Vena basilicaa gen des M., brach. 
re a int. und ancon. int. 
Nm N. ulnaris und eingenommen; ım 
en A Art. unteren Drittel des 
Ela, A Ar Operarenwirden 
chioradialis.. Pt M. durch die Ur- 
De ee 
Vi M. ulnaris int. dialmuskeln  ver- 
Ri M. radialis int. drängt oder er- 

setzt. Sein Ver- 
hältniss zum N. radialis wurde bereits 
oben (S. 175) besprochen. 

Die Fascie der Verderfläche des 
Oberarmes hat an der Stelle, wo sie 
sich mit dem oberen Ende des Lig. 
intermusculare mediale verbindet, einen 
queren Schlitz (Fig. 122 **) 2), durch 
welchen die V. basilica ein-, der N. 
cutaneus medius austritt; eine ähnliche, 
mehr spaltförmige Oeffnung (Fig.123*), 
zum Austritte des Hautzweiges des N. 
radialis, findet sich in der Fascie der 
hinteren Fläche in der Gegend des 
unteren Endes des Lig. intermusculare 


2) Hiatus semilumaris fasciae brachialis. 


laterale. Der N. 
cutaneus lateralis 
gelangt an die 
Oberfläche durch 
einen Schlitz der 
Fascie, neben dem 
lateralen Rande 
des M. biceps und 
oberhalb des Ur- 
sprungs der ober- 
flächlichen Sehne 
dieses Muskels 
(Fig. 122 ***), 
Beim Uebertritte 
vom Ober- an den 
Unterarm nimmt 
die Fascie neue 
Faserzüge von den 
Sehnen des M. bi- 
ceps und triceps 
und vom Epicon- 
dylus medialis auf, 
und längs dem 
ganzen Unterarme 
empfängt sie 
transversale Fa- 


Fascie der oberen Extremität. 


Fig. 123. 


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Fascie des Ober- und 
Unterarmes, von hin- 
ten. * Austrittsstelle 
des Hautastes des N. 
radialis. ** Bursa 
subeutanea olecrani. 
Nu N. ulnaris. R 
Mm. radiales externi. 
Ue, Ui M. ulnaris 
ext. und int, 4Apl 
M. abduet. poll. long. 


N SS 
ITISSISZINS 
=IIÄN 
ir 

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Epb M. ext. poll. br. 
cc Lig. carpi comm. 


sern, welche von 
der hinteren Kante 
der Ulna median- und lateralwärts ab- 
gehen, die medianwärts abgehenden 
am Ursprunge mit der Sehne des M. 
ulnaris int. verschmolzen. Die Sehnen- 
fasern des Biceps, welche in die Fascie 
ausstrahlen, wurden als oberflächliche 
Sehne dieses Muskels zugleich mit dem- 
selben beschrieben ; zum Theil aus den 
medialen Muskelfasern, zum Theil neu 
an der tiefen Sehne entspringend, wen- 
den sie sich in aufwärts concaven Bo- 
gen gegen den Ulnarrand des Armes 
(Fig. 122 5“) und erzeugen mit den 
am Epicondylus med. entspringenden, 
lateralabwärts verlaufenden Fasern der 
Fascie ein starkes Flechtwerk, von 
dessen Innenfläche Fasern der ober- 
flächlichen Beugemuskeln entspringen 
und sehnige Septa der Muskeln ab- 
gehen. Die oberflächliche Sehne des 


235 


Unterarm. 


236 Fascie der oberen Extremität. 


M. biceps bedeckt die Gefässe des Armes, so weit sie in der abwärts zu- 
Fig. 123 a. gespitzten Grube zwischen dem M. 
brachioradialis und pronator teres lie- 
gen; an dem kräftig contrahirten 
Arme macht sich ihre Insertion in 
die Fascie durch eine Einschnürung 
bemerklich, welche die Muskelmasse 
am ulnaren Rande, etwa 11/5“ unter- 

halb des Epicond. medialis, erfährt. 
Die Sehne des M.triceps verwächst 
oberhalb der Insertion am Proc. an- 
coneus mit der Fascie, so dass der 
Antheil beider an dem fibrösen Blatte, 
welches lateralwärts von diesem Fort- 
satze den M. anconeus quartus deckt, 
nicht gesondert werden kann. We- 
gen der Scheiden, die die Faseie den 
Streckmuskeln des Unterarmes liefert, 
pI verweise ich auf die Beschreibung der 
Muskeln, wegen der ringförmigen 
Fasern der Fascie am Handgelenke, 
Lig. carpi commune, auf die Bänder- 

lehre (8. 92). 

An der Hand ist, sowohl auf dem 
Rücken wie in der Vola, je ein ober- 
flächliches und tiefes Blatt der Faseie 
zu unterscheiden. Auf dem Hand- 
rücken verbindet das obertläch- 
liche Blatt die Strecksehnen mit ein- 
ander und setzt sich mit ihnen au 
Pbs die Finger fort; das tiefe Blatt ist 

zwischen den Mittelhandknochen aus- 

gespannt; es deckt die Mm. inter- 
ossei, dient Fasern derselben zum Ur- 
sprunge und verliert sich an der Basis 
der Grundphalangen in die Kapseln 
der Fingercarpalgelenke (Fig. 111 **). 

Das oberflächliche Blatt der 

Hohlhandfaseie ist in dem mitt- 

leren Theile der Vola zwischen dem 
® _ Daumen- und Kleinfingerballen ausge- 
1; spannt, eine mächtige und glänzende, 

dreiseitige, mit der Basis abwärts ge- 
Muskeln des Vorderarmes, erste Schichte. richtete Platte. Es besteht, mie=be- 
B M. biceps. Bi M. brachialis int. RR reits bei der Beschreibung des M. 
Gruppe der radialen Muskeln. ?t M. pro- palmaris erwähnt wurde, aus zwei 
nator teres. Ri M. radial. int. Pl, Pb Lagen, einer äusseren, mit vertical 


M. palmaris longus und brevis. Vi M. z 6 - 
ulnaris int. Z M. lumbricalis. fächerförmiger, und einer inneren, 


Hand- 
rücken, 


Hohlhand. 


Fascie der oberen Extremität. 237 


mit transversaler Faserung. Die äussere Lage, eine Ausbreitung der 
Sehne des M. palmaris long., verstärkt durch Fasern, die am Lig. carpi 
volare propr. entspringen, reicht bis an die Basen der Grundphalangen und 
weicht gegen dieselben in vier Zipfel auseinander, welche die Querfasern 
der tieferen Lage durchblicken lassen und sich zwischen je zwei Fingern 
in die Haut befestigen (Fig. 123 a.). Die innere Lage ist in der Nähe 
des Handgelenkes schwach, genau an die äussere angewachsen, und wird 
in dem Maasse stärker, als sie sich den Basen der Finger nähert und zwi- 
schen den Zipfeln der äusseren Lage frei wird. An der äusseren (vorderen) 
Fläche ist die Volarfascie mit der Cutis durch zahlreiche, straffe, das Fett- 
gewebe durchsetzende Fasern genau verbunden; an der inneren (hinteren) 
Fläche ist sie durch lockeres Fett von den Gefässen und Nerven der Hohl- 
hand und von den Schleimbeuteln der Beugesehnen geschieden. Ihre bei- 
den Seitenränder stossen am Daumen- und Kleinfingerballen mit der tiefen 
Fascie der Volarfläche zusammen, so dass die zarte Fascie, welche die 
Muskulatur dieser beiden Ballen deckt, eine verdünnte Fortsetzung ebenso- 
wohl der oberflächlichen als der tiefen Fascie zu sein scheint. 


Die tiefe Hohlhandfaseie bedeckt unmittelbar die Mm. interossei. Die 
Weise, wie sie sich an den Fingercarpalgelenken hinter den Beugesehnen fort- 
setzt und wie sie der oberflächlichen Fascie, welche vor diesen Sehnen verläuft, 
sagittale Septa zusendet, wodurch auf den Gelenken Scheiden für die Beuge- 
sehnen, zwischen je zwei Fingern Scheiden für die Mm. lumbricales gebil- 
det werden, Alles dies wurde bereits in der Bänderlehre (S. 105) be- 
schrieben. Die tiefe Fascie verschmilzt mit der vorderen Wand der Ge- 
lenkkapseln; die oberflächliche Fascie geht auf den Fingern in die Ligg. 
vaginalia über und scheint zwischen je zwei Fingern in der Gegend der 
Fingercarpalgelenke mit einem scharfen, abwärts concaven Rande zu endi- 
gen, unter welchem der M. lumbricalis und die Nervenäste zu Tage kom- 
men (Fig.123 a. L). Doch tritt weiter unten, zur Unterstützung der zwischen 
den Fingern ausgespannten Hautfalten, also etwa in der halben Höhe der 
Grundphalangen, noch einmal ein mächtiger, über alle vier Finger sich 
eontinuirlich erstreckender Querfaserzug auf, aus welchem Fasern abwärts 
in die frontalen Septa der Finger (Bdl. S. 108) umbeugen }). 


Die Ligg. vaginalia erstrecken sich ununterbrochen von den Basen 
der Grundphalangen bis zur Insertion der Sehne des M. flexor dig. prof. 
an die Endphalangen, zeigen aber Verschiedenheiten der Stärke und des 
Faserlaufes, welche zur Zerlegung eines jeden Lig. vaginale in eine 
Anzahl von Bändern ?) geführt haben. Das Lig. vaginale ist mächtig und 
straff längs den Körpern der Phalangen; es muss aber den Gelenken gegen- 
über, um die Beugung der Finger nicht zu beeinträchtigen, diinn und leicht 


zu falten sein. Jener straffe Theil, welcher besonders an der Grundpha- 


\) Bourgery s Bandelette transversale souscutanee, Taf. 151. Fig. 1. Richtig abgebil- 
det, jedoch mit der unrichtigen Erklärung, dass sie auf den Basen der Grundphalangen 
liegen. 

2) Ligg.:vaginalia, annularia, cruciata und obligua aut. 


II. Untere 
Extremität. 
a. Hüft- 
muskelh. 


ce. Innere 
Hüft- 
muskeln. 


238 Hüftmuskeln. 


lange scharf nach oben und unten abgesetzt ist und fast die Höhe des Kör- 
pers der Phalange hat, besteht aus Querfasern, welche die concave Vorder- 
fläche der Phalange überbrücken. Der weichere Theil des Lig. vaginale 
enthält schräge und auch wohl gekreuzt verlaufende Fasern. 


ll. Untere Extremität. 
a. Muskeln der Hüfte. 


Die Muskeln der Hüfte liegen in zwei Gruppen. Die Eine, wir wollen 
sie die Gruppe der inneren Hüftmuskeln nennen, nimmt ihren Ursprung an 
der inneren (vorderen) Fläche der hinteren Wand der Bauchhöhle mit Ein- 
schluss der die Bauchhöhle begrenzenden Wand des oberen Beckens und 
kommt also erst nach Eröffnung der Bauchhöhle und Entfernung der Bauch- 
eingeweide zum Vorschein. Insofern sie das Schenkelbein erreichen, be- 
festigen sich die Muskeln dieser Gruppe am Trochanter minor und dessen 
nächster Umgebung. Ihre Fasern haben einen im Wesentlichen verticalen 
Verlauf und dienen also, den Schenkelkopf oder, bei festgestelltem Schenkel, 
den Rumpf um die transversale Axe zu drehen, d. h. den Schenkel gegen 
die Vorderfläche des Rumpfes oder den Rumpf gegen die Vorderfläche des 
Schenkels zu beugen. 


Die zweite Gruppe, die äusseren Hüftmuskeln, entspringen an der 
Aussenfläche des oberen und unteren Beckens, theilweise auch an der Innen- 
fläche des letzteren, und gehen, die oberflächlichen in fast verticaler, die 
tieferen in mehr horizontaler Richtung zur Gegend des Trochanter major. 
Die im Inneren des unteren Beckens entspringenden Muskeln gehören zu 
den tieferen; sie treten durch die Ineisura ischiadica maj. und minor aus 
und verhalten sich hinsichtlich ihrer Wirkung so, als ob sie am Rande die- 
ser Oeffnungen ihren Ursprung nähmen. Die verticalfaserigen Muskeln 
haben, je nachdem sie an der lateralen oder hinteren Fläche, an der eigent- 
lichen Hüfte oder am Gesäss liegen, die Aufgabe, den Schenkelkopf um die 
sagittale Axe aufwärts oder um die transversale Axe rückwärts zu bewegen 
oder auf dem befestigten Beine das Becken seit- oder rückwärts zu drehen. 
Die Muskeln mit horizontalem Faserverlaufe sind Rollmuskeln des Schen- 
kels um die verticale Axe, und zwar rollen sie sämmtlich, da sie sich an 
den hinteren Theil des Trochanter ansetzen, den Oberschenkel rückwärts 
um. Die Rotation des Schenkels nach vorn, mit der Fussspitze median- 
wärts, kann nur Nebenwirkung schräger Fasern der wesentlich vertical ver- 
laufenden Muskeln sein, worauf ich zurückkomme. 


e. Innere Hüftmuskeln. 


Zwei Muskeln beginnen unmittelbar neben einander, der Eine an der 
Seitenfläche des Körpers des letzten Brustwirbels, der andere am unteren 
Rande der letzten Rippe, jener eylindrisch und schmal, dieser platt und 


Quadrat. lumborum. 239 


breit. Jeder dieser Muskeln erhält im Absteigen Zuwachs an seiner hin- 
teren Fläche, der mediale von den Körpern und Querfortsätzen der Bauch- 
wirbel, der laterale von denselben Querfortsätzen und vom Lig. lumbocostale. 
Während aber der mediale Muskel direct über den vorderen Beckenrand 
herabsteigt, bewirkt am lateralen der Hüftbeinkamm eine Unterbrechung : 
der laterale Muskel zerfällt in einen oberen Theil, der am Hüftbeinkamme 
endet, und einen unteren Theil, der an derselben Stelle entspringt, um 
weiter abwärts sich, vereint mit dem medialen Muskel, am Schenkelbeine 
zu befestigen. Der aus dieser Verbindung hervorgehende, also zweiköpfige 
Muskel ist der M.iliopsoas; der zwischen der untersten Rippe und dem Becken 
ausgespannte Theil des lateralen Muskels ist der M. quadratus lumborum. 
Durch die Anheftung am Becken hat dieser Muskel seinen unmittelbaren 
Einfluss auf die untere Extremität verloren; durch die Vermischung seiner 
Fasern mit Intercostalmuskeln (den Mm. intertransversarii lumb. post. late- 
ral.), sowie durch seine Functionen unter gewöhnlichen Verhältnissen reiht 
er sich den Muskeln des Stammes, dem Bewegungsapparate der Wirbel und 
Rippen an. Dennoch scheint mir seine Stellung an diesem Orte durch die 
Coordination mit dem medialen und durch die Beziehung zum lateralen 
Kopfe des M. iliopsoas geboten. Jedenfalls ist es fehlerhaft, den Quadratus 
lumborum, wie allgemein üblich, als Wiederholung der Scaleni zu betrach- 
ten. Er entspricht vielmehr durch seine Beziehungen zum Extremitäten- 
gürtel dem M. levator scapulae, wie der laterale Kopf des M. iliopsoas dem 
M. subscapularis. 


Zu den zwei genannten Muskeln kommt ausnahmsweise noch ein drit- 
ter, M. psous minor, eine gewissermaassen selbständig gewordene oberste 
Zacke des medialen Kopfes des Iliopsoas, deren Sehne in die Fascie dieses 
Muskels ausstrahlt. 


1. M. quadratus lumborum W112. 


Ein platter, vierseitiger Muskel, mit dem medialen Rande an die Quer- 
fortsätze der Bauchwirbel und den Beckenursprung des M. sacrospinalis, mit 
dem oberen Rande an die unterste Rippe, mit dem unteren Rande an den 
Darmbeinkamm und das Lig. iliolumbale angewachsen; sein lateraler, 
etwas schräg lateralwärts absteigender Rand ist frei. Mit der hinteren 


1. Quadr. 
lumn. 


Fläche ruht der Muskel auf dem Lig. lumbocostale; seine vordere Fläche : 


ist von einer dünnen Fascie bekleidet; dieser Fascie ‘ist oben der Sehnen- 
bogen eingewebt, von welchem Fasern der lateralen Zacke der Vertebral- 
portion des Zwerchfelles ihren Ursprung nehmen (Fig. 34 d). 


Der Verlauf der Fasern des M. quadr. Jumb. ist verwickelt und ver- 
änderlich. Die Hauptmasse entspringt fleischig von der Rippe, läuft dem 
lateralen Rande des Muskels parallel schräg abwärts und geht in geringer 
Entfernung oberhalb des Hüftbeines in eine platte Sehne über; zu dieser 
Masse treten an beiden Rändern und an der hinteren Fläche platte Za- 


!) M. scalenus lumborum und ileolumbalis H. Meyer. 


Quadrat. lumborum. 


RfM. rectus 
Gr M. gracilis. 


Sar M. sartorius. 


Tf M. tensor fasciae. 
A fl, Afm M. adductor fem. longus und magnus. 


D Vertebralzacke des Zwerchfells. 


Innere Hüft- und oberflächliche Schenkelmuskeln, von vorn. 


femoris. 


Pe M. peectineus, 


Vl, Ym Laterale und mediale Portion des M. vastus. 


eken, entspringend von 
der Spitze der Quer- 
fortsätze der Bauchwir- 
bel und von transver- 
salen, in der Fortsetzung 
der Querfortsätze dem 
Lig. lumbocostale ein- 
gewebten Bandstreifen, 
welche die Stelle von 
Rippen vertreten (Bdl. 
S. 32). Mit diesen Fa- 
sern kreuzen sich unter 
spitzen Winkeln andere, 
platte Bündel, welche 
auf der Vorderfläche des 
Muskels theils von der 
letzten Rippe und von 
den Querfortsätzen der 
Bauchwirbel geneigter 
lateralwärts absteigen, 
theils auch in einer la- 
teralwärts aufsteigen- 
den Richtung verlaufen. 
Bündel der letzteren 
Art entstehen mittelst 
platter Sehnen an den 
zwei bis drei untersten 
Bauchwirbeln und strah- 
len aufwärts zum Theil 
zwischen die übrigen 
Fasern des Muskels und 
gegen die untere Rippe 
aus, zum Theil befesti- 
gen sie sich, Einen Wir- 
bel überspringend, in bo- 
genförmigem, median- 
wärts _concavem Ver- 
laufe an den nächst hö- 
heren Querfortsatz. Me- 
dianwärts stossen diese 
Bündel an die Mm. in- 
tertransversarii latera- 
les; der laterale Rand 
ihrer Ursprungssehnen 
dient wieder zarten La- 
gen lateral-abwärts lau- 
fender Muskelfasern zum 


Ursprunge. 


Tliopsoas. 241 


2. M. iliopsoas Hyrtl Jp)). 


Der M. iliopsoas besteht in der Regel aus einem medialen und einem 
lateralen Kopfe; nicht selten sondert sich vom lateralen Kopfe eine tiefe 
Portion, die wir als dritten oder tiefen Kopf des M. iliopsoas beschreiben. 

Der mediale Kopf, M. psoas maj.2), beginnt einfach an der Seiten- 
fläche des Körpers des zwölften Brustwirbels, zuweilen auch am Köpfchen 
der zwölften Rippe, und verstärkt sich im Absteigen längs der Bauchwirbel 
durch Fasern, welche einerseits von den Körpern, andererseits von den 
Querfortsätzen aus, unter spitzem Winkel convergirend, abwärts laufen 

Fig. 125. (Fig. 124. 125 Jp). An 
den Körpern der Wirbel 
entwickeln sich die Fasern 
in continuirlicher Reihe 
theils unmittelbar von den 

„Knochen und Synchondro- 
sen zur Seite des Lig. 
comm. vertebr. ant., theils 
von verticalen, über die 
Concavität der Wirbel und 
über die horizontal verlau- 
fenden Lumbargefässe aus- 
gespannten Sehnenbogen 
(Fig. 124). Die Ursprünge 
an den Querfortsätzen sind 
breite, platte Zacken, wel- 
che in der Regel die Vor- 
derfläche und den unteren 
Rand der Fortsätze aller 
oder nur der vier unteren 
Wirbel von der Wurzel bis 
in die Nähe der Spitze ein- 
nehmen, medialerseits an 
die Wirbelkörperursprünge 
des gleichen Muskels, late- 
ralerseits an die Ursprünge 
des M. quadr. lumb. stossen 
und nicht selten auch unter 
sich der Höhe nach in 
Verbindung treten durch 
Fasern, welche längs der 
Ligg. costo - transversaria 


—g 


a ee 
—— 


Innere Hüftmuskeln, von vorn. Der mediale Bauch des 
M. iliopsoas (Jp!) ausgeschnitten, die lateralen Ursprünge 4 5 
desselben lateralwärts umgelegt. D Vertebralzacke antica (Bdl. Fig. 25) ent- 
des Zwerchfells. Pe M. pectineus. Sar M. sartorius. springen. 


!) M. iliacopsoas Haller. M. flexor femoris Theile. Psoas-iliague Cruv. 
2) M. psoas lumbaris s. lumbaris int. Runder Lendenmuskel. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl.3. 16 


2. Iliopsoas. 


242 Iliopsoas. 


24 


Zwischen beiden Reihen von Ursprüngen treten die vorderen Aeste der 
Nn. lumbales aus den von den Wirbeln und den Ligg. costo-transversaria 
begrenzten Oeffnungen hervor und durchsetzen einzeln den Muskelbauch, 
um sich an dessen lateralem Rande zum N. ceruralis zu verbinden. 


Nach der Richtung ihres Verlaufes muss man zum medialen Kopfe 
des Iliopsoas noch eine Reihe zarter Bündel rechnen, welche längs des 
Tliosacralgelenkes am Darmbeine, zuweilen auch noch am Rande des Kreuz- 
beines und längs der Crista iliopeetinea an der Beckenfaseie wurzeln (Fig. 
125 Jp*). Lateralwärts treten sie meist ohne Unterbrechung mit dem 
lateralen Kopfe zusammen. Von den am untersten Bauchwirbel entsprin- 
genden Fasern sind sie durch die oberste Wurzel des Plexus sacralis (aus 
dem fünften N. lumbalis) geschieden. 

Die Sehne des Psoas, anfangs platt, dann platteylindrisch, wird noch 
innerhalb des Beckens am lateralen Rande und der hinteren Fläche des 
Muskels frei; am medialen Rande und der vorderen Fläche nimmt sie bis 
zur Insertion Fasern auf. 

Der laterale Kopf des lliopsoas, M. ilacus!), entspringt mit einer 
continuirlichen Reihe von Fasern vom oberen und vorderen Rande des 
Hüftbeines bis unterhalb der Spina iliaca ant. inf., zwischen den Bündeln 
des Lig. iliolumbale, von der medialen Ursprungssehne des M. rectus femo- 
ris und vom vordersten Theile des Lig. iliofemorale in der Nähe seines 
Beckenursprunges; ferner mit vereinzelten, schmalen und platten Bündeln 
von der inneren Fläche des Darmbeines (Fig. 124.125 J p2). Seine Fasern 
gehen ziemlich parallel steil medianabwärts; die obersten erhalten an der 
hinteren Fläche eine kurze, platte Insertionssehne, die sich in der Gegend 
der Eminentia iliopectinea mit der Sehne des mediälen Kopfes verbindet; 
die folgenden Fasern fügen sich successiv unmittelbar an den lateralen Rand 
der Sehne des Psoas; die untersten heften sich für sich kurzsehnig unter- 
halb des Trochanter minor an eine dreiseitige Fläche des Schenkelbeines 
zwischen der Insertion des M. pectineus und dem Ursprunge des M. 
eruralis. 

Der dritte, tiefe Kopf des Iliopsoas, wenn ein solcher besteht, setzt 
sich aus den Fasern zusammen, welche am vorderen Rande des Hüftbeines, 
von der Spina iliaca ant. sup. an bis zur Hüftgelenkkapsel, ihren Ursprung 
nehmen (Bl. Fig. 107) und sich zu unterst an die gemeinsame Sehne und 
unterhalb derselben an das Schenkelbein befestigen. 

Die Sehne des M. iliopsoas hat ihre grösste Breite an der hinteren 
Fläche des Muskels, wo die beiden oberflächlichen Köpfe zusammenstossen 
und, über dem Rande des Beckens austretend, das Hüftgelenk bedecken. Sie 
verwächst hier mit der äusseren Wand eines Schleimbeutels, welcher auf 
der Kapsel des Hüftgelenkes liegt, zuweilen mit dieser Kapsel communieirt 
und deshalb schon bei Beschreibung des Hüftgelenkes (Bdl. S. 129. Fig. 107. 
109. 111 ***) erwähnt wurde. Nach dem Austritte aus dem Becken ver- 
schmälert sich die Sehne und wird erst wieder breiter in der Nähe der 
Insertion, um den Trochanter zu umfassen; auch hier ist sie vom Knochen 


!) M. iliacus int. aut. Hüftbeinmuskel. 


Psoas minor. 243 


durch einen Schleimbeutel !) getrennt. Ihre Richtung vom Beckenrande 
aus ab-median- und zugleich rückwärts ist sehr günstig, um den Schenkel- 
kopf zugleich auf- und seitwärts zu rollen. 


Var. Die zwei bis drei unteren Wirbelkörperursprünge oder die oberen 
Querfortsatzursprünge des medialen Kopfes des Iliopsoas bilden eine, vom übrigen 
Muskel abgesonderte Portion (Albin, Meckel). Derselbe Kopf erhält einen 
Zuwachs an Fasern von beiden Rändern der Sehne des M. psoas minor (eigene 
Beobachtung). Bündel des lateralen Kopfes laufen über eine oder mehrere Wur- 
zeln des N. cruralis hinweg (ebenso). 


3. M. psoas minor. 


Der kurze, spindelförmige Bauch dieses Muskels entspringt theils über, 3. Psoas 
theils medianwärts neben dem medialen Kopfe des M. iliopsoas vom Körper 
des letzten Brust-, zuweilen auch des ersten Bauchwirbels; seine lange, 
platte Sehne läuft auf der Vorderfläche des Psoas herab, in der Fascie 
dieses Muskels befestigt und schliesslich über den vorderen Rand des 
Beckens in dieselbe ausstrahlend (Fig. 34 Ps). 


Var. Kelch sah einen zweiten Psoas minor, welcher an der Seitenfläche des 
Körpers des dritten Bauchwirbels entsprang. Theile sah die Endsehne in zwei 
Portionen getheilt: die Eine heftete sich an die Synchondrose des füniten Bauch- 
und ersten Kreuzwirbels, die andere an die Crista iliopectinea. 


f- Aeussere Hüftmuskeln. 


Die äusseren Hüftmuskeln liegen in vier Schichten. Die erste Schichte 3. eussere 
bildet ein einziger Muskel, M. gluteus mawimus, welcher nicht nur fast EN 
vollständig die tieferen Schichten der Hüftmuskeln, sondern auch die Ur- 
sprünge der Muskeln der Beugeseite des Oberschenkels zudeckt. Von der 
hinteren Mittellinie und dem hinteren Theile des oberen Randes des Beckens 
geht er mit parallelen, schräg lateralabwärts verlaufenden Fasern an das 
obere Drittel des Schenkelbeines; seinem unteren Rande entspricht ziemlich 
genau die Querfurche, welche die Hinterbacke vom Oberschenkel scheidet. 
Der M. gluteus maximus bildet hauptsächlich das Fleisch des Gesässes, an 
dessen Form und Wölbung übrigens auch das mächtige Fettpolster der 
Cutis seinen Antheil hat. 

Auch in der zweiten Schichte findet sich nur Ein Muskel, M. gluteus 
medius ; derselbe geht mit convergirenden Fasern von der Aussenfläche des 
Darmbeines zur Aussenfläche des Trochanter major, an seinem medialen 
Theile vom M. glut. max., am freien, lateralen Theile von einer starken Faseie 
bedeckt und seinerseits die laterale Partie der dritten Schichte bedeckend. 

Diese dritte Schichte besteht aus vier dicht aneinander grenzenden 
Muskeln, deren Fasern von der äusseren Fläche des Darmbeines und dem 
hinteren Rande des Hüftbeines aus gegen den Trochanter major conver- 
. giren, um an die Spitze desselben, in der Fossa trochanterica. und an die 
Linea intertrochanterica, sich anzuheften. Die Zerfällung in vier Muskeln 


I) Bursa iliaca Monro. 
16* 


I. Erste 
Schichte. 
Glut. max. 


244 | Gluteus maximus. 


ist durch die Gelegenheit zur Ausbreitung der Faserursprünge bedingt. 
Vom Darmbeine, auf welchem der oberste dieser Muskeln, M. gluteus mini- 
mus, entspringt, geht der Ursprung des zweiten, des M. pyriformis, auf die 
Vorderfläche des Kreuzbeines über; der dritte, M. obturator int., bezieht 
die Hauptmasse seiner Fasern von der inneren (hinteren) Fläche der vor- 
deren Beckenwand und erhält einen tiefen Kopf von der äusseren Fläche 
des Beckens in der Nähe der Ineisura ischiadica minor, über deren Rand 
er aus dem Becken hervorgeht; der vierte, M. quadratus femoris, nimmt 
direct vom Sitzhöcker seinen Ursprung. Die Muskeln dieser Schichte sind 
unter sich und mit der Kapsel des Hüftgelenkes durch fetthaltiges, aber 
festes Bindegewebe verbunden, welches zugleich die Fascie dieser Schichte 
bildet und am Lig. sacrotuberosum mit der Fascie des unteren Beckens zu- 
sammenhängt. Es wird, je näher der Insertion, um so straffer und heftet 
schliesslich die Sehnen des Gluteus min., Pyriform. und Obturator so fest 
aneinander, dass nur eine künstliche Trennung derselben von einander mög- 
lich ist. 

Nach Entfernung der unteren Muskeln der dritten Schichte wird die 
Insertionssehne des einzigen Muskels der vierten Schichte, des M. obturator 
et., sichtbar, welcher, dem gleichnamigen inneren Muskel gegenüber, an der 
äusseren Fläche der vorderen Beckenwand entsteht und quer unter dem 
Schenkelhalse vorüber zum tiefsten Theile der Fossa trochanterica zieht. 


I. Erste Schichte. 


M. gluteus maximus Gm). 


Platt, sehr mächtig (über 1”) und gleich dem M. deltoideus, den er an 
der unteren Extremität wiederholt, aus eigenthümlich groben Bündeln zu- 
sammengesetzt, zwischen welchen die Fascie Blätter in die Tiefe schickt- 
Die Form ähnelt einer Raute mit zwei verticalen, zwei schräg lateralwärts 
absteigenden Seiten; die mediale verticale Seite nebst einem kleinen an- 
grenzenden Theile der oberen entspricht dem Ursprunge, die laterale ver- 
ticale Seite entspricht der Insertion; der Rest der oberen und die untere 
Seite sind frei, aber durch festes Bimdegewebe fast unverrückbar an die 
Unterlage angeheftet. Die Unterlage des oberen Randes ist der M. gluteus 
medius; der untere Rand zieht von der Spitze des Steissbeines bis zum 
Sitzhöcker wulstig über das Fettlager der Dammgegend; am Sitzhöcker ist 
er so befestigt, dass er ihn bei gestrecktem Schenkel eben bedeckt und bei 
gebeugtem Schenkel (im Sitzen) sich über ihn hinaufzieht, jenseits des 
Sitzhöckers bis zur Insertion heftet die Fascie den Rand des Gluteus an die 
Beugemuskeln des Unterschenkel». 

Am Darmbeine haften die Fasern des Gluteus, fast unmittelbar fleischig, 
auf der Fläche, welche die Linea glutea post. mit dem oberen und hinteren 
Rande des Knochens einschliesst (Knl. S. 245); von da auf das Kreuzbein 
übergehend, ordnen sich die Ursprünge in zwei concentrische Reihen, eine 
oberflächliche und eine tiefe. Die oberflächliche erstreckt sich in gerader 


') M. gluteus magnus Alb. M. g. major aut. _ Grosser Gesässmuskel, Grand fessier. 


Gluteus maximus. 245 


oder gebogener Linie auf der Fascia Jumbodorsalis herab zum Cornu sacrale 
und weiter längs des Randes der drei oberen Steisswirbel (Fig. 127 Gin‘). 
Fig. 126. Die tiefe (@ m“) 1) sitzt am Seiten- 
rande des Kreuzbeines und dem an- 
#24 stossenden Theile des Lig. sacro- 
tuberosum, mehr oder minder weit 
gegen die Spina ischiadica vordrin- 
gend. Beide Reihen von Ursprün- 
gen verschmelzen in der Regel bald 
mit einander; an den oberen Rand 
der Masse legen sich noch successiv 
eine Anzahl Bündel an, welche 
vom Rande des Hüftbeines eine 
Strecke weit abwärts auf der derben 
Fascie des M. gluteus medius ent- 
springen (Fig. 126). 

Die grosse Mehrzahl der Muskel- 
fasern des Gluteus max. endet in 
der Fascie des Öberschenkels in 
einer . gebrochenen Linie, welche 
dem oberen und hinteren Rande 
des grossen Trochanter ziemlich 
genau parallel läuft und sich ab- 
wärts bis an das Ende des oberen 
Drittels des Schenkelbeines verlän- 
I gert. Und zwar geht die obere 
A| Hälfte des Muskels ganz in die 


CE: 


N 
= 
N 


NZ 

\ N 
\ Fascie über, von der unteren Hälfte 
ZA aber nur eine oberflächliche und, 


\ 


\ 


/ 
/ 
\ 


je weiter abwärts, um so minder 
mächtige Lage; verdeckt von der 
oberflächlichen Lage und daher nur 
an der Innenfläche des vom Ur- 
sprunge abgelösten und nach aussen umgeschlagenen Muskels sichtbar, ver- 
einigt sich eine Anzahl eonvergirender Muskelbündel in eine platte Sehne, 
welche etwa in der Höhe des Trochanter minor sich an den oberen late- 
ralen Schenkel der Crista femoris befestigt; die weiter abwärts folgenden 
Fasern haften mittelst kurzen, abwärts an Mächtigkeit zunehmenden Sehnen- 
fasern medianwärts neben und auf der Ursprungssehne des M. vastus (Fig. 127). 

Den Trochanter major deckt an der Stelle, wo die Fascie, welche zu- 
gleich Sehne des Gluteus maximus ist, über ihn hinweggleitet, ein ein- oder 
mehrfächeriger Schleimbeutel, Bursa mucosa trochanterica ?), der mehr 
oder minder weit auf dem M. vastus herabreicht. 


| 


M. gluteus maximus, von hinten. * Fascie 
des M. gluteus med. 


!) Die oberen Zacken dieser tiefen Portion werden, gleich der tiefen Portion des 
M. pectoralis maj., seit Tiedemann sie zuerst an einer sehr muskulösen Leiche beob- 
achtete (Meck. Arch. IV. 413), als Varietät des M. gluteus max. angeführt. 

2) Bursa gluteo-fascialis, gluteo-trochanterica und gluteo-femoralis Monro. 


246 Gluteus medius. 


Die Nervenfasern des M. gluteus max. stammen vom N. gluteus inf. 
und treten oberhalb des Lig. saerospinosum ein. 


Ehysiol: Unter den Muskeln der Gesässgegend ist der Gluteus naximus am wenigsten 
Bemerk. für die Rotationsbewegungen, dagegen vorzugsweise günstig für die Bewegungen 
organisirt, wodurch die hintere Fläche des Schenkels und des Rumpfes einander 
genähert werden, der Schenkel also nach hinten erhoben oder der Rumpf gestreckt 
wird. Dieser Function dienen die Fasern um so besser, je weiter abwärts am 
Schenkelbeine sie sich ansetzen, und deshalb gehen die unteren Bündel in Masse 
an den Knochen, indess die oberen durch Vermittelung der Fascie und also auf 
alle Insertionspunkte der Fascie oder von diesen Punkten aus wirken. E 


x 


II. Zweite Schichte. 


M. gluteus mediu Gmd!). 


IL. Zweite Der M. gluteus medius entspringt fleischig von dem Theile der äusseren 
N, Fläche des Darınbeines, welchen der obere Rand, die Linea glutea ant. und 
Fig. 127. glutea post. begrenzen. 


= Von dem hinteren Ende 


der Linea glutea ant. 
setzt sich der Ursprung 
des Muskels beständig 
noch eine kurze Strecke 
auf einen plattten Seh- 
nenbogen fort, der mit 
dem Hüft- und Kreuz- 
beine eine ovale Lücke 
zumDurchtritt von Zwei- 
gen der Vasa glut. supp. 
umschliesst (Fig. 127). 
Gegen den vorderen 
Rand des Beckens ver- 
stärkt sich der M. glu- 
teus med. durch Fasern, 
welche von der inneren 
Fläche seiner Fascie 
und von einem an der 
Spina iliaca ant. sup. 
entspringenden Sehnen- 
streifen ?) stammen, der 
sich abwärts in die Mus- 


Gm 


ı a kulatur des Gluteus 
* Afmi 
Hintere Hüftmuskeln, nach Entfernung des .M. gluteus ) M. gl. secundus. M. iia- 
max., welcher dieht am Ursprunge abgeschnitten und mit cus ext. M.J. Weber. Mitt- 
dem unteren Ende (Gm) lateralwärts umgelegt ist. lerer Gesässmuskel. Moyen 
PM. pyriformis. Oi M. obturator int. @,f M. quadrat essier. 
femoris. Ni N. ischiad. dieht unter dem Austritte ab- ?) Lig. suspensorium tro- 
geschnitten. Y/ M. vastus, laterale Portion. chanteris Günther (Chirurg. 


Afmi M. adductor fem. minimus. Muskellehre S. 143). 


Glateus minimus. 247 


minimus fortsetzt (Fig. 1283 @ mi‘). Demnach ist es die Sehne des Gluteus 
minimus, an welcher die vordersten Fasern des Gluteus med. entspringen, 
und sehr häufig sind beide Muskeln von da an bis herab zur Insertion so mit 
einander verwachsen, dass sie mit einander, wie die beiden Schichten des 
M. masseter, eine von den Seiten comprimirte Tasche bilden, deren blinder 
Grund vorwärts, deren Eingang nach hinten gerichtet ist. 

Die Insertion des Gluteus med. erfolgt mittelst einer breiten, platten 
Sehne, welche die hintere Spitze des Trochanter major umfasst und von da, 
allmälig an Mächtigkeit abnehmend, auf eine mitten über die äussere Fläche 
dieses Fortsatzes herabziehende Linie übergeht (Fig. 123@md*). Die Sehne 
ragt auf der inneren Fläche des Muskels überall etwas weiter aufwärts als auf 
der äusseren ; einzelne Blätter ziehen besonders in der hinteren Hälfte des- 
selben weit hinauf, um den convergirenden Muskelfasern zum Ansatz zu dienen, 
indess in der vorderen Hälfte die Muskelfasern mehr parallel schräg ab- 
und rückwärts verlaufen und geradezu in die Sehnenfasern übergehen. 

Zwischen den Sehnen des M. gluteus med. und pyriformis liegt ein 
Schleimbeutel.D). 

Die Nerven, aus dem N. gluteus sup., verbreiten sich von einem Stämm- 
chen, welches horizontal in der halben Höhe des Muskels an dessen hinterer 
Fläche hinzieht. 


Var. In starken Körpern vereinigt sich zuweilen eine Anzahl Muskelbündel 
an der inneren Fläche in eine besondere, kurze und schmale, platte oder cylın- 
drische Sehne, welche sich dicht neben der breiten Hauptsehne und median- 
wärts von derselben am oberen Rande des Trochanter ansetzt. — Der M. gluteus 
med. giebt vom unteren Rande einige Bündel an die Sehne des M. pyriformis ab 
(eigene Beobachtung). 

Nach einer oberflächlichen Betrachtung des Faserverlaufes im M. gluteus med. Physiolo- 
müsste man den vorderen Fasern eine vorwärts rotirende, den hinteren Fasern ee 
eine rückwärts rotirende, den mittleren eine gerade seitwärts hebende, abducirende 5 
Wirkung zuschreiben. Da aber die hinteren und mittleren Fasern zusammen und 
convergirend so an die Sehne treten, dass die Wirkung der Einen oder anderen für 
sich allein nicht wohl angenommen werden kann, so würden sie, unter gegen- 
seitiger Aufhebung ihrer antagonistischen Function, sich auf die Abduction be- 
schränken, während gleichzeitig die vorderen, parallelen Muskelbündel den Tro- 
chanter vorwärts führen und den Schenkel einwärts rotiren. Soll die letztere 
Bewegung für sich allein ausgeführt werden, so ınuss entweder der vordere Theil 
des M. gluteus med. unabhängig von dem hinteren Theile sich zusammenziehen, 
oder es müssen zugleich mit dem Gluteus med. die Adductoren wirken, um dem 
Abductionsbestreben des Gluteus med. das Gleichgewicht zu halten. 


III. - Dritte Schichte. 
1. M. gluteus minimus @miÜ?). 


Mehr oder minder deutlich aus zwei Köpfen zusammengesetzt, von IM. Dritte 
. . . er . & n r »  Sehichte. 
welchen der Eine die Darmbeinfläche einnimmt und auf dem Knochen auf- 7. amt. 


liegt, indess der andere von der Spina iliaca ant. sup. gerade absteigt. Bun: 


") Bursa vesicularis glutei medii Monro. 
2) M. gl. minor s. terlius. Kleiner Gesässmuskel. T’etit fessier. 


248 Gluteus minimus. 


Der hintere, grössere und platte Kopf entspringt vom Darmbeine unter- 
halb der Linea glutea ant. bis in die Nähe des Pfannenrandes; auch noch 
von der vorderen Hälfte des unteren Randes der Incisura ischiadica maj., 
wo er mit der Fascie des M. obturator int. zusammenhängt und vom vor- 
deren Rande des Darmbeines bis herab zur Spina iliaca ant. inf. Die 
convergirenden Muskelfasern gehen auf der äusseren Fläche bald in 
die platte Sehne über, 
die mit dem oberen 
Rande dem Rande des 
Muskels concentrisch 
verläuft und abwärts 
sich verschmälert und 
zugleich faltet. Der 
vordere, kleinere und 
platt-cylindrische Kopf 
entspringt sehnig vom 
oberen Raude des Be- 
ckens in der Nähe der 
Spina iliaca ant. sup., 
verwachsen mit den 
Ursprüngen des M, ten- 
sor fasciae und sarto- 
rius; er ist es, von des- 
sen hinterem Rande die 
vordersten Muskelfasern 
des Gluteus med. ab- 
gehen (s. oben); schräg 
rückwärts absteigend 
befestigt er sich mit der 
Aeussere Hüftmuskeln, Glut. max. bis auf die Insertions- Hauptmasse seiner Fa- 
sehne am Knochen (Gm) entfernt. M. a eee sern an die Sehne ‘des 
a ei ebenso m. grösseren Kopfes; ein 


obturat. int. am Austritte aus dem Becken durchgeschnit- Theil geht in selbstän- 
ten und zurückgelegt. Oi * Sehne des inneren Kopfes. dige Sehnenbündel über, 


welche sich vor und 
hinter der Hauptsehne inseriren. Die letztere nimmt den ganzen vorderen 
Rand des Trochanter major ein; ein zuweilen ansehnlicher Schleimbeutel !) 
liegt an der Vorderfläche des grossen Trochanter, eine Facette dieses Fort- 
satzes und einen entsprechenden, kreisförmigen Theil der Sehne des Glut. 
minimus überziehend.. Mit dem Lig. iliofemorale verbindet sich diese 
Sehne in der Weise, dass sie Fasern von demselben aufnimmt und weiter 
unten wieder abgiebt (Bal. Fig. 109 ıf). 


Nerven erhält der M. gluteus minimus vom N. gluteus sup. 


Bringt man den Oberschenkel abwechselnd in Beugung und Streckung oder 
rotirt man ihn vor- und rückwärts, so sieht man in beiden Fällen jedesmal zu - 


!) Bursa glutei minimi Monro, 


-. 


Pyriformis. Obturator int. 249 


gleich mit der Erschlaffung der vorderen Fasern des Gluteus minimus die hinteren 
sich spannen und umgekehrt. Eine gleichzeitige Erschlaffung aller Fasern dieses 
Muskels wird nur dann erzielt, wenn man den gebeugten Schenkel aufwärts rotirt, 
so dass der vordere Rand des Trochanter sich medianwärts und die Fusssohle 
seitwärts wendet. Dies ist demnach die Stellung, für welche die Zusammenziehung 
des ganzen Muskels in Anspruch genommen wird. 


2. M. pyriformis P). 


Ein platter, im sagittalen Durchmesser comprimirter, lateralwärts zu- 
gespitzter Muskel; entspringt mit drei Zacken von der Vorderfläche des 
Kreuzbeines seitlich neben den vier oberen Foramina sacralia und von den 
Knochenbrücken zwischen diesen Oeffnungen, und nimmt beim Austritte aus 
dem Becken am oberen Rande noch einige Bündel vom unteren Rande der 
Spina iliaca post. inf. auf (Fig. 127). Er verläuft fast gerade seitwärts, von der 
transversalen Richtung nur wenig abwärts und in ebenso geringem Maasse 
vorwärts abweichend; mit dem oberen Rande grenzt er genau an den M. glut. 
minimus; durch die schmale Spalte zwischen beiden gelangen Vasa und 
N. glut. sup. aus dem Becken. Zwischen seinem unteren und dem oberen 
Rande des M. obturator int. bleibt eine dreiseitige, lateralwärts sich ver- 
schmälernde Spalte, welche der N. ischiadieus, die Vasa und N. glut. inf. 
und pudend. comm. ausfüllen. Die Sehne wird zuerst am oberen Rande 
und an der vorderen Fläche des Muskels frei; an der hinteren Fläche 
erscheint sie etwa halbwegs zwischen dem Rande des Hüftbeines und dem 
Trochanter major. Aus dem Muskelbauche hervorgetreten, ist sie im näm- 
lichen Sinne, wie dieser, comprimirt eylindrisch und inserirt sich genau am 
oberen Rande des Trochanter major, zwischen dem Theile der Sehne des 
M. gluteus med., welcher die hintere Ecke dieses Fortsatzes einnimmt, und 
der Sehne des M. gluteus minimus, nach innen von der letzteren sich aus- 
breitend. 


Var. Sehr häufig ist der M. pyriformis in zwei getheilt, zwischen welchen 
eine Wurzel des N. ischiadieus durchgeht. Loder gedenkt eines Schleimbeutels 
unter der Insertionssehne des M. pyriformis. 


3. M. obturator int. 0,2). 


Der innere, grössere und nach dem Austritte aus dem Becken ober- 
flächliche Bauch dieses Muskels3) entspringt in einem Streifen von wechseln- 
der Breite, der sich an der inneren Fläche der vorderen Beckenwand über, 
medianwärts neben und unter dem Foramen obturatorium hinzieht, auch 
von der medialen Hälfte des Lig. obturatorium und von der ihn gegen die 
Beckenhöhle deckenden Fascie überall in der Nähe des Ursprunges dieser 


») M. pyramidalis, M. iliacus ext. Riolan. Birnmuskel. 

2) Ich vereinige unter diesem Namen den M. obturator int. und die Mm. gemelli s. 
gemini (Jumeaux pelviens) der Handbücher. M, marsupialis cum marsupio carneo Cowper. 
M. obturator int. cum. gemellis H. Meyer. 

3) Innerer verschliessender, Verstopfungs- oder Hüftbeinlochmuskel, 


Physiolo- 
gische Be- 
merkungen. 


2. Pyriform. 


3. Obturat. 
int. 


250 Obturator int. 


Fascie vom Knochen, also im Grunde der platten Tasche, welche Knochen 
und Fascie mit einander bilden. Ueber dem Sitzhöcker, wo die Fascia 
obturatoria sich unmittelbar an die Ausbreitung des Lig. sacro-tuberosum 
(Bdl. Fig. 99 s {“) anschliesst, nehmen die Fasern auch von der dem Becken 
zugewandten Fläche dieses Bandes ihren Ursprung. 


Bei Gelegenheit der Beschreibung des Lig. obturatorium (Bdl. S. 109) 
erwähnte ich einen aufwärts concaven, den Can. obturatorius von unten 
her begrenzenden Band- 
streifen, an welchem 
das Lig. obturatorium 
mit der Fascie des M. 
obturat. int. zusammen- 
trifft. Dieser Bandstrei- 
fen steht zum M. obtur. 
int. im Verhältniss eines 
Sehnenbogens: auf ihn 
geht vom Rande ‚des 
For. obturat. der Ur- 
sprung des M. obturat. 
int. über; so lässt dieser 
Muskel nicht nur den 
zwischen beiden Anhef- 
tungspunkten des Seh- 
nenstreifens befindlichen 
Theil des Randes des 
For. obturatorium, unter 
welchem N. und Vasa 
obturatoria aus dem 
Becken heraustreten, 
frei, sondern vergrössert 


Aeussere Hüftmuskeln, Glut, max. bis auf die Insertions- auch durch seine Con- 
sehne am Knochen (Gm)entfernt. M.glut.med.amUrsprunge tpaction. mittelst An- 
und an der Insertion (Gm d*) abgeschnitten. M pyri- 3 - 

formis (P) und M. quadr. femoris (Q,f), ebenso der M. spannung des Sehnen- 
obturat. int. am Austritte aus dem Becken durchgeschnit- bogens, die zum Durch- 
ten und zurückgelegt. 0i* Sehne des inneren Kopfes. tritte der Cesar 


stimmte Oeffnung. Ge- - 
wöhnlich ist vom Can. obturator. an abwärts der Muskel eine Strecke 
weit unvollkommen getheilt in zwei Zacken, zwischen welchen die Gefäss- 
und Nervenstämmchen herablaufen. 


Indem die Fasern zunächst dem lateralen Rande des Muskels abwärts, 
die mittleren horizontal, die untersten aufwärts verlaufen, drängen sie sich 
gegen die Incisura ischiadiea minor zusammen; sie befestigen sich fieder- 
förmig, grösstentheils noch innerhalb des Beckens an vier bis fünf, an der 
Vorderfläche des Muskels gelegene, platte, scharfkantige -Sehnenstreifen, 
welche lateralwärts convergiren und jenseits der Ineisura wirklich in Eins 
verschmelzen. Den Vertiefungen zwischen den Sehnenbündeln entsprechen 
mehr oder minder scharfe, horizontale Riffe, welche den mit Faserknorpel 


Quadrat. femoris. Obturator ext. >51 


überzogenen, abgerundeten Theil der Ineisura ischiadica minor auszeichnen, 
über den die Sehne wie über eine Rolle gleitet (Bull. Fig. 100). 

Der äussere und tiefe Kopf des M. obturator int. entsteht an der 
äusseren Fläche des Beckens, zum grössten Theile bedeckt von der Sehne 
des inneren, von der Spina ossis ischii und von einer zum Tuber. ischiad. 
herabziehenden, halbmondförmigen, mit der Concavität rück- oder median- 
wärts gewandten Linie, welche, noch am getrockneten Becken sichtbar, den 
glatten überknorpelten Theil der Incisura begrenzt. Die Fasern dieses 
äusseren Kopfes verlaufen fast horizontal und treten unter spitzem Winkel 
theils unmittelbar, theils mittelst einer eigenen Sehne an die Sehne des inneren 
Kopfes, die dadurch zur gemeinschaftlichen wird (Fig. 129). Häufig ist der 
äussere Kopf in zwei Zacken, eine obere und untere, getheilt, die durch 
eine schmale oder breitere Lücke geschieden sind, aber auch wohl einander 
Bündel zusenden; die obere Zacke 1), an der Spina ischiadica entspringend, 
legt sich dann grösstentheils über die hintere freie Fläche der Sehne, die 
untere Zacke?) umschliesst deren unteren Rand in Form einer aufwärts 
offenen Rinne; sie ist oft nur undeutlich gegen den inneren Kopf abgegrenzt. 
Die gemeinschaftliche Sehne geht in etwas mehr horizontalem Verlaufe, als 
die Sehne des M. pyriformis, zum Trochanter major und inserirt sich an 
die mediale Fläche dieses Fortsatzes. 

Den überknorpelten Rand der Ineisura ischiadiea minor und die Sehne 
des M. obturator int., so weit sie mit ihm in Berührung ist, überzieht ein 
ovaler Schleimbeutel 3); ein solcher soll nach Monro auch in der Nähe der 
Insertion der Sehne unter derselben auf der Hüftgelenkkapsel liegen. 


Var. Der äussere Kopf oder dessen obere Zacke kann fehlen; die letztere 
"kann in zwei Schichten zerfallen. 


4. M. quadratus femoris Of*). 


Mit dem oberen Rande an den M. obturator int., mit dem unteren 
Rande an den M. adductor minimus sich anlehnend, erstreckt sich dieser 
platte, vierseitige Muskel mit transversalen, ziemlich parallelen Fasern vom 
vorderen Rande des Sitzhöckers zum Schenkelbeine (Fig. 127). Sein Ursprung, 
längs des lateralen Randes des Sitzhöckers, wird von hinten her durch die 
auf der Fläche des Sitzhöckers entspringenden Beugemuskeln des Unter- 
schenkels versteckt. Seine Insertion nimmt, oft in mehrere Portionen ge- 
theilt, die Linea intertrochanterica und die Fläche zunächst unter derselben 
ein (Fig. 129). 


IV. Vierte Schichte. 
M. obturator externus We. 


In der Ansicht, in welcher sich der M. obturator externus darbietet, 
wenn man nach Entfernung der oberflächlichen Schichten der äusseren 


") M. gemellus sup. 2) M. gemellus inf. ») Bursa tuberoso-ischiadica s. obturatorü 
intern: Monro. %), Quarre femoral. 


4. Quadr. 
fem. 


IV. Vierte 
Schichte. 
Obtur. ext. 


252 Obturator- ext. 


Hüftmuskeln zu demselben gelangt (Fig. 130), sind seine Ursprünge ver- 
deckt, und es zeigt sich nur der laterale Theil des Muskelbauches, der unter 
dem Schenkelhalse, genau mit der Kapsel verbunden, hervortritt, und die Inser- 


Aeussere Hüftmuskeln. Glut. max. bis auf die Insertions- 
sehne am Knochen (@m) entfernt. M. glut. med.am Ursprunge 
und an der Insertion (GFmd*) abgeschnitten. M. pyri- 
formis (P) und M. quadr. femoris (Q,f), ebenso der M. 
obturat. int. am Austritte aus dem Becken durchgeschnit- 
ten und zurückgelegt. Oi* Sehne des inneren Kopfes. 


tionssehne, welche im 
Grunde der Fossa tro- 
chanterica sich anheftet 
und bis dahin am obe- 
ren und unteren Rande 
Fleischfasern aufnimmt. 
Der Muskelbauch 
wird sichtbar, wenn man 
von der Vorderfläche 
des Beckens die Adduc- 
toren abgetragen hat. 
Er entspringt mit zwei 
Portionen, einer oberen 
schmalen, einer unteren 
breiteren, zwischen wel- 
chen N. und Vasa ob- 
turatoria hindurchgehen, 
die obere von der Crista 
obturatoria, die untere 
vom Leistenbeine am 
medialen und unteren 
Rande des Foramen ob- 
turatorium, vom media- 
len Theile des Lig. ob- 
turatorium und von ei- 
ner Anzahl transversaler 
platter Bandstreifen 
(Bdl. Fig. 94 *), welche 


über Gefässzweige hinweg von dem Lig. obturatorium zum lateralen Rande 
des Foramen obturat. und zur Hüftgelenkkapsel gespannt sind. Indem 
diese Fasern gegen die Sehne convergiren, tritt der Muskel, an Höhe ab- 
und an Mächtigkeit zunehmend, unter dem Schenkelhalse nach hinten. 


Physiol. Dass der M. obt. ext. ausser der rückwärts rotirenden Wirkung, die er mit 
Bemerk. Jen übrigen äusseren Hüftmuskeln theilt, noch die Bestimmung habe, den Hals 
des Schenkelbeines beim aufrechten Stehen zu unterstützen, ist schon in der Bän- 


derlehre (S. 130 Fig. 111) hervorgehoben worden. 


b. Muskeln des Oberschenkels. 


b. Muskeln Drei Muskelgruppen bilden das Fleisch des Oberschenkels, eine vor- 


des Ober- 


schenkels. dere, welche hauptsächlich die Streckmuskeln des Unterschenkels, eine 
hintere, welche die Beugemuskeln desselben enthält, und eine mediale, 


die Adductoren des Oberschenkels. 


Öberschenkelmuskeln. 253 


Die vorderen Muskeln stellen einen spindelförmigen Körper dar, wel- 
cher in der Mitte des Schenkelbeines am stärksten ist und gegen das Hüft- 
und Kniegelenk sich verjüngt. Die hinteren Muskeln, als eine einfache, 
platt eylindrische Masse unter dem M. gluteus maximus hervortretend, wei- 
chen am unteren Drittel des Oberschenkels in zwei Wülste auseinander, die 
sich, der Eine an den medialen Condylus der Tibia, der andere an das 
Köpfchen der Fibula ansetzen und eine schmale, spitzwinkelig dreiseitige, 
mit der Spitze aufwärts gerichtete Grube zwischen sich fassen, welche eine 
ähnliche, mit der Spitze abwärts gerichtete Grube zwischen den Waden- 
muskeln zur rhombischen Kniekehle, Fossa poplitea, ergänzt. Lateraler- 
seits grenzen die Muskeln der Streck- und Beugeseite unmittelbar anein- 
ander; medialerseits trennt sie der Ansatz der Adduetoren, welche in Form 
einer mächtigen, dreiseitigen, rechtwinkelig ungleichseitigen Platte den 
Raum zwischen dem Becken und der Extremität dergestalt ausfüllen, dass 
die Hypothenuse dem medialen freien Rande, die längere Kathete der In- 
sertion der Muskeln am Schenkel entspricht. Die später im Zusammenhange 
zu beschreibende Fascie der Oberschenkelmuskeln sendet zwischen den Ex- 
tensoren und Flexoren einerseits und zwischen den Extensoren und Adduc- 
toren andererseits je ein Blatt in die Tiefe zur Crista femoris, das Lig. 
intermusculare laterale und mediale. Mit dem Knochen stellen die beiden 
Ligg. intermuscularia eine Art Scheidewand dar, welche den von der Fascia 
umschlossenen Raum in eine vordere und hintere Röhre, jene für die 
Streckmuskeln, diese für die Beuger und Adductoren abtheilt. Dabei dienen 
die Ligg. intermuscularia zur Vergrösserung der Oberfläche, von welcher 
die am Oberschenkel entspringenden Streck- und Beugemuskeln ihren Ur- 
sprung nehmen. 

Jede der genannten drei Abtheilungen enthält oberflächliche, zwei- 
gelenkige Muskeln, welche vom Becken zum Unterschenkel sich erstrecken, 
und kurze, nur über Ein Gelenk wegziehende Muskeln. Der intermediäre 
Knochen, das Schenkelbeir, trägt, von den eingelenkigen Muskeln der Ad- 
duetorengruppe die Insertion, von den eingelenkigen Muskeln der Exten- 
soren- und Flexorengruppe den Ursprung. Sc können die am Schenkel- 
beine entspringenden Fasern der Beugemuskeln sich wie Fortsetzungen der 
an demselben sich inserirenden Adductoren ausnehmen. Unter den Adduc- 
toren und Extensoren überwiegen bei weitem die eingelenkigen, unter den 
Flexoren überwiegen die zweigelenkigen Muskeln. 

So weit die Extensoren am Becken entspringen, gehen sie von der 
lateralen Ecke desselben, von der Gegend der Spina iliaca ant. aus; der 
Beckenursprung der Flexoren dagegen befindet sich medianwärts vom 
Schenkelbeine am Sitzhöcker; so findet, da die Insertion der Streck- und 
Beugemuskeln die ganze Breite des Kniegelenkes einnimmt, eine theilweise 
Kreuzung ihrer Axen Statt. Die Kreuzung der Axen ist aber nicht zugleich 
Kreuzung ihrer Fasern, da die Faserung der meisten dieser Muskeln nicht 
parallel ihrer Axe und der Faserung ihrer Sehnen, sondern in verschiedenen 
Richtungen von der Ursprungs- zur Insertionssehne verläuft. Die Fasern 
der Adductoren gehen geradezu, die oberen transversal, die folgenden 
schräg und je weiter nach unten um so steiler abwärts vom Becken zur 
Extremität. 


* 


254 Obersehenkelmuskeln. 


In jeder Gruppe liegen die Muskeln in mehreren Schichten über ein- 
ander. In der vorderen Gruppe besteht die oberflächlichste Schichte 
aus zwei platten, bandartigen Muskeln, welche von der Spina iliaca ant, 
sup. und dem nächst angrenzenden Theile des vorderen Hüftbeinrandes ge- 
meinschaftlich entspringen, aber sogleich vom Ursprunge an divergiren, 
indem sich der Eine, M.tensor ‚faseiae, schräg lateral-rückwärts, der andere, 
M. sartorius, schräg median- vorwärts wendet. Jener endet über der Mitte 
des Oberschenkels in der Fascie, dieser gelangt in der Rinne zwischen den 
Streckmuskeln und Adduetoren an die mediale Fläche des Schenkels und 
inserirt sich an die mediale Fläche des oberen Endes der Tibia. 

Das obere Ende des M. sartorius grenzt mit dem medialen Rande an 
eine dreiseitige, abwärts sich zuspitzende und verflachende Vertiefung, 
Fossa subinguinalis )), ein Thal zwischen dem lateralwärts abfallenden M. 
iliopsoas und den medianwärts abfallenden Adductoren. Die Stämme der 
Schenkelgefässe füllen diese Grube aus und dringen am unteren spitzen 
Ende derselben, die Schenkelfasecie durchbohrend, nach innen. So weit sie 
durch die Grube gehen, liegen sie also auf der äusseren Fläche der Fasecie, 
auf welcher auch die Mm. tensor fasciae und sartorius sich befinden; die 
Gefässstämme aber, wie diese Muskeln, erhalten einen besonderen fibrösen 
Ueberzug durch ein an der Spina iliaca und am Arcus cruralis entsprin- 
gendes Blatt, welches unter dem Namen einer oberflächlichen Schenkel- 
fascie, im Gegensatze zur eigentlichen oder tiefen, weiter unten genauer 
beschrieben werden wird. 

Die zweite Schiehte der vorderen Muskelgruppe und den wesentlich- 
sten Theil derselben bildet der M. extensor eruris, selbst wieder au3 zwei 
und stellenweise drei Lagen zusammengesetzt, welche, da sie sich mittelst 
einer gemeinsamen Sehne an die Kniescheibe setzen, in der Beschreibung 
nicht gesondert werden können. Ein oberflächlicher Bauch, M. reeius Ffe- 
moris, entspringt am Becken, ein tiefer Bauch, M. vastus, entspringt in 
mehreren Abtheilungen am Schenkelbeine und umhüllt dasselbe vollständig. 

Von den an der Vorderfläche des Schenkelbeines entspringenden Mus- 
kelbündeln erreichen die tiefsten nicht die gemeinsame Strecksehne, sondern 
heften sich an die Kapsel des Kniegelenkes. Diese Bündel, M. suberuralis, 
stellen die dritte Schichte der vorderen Oberschenkelmuskeln dar. 

Die medialen Schenkelmuskeln, sämmtlich platt mit frontalen Flächen, 
liegen in drei Schichten. Die oberflächliche (vordere) Schichte nimmt 
ihren Ursprung am Schambeinrande, von der Eminentia iliopectinea an bis 
zum unteren Ende der Synehondrose und befestigt sich, mit Unterbrechun- 
gen und dadurch in drei divergirende Muskeln zerfallen, an die Crista des 
Schenkelbeines — M. pectineus und adductor longus — und an die mediale 
Fläche des oberen Endes der Tibia — M. gracilis. In der zweiten 
Schichte findet sich Ein Muskel, M. adductor brevis, welcher die Lücke 
zwischen dem M. pectineus und adduetor longus von hinten her dergestalt 
verschliesst, dass er mit seinem oberen und unteren Rande die einander zu- 
gewandten Ränder der beiden genannten Muskeln auf- und abwärts über- 


) Triangulus subinguinalis Hyrtl. Triangulus inguinalis Velpeau. Fossa ilio- 
pectinea aut. 


Tensor fasciae. 255 


ragt. Die dritte Schichte enthält zwei Muskeln, M. adduetor minimus und 
magnus, welche, vom hinteren unteren Sitzbeinrande entspringend, un- 
unterbrochen fast in der ganzen Ausdehnung der oberen Schichte, nämlich 
längs der ganzen medialen Lippe der Crista femoris sich inseriren. 

So weit die Adductoren sich mehrfach geschichtet an das Schenkelbein 
ansetzen, verschmelzen in der Nähe der Insertion ihre platten Sehnen mit 
einander. Der Ansatz der gemeinschaftlichen Sehne am Schenkelbeine ist 
vielfach unterbrochen, um Zweige der Vasa ceruralia auf die Rückseite des 
Schenkels treten zu lassen, und bildet über diesen Gefässzweigen eine An- 
zahl Sehnenbogen, von welchen der unterste, der die Stämme der Vasa 
eruralia auf dem Wege zur Kniekehle überbrückt, der ansehnlichste ist. 

Die hinteren Schenkelmuskeln nähern sich mehr der eylindrischen 
Form; sie sind zwar auch je zwei in zwei Schichten geordnet, lassen sich 
aber nicht nach dieser Ordnung aufführen, weil ein Muskel der oberfläch- 
lichen mit einem der tiefen Schichte zu einem zweibäuchigen, M. biceps 
‚femorıs, sich verbindet. Die oberflächliche Schichte enthält nächst dem 
langen Kopfe dieses WMuskels den M. semitendinosus; beide entspringen mit 
einer gemeinschaftlichen, verhältnissmässig kurzen Sehne vom Tuber ischia- 
dieum; der M. semitendinosus setzt sich an die mediale Fläche der Tibia. 
Dicht unter (vor) ihm entspringt und neben ihm inserirt sich der selb- 
ständige Muskel der zweiten Schichte, M. semimembranosus; der lange 
Kopf des M.biceps heftet sich, nachdem er den von der Crista femoris stam- 
menden kurzen Kopf aufgenommen, an das Köpfchen der Fibula an. 

Die vordere Gruppe der Öberschenkelmuskeln bezieht ihre Nerven 
aus dem N. cruralis, den M. tensor fasciae ausgenommen, welcher vom 
N. gluteus sup. versorgt wird. Die hinteren Muskeln erhalten ihre Aeste 
vom N. ischiadicus, die medialen vom N. obturatorius, jedoch mit Ausnahme 
des M. pectineus, zu welchem auch vom N. eruralis ein Zweig gelangt. 


e. Vordere OÖberschenkelmuskeln. 
I. Erste Schichte. 


1. M. tensor fasciae T'f). 


Entspringt, bedeckt vom M. iliopsoas und vom Ursprunge des M. sar- 
torius mit einer kurzen, platten, halbmondförmig nach der Fläche gebo- 
genen und abwärts concaven Sehne vom Rande des Darmbeines neben der 
Spina iliaca aut. sup. und fleischig von der Fascie des M. gluteus medius. 
Im oberen Theile dreiseitig prismatisch, liegt er in einer scharfkantigen 
Rinne, deren laterale, fast frontal gestellte Wand vom M. gluteus med., 
deren mediale und mehr sagittal gestellte Wand vom M. rect. femoris und 
sartorius gebildet wird; abwärts wird er platt, in demselben Maasse breiter 
und ruht auf der gewölbten Fläche des M. vastus. Sämmtliche Fasern 
haben eine Richtung ab-, lateral- und rückwärts und enden in der Faseie 


!) M. tensor vaginae femoris Alb. M. membranosus s. aponeurotieus, irrig auch M. 
Jascialis (vergl. M. sartorius). 


e. Vordere. 
I. Erste 
Schichte. 
1. Tensor 
fasciae. 


256 Sartormıs. 


Physiolo- 
gische Be 
merkungen. 


NV 
0/77 
INN N N 


2. Sartorius. 


Rf M. rectus 


Jp M. iliopsoas. 


@Q! M. quadrat. Jumb,. 
Afl, Afm M. adduetor fem. longus und magnus. 


D Vertebralzacke des Zwerchfells. 


Innere Hüft- und oberflächliche Schenkelmuskeln, von vorn. 


r M. graeilis. 


Y 


Pe M. pectineus. 


Vl, Vm Laterale und mediale Portion des M. vastns. 


femoris. 


unterhalb der Grenze 
des oberen und mittle- 
ren Drittels des Ober- 
schenkels mit einer ge- 
bogenen, abwärts con- 
vexen oder stumpfwin- 
kelig gebrochenen Linie. 


Die Hauptaufgabe des 
M. tensor fasciae scheint 
mir, den Zug zu corrigiren, 
welchen die in der Fascie 
endenden Fasern des M. 
gluteus maximus auf die- 
selbe ausüben müssen, und 
namentlich der Verschie- 
bung und Anspannung der 
Fascie über den Muskeln 
der Vorderfläche entgegen- 
zuwirken. Der Einfluss 
des M. gluteus max. auf 
die Extremität als Ganzes 
wird dadurch um so mehr 
gesichert. Aus der ge- 
meinsamen Wirkung des 
M. gluteus max. und ten- 
sor fasciae resultirt als- 
dann allerdings eine An- 
spannung der Fascie nach 
oben, ein Zug in der Dia- 
gonale der Richtung jener 
beiden Muskeln. Sehnen- 
fasern aber, welche sich 
vom M. tensor fasciae aus, 
der Fascie eingewebt, zum 
Unterschenkel herab er- 
strecken sollen (Lig. ilio- 
tibiale H. Meyer), kann 
ich nicht finden. Ob der 
M. tensor fasciae den M. 
gluteus med. beim Vor- 
wärtsrotiren des Schenkels 
unterstützt, wozu er seiner 
Lage nach wohl geeignet 
wäre, muss dahin gestellt 
bleiben. 


2. M. sartorius Nar)). 


Entspringt kurzsehnig 
vom vorderen Rande des 


1) M. sutorius Riolan. M. 
faseialis. Schneidermuskel, 
längster Schenkelmuskel. 
Couturier 'Cruv. 


Sartorius. 257 


Darmbeines unter der Spina iliaca ant. sup. und geht mit anfangs frontal 
und gegen das untere Ende allmälig sagittal gestellten Flächen schräg über 
die Vorderfläche des Schenkels am medialen Rande der Streckmuskeln 
herab zur medialen Fläche des Kniegelenkes und schliesslich der Tibia. In 
dieser gebogenen Lage erhält ihn auch während seiner Contraetion die 
straff anliegende Scheide, deren inneres Blatt mit der tiefen Schenkelfascie 
identisch, deren äusseres Blatt von der oberflächlichen Schenkelfaseie ge- 
bildet ist. Die Insertionssehne, welche an der dem Knochen zugewandten 
lateralen Fläche des Muskels schon oberhalb des Kniees sichtbar wird, ver- 
Fie. 132. läuft am hinteren Rande 
des medialen Condylus des 
Schenkelbeines abwärts, 
dann auf dem oberen Ende 
der Tibia bogenförmig vor- 
wärts; sie verschmälert 
sich anfangs, breitet sich 
aber schliesslich gegen die 
Insertion wieder aus, in- 
dem sie einen grossen Theil 
ihrer Fasern strahlenförmig 
vor- und abwärts in die Un- 
terschenkelfascie schickt 1), 
während sie sich mit der 
Hauptmasse an die Tibia 
medianwärts neben der un- 
teren Spitze der Tuberosi- 
tas patellaris ansetzt (Fig. 
132). 

Ein Schleimbeutel, ge- 
schlossen oder mit dem 
Schleimbeutel des M. gra- 
eilis und semitendinosus 
communicirend, liegt zwi- 
schen der Sehne des Sar- 
torius und der Beinhaut 
h der Tibia. 

Muskeln in der Umgebung des Knies, mediale Fläche. Den langen Muskel ver- 

Sm M. semimembranosus. Gr M. graeilis. sieht ein einziger Nervenast, 
a aainosun. welcher etwa in der Mitte 
des Oberschenkels von der 

hinteren Fläche eintritt. 
Var. Dieser Muskel kann fehlen oder sich der Länge nach theilen und dann 
mit dem Einen Theile an das Schenkelbein befestigen (Meckel). Hyrtl sah ihn 
durch eine sehnige Inscription der Quere nach getheilt; in einem von Kelch 
(Beitr. S. 42) beschriebenen Falle war eine 1Y,“ lange Zwischensehne fest mit der 

Fascie verwachsen. 

Der M. sartorius ist nicht dazu bestimmt, bei gestrecktem Knie zu wirken; 


<< 


Ir: 


SIE 


HAltı 
„ 
7 
N) 
N, 


!) Die patte d’oie der französischen Autoren, 
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 17 


Physiol. 
Bemerk. 


II. Zweite 
Schichte. 
Exteus. cr. 
Rect. fem. 


258 " Extensor ceruris. 


er könnte alsdann, nach dem gekrümmten Verlaufe seiner Endsehne, nur entweder 
die Tibia unter dem „Schenkelbeine rückwärts ziehen oder sie aufwärts an das 
Schenkelbein andrücken, beides unmögliche und unnütze Bewegungen. Bei gebeug- 
tem Knie dagegen gleicht sich die letzte Biegung seiner Sehne aus. Das Ende 
derselben läuft vertical herab zu der, in dieser Stellung, unteren Kante der Tibia 
und ist im Stande, bei der Contraction des Muskels diese Kante aufwärts zu be- 
wegen oder, nach der gangbaren Bezeichnung, die Tibia um ihre Axe medianwärts 
zu rotiren. Da diese Bewegung nur bei gebogenem Knie ausführbar und die 
Beugung des Knies schon mit einer Erschlaffung des M. sartorius verbunden ist, 
so lässt sich begreifen, warum dieser Muskel eine im Verhältnisse zur geringen 
Excursion der Rotationsbewegung so ansehnliche Länge haben musste. 


II. Zweite Schichte. 
M. extensor cruris. 


Die Sehne des oberflächlichen und langen Kopfes, M. reet. femoris '), 
entspringt an der Spina iliaca inf. und hinter derselben am Rande der 
Pfanne, so weit er vom Darmbeine gebildet wird, in der Regel mit zwei 
Fig. 133. stärkeren, durch eine dünne Membran verbundenen 

= Schenkeln, einem vorderen, platt-eylindrischen, einem 
hinteren, mehr abgeplatteten (Fig. 135); indem jener 
gerade absteigt, dieser im Bogen über dem Schenkel- 
kopfe vorwärts verläuft, vereinigen sie sich unter 
einem fast rechten Winkel unterhalb des Randes der 
Pfanne und geben alsbald einem spindelförmigen 
Muskelbauche den Ursprung, dessen untere Spitze ei- 
nige Zoll oberhalb der Kniescheibe wieder in die platt- 
eylindrische Endsehne übergeht. Die Ursprungs- 
sehne ist am medialen Rande des Muskels frei und 
zieht sich an der vorderen Fläche bis gegen die 
Mitte desselben herab; die Insertionssehne reicht an 
der hinteren Fläche ebenso weit hinauf und erhält 
sich am lateralen Rande länger sichtbar. 

Der Muskelbauch ruht in einer Vertiefung des 
M. vastus; sein lateraler Rand lehnt sich an den 
Rand der oberflächlichen Schichte der lateralen Por- 
tion dieses Muskels; seine vordere Fläche liegt in 
gleicher Ebene mit der Vorderfläche des genannten 
Muskels (Fig. 131. 136). Ein zartes, durchsichtiges, 
aber straffes und gegen die Insertionssehne hin an 
Festigkeit zunehmendes Bindegewebe schlägt sich 
vom M. rectus auf seine Nachbarn hinüber und be- 
festigt ihn in seiner Rinne. 

M. rectus femoris, Was den Lauf seiner Fasern betrifft, so besteht 
von vorn, mit auseinan- er aus zwei im Wesentlichen symmetrischen, aber 
Te enander verschobenen, durch eine verticale 


CHE 


Ze 


S > 2 
GB 


1 r - 7 
) M. extensor cruris med. superficialis Meck. M. rectus anterior Krause. Gerader 
Schenkelmuskel. Droit anterieur. 


Extensor cruris. 959 


Spalte geschiedenen Portionen, welche einander entgegen, von der vorderen 
Sehne um den Rand des Muskels herum zur hinteren Sehne bogenförmig 
abwärts gehen. Die Verschiebung besteht darin, dass die laterale Portion 
weiter hinauf und oben über die Mitte hinüber-, dagegen nicht so weit nach 
unten reicht, wie die mediale (Fig. 135). 

An dem tiefen oder kurzen Kopfe, M. vastus, sind zunächst drei 
Reihen von Ursprüngen zu unterscheiden, laterale ), mediale ?2) und mitt- 
lere oder vordere?). Am oberen Ende des Schenkelbeines nähern sich die 
drei Reihen und vermischen sich mit einander, gegen das untere Ende 
rücken die beiden Seitenreihen von der mittleren ab; man muss deshalb, 
um sie richtig zu trennen, die Präparation vom unteren Ende des Muskels 
und zwar damit beginnen, dass man die laterale und mediale Reihe dicht 
am Ursprunge durchschneidet und gegen die mittlere umschlägt (Fig.134. 135). 
Die mittleren Ursprünge bilden, wie sich alsdann zeigt, eine kegelförmige, mit 
der Basis abwärts gerichtete Masse, deren Fasern zum mittleren Theile der 
hinteren Fläche einer platten, an die Kniescheibe gehefteten Sehne gehen ; 
aus den lateralen und medialen Ursprüngen setzen sich mächtige, nach der 
Fläche gekrümmte Blätter zusammen, deren Fasern einander entgegen von 
beiden Seiten schräg abwärts verlaufen, um an die entsprechenden Seiten- 
theile jener Sehne und zwar grösstentheils an deren vordere Fläche sich 
anzuheften. Verfolgt man sodann die drei Reihen von Ursprüngen zum 
oberen Ende des Schenkelbeines, so zeigen sich zweierlei Formen. Das 
Einemal stossen die beiden Seitenreihen über der vorderen zusammen; sie 
verbinden sich bogenförmig und stellen den Mantel eines Kegels dar, dessen 
Kern die vordere Muskelmasse bildet. Die Spitze des Kerns erreicht in 
diesem Falle nicht die Linea obliqua femoris; die an dieser Linie und zu- 
nächst darunter in dem Gipfel des Bogens entspringenden verticalen Fasern 
lehnen sich ohne Unterbrechung an die schräg absteigenden der Seitenreihen 
an, deren Abgrenzung gegen einander alsdann sowohl auf der Vorderfläche 
des Schenkels wie auf dem Querschnitte (Fig. 136) vergeblich gesucht wird. 
- Andere Male ist jener Mantel gleichsam vom Kerne durchbrochen und die 
an der Mitte der Linea obliqua entspringenden Fasern erweisen sich als die 
obersten der vorderen Muskelmasse ). 

Diese mittlere Portion desVastus (Fig.134.135 Va) ist also von wechseln- 
der Höhe; die Spitze ihrer Ursprungsfläche befindet sich zwischen der Linea 
oblig. und dem Ende des oberen Drittels desSchenkelbeines; dieBasis derselben 
reicht kaum über den oberen Rand des unteren Drittele; medianwärts ist 
sie durch den Angulus medialis des Schenkelbeines (Knl. S. 254) begrenzt; 


D) M. vastus externus aut. _M. extensor cruris vastus s. externus Meck. Aeusserer 
dicker Schenkelmuskel. Aeusserer Unterschenkelstrecker. 

2) M. vastus internus aut. 

>) M. cruralis s. crureus s. femoreus aut. Vastus medius Krause. Tiefer Unter- 
schenkelstrecker. 

*) Diese Form, die nach meinen Erfahrungen die seltenere ist, liegt den meisten Be- 
schreibungen zu Grunde. Die drei Portionen des MW. vastus, als ebenso viele Köpfe auf- 
geführt, machen für sich den M. extensor triceps M. J. Weber, mit dem M. rectus ‚femoris 
zusammengezogen, den M. extensor quadriceps Hyrtl aus. Eruveilhier und Nuhn 
(Chir. anat. Atlas Taf. XXVIN. Fig.3) nennen den langen sammt dem kurzen Kopfe einen 
Extensor triceps, indem sie den M. cruralis und vastus int, aut. zu Einem Muskel, Vastus 
int., vereinigen. E 

17 * > 


Vastus. 


260 Extensor cruris. 


Mediale Fläche des Oberschenkels; der mediale 
Theil des M.vastus (V m) ist dicht am Ur- 
sprunge abgeschnitten und seitwärts zurück- 
geschlagen. Va, Vl Vordere und laterale Por- 
tion des M. vastus. Afm Sehne des M_ add. 
magnus. Jp M. iliopsoas. Pe Sehne des M. 
pectineus. Scr M. suberuralis. 


} NW / 7) 

\ NN \ \ \\ I) 
Suhl x 
NEW Pr SH 


LH 
/ 


Laterale Fläche des Oberschenkels. Die la- 
terale Portion des Vastus durch- und theil- 
weise ausgeschnitten, das Insertionsende 
(V!f) nach vorn, die oberflächliche Portion 


“(VV) nach hinten umgeschlagen, die tieferen 


Schichten dicht am Ursprunge abgetrennt. 

Bfb Kurzer Kopf des M. flexor br. an der 

Verbindung mit dem langen Kopfe abge- 

schnitten. R,f Ursprungssehne des M. rect. 

fem. Gmd, Gmi Insertionssehnen des M. 

glut. med. und minimus, Ser M. suberu- 
rals Jp M. iliopsoas. 


ee 


' 


Extensor cruris. 261 


auf die laterale Grenze, welche minder scharf ist. komme ich sogleich 
zurück. 

Die beiden Seitenplatten, obwohl in der Hauptsache symmetrisch, 
zeigen doch, mit einander vegglichen, einige beständige Verschiedenheiten. 
Immer übertrifft die laterale Platte die mediale an Mächtigkeit; die laterale 
reicht mit dem Ursprunge weiter hinauf, die mediale weiter hinab; der 
wesentlichste Unterschied aber besteht darin, dass die mediale Platte ein- 
fach, die laterale aus mehreren am Ursprunge gesonderten Lamellen von 
verschiedener Richtung der Fasern zusammengesetzt ist. Zwischen dem 
Ursprunge der medialen und der vorderen Portion bleibt daher eine ansehn- 
liche Fläche des Schenkelbeines, der mediale Theil der hinteren Fläche, frei 
und glatt (Fig. 134); der Zwischenraum zwischen dem vorderen und lateralen 
Theile des Muskels dagegen ist gering, im oberen Theile des Schenkels 
meist verwischt, und die Grenze beider am Knochen unkenntlich (Fig. 155). 

Der Ursprung der medialen Portion ( Vm) geht von der Linea obliqua auf 
die mediale Lippe der Crista femoris über, verlässt aber, um die Vasa arti- 
cularia auf die Vorderfläche des Schenkels gelangen zu lassen, am untersten 
Viertel desselben den Knochen und versetzt sich auf den Sehnenbogen, der 
sich über die Schenkelgefässstämme hinüberschlägt und den unteren Bün- 
deln des M. adductor magnus zum Ansatze dient (Fig. 134 Afm). Vom Ur- 
sprunge an ‚setzen sich glänzende Sehnenfasern, den Muskelfasern parallel, 
auf der äusseren Fläche des Muskels bis weit über dessen Mitte fort. Sie 
stellen zugleich den Knochenansatz des Lig. intermusculare mediale vor und 
verbinden sich mit der Insertionssehne der Adductoren auf die später zu 
beschreibende Weise. Der Lauf der Muskelfasern ist nur in den obersten 
Bündeln vertical, in allen übrigen sehr gleichmässig schräg abwärts; die 
verticalen und die oberen schrägen Bündel gehen, wenn die mediale Por- 
tion sich von der lateralen gesondert erhält, an eine am vorderen Rande 
der medialen befindliche verticale Sehne, die folgenden setzen sich, je wei- 
ter vorn sie von der äusseren Sehne entspringen, um so weiter vorn an die 
gemeinschaftliche Strecksehne an, die demnach auf der inneren Fläche der 
Muskelplatte weit nach hinten frei bleibt. Eine Anzahl oberflächlicher 
Bündel in der Nähe des unteren Randes des Muskels erstreckt sich bis zum 
medialen Rande der Sehne des M. rectus. 

Die laterale Portion des M. vastus ( VI) besteht, wie erwähnt, ausBlättern, 
die mitunter in der ganzen Länge geschieden, drei bis vier an der Zahl, in 
schräg oder spiralförmig rück-abwärts um das Schenkelbein ziehenden Linien 
dergestalt entspringen, dass jedes Blatt das nächst innere aufwärts über- 
ragt und abwärts von demselben überragt wird. Oft aber erhalten sich die 
Blätter nicht so regelmässig gesondert, und gewöhnlich sieht man sie mit 
den unteren Rändern, gegen welche die zwischen ihnen verlaufenden Ge- 
fässe sich in ihre Aeste aufgelöst haben, zu zwei und mehr mit einander 
verschmolzen, so dass Taschen mit auf- und vorwärts gerichteter Mündung 
entstehen. Am häufigsten bleibt die oberflächlichste Lage (V!’ vgl.Fig.131) 1) 
selbständig, die sich auch durch den steiler absteigenden Verlauf ihrer 


DM. vastus ext. Theile und Nuhn Den Rest der lateralen. Portion des Vastus 
zieht Theile zum M. cruralis, Nuhn sammt dem M, cruralis zum Vastus int, der dem- 
nach vollkommen dem M. anconeus int. entsprechen würde. 


262 Extensor eruris. 


Fasern von den anderen unterscheidet und sich in dieser Beziehung zu 
Fig. 136. 


vl 


Bfb 


Horizontalschnitt des Oberschenkels über der Mitte. Rf M. rect. fm. Vm, Va, Vl 

Vastus medial., ant. und lateralis. 77 Oberflächliche Schichte des letzteren. Sar M. 

sartorius. . Afl, Afm M. adduct. fem. long. und magnus. Gr M. gracilis. Sm M. semi- 

membranosus. St M. semitendinosus. Bfl, Bfb M. biceps, langer und kurzer Kopf. 
1 Schenkelgefässstämme und N. saphenus maj. 2 N. ischiad. 


dem Reste des Vastus ähnlich verhält, wie an der oberen Extremität der 
M. anconeus brevis zum M. anconeus int. 

Diese oberflächlichste Lage übertrifft auch die übrigen an Mächtigkeit. 
Sie ist von verschoben-rhombischer Form; ihr Ursprung, entsprechend der 
hinteren oberen Ecke und dem hinteren Rande, beginnt, mit einem aufwärts 
concaven Sehnenbogen die Insertionssehne des M. gluteus minimus um- 
fassend, an der Spitze des Trochanter major, erstreckt sich rückwärts auf 
die Aussenfläche dieses Fortsatzes, wo er sich an die Insertion des M. glut. 
med. anschliesst, und vorwärts über den Ursprung der medialen Portion auf 
die laterale Hälfte der Linea obliqua fem. und setzt sich dann linear bis 
zum Ende des oberen Drittels des Schenkels abwärts fort auf der lateralen 
Lippe der Crista fem., schliesslich auf das Lig. intermuseulare lat. über- 
gehend. Die Ursprungssehne reicht mit glänzenden, steil vorwärts abstei- 
genden Fasern auf der äusseren Fläche der Muskelplatte bis über deren 
Mitte hinab; die Muskelfasern entspringen, sämmtlich parallel, mit gleicher 
Richtung an der Innenfläche der Sehne und enden an einer starken sehnigen 
Haut, welche am vorderen (medialen) Rande der Platte saumartig vor- 
springt und sich von diesem Rande aus bis über die Mitte des Muskels an 
dessen Innenfläche ausdehnt. Diese Insertionssehne liegt am oberen Theile 


» 


Extensor cruris. 263 


des Schenkels flach und locker befestigt auf den tieferen Schichten. Höher 
oder tiefer verwächst sie mit der die vordere Portion deckenden Sehne; 
zuweilen erhält sie sich ebenso weit, wie die Sehne des M. rectus, selbstän- 
dig und trennbar; in diesem Falle liegt sie hinter der Sehne des Reectus, 
indess der fleischige Rand der Muskelplatte lateralerseits die Rinne be- 
grenzt, in die der M. rectus eingelassen ist. Einige Muskelbündel gehen 
auch von dieser Seite des Vastus unmittelbar an den Rand der Sehne des 
Rectus über. 

Der Ursprung der tiefsten Lamelle der lateralen Portion des Vastus 
reicht nicht bis zum Condylus herab, so dass die Vasa articularia lateralia 
unterhalb derselben den Schenkel umkreisen; sie zeichnet sich dadurch aus, 
dass sie, gleich den Bündeln der vorderen Portion, sich an die innere 
Fläche der gemeinsamen Sehne ansetzt. 

Diese Sehne ist häutig und, in ihrer ganzen Ausdehnung betrachtet, drei- 
seitig, die Spitze nach oben und bis über die Mitte des Schenkels sich hinauf er- 
streckend, die Basis nach unten, an den Rand der Kniescheibe angewachsen, 
beiderseits aber diesen Rand überragend und mit den Ligg. patellaria late- 
rale und mediale (Bdl. S. 145) und durch Vermittelung dieser Bänder mit 
der Fascie verschmolzen. Ein Theil dieser Sehne wird nun durch die me- 
diale und laterale Portion des M. vastus verdeckt, deren Fasern über der 
Patella von beiden Seiten gegen einander vorrücken und theilweise selbst 
die Sehne des M. rectus erreichen. Was demnach von der gemeinsamen 
Sehne nach Entfernung des M. rectus sichtbar bleibt, hat eher eine mit der 
Spitze abwärts gekehrte dreiseitige oder eine rhombische Form. 

Die Sehne hat dicht über ihrer Insertion eine Mächtigkeit von 10”” 
und besteht aus mehreren Schichten, welche nur einigermaassen den Muskel- 
schichten entsprechen. Ein äusseres, deutlich fibröses, aber dünnes Blatt 
löst sich unmittelbar unter der Insertion der Fasern des Vastus an die 
Hauptsehne von der Oberfläche der letzteren ab und befestigt sich unter- 
halb der Patella, mit deren Beinhaut es locker verbunden ist, an die Tibia 
zu beiden Seiten des Lig. patellare inf. Es ist in Structur und Stärke der 
Fascie, unter welcher es sich ausbreitet, sehr ähnlich und ebenso aus ein- 
ander durchkreuzenden Fasern gewebt, schräg absteigenden, welche in der 
Flucht der Muskelfasern des Vastus verlaufen, schräg aufsteigenden, welche 
neben dem Lig. patellare inf. an der Tibia entstehen, und transversalen, aus 
den Ligg. patellaria laterale und mediale stammenden. Die ganze übrige 
Sehnenmasse endet, soweit sie nicht seitlich die Patella überragt, an deren 
oberem, breiterem, schräg vorwärts abfallendem Rande, in zwei bis drei 
mächtige Lagen trennbar, welche durch lockeres, auch wohl fetthaltiges 
Bindegewebe und durch quer verlaufende Bündel, Fortsetzungen der Ligg- 
patellaria laterale und mediale, auseinander gehalten werden. 

Ein Schleimbeutel, Dursa symovialis suberuralis, welcher unter der 
Sehne des Vastus liegt und in der Regel mit der Kapsel des Kniegelenkes 
communicirt, wurde schon in der Bänderlehre (Seite 141) beschrieben. 
Andere befinden sich nicht beständig zwischen der oberflächlichen In- 
sertionssehne und der Kniescheibe !) und zwischen dieser Sehne und der 


") Bursa mucosa supenficialis genu Loder. B. m. patellae prof. Lauth. B. m. patella- 


Sehne. 


Schleim- 
beutel, 


III. Dritte 
Schichte. 
Suberuralis. 


P. Hintere 
Ober- 
schenkel- 
muskeln. 
1. Biceps 
femoris. 


264 Suberuralis. Biceps femoris. 
r 


Fascie !),. oder nur an Einer dieser Stellen hinter der Bursa subeutanea 
patellaris, in welche mittelst Durchbrechung der Fascie oder auch der 
oberflächlichen Sehne die beiden Schleimbeutel oder der vorderste derselben 
sich öffnen können. 


Isenflamm (Anatom. Unters. S. 83) will einen Schleimbeutel unter der late- 
ralen Ursprungssehne des M. rectus fem. am oberen Rande der Pfanne gesehen 
haben. 


III. Dritte .Schichte. 
M. suberuralis Ser 2). 


Bald unmittelbar an die vordere Portion des M. vastus sich anschlies- 
send, bald durch eine Fettlage von demselben getrennt, entspringen an der 
Vorderfläche des Schenkelbeines neben einander einige schmale platte Mus- 
kelbündel, welche auf die in der Bänderlehre beschriebene Weise in die 
Kapselmembran des Kniegelenkes ausstrahlen (Fig.134.135. Bal.Fig.128.129). 


f. Hintere Oberschenkelmuskeln. 


1. M. biceps femoris?). 


Der lange Kopf des M. biceps fem. (Fig.137 Bf) entspringt in Verbindung 
mit dem M. semitendinosus vom Sitzhöcker genau unterhalb der Insertion 
des Lig. sacro-tuberosum und vor dem Ursprunge der untersten Bündel 
des äusseren Kopfes des M. obturator int. Der grösste, obere und laterale 
Theil des gemeinschaftlichen Ursprunges der genannten Muskeln ist sehnig 
unmittelbar fleischig kommen einige der untersten (medialen) Bündel vom 
Knochen; diese setzen sich geradezu in den M. semitendinosus fort. Die 
Sehne besteht aus zwei Blättern, die mit den lateralen Rändern in einer 
stumpfen Kante zusammenstossen und von welchen das vordere breiter ist 
als das hintere. Von der hinteren Fläche des vorderen Blattes und aus der 
von beiden umschlossenen Rinne kommen die Fasern des M. semitendinosus; 
die hintere Fläche des hinteren Blattes dient den Fasern des langen Kopfes 
des Biceps zum Ursprunge; sie sendet an dessen Vorderfläche und medialem 
Rande einen Fortsatz hinab, von welchem bis zur Mitte des Schenkels Mus- 
kelfasern abgehen. Alle diese Fasern inseriren sich successiv an eine am 
lateralen Rande: und der hinteren Fläche des Muskels bis zur Mitte des 
Schenkels heraufragende cylindrische. Sehne. 


Die Vorderfläche dieser Sehne nimmt bis unterhalb des Condylus des 
Schenkelbeines Fasern des kurzen Kopfes (Fig.137.141 Bf'b) auf, welche am 
mittleren Drittel der lateralen Lippe der Crista femoris und zum Theil 


ris prof. Luschka B. m. infrapatellaris prof. s. subtendinosa Gruber (Bulletin de la classe 
physico-mathemat. de Dacad imper. de St. Petersbourg. T. XV. p. 150). 

) B. mucosa praepatellaris media s. subaponeurotica Gruber. B. subfascialis Linhart 
(Würzb. Verh. Bd. VII. S. 131). 

?) M. artieularis genu Sömm. Mm. suberurales Hyrtl. Mm. suberur. ext. und int, 
Günther. Unterer Schenkelmuskel. Kniegelenkkapselspanner. 

°) M. biceps cruris. M. flexor cruris fibularis s. externus. Wadenbeinbeuger, Aeusse- 
rer oder zweiköpfiger Beuger. 


Biceps femoris. 


" 265 


vom Lig. intermuseulare lat. entstehen und in Form einer rhombischen Platte 
parallel schräg rück- und abwärts verlaufen. 
Die Insertionssehne befestigt sich an den mittleren der drei stumpfen 


Fig. 137. 


Oberschenkel, Rückenfläche. 


Sehne des M. gluteus max. Af 


magn. Gr M. gracilis. VW 


Qf M. quadr. fem. Gm 


m NM. adductor fem. 
Laterale Portion des 


M. vastus, oberflächliche Schichte. 


Höcker der Fibula (Knl.S. 
264), die Insertion des 
Lig. accessorium laterale 
des Kniegelenkes umfas- 
send (Bdl. S. 146). Von 
den dem oberen Rande zu- 
nächst gelegenen Fasern 
ziehen einige, in die Fascie 
verwebt, zur Tuberositas 
patellaris der Tibia; vom 
unteren Rande der Sehne 
zweigen sich Fasern ab, 
welche in die Fascie sich 
verlieren. 


Var. Der kurze Kopf 
fehlt (Meckel). Ein über- 
zähliger langer Kopf ent- 
springt vom Sitzbeinhöcker 
(Sömmerring) oder vom 
oberen Ende der Crista fe- 
moris (Meckel, dessen Arch. 
Ba. V. S. 117) oder von der 
Schenkelfascie in der Gegend 
des oberen Endes der Crista 
femoris (eigene Beob.). Einen 
dritten Kopf des Biceps sah 
Gruber (Müll. Arch. 1846. 
S. 430. Taf. XV. Fig. 2) mit 
dem medialen Kopfe des M. 
gastrocnemius vom Schenkel- 
beine entspringen und fast 
transversal hinter den Ge- 
fässen und Nerven durch die 
Kniekehle gehen. 


Albin und Monro er- 
wähnen einen Schleimbeutel, 
Bursa bicipitis cruris, zwischen 
der Insertionssehne und dem 
Lig. accessor. laterale. 


Der M.biceps hat ausser 
seinem Antheile an der Beu- 
gung des Unterschenkels noch 
das Vermögen, den letzteren 
um seine Längsaxe lateral- 
wärts zu rotiren. 


Physiol. 
Bemerk. 


2 


Semiten- 
dinosus. 


3. Semi- 
membra- 
nosus. 


266 Semitendinosus. Semimembranosus. 
= 


2. M. semitendinosus ÖL). 


Vom Ursprunge am Sitzhöcker und von der Sehne, die auch den Fasern 
des langen Kopfes des M. biceps zum Ursprunge dient, verlaufen die Fasern 
des M. semitendinosus steil medianabwärts und inseriren sich allmälig an 
eine Sehne, die in der Hälfte des Schenkels am medialen Rande des Mus- 
kels sichtbar wird und in der Gegend des medialen Epicondylus frei, platt- 
cylindrisch aus dem Muskel hervorgeht. Der am oberen Ende platte, gegen 
das untere Ende zugespitzte Muskelbauch ist beständig von einem dünnen 
Sehnenblatte getheilt, welches schräg abwärts von vorn nach hinten zieht, die 
vorderen Muskelbündel nicht berührt, auf der hinteren Oberfläche aber etwas 
über der Mitte ihrer Höhe in Form einer feinen, wellenförmigen oder zacki- 
gen, gegen den lateralen Rand absteigenden Inseription erscheint (Fig. 137). 

Die Endsehne des M. semitendinosus geht, ruhend auf dem unteren 
Ende des M. semimembranosus, hinter und unter dem medialen Rande der 
Tibia vorwärts, um sich in Verbindung mit der Sehne des M. gracilis und 
zwar unmittelbar unterhalb derselben, abgeplattet und etwas ausgebreitet 
an das obere Ende der vorderen Kante der Tibia zu inseriren (Bdl. Fig. 129). 
Ein ansehnliches Bündel wendet sich vom unteren Rande der Sehne dicht 
vor ihrer Insertion abwärts zur Unterschenkelfaseie (Fig. 132). 

Ein Schleimbeutel ?) liegt zwischen den Enden der Sehnen des M. se- 
mitendinosus und gracilis und den an die Tibia sich befestigenden accesso- 
rischen Bändern des Kniegelenkes; zuweilen erstreckt er sich aufwärts bis 
unter die Insertion des M. sartorius. 


3. M. semimembranosus $ m). 


Die Sehne des M. semimembranosus entspringt breit, mit convergiren- 
den Fasern vom vorderen Rande des Sitzhöckers hinter dem M. quadr. fem. 
und ungefähr in derselben Ausdehnung wie dieser (Fig. 141). Sie ist von hinten 
her durch die Sehne, die dem langen Kopfe des Biceps und dem M. semitendi- 
nosus zum Ursprunge dient, bedeckt; den Raum zwischen beiden Sehnen 
erfüllt straffes Bindegewebe, welches sie aneinanderheftet und einen Schleim- 
beutel von veränderlicher Ausdehnung einschliesst. 

Die Ursprungssehne des M. semimembranosus ist membranförmig platt, 
am lateralen Rande abgerundet, am medialen scharf und mit diesem Rande 
vinnenförmig um den Rand desM. semitendinosus vorwärts umgebogen. Sie 
verbirgt sich zwischen den von ihr ausgehenden Muskelfasern früher am 
medialen Rande und der vorderen Fläche, als am lateralen Rande und der 
hinteren Fläche, auf welcher die Sehne erst unterhalb der Mitte des Schen- 
kels in einer Spitze endet. Von dieser Spitze und von dem auf der vor- 
deren Fläche des Muskels sichtbaren Rande der Sehne gehen die Muskel- 
fasern vertical abwärts; von den Seitenrändern der hinteren Sehne oberhalb 


\) M. seminervosus. Halbsehniger oder halbflechsiger Muskel Demi-tendineuz. 
®) Bursa genualis anl. Monro. 
°) Halbhäutiger Muskel. Demi-membraneuz. 


Semimembranosus. 267 


der Spitze gehen sie divergirend schräg abwärts um den Rand des Muskels 
herum an den Rand der Insertionssehne, die zuerst auf der Vorderfläche 
des Muskels sichtbar und erst in der Nähe der Insertion ganz frei wird. 
Der Muskelbauch ist spindelförmig, am medialen Rande scharf, am 
lateralen wulstig (Fig. 137). Er füllt die Vertiefung zwischen dem kurzen 
Kopfe des M. biceps fem. und dem M.add.magn. aus und bedeckt von hinten 
her die Gefässstämme, nachdem sie den Adductor magn. durchbohrt haben. 
Die starke Sehne theilt sich auf der hinteren Kapselwand hinter dem 
medialen Condylus in drei Zipfel, welche schon in der Bänderlehre (S. 145) 
beschrieben wurden. Ein unter fast rechtem Winkel transversal in die hin- 
tere Kapselwand eintretender Zipfel ist das Lig. popliteum obliguum (Bdl. 
Fig. 127 p0); in entgegengesetzter Richtung wendet sich ein zweiter Zipfel 
Fig. 138. längs dem Margo infragle- 
noidalis der Tibia, gedeckt 
vom Lig. accessorium me- 
diale, nach vorn und endet 
über der Tuberositas patel- 
laris (Fig. 138 Sm‘); der 
dritte Zipfel besteht aus 
platten Fasern, welche in 
der Richtung des Stammes 
abwärts zur Tibia gehen 
(Sm). 

Wegen des meistens mit 
dem Gelenke communici- 
renden Schleimbeutels un- 
ter der Sehne des M.semi- 
membranosus, Dursa syn- 
ov. semimembranosa, Ver- 
weise ich ebenfalls auf die 
Bänderlehre a. a. O. 


Var. Der Muskel kann 
fehlen (Loschge, Erlanger 
Abh. Bd.I. S.25; de Souza, 
gaz. med. 1855. Nro.12). In 
Loschge’s Fall fand sich 
am Einen Beine statt des M. 
semimembranosus eine dünne, 
vom Sitzhöcker zur Kapsel in 
der Nähe des lateralen Epi- 
condylus des Schenkels ge- 
spannte Sehne, welche in der 
Mitte einen kleinen Muskel- 


Mediale Wand des Kniegelenkes von aussen. Die Fas- 
cie F mit der Sehne des M. sartorius durchschnitten bauch hatte. 

und nach vorn zurückgeschlagen, ebenso die Sehnen In Bezug auf die Rotation 
des M. gracilis (Gr) und semitendinosus (St). pm Lig. des Unterschenkels sind der 


atellare mediale. Bsm Bursa synov. semimembranosa, . ER . 
“= der medialen Wand geöffnet, Gam M. gastrocne- a endne u 
mius medial. Am‘' Insertion des M. adduct. magn. am membranosus, nebst dem Sar- 
medialen Epicondylus. Z Sehne des M. extensor er. torlus und Graeilis, Antago- 

Scr M. suberuralis. ** Fettpolster. nisten des M. biceps. 


Physiol. 
Bemerk. 


y- Mediale 
Ober- 
schenkel- 
muskeln. 
I. Erste 
Schichte. 
1. Pectin. 


268 Pectineus. 


y. Mediale Oberschenkelmuskeln. 


I. Erste Schichte. 


1. M. pectineus 


Pe!). 


Besteht aus zwei Schichten, die aber nur aın lateralen Rande und auch 


Fig. 139. 
emanssue Ip 


Sar w N N RR 
j m) Ds I 


Adductoren des Oberschenkels, von vorn. Jp Medialer 
Kopf des M. iliopsoas, abgeschnitten. Jp} Insertion 
desselben. Sar, Tf, Qf Ursprünge des M. sartorius, 
tensor fasciae und quadr. fm. Gmd, Gmi M. gluteus 
med. und min. Oe M. obturator ext. Die sämmtlichen 
Adductoren, mit Ausnahme des M.adductor magnus, sind 
bis auf Ursprung und Insertion abgeschnitten, die Inser- 
tionen mit einem f bezeichnet. 


') M. peetinalis. M. liwidus. Schambeinmuskel. 


Premier 


hier nicht immer deutlich geschieden sind und gegen den medialen Rand 


zusammenfliessen. Die 
oberflächliche Schichte 
(Fig. 139 Pe) entspringt 
mit platten und zarten 
Bündeln an der Crista 
iliopectinea zwischen der 
gleichnamigen Eminen- 
tia und dem Tubere. 
pubis und nimmt Fasern 
von der inneren Fläche 
der in der gleichen Aus- 
dehnung entspringenden 
Fascie des Muskels auf; 
der Ursprung der tieferen 
Schichte (Pe) beginnt 
weiter medianwärts über 
der Crista obturatoria 
und verstärkt sich eben- 
falls durch Fasern, wel- 
che von der medialen 
Fläche des an der Emi- 
nentia iliopectinea haf- 
tenden Theiles der Fas- 
cie entspringen. Die 
oberflächliche Schichte 
tritt in lateralwärts con- 
cavem Bogen aus dem 
Becken und geht etwas 
steiler als die tiefe ab- 
und zugleich rückwärts. 
Mit einander spitzwink- 
lig kreuzenden Fasern 
setzen sich beide durch 
Vermittelung einer plat- 
ten Sehne an die me- 
diale Lippe der Crista 


adducteur superficiel Cruv. 


ur 4 


Adductor fem. longus. Graeilis. 269 


femoris, von ihrem Ursprunge an bis zu ihrem Zusammentritte mit der late- 
ralen Lippe (Fig. 151). 

Die Flächen des platten Muskels, beim Austritte aus dem Becken fron- 
tal, stellen sich in der Nähe der Insertion sagittal, die vordere Fläche 
lateralwärts. 


2. M. adductor fem. longus Aftı). 


Entspringt mit einer schmalen, aber starken Sehne (Fig. 139), welche eine 2. ae 

Strecke weit die Vorderfläche des Muskels bedeckt, zwischen dem Tuberculum a 
pubis und der Schambeinsynchondrose, dicht neben dem M. pect., entfernt 
sich im Absteigen von demselben und breitet sich zugleich auf Kosten seiner 
Mächtigkeit aus, um sich mit einer platten Sehne an die mediale Lippe 
der Crista femoris, etwa längs des mittleren Drittels derselben, anzuheften. 
Die Sehne verschmilzt in der Nähe der Insertion unzertrennlich mit der 
Sehne des Vastus, welche hier zugleich Lig. intermusculare ist, und schickt 
von ihrem unteren Rande in der Regel einen Fortsatz ab, der sich auf der 
Vorderfläche der Sehne des M. adductor magnus verliert (Fig. 131). 


Var. Wird von einem durchtretenden Gefässzweige in eine obere und untere 
Portion getrennt. 


3. M. gracilis Gr?) 


Die dünne, platte Ursprungssehne haftet an der äusseren Fläche des 3. Gracitis. 
ganzen freien unteren Randes des Schambeines (Fig. 139). Der Muskelbauch, 
platt, mit sagittal gestellten Flächen, verjüngt sich in der Mitte des Schenkels, 
indem von da an bis zur Gegend des Knies die parallelen, verticalen 
Fasern successiv an der Insertionssehne enden, die sich am hinteren Rande 
des Muskels hinaufzieht. Vom Knie an geht die platteylindrische Sehne 
erst am hinteren Rande des M. sartorius und dann in convexem Bogen am 
oberen Rande der Sehne des M. semitendinosus zur unteren Spitze der Tu- 
berositas patellaris der Tibia, indem sie schliesslich mit der letztgenannten 
Sehne verwächst, mit ihr auf dem oben beschriebenen Schleimbeutel ruht 
und ebenso, wie alle ührigen an der medialen Fläche des oberen Endes der 
Tibia befestigten Sehnen, Fasern abwärts in die Fascie sendet (Fig. 132). 


Anzieher des Schenkels ist der M. gracilis nur bei steifem und gestrecktem Physiol. 
Knie, dann aber, im Vergleich zu den eigentlich sogenannten Adductoren, um so un 
kräftiger, da er an dem längsten Hebelarme wirkt. Bei gebeugtem Knie, wenn 
der Unterschenkel um seine Längsaxe rotirbar ist, wird der M. gracilis Gehülfe 
des Sartorius. 


!) Second adducteur superficil Cruv. Wird als erster oder langer Kopf eines Addxc- 
tor triceps angeführt, in Verbindung mit dem M. adductor brevis (caput br. s. secund.) und 
magnus (c. magn. s. tertium), eine Auffassungsweise, welche schon Theile mit triftigen 
Gründen zurückgewiesen hat. 

2) M. rectus internus. Schlanker Schenkelmuskel. Droit interne. 


II. Zweite 
Schichte. 


Adduct. br. 8 


III. Dritte 
Schichte. 
1. Adduct. 
minimus. 


270 


II. Zweite Schichte. 


Adductor fem. br., Adductor fem. minimus. 


M. adductor fem. brevis Afb D, 


Die gegen das Schenkelbein an Höhe zunehmende Lücke, welche zwi- 


Fig. 140. 


Adductoren des Oberschenkels, von vorn. Jp Medialer 
Kopf des M. iliöpsoas, abgeschnitten. Jpt Insertion des- 
selben. Sar, Tf, Qf Ursprünge des M. sartorius, tensor 
fasciae und quadr. fem. Gmd, Gmi M. gluteus med. und 
min. Oe M. obturator ext. Die sämmtlichen Adductoren 
mit Ausnahme des M. adductor magnus, sind bis auf Ur- 
sprung und Insertion abgeschnitten, die Insertionen mit 
einem 7 bezeichnet. 


!) Petit adducteur profond Cruv. 
?) Chirurg. Muskellehre S. 159. 
Theile, 


chen dem M. pectin. und add. long. übrig bleibt (Fig. 131), schliesst der 


M. adduct. br. von hin- 
ten her so vollständig, 
dass er sie mit seinem 
oberen und unteren 
Rande überragt. Sein 
Ursprung liegt kurzseh- 
nig, hinter (lateralwärts 
neben) dem Ursprunge 
des M. adductor longus 
und der medialen Ecke 
des M. pectineus, reicht 
auch wohl bis zum M. 
gracilis hinab und ist 
mit dessen Sehne ver- 
wachsen ; seine Inser- 
tion, eine platte Sehne 
von variabler Höhe, 
kann aufwärts bis an 
den- Trochanter minor 
reichen und erstreckt 
sich abwärts mehr oder 
minder weit hinter der 
Insertion des M. adduct. 
long. herab (Fig. 140). 


Var. Dem M. adductor 
long. ähnlich zuweilen in 
zwei Abtheilungen ge- 
schieden. 


III. Dritte Schichte. 


1. M. adductor fem. mi- 
nimus Afmi Günther). 


Entspringt vom Scham- 
beine und dem vorder- 
sten Theile des Sitz- 


Aeussere oder obere Portion des M. adductor magn. 
Die übrigen Autoren rechnen diesen Muskel mit zum M. adductor magnus. 


au an 


Adductor fem. magnus. 271 


beins zwischen dem Ursprunge des M. obturator ext. und des Gracilis, auf- 
und vorwärts über den Ursprung des M. abductor br., ab- und rückwärts 
über den Ursprung des M. abd. magn. hinausreichend, mit einer breiten und 
dünnen Sehne (Fig. 140). Die Muskelfasern, in welche die Sehne alsbald über- 
geht, treten, die vordersten fast transversal, die rückwärts folgenden allmälig 
mehr absteigend, an das Schenkelbein und befestigen sich in einer von der 


Dritte Schichte der Adductoren, von hinten. 


Mitte der Linea intertrochanterica 
fast vertical zur Crista femoris 
absteigenden Linie, welche mit- 
unter am macerirten Knochen 
noch kenntlich ist, und eine kurze 
Strecke weit an der Crista fem. 
selbst (Fig. 141). Der obere Rand 
des M. add. minimus lehnt sich 
in seiner ganzen Länge an den 
M. quadrat. femoris; den unteren, 
schräg lateralwärts absteigenden 
Rand überragt von hinten her 
um Weniges der obere Rand 
des M. adductor magnus, dessen 
Insertion am Schenkelbeine also 
um so weiter unten beginnt, je 
weiter abwärts der M. adductor 
minimus sich ausdehnt. 


2. M. adduct. fem. magn. Afm)). 


Der M. add. magn. ist am Ur- 
sprunge vom medialen Rande aus 
in zwei Schichten trennbar, die ge- 
gen den lateralen Rand verschmel- 
zen und an einer Sehne zusam- 
menstossen, die an diesem Rande 
und an der hinteren Fläche des 
Muskels sich eine Strecke weit 
sichtbar erhält (Fig. 140. 141). 
Der Ursprung nimmt den unteren 
Rand des Beckens, den vorderen 
(medialen), schmalen und zuge- 
spitzten Theil des Sitzhöckers ein; 
lateralrückwärts erstreckt er sich 
zwischen die Ursprungssehnen 


\) Unser M. adductor magnus ist 
identisch dem unteren, grösseren Theile 
des Adductor magnus aut. (grand ad- 
ducteur profond Cruv.), der mittleren 
und unteren Portion des Adductor magn. 
Theile. 


2. Adduct. 
magnus. 


c. Muskeln 
des Unter- 
schenkels. 


272 Adductor fem. magnus. 


der beiden Schichten der Beugemuskeln, medianvorwärts bis zu der Rauhig- 
keit, welche in Erwachsenen an die Stelle der Synchondrose des Sitz- und 
Schambeines tritt. Gegen die Insertion ordnen sich die beiden Schichten 
so, dass die vordere Schichte oberhalb der hinteren sich ansetzt. Die 
Bündel der vorderen Schichte gehen, je weiter vorn sie entspringen, um so 
tiefer unten an das Schenkelbein; die Bündel der hinteren Schichte kommen 
unter den untersten Bündeln der vorderen, steiler absteigend, zum Vorschein 
und sind vorzugsweise bestimmt, sich an den grossen Sehnenbogen zu 
heften, der das Thor für die Cruralgefässstämme darstellt (Fig. 141 *). 

Ich habe schon erwähnt, dass längs der Crista femoris eine grössere 
oder geringere Anzahl solcher Sehnenbogen, entsprechend den perforirenden 
Aesten der Vasa profunda fem., sich findet. Der grösste und beständigste 
schlägt sich von der Stelle, wo die beiden Lippen der Crista femoris ab- 
wärts auseinanderweichen, zum medialen Epicondylus hinüber; er ist am 
oberen Theile scharfrandig, erhält aber gegen die untere Insertion den 
Charakter einer eylindrischen Sehne und nimmt an dieser Stelle nicht nur 
die zahlreichsten Muskelbündel des Adductor magnus auf, sondern dient 
auch, wie am betreffenden Orte angegeben ist, Fasern der medialen Portion 
des M. vastus zum Ursprunge (Fig. 134). 

So weit sich die Sehne der vereinigten Adduetoren an die Crista fe- 
moris ansetzt, ist sie mit der Ursprungssehne des Vastus verschmolzen. 
Diese Verschmelzung drückt sich in dem Verlaufe der Fasern der ein- 
fachen Sehnenplatte aus, welche in der schräg lateralwärts absteigenden 
Richtung der Adductoren und in der schräg medianwärts absteigenden 
Richtung der Fasern des Vastus einander kreuzen und im eigentlichen Sinne 
durchflechten.. Mit dem unteren freien Pfeiler des Sehnenbogens dagegen 
verschmilzt ein starkes fibröses Blatt, welches sich über die Cruralgefäss- 
stämme hinweg an den Vastus anlegt, die äussere Wand einer Gefäss- 
scheide, die mit der Fascie des Schenkels näher beschrieben werden wird. 


Var. Ich sah ein langes, plattes und schmales Bündel selbständig vom Sitz- 
höcker entspringen und sich erst am unteren Pfeiler des Sehnenbogens mit der 
Masse des Adductor magnus verbinden. In einem anderen Falle entsprang ein 
ähnliches Bündel von einer feinen, hinter der Insertion des M. adductor minimus 
herablaufenden Sehne und setzte sich, hinter den Cruralgefässstimmen vorüber- 
ziehend und convergirend mit den untersten Fasern des Adductor magnus, an den 
unteren Pfeiler des Sehnenbogens. 


e. Muskeln des Unterschenkels. 


Die Muskulatur des Unterschenkels wie des Fusses gleicht im Wesent- 
lichen der Muskulatur des Unterarmes und der Hand. Der Unterschenkel 
hat dieselbe umgekehrt kegelförmige Gestalt, wie der Unterarm, als Aus- 
druck des gleichen Verhältnisses der Muskelbäuche zu ihren Sehnen. Am 
Unterschenkel liegen, wie am Unterarme, die Muskeln in drei Gruppen, an 
der vorderen und hinteren Seite und am lateralen oder fibularen Rande; 
nur wird am Beine die vordere Fläche von den Streckmuskeln, die hintere 
Fläche von den Beugemuskeln eingenommen. Eine andere Verschiedenheit 
zwischen den Muskeln des Armes und Beines besteht darin, dass am Beine 


Unterschenkelmuskeln. 273 


die Zahl der zweigelenkigen Muskeln vermindert, dass der Ursprung im 
Allgemeinen der Insertion um ein Gelenk näher gerückt ist. Kein Muskel 
der vorderen und Fibular-Seite entspringt oberhalb desKniegelenkes; die tie- 
fen Fingerstrecker, die freilich am Fusse vollzähliger sind als an der Hand, 
haben sich gleichsam vom Unterschenkel auf den Fussrücken zurückgezogen; 
der dem M. flexor digitorum sublimis analoge Muskel des Fusses liegt ganz 
in der Fusssohle. Die Folge ist, dass die Muskulatur des Fusses im Ver- 
gleich zur Hand complieirter, die Muskulatur des Unterschenkels dagegen 
im Vergleich zum Unterarme einfacher wird. Zudem fehlen am Unter- 
schenkel noch die Pronatoren und Supinatoren, da die geringfügigen Ver- 
sehiebungen seiner beiden Knochen gegen einander nur mittelbar, durch die 
Bewegungen des Fusses im Knöchelgelenke, zu Stande gebracht werden. 
Die Grenze zwischen den vorderen und hinteren Muskeln ist medialer- 
seits deutlich genug, da sich zwischen beide die ganze mediale Fläche der 
Tibia einschiebt, an deren 
vorderer und hinterer Kante 
die Fascie mit der Bein- 
haut unzertrennlich ver- 
wächst. Um so genauer 
schliessen sich lateralerseits 
die vorderen Muskeln an 
die fibularen und diese wie- 
der an die hinteren Muskeln 
an. Zwischen den vorderen 
und fibularen Muskeln bleibt 
nur in einer kurzen Strecke 
vom Knöchel aufwärts ein 
schmales Feld der Fibula 
frei. Weiter hinauf dienen 
beiden die beiden Flächen 
eines fibrösen Blattes zum 
Ursprunge, das sich in der 
Verlängerung der vorderen 
Kante der Fibula an die 
Horizontalschnitt des Unterschenkels oberhalb der Fascie begiebt, eine Art 


Mitte. Ta, Tp M. tibial. ant. u. post. Ehl M. ext. Lie, intermuseular asi 
hall. long. Ed! M. ext. dig.long. Peb, PelM peron > d . er 2 bi 
br. u. long. SM. soleus G M. gastrocnemius. Pla M. mit dem Namen Lig. inter- 


plantaris. Fhl, Fdl M. flexor hallueis u. digit. long musculare fibulare bezeich- 
1. Vasa tibialia ant. 2 Vasa tib. post. nen werde (Fig. 142 *). Es 

steht dicht unter dem Köpf- 

chen der Fibula in der Höhe etwa eines Zolls vom Knochen ab und um- 
schliesst demnach mit dem Knochen eine verticale Längsspalte, durch die der 
N. peroneus profundus auf die Vorderfläche des Unterschenkels und zwar auf 
das Lig. interosseum gelangt (Fig. 144). Vor dem Köpfchen der Fibula dehnen 
die Fibularmuskeln sich mit ihrem Ursprunge bis auf die laterale Fläche der 
Tibia aus. Mit den tiefen Beugemuskeln stossen die fibularen auf der hin- 
teren Kante der Fibula unmittelbar zusammen, wie an einem Scheitel, von 
welchem aus die Fasern der Einen lateral-abwärts, die der anderen median- 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abth. 3. 18 


274 Unterschenkelmuskehn. 


abwärts gehen, um je in einer Rinne, jene hinter dem lateralen, diese hinter 
dem medialen Knöchel an die Fusssohle zu gelangen. 

Die Aufgabe der Muskeln der vorderen und hinteren Fläche ist zunächst 
Rotation des Fusses oder Unterschenkels und der Mittelfussknochen und 
Zehen um dietransversale Axe, wodurch entweder dieZ ehen gegen den Fuss, der 
Fuss gegen den Unterschenkel, oder umgekehrt, der Unterschenkel gegen den 
Fuss und der Fuss gegen die Zehen bewegt werden. Es versteht sich, dass 
den Muskeln der Vorderfläche die Streckung oder Dorsalflexion des Fusses 
im Ganzen und der Zehen, den hinteren Muskeln die Beugung oder Plantar- 
flexion derselben Theile zufäll. Die Muskeln aber, welche sich an Knochen 
der Fusswurzel und des Mittelfusses ansetzen und demnach zur Bewegung 
des Fusses als Ganzen dienen, befinden sich, wie an der oberen Extremität, 
jedesmal am Seitenrande der Gruppe und sind darauf berechnet, sich je an 
dem gleichnamigen Fussrande von der Streck- und Beugeseite her zu ge- 
meinsamer Wirkung zu verbünden. In diese Kategorie gehören auch die 
fibularen, wie am Arme die radialen Muskeln. Während aber die radialen 
Muskeln sich schliesslich als Strecker verhalten, um sich bei den Seitenbe- 
wegungen der Hand dem M. radialis intern., bei Rotationsbewegungen um 
die transversale Axe einem Streckmuskel, dem M.ulnaris ext., zuassocliren, 
reihen sich die fibularen Muskeln bezüglich ihrer Insertion den Beugern an, 
associiren sich bei den Seitenbewegungen des Fusses einem Muskel der 
Rückseite (M. peroneus tertius) und bei den Rotationsbewegungen um die 
transversale Axe einem Beugemuskel (M. tibialis post.). Wasnun diese Seiten- 
bewegungen betrifft, so sind es Rotationen um eine sagittale Axe, die aber 
an der oberen Extremität durch das Handgelenk geht und die Längsaxe 
der Hand rechtwinklig schneidet, an der unteren Extremität mit der Längs- 
axe des Fusses zusammenfällt. Die Bewegungen, welche die Muskeln des 
ulnaren und radialen Randes der Hand mittheilen, sind die sogenannte Ulnar- 
und Radialflexion; die Seitenbewegungen des Fusses dagegen sind solche, 
wodurch sein lateraler oder medialer Rand erhoben wird, Bewegungen, welche 
den Pronations- und Supinationsbewegungen der Hand entsprechen, wie leicht 
ersichtlich wird, wenn man diese letzteren mit der überstreckten und rechtwink- 
lig gegen den Vorderarm gestellten Hand vornimmt. Der Unterschied beruht 
zum Theil in der Einrichtung der Gelenke, die dem Fuss eine nur sehr be- 
schränkte Bewegung um die verticale Axe, mit der Spitze median- und lateral- 
wärts gestatten, zum Theil in der Insertionsweise einzelner Sehnen, welche 
von ihrem Rande aus quer oder schräg durch die Fusssohle zum entgegen- 
gesetzten Rande verlaufen und daher die Tendenz haben müssen, die Sohle 
der Seite zuzuwenden, an welcher sie in dieselbe eintreten. Eine Neben- 
wirkung der betreffenden Muskeln besteht darin, dass sie, wenn sie von beiden 
Seiten gleichzeitig anziehen, die Wölbung des Fusses im Frontaldurchschnitt 
vermehren. Das Wenige an Tibial- und Fibularflexion, was dem Fusse aus- 
zuführen verstattet ist, kann nur dadurch zu Stande kommen, dass sich mit 
den beiden Muskeln des Einen Randes, die die Fussspitze nach sich ziehen, 
der den Streckmuskeln associirte Muskel des anderen Randes verbündet, um 
diesen Rand festzuhalten, also mit dem M. tibialis antiens und postieus 
der M. peroneus tertius oder mit den Mm. peronei der M. tibialis ant. 

Die Beziehungen der Fascie sind zu den Muskeln des Unterschenkels 


Tibialis antieus. 275 


dieselben, wie zu denen des Unterarms. Sie schiekt Fortsätze nach innen 
und bildet Fächer, von deren Wänden die Muskelbündel allseitig, wie vom 
Knochen, ihren Ursprung nehmen. Ueber der Rückenfläche des Knöchel- 
gelenkes verstärkt sie sich durch quere und schräge Fasern, die die Sehnen 
in Berührung mit ihrer Unterlage erhalten und als besondere Bänder, Lig. 
transversum und cruciatum, dargestellt zu werden pflegen. Von der inneren 
Fläche dieser Bänder begeben sich sagittale Scheidewände in die Tiefe und 
sichern die Lage der Strecksehnen, indem sie den Raum, in welchen die 
Sehnen eingeschlossen liegen, in eine Anzahl gesonderter Röhren scheiden. 


«@. Muskeln der Vorderseite. 


Am oberen Ende der Tibia entspringen neben einander zwei Muskeln, 
M.tibialis anticus und M. extensor digitorum pedis longus, von welchen der Eine 
an den Tibialrand des Fusses, der andere mit vier Sehnen zu den vier dreigliedri- 
gen Zehen geht. Zwischen ihnen drängt sich, unter der Mitte des Unter- 
schenkels, der M. extensor hallucis longus hervor, und noch etwas tiefer 
gesellt sich, am lateralen Rande des M. extensor dig. ]., der M. peroneus 
tertius hinzu. 

Es ist ein gemeinsamer Charakter aller dieser Muskeln, dass ihre In- 
sertionssehne platt cylindrisch mit frontalen Flächen schon hoch oben aus 
einem spindelförmigen Bauche hervortritt und im weiteren Verlaufe Muskel- 
fasern nur noch an der hinteren Fläche empfängt. Die Sehnen liegen in der 
unteren Hälfte des Unterschenkels fast unmittelbar neben einander an der 
Oberfläche, und die Muskelbiündel treten, steil vor- und etwas medianwärts ab- 
steigend, zu denselben heran aus der Rinne, deren Seitenwände die vordere 
Fläche der Tibia und die Fibularmuskeln, deren Boden das Ligam. interos- 
seum bildet. Wie sich diese Rinne abwärts verflacht, legen sich die Muskeln 
mit dem vorderen Rande, an welchem die Sehnen verlaufen, medianwärts 
um auf das vorwärts schauende untere Ende der Streckfläche der Tibia 
(Knl. S. 262). Je weiter lateralwärts die Muskeln liegen, um so weiter ab- 
wärts reichen ihre Ursprünge und die Insertionen ihrer Muskelbündel an 
die Sehnen. 

Die Nerven stammen sämmtlich vom N. peroneus profundus, der im 
oberen Viertel des Unterschenkels die Aeste für die einzelnen Muskeln ab- 
giebt, einzelne, sehr feine Zweige aber auch noch tiefer zu dem M. extensor 
hall. longus sendet, an dessen medialer Seite er herabläuft. 


1. M. tibiulis antieus Ta N. 


Der Bauch des M. tibialis ant. entspringt an der lateralwärts gewandten 
Streckfläche der Tibia auf einem Feld von bimförmiger Begrenzung, mit 
lang ausgezogener abwärts gerichteter Spitze. Dies Feld reicht oben an 


D) M. tibiaeus anticus s. anterior. M. hippieus. M. catenae. Vorderer Schienbeinmuskel. 
Jambier. 
18* 


&. M.d. 
Vorders. 


1. Tib. ant. 


276 Tibialiıs antieus. 


den Margo infraglenoidalis, vorn an die bogenförmige Linie, mit der der 
Margo infraglenoidalis sich in die vordere Kante der Tibia fortsetzt, hinten 


“ Fig. 143. 


Unterschenkel und Fuss in Plantar- 
flexion, von vorn. M. ext. dig. long. 
(Eal) mit dem M. peron. tertius (Pet) 
über dem Lig, erueiat (er) durchschnit- 
ten. Pet; Insertionssehne des M. peron. 
tertius. Pel, Peb. M. peron. longus. und 
brevis. Peb'Sehne des letzteren zur fünf- 
ten Zehe. Og M. opponens dig. quinti. 


bis in die Nähe des oberen Tibiofibular- 
gelenkes und auf das Lig. interosseum. 
Die Fascie, die von dem oberen Ende der 
Tibia und vom oberen Theil ihrer vor- 
deren Kante ausgeht, dient ebenfalls 
Fasern des M. tibialis ant. zum Ur- 
sprunge. Allmälig weichen die Ursprünge, 
welche aus platten, im verticalen Durch- 
messer comprimirten Bündeln bestehen, auf 
dem Ligam. interosseum, wie auf der Vor- 
derfläche der Tibia gegen die Crista in- 
terossea der letzteren zurück, und von der 
Mitte des Unterschenkels an bilden sie nur 
noch eine einfache Reihe platter, aber im 


„transversalen Durchmesser comprimirter 


Bündel, von welchen die letzten an der 
oberen Grenze des unteren Viertels des 
Unterschenkels entspringen. Die Sehne 
wird unterhalb der Mitte des Unterschenkels 
an der Vorderfläche frei (Fig. 143), 
nimmt aber an der hinteren Fläche Mus- 
kelfasern bis zum Knöchelgelenk auf 
(Fig. 144). Sie geht durch das zumeist 
medianwärts gelegene Fach unter dem 
Lig. eruciat. und weiter schräg abwärts 
an die mediale Fläche des Gelenkes zwi- 
schen dem ersten Keilbein und dem ersten 
Mittelfussknochen, dessen Kapsel sie ver- 
stärkt, und endet mit zwei Zipfeln, von 
welchen der hintere der mächtigere und 
breitere ist, dieht an dem Gelenke und dicht 
über der Plantarfläche an einer Facette des 


. ersten Keilbeins und einem Höckerchen des 


ersten Mittelfussknochens (Fig. 147). 

Ein langer eylindrischer Schleimbeutel !) 
liegt auf der Vorderfläche der Sehne des 
M. tibialis ant., vom unteren Rande des 
Lig. transversum an, mit der Innenfläche 
des Lig. cruciatum fest verwachsen, bis 
zum unteren Rande des letzteren. Ein 
kleinerer eiförmiger Schleimbeutel liegt 
oberhalb der Endigung der Sehne zwischen 
ihr und der medialen Fläche des ersten 
Keilbeins. 


b) Bursa tibialis antici Monro. 


Extensor hall. long. Ext. dig. ped. long. 277 
2, M. extensor hallueis long. Ehl 


Die Reihe der Ursprünge erstreckt sich längs des zweiten und dritten Vier- 
tels der Fibula, anfangs linear von deren vorderer Kante, nach unten durch 
Uebergreifen auf das Lig. interosseum etwas breiter. Dem unteren Ende des 
Ursprunges gegenüber zeigt sich am vorderen Rande des Muskels die In- 
sertionssehne; sie nimmt die letzten Muskelfasern unterhalb des Knöchelge- 


lenkes auf, begiebt sich durch das mittlere der Fächer des Lig. cruciat. auf 


den Rücken des Fusses und zur Basis der Endphalange der grossen Zehe; 
häufig!) trennt sich höher oder tiefer von der Hauptsehne und zwar meistens 
vom medialen, seltener vom lateralen Rande ein schmaler Sehnenstreifen 
unter spitzem Winkel ab, welcher im ersten Falle direct, im letzteren Falle 
durch Vermittelung der Sehne des Ext. hall. brevis an die Grundphalange 
der grossen Zehe sich inserirt (Fig. 143). 

Der Schleimbeutel, welcher die Sehne des M. extensor hall. longus 
unter dem Lig. cruciat. deckt, begleitet sie, zuweilen der Länge nach in 
mehrere Fächer abgetheilt, bis über das Tarso-Metatarsalgelenk. 

Var. Die Theilung der Schne kann zu einer Theilung oder Verdoppelung 
des Muskels sich ausbilden; dann aber liegt der zweite, kleinere und weiter unten 
entspringende Muskel meistens lateralwärts neben dem grösseren und verbindet 
sich mit der Sehne des M. ext. hallucis brevis oder geht selbständig an den ersten 
Mittelfussknochen oder die Grundphalange der grossen Zehe oder spaltet sich in 
zwei Sehnen, von welchen die kleinere sich an den medialen Rand der beiden Pha- 
langen ansetzt (Meckel). Nur Einmal sah ich den überzähligen (und kleineren) 
M. extensor hall. long. an der medialen Seite des normalen liegen und sich selbstän- 
dig an die Grundphalange der Zehe inseriren. 


3. M. extensor digitorum ped. longus Kdl?) 


2. Ext. hall. 
long. 


Der spindelförmige Muskelbauch beginnt mit einer schmalen Spitze am3. Ext. die. 


oberen Ende der Tibia von der Fläche, welche die gegeneinander sich 
neigenden Fasern des M. tibialis ant. und peroneus longus frei lassen; er 
gewinnt nach unten an Breite und Mächtigkeit durch Fasern, welche von 
der eigenen Fascie, von der Fascie des M. tibialis ant. und von dem Lig. 
intermusculare fibulare entspringen. Von der Mitte des Schenkelbeines an 
verschmälert sich der Muskelbauch wieder und setzt sich schliesslich in eine 
lineare Reihe von Bündeln fort, welche kaum vom Knochen, sondern viel- 
mehr von dem an die vordere Kante der Fibula gehefteten Lig. intermus- 
eulare fibulare und weiter unten vom Lig. interosseum ihren Ursprung nehmen 
und nach deroben beschriebenen Weise an die hintere Fläche der Insertions- 
sehne treten (Fig. 143.144). Zuweilen besteht ein Zwischenraum zwischen 
jenem spindelförmigen Bauch und dieser Reihe platter Ursprünge; der M. 
ext. dig. long. erhält dadurch das Ansehen eines zweibäuchigen. 


!) Nach meinen Untersuchungen etwa jn der Hälfte der Fälle, nach Gruber (Abh. 
aus der menschl. und vergl. Anat., p. 122) viel häufiger, im Verhältniss wie 4 ;1. 
2) M. extensor dig. comm. long. 


long. 


278 Peroneus tertius. 


Die Sehnen zeigen nicht immer die gleiche Anordnung. Häufig ist 
eine Sehne für die fünfte Zehe weit hinauf von der Sehne trennbar, die sich 
in drei Zipfel für die zweite bis vierte Zehe spaltet, und es können selbst die 
Muskelbündel, die sich an jene Sehne der fünften Zehe begeben, vollständig 
bis zum Ursprunge von der übrigen Masse gesondert werden. In anderen 
Fällen geht aus dem Muskelbauch eine einfache Sehne hervor, die sich direct in 
vier oder erst in zwei Sehnen theilt, deren jede sich nochmals theilt. Auch 
kommt neben einer viertheiligen Sehne, die also auch einen Zipfel zur klei- 
nen Zehe sendet, eine besondere Muskelportion und Sehne für die kleine 
Zehe vor, die mit der anderen verschmilzt. Nach der Theilung, die zu- 
weilen schon in der Mitte des Unterschenkels, zuweilen erst auf dem Fuss- 
rücken erfolgt, hält ein festes, mitunter von anastomosirenden Sehnenbündeln 
durchzogenes Bindegewebe die Sehnen mit einander in Verbindung; es 
nimmt sich wie ein fibröses Blatt aus, auf welchem die Sehnen befestigt 

- scheinen, und spannt sich, wenn man die letzteren auseinanderzieht, zwischen 
ihnen, ähnlich einer Schwimmhaut zwischen gespreizten Zehen, aus. Die 
Sehnen aber liegen, so weit sie auf diese Weise an einander geheftet sind, 
unmittelbar nebeneinander unter dem lateralwärts äussersten Fache des Lig. 
cruciatum; sie berühren einander entweder mit planen verticalen Seiten- 
flächen, oder sie sind so in einander gefügt, dass jede in eine Rinne des me- 
dialen Randes den entsprechend gewölbten lateralen Rand der nächsten auf- 
nimmt. 

Ein Schleimbeutel !), der die innere Fläche des Lig. eruciatum und die 
äussere Fläche der Strecksehnen nebst der Sehne des M. peroneus tertius 
bekleidet, erstreckt sich nach oben bis unter das Lig. transversum und auf 
dem Fussrücken über das vordere Sprungbeingelenk hinaus, wo er breit in 
einer einfach transversalen Linie endet. Ein Schleimbeutel von geringeren 
Dimensionen liegt zwischen den Strecksehnen und der Kapsel des Knöchel- 
gelenkes. 

Var. Meckel (Archiv. Bd. V. S. 117) berichtet von einem Extens. dig. long., 
dessen für die vierte Zehe bestimmter Bauch von den übrigen getrennt war und 
in vier Sehnen endete, die sich an den Mittelfussknochen und die drei Phalangen 


ansetzten. Ich sah den M. extens. dig. long. hoch oben eine lange Sehne zum 
Extensor hallucis long. abgeben. 


4. M. peroneus tertius Pet?) 


A Peron tert: Die Reihe seiner Muskelfasern entspringt längs des unteren Drittels der 
Fibula vom Lig. intermusculare fibulare, von der medialen Fläche der Fibulaund 
dem Lig. interosseum. Die letzten Fasern erreichen die Insertionssehne in der Ge- 
gend des Würfelgelenkes. Diese Sehne gehtmit den Sehnen des M. extens. digit. 
long. und von demselben Schleimbeutel überzogen unter dem Lig. eruciatum 
hinweg lateral-ab- und vorwärts und befestigt sich ausgebreitet längs des 
Gelenkes zwischen dem fünften und vierten Mittelfussknochen an die Basis 
des fünften, zuweilen auch des vierten (Fig. 143. 144). 


') Bursa ewtensoris digitorum comm. Monro. 
) Dritter Wadenbeinmuskel. Peronier anterieur. Petit peronier. 


Peroneus longus. 279 


Var. Der M.peroneus tertius kann mit dem M. extensor dig. longus und na- 
mentlich mit den Fasern, die an die Strecksehne der fünften Zehe treten, untrennbar 
verwachsen. Doch ist dies viel seltener, als man nach den Angaben so vieler Au- 
toren glauben sollte, die den M. peroneus tertius geradezu als einen Theil des Ex- 
tensor beschreiben. Die Bündel des Einen und anderen liegen sehr genau anein- 
‚ander und haben keine stärkeren Bindegewebslagen zwischen sich, als die Bündel 
Eines Muskelbauches, doch lassen sie sich mit einiger Sorgfalt meistens bis zu den 
Ursprüngen vollständig sondern. Fehlt zuweilen. Sendet eine feine Sehne zur 
Strecksehne der fünften oder vierten Zehe oder zum vierten M. interosseus dorsalis. 


8. Fibulare Muskeln. 


Zwei Muskeln, Peroneus long. und Örevis1), welche, der kürzere am Ur- 
sprunge von dem längeren scheidenartig umfasst, die laterale Fläche der 
Fibula deeken und mit ihren Sehnen in der Rinne des lateralen Knöchels 
und weiter über dem Lig. calcaneofibulare (Bdl. Fig. 147) zum Russrande 
und zur Fusssohle herabgehen. Die Fascie, die sie umschliesst, verstärkt 
sich über der Rinne des Knöchels durch eine mächtige Querfaserschichte 
zum Refinaculum peroneorum superius?) (Fig.144). Oberhalb seines 
oberen Randes beginnt eine Schleimscheide 3), welche den Canal, den die 
Sehnen durchziehen, auskleidet, jeder Sehne einen besonderen Ueberzug giebt 
und jede durch eine Art Mesenterium mit der Wand des Canals verbindet. 
Ab- und vorwärts setzt sich dieser Canal in zwei Canäle fort, die zu beiden 
Seiten eines fibrösen Septum liegen, welches sich zwischen beide Sehnen 
einschiebt. Das Septum ist am hinteren Rande, mit welchem es in den ein- 
fachen Canal schaut, frei, scharf, concav, mit gefässreichen Synovialzotten 
besetzt; mit dem unteren Rande haftet es an dem Vorsprunge des Calcaneus, 
der die Knochenrinne für den M. peroneus br. von unten her, die Rinne für 
den M. peroneus longus von oben her begrenzt (Knl. S. 271), und ist ge- 
wissermaassen die Fortsetzung jenes Vorsprungs; mit dem oberen Rande 
setzt es sich an die Innenfläche eines schlingen- oder schleuderförmigen 
Bandes von gleicher Structur, Relinaculum peroneorum inferius ın., 
welches, vom Calcaneus ausgehend und um die Sehnen der Peronei herum 
zum Caleaneus zurückehrend, innen an den M. extensor dig. br. sich an- 
lehnt, aussen an die Fascie angewachsen ist (Fig. 144,153). Mit den Sehnen 
geht die Schleimscheide, entsprechend getheilt, in die beiden vom Retinac. 
peron. inf. umschlossenen Fächer über und endet in beiden blind in der 
Nähe des Würfelbeingelenkes. 

Ihre Nervenäste erhalten beide Mm. peronei hoch oben von dem zwischen 
beiden Köpfen des M. peroneus long. gelegenen Theil des N. peroneus 
superfieialis. 


1. M. peroneus longus Pel®). 


Der Muskel besteht aus zwei platten, mit dem längsten Durchmesser 
vertical gestellten und unter einem spitzen Winkel convergirenden Köpfen, 


1) Fibulaei. Wadenbeinmuskeln. Peroniers laterauw. 

2) Retinaculum tendinum peroneorum aut. Ligament. annulare ext. s. laciniat. ewt, 
3) Bursa peronea communis. 

") M. p. primus s. posticus. 


P. Fibulare 
Muskeln. 


1. Peron. 
long. 


280 


Peroneus longus. 


welche mit der Fibula einen dreiseitig prismatischen Raum umschliessen, in 


dem der N. peroneus superfic. herabläuft (Fig. 144). 


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Der vordere Kopf) entspringt sehnig vom oberen Ende der Tibia un- 
mittelbar vor dem oberen Tibiofibulargelenke und von dem Köpfchen der 


!) Caput sup. Oberer oder äusserer Kopf Theile. 


Peroneus brevis. 281 


Fibula, dann fleischig, zugleich mit Fasern des M. extensor dig. comm., von 
dem Lig. intermusculare fibulare, zunächst also von dem Sehnenbogen, mit 
welchem dies Ligament sich über den N. peroneus profund. hinwegschlägt 
und weiter hinab bis zum unteren Ende des oberen Drittels der Fibula. 

Der hintere Kopf!) beginnt etwas tiefer am hinteren Rande und auf 
der hinteren Fläche der Fibula und reicht weiter herab bis an das untere 
Drittel der Fibula. 

Die Insertionssehne, gegen welche die schräg und ziemlich steil ab- 
steigenden Fasern beider Köpfe convergiren, wird an der inneren Seite des 
Muskels hoch oben sichtbar, zuerst am vorderen, dann am hinteren Rande 
frei und liegt platt, mit scharfen Rändern, auf der Sehne des M, pero- 
neus br. Nachdem sie in der beschriebenen Weise die beiden Retinacula 
passirt hat, wendet sie sich zur Fusssohle in der Rinne des Würfelbeins, in 
welchersiedurch die oberflächlichste Schichte des Lig. calcaneo-euboid. plantare 
Bdl. S. 175) festgehalten und von einer zweiten Schleimscheide ?) umschlossen 
wird. Sie befestigt sich, etwas ausgebreitet, an einen Höcker der Basis des 
ersten Mittelfussknochens, zuweilen auch an das erste Keilbein und an die 
Basis des zweiten Mittelfussknochens und sendet meistens ein Fascikel zum 
ersten M. interosseus dorsalis (Bdl. Fig. 148. 152. 153). 

In der Rinne des Würfelbeins ist die Sehne des M. peroneus longus 
breiter, von festerer Consistenz, und daher steifer und der Form des Knochens 
entsprechend in der Richtung der Längsaxe etwas ausgehöhlt. Der Oberfläche, 
die in die Höhle des Schleimbeutels sieht, zunächst liegt eine Bindegewebs- 
schichte, die sich durch Reichthum an elastischen Fasern und eingestreute 
Knorpelzellen auszeichnet. Durch die ganze Dicke der Sehne wechseln die 
longitudinalen Bindegewebsbündel mit Schichten transversaler, vielleicht 
kreisförmiger Bündel ab. 

Aehnliche härtere, knorpelartige Stellen sollen zuweilen auch an den in der 
Rinne des Knöchels und des Fersenbeins gleitenden Theilen der Sehne vor- 
kommen (Meckel). 5 

Ein kleinerer Muskel entspringt oben an der Fibula zwischen M. peroneus 


long. und br. und vereinigt seine Sehne weit unten mit der des M. peron. long. 
(Meckel). 


2. M. peroneus brevis Peb 3). 


Entspringt vom Lig. intermusculare fibulare in der Fortsetzung des 
M. peron. longus und von der ganzen Aussenfläche der Fibula, mit einer 
Spitze zwischen die beiden Köpfe des M. peron. long. hinaufragend (Fig. 144). 

Oft nimmt ein Theil der Fasern seinen Ursprung, statt vom Knochen, 
von einer platten Sehne, die an der dem Knochen zugekehrten Fläche des 
Muskels herabläuft. Solche Fasern gehen schräg ab- und rückwärts durch 
die Dicke des Muskels zu der Insertionssehne, die auf dessen äusserer Fläche 
liegt, die Sehne des M. peroneus long., von der sie bedeckt wird, nach hin- 


1) Caput inferius s. poslicum Theile. 
2) Bursa peronei longis Monro. 
3) M. p. anticus s. secundus s. medius. M. semifibularis. Moyen peronier. 


2. Peron. 
brevis. 


282 Hintere Unterschenkelmuskeln. 


ten überragend. Unter dem Retinaculum sup. hervorgetreten, biegt sie fast 
im rechten Winkel vorwärts um. Sie inserirt sich an der Tuberosität des 
fünften Mittelfussknochens und sendet fast beständig vom oberen Rande ein 
schmales Bündel gerade vorwärts zum lateralen Rande der Sehne des fünften 
Fingers vom M. extensor dig. long. (Fig. 144 Peb‘). 


Var. Statt an die Strecksehne des fünften Fingers geht dieses Sehnenbündel 
zuweilen zum vierten M. inteross. dors. Ich sah statt desselben einen Muskel von 
der Sehne des M. peroneus br. ausgehen, der seine Sehne zur Strecksehne der 
fünften Zehe sandte. 

Sehr häufig vermehrt sich die Zahl der Peronei. Der überzählige, von variabler 
Grösse, liegt hinter dem M. peroneus br., entspringt weiter unten von der Fibula 
oder von der Fascie der tiefen Beugemuskeln und inserirt sich an das Fersenbein, ge- 
wöhnlich an den Vorsprung, von welchem die Scheidewand des Retinaculum inf. 
ausgeht. Ein solcher Muskel kann die Stelle des ächten Peroneus br. vertreten. 
Aber auch zwei überzählige Peronei kommen neben dem Peroneus br. vor. In 
einem solchen Falle verhielt sich der zweite überzählige Peroneus wie ein Spann- 
muskel der unteren Ursprungssehne des M. peroneus br. Diese Sehne, von 

. welcher die untersten Fasern des M. peron. br. entspringen, war nämlich mit dem 
unteren Ende an die Fibula angeheftet. Zu ihr trat ein 1%“ langer, 3‘ breiter, 
dünner Muskel, welcher am Fersenbein über dem Retinaculum inf. entsprang Es 
ist derselbe, welchen Linhart (österr. med. Wochenschr. 1846, S. 14) abgebildet 
und Tensor membranae synovialis tarsi genannt hat. Mit der Synovialmembran 
hat er, auch nach Linhart’s Beschreibung, nichts zu thun. Auch kann es nur 
einem Zufall zugeschrieben werden, dass alle von Linhart untersuchten Extremi- 
täten diesen Muskel besassen. : 


y. Hintere Unterschenkelmuskeln. 


y. Hintere Die Muskeln an der hinteren Fläche des Unterschenkels liegen in zwei 

Unterschen Schichten, von einander geschieden durch eine starke, über die tiefe Schichte 
von der Tibia zur Fibula ausgespannte Faseie. Die tiefe Schichte erfüllt 
die Rinne zwischen den Unterschenkelknochen, die oberflächliche bedingt 
den mächtigen und breiten, das Bein des Menschen auszeichnenden Wulst, 
den man die Wade nennt. 


Die tiefen Muskeln entspringen am Unterschenkel und enden, indem 
sie hinter dem medialen Knöchel herablaufen, an den Mittelfussknochen und 
Zehen. Die oberflächlichen Muskeln entspringen am unteren Ende des 
Schenkelbeines und inseriren sich an die Ferse. Streng genommen gelten 
beide Bestimmungen nur für die oberflächlichste Lage der oberflächlichen 
Muskeln, und für die tiefere Lager derselben muss der Eine oder andere jener 
Charaktere, der Ursprung am Schenkelbeine oder die Insertion an die hintere 
Fläche des Fersenbeines genügen. Indessen ist es durch eine grosse Zahl 
von Analogien gerechtfertigt, die beiden Muskeln, von welchen der Eine 
(M. popliteus) seine Insertion, der andere (M. soleus) seinen Ursprung am 
oberen Ende der Tibia hat, zusammen als Wiederholung eines einzigen, 
über die Tibia hinwegsetzenden Muskels (des G@astroenemius) zu be- 
trachten. 

Am medialen Condylus des Schenkelbeines entsteht die oberflächliche 
Schichte oder die Schichte der Wadenmuskeln einfach als medialer Kopf des 


Hintere Unterschenkelmuskeln. 283 


M. gastroenemius; am lateralen Condylus dagegen entsteht sie in dreifacher 
Uebereinanderlagerung, zu äusserst der laterale Kopf des M. gastroenemius, 
darunter, den Gastroenemius aufwärts überragend, der M. plantaris und 
noch weiter nach innen der M. popliteus. Diese drei Lagen halten dem 
medialen Kopfe des Gastroenemius das Gleichgewicht. Deswegen ist der 
mediale Kopf dieses Muskels mächtiger und höher am Schenkelbeine ange- 
heftet, als der laterale Kopf. Beide Köpfe des M. gastroenemius begrenzen 
nebst dem Bauch des M. plantaris von unten her die Kniekehle oder 
Kniebeuge, Fossa poplitea. Indem sie abwärts unter einem spitzen Winkel 
eonvergiren, ziemlich gleich dem Winkel, unter welchem oberhalb des Knie- 
gelenkes die Beugemuskeln, M. biceps einerseits und M. semitendinosus und 
semimembranosus andererseits divergiren, umschliessen sie eine fast regel- 
mässig rautenförmige, mit der längsten Diagonale vertical gestellte Ver- 
tiefung mit wulstigen Rändern, von welchen die oberen die unteren umfassen. 
Der verticalen Diagonale entsprechend, steigen in dieser Vertiefung die 
Vasa poplitea nebst dem N. tibialis hinab zum Unterschenkel, indess eine 
lockere Fettmasse den übrigen Raum zwischen der Fascie und der Gelenk- 
kapsel einnimmt. 


Die Köpfe des M. gastrocnemius gehen in der halben Höhe des Unter- 
schenkels in eine platte Sehne über; der M. plantaris endet hoch oben in 
eine schmale Sehne, die nach langem, schrägem Verlauf in der Gegend des 
medialen Randes des Fersenbeines sich ansetzt. Der M. popliteus endlich 
macht, wie erwähnt, schon am oberen Ende der Tibia Halt und wird fort- 
gesetzt vom M. soleus, der ausserdem noch von den äussersten Rändern der 
Tibia und Fibula Ursprünge aufnimmt. Im weiteren Verlaufe verschieben 
sich die Lagen: die Sehne des M. soleus und gastrocnemius vereinigen sich, und 
die Sehne des Plantaris, die anfangs zwischen beiden lag, kommt medianwärts 
neben sie zu liegen. Aus diesem Grunde muss bei der Darstellung der 
Wadenmuskeln von einer Aufzählung nach Schichten abstrahirt, es müssen 
Theile der oberflächlichsten und tiefsten zuEinem dreiköpfigen Muskel, dem 
M. triceps surae, vereinigt werden. Mit ihm verschmilztnnicht selten schliess- 
lich auch noch die Sehne des M. plantaris. 


Die tiefe Schichte enthält drei lange Muskeln, den M. flexor dig. p. longus, 
tibialis postieus und flexor hallueis long., die in der Ordnung, wie sie hier 
aufgezählt sind, vom medialen zum lateralen Rande des Unterschenkels 
einander folgen. Da aber am Fusse die Sehnen des M. tibialis post. und 
flexor hallucis longus dem Grosszehenrande zunächst liegen und dagegen 
die Sehne des Flexor dig. longus bis zum Kleinzehenrand sich erstreckt, 
so muss eine Kreuzung der Sehne des Flexor dig. ]. zunächst mit der 
Sehne des Tibialis, dann des Flexor hallueis 1. stattfinden. Die Kreuzung 
mit der Sehue des M. tibialis post erfolgt unter einem sehr spitzen Winkel 
schon in der Rinne des medialen Knöchels, in welcher beide Sehnen, unter 
einem gemeinsamen Retinaculum, aber in zwei besonderen, von einer fibrö- 
sen Scheidewand getrennten Fächern herabgleiten. Die Kreuzung der 
Sehnen des M. flexor dig. l. undfl. hallueis 1. erfolgt in der Fusssohle. Dabei 
nimmt jedesmal die Sehne des Flexor dig. long. die oberflächlichste, am 
Knöchel also die hinterste, in der Fusssohle die unterste Stelle ein. 


284 Hintere Unterschenkelmuskeln. 
Die Nervenäste aller Muskeln der hinteren Fläche des Unterschenkels 


werden vom N. tibialis abgegeben. 
r 


Fig. 145. 


Wadenmuskeln, Fig. 145 oberflächliche, Fig. 146 tiefe Schichte, von hinten. Bfb kurzer 

Kopf des M. biceps fem., am Ursprunge abgeschnitten, Bf} Insertionssehne desselben. 

Sm Insertionssehne des M. semimembran. TA Achillessehne. PP Fibulare Muskeln. 
FF tiefe Beugemuskeln. 


Triceps surae. 285 


I. Oberflächlicbe Muskeln. 
1. M. trieeps surae'). 


Die oberflächliche, vom Schenkelbeine stammende Lage, M. gastrocne- 
mius 2), setzt sich aus zwei Köpfenvon ziemlich gleicher Gestalt in symmetrischer 
Weise zusammen. Jeder Kopf ist platt, birnförmig, das spitze, dem Ursprunge 
entsprechende Ende aufwärts und gegen den Rand des Beines, das abgerundete 
Ende abwärts und gegen die Mitte des Beines gekehrt. Jeder Kopf ent- 
springt am Epicondylus seiner Seite mit einer verhältnissmässig schmalen, 
mächtigen Sehne, die sich wulstig am äusseren Rande des Muskels eine 
Strecke weit herabzieht; das untere abgerundete Ende der Köpfe liegt etwa 
in der Mitte der Höhe des Unterschenkels; die Fleischbündel gehen schräg 
und von beiden Köpfen her abwärts convergirend zu dessen hinterer 
Mittellinie. 

Der mediale Kopf des M. gastroenemius (Fig. 145 @am) ist aber, wie er- 
wähnt, stärker alsder laterale (@«l), reicht am Ursprung weiter hinaufund an 
der Insertion etwas weiter hinab. Sein Ursprung beschränkt sich nicht, wie der 
des lateralen Kopfes, aufden Epicondylus, sondern dehnt sich auf das Planum 
popliteum aus: von einem Höcker oder einer rauhen Linie oberhalb des Con- 
dylus entspringt, unzertrennlich mit der -Kapselmembran verbunden, ein 
zweiter, platter Zipfel, der sich unter spitzem Winkel mit der Sehne vom 
Epieondylus vereinigt und in Verbindung mit dieser eine dünnere, innen reich- 
lich von Synovialzotten bedeckte Stelle dem Kapsel umschliesst. Doch ist 
nicht selten auch der laterale Kopf am Ursprunge breiter dadurch, dass er 
sich auf einen Sehnenbogen fortsetzt, der vom Epicondylus hinter dem Bauche 
des M. plantaris aufwärts zum Planum popliteum geht. 


Die Insertionssehne des M. gastrocnemius ist oben breit, so dass sie 
das abgerundete Ende der Köpfe jederseits mit einem feinen Saum überragt; 
sie ist auch noch unterhalb der fleischigen Köpfe membranartig, scharfrandig, 
durch Anheftung an die Fascie ausgespannt und wird erst allmälig gegen 
die Insertion an das Fersenbein schmaler und zugleich mächtiger, mehr strang- 
förmig. Zwischen den einander zugewandten Rändern beider Köpfe bleibt 
auf der hinteren Fläche des Muskels fast in der Mittellinie des Unter- 
schenkels ein schmaler, verticaler Streifen frei, der aber in der Regel erst 
sichtbar wird, wenn man mit dem Messer das Bindegewebe getrennt hat, 
welches die beiden Köpfe über (hinter) dem Sehnenstreifen aneinanderzieht 
und befestigt. Oft ist dieser Sehnenstreifen in kürzerer oder längerer Strecke 
wirklich röhrenförmig und schliesst einen Hautast des N. tibialis mit oder 
ohne begleitende Gefässzweige ein. Auf der Vorderfläche des Muskels enden 
die Muskelbündel des medialen Kopfes nahe am Rande; die Bündel des la- 
teralen Kopfes gehen über die durch jenen verticalen Streifen der hinteren 
Fläche angedeutete Mittellinie hinaus. Die Sehne, so weit sie membran- 
artig ist, lässt dreierlei Faserzüge erkennen, verticale und gekreuzte schräge, 


2) Mm. surales. M. exiensor pedis Theile Wadenmuskel. 
2) M. gastrocnemius externus. Mm. gemelli. Jumeaux. 


I. Oberfl. 
1. Triceps 
surae. 
Gastroene- 
mius. 


Soleus. 


256 Trieeps surae. 


in der Flucht und Fortsetzung der Muskelbündel; die dem lateralen Kopfe 
entsprechenden, medianwärts absteigenden liegen der vorderen Oberfläche 
zunächst, hinter ihnen folgen die lateralwärts absteigenden und zu hinterst 
die verticalen. 

Die tiefe Lage des M.triceps surae, der M. soleus 1), hat einen compli- 
cirten Bau, der eine Zusammensetzung aus zwei Köpfen, ähnlich dem Gastrocne- 
mius, andeutet. Die Muskelbündel entspringen, ausser direct vom Knochen, 
von zwei Sehnen, die längs der Seitenränder des Muskels herablaufen; zur 
Insertion dagegen dient den Muskelbündeln eine einzige Sehne, die sich vom 
Fersenbeine aufwärts fast über die ganze hintere Oberfläche des Muskels er- 
streckt (Fig. 146), von der aber an der Vorderfläche des letzteren nur ein 
schmaler, verticaler Streifen (Fig. 147 *) mitten zwischen beiden Ursprungs- 
sehnen sich sichtbar erhält. 

Der laterale Kopf (Fig. 147 5‘) entsteht vom: Köpfchen der Fibula und 
gewöhnlich auch mit ein paar Fasern, unter welchen der N. peroneus durch- 
geht, von der Aussenfläche des M. peroneus long., sodann vom oberen Drittel 
der lateralen Kante der Fibula. Vom Köpfchen der Fibula kommt zugleich 
mit den Muskelfasern und an deren vorderer Fläche ein platter Sehnen- 
strang (**), welcher schräg abwärts zum medialen Kopfe zieht und mit den 
verticalen Fasern desselben sich mischt; es ist ein Sehnenbogen, der mit dem 
oberen, scharfen und freien Rande die Lücke zum Durchtritte der Haupt- 
gefässstämme des Unterschenkels und des N. tibialis begrenzt, während den 
unteren Rand Ursprünge verticaler Muskelbündel bedecken. Mit den 
untersten Muskelbündeln des lateralen Kopfes kommt, ebenfalls an deren 
vorderer Fläche, von der Fibula die laterale Ursprungssehne (l), die einige 
Zoll oberhalb des Knöchels ihr Ende erreicht. Der Ursprung des medialen 
Kopfes nimmt die Linea poplitea und den unteren Rand der Fascie des M. 
popliteus und weiter abwärts die mediale Kante der Tibia bis etwa zur Mitte 
der Höhe dieses Knochens ein; die entsprechende Ursprungssehne (m) liegt 
breit auf der Vorderfläche des Muskelbauches und reicht weiter als die la- 
terale, fast bis zum Knöchel herab. Von jeder dieser Sehnen gehen nach 
zwei Seiten, unter spitzem Winkel divergirend, Muskelbündel abwärts aus: 
die Eine Reihe, nach innen, gegen die Mitte des Muskels, auf dessen Vor- 
derfläche von beiden Seiten her an der mittleren Insertionssehne fiederförmig 
zusammentreflfend; die andere Reihe, nach aussen und zur Rückseite des 
Muskels, um an den Rand der breiten sehnigen Ausbreitung, die die Rücken- 
fläche deckt, sich anzulegen. Die Fasern der letzteren Art legen beiderseits 
noch eine kurze Strecke ihres Weges auf der vorderen Fläche des Muskels 
zurück und biegen dann scharf um auf die Rückseite, so dass diese Um- 
biegungsstelle dem Rande des Muskels entspricht; in dieser Lage werden 
sie durch die Anheftung des Randes an die Fascie erhalten. Nach unten 
endet diese doppelte Reihe von Ursprüngen in einer einfachen Spitze jeder- 
seits, unterhalb welcher also auch der Seitenrand der Insertionssehne frei 
wird, der mediale weiter unten als der laterale. 

Das Muskelfleisch des Soleus ragt im unteren Theile des Unterschenkels 
zu beiden Seiten neben der Sehne des Gastroenemius vor, indess diese Sehne 


») M. gastroenemius int. Sohlenmuskel oder (richtiger) Schollenmuskel. Soleaire, 


Triceps surae. 287 


und die hintere sehnige Fläche des Soleus erst locker, und, je weiter ab- 
wärts, um so fester mit einander verwachsen. Die Sehnenfasern beider Köpfe 


Fig. 147. 


TR 
“©. 


Unterschenkel und Fuss, mediale Fläche, der Fuss mit dem medialen Rande aufwärts ge- 

bogen. Der M. soleus am medialen Kopf (8) und an der Achillessehne (7’A) abgeschnitten 

und rückwärts umgelest. Fd! M. flex. dig. long. Tp M. tibialis post. #hl M. flexor hal- 

lueis long. Ta Sehne des M. tibialis ant. Abh, Abg M. abd. hall. und dig. quinti, Fdb 
M. flexor dig. brevis. 


sind zuletzt untrennbar verschmolzen in dem bereits erwähnten mächtigen 
Strange, mittelst dessen sich die ganze Muskelmasse an das Fersenbein befestigt. 
Dieser Strang, die Achillessehne, T’endo Achillis, hat die Breite der 


Tendo 
Achillis. 


288 Plantaris. 


hinteren FlächedesFersenbeins und geht längs derselben herunter bis zum unte- 
ren Rande des Knochens, an welchen er sich ansetzt. Zwischen der vorderen 
Fläche der Achillessehne und der hinteren Fläche des Fersenbeins findet sich ein 
Schleimbeutel D), der alle Charaktere einer Synovialmembran hat, die gefäss- und 
fetthaltigen Synovialzotten nicht ausgenommen, die sich vom Umfange aus in die 
Höhle erstrecken. Das Fersenbein ist mit einer etwa 2 Mm. mächtigen Schichte 
eines elastischen Faserknorpels bedeckt; die Sehne trägt zunächst der inneren 
Oberfläche eine feinfaserige, knorpelzellenhaltige Schichte von 0,1 Mm. Mächtig- 
keit. Nach oben ist die Höhle nur durch eine feine Membran verschlossen ; 
dahin kann die Synovia, die in nicht geringer Menge in der Höhle enthalten 
ist, ausweichen, wenn die Selnen- und Knochenflächen aneinandergepresst 
werden; sie fliesst dagegen in die Höhle zurück, wenn, bei der Erhebung 
der Ferse, die beiden Flächen auseinander weichen. 

Der Schleimbeutel, welcher den Ursprung des medialen Kopfes des 
M. gastrocnemius zugleich mit der Insertion des M. semimembranosus um- 
fasst, ist in der Bdl. S. 141 beschrieben. 

Var. Ich sah den medialen Kopf an einem Sehnenbogen entspringen, der vom 
Epicondylus über die Vasa poplitea hinweg zur Mitte des Planum popliteum ge- 
spannt war. Dreiköpfige Gastroenemii kommen in verschiedenen Formen vor. 
Kelch (8.42) beschreibt als Varietät des Biceps femoris einen Muskel, der vom 
inneren Rande des langen Kopfes des M. biceps über die Kniekehle und hinter 
den Wadenmuskeln herab zur Achillessehne verlief. Nicht selten fliesst mit dem 
einen oder andern der normalen Köpfe des Gastroenemius ein schmalerer Muskel- 
bauch, der über oder neben ihm entspringt, zusammen. Einmal beobachtete ich 
einen dritten Kopf des Gastrocnemius, der zwischen beiden normalen, dem medialen 
etwas näher und höher, in einer verticalen Linie platt entsprang und abwärts zu- 
gespitzt eine eylindrische Sehne abgab, welche geradezu auf den schmalen 
sehnigen Streifen zwischen beiden Muskelbäuchen traf. Auch aus der Fascie des 
Unterschenkels scheint ein dritter Kopf des Gastrocnemius seinen Ursprung 
nehmen zu können (Meckel, S. 586). Ein dünner, überzähliger Soleus liegt vor 
dem normalen, mit gleichen Anheftungen (Cruveilhier). 

Die sogenannten Sesambeine, von welöhen angegeben wird, dass sie sich in dem 
Ursprung des lateralen, seltener des medialen Kopfes des M. gastrocn&mius finden 
(Theile, S. 347. Hyrtl, S. 394), sind pathologische Verknöcherungen, wie sie auch 
sonst inMuskeln vorkommen, die einer bedeutenden Reibung ausgesetzt sind (mM. del- 
toideus als Exereirknochen, in der medialen Portion des M. vastus bei Reitern u. s. w.). 

Physiol. Be- Vermöge des schrägen Verlaufes der Muskelbündel des Gastroenemius wird 

merk. durch die Contraction derselben die Wade nicht nur verkürzt, sondern auch in die 

Breite gespannt und abgeplattet. Der N. cutaneus tibialis, welcher in den mittleren 

Sehnenstreilen des M. gastrocnemius eingeschlossen oder doch genau auf demselben 

befestigt ist, zuweilen auch zwischen Bündeln des oberen Randes des lateralen 

Kopfes durchgeht, muss dabei einen Druck erfahren, der die besondere Schmerz- 
haftigkeit der Wadenkrämpfe begreiflich macht. 


2. M. plantaris Pla?). 


2. Plantarie. Der kurze und platte, abwärts sich zuspitzende Bauch dieses Muskels 
entspringt von einer rauhen Linie des Planum popliteum über dem lateralen 
Condylus, von dem diesen Condylus bedeckenden Theile der Kniegelenk- 


1) Bursa calcanea Monro. 
2) Langer oder dünner Sohlenmuskel. 


Popliteus. 289 


kapsel und von der inneren Fläche der Ursprungssehne des Gastrocnemius. 
Nicht selten greift er mit einzelnen Fasern über den oberen Rand des M. 
gastrocnemius über auf den lateralen Epicondylus, ist aber auch zuweilen 
auf den Ursprung von der Gelenkkapsel reducirt. In der Gegend, wo die 
beiden Köpfe des M. gastrocnemius zusammenstossen, geht der Bauch des 
Plantaris in die schmale, platte, zuweilen fast membranöse Sehne über, die 
zwischen beiden Schichten der Wadenmuskeln schräg herabläuft, um an den 
medialen Rand der Achillessehne zu gelangen. Meistens ruht sie auf die- 
sem Wege fest eingeschlossen in einem Falz, welchen die bis in die Nähe 
des Randes verwachsenen Sehnen des M. gastroenemius und soleus offen 
lassen; doch kommt sie mitunter auch frei neben dem Gastrocnemius auf 
den Soleus zu liegen. 

* In der Nähe des Fersenbeins schliesst sich die Sehne des Plantaris ge- 
nau an die Achillessehne an und endet in verschiedener Weise. Sie ver- 
schmilzt mit der Achillessehne, indem sie sich um die hintere Fläche der- 
selben ausbreitet, oder setzt-sich gesondert hinter der Achillessehne an die 
hintere oder an die mediale Fläche des Fersenbeins, oder sie strahlt vor der 
Achillessehne in die Fascie aus, die die tiefen Beugemuskeln bedeckt, und 
in das Fettgewebe, welches den Raum zwischen der Achillessehne und den 
Kapseln des Knöchel- und hinteren Sprungbeingelenkes erfüllt. 

Var. Der M. plantaris fehlt häufig. Er entspringt von der Fascie des M. 
popliteus (Hyrtl) oder am Unterschenkel von der Fibula zwischen dem M. pero- 
neus long. und flexor hall. long. Er erhält einen zweiten Kopf von einer höheren 
Stelle des Planum popliteum (Hall. Literaturztg. 1808, Bd. II, p. 204) oder von der 
Kniegelenkkapsel in der Nähe des medialen Condylus. 

Bei der grossen Unbeständigkeit der Insertionen dieses Muskels ist es schwer Physiol. Be- 
zu sagen, welche Absichten die Natur mit der Anlage desselben verbunden habe. merkung. 
Sicherer ist die morphologische Deutung. Er ist ein Analogon des M. palmaris 
der oberen Extremität, durch die besondere Entwickelung des Fersenhöckers von 
der Plantarfascie abgedrängt und nun veranlasst, sich einen Anheftungspunkt zu 
suchen, welcher einigermaassen vom Zufall bestimmt wird. Findet die Anheftung 
am Fersenbein Statt, so beschränkt sich die Wirkung des Muskels darauf (da von 
der Unterstützung, die der M. triceps surae erhält, wohl kaum die Rede sein kann), 
die Kapsel des Kniegelenkes zu spannen; breitetsich dagegen die Sehne des Plan- 
taris in der Tiefe aus, so leistet er der Kapsel des Knöchelgelenkes den gleichen 
Dienst. An beiden Stellen ist er, wie die Erfahrung lehrt, entbehrlich. 


3. M. popliteus PoN)). 


Wenn wir auch bei der morphologischen Betrachtung dieses Muskels 3 poptiteus 
sein oberes Ende Ursprung, sein unteres Ende Insertion nannten, so ist es 
doch für die Beschreibung, wie für das V-erständniss der Function bequemer, 
den Ursprung des Muskels auf die Tibia zu setzen. Er nimmt die zwischen 
dem Margo infraglenoidalis, der Linea poplitea und der medialen Kante ein- 5 
geschlossene dreiseitige Fläche dieses Knochens ein und erhält Zuwachs 
von der Innenfläche seiner Fascie, die aus schräg lateralwärts aufsteigenden 
und aus verticalen Fasern, Fortsetzungen der Sehnenfasern des M. semi- 
membranosus, zusammengesetzt ist. Seine mit geringer Convergenz lateral- 


!) M. subpopliteus. Kniekehlenmuskel. 
Henle, Anatomie. Bd. I. Abthl. 3. 19 


290 Flexor digit. p. longus. 


aufsteigenden Fasern befestigen sich, die unteren sehnig an den lateralen 
Epicondylus, die oberen unmittelbar fleischig an das Lig. popliteum arcuat. 
(Bdl. Fig. 127). 
Wegen der Bursa synovialis poplitea, die sich regelmässig in die Knie- 
gelenkkapsel öffnet, vergl. Bdl. p. 140. 
Physiol. Be- Der Antheil dieses Muskels an der Spannung der Kniegelenkkapsel 'wurde 
merkung. schon in der"Bänderlehre erläutert. Dass er bei der Beugung des Kniees oder 
bei der Rotation des Unterschenkels von besonderem Einfluss sei, lässt sich bei 
der Masse der ausserdem zu diesen Bewegungen verfügbaren Kräfte nicht wohl 


annehmen. 
II. Tiefe Muskeln. 
1. M. flexor digitorum pedis longus F'AIN. 


II. Tiefe M. Beginnt breit an der hinteren Fläche der Tibia genau unter dem Ur- 
"ns 8‘ sprunge desM. soleus, zieht sich aber weiter abwärts allmälig auf eine Längs- 
h reihe platter Bündel zusammen, welche bis an das untere Viertel der Tibia 
ihren Ursprung von der Crista interossea nehmen. Die Insertionssehne er- 
scheint schon hoch oben an der hinteren Kante des Muskels; in gleicher 
Höhe entspringt eine andere, dünne Sehne mit den Muskelfasern dicht an 
der Crista interossea und geht in einem langen, aufwärts concaven Bogen 
über die hintere Fläche des M. tibialis post. hinab, um sich an die Sehne 
dieses Muskels oder an die Tibia unter den untersten Ursprungsfasern des 
M. tibialis posticus festzusetzen (Fig. 148 Fdl). Muskelbündel, welche von 
diesem Sehnenbogen abwärts gehen, reihen sich unmittelbar an die Knochen- 
ursprünge des M. flexor dig. an und treten der Reihe nach an dessen platte 
Insertionssehne, die letzten über der Rinne des Knöchels. In dieser Rinne 
nimmt die Sehne ihre Stelle lateralwärts neben der Sehne des M. tibialis 
posticus, von einer besonderen fibrösen Scheide festgehalten und von einer 
Schleimscheide umschlossen, welche oberhalb des Knöchels beginnt und bis 
unter das Schiffbein reicht. In der Fusssohle erhält die Sehne einen zweiten 
Kopf, den ich, zugleich mit dem weiteren Verlaufe derselben, bei den Mus- 

keln des Fusses beschreibe. 

Var. Nicht selten stösst zum M. flexor dig. long. ein zweiter Kopf, welcher am 
Unterschenkel und zwar an der Fibula entspringt und den normalen zweiten Kopf 
aus der Fusssohle ersetzt, oder sich mit dessen Sehne oder mit der Sehne des 
langen Kopfes verbindet (Otto, Seltene Beob., p. 40; Hall. Literaturztg. a. a. O.; 
Meckel, dessen Archiv Bd. IV, p. 480; Reinhardt, Müll. Arch. 1846, p. 298). 
Einmal sah ich einen platten und dünnen Muskel, der mit einer langen Sehne in 

u den Fusssohlenkopf des M. flex. dig. long. endete, von der hinteren Kante der 
Tibia ganz oberflächlich entspringen und aussen auf der Fascie der tiefen Beuge- 
muskeln herabgehen; eine ähnliche Sehne sah ich aus einem zweiköpfigen Muskel 


hervorgehen, dessen beide Köpfe, spitzwinklig convergirend, ihren Ursprung von 
der äusseren Fläche der tiefen Unterschenkelfascie, etwa im unteren Drittel des 


Unterschenkels, nahmen. 


V) M. flexor digitorum communis long s. perforans s. profundus. 


Tibialis posticus. 


2. M. tibialis posticus Tp 1), 


Fig. 148. 


2 


Jl 


Unterschenkel und Fuss, mediale Fläche. Vergl. p. 287. ' 


DM. tibiaeus post. s. nautieus. Schwimmmuskel Theile. 


291 


Von den Mus- 
keln der tiefen 
Schichte reicht der 
Tibialis post. am 
weitesten hinauf, 
bis unter den Rand 
des M. popliteus; 
seine obersten Fa- 
sern kommen hier 
aus der Tiefe von 
der lateralen Flä- 
che der Tibia, von 
der Kapsel des 
oberen Tibiofibu- 
largelenkes und 
dem zunächst an- 
srenzenden Theile 
der Fibula und von 
dem scharfen Ran- 
de des Lig. inter- 
osseum, der von 


_ unten her die 


Lücke zum Durch- 
tritt der Vasa ti- 
bialia anteriora 
schliesst(Fig.148). 
Weiterabwärts zie- 
hen sich die Ur- 
sprünge von der 
Tibia auf das Lig. 
interosseum und 
allmälig bis auf 
den Fibularrand 
dieses Bandes zu- 
rück; auf der Fi- 
bula, von welcher 
sie in der oberen 
Hälfte die mediale 
Fläche einnehmen, 
werden sie in der 


19* 


2. Tib. post. 


292 Flexor hallucis long. 


unteren Hälfte durch den M.flexor hallueis gegen die Crista interossea ge- 
drängt. Die Insertionssehne läuft an der hinteren Fläche des Muskels herab 
und wird in der Gegend des unteren Tibiofibulargelenkes frei. Unter (vor) 
der Sehne des M. flexor dig. long. vorüber geht sie dann an deren medialem 
Rande in der Rinne des Knöchels zur Fusssohle. Unter dem Lig. tibio-cal- 
caneo-naviculare wird sie breiter, fester, dem Kopfe des Talus entsprechend 
ansgehöhlt; endlich heftet sie sich am medialen Fussrande an die Plantar- 
fläche des Schiff- und ersten Keilbeins und schickt vom lateralen Rande einige 
Bündel ab, die sich an das zweite und dritte Keilbein und die entsprechenden 
Mittelfussknochen befestigen und dem Lig. tarseum transversum, so wie der 
Sehne des M. abductor hallueis Fasern beimischen (Bdl. Fig. 152 und 153). 

Die Sehne desM. tibialis post. besitzt eine Schleimscheide, deren oberes 
Ende am Knöchel in ziemlich gleicher Höhe mit dem oberen Ende der 
Schleimscheide des M. flexor digit. long. liegt. In der Rinne des Knöchels 
liegt die Sehne in dieser Schleimscheide ganz frei; in der Fusssohle ist die 
Sehne mit der unteren Fläche an das Bindegewebe der Umgebung ange- 
wachsen und die Schleimscheide in einen taschenförmigen Fortsatz, einen 
Schleimbeutel, verlängert, welcher die einander zugekehrten Flächen der 
Sehne und des Lig. tibio-calcaneo-naviculare bekleidet. Die Sehne gleicht 
an dieser Stelle bezüglich ihrer Textur der Sehne des M. peroneus long. 
in der Rinne des Würfelbeins und ist an der freien Fläche mit einem dünnen, 
faserknorpeligen Ueberzug versehen. 


Die Bedeutung des M. tibjal. post. für den Mechanismus des vorderen Sprung- 
beingelenkes wurde in der Bänderl. p. 181 bereits erörtert. 


3. M. flexor hallueis long. F'hl. 


3. Flex. hall. Der stärkste unter den Muskeln dieser Abtheilung, entspringt fleischig 


ong. 


von der Mitte des Unterschenkels an oder höher an der ganzen hinteren, 
weiter abwärts auch an der medialen Fläche der Fibula und am Lig. in- 
terosseum, mit einzelnen Bündeln, die die Vasa peronea bedecken, auch an 
der Ursprungssehne des M. tibialis post. Er nimmt anfangs an Dicke zu, 
dann ganz unten wieder ab. Die Muskelbündel kommen von zwei Seiten 
her, abwärts convergirend, zu der am lateralen Rande des Muskels herab- 
laufenden Sehne, die letzten fast quer hinter dem Knöchelgelenk; frei ge- 
worden, verläuft die Sehne durch eine Rinne des Sprungbeines (Knl. Fig. 269) 
und des Fersenbeines unterhalb des Sustentaculum tali (ebend. Fig. 266) zur 
Fusssohle (Fig. 148). 


Die Schleimscheide, welche diese Sehne umhüllt, beginnt dicht unter- 
halb des Knöchels und reicht etwas weiter in die Fusssohle, als die Schleim- 
scheide des Flex. dig. long. Einzelne feine Bindegewebsstränge (Vincula) 
durchziehen sie, um der Sehne Gefässe zuzuführen. 


Varietäten dieses Muskels sind selten. Bergmann (Handschr. Notiz) sah den 
untersten Theil desselben seine Sehne mit der Sehne des M. flex. dig. long. vereinigen. 


Extensor dig. p. brevis. 293 
Am Schlusse dieser Muskelgruppe erwähne ich einen eigenthümlichen 
Spanner der Kapsel des Knöchelsgelenkes, 


der mir bis jetzt Einmal begegnete. Er entspringt fleischig, bedeckt vom M. flexor 
dig. long., an der unteren Hälfte der lateralen Fläche der Tibia; sein Bauch, etwa 
drei Zoll lang, geht nach unten zugespitzt in eine schmale Sehne über, die, in 
der Scheide der Sehne des M. flexor dig. comm. mit eingeschlossen, zwischen 
Tibia und Fibula sich an die Kapsel des Knöchelgelenkes heftet. 


d. Muskeln des Fusses. 


@. Des Fussrückens. 


Zu den Sehnen desM. extensor digit. und hallueislongus, welche unter d Musk- 
dem Rande des Lig. eruciatum hervor divergirend über den Fussrücken aus- «. Fussrück. 
strahlen, gesellen sich an der Basis der Zehen unter spitzen Winkeln die 
Sehnen eines tiefer gelegenen und kurzen, auf dem Rücken des Fusses in 
der Nähe des lateralen Randes entspringenden Streckmuskels !). Wenn die 
Sehnen des langen Streckers vermöge ihres lateralwärts gerichteten Ver- 
laufs den Zehen ausser der Streckung eine Bewegung nach dieser Seite 
mittheilen würden, so dienen die Sehnen des kurzen Streckers offenbar dazu, 
jene Nebenwirkung des langen zu corrigiren und eine zwischen dem Zuge 
der einen und anderen Sehne mittlere, gerade Streckung herbeizuführen. 
Der kurze Strecker versorgt in der Regel nur die vier medialen Zehen; die 
fünfte erhält eine Sehne, die dasselbe leistet, vom M. peroneus brevis, seltener 
vom M.peron. tertius. Den vierzipfligen Muskel aber scheidet man zweckmässig 
in zwei Abtheilungen, eine für die grosse Zehe, M. extensor hallueis br., und 
eine für die drei der grossen Zehe zunächst gelegenen dreigliedrigen Zehen, 
M. extensor dig. p.br. Zwar hängen beide Abtheilungen am Ursprunge zu- 
sammen, doch ist die Verbindung des Ext. hall. br. mit dem Ext. dig. br. 
niemals so innig, wie die der drei Köpfe des letztgenannten Muskels unter 
sich. Ausserdem ist auch bezüglich der Insertion die Sehne des Grosszehen- 
muskels von den Sehnen der übrigen Köpfe wesentlich verschieden. Die 
beiden Abtheilungen sind einander an Masse ungefähr gleich (vergl. Fig. 143). 


1. M. eztensor digit. p. brevis Edb. 


Entspringt zwischen der oberflächlichen und tiefen Anheftung des Lig. yxt. aie. 
eruciatum von der oberen und lateralen Fläche des Fersenbeins zwischen brevis. 
dem hinteren Sprungbein- und dem Würfelbeingelenke theıls fleischig, theils 
und vorzugsweise an der inneren Fläche sehnig. Die Sehne theilt sich in 
mehrere verticale Blätter, von welchen nach zwei Seiten schräg vorwärts 
Muskelbündel abgehen, die sich erst vielfach verflechten und dann in drei 
dünne Bäuche trennen, deren jeder am lateralen Rande eine platte Sehne 
erhält, die etwa in der halben Länge der Mittelfussknochen die letzten Muskel- 
fasern empfängt. 


ı) M. extensor digitorum comm. brevis Meckel u. A. M. pediaeus ext. Pedieue Cruv. 


294 Extensor hallucis brevis. 


An der Basis der Grundphalange ihrer Zehe legt sich die Sehne des 
kurzen an den lateralen Rand der Sehne des langen Streckers genau an. 
Die aus der Verschmelzung hervorgegangene Strecksehne verhält sich auf 
dem Rücken der Zehen, wie die Sehne des M. ext. dig. comm. auf dem Rücken 
der Finger. 


2. M. extensor hallueis brevis Ehb. 


a Zweiköpfig. Der grössere laterale Kopf entspringt von einem Höcker 
der oberen Fläche des Fersenbeins dicht an deren vorderem Rande, unmittel- 
bar neben dem vorigen Muskel und meistens mit ihm durch ein gemein- 
schaftliches verticales Sehnenblatt zusammenhängend, von welchem beide 
einen Theil ihrer Fasern beziehen. Der mediale Kopf entspringt an der 
unteren Fläche des tiefen Schenkels des Lig. eruciatum (s. Fascie). Die 
Sehne wird am Tarso-Metatarsalgelenk frei und geht unter der Sehne des 
M. extensor hallueis long. zur grossen Zehe; sie befestigt sich ausgebreitet 
an den Rücken der Gundphalange, indess die Sehne des Extensor long. sich 

ganz oder grösstentheils zur Endphalange begiebt (s. oben S. 277.) 


Var. Der M. ext. dig. breyis zerfällt in drei gesonderte Köpfe. Oft findet 
sich zwischen ihm und dem M. ext. hall. br. ein überzähliger Muskel, dessen Sehne 
an den zweiten Mittelfussknochen oder an den Grosszehenrand der zweiten Zehe 
geht (ein Indicator des Fusses). Vom M. ext. dig. br. geht eine Sehne auch an 
die fünfte Zehe. Die Eine oder andere seiner Sehnen ist in zwei gespalten, die 
sich an die nämliche Zehe befestigen. Ich sah die Zahl seiner Sehnen auf zwei 
(zur zweiten und dritten Zehe) reducirt in einem Falle, in welchem der M. peron. 
tertius einen Zipfel zur Sehne der vierten Zehe vom Extensor long. abgab. 


ß. Muskeln der Fusssobhle. 


P-Fusssohle. Ein dem M. palmaris brevis entsprechender Muskel kommt in der Plan- 
tarfläche des Fusses nicht vor, und die Muskeln der Fusssohle sind demnach 
sämmtlich tiefe, d. h. von der Plantarfascie bedeckte. Sie liegen übrigens, 
wie in der Hand, in drei Gruppen, von denen Eine die Mitte und die 
beiden anderen den Grosszehen- und Kleinzehenrand des Fusses einnehmen. 
Die mittlere Gruppe ist reicher als an der oberen Extremität, denn sie ent- 
hält ausser den Mm. lumbricales einen Beugemuskel, der dem M. flex. digit. 
sublimis der Oberextremität entspricht, und einen zweiten Kopf des Flexor 
digit. longus; dagegen ist die Gruppe, die den Grosszehenballen repräsentirt, 
um einen Muskel, den M. opponens, ärmer als an der Hand, und nur die 
Kleinzehengruppe hat an beiden Extremitäten die gleiche Zahl und An- 
ordnung der Muskeln. 


Flexor dig. p. brevis. 29; 


I. In der Mitte. 


1. M. flexor digitorum p. brevis Fdb N). 
2 ! I 


Ein platter Muskel, etwa von der Breite des Fersenbeins, dessen F 


in einer schrägen Linie entspringen, die medialsten unmittelbar von der 


Fig 149. 


\ L 
| BB \ Adh 
EN] 
IM ji Ehh 


Muskeln der Fusssohle, oberflächliche Schichte. #, F 
Plantarfascie, längs des Ursprunges des M. flexor br. 
abgeschnitten. Sehne des M. abduct. hall. (AbA‘) 
durehschnitten, der Muskelbauch (AbA) gegen den 
Fussrand umgelegt. Fhl Sehne des M. flexor hallueis 
long. Adh M. adductor hall. Zhb, Fhb‘ M. flexor 
hall. br. medialer und lateraler Kopf, Adbgqg M. ab- 
duetor dig. quinti. Z M. lumbricalis long, 


unteren Fläche des Fersenbeins 
vor dem hinteren medialen 
Höcker, die folgenden von der 
oberen Fläche einer am Fersen- 
bein entspringenden und am 
Ursprungemitder Plantarfascie 
verwachsenen Sehne um so wei- 
ter vorn, je näher dem lateralen 
Fussrande, die lateralsten end- 
lich von transversalen Sehnen- 
biindeln, welche die Plantar- 
fascie mit der oberflächlichen 
Lage des Lig. caleaneo-cuboi- 
deum verbinden. Die Muskel- 
fasern verlaufen zum Theil 
gerade, zum Theil schräg 
vorwärts an vier platt-eylin- 
drische Sehnen, welche etwa in 
der halben Länge des Mittel- 
fusses frei werden, meist alter- 
nirend je an dem lateralen und 
medialen Rande ihres Muskels. 
Die Sehnen sind um so schmäch- 
tiger, je kleiner die Zehe, der 
sie bestimmt sind; ebenso die 
Muskelbäuche, dochlassen sich 
von diesen nur der Muskel der 
zweiten, demnächst der fünften 
Zehe einigermaassen isoliren, 
indess die der dritten und vier- 
ten Zehe angehörigen Sehnen 
meist aus der Spaltung einer 
einfachen Sehne hervorgehen 
und mannigfach durchflochtene 
Bündel erhalten (Fig. 149). 


An. den Zehen angelangt 
verhalten sich die Sehnen des 


5) M. flex. dig. communis br. s. 
sublimis s. perforatus. M. pediaeus int. 


asern I.Mittlere 


Flex. dig. 
brevis. 


2. Cap. plan- 
tare fex. dig. 
longi. 


296 


Caput plantare flex. dig. p. longi. 


M. flexor br. genau ebenso, wie die Sehnen des M. flexor digit. sublimis 
an der Hand: sie treten in ähnliche Röhren ein, ebenso von Schleimschei- 


den umhüllt, 


Fig. 150. 


MII—N 


SI — 


RE 


Muskeln der Fusssohle, tiefere Schichte. M. flexor 
dig. br. ist vom Ursprunge (Fdb) bis zu den Basen 
der Zehen ausgeschnitten. M. abductor hallueis 
bis auf die Insertion (Abh entfernt. Fhb M.flexor 
hallueis br. Fhb‘ lateraler Bauch desselben. Abgq 
M. abduetor dig. quinti, am Ursprunge abgetrennt 
und nach aussen umgelegt. Fg, Og M. flexor br. 
und opponens dig. quinti. Pe/, T'p Sehnen des M. 
peron. long. und tibialis post. Von der Sehne des 
M. flexor dig. long. (Fdl) ist ein Stück ausge- 
schnitten, welches die Theilungsstelle der Sehne 
des M. flexor hall. long. (Fhl) bedeckte. 1,2 
Reste der Anheftung der Plantarfascie an die Bän- 
der des Gross- und Kleinzehenrandes. 


und theilen sich in zwei Zipfel, die sich über den Sehnen des 


M. flexor digit. longus wieder 
vereinigen und theilweise ge- 
kreuzt an die Mittelphalange 
ansetzen. 


Var. Oft giebt der M. flexor 
brevis nur drei Sehnen ab, zur 
zweiten bis vierten Zehe; ein dem 
Kopfe des Flexor brevis für die 
fünfte Zehe entsprechender Mus- 
kel mit perforirter Sehne ent- 
springt alsdann gewöhnlich in 
der Fusssohle an der Sehne des 
M. flexor dig. long. vor ihrer 
Theilung. 


2. Caput plantare flexoris 
dig. p. longi F'dpl)). 


Ein ebenfalls platter und 
vierseitiger Muskel, zwei bis 
drei Mal so lang als breit, ent- 
springt mit mehr oder minder 
gesonderten Bündeln von der 
medialen Fläche des Fersen- 
beins unterhalb der Rinne des 
M. flexor hall. long. bis in die 
Nähe des Würfelgelenkes und 
zuweilen noch vom Lig. cal- 
eaneo-cuboid. plant. unter dem 
Würfelgelenk, ferner vom Lig. 
calcaneo - naviculare plantare 
und von der Innenfläche des 
Lig. laciniatum mit einem 
schmalen Zipfel (Fig. 150 *), 
an welchem sich die Gefässe 
und Nerven der Fusssohle in 
ihre medialen und lateralen 
Zweige spalten. 

Am lateralen Rande sehnig, 
geht der Muskel fast gerade 


!) Caro quadrata Sylvü. M. quadra- 
tus plantae pedis. Accessorius per- 
forantis. Beimuskel. Kurzer Bauch 
des gemeinsch. Beugers. Accessoire 
„du long flechisseur Cruv. 


Lumbricales. 297 


und nur mit den dem lateralen Rande nächsten Fasern etwas schräg median- 
wärts nach vorn gegen die Kreuzungsstelle der Sehnen des M. flexor dig. 
long. und flexor hall. longus. 

Diese Kreuzung, bei welcher, wie bereits erwähnt, die Sehne des 
Flexor dig. long. der Oberfläche näher liegt, findet in der Gegend des drit- 
ten Keilbeins Statt. Sie wird zugleich benutzt zu einer Verbindung der 
beiden Sehnen in der Weise, dass von der Sehne des M. flexor hall. long. 
ein starkes Bündel an die Sehne des M. flexor dig. long. herantritt, welches 
sich zum grossen Theil und zuweilen ganz in die der zweiten Zehe be- 
stimmte Sehne fortsetzt. 

Dicht vor der Kreuzungsstelle nämlich plattet sich die Sehne des M. 
flexor dig. long. ab und trennt sich in vier platte Sehnen für die zweite bis 
fünfte Zehe. Hier nimmt sie auch den plantaren Kopf auf; dieser erhält 
sich am weitesten nach vorn fleischig an der Kleinzehenseite und giebt mehr 
als die Hälfte seiner Fasern an die Sehne der kleinen Zehe ab; er befestigt 
sich ebenfalls fleischig mit seinen medialen Bündeln an die Sehne der zwei- 
ten Zehe oder an die zur zweiten Zehe tretende Portion der Sehne des 
M. flex. hall. long.; die mittleren Bündel gehen in eine platte Sehne über, 
welche sich über der Sehne des M.flex. dig. long. ausbreitet und mit dieser, 
bevor sie sich in ihre vier Zipfel theilt, vollständig verschmilzt. 

An den Zehen spielen die Sehnen des langen Beugers die Rolle der 
Sehnen des Flexor profundus der oberen Extremität und gelangen durch den 
Spalt der Sehnen des Flexor dig. brevis zur Endphalange. 


Var. Des Ursprunges eines zweiten Kopfes des plantaren Kopfes des Flexor Physiol. Be- 
dig. long. am Unterschenkel wurde bereits bei den Varietäten des letztgenannten "ekuns- 
Muskels gedacht. Der plantare Kopf schickt Fascikel zur Sehne des M. flexor dig. br. 

Zu der Sehne des M. flex. dig. long. steht der plantare Kopt in demselben Ver- 
hältnisse, wie die Sehnen des kurzen zu den Sehnen des langen Zehenstreckers. 

Bei dem schrägen Verlaufe jener Sehne durch die Fusssohle ist ein Muskel noth- 
wendig, der sie lateralwärts anzieht und festhält und so die abducirende Wirkung 
der Sehne des langen Beugers corrigirt. 


3. Mm. lumbricales L. . 


Sie entspringen, wie in der Hand, vier an der Zahl, von den Sehnen 3, Lumtri- 
des M. flexor dig. löngus, nur dichter gedrängt, die drei lateralen (der dritten °*** 
bis fünften Zehe) zus den Winkeln der divergirenden Sehnen von deren 
einander zugekehrten Rändern, der medialste, für die zweite Zehe, am Gross- 
zehenrande ihrer Sehne (Fig. 149). Ihre Insertion, am Grosszehenrande der 
Basis der Grundphalange, entspricht der Insertion der Mm. lumbricales der 
Hand, wenn diese sich in Pronation befindet. Nicht so regelmässig, wie an der 
Hand, breiten sich die Lumbricales am Fuss gegen die Strecksehnen aus; 
sie enden zuweilen ganz am Knochen, zuweilen schicken sie nur wenige 
Fasern zu der dreiseitigen Membran, die sich an den Rand der Strecksehne 
begiebt. ö 


Nach Froment (Rech. sur plusieurs points d’anat. 1853.) gehören Varietäten 
der Lumbricales des Fusses zu den grössten Seltenheiten. Theile erwähnt Man- 
gel des zweiten und der beiden mittleren. 


II. Musk. d, 
Grosszehen- 
randes. 

1. Abd. hall. 


2 Flex. br. 
hall. 


298 Abductor hall. Flexor brev. hall. 
II. Muskeln des Grosszehenrandes. 
1. M. abductor hallueis Abh D, 
Breit, platt, im transversalen Durchmesser comprimirt; entspringt mit 


mehreren Portionen, welche theils an der äusseren, theils-an der inneren 
Fläche sehnig sind, in einer vom hinteren medialen Höcker des Fersenbeins 
schräg vor- und aufwärts zur Gegend des Sprungbeinkopfes ziehenden Li- 
nie, die hintersten Fasern vom genannten Fersenbeinhöcker, lateralerseits 
mit dem Flexor dig. br. zusammenhängend, die vorwärts folgenden Fasern 
von der Innenfläche des Lig. laciniatum (Fig. 149). 

Entfernt man das Lig. laciniat. bis auf den Streifen, welcher den Mus- 
kelbündeln des Adductor zur Anheftung dient, so erhält man einen vorn 
mit der Fascie des Fussrückens, hinten mit dem Fersenbeine zusammenhän- 
genden Sehnenbogen, der die Gefässe und Nerven der Fusssohle, die Seh- 
nen der langen Beugemuskeln und den plantaren Kopf des langen Beugers 
überbrückt. 

Indem der Muskel längs des Fussrandes vorwärts geht, erhält er an 
der dem Knochen zugewandten oberen Fläche neue accessorische Ur- 
sprünge ?) von der Tuberosität des Schiffbeins und von der Aussenfläche 
eines fibrösen Blattes, welches die Plantarfascie mit den Bändern des me- 
dialen Fussrandes in Verbindung setzt (Fig. 151). 

Mit einer Sehne, welche auf der äusseren Fläche des Muskels schon 
in der Gegend der Basis des Mittelfussknochens sichtbar wird, befestigt er 
sich an den medialen Rand der Basis der Grundphalange, an den entspre- 
chenden Rand der Sehne des M.extensor hallueis long. und an das mediale 
Sesambein. 


2. M. flexor brevis hallucis Fbh. 


Dieser Muskel entsteht, gleich dem entsprechenden Daumenmuskel, den 
er aber an Masse weit übertrifft, von Einer Sehne mit zwei unter spitzem 
Winkel divergirenden, fleischigen Bäuchen, welche die Sehne des langen 
Beugers zwischen sich fassen. 

Die platte Ursprungssehne setzt sich aus mehreren Zipfeln zusammen, 
welche von der unteren Fläche des ersten Keilbeins, von der Scheide des 
M. flex. digit. long. und vom Lig. calcaneo-cuboid. plantare stammen (Fig. 151). 
Die Insertionen verwachsen die Eine mit dem Abductor, die andere mit dem 
Adductor (Fig. 150). Die Bündel des medialen Bauches ?) treten einander 
parallel in einer Längsreihe an die Sehne des M. abductor hall. und nur die 


I) Adducteur Cruv. 

?) Von Manchen als vorderer oder innerer Kopf beschrieben, während Courcelles 
(Icon. musc. plantae pedis. Lugd. Bat. 1739.) u. A. den Fersenbeinursprung allein als hin- 
teren Kopf, den Ursprung vom Lig. laciniat. als vorderen Kopf aufführen. 

®) Langenhbeck, Günther und Cruveilhier betrachten ihn als einen (äusseren) 
Kopf des Adductor und beschränken den Namen eines Flexor br. auf den lateralen Bauch 
dieses Muskels. 


Adductor hallucis. 


299 


vordersten direct an das mediale Sesambein; die Bündel des lateralen Kopfes 
convergiren gegen das laterale Sesambein und vereinigen sich erst in der 
Nähe der Insertion mit der Sehne des M. adductor. 


Tiefste Schichte der Fusssohlenmuskeln. M. flexor 
dig. br. (Fab) und Abd. dig. quinti_(Abg) am 
Ursprunge abgeschnitten und entfernt. * Insertion 
der Fascie des M. abd. dig. quinti an die Tubero- 
sität des fünften Mittelfussknochens. ** Insertion 
der Plantarfascie an dieselbe. Fdl Sehne des 
M. flex. dig. long. durchschnitten. Fdp! Plantarer 
Kopf des M. flex. dig. long., am Ursprunge abge- 
schnitten. AbAh tiefe Portion des M. abductor hal- 
lucis, Fhb M. flexor hall. br., #qg M. flexor dig. 
quinti, desgl. /p, /d Mm. interossei plantares und 
dorsales. 


3. M. 


adduetor hallueis 


Adh). 


Auch dieser Muskel ist im 
Wesentlichen dem M. adductor 
pollieis ähnlich, aus zwei plat- 
ten, am lateralen Rande der 
Grundphalange der grossen 
Zehe vereinigten Köpfen zu- 
sammengesetzt, von welchen 
der Eine schräg vorwärts, der 
andere quer durch die Fuss- 
sohle zieht. Doch ist der quere 
Kopf des M. adductor der 
grossenZehe verhältnissmässig 
kleiner als der des Daumens 
und fast ganz auf den Köpf- 
chen der Mittelfussknochen 
gelegen, daher auch deutlicher 
gesondert von dem schrägen 
Kopfe, dessen Ursprünge sich 
nicht über die Basen der Mittel- 
fussknochen hinaus erstrecken. 

Der schräge Kopf?) (Fig. 
151 Adh) nimmt mit seinem Ur- 
sprunge eine continuirliche Li- 
nie ein, welche an der vorderen 
medialenEcke des Würfelbeins 
beginnt und vor der Basis des 
zweiten Mittelfussknochens en- 
det; er entspringt am Würfel- 
bein, am Lig. caleaneo-cuboid. 
plantare und an Sehnenbogen, 
welche von diesem Bande über 
Gefässzweige hinweg sich zu 
den Mm. interossei begeben, 
ferner an der Schneide des 
dritten Keilbeins und an den 


I) Abducteur Cruv. 

?) Caput obliguum s. longums. 
magnum. Bei den älteren Anatomen 
stellt dieser Kopf allein den M. 
abductor hallueis dar. 


3. Add. hall. 


Ifl. Musk.d 


300 Abductor dig. p. quinti. 


Basen des dritten und zweiten Mittelfussknochens, endlich auch an dem der 
grossen Zehe zunächst gelegenen Theile des Lig. tarseum transversum mediale 
(Bal. Fig. 155). Der mächtige Muskelbauch liegt in der Vertiefung, die 
der erste Mittelfussknochen von medialer Seite begrenzt, und wendet von 
seinen Flächen die Eine gegen den Grosszehenrand und etwas abwärts, die 
andere gegen den Kleinzehenrand in demselben Maasse aufwärts. Mit dem 
vorderen spitzen Ende legt er sich neben und etwas über den vorderen 
Rand der Sehne des M. peron. long. 

Der quere Kopf!) (Fig. 151 Abh‘) entspringt mit zwei bis drei Denta- 
tionen an der festen unteren Wand der Kapseln der Zehentarsalgelenke und zum 
Theil an den Ligg. capitulorum plantaria. Seine Dentationen entsprechen den 
Gelenken der fünften und vierten oder vierten und dritten oder der drei 
lateralen Zehen und legen sich in der Reihenfolge, wie sie der grossen 
Zehe näher entspringen, an den vorderen Rand des Muskels an. 

Die aus dem Zusammenflusse des schrägen und queren Kopfes entstan- 
dene Insertionssehne setzt sich, verwachsen mit dem lateralen Kopfe des 
M. flexor br., an das laterale Sesambein, an den Rand der Basis der Grund- 
phalange und an die Sehne des M. extensor longus hallueis auf dem Rücken 
der Grundphalange. 

Var. Von dem schrägen Kopfe des M. adductor hall. zweigt sich eine ober- 
flächliche Portion ab, welche unter dem queren Kopfe, d.h. an dessen plantarer 
Fläche, zur Basis der Grundphalange der zweiten Zehe geht (eigene Beob.). Zu- 
weilen bildet das Muskelbündel, welches der schräge Kopf des Adductor von der 
Basis des zweiten Mittelfussknochens bezieht, einen besonderen, von der übrigen 
Masse in der ganzen Länge getrennten Muskel, zu welchem sich Bündel gesellen, 
die aus der Sehne des M. peroneus longus dicht vor deren Insertion an den er- 
sten Mittelfussknochen sich abzweigen. Ich betrachte diesen Muskel als einen 
dem M. interosseus volaris primus der Hand analogen und glaube, diese Varietät 
als Beweis anführen zu dürfen, dass der M. adductor hallueis zugleich einen In- 
terosseus volaris repräsentirt. 


III. Muskeln des Kleinzehenrandes. 


1. M. abductor digiti pedis quinti Abg. 


Dieser Muskel entspringt von der ganzen Breite des hinteren Randes des 


Kennen Rersenbeines (Fig. 151) über dem M.flexor dig. br., den er sogar an der Gross- 


randes. 
1. Abd. dig. 
quinti. 


zehenseite überragt, mit einem starken fleischigen Bauche und einer Fascie, 
welche sich längs der unteren und lateralen Fläche des Muskels fortsetzt 
und einen breiten, platten Zipfel an die Tuberosität des fünften Mittelfuss- 
knochens (Fig. 150 Abgq‘), einen schmalen, platten Strang an die Basis der 
Grundphalange der kleinen Zehe (Fig. 150 Abg“) sendet. Aus den am Fer- 
senbeine entspringenden Muskelbündeln geht schon in der Gegend des vor- 
deren Randes dieses Knochens eine platt eylindrische Sehne hervor. Diese 
Sehne nimmt, so weit sie unter den Fusswurzelknochen verläuft, an beiden 
Seiten Muskelbündel auf, welche auf der oberen Fläche der Fascie wurzeln. 


!) Caput transversum 5. breve s. parıum. M. transversus S. transversalis pedis s. plantae 
der älteren Anatomen, Ä 


Flexor br. dig. p. quinti. Opponens dig. p. quinti. 301 


Von der Tuberosität des fünften Mittelfussknochens an erhält die Sehne nur 
noch am lateralen Rande Muskelfasern, welche von den eben erwähnten 
strangförmigen Fortsetzungen der Fascie ab- und schräg median- vorwärts 
gehen. Sie empfängt die letzten in der Nähe ihrer Insertion am lateralen 
Rande der Grundphalange der kleinen Zehe. 


2. M. flexor brevis digiti p. quintim. Fg 2) 


Ein schmaler, platter Muskelbauch; entspringt gewöhnlich in Gemein- 3 Fiex. br. 
schaft mit dem folgenden mittelst eines schmalen Sehnenstreifens von.der #2 qinti. 
oberflächlichen Schichte des Lig. calcaneo-euboid. plantare unter der Sehne 
des M. peroneus longus, nimmt Fasern von der Basis des fünften Mittelfuss- 
knochens auf und läuft an der unteren Fläche desselben vorwärts zur Basis 
der Grundphalange der kleinen Zehe (Fig. 150). 


3. M. opponens dig. p. quinti m. Oy 2), 


Liest über dem M. flexor br., den er an Breite übertrifft und von dem 3. Opponens 
er mehr oder weniger weit gegen den Ursprung trennbar ist. Seine Fasern '* inti. 
verlaufen schräg lateral-, vor- und aufwärts zum lateralen Rande des fünften 
Mittelfussknochens und befestigen sich an die vordere Hälfte dieses Randes 
bis unter den Rand des Köpfchens des Mittelfussknochens (Fig. 144. 150.151). 


Wenn die Mm. flexor br. und opponens dig. quinti häufig eine Strecke weit vom 
Ursprunge an mit einander verwachsen gefunden werden, so ist dies kein Grund, 
die beiden Muskeln, deren Insertionen so scharf gesondert sind, unter einem Na- 
men zusammenzuwerfen, der ausserdem noch für den Einen derselben völlig un- 
passend ist. Oft genug lässt sich der M. flexor brevis bis zum Ursprunge vom 
M. opponens trennen. Der Opponens selbst besteht zuweilen aus zwei Schichten. 

Die an den beiden Fussrändern einander gegenüberliegenden Abductoren der Physiol. Be- 
grossen und kleinen Zehe haben ausser der Wirkung, die in ihrem Namen ausge- merkung. 
drückt ist, und durch die sie sich zu einander wie Antagonisten verhalten, noch 
eine gemeinsame wichtige Function, welche darin besteht, den Fuss im sagittalen 
Durchmesser zu verkürzen und die Wölbung des Bogens zwischen Fersenbein und 
Ballen zu vermehren. In diesem Sinne sind sie Beugemuskeln der Zehen, und diese 
Function bleibt ihnen, nachdem bei dem Gebrauche der unnachgiebigen Fussbeklei- 
dung allmälig die Kunst, die Zehen zu abduciren, verloren gegangen ist. Der 
Vortheil, den eine Vermehrung der Wölbung des Fusses bietet, beruht aber darin, 
dass den Sehnen, Gefässen und Nerven, welche zwischen den Knochen der Fuss- 
wurzel und den Abductoren an beiden Rändern des Fusses in die Sohle eintreten, 
freierer Spielraum gewährt, und dass beim aufrechten Stehen der Druck der Last 
des Körpers vermindert wird. = 


y. Mm. interossei. 


Man unterscheidet, wie an der Hand, Mm. interossei dorsales und plan-,,. mterossei. 
tares; doch sind sie nicht so symmetrisch geordnet, wie in der Hand, indem 
1) der Interosseus plantaris der grossen Zehe, wie soeben erwähnt, mit de- 
ren Adductor verschmilzt, und 2) die Interossei des Raumes zwischen der 
zweiten und dritten Zehe ihre Insertionen tauschen, so dass der zweite In- 


\)j;Der oberflächliche oder äussere Bauch des M. flexor brevis dig. quinti aut. 
?) Der tiefe oder innere Bauch des M. flexor br. dig. quinti aut. 


302 Interossei. 


terosseus dorsalis am Grosszehenrande der zweiten Zehe und der entspre- 
chende Interosseus plantaris am Grosszehenrande der dritten Zehe sich an- 
setzt. Demnach giebt es am Fusse drei Interossei plantares, welche sämmt- 
lich am Grosszehenrande ihrer Zehen, der dritten bis fünften, angeheftet 
sind und als Adductoren wirken, und vier Interossei dorsales, von welchen 
sich die drei lateralen als Abductoren an den Kleinzehenrand der zweiten 
bis vierten Zehe befestigen, indess der Interosseus dorsalis des ersten Zwi- 
schenknochenraums als Adductor an den Grosszehenrand der zweiten Zehe 
tritt (Fig. 152). 

Die Mm. interossei dorsales sind am Fussrücken allein sichtbar und 
verdecken die Interossei plantares; sie ragen aber tief in die Fusssohle 
hinab, ebenso tief wie die plantaren und liegen, von der Fusssohle gesehen, 
alternirend mit den letzteren. Sie sind gefiedert wie die entsprechenden 
Muskeln der Hand und entspringen von den einander zugekehrten Flächen 
der Mittelfussknochen, zugleich aber mit je einem platten Zipfel von der Fascie, 
welche sie von oben her deckt und aus der Fusssohle von der unteren Fläche 
der Basis des einen oder anderen Mittelfussknochens. Eine Ausnahme macht 
der erste Interosseus dorsalis, von der grossen Zehe an gezählt, insofern 
er keine Fasern vom Körper des ersten Mittelfussknochens bezieht; doch 

Fig. 152. besitzt er einen medialen Kopf, dessen Fasern 
’ vom lateralen Rande der Basis des ersten Mit- 
telfussknochens und von der vorderen lateralen 
Ecke des ersten Keilbeines, oft auch von einem 
Zipfel der Sehne des M. peroneus longus und 
von einem Sehnenstreif entspringen, welcher 
zwischen der Basis und dern Köpfchen des er- 
sten Mittelfussknochens straff ausgespannt ist 1). 
Zwischen diesem medialen und dem lateralen 
Kopfe communieiren die Gefässe des Fuss- 
j rückens durch einen starken Ast mit dem Ge- 
fässbogen der Sohle. Der vierte M. inter- 
osseus dorsalis erhält zuweilen einen Zuwachs 
von der Sehne des M. peroneus tertius oder 
Schematische Darstellung der Mm. 7 \eyis; der dritte bezieht Fasern aus der Fuss- 
interossei pedis, die Mm. inteross. 2 
dors. mit einfachen, die Mm. inter- sohle von der Ursprungssehne des zweiten 
osseiplantaresmitpunctirtenLinien, (der vierten Zehe angehörigen) Interosseus 
es plantaris; der dritte und vierte erhalten eben- 
gestellt. falls an der Fusssohle Fasern von einer Sehne, 
einer Fortsetzung des Lig. calcaneo - cuboid, 
plantare, an welcher theilweise auch die drei Interossei plantares und der 
M. flexor und opponens digiti quinti entspringen (Fig. 151). 

Ausser von dieser Sehne nehmen die Mm. interossei plantares ihren 
Ursprung von der Plantarfläche des Mittelfussknochens, der die Zehe trägt, 
an die sie sich inseriren. 


) Theile, welchem Hyrtl und Gruber folgen, schreibt diesem Muskel nur Einen 
Kopf (vom zweiten Metatarsus) zu und rechnet ihn deshalb zu den Mm, interossei plan- 
tares, 


Fascie der unteren Extremität. 303 


In Betreff der Function dieser Muskeln ist auf das zu verweisen, was über Physiol. Be- 
die entsprechenden Muskeln der oberen Extremität gesagt wurde. Die adducirende Merkung. 
und spreizende Wirkung tritt am Fusse gegen die beugende noch mehr zurück, 
als an der Hand. Dies geht schon aus der theilweisen Verwachsung der Ursprünge 
von Muskeln hervor, die sich an die beiden Seitenränder je einer Zehe setzen, 
was ohne Zweifel eine gemeinsame Action dieser Muskeln begünstigt. 


Fascie der unteren Extremität. 


Die Fascie der unteren Extremität entspringt zugleich mit den ober- Fascie. 
flächlichen Muskeln vom Becken. An der hinteren Fläche bedeckt sie den 
M. gluteus maximus in ähnlicher Weise, wie die Fascie der oberen Extre- 
mität den M. deltoideus, mit verhältnissmässig dünnen und dem Muskel fest 
anhängenden, die Längsaxe der Muskelbündel rechtwinkelig schneidenden 
Fasern (Fig. 156); ein noch feineres Blatt, welches kaum im Zusammenhange 

Fig. 153. dargestellt werden kann, 
trennt den M. gluteus maxi- 
mus von dem medius; dies 
Blatt, dasman auchals Fas- 
cie des M. gluteus med. be- 
trachten kann, ist die Fort- 
setzung einer sehr mäch- 
tigen Fascie, die den freien 

„Theil des M. gluteus med. 
bekleidet. 

An der vorderen Fläche 
des Schenkels ist, abgese- 
hen von der Fascia super- 
fieialis, eine oberfläch- 
liche und tiefe Fascie 
zu unterscheiden; die tiefe 
Fascie, oder das tiefe Blatt 
der eigentlichen Schenkel- 
fascie, auf welche die ober- 
flächliche sich stützt, muss 
zuerst beschrieben werden. 

Sie nimmt als Fascie 
des M. iliopsoas, Fascia 
iliaca !), und des M. pecti- 


IF neus, Fascia pectinea 2), 
Unterer Theil der vorderen Bauchwand mit dem oberen Maren, Ursprung den 
Theile des sanft gebeugten und auswärts gerollten Schen- 
kels. Die oberflächliche Schenkelfascie über dem M. genannten Muskeln von 
sartorius (Sar) der Länge nach ne _ a den Wirbelkörpern und 
beiden Seiten zurückgeschlagen. Die Fascie des e 2 
iliopsoas (/p) schräg nnaliiatenn um die Faserung Vom ! Beckenrande.. Die 
dieses Muskels und den N. ceruralis (Ne) sichtbar zu Fascia iliaca ist längs 
machen. Die tiefe Schenkelfascie vom Ursprunge des M. des medialen Bandes ass 
peetineus (Pe) an abgeschnitten. Afl, Afm Mm. adduct. 
fem. long. und magn. Ne/ N. cutaneus lateralis. Ac 
Arcus eruralis. C's, Ci oberer und unterer Schenkel des - 1) Portio iliaca fasciae latae. 
äusseren Leistenringes. @ Lig. Gimbernati. 1 Samenstrang. 2) Portio pectinea fasciae latae. 


Innerer 
Schenkel- 
ring. 


304 Fascie der unteren Extremität. 


Muskels, den sie bedeckt, in einer fast verticalen Linie angewachsen, zuerst 
an die Linea iliopectinea, so weit diese dem Darmbeine angehört, dann an 
die Eminentia iliopeetinea und unterhalb derselben an die äussere Fläche 
der Hüftgelenkkapsel; sie schliesst auf diese Weise medianwärts das Fach, 
in welchem der M. iliopsoas nebst dem Stamm des N. cruralis enthalten ist. 
Ist ein M. psoas minor vorhanden, so kreuzt seine platte Insertionssehne 
unter spitzem Winkel die Faserung des medialen Kopfes des M. iliopsoas 
und breitet sich in der Faseia iliaca über der Eminentia iliopectinea aus 1). 
Bis zu dieser Hervorragung reicht auch lateralwärts die Fascia pectinea, 
und fasst man beide Fascien, die des M. iliopsoas und pectineus im Zusam- 
menhang und als Eine Fascie auf, welche die vom Becken zur Vorderfläche 
des Schenkels tretenden Muskeln bekleidet, so muss man sagen, dass sie 
zwei Fächer bildet dadurch, dass sie mit ihrer inneren (hinteren) Fläche 
zwischen beiden Muskeln an den Rand des Beckens, entsprechend der Emi- 
nentia iliopectinea, angeheftet oder an dieser Stelle mit der Beinhaut des 
Beckens verwächsen ist?). Nach der entgegengesetzten Richtung, am la- 
teralen Rande des M. iliopsoas und am medialen Rande des Pectineus geht 
die Fascie ohne merkliche Unterbrechung dort auf die Streckmuskeln, hier 
auf die Adductoren über. 

Die Art, wie sich über dem vorderen Beckenrande die Bauchmuskeln 
mit der Fascie des Iliopsoas und Pectineus verbinden, wurde schon oben 
(S. 58 ff.) beschrieben. Mit der Fascia iliaca verschmilzt zuerst die Fascia 
transversalis (Fig. 26 dann weiter nach Aussen die Sehne des M. 
oblig. abd. ext. (Oae‘); die Naht, in welcher die Fascia iliaca mit der 
Sehne des M. oblig. abd. ext. zusammenstösst, wird durch die Faserung 
des Lig. inguinale ext. (Fig. 26.153 ie) verstärkt. An die Fascia peetinea 
dagegen wächst das Gimbernat’sche Band an (S. 63). 

Wir haben den Theil der Sehne des M. oblig. abd. ext., welcher sich 
von der Anheftung an die Fascia iliaca an frei zum medialen Ende der 
Linea iliopectinea spannt, mit dem Namen Schenkelbogen, Arcus eru- 
ralis, bezeichnet. Die Oeffnung, über welche dieser Bogen sich, einer 
Brücke ähnlich, wölbt, ist der innere (obere) Schenkelring, Annulus 
cruralis int.?), sie wird von den Blut- und Lymphgefässstämmen des Schen- 
kels ausgefüllt, welche wegen ihrer Verschiebbarkeit und wegen der Ver- 
änderlichkeit ihres Volumens einen nicht immer zureichenden Verschluss 
gewähren und in dem Maasse, als sie nachgeben, den Baucheingeweiden 


!) Der M. psoas minor kann deshalb so präparirt werden, dass er mit einem Theile 
seiner Sehnenfasern an die Eminentia iliopeetinea sich inserirt. 


2) Schneidet man ausserhalb des Beckens die Fascia iliaca, etwa über dem Stamme 
des N. cruralis, ein, wie in Fig. 153, und versucht man, zwischen Fascie und Muskel 
medianwärts. vorzudringen, so wird der Finger durch die Anheftung der Fascie an die 
Eminentia iliopectinea aufgehalten; ganz ebenso, wenn man in die eröffnete Fascia pectinea 
ein- und lateralwärts vordringt. Das straffe Gewebe, welches die Fascien und die Bein- 
haut an einander heftet, lässt sich auf diese Weise von der Einen und anderen Seite her 
als ein sagittales Band (Lig. vaginae vasorum eruralium Seiler, Lig. iliopectineum Krause) 
darstellen. Als gemeinschaftliche Anheftung der Fascia iliaca und pectinea findet es sich 
bei Scarpa, Taf. XI, Fig. 2, abgebildet. 


®) Annulus cruralis aut. Ann. erur. post. Lacuna vasorum cruralium. Apertura int. 
canalis femoralis Langenb. 


Fascie der unterenExtremität. 305 


den Austritt gestatten. Als Pforte der Cruralhernien erfordert der innere 
Schenkelring eine einlässlichere Betrachtung. % 

Er ist elliptisch und mit dem längsten Durchmesser parallel dem Schen- 
kelbogen gestellt, oder, um genauer zu sein, er gleicht einem stumpfwinke- 
ligen Dreiecke mit abgerundeten Winkeln, dessen stumpfe Spitze ab- "und 
zugleich rückwärts gerichtet ist. Diese stumpfe Spitze trifft auf die Emi- 
nentia iliopeetinea; die beiden den stumpfen Winkel umfassenden Seiten 
müssen in Gedanken auf- und vorwärts über die Fascia iliaca und peetinea 
gezogen werden; die dem stumpfen Winkel gegenüberliegende längste Seite 
des Dreiecks entspricht dem Schenkelbogen. Der laterale Winkel !), wel- 
chen die Sehne des M. obliquus ext. da, wo sie sich von der Faseia iliaca 
zu trennen beginnt, mit der letzteren umschliesst, wird durch die Ausstrah- 
lung des Lig. inguinale int. laterale (S. 71) ausgerundet; der mediale Win- 
kel 2) ist scharf und wird von dem untersten Theile des Gimbernat’schen 
Bandes gebildet, welcher sich an die Fascia pectinea festsetzt, sich auf der- 
selben zuweilen lateralwärts umbiegt und als platter Saum eine Strecke 
weit verfolgen lässt (Fig. 154 @)3). Die Ebene des inneren Schenkelringes, 
durch den Schenkelbogen, den Rand des Gimbernat’schen Bandes und die 
Eminentia iliopectinea gelegt, ist unter einem sehr spitzen Winkel gegen 
den Horizont geneigt, fast horizontal. 

Die Gefässe, welche durch den inneren Schenkelring treten und unter- 
halb desselben in dem Thale zwischen dem M. iliopsoas und pectineus, der 
sogenannten Fossa subinguinalis, ruhen, sind die Art. und V. eruralis und 
die Saugaderstämme des Schenkels. Von diesen liegt die Arterie (s. Fig. 
154) im lateralen Winkel, die Vene medianwärts neben der Arterie; das 
Bündel der Saugadern und Drüsen nimmt die mediale Ecke der Oeffnung 
ein, in der Regel so, dass eine Saugaderdrüse den Raum zwischen der V. 
cruralis und dem Gimbernat’schen Bande gerade ausfüllt. Liegt diese Drüse 
nicht an der gewohnten Stelle, oder hat man sie entfernt, so sieht man die 
Fascia transversalis über die Lücke weggehen und vor derselben eine ver- 
änderliche Menge von festerem oder lockerem Bindegewebe und Fett, das 
Septum erurale Cloquet %). Bei weitem die meisten Schenkelbrüche drän- 
gen sich durch diese Lücke ) medianwärts neben der Vene vor, das Septum 
erurale durchbrechend oder vor sich her schiebend; nur ausnahmsweise 


1) Margo falcatus ext. Langenb. 

2) Margo falcatus Lig. Gimbernati'Langenb. 

®) Dieser Saum, in Verbindung mit dem zunächst an die Crista iliopeetinea grenzenden 
Theile der Faseia pectinea, ist Cooper’s vielbesprochenes Lig. pubicum. Von demselben 
heisst es (The anatomy of abdominal hernia. Part I, p. 8. vgl. Part, U, Taf. 2,2Rig.,2, 9): 
„Das Schambein ist von einer ligamentösen Ausbreitung bedeckt, welche einen starken 
Vorsprung über der Linea iliopectinea bildet und sich von der Tuberosität des Schambeins 
seitwärts erstreckt. An dieselbe ist das Gimbernat’sche Band befestigt; um sie vollstän- 
dig zu sehen, muss die Fascie des M. pectineus und dieser Muskel selbst entfernt werden.‘ 
Linhart (Ueber die Schenkelhernien. Erl. 1852. S. 3) bezieht den Namen auf die 
der Fascia pectinea eingewebte Sehnenausbreitung, welche von der Eminentia iliopectinea 
aus medianwärts und theils in das Lig. Gimbernati, theils in das Lig. inguinale int. laterale 
übergeht. 

4) Septum annuli cruralis Seiler. Septum ann. crur. interni Nuhn. LZame criblee 
interne Petrequin. 

5) Femoral aperture Cooper. Annulus cruralis Krause. 


Henle, Anatomie. Bd. I. Abthle. 3. 20 


306 Fascie der@tinteren Extremität. 

kommen Brüche — die man äussere nennt — vor- oder gar lateralwärts 

neben der Arterie zum Vorschein. Die Gefässe umschliesst, wie überall, 
Fig. 154. y 


Gegend des Leisten- und äusseren Schenkelringes; von der vorderen Wand des letzteren 
ist die obere Hälfte abgetragen; die verschiedenen Arten der Fortsetzung der Incisura fal- 
ceiformis nach oben durch Hülfslinien angedeutet. Pe Fascia pectinea, in die Fascie des M. ab- 
ductor longus (Afl) sich fortsetzend. Tf, Sar, oberflächliches Blatt der Fascie des M. ten- 
sor fasciae und sartorius. Ci unterer Schenkel des Leistenringes.. @G Lig. Gimbernati. 
‘il Lig. inguinale int. laterale.. 1 Art. cruralis. 2 V. crural. Die V. saphena major an 
der Einmündung abgeschnitten. 3 Vasa epigastrica, ihr Verlauf an der inneren Bauch- 
wand mit einer punktirten Linie bezeichnet. 4 Art. eircumfl. il. 5 Samenstrang. 
6 punktirte Linie, die Stelle andeutend, an welcher auf der inneren Fläche der Bauch- 


wand die Plica seminularis fasejae transv. liegt. \ 


eine gemeinsame Bindegewebsscheide !), welche, wie sich von selbst ver- 
steht, an die Umgebungen angeheftet und durch eine Art von sagittalem 
Septum ?) in zwei Fächer, für die Arterie und Vene, getheilt ist. Hinter 
dem Schenkelbogen, wo medianwärts die Vasa epigastrica (Fig.154.3), late- 
ralwärts die Vasa circumflexa ilium (5) im Bogen aufwärts abgehen, schickt 
die Gefässscheide entsprechende Fortsätze nach beiden Seiten ab, welche 
zur Verengung des Schenkelringes mit beitragen. In der Bauchhöhle liegt 
vor der Gefässscheide eine Bindegewebsschichte, welche am Arcus ceruralis 
mit der Fascia transversalis zusammenhängt und als eine von der vorderen 
Bauchwand auf die hintere sich hinüberschlagende Fortsetzung dieser Fas- 
cie angesehen werden kann. 

Das oberflächliche Blatt der Schenkelfascie, wie ich es zum 
Unterschiede von dem Theile der allgemeinen Fascia superfieialis, welcher 


1) Vagina vasorum cruralium. Exfascia transversa Piragoff. 
2) Septum vaginae vas. eruralium Linhart. 


7 


Fascie der unteren Extremität. 307 


die Schenkelgegend bekleidet, nennen will, hat die Aufgabe, die Gebilde 
zuzudecken, welche auf die Muskeln, die ihre Faseie aus dem Becken mit- 


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Fascie der Vorderfläche des Schenkels, Leisten- und 
äusserer Schenkelring. * Spina iliaca ant. sup. Ac Ar- 
eus eruralis. Cs, Cü Crus. sup. und inf. des äusseren 
Leistenringes. Sar Oberflächliches Blatt der Scheide 
des M.sartorius. Tf Desgleichen des M.tensor fasciae. 
1 Vordere Wand des Schenkelkanals. 2, 3 Oberes, un- 
teres Horn der Tncisura faleiformis. 4 V. cruralis, die 
V. saphena maj. dieht an der Einmündungsstelle abge- 
schnitten. 


bringen, zu liegen kom- 
men. Diese Gebilde sind, 
in der Richtung vom la- 
teralen zum medialen 
Rande gezählt, der M. 
tensor fasciae, sartorius 
und die Gefässstämme in 
ihrer Scheide. Man kann 
sich demnach das ober- 
flächliche Blatt der Fascie 
unter dem Bilde einer 
Schürze vorstellen, welche 
mit ihrem oberen Rande 
an die Sehne des M. obliq. 
abd. ext. von der Spina 
iliaca ant.sup. an bis zum 
medialen Ende des Schen- 
kelbogens angeheftet ist, 
sich über die genannten 


- Muskeln und Gefässe hin- 


abzieht und zur Seite der- 
selben und zwischen ihnen 
mit der tiefen Fascie zu- 
sammenhängt. Insbeson- 
dere bilden die Abtheilun- 
gen des oberflächlichen 
Blattes, welche den M. 
tensor fasciae und sarto- 
rius überziehen, in Ver- 
bindung mit der tiefen 
Fascie Fächer oder Schei- 
den, welche genau nach 
den Muskeln geformt sind; 
das oberflächliche Blatt 
der Scheide des M.tensor 
faseiae fliesst mit dem tie- 
fen an der nämlichen Stelle 
zusammen, an welcher der 
Muskel in das tiefe über- 
geht; das oberflächliche 
Blatt der Scheide des Sar- 
torius erstreckt sich mit 
diesem Muskel bis unter- 
halb des Kniegelenkes. Zu 


einem ähnlichen, platt comprimirten Fach, in welchem aber die Gefäss- 
stämme nur locker eingeschlossen sind, verbindet sich der Theil des ober- 


20* 


Schenkel- 
kanal. 


Aeusserer 
Schenkel- 
ring. 


308 Faseie der teren Extremität. 


flächlichen Fascienblattes, welcher vor den Gefässstämmen niederhängt, mit 
der tiefen Fascie (Fig.155). Dies Fach grenzt lateralwärts an die Scheide des 
Sartorius, medianwärts ist es durch die Anheftung des oberflächlichen Blattes 
an die Fascia pectinea begrenzt, abwärts, in der Gegend, wo der Sartorius 
vor den Gefässstämmen des Schenkels vorübergeht, endet es mit einer Oeff- 
nung, welche vollständig von den Gefässstämmen ausgefüllt wird, die an 
eben dieser Stelle die tiefe Fascie durchbohren, um zwischen die tiefen 
Muskeln einzudringen. Auf dieses Fach muss der Name Schenkelkanal, 
Canalis eruralis, wenn er überhaupt einen Sinn haben soll, bezogen werden. 
Der Schenkelkanal ist demnach der Raum zwischen beiden Blättern der 
Schenkelfaseie, in welchem die Gefässstämme abwärts verlaufen, bevor sie 
sich zwischen die Muskeln vertheilen; er hat eine obere oder Eingangs- 
öffnung, den inneren Schenkelring; die eigentlich entsprechende untere oder 
Ausgangsöffnung wird, da sie fest um die Gefässe schliesst, nicht weiter 
beachtet und nicht benannt. Den Namen des äusseren Schenkelringes!) 
hat man dagegen nach Hesselbach einer grossen ovalen Lücke in der 
vorderen Wand des Kanals ertheilt, welche zu Gunsten einer in die Vena 
cruralis einmündenden Hautvene, der V. saphena, angelegt ist, aber auch 
den Brüchen, welche durch den inneren Schenkelring in den Schenkelkanal 
hinabgleiten, den Austritt gestattet. Den grössten Theil des Randes dieser 
Lücke bildet ein tiefer, halbmond- oder sichelförmiger Ausschnitt, Incisura 
faleiformis. des medialen Randes des oberflächlichen Fascienblattes?); der 
Ausschnitt wird zum Ringe vervollständigt durch eine in Gedanken über die 
Fascia pectinea gezogene, das obere und untere Ende (Horn) des Aus- 
schnittes verbindende Linie (Fig. 154. 155). Die Schärfe des Ausschnittes, die 
Weite und in geringem Maasse auch die Stellung des äusseren Schenkelringes 
sind verschieden. Sein längster Durchmesser ist vertical oder mit dem oberen 
Ende medianwärts geneigt; sein lateraler Rand liegt auf dem lateralen Rande 
der V. cruralis oder weicht mehr oder weniger lateralwärts zurück, so dass 
er die Vene und selbst einen Theil der Arterie frei lässt. Oft ist es schwer, 
den Rand der Ineisura faleiformis von dem Bindegewebe der Fascia super- 
fieialis zu sondern; mit dem oberen Ende geht die Incisur vom unteren 
Pfeiler des Leistenringes oder von der vorderen Fläche des Gimbernat’schen 
Bandes, in den meisten Fällen aber von der Fascia pectinea aus, höher oder 
tiefer, bald medianwärts neben dem Gimbernat’schen Bande, bald unterhalb 
desselben von der vorderen Fläche des Schenkels 3). Ist das obere Horn 


\) Orifice anterieur du canal crural Breschet. Lacuna externa vasorum eruralium. 
Saphenous opening Gay (On femoral rupture, Lond. 1848, p- 9.). ’ 

”) Welches deshalb (nach Allan Burns) Processus faleciformis genannt wird. Die 
Fossa ovalis aut. entspricht der lateralwärts neben der Jncisura Jeleiformis befindlichen 
Vertiefung. 

®) Daher schreiben sich die Verwechselungen des Gimbernat’schen Bandes und des 
sogenannten Processus faleiformis. Scarpa’s Lig. triangulare Gimbernati ist das obere Horn 
der Ineisura faleiformis. Ebenso erklärt Seiler das Gimbernat’sche Band für eine Fort- 
setzung des Proc. faleiformis. Der Name Femoral ligament bei Hey (Practical obser- 
vations in Surgery, Lond. 1803, p. 153) bezieht sich auf das obere Horn des Processus 
falciformis in dem Falle, ‘wo dasselbe den inneren Schenkelring begrenzen hilft. Densel- 
ben Fall haben Gay (Erklärung zu Taf. II, g) und Nuhn (Heidelb. med. Annal. Bd. XII, 
p- 281) im Auge, wenn sie an dem Lig. Gimbernati, zwei Abtheilungen, eine Bauch- 
und eine Schenkelportion nach Nuhn, unterscheiden. 


Fascie der unteren Extremität. 309 


der Inc. faleiformis neben dem Gimbernat’schen Bande befestigt, so begrenzt 
es medialerseits die Oeffnung, aus welcher Schenkelhernien hervortreten ; 
setzt es sich tiefer unten auf der Fascia pectinea fest, so verbirgt sich das 
Gimbernat’sche Band hinter ihm; das obere Horn der Inc. faleif. bildet als- 
dann eine erste, das Lig. Gimbernati eine zweite, tiefere Coulisse an der 
medialen Seite der Hernie; eine dritte, lateralwärts über das Gimbernat’sche 
Band vorspringende Coulisse stellt nicht selten der Schambein - Ursprung 
des Lig. inguinale int. laterale (Fig. 154 tel) dar. Oft treten alle drei zu einem 
einfachen Blatte zusammen, indem, wie erwähnt, die Insertion des oberen 
Horns der Ineisura faleiformis auf die Vorderfläche des Gimbernat’schen Ban- 
des hinaufrückt und das Lig. inguinale int. laterale sich an seinem Ursprung 
von der Faseia pectinea mit der Insertion des Gimbernat’schen Bandes an 
diese Fascie verwebt. Ohne Zweifel kann jede jener Coulissen, je nachdem 
sie im einzelnen Falle weiter in den Schenkelring vorspringt, die Einschnü- 
rung von Brüchen bedingen. 

Wie die Fascia superficialis, indem sie von der Vorderfläche des Un- 
terleibs zum Schenkel niedersteigt, an das Lig. inguinale ext. und den Schen- 
kelbogen angeheftet ist, wurde schon bei der Beschreibung der Bauchmus- 
keln erörtert; in dem Bindegewebe, welches diese Anheftung vermittelt, 
verlaufen die Vasa epigastrica superfieialia von den Schenkelgefässstämmen 
aufwärts zur vorderen Fläche der Bauchwand. Unterhalb der Leistenfurche 
deckt die Faseia superfieialis den Theil der Schenkelgefässstämme, der im 
äusseren Schenkelringe frei liegt, hüllt die Vena saphena und die übrigen 
durch den Schenkelring eintretenden Gefässe nebst den zahlreichen Saug- 
aderdrüsen dieser Gegend ein und ist von dem Rande der Ineisura faleifor- 
mis, je nach der Schärfe desselben, mehr oder minder leicht zu lösen 1). 

Wegen der Verschiedenheit der Beckenform zeigen die zum Schenkel- 
ringe gehörigen Gebilde je nach den Geschlechtern verschiedene Dimensio- 
nen. Der Schenkelbogen steigt bei dem Manne etwas steiler mit dem in- 
neren Ende abwärts; der innere Schenkelring ist in weiblichen Körpern 
weiter, der Schenkelkanal ist ebenfalls weiter, aber kürzer, der äussere 
Schenkelring liegt daher dem Schenkelbogen näher. Die Entfernung seines 
oberen Randes vom Schenkelbogen beträgt im Allgemeinen zwischen 3 und 
18‘, die Höhe des äusseren Schenkelringes 6 bis 10’, die Länge des Ka- 
nals 6 bis 15° (Cloquet). 

Die Fascie des Oberschenkels ?) ist am mächtigsten an der vorderen 
und lateralen Fläche, schwächer an der hinteren Fläche und sehr zart am 
oberen Theile der medialen; an der vordern und lateralen Fläche besteht 
sie aus zwei einander rechtwinkelig kreuzenden Faserlagen, einer äusseren, 
verticalen, und einer inneren, kreisförmigen, von welchen die letztere die 
stärkste ist. Eine ansehnliche Verstärkung erhält die Faseie durch die Aus- 
‘strahlung der oberflächlichen Schichte der Sehne des M. gluteus maximus, 
indess sie, entsprechend der Insertion der tiefen Sehnenfasern dieses Muskels 


!) Der vor dem Schenkelringe ausgespannte Theil der Fascia superficialis, welcher 
nach Entfernung der Gefässe und Saugaderdrüsen netzförmig durchlöchert erscheint, ist 
die Lamina cribrosa s. Fascia eribriformis aut. Lamina eribrosa fasciae latae Thomson. 
Septum erurale ext. Petrequin. 

2) Fascia lata aut. 


Ober- 
schenkel. 


MR 


310 


an 8 
die 


Fascie der unteren Extremität 


der Hinterbacke entsteht (Fig. 156). 


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OÖberschenkcelfascie, hintere Fläche. 


s Schenkelbein, gegen diesen Knochen herangezogen wird, wodurch 
esonders beim aufrechten Stehen deutliche Grube an der Seitenfläche 


Unter den Blättern, welche 
die Oberschenkelfaseie zwischen 
den Muskeln in die Tiefe sendet, 
zeichnen sich zwei durch ihre 
Stärke und durch ihren Zusam- 
menhang mit dem Knochen aus, 
die Zigg. intermuscularialaterale 
undmediale 1). Indem sie beider- 
seitshinterdermedialen und late- 
ralen Portion des M. vastus sich 
vorwärts wenden, verschmelzen 
sie mit deren Sehnen, setzen sich 
mit ihnen an die betreffende 
Lippe der Crista femoris an und 
begrenzen demnachmiteinander 
den Raum, in welchem die Ad- 
ductoren und Beugerliegen. Zu- 
gleich nimmt das Lig. intermus- 


culare mediale an der Bildung 
des fibrösen Kanals Theil, in 
welchem die Art. und Vena cru- 
calis mit dem N. saphenus major, 
nachdem sie den Canalis eruralis 
verlassen haben, verlaufen. Je- 
nerKanal ist seiner Anlage nach 
und äusserlich dreiseitigprisma- 
tisch (Fig. 136),im Inneren aber 
durch eine dichte Bindegewebs- 
lage gleichsam gefüttert und von 
eylindrischem Lumen. Als hin- 
tere Wand desselben dient die 
Sehne, oben auch noch das 
Fleisch der Adductoren, und in 
dieser Wand findet sich auch der 
Schlitz, durch welchen die Ge- 
fässe aus dem Kanale rück wärts 
aus- und in die Fossa poplitea 


treten. Laterale Wand ist das Lig. intermuseulare, welches, wie erwähnt, hier 
zugleich Ursprungssehne des Vastusist. Diemedialeund vordere Wandbildetder 
Theil des tiefen Blattes der Schenkelfascie, welcher vor den Adductoren und 
hinter dem Sartorius als hintere Wand der Scheide des letzteren hinzieht. Dies 
Blatt geht nämlich von den Adductoren vor den Gefässen her zum Lig. in- 


e) Günther's Lig. suspensorium ossis femoris (Chirurg. Muskellehre, S. 143) ist die 
Fzscie in Verbindung mit dem von der Spina iliaca ant. sup. entspringenden Sehnenblatte, 
von welchem die Muskelfasern des Tensor faseiae und Gluteus med. abgehen. 


Fascie der unteren Extremität. 311 


termuseulare; es verlässt die Adductoren längs des medialen Randes des 
Gefäss- und Nervenbündels in einer ziemlich geraden verticalen Linie, welche 
noch auf dem Fleische des Adductor long. und magnus beginnt und auf 
dem unteren Schenkel des Sehnenbogens des Adductor magnus endet. 

Gegen das Knie verbindet sich die Fasceie innig mit den beiden Por- 
tionen des Vastus und hängt fest mit dem Bindegewebe, welches deren 
Bündel sondert, zusammen. Wie die verticalen Fasern der vorderen Fläche, 
gegen die Mittellinie des Schenkels convergirend, als Verstärkungsschichten 
der Kniegelenkkapsel, sich an die Tuberosität der Tibia anheften und 
zum Theil schleifenförmig in einander übergehen, wurde bereits in der Bänder- 
lehre (S. 143) beschrieben. Weiter lateralwärts endet ein Theil der verti- 
calen Fasern der Fascie I) an einem Höcker der Tibia über dem oberen 
Tibiafibulargelenke (Fig. 157**). An der hinteren Fläche des Kniegelenkes 
spannt sich die Fascie von den Beugemuskeln aus quer über die Fossa popli- 
tea und setzt sich abwärts geradezu über die Wadenmuskeln fort (Fig. 158); 
man muss diesen Theil derselben mit dem Namen eines oberflächlichen Blattes 
belegen, da ein anderes, tiefes, unter (vor) den Gefässen der Kniekehlengrube 
mit dem M. popliteus am Oberschenkel entspringt und sich auf (hinter) der 
tiefen Schichte der Beugemuskeln bis zum Knöchelgelenk erstreckt. 

Während so ein grosser Theil der Fascie ohne Unterbrechung vom 
Ober- auf den Unterschenkel übergeht, treten am Unterschenkel von mehreren 
Seiten neue Faserzüge hinzu, gewissermaassen zum Ersatz für die in der Um- 
gebung des Kniegelenkes abgegebenen. Mit einem starken Fascikel, unter 
welchem der N. peroneus durchgeht, entspringt die Unterschenkelfascie vom 
Köpfchen der Fibula. Von der Sehne des Biceps, sowie medialerseits von 
den Sehnen des Sartorius, Gracilis und Semimembranosus zweigen sich 
Fasern ab, um sich ab- und rückwärts der oberflächlichen Fascie der Waden- 
gegend beizumischen (Fig. 157). Von der vorderen und hinteren Kante der 
medialen Fläche der Tibia, an welche die Fascie angewachsen ist, gehen 
transversale Fasern in dieselbe über; mit der Fibula steht sie durch das Lig. 
intermusculare fibulare (s. S. 273) in Verbindung. Auch am Unterschenkel 
ist sie mächtiger auf der Streckseite als auf der Beugeseite. 

Beim Uebertritte vom Unterschenkel auf den Fuss vereinigt sich zu- 
vörderst die oberflächliche Fascie der Beugeseite mit der tiefen zu einem 
einfachen Blatte, indem sie von beiden Rändern der Achillessehne, mit der 
sie genau zusammenhängt, gerade vorwärts zu den Knöcheln zieht, fest aus- 
gespannt über das fetthaltige Bindegewebe, welches den Raum zwischen der 
Achillessehne und den Sehnen der tiefen Beuger einerseits, der Fibularmus- 
keln andererseits erfüllt. Ueber und vor der Rinne des inneren und äusseren 
Knöchels ist die Fascie an den Knochen angewachsen dadurch, dass eine 
innere Faserlage sich ansetzt, und unmittelbar darunter neue Faserzüge ent- 
springen. Sie stellen am medialen Knöchel ein fächerförmig vom Knöchel 
abwärts ausstrahlendes Band dar, das Lig. laciniatum!), welches mit der 
hinteren Ecke am Fersenbeine, mit dem vorderen oberen Rande an dem me- 
dialen Rand des Schiffbeins befestigt ist, zwischen diesen Anheftungspunkten 


V) Lig. üleo-tibiale H. Meyer. 
®) Lig. laciniat. tarsi s. annulare int. aut. Innercs Zipfelband, 


Unter- 
schenkel. 


312 Fascie der unteren Extremität. 


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Fascie des Unterschenkels, Rückseite. * 
Eintrittsstelle der Vena saphena minor. 


Fascie des Unterschenkels, Vorderseite. pi Lig. 
patellare inf. Ta Sehne des M. tibialis ant. 
Edl, Ehl Sehne desM. ext. dig, long. und hall. 
long. FF Fibularmuskeln. ? Lig. transversum. 
er Lig. eruciat. * mediale Fläche der Tibia. ** 
Fasern der Oberschenkelfascie, welche sich an die 
Tuberosität.d. Tibiabefestigen. *** Ausstrahlung der 
SehnendesM. sartorius, gracilisu. semitendinosus. 


Fascie der unteren Extremität. 315 


aber continuirlich an die Fascie der hinteren Fläche des Unterschenkels, der 
Fusssohle und des Fussrückens sich anschliesst. Das Lig. laeimiatum giebt 
von seiner inneren Fläche zwischen Fersenbein und Knöchel Muskelbündel 
zum Abductor hallueis ab; es sendet einen Fortsatz in die Tiefe zum unteren 
Rande der Tibia, welcher von hinten her die Scheide für die Sehnen des 
M. tibialis post. und flex. dig. comm. long. schliesst. Das vom lateralen Knöchel 
zutretende Fascikel ist ein stärkeres, aber schmales, plattes, ab- und rück- 
wärts gegen das Fersenbein verlaufendes Band, ‚Retinaculum peroneorum sup., 
welches mit der Rinne des lateralen Knöchels denRing, in dem die Fibular- 
muskeln gleiten, schliesst (vergl. S. 279). 

Auf der Vorderfläche des Unterschenkels erscheint, noch oberhalb des 
Knöchels, ein Zug transversaler Fasern wie ein breites oder vielmehr hohes, 
der Fascie eingewebtes Band, Lig. /ransversum eruris!), welches zwischen 
der vorderen Kante der Tibia und der Vorderfläche und lateralen Kante der 
Fibula verläuft, um die Fascie über den Sehnen der Streckmuskeln, die sie 
niederzuhalten hat, zu verstärken (Fig. 157). Einen ähnlichen Dienst leistet 
ein schmaleres und selbständigeres Band, welches unmittelbar vor dem 
Knöchelgelenke schräg vorüberzieht und unpassend den Namen eines Lig. 
erucialum eruris 2) führt; es hat vielmehr die Form eines A, bestehend aus 
einem längeren Schenkel, der vom lateralen Fussrande zum medialen Knöchel 
reicht, und einem kürzeren Schenkel, der vom medialen Fussrande entspringt 
und sich an die Mitte des längeren ansetzt (Fig. 157). Richtiger zerlegt man 
es in einen lateralen Schenkel und in zwei mediale, welche letzteren, der 
Eine vom Knöchel ab-, der andere vom Fussrande aufsteigend, gegen den 

Fig. 159. medialen convergiren 
und mit ihm zusammen- 
fliessen. Der laterale 
Schenkel istnämlich eine 
Art Schlinge, in welche 
die Strecksehnen neben 
einander eingeschlossen 

„sind; diemedialen Schen- 
kel sind platte Retina- 
cula, die das obere Ende 
dieser Schlinge an den 
medialen Rand des Un- 
terschenkels und Fusses 
Ursprung des Lig. eruciat. am lateralen Knöchel tcp Lig. befestigen. Die Schlinge 
talo-calcaneum post. cf Lig. calcaneo-fibulare. TA Tendo entsteht mit zwei platten 
Achillis. Adbg M. abductor dig. quinti. Pel, Peb Inser- Wurzeln, die den Ur- 
tionssehnen des M. peron. long. u. br. EE kuze Streck- \ 


muskeln der Zehen. 1, 2 Retinaculum peron. inf. beide sprung der kurzen Zehen- 
Fächer geöffnet. 3, 4 oberflächl, und tiefe Wurzel des streckmuskeln zwischen 


Lig. eruciat, sich fassen, einer ober- 
flächlichen (Fig. 159.3.) zwischen dem Ursprunge des Retinaculum peroneorum 


)) Lig. tramsv. tibiae. Lig. vaginale cruris s. lübiae, 
2) Lig. eruciatum tarsi. Lig. annulare ant, 


20** 


Fuss. 


314 Fascie der-unteren Extremität, 


inf, und dem lateralen Rande der hinteren Gelenkfläche des Fersenbeins, 
und einer tiefen (Fig.159.4) vom vorderen Rande dieser Gelenkfläche aus dem 
Sinus tarsi. Medianwärts neben dem Ursprunge desM. extensor hallueis br. 
zusammentretend, erzeugen diese beiden Wurzeln ein mächtiges Band, dessen 
Fasern, indem sie wiederholt ooförmig je in eine oberflächliche und tiefe 
Lage auseinanderweichen und wieder zusammenfliessen, zwei platte Ringe 
darstellen, von welchen der erste die Sehnen des M. ext. dig. long. und des 
M. peron. tertius, der zweite in zwei, durch ein sagittales Septum getrennten 
Fächern neben einander die Sehnen des M. ext. hall. long. und des M. 
tibial. ant. einschliesst ). 

Jenseits des Ringes, durch den die letztgenannte Sehne gleitet, setzt 
sich die Schlinge, wie erwähnt, in die zwei platten medialen Schenkel fort, 
von denen der obere, in der Flucht der Schlinge, an den medialen Knöchel, 
der untere unter einem spitzen Winkel ab- und zur medialen Fläche des 
Schiffbeins geht. Die äussere Fläche dieses ganzen Apparates haftet an 
der Fascie; seine innere Fläche ist durch ein fettreiches Bindegewebe und 
durch die zum Fussrücken verlaufenden Gefäss- und Nervenstämme von der 
Kapsel des Knöchelgelenks geschieden (Bdl. Fig. 139) und zu beiden Seiten 
des Gefäss- und Nervenbündels durch zarte sagittale Bindegewebsblätter an 
die Aussenwand der Gelenkkapsel angeheftet; so dient die Schlinge, indem 
sie mit der Contraction der Streckmuskeln gehoben wird, zugleich dazu, das 
Aufspringen der Strecksehnen zu mässigen, den Gefässen Luft zu schaffen 
und die Kapsel von den artieulirenden Flächen der Knochen abzuheben. 


Var. Das Lig. cruciatum soll zuweilen vollständig kreuzförmig werden, in- 
dem der am medialen Fussrande entspringende Schenkel sich über die ne 
stelle hinweg zum lateralen Knöchel fortsetzt. 


Auf dem Rücken des Fusses finden sich, wie aufdem Rücken der Hand, 
zwei Fascienblätter, ein oberflächliches, welches die Strecksehnen einwickelt, 
und ein tiefes, welches sich von den Mittelfussknochen über die Mm. interossei 
spannt und Bündeln der letzteren zum Ursprunge dient. 

Die Plantarfascie ist ebenfalls im Wesentlichen der Fascie der Hohlhand 
ähnlich, ebenso aus zwei, jedoch bedeutend mächtigeren Schichten, einer äus- 
seren longitudinalen und einer inneren transversalen, zusammengesetzt, von 
welchen die innere erst in der Nähe der Zehengelenke recht zusammen- 
hängend und zwischen den auseinander weichenden Fascikeln der äusseren 
sichtbar wird. Eine dem Fusse eigenthümliche Querfaserschichte liegt an 
der Ferse auf der Aussenfläche der longitudinalen. Neben der eigentlichen 
mittleren, der Palmarfascie entsprechenden Aponeurose, welche am Fersen- 
beine entspringt und am Ursprunge mit der Sehne des M. flexor digit. brevis 
untrennbar verschmolzen ist?), erhält aber am Fusse auch der Ueberzug des 
M. abductor dig. quinti eine glänzende, sehnige Beschaffenheit und bildet 
einen lateralen Theil der Plantarfascie, der sich gegen die Mitte der Länge 
des Fusses verliert °). Beide Abtheilungen sind durch eine Furche ge- 


=) Retzius Lig. fundiforme tarsi (Müll. Arch. 1841, $S. 497, Taf. XVII. Fig. 2) 
entspricht der tiefen Wurzel und dem lateralen Fache dieser Schlinge. 

?) Aponeurosis plantaris media aut. ” 

®) Aponeurosis plantaris ext. aut. 


Fascie der unteren Extremität. 315 


schieden, welche dadurch entsteht, dass von der eigentlichen Plantarfascie 
Bündel ein- (auf-) wärts zum Lig. caleaneoeuboid. und zur Tuberosität des 
fünften Mittelfussknochens gehen (Fig. 149). Ebenso steht am "medialen 
Fussrande die Plantarfascie zwischen den Sehnen der Beugemuskeln und 
dem M. abductor hallueis mit Sehnenfasern des M. tibialis postieus und 
also mittelbar mit Knochen der Fusswurzel in Verbindung (Bdl. Fig. 152 *). 

Das Verhalten der Fascie an den Zehentarsalgelenken und an der 
Beugefläche der Zehenphalangen gleicht in allen Punkten dem Verhalten 
der entsprechenden Theile der oberen Extremität. 


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