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HAIVDBUCH /^>/._.<5
der
vergleichenden Anatomie.
lieitfaden
bei academischen Vorlesungen und für Studirende
von
Eduard Oiscar üclunidt,
Doctor der Philosophie , der Medicin und Chirurgie , k. k. o. ö.
Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an
der Universität zu Gratz.
Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet
der andern ;
Und so deutet der Chor auf ein geheimes
Gesetz.
Goethe.
J
Vierte vielfach umgearbeitete Auflage. i
J en a,
Druck und Verlag von Friedrich Mauke.
1859.
Vorwort.
Die diesem Handbuclie gewordene Anerkennung bei Docenten
und Studenten hat es möglich gemacht, es bisher immer jung zu er-
halten. Da aber seine Brauchbarkeit in der Uebersichtlichkeit und
Kürze beruht, so ist jede neue Auflage mit vergrösserten Schwierig-
keiten verbunden. Es sind nur vier Jahre zwischen dieser und der
dritten verflossen, und doch habe ich wieder ganze Kapitel umgear-
beitet und an drei - bis vierhundert Stellen Abänderungen treffen
und Verbesserungen anbringen müssen. Trotzdem hat die Bogenzahl
genau dieselbe bleiben können.
Von dem mir vorschwebenden Ziele bin ich noch weit entfernt.
Ich würde Besseres leisten, die Arbeit mehr abrunden können, wenn
mir immer die besten und neuesten Hülfsmittel ohne Weiteres zu
Gebote ständen. So aber befinde ich mich in der Lage Eines , der
auf äussersten A^orposten nur mit grosser Mühe und auf Umwegen
sich von den Dingen im Hauptquartier unterrichten kann.
Unter den mit der vergleichenden Anatomie im engsten Zusam-
menhange stehenden Disciplinen hat in den letzten Jahren keine so
bedeutende Forlschritte gemacht, als die Histiologie der Thiere. Ich
brauche nur an Leydig's vortreffliches Werk zu erinnern, an
seine neuesten Ergänzungen aus der Insektenanatomie, an Max
Schultze's Arbeiten. Mein Handbuch kann sich natürlich nicht
indifferent dagegen verhalten, doch würde es seinem Charakter ganz
ungetreu werden und seinen Zweck, den es als einführender Leitfa-
den verfolgt, aus den Augen verlieren, wollte es die Resultate der
vergleichenden Histiologie mehr als andeuten.
Die Stellung unserer Wissenschaft im Allgemeinen hat sich
jüngst nicht wesentlich geändert. Eine gewisse Richtung der Phy-
siologie, welche Grosses leistet, blickt auf die vergleichende Anato-
mie etwas verächtlich herab und giebl vor, sie Avenig oder nicht zu
IV Vorwort.
brauchen. Wer sich etwas mit der Geschichte der "Wissenschaften
beschäftigt hat, was wir gethan, den wird eine solche Erscheinung
weder verwundern noch ängstigen. Wo neue Bahnen eingeschlagen i
werden, vergisst man für einige Zeit leicht, was die alten werth ;
sind; und vor Allem, muss man sich sagen, ist die vergleichende
Anatomie nicht um der Physiologie, sondern um ihrer selbst j
willen da. \
In Wissenschaft und Leben gilt derselbe goldene Spruch:
Irrthum verlässt uns nie, doch zieht ein höher Bedürfniss
Immer den strebenden Geist leise zur Wahrheit hinan.
Gratz im Mai 1859. ;
Oscar Schmidt. ]
Einleitung.
Kurze Uebersiclit über den Entwickluns^s^an^ der
O^O'
vergleichenden Anatomie.
Ö
Die Grundzüge einer wissenschaftlichen Zoologie, ja-
sirt auf die physiologische Vergleichung und die verglei-
chende Anatomie, wurden zum ersten Male von Aristo-
teles (383 — 322 V. Chr.) entworfen. Er zerlegte sich
das Thierreich in natürliche Gruppen (yiv7] ^eyiaza), näm-
lich: Schalthiere (oatQciKoöeQ^a) , Insecten (gVrofta), Kru-
stenthiere (fiaAaxoöT^axa) , Weichthiere (fiaAaxta =1: Ce-
phalopoden), Fische (Jx^veg), Wale i'urjTr}'), Vögel (^oqvi-
•Ö-fg), eierlegende Vierfüsser (rci cpohöcotd^ t« TSTQcxTCoöa
aai (ooTOTia) und lebendig gebärende Vierfüsser {jSTQUTcoöa
^wordxa). Zwischen ihnen stehen gewisse Uebergangs-
formen, als Affe, Fledermaus, Seehund, Strauss, Kroko-
dil, Schlangen, Nautilus, Einsiedlerkrebs und einige zu
den Pflanzen führende Thiere. Diese yivr] ^syiGTu, auch
yEvri, zerfällt er in Untergruppen, yevri und ftöiy, immer
mit dem ausgesprochenen Bestreben, in den angezogenen
Merkmalen die Wesenheit (pvoici) seiner Gattungen und
Arten ausgedrückt zu haben. Specifisch vergleichend ana-
tomisch ist seine Vergleichung nach der Analogie (to ava-
A-oyov), und zwar handhabt er diese Methode besonders
1
OlVl
2 Einleitung.
in der Schrift „über die Theile der Thiere". Das Gesetz
vom Gleichgewicht der Organe, worauf sich Geoffroy
St. Hilaire so viel zu gute gethan hat (siehe unten),
ist von Aristoteles schon mit klaren Worten ausgespro-
chen worden *). Dabei hatte er von Einzelheiten über-
raschend richtige Kenntniss , so über die Anatomie und
Geschlechtsverhältnisse der Cephalopoden, über Entwick-
lung der Vögel und Fische. Allein bei seinen grundfal-
schen Ansichten z. B. über die Function des Herzens,
worin das Blut gekocht werden soll, und über das Hirn
und die Athmungsorgane, worin er das heisse Blut ab-
gekühlt werden lässt, darf man natürlich eine einiger-
massen der Wirklichkeit entsprechende Physiologie und
vergleichende Anatomie nicht erwarten.
Wie dem aber auch sei, als Erfinder einer genialen
Methode auf naturwissenschaftlichem Gebiete war Ari-
stoteles der Zeit vorausgeeilt. Und wenn auch im 16.
und 17. Jahrhundert das aristotelische, freilich bis auf
unsere Tage vielfach missverstandene System für die
Zoologie ein höchst fruchtbarer Durchgangspunkt wurde,
so arbeitete sich doch die vergleichende Anatomie, wel-
che bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts geschlum-
mert hatte, unabhängig von jenen Leistungen des Ari-
stoteles empor.
Zwar von Hippokrates bis Galen, von diesem an
das ganze Mittelalter hindurch hatten die Aerzte zu ihren
anatomischen Studien sich hauptsächlich der Thiere be-
dienen müssen; und so kann man sagen, dass die alten
Anatomen nothgedrungen auf die Zootomie und mit ihr
auf die vergleichende Anatomie kamen. Es ist daher
*) üavzaxov yäg djioöiöcoaL (j) q^vacg) Xaßovaa t&sQco&ev :n:QÖs
äXXo uBQLOv. De part. animal. U. 14.
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\ C^
Einleitung. 3
eigentlich unmöglich, die Anfänge dieser Wissenschaft an
eine Jahreszahl oder einen Namen anzuknüpfen. Will
man diess dennoch thun, so ist als das erste, eine Grund-
lage bildende Werk die Zootomie (Zootomia Democritaea.
1645) des Neapolitaners Marco Aurelio Severino
(1580 — 1656) zu nennen, in welcher das Verhältniss der
Zootomie zur Anatomie des Menschen normirt, die Be-
rechtigung und die Vortheile der ersteren besprochen, ihr
die Rechte ausdrücklich zuerkannt werden , welche die
grossen Anatomen aus dem 16. und der ersten Hälfte des
17. Jahrhunderts ihr stillschweigend schon eingeräumt
hatten.
Ungleich wichtiger ist aber der geistreiche englische
Anatom Thomas Willis (1622—1675), der im wahren
Wissensdrange, unbefriedigt von dem bisherigen Treiben
in der Anatomie und Physiologie, die Hoffnung auf die
Lösung der höchsten Probleme jener Disciplinen in die
vergleichende Anatomie setzte, auch zum ersten Male den
Namen Anatomia coniparata, den Franz Baco früher
in anderem Sinne gebraucht, in der noch heute gebräuch-
lichen Bezeichnung anwendete. Seine vergleichenden Zer-
gliederungen erstreckten sich auf fast alle Hauptabthei-
lungen des Thierreichs.
Bald nach ihm war das Princip der vergleichenden
Anatomie als einer der Medicin unentbehrlichen Hülfs-
wissenschaft allgemein anerkannt, wovon unter andern
das System der Anatomie (A Systeme of anatomy. 1685^
von Samuel Collins Zeugniss giebt. Ihm erscheint
der Mensch als eine Epitome der Schöpfung, und wie-
derum in den Insecten und anderen niederen Thieren sieht
er eine Epitome des menschlichen Baues. Die Thiere
hält er für mehr oder weniger vollkommen, als sie dem
1 *
4 Einleitung.
Menschen sich mehr oder weniger nähern, und der mensch-
liche Bau ist ihm ein Maassstab jeder Bestimmung des
Werthes und Ranges der Thiere.
Haben wir eben angedeutet, wie die vergleichende
Anatomie aus altern Elementen der wissenschaftlichen
Medicin sich herausbildete, so sind daneben einige an-
dere Momente und Richtungen nicht zu vergessen, die
zu jenen Zeiten auf die Naturwissenschaft überhaupt und
im Besonderen auch auf die vergleichende Anatomie ein-
wirkten. Durch die philosophischen Lehren von Baco
und Descartes waren die Geister zur Selbständigkeit
und zum kritischen Forschen angeregt, und man wagte
es jetzt erst, sich gegen den Wust hergebrachter Gelehr-
samkeit aufzulehnen und sich die Natur gewisser Maassen
zu reconstuiren. Dazu war nichts günstiger, als die Er-
findung der Microscope. Eine bisher fast völlig im Dun-
keln gelegene Seite der Zoologie, die niedere Thierwelt,
w urde nunmehr erst erschlossen , und dessw egen gehören
die Namen eines Malpighi (1628 — 1694), S wammer-
dam (1637—1680) und Leeu wen h o eck (1632—1723)
auch für die vergleichende Anatomie mit zu den Epoche
machenden. Von ihrer Richtung influirt und unmittelbar
von Malpighi entlehnend hat Willis die niedere Thier-
welt in das Bereich der Vergleichung gezogen. Malpighi
ist berühmt als Insectenanatom und Histiolog, Swammer-
dam steht eigentlich noch heute als Insectenanatom un-
erreicht da, und LeeuAvenhoeck ist mit dem ersteren
der Gründer der Histiologie , so wie er durch die Ent-
deckung der Zoospermien zu einem höchst lebendigen
Forschen in der Entwicklungsgeschichte Anlass gab.
Die Jahrzehnte, welche auf die genannten Männer
folgten , hatten mit der Verarbeitung des von ihnen Ge-
Einleitung. 5
leisteten zu thun , so dass die vergleicliendc Anatomie von
da an bis fast gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts keine
eigentlichen Fortschritte machte. Ihre Wiederbelebung
beginnt mit der Begründung der wissenschaftlichen Ex-
perimentalphysiologie durch den grossen Ha 11 er (1708 —
1777); durch ihn wurde von Neuem die vergleichende
Anatomie als Hülfswissenschaft der Physiologie sanctionirt,
während auf der anderen Seite unabhängig von diesem
Nebenzwecke diese Wissenschaft durch Buffon's (1707 —
1788) laut ausgesprochene Idee von der Einheit im thie-
rischen Bau in eine neue Phase einlenkte.
Ein sehr fruchtbares leitendes Princip war mit dem
Gedanken, dass aller thierischen Organisation ein gemein-
samer Bauplan zu Grunde läge, direct gegeben, wiewohl
die in dieser Richtung damals arbeitenden vergleichenden
Anatomen gleich anfangs es darin versahen, dass sie in
dieser gesuchten Einheit zwischen der Uebereinstimmung
der Gestaltungen und den gemeinsamen physiologischen
Charakteren der Organismen nicht scharf unterschieden.
Vor Allem war die Feststellung des Thatsächlichen
Bedürfniss, und im Gebiete der Wirbelthiere thaten sich
ausser Daubenton (1716 — 1799), dem Freunde und
Mitarbeiter B uff on's, besonders Camper (1722 — 1799)
und AI. Monro (1732 — 1817) hervor, jener durch ver-
schiedene , besonders die Säugethiere betreiTende Unter-
suchungen , dieser durch eine vortreffliche vergleichende
Anatomie der Fische. In die achtziger Jahre fällt auch
die Glanzperiode Blumenbach's, welcher der Erste war,
der besondere academische Vorlesungen über vergleichende
Anatomie hielt, während sie bis dahin nur gelegentlich
im Cursus über die menschliche Anatomie abgehandelt
worden war.
6 Einleitung.
Den Versuch, das ganze Lehrgebäude der vergleichen-
den Anatomie zu errichten, machte der pariser Anatom
Vicq-d'Azyr (1748 — 1794), indem die Vergleichung
der Thiere unter einander sowohl als die bisher ganz ver-
nachlässigte Vergleichung der Organe eines und desselben
Thieres mit einander, auf die zur selben Zeit auch Goethe
drang, in ihm den von Buffon adoptirten Gedanken an
den gemeinsamen Plan der thierischen Organisation, das
thierische ürmodel, befestigten. Zur consequenten Durch-
führung des Werkes fehlte es jedoch ihm und seiner Zeit
überhaupt namentlich an der Kenntniss der wirbellosen
Thiere, und überdiess wurde es, kaum begonnen und dis-
ponirt, durch Vicq-d'Azyr' s zu zeitigen Tod unter-
brochen.
An ihn reiht sich in dem Bestreben, die Resultate
der vergleichenden Anatomie gleich zu einer allgemeinen
Physiologie auszudehnen und die Gesetze der Organisa-
tionen danach festzustellen, der geniale Kielmeyer an
(1765 — 1844), Professor an der Carlsschule in Stuttgart.
Bis dahin w ar die Idee von einem Urplane des thie-
rischen Baues immer nur eine Behauptung gewesen. Der
Erste, welcher einen in's Einzelnste gehenden Beweis da-
von unternahm und hartnäckig verfolgte, war Etienne
Geoffroy Saint Hilaire (1772 — 1844), ein Schüler
Hauy's und Daubenton's, seit 1793 Professor am pari-
ser Pflanzengarten und einer der wissenschaftlichen Theil-
nehmer am ägyptisclien Feldzuge, 1798 — 1801. Sein
Hauptwerk ist die sogenannte „Anatomische Philosophie"
(Philosophie anatomirjue. 2 voL Paris 1818. 1822^, worin
nach den Grundsätzen einer, wie er und seine Anhänger
behaupten, neuen und eigenthümlichen Philosophie zu-
nächst die vollständige Unabänderlichkeit des Grundpia-
Einleitung. 7
nes der Wirbelthiere dargelegt werden sollte. Die lei-
tenden Principien sind 1) das, dass bei den verschiedenen
Thieren die Organe und Theile der Organe immer die-
selbe Lage zu einander behaupten (principe des con-
nexions), und 2) dass jede Vergrösserung und Ausdehnung
eines Organes immer nur auf Kosten eines anderen ge-
schehe (principe du balancement des organes). Damit
verbindet Geoffroy Saint Hilaire eine dritte Vor-
aussetzung, dass nämlich in jeder Familie, wenigstens
der grösseren Abtheilungen des Thierreiches, alle die
Materialien oder Theile des Organismus sich wiederfin-
den, wie sie in jeder anderen Familie auch vereinigt
sind (theorie des ajialognes), womit dieser sogenannten
französischen Naturphilosophie aber die Spitze abgebro-
chen wird, da das als ein Fundamentalprincip aufgestellt
wird, auf dessen Beweis Alles ankommt.
Einer der anregendsten Gedanken, den Geoffroy
Saint Hilaire, auch Kielmeyer, ausgesprochen, ist
der, dass die niederen Thiere fötale Zustände der höheren
repräsentirten, oder, mit anderen Worten, dass die höhe-
ren Thiere in ihrer Entwicklung den unter ihnen stehen-
den Thiergruppen glichen.
Ungleich consequenter und umfassender als die aus
einigen Hypothesen bestehende anatomische Philosophie
der Franzosen ist die deutsche durch Schelling ange-
regte, in Lorenz Oken (1774 — 1851) culminirende Na-
turphilosophie, welche ebenfalls unmittelbar in die ver-
gleichende Anatomie, als der Wissenschaft von den Ge-
setzen der thierischen Organisation, eingreift. Die frucht-
barste Periode Oken's fällt in die Zeit seines jenaischen
Aufenthaltes, wohin er 1807 von Göttingen berufen wurde.
Gerade wegen der Ausdehnung und des stetigen Zusam-
g Einleitung.
menhangs des Oken'schen Systems müssen wir es uns
hier versagen, auch nur die Umrisse davon mitzutheilen.
Was die Thierwelt angeht, so ist ihm der Mensch, in
welchem der Begriif des Organismus am vollendetsten zur
Erscheinung kommt, das höchste Thier, der Inbegriff aller
Thiere, welche losgelöste, selbständig gewordene Organe
des höchsten Thieres sind. Die Thiere, sagt er, werden
edler, je mehr Organe sich vom Hauptthier zusammen
lostrennen und sich vereinigen. Die Thiere vervollkomm-
nen sich nach und nach, indem sie Organ an Organ
setzen, ganz so, wie sich der einzelne Thierleib vervoll-
kommnet.
Wenn auch das Oken'sche System als Ganzes sich
nicht hat behaupten können, so hat es doch den Werth,
selbst seine Gegner in fruchtbarster Weise angeregt zu
haben. Es kann Niemand läugnen, dass die Entwicklungs-
geschichte durch ihn bedeutend gefördert ist, und noch
augenscheinlicher hat er durch seine in der Consequenz
des Systeraes liegende Wirbeltheorie gewirkt, ein Feld,
auf welchem er sich mit Goethe begegnete.
Trotz aller der genannten Vorgänger und seiner Mitar-
beiter darf George Cuvier (1767—1832) als der Schöpfer
der neueren wissenschaftlichen Thierkunde und verglei-
chenden Anatomie angesehen werden. In Mömpelgardt ge-
boren war Cuvier auch der Erziehung nach ein Deutscher,
da er 1784 bis 1788 seine Ausbildung auf der Carlsacade-
mie in Stuttgart empfieng. Später, bis 1795, hielt er sich
als Hauslehrer in der Normandie auf, hatte häufig Ge-
legenheit, längere Zeit am Meere zu verweilen, und lag
hier seinen Lieblingsstudien, den zootomischen, ob, wurde
auch während dieser Zeit durch seinen Freund Pf äff mit
Kielmever's Heften bekannt gemacht, die ohne Zweifel
Einleitung. 9
ihm wichtige Fingerzeige für seine Untersuchungen und
Ansichten an die Hand gegeben.
Nachdem der Abbe Te ssier auf ihn, als auf einen
schon damals höchst bedeutenden Menschen aufmerksam
gemacht, zog man ihn, den Hofmeister, nach Paris, wo
nach wenigen Monaten sein Ruf dem der berühmtesten
Naturforscher glich. Er wurde 1799 Daubenton's Nach-
folger als Professor der Naturgeschichte am College de
Franke und 1802 Professor am Pflanzengarten.
Cuvier hatte sich die Aufgabe gestellt, die systema-
tische Zoologie mit der vergleichenden Anatomie zu ver-
schmelzen, die eine durch die andere zu erläutern und auf
diesem Wege zum Besitz des sogenannten natürlichen Sy-
stems als des wahren Ausdruckes der Natur zu gelangen.
Er sah, dass er nicht Zoolog sein konnte und die Verwandt-
schaften und Unterschiede der Thiere genügend hervor-
heben , wenn er nicht die anatomischen Einzelheiten er-
forschte; nur nach gewonnener Einsicht in das ganze
Thier durch die Verbindung der inneren und äusseren
Merkmale hofi*te er ein richtiges systematisches Gebäude
aufzuführen , und so theilte er das Thierreich nicht nach
einem einseitigen Gesichtspuncte ein, \a ie mehr oder min-
der alle seine Vorgänger und Zeitgenossen, sondern nach
der Gesammtorganisation.
Damit sprach er es aus, dass man nur so weit Zoolog
sein könne, als man vergleichender Anatom ist, und als
solcher trachtete er, das Lebendige und wahrhaft Geistige
an dem Thiersystem , die gemeinsamen Momente der Orga-
nismen, die gemeinsamen Gesetze der Organisation her-
vorzuheben.
Denn die vergleichende Anatomie ist, mit Cuvier
zu reden , die Erforschung der Gesetze der thierischen
10 Einleitung.
Organisation und der Veränderungen , uelche diese Orga-
nisation in den verschiedenen Arten erfährt ( — Vetude de
Vanatomie corvparee, c'est ä dire des lois de V Organisa-
tion des animaux et des wodifications que cette Organi-
sation eprouve dans les diverses eapeces). Cuvier war
also nichts weniger als das, was man einen crassen Em-
piriker nennt, und wozu man ihn und die Anhänger sei-
ner Methode hätte stempeln mögen. Er suchte, trotz
einem Philosophen, in der Mannigfaltigkeit der Formen
das Princip der Einheit, die Ideen zu finden, welche die
Natur in der Bildung der Organe und Organsysterae zur
Erscheinung brachte und in's Unendliche modificirte und
variirte.
Und mit ihm sucht unsere Wissenschaft die Gesetze
der Organisation dadurch zu begreifen, dass sie die Ver-
änderungen dieser Organisation neben und nach einander
vergleicht, das Wesentliche von dem Unwesentlichen schei-
det, das Typische hervorhebt.
Die Angelpuncte des Cuvier'schen Thiersystems und
seiner vergleichenden Anatomie, um welche sich auch dio
neuere Entwicklung seit Cuvier gedreht hat, sind seine
vier thierischen Typen oder Grundformen, wovon im fol-
genden Absclinitt dieser Einleitung das Nähere. Unter
den leitenden Maximen, deren er sich, in Ermangelung
der mit absoluter Sicherheit vorwärts schreitenden mathe-
matischen Methode, bediente, ist vor allen das Princip des
Endz\\eckes zu nennen (principe des canses finales), wo-
nach er aus einem oder einigen gegebenen Organen sich
die übrigen und den gesammten Organismus, als in noth-
wendiger Harmonie damit stehend, combinirte , ein Prin-
cip, das seine grössten Triumphe in der auch von Cuvier
geschaffenen vergleichenden Paläontologie feierte.
Einleitung.' 11
Ein Zeitgenosse und würdiger Nebenbuhler Cuvier's
diesseits des Rheins war Johann Friedrich Meckel
(1781 — 1833), dessen System der vergleichenden Anato-
mie jedoch leider unvollendet geblieben.
Der Geschichte der vergleichenden Anatomie gehört
nun leider auch schon der grösste Physiolog und ver-
gleichende Anatom unseres Jahrhunderts an, Johannes
Müller (geb. 14. Juli 1801, gest. 28. April 1858). In
ihm, wie in keinem Anderen, sind die neueren und neue-
sten Phasen und die glänzenden Fortschritte der verglei-
chenden Anatomie bis zur Gegenwart verkörpert. Seine
Leistungen zeigen die schnelle Klärung naturphilosophi-
scher Anschauung und Behandlung zur besonnensten For-
schung und exactesten Methode in der Verfolgung gros-
ser zeitgemässer Aufgaben. Den Neubau der Physiologie
aufführend machte er die von Ha 11 er und Anderen an-
gestrebte Durchdringung derselben mit der vergleichen-
den Anatomie zur Wahrheit. Diese Richtung musste ihm
die Entwicklungsgeschichte näher legen , als es einem
seiner Vorgänger geschehen war: und Entwicklungsge-
schichte ist das Losungswort der neueren vergleichenden
Forschung gewesen. Mit ihrer Leuchte bewältigte er die
schwierigsten Partieen der niederen Thierwelt, und eben
w-ar er daran, in ihre Systematik reformatorisch einzu-
greifen. So ganz hatte der Zoolog in ihm den Physio-
logen verdrängt, dass er uns ein wundersames Bild der
geschichtlichen Entwicklung unserer Wissenschaft giebt,
die von ihrer anfänglichen gänzlichen Dienstbarkeit und
Abhängigkeit von der menschlichen Anatomie und Phy-
siologie zu jener Selbständigkeit herangewachsen ist, die
überhaupt eine Disciplin den benachbarten gegenüber er-
reichen soll.
\'l Einleitung.
J. B. Meyer, Anstolelcs Thierkunde. Berlin, 1855.
0. Schmidt, Die Entwicklung der vergleichenden Anatomie. Jena,
1855.
Die Grundformen der Thiere.
Während die Pflanze sich selbst gleichsam zur Schau
trägt oder durch eine ofl'ene Verhüllung ihrer Organe den
Blick anlockt, dass er mit Befriedigung und Wohlgefallen
auf dem harmonischen Wechsel schöner Linien und Flä-
chen ruht, verschliesst das Thier die Werkzeuge, an
welche die verschiedenen Aeusserungen des Lebens ge-
bunden sind, nach Innen. Die Gestalt ist, wie es scheint,
das Untergeordnete, nur im Dienste der inneren Vorgänge,
nicht das alleinige Resultat derselben. Und wenn wir im
Allgemeinen die ganze Mannigfaltigkeit der Pflanzenfor-
men als plastisch schön betrachten können, so müssen wir
wohl von den Thiergestalten sagen, sie seien zweckmässig.
Daher kann auch eine nicht streng wissenschaftliche Be-
schäftigung mit den äusseren Erscheinungen der Pflanzen-
welt fesseln, weil das ästhetische Gefühl dabei in hohem
Maasse seine Rechnung findet, kaum aber vermögen die
blossen Thierformen länger unser tieferes Interesse in
Anspruch zu nehmen, wenn sie nicht in ihrer unzertrenn-
lichen Beziehung zum Innern Organismus aufgefasst wer-
den. Geschieht aber diess, und gewährt uns eine solche
x\nschauung zugleich eine Einsicht in die natürliche Glie-
derung der empfindenden Wesen, aus denen durch das
Ebenmaass leiblicher Bildung und den ihr eingepflanz-
ten Funken der Gottheit der Mensch hervorragt, so wird
damit wohl ein höheres Bedürfniss genährt und be-
friedigt.
Einleitung. 13
Die Thierwelt ist um so viel reicher an Formen als
die Pflanzenwelt, als sie reicher an Artenzahl ist. Jedes
an das lebendige Durcheinander nicht gewöhnte Augo
findet sich in einer massig grossen Anzahl verschiedener
Thiergestalten nicht zurecht; und wenn es, um dem Un-
behagen der Unordnung zu entgehen, einen Versuch der
Zusammenstellung des möglichst Gleichartigen macht, so
wird dieser Versuch ein höchst misslungener sein, um
so mehr, je äusserlicher und unwesentlicher die Merk-
male waren , nach denen die Zusammenstellung zu einem
System unternommen w urde. Die Geschichte der Zoolo-
gie ist überreich an solchen misslungenen Systemen ; es
zeigt sich in ihr der Prozess, den der Einzelne durcljzu-
machen hat, vom ersten rohen sinnlichen Erfassen eines
Gegenstandes bis zum geistigen Durchdringen.
Eine Phase der wissenschaftlichen Zoologie, welche
zuerst in Buffon ihren beredten Ausdruck fand, ist das
Bestreben gewesen, die gesammten Thiere als subordi-
nirte Glieder einer ununterbrochenen Stufenfolge aufzu-
fassen. Von der unvollkommensten Monade bis zum voll-
endetsten Säugethiere solle eine stetige Reihe gebildet
sein, in der je zwei noch so verschiedene Formen durch
die zwischen ihnen liegenden Glieder direct mit einander
verbunden würden, und die ihren höchsten Abschluss im
Menschen habe. Der Mensch und alle Thiere, sagte Buf-
fon, würden unter diesem Gesicbtspuncte als Glieder
einer und derselben Familie erscheinen.
Man kann selbst ohne tieferes Eingehen diese Theo-
rie ad absurdum führen und es mag uns unbegreiflich
erscheinen , wie sie so lange und ernstlich hat verthei-
digt Averden können. Der Grund lag, wie wir oben an-
gedeutet, in der Vermengung der physiologischen und
14 Einleitung.
der morphologischen Einheit. Machen wir den Versuch,
das Thierreich in eine ununterbrochene Reihe zu bringen.
Es ist Jedem geläufig, die Säugethiere, Vögel, Amphi-
bien und Fische so hinter einander zu nennen, und man
kann auch nicht im Zweifel sein, dass sie, wenn man den
Menschen als Maassstab für sie nimmt, so im Range fol-
gen. Ein Fisch muss natürlich der letzte sein, und auch
da ist kein Zoolog unschlüssig, dem Awphioocus lanceo-
latus diese Stelle anzuweisen *). Dieses einen bis zwei
Zoll lange, in den europäischen Meeren lebende Thier-
chen wurde von seinem Entdecker für eine Schnecke ge-
halten, und schon daraus ist zu entnehmen, dass nicht
viel Fischähnliches und noch weniger Menschenähnliches
an ihm ist. Es hat kein eigentliches Hirn, kein Herz, in
der Jugend sogar keine Gefässe. Wird es aber schon
schwer, den Amphloxus an die übrigen Fische anzurei-
hen , so ist es ganz unmöglich , von ihm ungezwungen
die Reihe weiter abwärts steigen zu lassen. Sollen etwa
an den jämmerlichen augenlosen Fisch sich die glänzen-
den, gegliederten, beweglichen Insecten anschliessen mit
ihren wunderbaren, musivisch zusammengesetzten Augen,
oder die gewaltigen Tintenschnecken, mit Sehwerkzeugen
begabt, die an Künstlichkeit des Baues und demnach
wahrscheinlich an Güte der Leistung den unserigen kaum
nachstehen.
Beispiele dieser Art für die Nothwendigkeit der Un-
terbrechung der continuirlichen Reihenfolge im Thierreich
lassen sich leicht häufen; man gelangt mit der Zurück-
führung auf eine Stufe, einen Urplan nimmermehr zu
einem befriedigenden Ausgange aus dem Formenlabyrinth.
*) Agassiz hat jüngst die Vermuthung ausgesprochen, Am-
phioxus sei die Larve eines Cyclostomcn.
Einleitung. 15
Cuvier und C. E. von Bär haben gelehrt, wie
das anzufangen sei.
Warum kommen Avir vom Menschen auf den, wie es
scheint, auch nicht den Schatten des niensciiliclien Baues
an sich tragenden Ainphloxusl Weil dieser doch, gleich
dem Menschen, ein Rückenmark besitzt, umgeben von
einer häutigen Scheide, welche, aus der Entwicklungsge-
schichte nachweisbar, der Wirbelsäule des Menschen und
der verwandten Thiere entspricht. Lnd weil für den
Kreis aller dieser Thiere das Rückenmark mit der AVir-
belsäule das unveräusserliche Merkmal ist, der Tragebal-
ken des ganzen Gebäudes, das gesetzgebende Moment für
ihren Bau, so nennen wir diese Thiere
W i r b e 1 1 h i e r e
und sprechen damit aus, dass alle übrigen, die Nichtwir-
belthiere oder wirbellosen Thiere, zwar gewisse physio-
logische Charaktere mit jenen gemein haben, dass sie
aber zunächst doch einen Gegensatz zu den Wirbelthie-
ren bilden, weil ihnen das dort die Form und die Struc-
tur Bestimmende fehlt, die Art ihrer Gestaltung mithin
von anderen Momenten abhängig ist.
Mit der Eintheilung in Wirbelthiere (animalla
tertebvata) und Wirbellose (animalla avertebrata) ist
schon viel gewonnen; sie ist jedoch nur auf der einen
Seite eine natürliche, auf das Wesen der Organisation
begründete. Auf der andern Seite ist wegen des bloss
negativen Kennzeichens keine Bürgschaft der Ueberein-
stimmung, es ist auch von vorn hinein unwahrscheinlich,
dass sich nach alleiniger Elimination der Wirbelthiere
die übrigen als Variationen nur eines Grundthemas her-
ausstellen sollten.
Als Repräsentanten zweier anderer Grundformen oder
16 Einleitung.
Typen mögen uns nun eine Muschel und ein Käfer die-
nen. Was an ihnen beiden als individuell charakteri-
stisch sich hervorhebt, gilt mit einigen Modificationen
von den ganzen Kreisen.
An der Muschel sind einzelne Körperabschnitte und
Abgliederungen nicht zu unterscheiden; das Thier ist so
in sich concentrirt, scheint so ganz nur zum Vegetiren
bestimmt, dass der von manchen Zoologen der Abthei-
lung gegebene Name der „Bauchthiere" seine gewisse
Berechtigung hat. Die beiden Schalenhälften lassen sich
unschwer vom Körper trennen, und dann sieht man, dass
derselbe von ein Paar grossen Hautfalten, dem Mantel,
umgeben wird. Diese Neigung zu mantelartigen Falten-
bildungen der Hautbedeckungen ist für alle den Muscheln
verwandte Thiere charakteristisch. In ihrem Nerven-
system bildet zwar ein den Schlund umgebender Ring
den Hauptbestandtheil, aber die dem folgenden Typus
charakteristische Bauchganglienkette fehlt. Die Muschel
und ähnliche Thiere gehören zum Typus der
W e i c h t h i e r e.
Der Käfer dagegen zerfällt nicht nur in drei be-
stimmt geschiedene Körperabschnitte, bei näherer Besich-
tigung nimmt man wahr, dass wenigstens Brust und Hin-
terleib wiederum aus einzelnen Ringen oder Gliedern zu-
sammengesetzt sind, welche durch die erstarrte, zum Sce-
let gewordene Körperbedeckung gebildet werden. Aber
nicht nur der Rumpf, auch die Gliedmassen und andere
Anhängsel nehmen an dieser Gliederung Theil; die Beine,
die Fühlhörner, die Fresswerkzeuge bestehen aus gelen-
kig an einander gefügten Ringen oder Cylindern. Die
äussere («liederung entspricht aber der Form des Ner-
vensystems. Der Käfer besitzt nämlich längs der Unter-
Einleitung. 17
Seite die sogenannte Bauchganglienkette, eine Wiederho-
lung gleichartiger Elemente; ein vorderer, durch zwei
Paar Nervenknoten und ihre Verbindungsstränge gebilde-
ter Ring umfasst den Schlund. Wir haben im Käfer den
Repräsentanten einer dritten Grundform, derjenigen der
Gliederthiere.
Zu den Gliederthieren rechnete Cuvier ausser den
Insecten , Spinnen und Krebsen auch den grössten Theil
der Würmer, von welchen letzteren er dagegen in nicht
zu rechtfertigender Weise die Eingeweidewürmer ab-
zweigte , um sie mit seinem Typus der Strahlthiere zu
vereinigen. Es sind physiologische und morphologische
Gründe genug vorhanden, um die gesammten
Würmer
als einen eignen Typus den übrigen anzureihen. Ihr Kör-
per zerfällt zwar oft noch in Segmente und Ringe, diese
verhalten sich aber fast indifferent gegen einander, bei-
nahe gleichwerthig vom Kopf bis zum Hinterende, und in
ihnen wiederholen sich daher oft die inneren Organe in
einer Weise , wie es bei den eigentlichen Gliederthieren
nie statt findet. Nie besitzen die Würmer gegliederte
Anhänge als Bewegungsorgane, letztere bestehen bei ih-
nen vielmehr hauptsächlich in einer allgemeinen subcu-
tanen Musculatur, während unter andern die bei ihnen
sehr zurücktretende Bedeutung des Chitins *) und da-
gegen das mannichfache Vorkommen von inneren und
äusseren Flimmerorganen wichtige physiologische Abzei-
chen von den Gliederthieren geben. Mehrere Klassen
der Würmer besitzen gar nicht das vorzüglichste Merk-
mal der Gliederthiere, die Gliederung.
') In Aelzkali unlösliche, stickstoffhaltige Substanz, C]
2
18 Einleitung.
Wenden wir uns nun zur Feststellung einer fünften
Grundform.
Bei den vorhergehenden Typen, selbst bei den mei-
sten Weichthieren, wird der Körper durch eine Längsaxe
in zwei symmetrische Hälften zerlegt; die in der Axe lie-
genden Organe pflegen in der Einzahl, unpaarig, Torzu-
hommen, die übrigen paarig. Bei den Weichthieren ist
zwar diese Symmetrie nach der langen Axe des Körpers,
nach rechts und links, sehr oft gestört, doch lassen sich
auch die scheinbar unsymmetrischsten Gestalten auf das
Princip seitlicher Symmetrie zurückführen, und eine grosse
Reihe von Schnecken ohne Gehäus und zweischaligen Mu-
scheln giebt den unzweideutigsten Beleg dafür.
In den Strahlthieren lernen wir nun einen durchaus
anderen Baustyl kennen. Wer sich nur einige Tage an
der Meeresküste aufgehalten, hat gewiss die so häufig von
den Wellen an's Land geworfenen Seesterne gesehen, die
schon der Name als Strahlthiere bezeichnet. Haben auch
einige scharfsinnige Naturforscher auf eine gewisse seit-
liche Symmetrie , ein Rechts und Links der Asteriden hin-
gewiesen, so veranschaulichen doch gerade sie sehr voll-
kommen die wesentlichen Sonderheiten des fünften Thier-
tj^pus. Der Körper ist nicht durch eine Längsaxe determi-
nirt, und danach sein Vorder- und Hintertheil bestimmt,
sondern geordnet um einen Mittelpunct oder um eine Ober-
und Unter-, Rücken- und Bauchfläche verbindende Axe,
von wo die Organe in mehreren oder vielen Richtungen
ausstrahlen. In diesem Centrum pflegt die 3Iundöfl'nung
zu liegen, umgeben von einem Kreise von Fühlfäden und
Tentakeln. Auch die Magenhöhle ist in der Regel eine
mittlere, mit oder ohne strahlenförmige Aussackungen und
Anhänge, immer in Uebereinstimmung mit der Grundzahl
des Strahlensystems.
Einleitung. 19
Bei den flachen Formen der Seesterne ist es von selbst
einleuchtend, dass die Unterscheidungen von vorn und hin-
ten ganz zurücktreten , Avährend das Oben und Unten , die
Bauch - und Rückenseite sich besonders bemerklich ma-
chen, und sich mit Leichtigkeit in dieser Richtung eine
Axe denken lässt.
Wir nennen die Seesterne nebst den sich ihnen an-
schliessenden Formen
S t r a h 1 1 h i e r e.
Zwar hat Joh. Müller gewichtige Bedenken vorge-
bracht gegen die Zulässigkeit einer Grundform Radiata,
allein bis jetzt scheint uns doch das gänzliche Aufgeben
des Typus der Strahlthiere noch nicht gerathen. Die
Schwierigkeit liegt in der Unterbringung der Infusorien
und der den Infusorien verwandten Thiere. Sollten sich
die erst in den letzten Jahren ihrer Structur nach etwas
bekannt gewordenen Thalassicolen , Polycystinen und
Acanthometren noch als ächte Infusorien legitimiren,
was bis jetzt weder bei ihnen noch bei den Polythala-
mien der Fall ist, so lässt sich allerdings der AusAveg,
den die Systematik alsdann einzuschlagen, noch nicht ab-
sehen.
Jetzt, nach dem Hinweis auf die Schwierigkeiten,
Avird es wenigstens erlaubt sein, die Abtheilung Strahl-
thiere provisorisch als Regulativ beizubehalten.
Gliederung und Unterordnung der Typen *).
Die Typen werden, wie gezeigt, durch das Vorwal-
ten gewisser Organe und die Art der allgemeinen An-
*) Ueber dieses Thema ist die classische Abhandlung von Carl
2*
20 Einleitung.
Ordnung der Körpertheilo bestimmt; sie lassen sich darin
den architectonischen Baustylen vergleichen, die in ih-
ren verschiedenartigen Ausführungen an feste Prineipien
und Regeln gebunden sind.
Jeder der thierischen Baustyle ist zu sehr verschie-
denen Zwecken verwendbar; die einen Gliederthiere sind
für das Wasserleben gebaut, die andern für das Luft-
leben ; im Fisch ist der Wirbelthierorganismus zum
Scln\immen modificirt, im Vogel zum Fliegen; im Am-
phioxiis ist die Idee des AVirbelthierstyles ganz ärmlich
zur Erscheinung gebracht, im Menschen in ihrer höch-
sten Entwicklung, mit Schmuck und Beiwerk. Und solche
einfache Betrachtungen lehren, dass innerhalb der Grän-
zen jeder thierischen Grundform ein Fortschritt vom Nie-
deren zum Höheren statt findet, so dass also bei der
Bestimmung des einzelnen Thieres zwei Hauptfactoren zu
berücksichtigen sind , der Typus und die Stufe innerhalb
des Typus. Jeder Typus zeigt sogar mehrere Reihen der
Entwicklung, Klassen, deren Glieder niedriger und höher
stehen, und welche mit ihren Spitzen und Ausläufern je
nach Anlage und Mitteln eine grössere Ausbildung er-
reichen.
Hat man sich mit der Vorstellung der verschiedenen
Grundformen und der schon durch sie bedingten Mannich-
faltigkeit der thierischen Erscheinung befreundet, so
knüpft sich hieran leicht die Einsicht in die Mittel zu
weiterem Formenreichthum innerhalb bestimmter Kreise.
Die französischen Naturforscher vergleichen den thieri-
schen Organismus gern mit einer Maschine, von welcher
Ernst von Bär zu vergleichen, welche die letzte Abtheilung der
„Beiträge zur Kenntniss der niederen Thiere" bildet, Nov. Act. Acad.
Caes. Leop. Bd. XIII. 2.
Einleitung. 21
gewisse Leistungen , aber im eigenen Dienste und zum
eigenen Besten verlangt werden. In der grösseren oder
geringeren Vollkommenheit und Energie, in der diese
Leistungen vollzogen werden, liegt eine Hauptursache
der Mannichfaltigkeit. Die Industrie erhölit die Leistungs-
fähigkeit einer Maschine auf zwei Arten: entweder er-
höht sie das Maass der Stärke einer gegebenen Maschine,
oder sie vervielfältigt die arbeitenden Theile. Den er-
sten Fall haben wir in Katze und Löwe, nach Zahl und
Verhältniss der Theile völlig gleich, aber nach der Stärke
der Körpermaschine sehr verschieden leistungsfähig. Für
den zweiten Fall bieten die Strahlthiere und die Glie-
derthiere zahlreiche Beispiele.
AVenn ferner die Maschinen - und Fabriksarbeit desto
vollkommener ist, je grösser die Theilung der Arbeit, so
wird auch im thicrischen Organismus eine weitere un-
endliche Mannichfaltigkeit und Abstufung erzielt durch
Theilung und Vertheilung der Verrichtungen. Die Natur
besinnt sich aber lange, ehe sie ein neues Organ für
eine neue Thätigkeit schafft ; sie ist so lange als möglich
sparsam in der Entfaltung der Mittel und verwendet ein
und dasselbe Organ, indem sie es oft bis zur Unkennt-
lichkeit umgestaltet, zu selir verschiedenen Thätigkeiten.
Hinwiederum werden Organe, die in dem einen Organis-
mus wohl entwickelt und in voller Function sind, in dem
andern rudimentär und scheinbar zwecklos beibehalten,
weil sie in den allgemeinen Plan gehören. Diese Umge-
staltungen und Verhüllungen von der Anlage nach glei-
chen, der Ausführung und Leistung nach verschiedenen
Theilen aufzudecken, ist eben die reizvolle Aufgabe der
vergleichenden Anatomie.
In einer der Klassen jedes Typus werden wir eine
22 Einleitung.
höchste Ausbildung antreffen, wie schon wiederholt an-
gedeutet. Den Werth und den Rang eines Typus wird
man nun nicht nach seinen niedrigen Erscheinungen
schätzen, sondern, wie jede Kraft und Macht, nach den
Hauptleistungen, weil natürlich erst in den höchsten Pro-
ductionen der innere Werth und die Bildungsfähigkeit
an's Licht treten. Hinsichtlich der Rangfolge der Typen
kann nur ein Punkt fraglich sein, ob die Gliederthiere
und im Anschluss an sie die Würmer über die Weich-
thiere zu stellen seien, oder umgekehrt. Ein schlagen-
der, allgemein überzeugender Beweis für das Eine oder
Andre wird kaum zu geben sein. Die seelischen Fähig-
keiten der Gliederthiere entwickeln sich offenbar höher,
als bei den Weichthieren ; körperlich aber scheinen uns
die Cephalopoden in ihren gigantischen Formen den Vor-
rang vor dem Insect zu behaupten.
D i ö T lii e r k 1 a s s e IL
Zur Orientirung über den Gang und die Reihenfolge,
welche in den einzelnen Kapiteln im Allgemeinen einge-
halten werden , ist eine Aufzählung und kurze Diagnose
der Thierklassen nothwendig. Die Systematik nimmt hier
das Resultat voraus, auf welches die vergleichende Ana-
tomie führen soll, indem sie lehrt, wie nach den Bedin-
gungen der Lebensweise, des Aufenthaltes u. s. f. die
Typen modificirt werden und die idealen Baupläne in den
einzelnen Klassen ihre besondere Verkörperung finden.
Da wir keine zootomische Schilderung der Klassen
hinter einander beabsichtigen, sondern die Organe und
Organsysteme vergleiclien, so werden wir uns öftere Ab-
Einleitung. 23
weichungen von der streng systematischen Reihenfolge
erlauben dürfen.
I. Hadiata.
1. Cölenteraten. Coelenterata.
Aeussere und innere Organe in der Vierzahl vor-
handen oder in einem Multiplum von Vier wiederholt.
Sie besitzen einen mit centraler Mundöffnung versehenen
Verdauungsapparat, welcher direct mit einem eigenthüm-
lichen Höhlenapparate des Körpers in Verbindung steht.
Sie zerfallen in folgende Unterklassen:
Polypen. Polypi. Festsitzende, selten freibe-
wegliche Cölenteraten. Der Mund führt in einen be-
sonderen, in die Leibeshöhle hineinragenden und sich in
sie öffnenden Magensack und ist umgeben von hohlen
Fühlern, welche mit der durch radiäre Scheide\^ ände in
einzelne Taschen getheilten Leibeshöhle communiciren.
S c h w i m m p 0 1 y p e n. Sip honophora. Organisch
verbundene Colonieen oder Stöcke, bestehend aus einem
gemeinschaftlichen, blasen-, röhren- oder scheibenför-
migen Theile und daran sitzenden individuenähnlichen
Organen (oder organähnlichen Individuen), welche als
Saugröhren, Taster, Schwimmglocken, Geschlechtscapseln
u. s. f. beschrieben werden. Erst ein Complex solcher
Organe ist äquivalent einem Individuum. Polymorphis-
mus nach R. L e u c k a r t.
Scheibenquallen. Discophora. Körper glo-
eken- oder scheibenförmig. Von der Verdauungshöhle
gehen unverästelte oder verästelte gefässartige Röhren
nach der Peripherie zu einem Ringgefässe. An die äch-
ten Scheibenquallen schliessen sich die sogenannten Hy-
24 Einleitung.
drifovmia an , auch diejenigen ohne freie und medusen-
ähnliche Geschlechtsgeneration. Hydra.
Rippenquallen. Ctenophora. Kugeliger oder
ovaler, contractiler Körper. In der Richtung der Längs-
axe eine verdauende Höhle, die von ihrem Grunde in ein
radiär verlaufendes Canalsystem sich fortsetzt. Flimmer-
organe auf rippenartigen , zwischen den beiden Körper-
polen verlaufenden Vorsprüngen. Zwitter.
2. Stachelhäuter. Echino il ermata.
Die Organsysteme sind gewöhnlich in der Fünfzahl
um einen Mittelpunkt oder die mittlere, Bauch- und
Rückenpol verbindende Axe geordnet. Ihre sehr kalk-
haltige äussere Bedeckung erstarrt oft zu einem beweg-
lichen oder theilweise unbeweglichen Scelete. Ihre Be-
wegungsorgane sind eigenthümliche, durch ein Wasser-
gefässsystem schwellbare Saugfüsschen , meist in regel-
mässigen Reihen, amhidacra.
II. Termes.
3. Infusorien. Infusovia.
Die Infusorien lassen sich keinem der Typen mit
völliger Bestimmtheit unterordnen. In einigen nicht un-
wichtigen Verhältnissen scheint sich uns eine nähere
Verwandtschaft zu den Turbellarien auszusprechen. Alle
ächten Infusorien besitzen eigenthümliche contractile Bla-
sen und eine drüsenartige Kernmasse , die bei der Fort-
pflanzung durch innere Kernbildung, vielleicht sogar als
wahre Geschlechtsdrüse betheiligt ist. Körpergestalt ver-
schiedenartig.
Einleitung. 25
4. Weich- oder Platt würm er. Plalyelmia.
Körperbedeckungen und Parencliym weich und leicht
verletzlich. Keine bestimmte Leibeshöhle; keine Bauch-
ganglienkette , sondern nur ein Doppelganglion in der
Nackengegend, höchstens ein Nervenring, und zwei Sei-
tenstränge. Ein Gefässsystem mit äusseren Mündungen.
Unterklassen sind:
Strudelwürmer. Turbellaria. Nur einzelne
unter ihnen leben als Binnenwürmer oder Schmarotzer.
Ihre Körperbedeckungen tragen einen Flimmerbesatz.
Saug würm er. Tv emato da. Silimarotzer mit
Darmkanal.
Bandwürmer. Cestoidea. Schmarotzer ohne
Darmkanal.
5. Rundwürmer. Nemate Im i a.
Diese Klasse enthält blos Eingeweidewürmer von
cylindrischer oder fadenförmiger Gestalt mit praller, ela-
stischer Hautbedeckung, mit einer deutlichen, weiten Lei-
beshöhle (mit Ausnahme der Gordien) , schwach ent-
wickelter oder kaum angedeuteter Bauchganglienkette und
getrennten Geschlechtern. Acanthocephala. Nematoidea.
Im Anschluss Sagitta.
Während die Platyelmia eine deutlich ausgespro-
chene nähere Verwandtschaft mit den Hirudineen zeigen,
ist auf der andern Seite eine Hinneigung der JSemntelmin
zu den Borstenwürmern unverkennbar. Diese mannich-
fachen durch einander greifenden Beziehungen und der
Umstand , dass auch die Gruppe der Gephyrea (Sipuncu-
Ins etc.) in das System eingereiht sein wollen, erklären
es, dass hier mehr als in andern Partieen die Ansichten
der Systematiker aus einander gehen.
E R A R
26 Einleitung;.
6. R i n g e 1 w ü r m e r. An nu lata.
Sie nähern sich den Arthrozoen durch Anwesenheit
einer Bauchganglienkette und durch das Zerfallen des
Leibes in eine Reibe von Segmenten.
III. Artlirozoa.
7. Rädert hiere. Rotatoria.
Die Räderthiere bilden eine in sich sehr abgeschlos-
sene Gruppe mit Charakteren, die ihre Unterbringung so-
wohl bei den Würmern als bei den Gliederthieren ge-
statten. Es sind Thiere mit gegliedertem Körper und
einem Wimperapparat am Kopfende. Ihr Nervensystem
besteht wenigstens in einem Gehirnganglion und von da
ausstrahlenden Fäden ; überdiess scheinen an verschiede-
nen Organen andre kleinere Ganglien vorzukommen. Ver-
dauungsorgane und Respirationssystem sehr entwickelt.
Kein Herz und keine Blutgefässe. Geschlechter getrennt*).
8. Krebse. Critstacea.
Die Krebse sind diejenigen Gliederthiere, bei denen
die Fähigkeit, gegliederte, den Füssen aequivalente An-
hänge zu tragen , auch auf die Segmente der hinteren
Körperabschnitte, des abdowen und jyostab dornen^ ausge-
dehnt ist, wenn gleich diese Anhänge oft in den abwei-
chendsten Umgestaltungen erscheinen. Die Athmungsor-
gane sind Kiemen in verschiedenartigster Entwicklung
und Lage. Die Klasse zeigt durch sehr wechselnde Aus-
bildung der Segmente und Verschmelzung zu Körperab-
schnitten eine sehr reiche innere Gliederung und erinnert
*) Leydig, Ueber den Bau und die syslemalische Stellung der
Räderthiere. Zeitschrift f. wissensch. Zoolog. 1854.
Einleitung. 27
durch einzelne Formen der Schmarotzerlirebse an die
Würmer, durch eine andre Abtheilung, die Rankenfüsser,
an die gehäustragenden Weichthiere.
9. Tausendfüsser. M yriopoda.
Sind ihrer äusseren Erscheinung nach den Ringel-
Avürmern ähnlich, also vielgliedrig ; alle Segmente tragen
Füsse oder gegliederte Anhänge. Die Athmungswerk-
zeuge Tracheen.
10. Spinnen. Arachnidea.
Kopf und Brust articuliren nicht mit einander, son-
dern sind zu einem Cephalothorax verschmolzen, an wel-
chem sich vier Paar Füsse finden. Athmen durch Tra-
cheen.
11. Kerfe. Insecta.
Ihr Körper zerfällt immer in drei von einander ge-
schiedene Segmentreihen: Kopf, Brust und Hinterleib.
Die drei Brustringe tragen je ein Paar Füsse. Athmen
durch Tracheen.
IV. Mollusca.
12. Kopflose AVei cht hier e. Acephala.
Ein von dem übrigen Körper abgesetzter Kopftheil
ist nicht vorhanden. Der Mantel zeigt sich in seiner
höchsten Entwicklung als eine den Körper vollständig
umgebende Hülle. Die Uebersicht erfordert die Aufstel-
lung mehrerer Unterklassen, nämlich:
Moosthiere. Bryozoa. Sie bilden zusammen-
gesetzte Stöcke , gleich den ächten Polypen , mit denen
viele Zoologen sie vereinigen. In der Form ihres Darm-
28 Einleitung.
kanals, der in einem weiten, mantelähnlichen Hautsacke
aufgehängt ist, schliessen sie sich eng an die folgende
Unterklasse an, in welcher gleichfalls die Coloniebildung
etwas Gewöhnliches ist.
Mantelthiere. Tunicata. Sie besitzen einen
sehr eigenthümlichen dicken, mit zwei Oeffnungen verse-
henen Mantel, der sackförmig oder cylindri&ch ist, nie
blättrig, und Pflanzenzellmembranstoff (cellulose) enthält.
Armfüsser. Brachiopoda. Neben der Mund-
öffnung zwei spiralförmig eingerollte Organe, die wohl
als Taster und Greifwerkzeuge dienen. Die beiden Man-
telblätter versehen die Stelle der Kiemen. Eine zwei-
schalige, regelmässige oder unregelmässige Muschel.
Muscheln. Lamellihranchiata. Unter den
Mantelblättern befinden sich die blattförmigen Kiemen.
Zweischalige Muschel.
13. Kopftragende Weichthiere. Cephalophora.
An ihnen lässt sich fast immer ein die Sinneswerk-
zeuge tragender Kopf unterscheiden, an dem sich auch
die MundöfTnung befindet. Die Unterabtheilungen dieser
Klasse gehen nicht so aus einander, wie die der vorigen,
daher sie im System passender als Ordnungen figuriren.
Pteropoda. Gasteropoda. Hetero2)oda.
14. Kopffüsser. Cej) halopoda.
Sie zeichnen sich unter den Weichthieren durch ihre
morphologische Abgeschlossenheit aus. Charakteristisch
für sie ist der vom Rumpfe deutlich abgesetzte Kopf,
mit langen Armen umstellt, welche als Greif-, Bewe-
gungs - und Tastwerkzeuge dienen.
Einleitung. 29
V. Vertebrata.
15. Fische. Pisces.
Die Fische sind diejenigen Wirbelthiere , deren Or-
ganisation in jeder Beziehung dem AVasserlehen ange-
passt ist. Ihre Gliedmaassen sind in Flossen urag-evvan-
delt. Das Blut legt keinen doppelten Kreislauf zurück,
wendet sich vom Athemorgan nicht erst wieder nach dem
Herzen , sondern wird von dort aus gleich in die Peri-
pherie geleitet. Das Herz besteht nur aus Vorkammer
und Kammer. Die Athmungsorgane sind Kiemen *).
16. Nackte Amphibien. Amphibia.
Körperbedeckungen weich; Hornbildungen sehr ver-
einzelt. Das Herz besteht aus zwei Vorkammern und
einer Kammer. Das Gehörorgan ist ohne Schnecke. Ihre
Entwicklung ist einfacher, fischähnlich, indem z. B. die
Allantois eine sehr untergeordnete Rollo spielt.
17. Beschuppte Amphibien. Reptilia.
Die Körperbedeckungen verhornen, verknöchern so-
gar zum Theil. Das Herz besteht aus zwei Vorkammern
und zuei unvollständig geschiedenen Kammern. Das Ge-
hörorgan ist mit einer Schnecke versehen, wie bei den
Vögeln, mit denen auch ihre Entwicklung eine weit grös-
sere Uebereinstimmung zeigt, als mit den nackten Am-
phibien.
*) Von einzelnen merkwürdigen Ausnahmen, in denen die Am-
phibienorganisation herübertrilt, wird natürlich an ihrem Orte die
Hede sein.
30 Einleitung.
18. Vögel. Aves.
Noch bestimmter als im Bau des Fisches tritt im
Vogel die Anpassung der Organisation an einen gewis-
sen Zweck hervor. Dass der Vogel das vorzugsweise
für den Flug bestimmte Wirbelthier ist, lässt sich an
seinem Aeusseren und Inneren bis in's Einzelnste nach-
weisen. Die Vögel besitzen ein Herz mit vier vollstän-
dig gegen einander verscliliessbaren oder verschlossenen
Abtheilungen. Flügel. Federbedeckung. Eierlegen.
19. Säugethiere. 31 a mm a Ha.
Herz wie bei den Vögeln. Entwicklung der Eier
im Uterus. Milchdrüsen.
Einige allgemeine literarische Hülfsmittel:
J. F. Meckel, System der vergleichenden Anatomie. Halle, 1821 —
1833.
Cuvier, Le^ons d^anafomie comparee. See. ed. Pan« 1835 — 1843.
V. S i e b 0 1 d und S t a n n i u s , Lehrbuch der vergleichenden Anato-
mie. Berlin, 1845. 1848. II. Theil. 1. u. 2. Heft. 2. Aufl.
1854. 1856.
Bergmann und Leuckart, Anatomisch -physiologische Ucbersicht
des Thierreichs. Vergleichende Anatomie und Physiologie.
Stuttgart, 1851.
V. Carus, System der thierischen Morphologie. Leipzig, 1853.
Wagner, Icones zootomicae. Handatlas zur vergleichenden Anato-
mie. Leipzig, 1841.
Carus, Otto, d'Alton, Erläuterungstafeln zur vergleichenden
Anatomie. Leipzig, 1826 — 1853.
0. Schmidt, Handallas der vergleichenden Anatomie. 2. Abdruck.
Jena, 1854.
V. Carus, Icones zootomicae. 1. Abiheilung. Wirbellose Thiere.
Leipzig, 1857.
Einleitung. 31
Ännales des seien ces naturelles. Paris.
Archiv für Anatomie und Physiologie, herausgegeben von
J. 31 ü II er. Berlin.
Archiv für Naturgeschichte, gegründet von Wiegmann.
Berlin.
Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, herausgege-
ben von Kölliker und v. Siebold. Leipzig.
As s mann, Quellenkunde der vergleichenden Anatomie.
Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere.
Frankfurt a. M., 1857.
Schlossberger, Die Chemie der Gewebe des gesammten Thier-
reiches. Leipzig und Heidelberg, 1856.
Erster Abschnitt.
Die Organe der Emiifliiduiig^.
Erstes Kapitel.
Das IV^ervensyisteiti.
1. Das Nervensystem der Strahlthiere.
Die wenigen , über das Nervensystem der Polypen
gemachten Beobachtungen sind unsicher. Bei den glocken-
förmigen Individuen der Hydroiden will man um den
Magen herum einige Ganglien bemerkt haben, und bei den
Medusen sind im Scheibenrande Nervenknoten wahrzu-
nehmen.
Vollständiger ist das Nervensystem der Rippen-
quallen beschrieben. Sie besitzen eine Art von Ner-
venring mit ein Paar gelblichen Nervenknötchen, welcher
den Trichtercanal umfasst und an die Schwimmplättchen-
reihen Nerven absendet. Nach Gegenbaur sollen diese
Fäden an jedem Plättchen eine Anschwellung bilden.
Am klarsten in diesem Typus und am weitesten zu
verfolgen tritt aber das Nervensystem bei den Echino-
d e r m e n hervor. Der Centraltheil stellt gleichfalls einen
Schlundnerveniiiig dar, der aber häufig, der Körperform
und dem Strahlensystem entsprechend, die Gestalt eines
I. Absclm. 1. Kap. Das Nervensystem. 33
Fünfecks angenommen hat. Fünf von den Ecken dieses
Pentagons entspringende Hauptnerven verbreiten sich, von
den Hauptgefässen begleitet, an die Ambulacralfelder, sich
bis in die Spitzen der Ambulacralbläschen verzweigend.
So ist es auch bei den Holothurien, deren Tentakeln
ebenfalls Nerven von dem Schlundringe empfangen.
2. Das Nervensystem der Würmer und
Arthropoden.
Die Bemerkung, die a\ ir eben gemacht, dass das Ner-
vensystem sich nach dem allgemeinen Plane der Abtheilung
richtet, oder die äussere Thierform Ausdruck der inneren
Nervenanordnung ist, wiederholt sich auch bei den Wür-
mern und Arthropoden, wo wir Schritt vor Schritt an dem
Nervensystem die Modificationcn der Typen verfolgen kön-
nen. Cuvier erblickte in Würmern und Arthropoden
nur einen Typus; auch ihr Nervensystem zeigt viel Ueber-
einstimmendes , so dass es uns am zweckmässigsten er-
scheint, die Entwicklung jenes Systems von seinen ein-
facheren, so zu sagen reducirten Formen bei den Strudel-
würmern und Schmarotzerkrebsen bis zu den das Glieder-
thier in seiner Reinheit darstellenden Gestaltungen bei In-
secten und Fühlerwürmern der Art zu durchmustern,
dass wir dabei die strenge zoologische Folge ausser Acht
lassen.
Als das Vorbild des Nervensystems eines Gliederthie-
res ist eine Ganglienkette anzusehen, bestehend nach An-
zahl der Körpersegmente aus paarigen Nervenanschwellun-
gen oder Ganglien, die sowohl durch Quercommissuren
als Längsstränge verbunden sind. Diese Nervenkette liegt
unterhalb des Darmkanals, also an der Bauchseite, mit
Ausnahme des ersten Ganglienpaares, welches über dem
34 I- Abschn. Die Organe der Empfindung.
Schlünde liegt, diesen also mit seinen Commissuren und
dem zweiten Paare umfasst. Man nennt dieses erste Paar
das Gehirn. Von ihm entspringt oft ein gesondertes
System von Ganglien und Nerven, welches den Darmkanal
versorgt und deshalb mit dem sympathischen Nerven
der Wirbelthiere zu vergleichen ist. Wir betrachten daher
nach einander a) das Gehirn, b) die Bauchganglienkette
oder den Bauchstrang, c) den sympathischen Nerven
der Würmer und Arthropoden.
a) Das Gehirn.
Selbst in denjenigen der von uns aufgezählten Thier-
klassen, bei denen der übrige Stammtheil des Nervensy-
stems wenig oder nicht entwickelt ist, findet sich doch in
der Schlund- oder Nackengegend das sogenannte Gehirn.
Bei den Turbellarien sind die beiden Gehirnganglien
bald getrennt bald mehr oder minder verschmolzen , und
diese in derselben Ordnung zu beobachtende Verschmel-
zung lehrt uns, auch da, wo solche Uebergänge fehlen,
die ursprüngliche Duplicität vorauszusetzen. Ein solches
unpaares Ganglion ist bei einigen Schmarotzer kreb-
sen ( Chondro canihus) wahrgenommen, wie auch bei den
Lophyropoden eine unpaare, vor dem Schlünde ge-
legene und mit seitlichen Commisuren und Lappen ihn
umfassende Gehirnmasse zu bemerken (am leichtesten bei
Daphnia *)). Damit lässt sich recht gut das grosse, oft
*) Dass eine wohl entwickelte Bauchganglienkette nebst Schlund-
ring jedoch schon bei diesen sogenannten niederen Krebsen vorkommt,
hat Zenker gezeigt, von Cythere lutea (Anatom, system. Studien
über die Krebsthiere. Berlin, 1854. Taf. IV. Fig. 11. Auch im Archiv
f. Naturgesch. XX.).
1. Kap. Das Nervensystem. 35
aus mehreren lileinen Kugeln zusammengesetzte Nacken-
ganglion der Räderthiere vergleichen. Geschieden,
aber durch eine verhältnissmässig breite Commissur ver-
bunden sind die beiden Gehirnganglien verschiedener
Rhabdocölen. Die Nemertinen weichen von den
übrigen Strudelwürmern ab, indem ihre beiden ansehn-
lichen Hirnganglien durch zwei, über und unter dem
merkwürdigen Rüssel weggehende Commissuren verbun-
den sind. Noch weiter getrennt sind sie bei einigen
Helminthen (namentlich Trematoden). Uebrigens hat,
Avas wir auch für den Bauchstrang zu bemerken haben,
der höhere oder geringere Grad der Verschmelzung auf
die systematische Stellung keinen Einfluss. Denn in den
höheren Ordnungen zeigen sich dieselben Verschmelzun-
gen, ohne dass sich ein bestimmtes Gesetz darin aus-
spräche, nur dass sich in der Periode des embryonalen
Lebens meist eine vollständige Scheidung nachweisen
lässt, so z. B. bei dem Flusskrebse, bei dem im erwach-
senen Zustande das Gehirn als eine einzige Masse er-
scheint. In diesem Sinne spricht man auch bei den Spin-
nen und vielen Insecten, wo die Duplicität des Gehirn-
knotens oft nur durch eine leise Furche angedeutet ist,
von einem Gehirnknoten. Bei den Ringel würmern
zeigt das Gehirn eine Neigung zu seitlichen, lappenarti-
gen Ausbreitungen mit sehr bestimmt geformten, man-
nichfach ausgeschnittenen Conturen , Avovon man sich,
wenn Meerwürmer fehlen, an unserer Nais diaphana
(Chaetogaster diaphamis) überzeugen kann. Die haupt-
sächlichsten von den Gehirnganglien entspringenden Ner-
ven sind diejenigen für die dem Kopf angehörenden Sin-
nesorgane.
3 *
36 I- Absclin. Die Organe der Empfindung.
b) Bauchnervenstrang.
Wenn die Entwicklung der Bauchganglienkette, wie
wir schon angedeutet, Hand in Hand mit der äusserlich
ausgeprägten Gliederung geht, so werden wir sie bei
denjenigen Würmern am unvollständigsten zu erwarten
haben, die in keiner Lebensperiode gegliedert sind. So
beschränkt sich denn in der That bei den Platyelmia
der Bauchtheil des Nervensystems auf zwei von den Ge-
hirnganglien entspringende Fäden , die , ohne unterwegs
wieder Anschwellungen zu bilden, ohne gegenseitig zu
anastomosiren , seitlich nach hinten verlaufen. Bei den
Sipunculoid en ist sogar nur ein, wie es scheint, auch
ursprünglich einfacher Strang vorhanden , der von einem
Schlundringe kommt und, ohne Anschwellungen zu bil-
den, Seitenzweige abgiebt. Die vielen Ganglien und Ner-
venfäden, die bei den Rädert hieren gefunden sind,
scheinen sich nicht auf den Typus der Nervenkette zurück-
führen zu lassen, indem sie sehr zerstreut, obgleich sym-
metrisch liegen, nach den paarigen oder unpaarigen Or-
ganen, welche sie versorgen*). So unendlich verschieden
nun im Uebrigen die äussere Gliederung ausgesprochen
ist, so vielfach variirt auch die Bauchkette, theils indem
die zu einem Paare gehörigen Knoten in einen zusam-
menrücken, theils indem die Ganglienpaare sich einander
nähern und verschmelzen oder ganz verschwinden; und
*) Ich darf nicht unerwähnt lassen, dass Leydig diese Organe
der Räderthiere, die ich für Nerven und Ganglien erklären zu müs-
sen glaubte, für ein Bindgewebe hält, das zur Fixirung der Einge-
weide dienen soll. Ich darf jedoch auch mit Bestimmtheit behaup-
ten, dass bei den von mir untersuchten Gattungen, Hydatina, Bra-
chionus u. a. die fraglichen Ganglien nie als helle Blasen (nach
Leydig's Angabe), sondern als solide Massen erschienen sind.
1. Kap. Das Nervensystem. 37
dieselben Verschmelzungen, welche durch die Ordnungen
gehen, finden sich in dem Individuum in der Reihe seiner
Metamorphosen wieder. Behalten wir den letzteren Fall
zunächst im Auge, weil er uns den Maassstab an die
ähnlichen Verhältnisse legen lehrt; und zwar wird es
ganz gleichgültig sein , aus welcher Thierklasse wir das
Beispiel wählen. An der Schmetterlingsraupe zählt man
zwölf Ringe, und ihnen entsprechen, ausser dem Gehirn
und dem kleinen Ganglion infraoesophageuw, elf Bauch-
knoten. Im ausgebildeten Schmetterlinge, wo die Brust-
ringe zum Thorax mit einander verbunden sind, sind auch
die Brustganglien in gleichem Grade, zu zweien, ver-
wachsen, und im Hinterleibe, dessen Bewegungsthätigkeit
zurückgetreten, sind gleichfalls mehrere Ganglien zurück-
getreten oder verschwunden. Gleicherweise sind in frü-
heren Embryonalperioden bei den meisten der Glieder-
würmer und Arthropoden d!e Bauchstränge noch
völlig getrennt wahrzunehmen, die später, so wie die
Ganglien, sich vereinigen. Insofern man nun den Schmet-
terling für höher entwickelt hält als seine Raupe, den
zur Fortpflanzung fähigen Wurm für vollendeter als sei-
nen Embryo, scheint der Schluss gerechtfertigt, dass, je
concentrirter die Bauchganglienkette, desto höher auch
der systematische Rang des Thieres sei. So viel diese
Ansicht für sich hat, erleidet die Regel doch grosse Be-
schränkungen ; der Blutegel hat, in regelmässigen Abstän-
den von einander , viel weniger Ganglien als Körperseg-
mente , dagegen liegen beim Regenwurm in den zahlrei-
chen Ringen die Ganglien so nahe bei einander, dass die
Längscommissuren fast verschwinden und ein scheinbar
einfacher dicker Nervenstrang hergestellt wird. Oder,
wenn dies Beispiel nicht genügt, nehme man zwei Gat-
38 1- Abschn. Die Organe der Empfindung.
tungen derselben Familie: bei Clepshie kommt auf drei
Ringe, bei Nephelis auf fünf Ringe ein Bauchganglion.
Welche auffallende Verschiedenheiten sonst zusammen-
gehörige Gruppen darbieten, kann man ferner bei den
Decapoden sehen. Unser gemeiner Flusskrebs, Asia-
cus fluviatills, hat, ausser dem Gehirn, sechs Thoracal-
und sechs Abdominal -Ganglien; bei der Krabbe, Cancer
maenas^ ist, dem Gehirn durch längere Comraissuren ver-
bunden, nur ein einziges grosses, jene zwöM Knoten er-
setzendes Brustganglion vorhanden.
Es führt diese Form unmittelbar zu der der Arach-
niden, namentlich der Araneen, wo mit der grösseren
Einheit des Cephalothorax und dem ungegliederten Abdo-
men die ganze Bauchganglienkette auch durch ein einziges
grosses Bauchganglion vertreten ist. Es kommen mehrere
Ganglien hinzu, sobald die Körpergliederung äusserlich
weiter bemerkbar ist; und so weist der Scorpion, an des-
sen gegliederten Hinterleib sich ein gegliederter Schwanz
anschliesst, ausser dem grossen, aus der Verschmelzung
mehrerer entstandenen Brustganglion, noch eine Reihe
nachfolgender Ganglien auf.
Was endlich die Insecten betrifft, so können wir
uns mit der Bemerkung begnügen, dass hier am constan-
testen ein durch Form und Grösse wenig ausgezeichne-
tes, durch die den Schlund umfassenden Commissuren mit
dem obern Gehirnganglion verbundenes unteres Schlund-
ganglion vorkommt, dann drei Thoraxganglien und eine
Reihe von Abdominalganglien. Es liegt ausser unserm
Zwecke, die mannichfachen Modificationen dieser Anord-
nung durchzugehen, und muss diess einer specielleren Zoo-
tomie und Zoologie überlassen bleiben. Wir hatten nur den
allgemeinen Plan in seinen Ilauptzügen vor Augen zu legen.
1. Kap. Das Neryensystem. 39
Die Nerven für die verschiedenen Organe entsprin-
gen im Allgemeinen aus den ihnen zunächst liegenden
Ganglien; so aus dem unteren Schlundganglion die Ner-
ven der Mundwerkzeuge und Palpen, die Fuss- und Flü-
gelnerven aus den Thoracalganglien, Avährend natürlich
bei den Krabben und Spinnen das einzige grosse Brust-
ganglion sämmtliche, vom Gehirn nicht versehene Par-
tieen mit Nerven versorgt.
c) Eingeweidenervensystem.
Dass eine in früheren Jahren geltend gemachte, in
unrichtigen naturphilosophischen Voraussetzungen wur-
zelnde Hypothese, das gesamm(e Nervensystem der wir-
bellosen Thiere und besonders der AVürmer und Arthro-
poden entspräche dem System der Eingeweidenerven der
Wirbelthiere, falsch sei, beweist das Vorkommen eines
besonderen Eingeweidenervensystems bei jenen. Schon
bei dem Blutegel sind drei kleine, in der Nähe des
Gehirns liegende, mit demselben und unter einander
durch zarte Fäden verbundene Ganglien als dem vege-
tativen System angehörig zu deuten, indem von ihnen
aus ein unpaarer Nerv den Darmkanal begleitet. Aehn-
lich verhält es sich bei einigen Ordnungen der Crusta-
ceen (Decapoden, Squillinen u. a.) , den Araneen und
den meisten Insecten. Theils ist ein unpaariger (va-
fjus) ^ vom Gehirn entspringender Nerv vorhanden (De-
capoden), oder ein Nervenpaar, das aus zwei seitlichen
Ganglien entspringt (sywpathiciis , z. B. bei den Onisci-
den), oder endlich finden sich beide, der in diesem Falle
aus einem kleinen ganglion frontale kommende soge-
nannte vagus und der sympathicus , so bei den Insecten.
40 !• Abschn. Die Organe der Empfindung.
3. Das Nervensystem der Weichthiere.
a) Ner V encentra. Schlundring. Körp er nerven.
Um die Anordnung des Nervensystems der Acepha-
len zu verstehen, muss man dasselbe erst bei den Ce-
phalophoren , namentlich den Gasteropoden kennen
gelernt haben. Bei diesen besteht die Centralmasse des
Nervensystems aus mehreren Paaren von Ganglien, wel-
che, unter einander durch einfache oder doppelte Com-
missuren verbunden, einen Schlundring oder Nervenhals-
hand bilden. Auch hier wird die obere, auf dem Schlünde
liegende Partie das Gehirn genannt, und dieses sowohl
als die unteren Ganglienmassen zeigen in den verschie-
denen Unterabtheilungen sehr verschiedene Grade der
Verschmelzung; daher z.B. unsere Helix und Limaoc nur
ein Gehirnganglion und ein unteres Schlundganglion zu
haben scheinen. Als Norm möchte jedoch anzusehen sein,
dass das Gehirn aus zwei Ganglien, die untere Portion
aber aus zwei Paar Ganglien bestellt, einem vorderen,
das vorzugsweise die Sohle, und einem hinteren, das die
Kiemen und Eingeweide mit Nerven versorgt. Dass aber
auch hierin noch differente Bestandtheile enthalten sind,
beweist das häußge Vorkommen accessorischer Knöt-
chen.
Bei manchen Nacktkiemern sind die drei Paare Gang-
lien so an einander nach oben gerückt, dass sie schein-
bar eine einzige Masse hilden. Ihre Trennung ist jedoch
durch Furchen und Einschnitte angedeutet, und nach den
einzelnen , daraus entspringenden Nerven lassen sich diese
Abtheilungen leicht als die Gehirn-, Fuss- und Kiemen-
ganglienmasse deuten.
Die Nerven für die Lippen, Tentakeln, Augen, bis-
1. Kap. Das Nervensystem. 41
weilen auch Gehörorgane und Geschlcchtswerlizeuge (penis
bei Helix) entspringen aus dem Gehirn.
Halten wir uns nun daran , dass eigentlich sowohl
die Fussganglien , d. h. das vordere Paar der untern
Schlundportion, als die Kicmenganglien, das hintere Paar,
durch besondere Commissuren mit dem Gehirn verbunden
sind, so ergiebt sich, Avie das Nervensystem der Ace-
phalen, namentlich der Lamellibranchiaten, auf
jene Form sich zurüclvführen lässt.
Die Lamellibranchiaten haben drei Paar Gang-
lien : das eine liegt auf dem Schlünde und unter dem
vorderen Schliessmuskel , es entspricht dem Gehirn der
Gasteropoden j das andere im Fusse, und seine Verbin-
dungsstränge mit dem Gehirn schliessen den Schlundring;
das dritte Paar liegt noch weiter von dem Gehirn ent-
fernt, am hinteren Schliessmuskel. Es versieht vorzugs-
weise die Kiemen und entspricht dem hinteren der un-
teren Schlundganglienpaare der Gasteropoden, seine zum
Gehirn führenden Commissuren den Commissuren jenes.
Von diesem Typus entfernen sich freilich die mit den
Lamellibranchiaten verbundenen Ordnungen , am meisten
die Tunicaten, indem man bei den x\ seidien nur ein
einziges, in dem Winkel zwischen Kiemen- und Afler-
öffnung gelegenes Ganglion, bei den Salpen aber eine
am Rücken befindliche, aus mehreren Ganglien bestehende
Nervenmasse entdeckt hat. Die Form des bei einigen
Bryozoen (Alcyonella, Tendra) beobachteten Schlund-
nervenringes erinnert an die Ascidien.
Die im Kopfe der Cephalopoden befindliche Cen-
tralmasse des Nervensystems mit dem Gehirn der Wir-
belthiere zu vergleichen , hat man sich um so mehr be-
rechtigt geglaubt, als sie von einer, einer Schädelkapsel
42 !• Abschn. Die Organe der Empfindung.
ähnlichen Knorpelhöhle umgeben ist. Nichtsdestoweniger
haben wir auch hier, dem Typus der Mollusken gemäss,
einen vom Schlund durchsetzten Ring, nur mit grösserer
Consolidirung und Anhäufung der Ganglienmasse. Die
obere Partie, und diese allein darf man, Avenn man die
Analogie mit den Gasteropoden festhalten will, Gehirn
nennen, ist an Umfang die kleinere und scheint vorzugs-
weise nur einige Nerven an die Mundtheile zu schicken.
Die untere Abtheilung giebt nach vorn die ansehnlichen
Armnerven ab; seitlich entspringen mit kurzen Stielen
die grossen Augenganglien, nach hinten die Gehörnerven,
ein Paar feinere Trichternerven und ein Paar starke Ner-
ven für den Mantel, an dessen innerer Rückenfläche sie
zu zwei grossen Ganglien (gangUa stellata) anschwellen,
von denen sich strahlenförmig viele Mantelnerven aus-
breiten. Dies ist die Anordnung bei den Zweikiemern,
wovon die Nautilinen beträchtlich abweichen. Die
obere Schlundganglienmasse ist bei ihnen mehr entwickelt,
aus ihr entspringen die Sehnerven. Die untere Portion
besteht deutlich aus zwei Paar Ganglien, aus deren vor-
derem die Tentakel- und Trichternerven, aus deren hin-
terem die den Mantelnerven der übrigen Cephalopoden
analogen Nerven für Schlund- und Schalenmuskeln ent-
springen.
b) Eingeweidenervensystem.
Ein sympathisches System ist in allen drei Klassen
der Mollusken gleichfalls nachgewiesen, am bestimmtesten
ausgeprägt bei den Cephalophoren und Cephalo-
poden. Bei jenen liegen zwei kleine, mit dem Gehirn
in Verbindung stehende Knötchen an den hinteren und
unteren Scitentheilen des Pharynx (hinter dem Schlund-
1. Kap. Das Nervensystem. 43
ringe also bei denjenigen Schnecken, deren Sclilundring
den vorderen Theil des Schlundkopfes umfasst, z. B. bei
Heliüc). Diese Knötchen versorgen den vorderen Theil
des Darrakanals, oder machen mit ihren Nerven allein
das sympathische System aus, wo nicht noch ein unpaa-
riges, seltner paariges Ganglion im Hinterleibe liegt, von
welchem dann die Nerven für den hinteren Eingeweide-
theil, Geschlechts- und Respirationsorgane, so weit diese
nicht schon direct vom Schlundringe versorgt sind, aus-
gehen. Ganz ähnlich verhält es sich bei den Cepha-
lopoden. Zu dem unter dem Schlundkopf, welches den
beiden Pharyngealganglien der Gasteropoden gleich zu
achten, tritt bei den Loliginen ein zweites, auf dem
Schlundkopfe liegendes Ganglion. Diese sind für den
Pharynx und den darauf folgenden Theil des Darmkanals
bestimmt. Ein auf dem 3Iagen liegendes Ganglion, das
durch einen in seinem mittleren Verlaufe gespaltenen
Nerven mit dem unteren Schlundganglion in Verbindung
steht, entspricht dem Magentheile der Gasteropoden.
Bei den L a mellibranchiaten, bei denen allein
unter den Acephalen Eingeweidenerven haben verfolgt
werden können, scheinen dieselben im Allgemeinen ohne
eigenthümliche Centra zu bestehen, indem sie ihren Ur-
sprung aus den Commissuren der oben betrachteten Kör-
perganglienpaare nehmen.
Ueber das Nervensystem der Ctenophoren sehe man Gegenbau r,
Studien über Organisation u. Systematik d. Clen. Wig-
m a n n's Archiv XXII.
Krohn, Ueber die Anordnung des Nervensystems der Echiniden und
Holothurien im Allgemeinen. Müller's Archiv 1841.
Derselbe, Ueber das Nervensystem des Sipunculus. Müller's
Archiv 1839.
44 I- Abschn. Die Organe der Empfindung.
Quatrefages, Siir le Systeme nerveux des anneUdes. Annales
des Sciences nat. 1844. 1850.
Sehr schöne Untersuchungen über das Nervensystem der Nemertinen
von demselben in Annal. des scienc. nat. 1846. (Memoire
suT les Nemertiens.)
lieber das Nervensystem der Rhabdocölen sind die ausführlichsten Mil-
ilieilungen gegeben von 31. Schnitze in seinen Beiträgen zur
Naturgeschichte der Turbellarien. Greifswald, 1851.
Audouin et 31ilne Edwards, Recherches anatomiqnes sur le
Systeme nerveux des Crusiaces. Ann. des sc. nat. 1828. (Isis
1834.)
Blanchard, Sur le Systeme nerveux des insectes. Ann. des sc.
nat. 1846.
Nordmann, lieber das Nervensystem von Flumatella und Tendra
in den Observations sur la Faune pontique (in Demidoff's
Reise) S. 670 und 709.
Blanchard, Recherches sur le Systeme nerv, de Mollusques gaste-
ropodes. Vinstitut. 584. 1845.
Hinsichtlich des Nervensystems der Gattung Doris, als eines Ilaupt-
repräsentanten der Nacktkiemer, kann man die excelhnte Ar-
beit von Hancock und Emblclon vergleichen: On the ana~
iomy of Doris. Philosophical transactions. 1852. II.
lieber das Nervensystem der Ccphalopoden vergleiche man Brandl's
genaue Untersuchungen an Sepia officinalis in der Medizini-
schen Zoologie von Brandt und Ratze bürg. Berlin, 1829.
Joh. 3Iüller, Ueber ein eigenthümliches, dem Nervus sympaihicus
analoges Nervensystem der Eingeweide bei den Insecten. Nov.
act. nat. cur. Vol. XIV. 1828. Darüber auch Brandt in der
Isis, 1831.
Brandt, Ueber den 3Iundmagen- oder Eingeweidenerven der Ever-
tcbralen. Mem. de Fetershourg. 6. ser. sc. nat. I. 1835.
Kap. 1. Das Nervensystem. 45
4. Das Nervensystem der Wirbelt liiere.
a) Das Gehirn.
Die Geliirnformation der niederen Wirbelthierklas-
sen, namentlich der Fische, lässt sich in fruchtbarer Weise
auf fötale Zustände des Säugethier- und Vogelgehirns
zurückführen, daher wir, ehe wir das Fischgehirn be-
schreiben und deuten, eine für die Kcnntniss der Ent-
wicklung des Gehirns sehr ^^ichtige Stelle aus von Bär's
Werk überEntAvicklungsgeschichte der Tliiere,
Theil II. S. 106 f. Avörtlich anführen:
„Die erste Eigenthümlichkeit, die in dem vorderen
Ende der Medullarröhre sich offenbart, ist ihre grössere
Weite, die nächste ist die Neigung, in einzelne Abschnitte
sich zu sondern, Avelche jeder für sich eine Erweiterung
erfahren, und zwischen denen daher Verengerungen blei-
ben. Solche Erweiterungen haben die Beobachter Hirn-
bläschen (Vesiculae cerebrales) genannt. Diese Bläs-
chen werden nicht von der Nervenröhre allein gebildet,
sondern auch von der umgebenden Rückenröhre, die eben
dadurch im vorderen Ende des Thieres zur Schädelhöhle
wird. Nachdem zuerst ein vorderes rundliches Bläschen
von dem viel längeren und hinteren Raum sich abgegränzt
hatte, theilt sich fast gleich darauf auch dieser, und man
hat nun drei Bläschen, ein vorderes, ein mittleres und ein
hinteres , welches sich gegen das Rückenmark allmählig
zuspitzt. Die vordere Blase Avird das grosse Hirn, die
hintere das kleine Hirn mit dem verlängerten Marke, und
die mittlere die sogenannte Vierhügelmasse mit einem ent-
sprechenden Theile der Hirnschenkel. Das vordere Bläs-
chen theilt sich aber bald in zwei Abtheilungen, indem die
46 !• Abschn. Die Organe der Empfindung.
vorderste oder obere (wegen anfangender Krümmung des
Embryo freilich nach unten gerichtete) Wand sich rasch
hervorstülpt. Sie stülpt sich aber doppelt oder zu bei-
den Seiten neben der Mitte hervor, so dass diese im Ver-
hältniss zu den Seitentheilen eingesenkt bleibt. Die hin-
tere Region des ersten Hauptbläschens bleibt unpaarig und
grenzt auch etwas von der vorderen gedoppelten ab.
Auch sondert sich die hintere Hauptblase in zwei, eine
vordere kürzere und eine hintere längere. So sind also
fünf Bläschen aus den ursprünglichen drei entstanden.
Das vorderste ist durch die mittlere Einsenkung gespal-
ten. Seine Höhlung enthält die beiden später sogenann-
ten Seitenventrikel und seine Wandung die Hemisphären.
Das zweite Bläschen umfasst den Raum, den man später
die dritte Hirnhöhle nennt. Es hat jetzt noch eine eben
so vollkommene Decke, als die anderen Abtheilungen.
Das dritte Bläschen umfasst die Vierhügel, und seine
Höhlung ist die zukünftige Wasserleitung, die bald die
Weite eines sehr ansehnlichen Hirnventrikels hat. Das
vierte Bläschen wird das kleine Hirn, und das fünfte das
verlängerte Mark. Aus diesen fünf morphologischen Ele-
menten wird das Hirn gebildet, denn die vorübergehende
Dreizahl der primären Hirnbläschen scheint nur anzudeu-
ten , dass gewisse Abgränzungen ein wenig später kennt-
lich werden. — Ich nenne die fünf hier aufgezählten
Bläschen nach der Reihe von dem ersten zum letzten :
das Vorderhirn, Zwischenhirn, Mittelhirn,
Hinterhirn und Nachhirn."
Gehirn der Fische.
Unter den verschiedenen Fischgehirnen wählen wir
zuerst das der Petromyzonten heraus, weil es sich
I. Kap. Das Nervensystem. 47
am unmittelbarsten an jene fötale Form anschliesst und
durch sie erklärt wird. Von vorn nach hinten gehend
bemerken wir an demselben zuerst zwei durch eine Längs-
spalte getrennte Lappen , aus denen die Geruchsnerven
entspringen, eine Ausstülpung oder einen Anhang des
folgenden Paares von Hügeln , der lobt hemhphaerici (Vor-
derhirn V. Bär's); daran schliesst sich eine unpaarige,
die dritte Hirnhöhle, ventrlculus tertius , enthaltende Ab-
theilung, der lobus ventricuU tertii (Zwischenhirn), an
diese das paarige corpus quailrirjeviinum (Mittelhirn). Am
wenigsten entwickelt bei Petromyzon ist das kleine Ge-
hirn , cerebelluni (Hinterhirn) , eine schmale Commissur
über dem vorderen Ende des sinus rhomboidalis (vierte
Hirnhöhle). An der Unterseite erscheint als ein Fortsatz
des lobus ventricuU tertii die hypophysis^ während eine
unpaarige Anschwellung unter dem Vierhügel die soge-
nannten lobi inferiores anderer Fische ersetzt.
Vergleichen wir nun hiermit das Gehirn , wie es die
meisten Knochenfische haben, so finden wir zunächst
der medalla oblongata das cercbellum. Die darauf fol-
gende paarige Anschwellung, diegrösste, führt gewöhn-
lich den Namen der lobi optici^ deren Deutung sehr ver-
schiedenartig ausgefallen ist. Nach Haller und Cuvier
entsprechen diese Hügel, von w^elchen die Sehnerven
entspringen, den Hemisphären der Säugethiere, während
das davor gelegene Hügelpaar lobi olfactorii genannt wer-
den. Corpora (juadrigemina aber werden von jenen Ana-
tomen die 4 am Grunde der lobi optici befindlichen An-
schwellungen genannt. Gegen diese Deutung sprechen
mehrere Gründe. Auch die Ansicht (Arsaky, Carus,
Tiedemann), nach welcher die sogenannten lobi optici
der Fische den corpora qtiadrigemina der Säugethiere
48 ^' Abschn. Die Organe der Empfindung.
entsprechen _, ist unzulässig, da der dritte Ventrikel auf
dem Boden dieser Hügel liegt. Dies bestimmte von Bär,
die loöi optici für sich dem lobiis ventrlcuU tertii (Zwi-
schenhirn) gleichzustellen, und auch er suchte die Cor-
pora quadrigemina in der vom hinteren Theile der lobt
optici bedeckten Brücke des aquaeductus Syhii.
Am nächsten scheint Joh. Müller der Wahrheit
zu kommen, indem er auf die corpora quadrigemina C u-
vier's u. s. \v. wegen ihrer Unbeständigkeit keinen Werth
legt. Er zieht in den lobt optici den lobiis vcntricidi ter-
tii und zugleich die Vierhügel, einmal dazu berechtigt
durch die Vergleichung des Gehirns von Petromyion und
Ammocoeies mit dem Gehirn des Säugethier- und Vogel-
fötus , ferner w egen der Lage der nervi troc/ileares, wel-
che zwischen lobi optici und cerebeHum entspringen, der
hijpophysis mit dem ivfundibidum unten an den lobi optici
und der Zirbel, welche, avo sie vorkommt, in der Mittel-
linie vor den lobi optici liegt.
Die dritte Abtheilung nach vorn bilden die Hemi-
sphären, an welche sich die grösseren oder kleineren lobi
olfüctorii anreihen.
Bei den Plagiostomen sind die Hemisphären die
grösste Gehirnabtheilung; auf ihnen sitzen die lobi olfac-
torii nicht unmittelbar, sondern jederseits mit einem Stiele
auf. Eine andere Eigenthümlichkeit zeigt das Gehirn des
Thunfisches, dessen cerebellum in zwei kleinere seit-
liche Abtheilungen und einen grossen vorderen Lappen
zerfällt, welcher weit über das corpus quadrigemimim
(lobi optici) überhängt.
Die medulla oblongata (Nachhirn) schliesst von unten
und von den Seiten den aus der Erweiterung des Medul-
larganges entstehenden sinus rhomboidalis ein und wird
1. Kap. Das Nervensystem. 49
im Allgemeinen vom Rückenmark nach dem Gehirn zu
dicker und breiter. Sie bildet oft seitliche Anschwellun-
gen, so bei den Stören ansehnliche lobi nervi trigemini^
beim Zitterrochen grosse, die vierte Hirnhöhle überra-
gende lobi electriciy an der Ursprungsstelle des vagus;
diese Anschwellungen , namentlich die des fünften Paares,
pflegen lobi posteriores genannt zu werden.
Gehirn der Amphibien.
Das Gehirn der Amphibien hat im Wesentlichen das-
selbe Ansehen, wie das der Fische; es besteht noch aus
einer Reihe hinter einander liegender paariger und un-
paariger Anschwellungen ; doch überwiegen an Masse
immer die Hemisphären. Sehr wenig entwickelt ist das
kleine Gehirn bei den nackten Amphibien und
Ophidiern, wo es nur in einer schmalen, die Seiten-
wände der vierten Hirnhöhle verbindenden und diese nur
wenig bedeckenden Commissur besteht. Ansehnlicher wird
es bei den Schildkröten, und bei den Kr oko dilen
zeigt es schon einige Furchen. Die auf das kleine Gehirn
folgende paarige Abtheilung (verschmolzen bei einigen
F i s c h 1 u r c h e n) ist das corpus quadrigeminum. Die zwi-
schen dieses und die kleine Zirbel bei den Fröschen sich
einschiebende Anschwellung entspricht dem lobus ventriculi
tertii der Fische. Nur bei den beschuppten Amphibien wird
ein Theil der hinteren Gehirnmassen von den Hemisphären
bedeckt, deren vordere Fortsetzung die lobi olfactorii sind.
Gehirn der Vögel.
Die schon beim Krokodil angedeutete Entwicklung
des kleinen Gehirns ist bei den Vögeln sehr vorwärts ge-
schritten. Es zerfällt in eine mittlere, grössere, mit zahl-
4
50 !• Abschn. Die Organe der Empfindung.
reichen Querfurchen versehene, und zwei kleinere Seiten-
abtheilungen. Die beiden Seitentheile des corpus quadri-
geminum erscheinen, \on oben betrachtet, als zwei be-
trächtliche Anschwellungen, seitlich zwischen kleinem und
grossem Gehirn, von welchem sie aus einander gedrängt
worden sind. In der Mittellinie zwischen cerebeltum und
Hemisphären liegt die Zirbel. Der lobus ventriculi tertii
wird ganz von den Hemisphären bedeckt.
Gehirn der Säuget hiere.
Das Gehirn der Säugethiere nähert sich sehr dem
des Menschen, daher wir uns darauf beschränken, einige
der wesentlichsten Abweichungen anzuführen. Die Hemi-
sphären zeigen eine grosse Ungleichheit in Bezug auf die
Windungen. Bei den Nager n und Insekten fr essern
sind deren keine oder Avenige , mehr bei den eigentlichen
Carnivoren (bei den Hunden in grösserer Anzahl als
bei den Katzen), noch mehr bei den Ein- und Zweihufern.
Auch die Lappen bilden sich nach und nach aus, über-
ragen aber erst bei einigen (alten) i\flen das kleine Ge-
hirn. Auffallend viele Windungen hat das grosse Gehirn
des Elephanten und vor allen das des Delphins.
Die meisten Säugethiere haben an der Stelle , wo die Ge-
ruchsnerven des Menschen entspringen, Anschwellungen,
die sogenannten Riechkolben , den lobt olfactorii der Fi-
sche und Amphibien entsprechend.
b) Der Rückenmark. Sein V e r li ä It n i s s zum Gehirn.
Das Rückenmark der Wirbelthiere zeigt im Allge-
meinen denselben Bau; auch noch bei den meisten Fischen
besteht es aus vier Strängen. Wichtig ist die relative
Ausbildung von Rückenmark und Gehirn, indem letzteres,
1 Kap. Das Nervensystem. 51
je mehr es sicA in seinem Baue dem menschlichen Gehirn
nähert, ein desto grösseres Uebergewicht über das Rük-
kenmark g^ewinnt. Nur das Gewicht, nicht die verhält-
nissmässige Länge ist hier massgebend , da bei kurzen
Thier<^n durch die Breite und Dicke compensirt zu wer-
den pflegt, was verwandte Thiere scheinbar an Länge des
Kückenmarks vor jenen voraus haben. So ist es beim
Frosch sehr kurz und breit, bei den Salamandern auf-
fallend lang, aber dünn. Das kürzeste Rückenmark haben
einige Fische, z. B. Lophins^ vor allen Orthagoriscus,
dessen Rückenmark kaum länger als das Gehirn ist.
c) Das peripherische Nervensystem.
Die von den Centralorganen ausgehenden Nerven zei-
gen, wie sich erwarten lässt, nicht so wichtige Abwei-
chungen, als jene selbst. Von den Gehirnnerven können
mehre ganz verschwinden; so der nervus facialis, der
von den Säugethieren abwärts abnimmt, in demselben
Grade, als die Gesichtsmuskeln verschwinden. Dieser den
Gesichtsausdruck des Menschen bedingende Nerv verliert
daher sehr bald diese seine Bedeutung; bei den Vögeln
und beschuppten Amphibien versorgt er nur noch
die Muskeln des Zungenbeins oder oberflächliche Nacken-
und Halsmuskeln. Bei den nackten und besonders den
ungeschwänzten nackten Amphibien ist ein ge-
sondert entspringender facialis nicht vorhanden. Der ihm
entsprechende Ast geht aus dem Ganglion des trigemlmis
hervor. Bei den Fischen bilden trigemlnns und facialis
einen Nervencomplex mit verschiedenen, theils gemeinsa-
men , theils eigenthümlichen Wurzelsträngen. Der nervus
facialis der Fische (ramiis opercularls trigeminl Atici.)
verbreitet sich hauptsächlich in den Muskeln des Kiemen-
4 *
52 I- Abschn. Die Organe der Empfiidung.
deckeis und stimmt seiner Function nach insofern mit dem
facialis der höheren Wirbelthiere überein, als auch bei
diesen Muskeln, welche die Zugänge zum Respirations-
apparate, Mund und Nase, öffnen und schliessen , von
ihm abhängig sind. Ganz selbständig ist der facialis der
Cy clos tomen.
So wie der trigewiniis ist auch der vagus in allen
Klassen der Wirbelthiere sehr beständig. Aus einer Wur-
zelpartie des vagus entspringt der nervus lateralis der
Fische, der in der Regel einige Verbindungsstränge vom
eigentlichen vagus erhält, bei den Cyprinen aber — mit
Ausnahme von Tinea — einen Zweig des raimis recurrens
trigemini aufnimmt. Die Hauptportion des Seitennerven-
systems verläuft als ein einfacher oder doppelter tntncus
lateralis längs des Seitenkanals; der Nerv kommt jedoch
auch vielen Fischen zu, welche weder Seitenkanal noch
Seitenlinie besitzen'^). Sein Vorhandensein scheint eng
mit der Entwicklung des Bauchtheiles des Seitenmuskels
zusammenzuhängen, wie unter anderen auch die Myxi-
noiden zeigen , bei denen Bauchtheil des Seitenmuskels
sowohl als Seitennerv nicht vorhanden sind. Dem Sei-
tennervensystem des vagus entsprechen diejenigen dem
trigeminus cum faciali angehörigen Nervenäste, welche
sich am Kopfe der Fische an dem Schleimröhrenapparate
*) ,,Der eigentliche Seitennerv ist in der Regel von beträchtli-
cher Stärke; nur bei solchen Fischen, denen ein Seitenkanal man-
gelt, denen zugleich harte Hautbedeckungen zukommen und bei denen
die Ventralmasse des Seilenmuskels am Rumpfe abortiv wird, oder
wegfällt, zeigt er sich auf einen sehr geringen Umfang reducirt,
oder ganz abortiv. — Sehr schwach ist er bei Diodon und auf das
Aeusserste reducirt bei Ostracion. Bei diesen letztgenannten Gat-
tungen treffen alle eben genannten Bedingungen seiner Reduction
zusammen'^ Stannius, D. periph. Nervcns. d. Fische. S. 99.
1. Kap. Das Nervensysten>. 53
( ossa snprascnpularin^ supratemporalia ^ mfraorbiialla )
verbreiten.
Ausser bei den Fischen kommt der n. lateralis auch
bei den Larven der Frösche vor; Pipa, die Protei-
den, Derotretcn und Cöcilien haben ihn zeitle-
bens. Bei den höheren Thieren ist (nach Müller) der
ratmis auricularis nervi vafji als Analogon des n. lateralis
anzusehen.
Die Sinnesnerven richten sich im Allgemeinen nach
der Entwicklung der Sinnesorgane; so \\ erden bei den
blinden Thieren auch die Augennerven mehr und mehr
abortiv. Bei Amphioxus ( Branchiostoma) kann man , so
Avenig wie Gehirn und Rückenmark, auch Gehirn- und
Spinalnerven nicht unterscheiden.
Die Spinalnerven bieten in den vier Klassen keine
auffallenden Verschiedenheiten dar.
Auch der sympathische Nerv zeigt wenig Abwei-
chendes. Er fehlt nur den Cyclo st ome n , wo er durch
den vayus vertreten wird. Sonst ist seine Lage immer
vor den Wirbeln, wo er Verbindungsstränge von den
Spinalnerven erhält. Der Kopftheil der Fische liegt
an der Schädelbasis, und hier verbindet ersieh nament-
lich mit dem n. trigemimis und vagns. Bei den Schlan-
gen sind die Ganglien sehr klein; leicht dagegen lassen
sie sich bei den Fröschen in der Nähe der weissen,
mit Kalkkrystallen gefüllten Säckchen auffinden. Die
Verbindungen mit den Hirnnerven sind hier schon zahl-
reicher geworden als bei den Fischen; noch mehr ist dies
der Fall in der Klasse der Vögel. Die Abweichungen
des n. sympathicus der Säugethiere von dem des Men-
schen sind kaum nennenswerth.
LiBRAR
54 !• Abschn. Die Organe der Empfindung.
Joh. Müller, Vergleichende Keuralgie der Myxinoiden. Berlin,
1840. Abhandl. der Berl. Ac. a. d. J. 1838. (Theil der vergl.
Anatomie der Myxinoiden.)
Stannius, Das peripherische Nervensystem der Fische. Rostock,
1849.
Das Gehirn unserer Süsswasserfische ist sehr sorgfältig beschrieben
in der Dissertation von Klaatsch, De cerehris piscmm etc.
Halle, 1850.
Fischer, Amphibiorum nudorum neurologio. Berlin, 1843.
Derselbe, Die Gehirnnerven der Saurier. Hamburg, 1852.
L 0 n g e t, Jnatomie et Physiologie du Systeme nervenx. 2. vol deux.
ed. Paris 1845. (Sehr reich an vergleichend anatomischen
Daten.)
Tiedemann, Anatomie und Bildungsgeschichte des Gehirns im
Fötus des Menschen nebst einer vergleichenden Darstellung
des Hirnbaues in den Thieren. Nürnberg, 1816.
Huschke, Schädel, Hirn und Seele u. s. w. Jena, 1854.
Zweites Kapitel.
Ole elektrijschen Organe.
Mehrere Fische (Torpedo, Nmcine, MalapteruruSy
Gymnotus, Gymnarchus nil oticus , ßlomiyrus oocyrhynchus
und iJorsaHs) vermögen \villkürlich elektrische Schläge zu
ertheilen , und sie entwickeln diese Elektricität in beson-
deren nervenreiclien jOrganen über deren eigenthümlichen
Bau erst die letzt verflossenen Jahre Aufschluss gegeben
haben.
Am besten ist die Structur des Organes vom afrika-
nischen Zitterwels (3JaIapteruriis) heksLnwt. Es bildet
die mittlere Lage der dicken Hautschwarte, welche den
mittleren Körpertheil lose umhüllt. Im Kopf- und
Schwanztheile wird die Masse des elektrischen Organes
durch eine andre, zwischen der Haut und der inneren
Sehnenhaut gelegene Zwischenmasse ersetzt. Das Organ
wird durch eine in der Mittellinie des Rückens , und durch
eine zweite in der Mittellinie des Bauches verlaufende
dünne Scheide\A and in zwei symmetrische Hälften getheilt.
Sein Inneres besteht zunächst aus einem Gerüst von
blättrigem Gefüge , w elches eine Anzahl linsenförmiger
Abtheilungen oder Fächer bildet, quer gestellt auf die
Axe des Fisches. Der elektrische Nerv jeder Seite
56 2. Kap. Die elektrischen Organe.
entspringt, vollkommen wie eine motorische Wurzel,
zwischen dem zweiten und dritten Rüdienmarksnerven
und ist eine einzige Primitivfaser in einer dicken binde-
gewebigen Hülle. Im elektrischen Organ verästelt sich
die Faser und giebt an jedes Fach ein Endzweigelchen
ab. Dieses tritt von hinten in das Fach und breitet sich
zu der, an der Hinterwand des Faches anliegenden, vorn
freien, nur von Flüssigkeit umspülten elektrischen
Platte, Nervenendplatte, aus.
Ganz ähnliche Verhältnisse finden sich bei den übri-
gen oben genannten elektrischen Fischen , so verschieden
auch die Lage der Organe sein mag. Denn beim Zit-
teraal liegen die Apparate sehr ausgedehnt und ober-
flächlich im Schwänze und werden von den Spinalnerven
versorgt, ganz ähnlich bei den Morniyri; bei den Rochen
aber in der Kopfscheibe. Die feinere anatomische Unter-
suchung weist ebenfalls ein Gerüst oder Fachvverk nach,
dessen einzelne Kästchen beim Rochen horizontal liegen,
bei den andern senkrecht auf die Körperaxe gestellt sind.
In ihnen sind die Endzweiglichen der elektrischen Nerven
flächenhaft ausgebreitet.
Auch bei dem gemeinen Stachelrochen, Raja
chivata, findet sich ein den oben beschriebenen Organen
analoges Gebilde im Schwänze jederseits neben der Wir-
belsäule. In jedem Fache desselben liegt ausser anderen
unwesentlicheren Theilen ein scheibenförmiger schwammi-
ger Körper und der allmälige Uebergang der Nerven in
die Substanz dieser Körper ist höchst wahrscheinlich.
Ob endlich die Leuchtorgane der Lampyris-
arten einen näheren Vergleich mit den elektrischen Or-
ganen zulassen , muss die Zukunft lehren. Dieselben sind
wohl abgegränzt und bestehen aus einer Hülle, einem Pa-
I. Abschn. Die Organe der Empfindung. 57
renchym von Zellen, Tracheen und Nerven, deren Endi-
gung und Verhältniss zu einer gewissen Gattung von blas-
sen Zellen aufzufinden , noch nicht gelungen ist. Das
Leuchten ist von der Willkür der Thiere abhängig.
Matteucci, Traue des yhenomenes eleciru-'physiologiques ; suivi de
recJierches anaiomiques sur le Systeme nerveux et sur Vor-
gane electriqtie de la torpille par Savi. Paris 1844.
Bilharz, das electrische Organ des Zitterwelses. Leipzig 1857.
M. Schnitze, Zur Kenntniss der elektrischen Organe der Fische.
1. Ablh. Halle 1858. Besonders abgedruckt aus dem 4. Bde.
der Abhandl. der Naturforschenden Gesellschaft in Halle.
3L Schnitze, Zur Kenntniss des den elektrischen Organen ver-
wandten Schwanzorganes \ on Raja clavata. 3Iüller's Arch.
1858.
Kölliker, lieber die Leuchtorgane von Lampyris. Verhandl. d.
Würzb. phys.- med. Ges. Bd. YIIL 1857.
Drittes Kapitel.
Die l§inneisor§^aiie.
Man pflegt die Sinne in niedere und höhere einzu-
theilen und rechnet zu jenen das Getast und den Ge-
schmack, zu diesen den Geruch, das Gesicht und
das Gehör, wobei jedoch zu erinnern, dass, wenn man
darnach den niederen oder höheren Rang des Sinnes be-
stimmen will, ob er unmittelbar oder mittelbar die Ein-
drücke der Aussenwelt erfasst , der Geruchssinn gewisser
Massen die Mitte hält zwischen beiden Kategorieen.
Was die Verbreitung der einzelnen Sinne und der
Organe, an welche sie gebunden sind, im Thierreiche an-
betriirt, so lassen sich nur ganz im Allgemeinen einige
Gesetze dieses Vorkommens aussprechen. Unzertrennlich
von dem BegrifT des Thieres und unmittelbar an das Be-
stehen des Nervens} stems geknüpft ist das Gefühl , das
in der ganzen Oberfläche des Thieres seinen Sitz hat, in
vielen Fällen vorzugsweise an besondere, specifisch für
dasselbe bestimmte Tastorgane gewiesen ist.
Auch der Geschmackssinn scheint fast ohne Ausnahme
postulirt werden zu können und fehlt vielleicht nur den-
jenigen Thieren, z. B. vielen Eingeweidewürmern, bei
denen die Ernährungsfunction überhaupt eine total ab-
3. Kap. Die Sinnesorgane. 59
weichende ist. Wir haben uns indcss nur im Vorbeige-
hen mit der Untersuchung solcher Möglichkeiten zu be-
schäftigen und hier, wie überall, vorzugsweise an die
anatomisch zu erläuternden Organe zu halten.
An uns selbst können wir oft die Erfahrung machen,
wie unwesentlich für das Gesammtleben der Geruchssinn
ist, daher wir auch bei einer grossen Menge der Ever-
tebraten , namentlich solchen , die sich nicht weit nach
ihrer Nahrung zu bewegen haben, vergeblich nach Ge-
ruchsorganen suchen.
Von den beiden noch übrigen Sinnen ist das Gehör
der physiologisch und psychologisch wichtigere, und so
haben wir auch sein Zurücktreten bei den der menschli-
chen Bildung entfernter stehenden Thiergruppen a priori
früher zu erwarten , als das Verschwinden des Gesichts-
sinnes. Dass man übrigens Avohl zu unterscheiden habe
zwischen der Ausbildung des Sinnes und der Ausbildung
des Sinnesorganes, dass mit andern Worten scheinbar
unvollkommen gebaute Organe eben so viel und mehr
leisten können als zusammengesetztere, davon geben unter
andern die Singvögel ein überzeugendes Beispiel, deren
Gehör ein wahrhaft musicalisches zu nennen ist, und
worin sie hoch über allen Säugethieren stehen , während
ihr Gehörorgan einfachere anatomische Verhältnisse zeigt.
1. Tastorgane.
Das Getast der Polypen ist namentlich in den Ten-
takeln enthalten , wodurch diese besonders zu Hiilfser-
nährungswerkzeugen geeignet sind. Aehnlich verhält es
sich mit den Quallen und Echinodermen; nament-
lich erstere sind mit zahlreichen Fang- und Tastfäden
versehen, und bei den Echinodermen sind die mit Ner-
60 1- Abschn. Die Organe der Empfindung.
venzweigen ausgerüsteten Saugfüsschen und Mundtenta-
keln Sitz eines feineren Gefühls. Besondere selbständige
Taster haben die Röhrenquallen.
Die eigenthümlichen Tastorgane der Würmer
sind ziemlich sparsam.
Bei den Infusorien kann man die mannichfachen
grösseren und kleineren Wimpern , Haken , Borsten und
Griffel , v/elche die Bewegung vermitteln , zugleich Tast-
organe nennen. Ihre ganze Hautoberfläche , so weit sie
nicht gepanzert, ist gegen äussere Einflüsse sehr empfäng-
lich. Den Zweck eines Tastorgans erfüllt wohl auch der
aus einer Verlängerung der sogenannten Oberlippe ent-
standene Rüssel verschiedener Na i den (Sti/larla, PH-
stina). Am meisten ausgeprägt sind aber die Tastorgane
in derjenigen Abtheilung der Würmer, welche man von
dieser Eigenschaft vorzugsweise Fühlerwürmer (An-
tennata) genannt hat; ihr Kopf trägt mehrere (zwei bis
fünf) gegliederte Fühler. Es steht damit in Einklang,
dass sie die beweglichsten, freisten unter den Würmern
sind.
Obschon der ganze, der Willkür des Thieres unter-
worfene Wimperapparat der Rotiferen äusserst em-
pfindlich ist, findet sich bei einigen dieser Formen, na-
mentlich den P h il odinäen, ein besonderes Tastwerk-
zeug in Gestalt eines längeren, zwischen den beiden seit-
lichen Wimperkreisen hervorragenden Rüssels, der, an
seiner Spitze mit feinen Flimmerhärchen besetzt, lediglich
zum Tasten und Sondiren dient.
Bei den Arthropoden sind die Tastorgane allge-
mein verbreitet. Sie sind bei Spinnen und Insecten
als Palpen mit den Mundwerkzeugen verbunden. Ein sehr
feines Gefühl müssen die Spinnen auch in den Fussenden
3. Kap. Die Sinnesorgane. 61
haben, da diese bei der Verfertigung des Gewebes haupt-
sächlich thätig sind. Unstreitig tasten die Insekten auch
mit den sehr verschieden gestalteten Antennen, die man
ja geradezu Fühler zu nennen pflegt. Ob denselben viel-
leicht noch eine andere ^A ichtige Function als Geruchs-
organ zukommt, ist sehr ungewiss. Die Crustaceen
sind fast durchweg mit oft sehr langen Antennen als Ge-
fühlsorganen versehen, durch welche sich die aus dem
Gehirn tretenden Nerven erstrecken.
Ganz specifische Tastorgane sind die kleinen An-
tennen vieler L op hvr op öden, an denen schon bei
massiger Vergrösserung der unmittelbare Zusammenhang
der Nervenfasern mit eigcnthümlichen geknöpften borsten-
ähnlichen Gebilden zu sehn. Bei anderen Arthrozoen sind
die mit einer Anschwellung endenden Hautnerven mit ein-
fachen oder gefiederten Haaren und Borsten zu Tastwerk-
zeugen verbunden.
Durch das Hautskelet der Arthropoden sind deren
weiche Körpertheile unmittelbarer geschützt als viele der
mit Schalen und Gehäusen versehenen Mollusken, bei
denen ^^ir somit in grösserer Ausdehnung an den zeit-
weise unbedeckten Körpertheilen Tentakeln angebracht
finden. Diese dienen aber mehr dazu, das Thier vor Ge-
fahr zu warnen und zum Zurückziehen zu veranlassen,
als dass sie zum \^irklirhen Betasten benutzt werden,
sind also mehr passive als active Gefühlsorgane. In die-
ser Hinsicht sind die Kiemen- und Afteröfl*nung der Asci-
dien mit gefühlsreichen, durch höhere Färbung ausge-
zeichneten Wärzchen umstellt. Der schon an sich em-
pfindliche Mantel der Lammellibranchiaten zeigt
zahlreiche Tentakelanhänge , namentlich an seinem hinte-
ren Theile, um den Athemsipho und die Afterröhre herum,
62 !• Absclin. Die Organe der Empfindung.
weniger am Kopftheile, mit dem die Muscheln sehr ge-
wöhnlich im Schlamm vergraben sind. Zwei Paar in der
Nähe des Mundes befindliche dreieckige Hautlappen die-
nen gewiss als Fresstentakeln und ersetzen die oft be-
trächtlich entwickelten Lippen der Cephalop hören.
Bei diesen trägt der Kopf ein oder zwei Paar Fühler,
entweder mit einer inneren Höhle (HellXy Limax)^ so
dass sie wie ein Handschuhfinger durch einen besonderen
Muskel eingestülpt werden können, oder sie sind solid
(Paludlna) und können sich nur contrahiren. In beiden
Fällen treten starke Nerven vom Gehirn bis in die Spitze
der Fühler. Gewöhnlich stehen die Fühler auch in einer
näheren Beziehung zu den Augen, indem diese auf oder
unmittelbar neben ihnen angebracht sind. Die Cephalo-
poden tasten vermittelst ihrer Arme, namentlich die
Nautilaceen, bei denen die zahlreichen contractilen
Arme nicht zugleich Bewegungswerkzeuge sind.
Bei den Wirbelthieren treten im Allgemeinen die
für das Leben der meisten übrigen Thiere so wichtigen
Tast- und Gefühlsorgane in dem Maasse zurück, als der
übrige Sinnesapparat gleichförmig ausgebildet ist. Die
Tastorgane der Fische beschränken sich auf die wei-
chen, fleischigen Lippen ; oft sind auch die Kiefern mit
Fühlfäden, Barteln, versehen. Auch die vordere Mund-
gegend der Amphibien wird zum Tasten benutzt; das
Züngeln der Schlangen ist Tastbewegung. Der Schnabel
vieler Wasser vögel ist dadurch zum Tasten geeignet,
dass er vorn mit einer sehr nervenreichen Haut beklei-
det ist.
Bei den Säugethieren ist die gewöhnlich nackte
Nasen- und Schnauzengegend vorzugsweise empfindlich,
worin diese sehr oft durch Bartborsten und Schnurrhaare
3. Kap. Die Sinnesorgane. 63
unterstützt wird. Wie wichtig diese Borsten als Tastor-
gane sein müssen, kann man von den Robben entnehmen,
deren Bartborstenscheiden mit ansehnlichen Nervenzwei-
gen vom dritten Aste des trlgemimis versorgt werden.
Einen äusserst feinen, über die ganze gefäss- und ner-
venreiche Flughaut verbreiteten Tastsinn besitzen die Fle-
dermäuse. Die Fingerspitzen der Affenhände sind zum
Tasten noch sehr ungeschickt, indem bei ihnen der Haut-
nerven viel weniger sind als beim Menschen, dessen Hand
dadurch eine so hohe Bedeutung erhält, dass sie ein gleich
vollkommenes Tast- und Greiforgan ist.
2. Geschmacksorgane.
Durch Fütterungsversuche an Infusorien kann man
sich die Ueberzeugung verschaffen, dass schon diese
Thiere unter den durch den Wimperstrudel in die Nähe
des Mundes gebrachten Nahrungstheilehen nur die ihnen
zusagenden auswählen, offenbar vermöge ihres Ge-
schmackssinnes. Indessen finden wir eigenthümliche Ge-
schraacksorgane Aveder bei ihnen noch in der ganzen Ab-
theilung der Ra diäten, und auch die Zunge einiger
Würmer (Nais proboscidea) , der Gliederthiere und
Mollusken ist im ganzen weniger Sitz des Geschmacks
als Hülfsorgan beim Fressen, daher wir passender unten,
bei Beschreibung des Verdauungsapparates, von ihr han-
deln. Sicher ist wohl die fleischige im Unterkiefer der
Cephalopoden verborgene Zunge Geschmacksorgan;
es finden sich auf ihr zahlreiche Geschmackspapillen.
Selbst bei den Wir b elt hier en steht die Zunge
auf einem sehr verschiedenen Grade der Ausbildung; so
ist die der wenig wählerischen Fische auf das Zungen-
bein reducirt, und alleiniger Sitz des Geschmackssinnes
64 I- Abschn. Die Organe der Empfindung.
ist die Gaumenfläche*). Die Zunge der Amphibien
variirt ungemein. Die Pipae haben gar keine; bei den
meisten Fröschen ist sie nach hinten frei. Der Zunge der
Ophidier als Tastorgan ist schon oben Erwähnung gethan;
sie ist schmal, lang, endigt vorn in zwei lange Spitzen
und liegt in einer Scheide. Auch viele Saurier haben eine
gespaltene in einer Scheide ruhende Zunge, z. B. die
Fisülingues. Bei den Krokodilen ist die Zunge der gan-
zen Länge nach angewachsen. Sehr merkwürdig ist die
Zunge des Chamäleon; sie kann sehr weit aus dem Munde
gestossen werden, um mit dem vorderen kolbigen und
klebrigen Theile Insekten zu fangen. Die Erklärung, dass
die Ausstossung durch die Zungenbeinmuskeln geschähe,
ist nicht genügend , vielmehr scheint es eine Art von
Ausspucken zu sein. Dafür spricht auch, dass das Cha-
mäleon beim Zurückziehen der Zunge öfter ungeschickt
ist. Die Zunge der meisten Vögel, mit einem hornar-
tigen Ueberzuge versehen, zugespitzt und mit Haken be-
setzt, ist mehr Greif- als Geschmacksorgan. Nur bei ei-
nigen, namentlich den Papageien, ist sie fleischig und
trägt zahlreiche Geschmackspapillen. Auch die Säuge-
thiere zeigen mannichfache Zungenbildungen, deren
nähere Beschreibung jedoch zu weit führen würde. All-
gemein ist hier die Zunge Geschmacksorgan, auch w^o sie
zum Theil mit Horngebilden bedeckt ist, wie z. B. bei
Echidna, Hystrix.
3. Geruchsorgane.
Was man von den Geruchsorganen der Würmer
*) Schon Aristoteles (H. A. IV. pag. 116, Ed. Schneid.) bezeich-
net den fleischigen Gaumen der Fische, besonders der Karpfen, als
Geschmacksorgan.
3. Kap. Die Sinnesorgane. 65
gesprochen hat, beruht nur auf Vermuthungen. Erst bei
den Arthropoden können wir solche mit einiger Sicher-
heit nachweisen.
Von der Unterseite des Basalgliedes der äusseren
Fühler vieler Decapoden erhebt sich ein kegelförmiger
hohler Vorsprung, der vorn durch eine dünne Membran
geschlossen ist. Der Kegel enthält einen zarthäutigen
Schlauch, der sich nach innen zu einer Blase erweitert
und mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt ist. Auf diesen
weichen Theilen verbreitet sich ein Nerv. Man hat diess
ganze Orgau bisher immer für ein Gehörwerkzeug gehal-
ten , allein diese Deutung ist nicht mehr wohl haltbar,
seitdem man einen anderen Apparat in den inneren An-
tennen (vergl. unten Gehörwerkzeuge) unzweifelhafter für
die Gehörorgane erkannt hat. In den vorliegenden hat
man vielleicht die Geruchswerkzeuge. Bei den Insec-
ten hat man den Sitz des Geruchsinnes bald in den Pal-
pen, bald in den Antennen gesucht. Die anatomischen
Verhältnisse scheinen noch am meisten für die Antennen
als Geruchsorgane zu sprechen. An diesen finden sich
eine grosse Menge von Grübchen , welche unten durch
eine zarte Membran geschlossen erscheinen. Aus näheren,
namentlich am Fühlerfächer der Lamellicornien angestell-
ten Untersuchungen erhellt jedoch , dass die das Grüb-
chen unten schliessende Haut gar nicht so dünn , und dass
sich gewöhnlich in den Vertiefungen durchsichtige pilz-
förmige V^ärzchen erheben. Dieselben für Geruchspa-
pillen zu halten, ist gewagt, da die Verzweigung des
Fühlernerven nicht gefunden, und, was das W^ichtigere,
der stufenweise Uebergang der Wärzchen in wirkliche
Haare beobachtet ist. So z. B. sind die Fächerglieder des
Aphodius äusserlich mit Haare tragenden Poren verseben,
5
66 !• Abschn. Die Organe der Empfindung.
während die inneren Flächen nach der Tiefe zu mehr und
mehr warzenartige Erhebungen zeigen.
Ob die ganze Schleimhautoberfläche der Acepha-
1 e n und besonders der Cephalopboren, oder der Ein-
gang in die Respirationshöhle oder die Lippengegend oder
die Tentakeln dieser Mollusken riechen können , müssen
wir dahin gestellt sein lassen. Die Bedingungen, welche
an ein Geruchsorgan gestellt werden, scheinen dort aller-
dings erfüllt zu sein. Mit Bestimmtheit sind die Geruchs-
organe der Cephalopoden erkannt. Es finden sich in
der Nähe der Augen bei einigen zwei kleine Grübchen
(Loligo, Sepiola) , aus deren Grunde sich bei einigen
anderen (Octopus, Eledone, auch Nautilus) ein papillen-
artiger Körper erhebt, der bei noch anderen Gattungen
(Argonauta, Tremoctopus) nur von einem sehr geringen
Hautwulst umgeben ist. Der Riechnerv entspringt aus
dem gangllon opticuniy tritt mit in die Augenhöhle und
durchbohrt die Augenkapsel.
Erst bei den Wirbelthieren werden die allge-
mein verbreiteten Geruchsorgane Nase genannt.
Selbst Branchiostoma besitzt eine solche , eine un-
symmetrisch liegende kegelförmige Vertiefung, welche
unmittelbar auf dem vorderen, das Gehirn vorstellenden
Theile des Rückenmarkes aufsitzt. Auch die Myxinoi-
den mit den Petr omyzonten haben eine sie, nament-
lich erstere von allen übrigen Fischen unterscheidende
Nasenbildung. Die Nase ist einfach , eine lange Röhre,
welche bei den Myxinoiden durch Knorpelringe ge-
stützt ist und den Gaumen durchbohrt. (Nur die Dipnoi
verhalten sich noch so.) Diese Eigenthümlichkeit und der
Spritzsack der Petromyzonten scheint durch die ver-
änderte Art der Athmung bedingt zu sein , indem die Cy-
3. Kap. Die Sinnesorgane. 67
clostomen durch die Kiemenlöcher ein- und ausathmen
und daher den bei den übrigen Fischen durch den Mund
gehenden und den äusseren Nasenöffnungen neues Wasser
zuführenden Atherastrom auf eine andere Weise ersetzen
müssen. Bei den Myxinoiden geschieht dies durch eine
hinter der Gaumenöffnung gelegene bewegliche Klappe, bei
den Petromyzonten durch die erwähnte contractile
Ausbuchtung des Nasenrohres, den Spritzsack. Um an
der Wassererneuerung des Athemstromes Theil nehmen
zu können, sind die Nasenöffnungen der Plagiostomen
an der Bauchseite angebracht in der Nähe des Mundes,
wie sie auch bei den Stören und Knochenjäschen , bei letz-
teren meist je doppelt, seitlich an der Schnauze liegen.
Die mit Flimmerepithelium versehene Riechhaut vermehrt
ihre Oberfläche durch Falten und Blätter, gestützt durch
Knorpelstäbchen und entweder von einer mittleren Axe
radienförmig oder kammförmig nach zwei Seiten ausge-
hend. Die Nasenkanäle der Lepidoslren liegen in den
Lippen, die vordere Oeffnung vorn an der Schnauze^ die
hintere im Mundwinkel; im Uebrigen ist die Nase ganz
fischartig. Sehr auffallende Modificationen zeigen einige
Arten Tetrodon; sie haben statt der inneren Nasenhöhlen
tentakelartige Nasenpapillen mit starken Geruchsnerven.
In der Klasse der Amphibien wiederholt sich der
Typus der Fischnase noch einmal bei den Proteiden,
namentlich Proteus. Mit der nun eintretenden Luftatbmung
ist immer die Oeffnung der Nase in die Mundhöhle ver-
bunden; die Nasengänge öffnen sich bei den B at rä-
ch iern sehr weit nach vorn, beiden Kr okodilen sehr
weit hinten im Rachen. Während im Allgemeinen bei
den Amphibien durch Erweiterung der Nasenhöhlen für
die Vergrösserung der Oberfläche gesorgt wird, beginnt
5 *
68 I- Abschn. Die Organe der Empfindung.
bei ihnen auch die Bildung der Muscheln, welche je-
doch erst in den folgenden Klassen ihre Bedeutung hin-
sichtlich der Flächenvermehrung erhalten.
Die äusseren Nasenöffnungen der Vögel variiren
sehr an Form uud Lage; häufig, namentlich bei den
Was ser vö geln, auch bei Cathartes, felilt die Scheide-
wand zwischen denselben (iiares perviae). Die inneren
Oeffnungen (choanae) sind in der Regel zwei schmale,
oft in eine zusammenfliessende Spalten. Die Muscheln
sind gewöhnlich IJmbiegungen der knorpeligen Wände der
Nasenhöhlen, drei an der Zahl, von denen jedoch nur
eine in den verschiedenen Ordnungen vorzugsweise ent-
wickelt zu sein pflegt. Alle Vögel, mit Ausnahme der
Tauben, besitzen eine, wahrscheinlich die Nasenhöhle
feucht erhaltende Nasendrüse, die gewöhnlich auf den
Stirnbeinen liegt.
Die wesentlichsten Veränderungen, welchen die Nase
der Säugethiere unterworfen, bestehen in der Form und
Ausdehnung der unteren Muscheln. Bei den Pflan-
zenfressern, besonders den Einhufern und Wieder-
käuern, ist die Muschel anfangs ein einfaches Blatt, wel-
ches sich bald in zwei sich einrollende Lamellen, eine
obere und eine untere , spaltet. Bei den durch ihren Ge-
ruch ausgezeichneten Fleischfressern sind die Mu-
scheln , indem sie sich dichotomisch spalten und einrollen
baumartig verzweigt und stellen sehr complicirte Laby-
rinthe dar, am stärksten bei den Seehunden , bei welchen
man danach den feinsten Geruch voraussetzen dürfte,
wenn nicht das oben angegebene Beispiel vom Gehöror-
gan der Vögel zeigte, dass keineswegs immer Sinn und
Sinnesorgan gleichen Schritt in ihrer Ausbildung halten.
Mit der Stärke des Geruchssinnes hängt auch die Ausdeh-
3. Kap. Die Sinnesorgane. ^9
nuiig der Knochenhöhlcn (shms frontales^ maxillares,
sphenoldaJes) zusammen , mit denen sehr häußg die Nasen-
höhlen communiciren. Beträchtlich sind namentlich heim
Elephanten die Stirnbein- und Keilbeinhöhlen.
Sehr bedeutend ist die Umwandlung, welche das Ge-
ruchsorgan der ächten Cetaceen erleidet, bei denen
zum Theil die Gcruchsfunction durchaus zurücktritt, in-
dem den Delphinen die Riechnerven gänzlich zu man-
geln scheinen.
4. G e s i c h t s 0 r g a n e.
Damit ein Thier sehe, rauss es Nerven besitzen, mit
der specifischen Energie, von Lichterscheinungen erregt
zu werden; es müssen ferner mit dem Ende oder der
eigenthümlich modificirten Endausbreitung dieser Nerven
(retlna) lichtbrechende und lichtsammelnde Apparate ver-
bunden sein , welche die Lichtstrahlen in zweclimässiger
Weise auf die Nerven leiten.
Das Princip der sogenannten einfachen Augen
beruht darin, dass durch den lichtbrechenden Apparat
wie durch die Linse einer camera obscura ein continuir-
lich zusammenhängendes , aber umgekehrtes Bild auf die
flächenhafte Ausbreitung des Sehnerven geworfen wird.
AVären die lichtbrechendeii Apparate starr, so würden
die mit solchen Augen versehenen Thiere nur von Gegen-
ständen aus einer bestimmten Entfernung deutliche Bilder
bekommen. Dem ist bei den höheren Thieren durch die
Accommodationsfähigkeit der brechenden Medien und ihrer
Einfassungen vorgebeugt, während zugleich durch die be-
sondere Krümmung der Medien und durch die Combina-
tion verschiedener hinter einander liegender Medien den
Uebelständen abgeholfen wird, welche bei opiischen In-
70 I- Abschn. Die Organe der Empfindung.
Strumenten so schwierig zu überwinden sind , der sphäri-
schen Aberration und der Farbenzerstreuung.
So sind im allgemeinen die Augen der Wirbelthiere
gebaut, welche, wie man mit Recht behaupten kann, am
vollkommensten sehen.
Auch bei den Wirbellosen sind die nach dem Plane
der einfachen Augen gebauten Sehwerkzeuge sehr ver-
breitet; sie erreichen jedoch nur annähernd bei den Ce-
phalopoden die Complication und Vollkommenheit des
Wirbelthierauges. Bei den übrigen wird das Auge durch
Vereinfachung des lichtbrechenden und bilderzeugenden
Apparates unvollkommener, auch findet sich die eigen-
thümliche Structur der als Netzhaut bekannten Ausbrei-
tung des Sehnerven nicht wieder. Es werden also die
Sehwerkzeuge so mangelhaft, dass wirkliche Bilder gar
nicht mehr zur Perception gelangen und dass viele Thiere,
bei welchen sich noch ein Rest von Augen findet, es mit
ihnen höchstens zur Unterscheidung von Licht und Dun-
kel bringen.
Nach einem ganz anderen Princip, meinte man bis
vor Kurzem, seien die sogenannten zusammengesetz-
ten Augen der Arthrozoen gebaut. Nur unter dieser
Voraussetzung hat man eigentlich das Recht, im Gegen-
satz dazu von den einfachen Augen zu sprechen. Wir
können jedoch den Namen „zusammengesetzte Augen" bei-
behalten, da sie jedenfalls durch eigenthümliche Form-
und Structurverhältnisse sich auszeichnen, auch wenn es
sich ergeben sollte, dass sie im Wesentlichen sich auf
das einfache Auge zurückführen lassen.
Die einfachen Augen.
1. Bei den Strahlthieren. Man hat bei ihnen Augen
3. Kap. Die Sinnesorgane. 71
mit lichtbrechenden Medien, wodurch Bilder der Objecte
erzeugt werden könnten , nicht gefunden. Diese werden,
wie auch bei vielen Würmern, ersetzt durch Anhäufun-
gen von Pigment, die man um so eher für ein Surrogat
wirklicher Augen halten muss, als sie sehr constant bei
den betreffenden Thieren vorkommen und häufig mit Ner-
ven in Verbindung stehen. Das wichtigste Argument für
die Natur und Bedeutung der Pigmentflecke können wir
von den Würmern und Räderthieren entlehnen, deren
einige Formen die Pigmentflecke an demselben Orte, in
demselben Zusammenhange mit dem Nervensystem haben,
wo bei verwandten Gattungen unzweifelhafte Augen mit
lichtbrechenden Medien sich finden. Jedenfalls ist die
Intensität des an diese Augenflecke gebundenen Gesichts-
sinnes eine höchst geringe. Bei vielen Schirmquallen,
am vollkommensten bei den Medusengattungen Ncmsithoe
und Caryhdaea üuden sich im Scheibenrando eigenthümliche
pigmentreiche und mit Kalkkrystallen versehene Körper
(Randkörper) , die wohl als Gesichtsorgane zu deuten sind.
Die Rippenquallen haben ein einziges solches Organ
nicht weit vom Hinterleibsganglion. Unter den Echino-
dermen besitzen Pigmentflecke die Asteriden und
Echinoiden, erstere an dem Ende der Unterseite der
Strahlen , letztere auf dem Rücken auf den mit den Ge-
nitalplatten abwechselnden Ocellarplatten.
2. Bei den Würmern. Blosse Pigment-Augen-
flecke, wie wir sie eben beschrieben, kommen in allen
Klassen der W^ürmer vor, wenn auch bei den Einge-
weidewürmern nur bei den Larven einiger Arten von
Distomum und Monostomum, unter den Infusorien bei
den Gattungen Amblyophis, Microglena, Euglena u. a.
Die Pi^mentflecke der Strudelwürmer nehmen häufiis:
72 !• Abschn. Die Organe der Empfindung.
eine bestimmtere Gestalt an, weniger bei den Rhabdocö-
len aus der Gattung 31esostomum , als bei den Nemertinen,
bei denen sich für jeden Pigmentfleck ein besonderer, von
dem Nackenganglion entspringender Nerv verfolgen lässt.
Von den Anneliden, welche Pigmentflecke besitzen,
erwähnen wir die Naiden, die merkwürdige, auch am
Schwanzende beäugte Amphicora , ferner Filograna und
einige Rückenkiemer (ISephthys). Bei den meisten
dieser Würmer ist freilich ein Zusammenhang mit dem
Nervensystem nicht zu sehen.
Wir begegnen aber nun auch bei den Würmern Au-
gen, die als wirkliche optische Werkzeuge zu gebrauchen
sind, d. h. lichtbrechende Medien besitzen und,
wenn auch in überaus einfacher Weise , doch schon nach
demselben Princip gebaut sind , welches das Säugethier-
auge befolgt. Bei den Rhabdocölen, z.B. den mei-
sten Vorticinen, liegt in der halbmondförmig gekrümm-
ten Pigmentmasse eine Linse eingebettet, die man deut-
licher bei den Dendrocölen wahrnimmt.
Unter den Ringel würmern sind es namentlich die
beweglicheren, welche Augen haben, bestehend aus einer
von Pigment eingefassten Linse, über der sich, wie bei
den Strudelwürmern, die Oberhaut als Hornhaut wölbt.
Das Pigment bildet häufig eine Art von Pupille. Hier-
her gehören die Blutegel, und viele Rückenkiemer
(z. B. Amphinume, Nereis, Eunice). Die höchste Aus-
bildung des Annelidenauges kommt bei Alciope (Torrea
Qutfg,) vor*).
*) Quatrefagcs beobachteie die durch dasselbe entworfenen
Bilder unter dem Microscop und sagt, sie seien ganz vollendet ge-
wesen. „Ich unterschied alle Biegungen des benachbarten Ufers, bis
auf die Umrisse der leichtesten Wölkchen. Keins dieser Bilder zeigte
eine Spur von farbigen Streifen". Ann. des sc. naf. III Ser. 13.
3. Kap. Die Sinnesorgane. 73
3. Bei den Arthrozoen. a. Einfache Augen mit
Linse, ohne Glaskörper. Derartig construirte Au-
gen , wie wir sie eben bei den Würmern kennen lernten,
finden ^^ ir bei C r u s t a c e e n und Insekten. Sie beste-
hen aus einer von der Körperbedeckung, wie immer in
dieser Abtheilung, gebildeten Cornea, einem dahinter
liegenden durchsichtigen, linsenartigen Körper, der die
Linse einfassenden Pigmentschicht und dem durch
das Pigment an die Linse tretenden S ehn er ven. Unter
den Crustaceen haben sie unter anderen die Jungen meh-
rerer Parasiten und Lophyropoden; einige dieser
Formen (z. B. die Cyclopidae) behalten sie zeitlebens.
An diese niederen Krebse schliessen sich auch die Rä-
derthiere an. Der unpaare Augenfleck, den viele
Gattungen , u. a. Notommata, Eiichlanis^ Dhwcharis, Bra-
chionus, haben, umschliesst nur höchst selten (Eiichlanis
uniseta Leyd.) einen lichtbrechenden Körper. Weit häu-
figer scheinen die mit zwei Augenflecken versehenen
Räderthiere, z. B. PteroiHna^ Stepha7ioceros, Roiifer, darin
eine Linse zu besitzen. Die Larven der Insekten mit
vollkommener YerAvandlung tragen gewöhnlich nur diese
Augen, während viele ausgebildete Insekten, sehr viele
Orthoptern, Diptern, alle Hymenoptern sie ne-
ben den zusammengesetzten Augen behalten.
b. Einfache Augen mit Linse und Glaskör-
per. Nur wenig modificirt sind die Augen derjenigen
Gliederthiere , bei denen zu dem beschriebenen Apparat
noch eine lichtbrechende Materie, ein Glaskörper tritt,
zwischen Linse und der becherförmig sich ausbreitenden
Nervenhaut. Die Pigmentschicht pflegt zwischen Linse
und Glaskörper sich einzuschlagen und so eine Art von
Iris und Pupille zu bilden. Diese Augen sind sehr
74 I- Abschn. Die Organe der Empfindung.
verbreitet bei den Arachniden, auch bei der Larve von
Dyticus marginalis sind sie nachgewiesen, und leicht
dürfte der Glaskörper sich noch allgemeiner finden. Die
unter a und b beschriebenen Augen werden stemmata oder
ocelli genannt.
c. Aggregirte einfache Augen (ocelli gvegati,
stemmata gregata). Durch Vermehrung und Annäherung
der einfachen Augen , ohne dass die einzelnen Corneen
oder die inneren Theile der einzelnen Augen sich berüh-
ren, entstehen aggregirte Augen, wie sie die Oni sei-
den, Polypoden und die Männchen der Strepsipte-
ren haben; dort sind es 20 bis 40, bei letzteren gegen
70 Ocellen, deren jede einen Faden des sich zertheilen-
den Sehnerven empfängt. Gewöhnlich entfernt man , wenn
man die Hornhautschicht abzieht , zugleich die enger mit
dieser als mit den Glaskörpern verbundenen Linsen.
4. Bei den Mollusken. In der Abtheilung der Weich-
thiere sind die Augen sehr verbreitet , wir finden nur
ausnahmsweise jene an Stelle der Augen auftretenden Pig-
mentanhäufungen , die man vielleicht häufiger bei den
Acephalen erwarten könnte, sondern die Augen zeigen
gleich bei dieser Klasse eine complicirtere Structur, als
wir in den einfachen Augen der i\rthropoden bemerkten,
während sie bei den Cephalopoden unmittelbar zu dem
zusammengesetzten Bau des Auges der Wirbelthiere und
des Menschen führen. Nur die Augen einiger Ptero-
poden, Cito und Sa gitta (wenn letzteres Thier nicht zu
den Würmern zu zählen), sind unvollkommen. Die um die
After- und AthemölTnung vieler As ci dien (Clavellina,
Cynihitty Phalluüa) herumliegenden Augen, eingebettet in
gelbe Pigmenthaufen , haben ungefähr dieselben Bestand-
3. Kap. Die Sinnesorgane. 75
theile, wie die sogleich zu beschreibenden der Lame lli-
bra nchiaten.
Bei diesen wird der Augapfel eingeschlossen von
einer festen, ührösen sclerotica , welche auch an den Sei-
ten durchsichtig ist, namentlich aber vorn, wo eine zarte
conjwictiva über sie hinweggeht, eine cornea bildet. An
ihrer inneren Fläche liegt eine aus zwei verschiedenfarbi-
gen Pigmentschichten bestehende chorioichoy welche vorn
eine, meist bläuliche iris bildet und häufig der Pupille
gegenüber ein aus spindelförmigen, quergefurchten Kör-
perchen zusammengesetztes tapetum enthält. Dieses bringt
z. B. bei Pecten, Spondylus einen wundervollen Glanz
hervor. Die Iris ist contractil. Die ziemlich platte
Linse lässt zwischen sich und der stärker gewölbten
Cornea einen Raum, Avelcher durch die Iris in eine vor-
dere und eine hintere Augenkammer getheilt wird. Die
Hinterfläche der Linse wird aufgenommen vom Glaskör-
per, welchen die retina umfasst. Die Augen, deren Zahl
sehr variirt nach den Individuen und selbst nach den
Mantelhälften der einzelnen Individuen, liegen auf den
Mantelrändern und den von diesen abgehenden Tentakeln
und Fortsätzen , namentlich am Hintertheile. Der Verlauf
der Augennerven, ob diese, wie man vermuthen sollte,
von dem über dem Schlunde liegenden Ganglienpaare ent-
springen , ist ungewiss.
Fast ganz so, wie die Augen der Lamellibranchiaten,
sind diejenigen der Cephalophoren beschaffen, nur
dass man nicht die doppelte Schichte der Chorioidea ge-
funden, auch kein Tapetum, und dass die Iris nicht con-
tractil zu sein scheint. Die Cephalophoren haben nie
mehr als zwei Augen ; diese liegen bei Helix und Limax
auf der Spitze der hinteren Fühler, bei Palndlna und
76 I- Absclm. Die Organe der Empfindung.
Limnaeus auf einem Absätze an den Tentakeln. Der feine
Sehnerv scheint immer von dem Fühlernerven gesondert
aus den oberen Schlundganglien zu entspringen.
Die hauptsächlichsten Eigenthümlichkeiten der zwei
unverhältnissraässig grossen Augen der Cephalopoden,
in deren Beschreibung und Deutung man jedoch noch sehr
uneins ist, möchten etwa folgende sein: Bei den Loli-
ginen und Octopoden liegt der Augapfel, vorn und
an den Seiten frei, in einer Augenkapsel, gebildet durch
die knorpelige Augenmuschel und eine sich an den Knor-
pel anschliessende fibröse Haut , welche vorn mit der
Hautbedeckung sich verbindet, dünn und durchsichtig wird
und somit als cornea fungirt. Indem nun der Augapfel
nicht unmittelbar an die Augenkapsel sich anlegt, ent-
steht eine vorn und seitlicli den Augapfel umgebende
Höhle, geschlossen durch eine seröse Haut, die von ei-
nigen Zootomen mit der coniunciiva verglichen Avorden.
Diese seröse, auf dem Augapfel silberglänzende Haut bil-
det die Iris, und aus der Pupille ragt die Linse frei in
die Augenkapselhöhle, welche merkwürdiger Weise mit
der Aussenweit durch eine enge Oeffnung communicirt.
Kann aber schon hier das Meerwasser mit der Höhlen-
flüssigkeit sich vermischen, so wird bei LoUgopsis und
OnychotheiUis die Linse geradezu vom Meerwasser be-
spült, da bei diesen Gattungen die Augenkapsel vorn gar
nicht geschlossen ist. Im Uebrigen lassen sich am Aug-
apfel ungefähr dieselben Haupttheile benennen, Avie am
Wirbelthierauge.
5. Bei den Wirbelthieren. Die Beispiele von Blind-
heit oder sehr unvollkommener Ausbildung der Gesichts-
organe sind unter den Wirbelthieren Ausnahmen. Dahin
gehören unter den Fischen die L eptocar dior , indem
3. Kap. Die Sinnesorgane. 77
bei Brancinostoma nur zwei Pigmentflecke sich finden,
feiner die 3Iyxinoiden, deren rudimentäre Augen von
der Haut (Bde/fostoiua) oder auch von Muskeln (iVyxhie)
bedeckt werden, eine Eigenschaft, die selbst ein Säuge-
thier, Spalax iyphlus , mit den Fischen theilt. Von den
Amphibien sind die unterirdisch lebenden Proteiden
hierher zu rechnen.
iSonst zeigt das Auge der Wirbelthierc verhältniss-
mässig geringe Varietäten. In allen Klassen finden sich
die vier geraden und zwei schiefen Muskeln
zu denen bei den Amphibien und vielen Säugethieren der
Zurückzieher des Augapfels, nmscuhis retractor oculi^
kommt, der bei den Wiederkäuern in vier einzelne Mus-
keln zerfällt.
Die Aug enli d b il d un g kommt bei den Fischen
nur unvollkommen zu Stande, indem gewöhnlich die äus-
sere, durchsichtiger gewordene Haut einfach das Auge
überzieht. So ist es auch bei vielen Amphibien, z. B.
den Cöcilien, Ophidiern und Geckos. Bei C/ia-
waeleon sind die Augenlider zu einer kreisrunden mit
einem Querspalt versehenen Blendung verwachsen. Aber
schon bei den Fischen, in einer Abtheilung der Haie
(Nictitantes)^ sehr vielen Amphibien (am vollständigsten
bei den Krokodilen) und ganz allgemein bei den Vögeln
findet sich ein drittes Augenlid, die Nickhaut, jiiem-
brana nictitans ^ welche von dem vorderen (inneren) xAu-
genw inkel aus durch einen eigenthümlichen Muskelapparat
über das Auge gezogen werden kann. Sie schwächt, da
sie ziemlich dünn ist, die Lichtempfindung nicht ganz ab.
Mit ihr ist immer die Hardersche Drüse verbunden.
Bei den Säugethieren ist die Nickhaut auf die ijüca se-
78 I- Abschn. Die Organe der Empfindung.
mihmaris reducirt, die bei einigen, z. B. den Pferden,
einen Knorpel enthält.
Der Thränenapparat fehlt den Fischen, ist
aher schon bei den meisten Amphibien vorhanden. Die
Thränen der Schlangen bleiben unter der von dem
äusseren Hautüberzuge gebildeten und das Auge wie ein
ührglas bedeckenden Kapsel und werden von hier aus in
den Thränenkanal geleitet.
Das Auge der Fische ist an der Hinterwand der
orblta befestigt. Die sclerotica der meisten Kno chen-
fische nimmt zwei, häufig verknöchernde Knorpelstrei-
fen auf, welche beim Stör zu einem Knorpelcylinder
werden. Die cornea ist sehr flach ; ihre grössere Con-
vexität Avürde, bei der brechenden Kraft des Wassers,
dem deutlichen Sehen hinderlich sein. Die äussere in die
Iris übergehende Lamelle der chorioidea zeichnet sich
durch ihren Silberglanz aus, auf der inneren Fläche der
chorioidea findet sich oft (z. B. bei den Plagiostomen)
ein silberg-länzendes tapetum. Das corpus ciliare haben
nur die Plagiostomen, und die Thunfische. Durch
den Spalt der retina der Knochenfische tritt in den Glas-
körper bis zur Linse der processus falciformis, dessen
vordere Anschwellung die campamda Halleri ist. Feinere
histologische Untersuchungen haben gezeigt, dass diess
Organ nicht sein Analogen im Kamm der Vögel hat. Der
/jrocessMS besteht aus Arterie, Vene und Nerv, umschlos-
sen von einer bindegewebigen Scheide, die aus der Bin-
degewebs-Membran der Chorioidea stammt. Die cam-
jjamda ist musculös.
Das Auge der Amphibien nähert sich dem der
Vögel; die Linse ist platter als bei den Fischen, das
corpus ciliare vorhanden. Der bei vielen Sauriern
3. Kap. Die Sinnesorgane. 79
(Angids, Lacerta) vorkommende Kamm (pecten, marstt-
pium), als dessen Analogon wohl auch der in der Mitte
der Retina befindliche schwarze Fleck bei den Kroko-
dilen anzusehen, ist dieselbe Bildung, welche bei den
Vögeln vorkommt.
Bei den Vögeln wird die cornea von einem Kno-
chenringe umgeben , bestehend aus einer unbestimmten
(12 — 30) Anzahl von Platten. Ganz allgemein ist nun
der Kamm, ein dunkler, fächerförmiger Körper, der
viel Pigment und Gefässe enthält. Er erstreckt sich häu-
fig bis an die Linsenkapsel, und gehört nach Ursprung
und Bau der Aderhaut an. Genauer gesagt, stimmt er
mit den processus ciliares der chovioidea überein.
Die Modificationen , welche das Auge der Säuge-
thiere im Vergleich mit dem menschlichen darbietet,
sind unbedeutend. Eine ganz enorme Anschwellung der
sclerotica findet sich bei den Wallfischen. Von der
iivea ragen beiden Pferden, vielen AViederkäuern,
auch beim Monodon die sogenannten Trauben bis in die
Pupille herab , eine auch bei einigen Fischen (Rhiiwbatns)
vorkommende Bildung. Wichtig sind die auf das tapetum
sich beziehenden Veränderungen, eine eigenthümliche
Membran im Auge vieler Säugethiere, welche die Fähig-
keit hat, das Licht zurückzuwerfen, und so das schein-
bare Selbstleuchten der Augen hervorbringt. Bei den
eigentlichen Pflanzen fr essern, den Pferden, Wieder-
käuern, den Cetaceen und einigen f leischfressen-
denBeutelthieren ist das tapetum faserig , besteht
aus gewöhnlichem Bindegewebe und zeigt getrocknet nicht
mehr die Interferenzerscheinungen, Dagegen ist das ta-
petum der Carnivoren und Robben zellig.
Wir sind nun genöthigt, um über die sogenannten
80 I. Abschn. Die Organe der Empfindung.
zusammengesetzten Augen der Arthrozoen sprechen zu
können, Einiges aus den neueren vergleichend histologi-
schen Untersuchungen über den Bau der Netzhaut des
Wirbelthierauges beizubringen *).
Nach H. Müller hat man in der Retina der Wirbel-
thiere nicht Aveniger als acht Schichten zu unterscheiden,
zu innerst eine Begränzungshaut, zu äusserst die Schichte
der Stäbchen und Zapfen, dazwischen mehrere Schichten
von Körnern, eine Nervenzellenschichte und die unter der
Begränzungshaut liegende Schicht der Sehnervenfasern.
Die Elemente der Stäbchenschicht sind mit den Körnern
und durch diese mit den Ganglienzellen und Nervenfasern
in continuirlichem Zusammenhange , und dadurch und durch
andre Gründe wird es im höchsten Grade wahrscheinlich,
dass die Stäbchen und Zapfen die wahren Nervenenden
sind und als solche die Function der Lichtempfindung
haben, während die anderen Elemente der Retina als
blosse Leiter der in der Stäbchenschicht hervorgebrach-
ten Eindrücke dienen. Für diese Auffassung spricht auch
das Verhalten der Retina der Cephalopoden , bei denen
die innerste Schicht der Retina durch Cylinder gebildet
wird , die den Stäbchen der Wirbelthiere ähnlich sind.
Dann kommt eine dichte Pigmentlage, durchbohrt von den
fadenförmigen Fortsätzen jener Cylinder. Der bei den
Wirbeltliieren allerdings auffallende Umstand, dass die
Stäbchenschicht nach aussen liegt , wird aufgewogen durch
die fast vollkommene Durchsichtigkeit der vorliegenden
Schichten.
*) Dass wir uns in diesem elementaren Werke einfach an H.
^iüller und Leydig halten und eine Discussion über die dorpater
Gegenansichten vermeiden, wird man erklärlich finden. Der Vortrag
kann und soll ergänzen.
3. Kap. Die Sinnesorgane. 81
Die zusammengesetzten Augen.
Viele Crustaceen und fast alle Insecten im
Imagozustande besitzen die sogenannten zusammengesetz-
ten Augen, deren Hornhaut in der Regel in zierliche,
scharf conturirte Felder getheilt ist, facettirt. Hinter
jeder Hornhautfacette liegt eine Reihe durchsichtiger Kör-
per, die bis zur gangliösen Ausbreitung oder Anschwel-
lung des Sehnerven sich erstrecken und durch Pigment
von ihren Nachbarn getrennt sind. Die Entscheidung über
die wahre Natur dieser Augen hängt davon ab, ob jene
durchsichtigen Körper blosse lichtbrechende und leitende
Äledien, oder ob sie unmittelbare Ausläufer des opticus
sind. Lange Zeit hat die erste Ansicht allgemeine Gel-
tung gehabt, nachdem Job. Müller*) eine höchst an-
sprechende Theorie über das Sehen mit derartigen Au-
gen aufgestellt. Das Bild sollte dadurch zu Stande kom-
men, dass durch jede Facette mit den dahinter liegenden
Theilen immer nur ein Punkt des Gegenstandes abgebil-
det, das ganze Bild also musivisch zusammengesetzt
würde. Je mehr Facetten, desto mehr Punkte des Gegen-
standes könnten zugleich zur Perceplion gebracht werden,
desto deutlicher also das Sehen. Man unterschied also
hinter jeder Facette eine Linse, welche mit ihrem hinte-
ren, stumpfen Ende von einem becherförmigen Glaskör-
per aufgenommen würde, welcher letztere wieder in eine
becherförmige Ausbreitung des vom Sehganglion kommen-
den Nervenfaden passte. Zwischen Hornhaut und Lines
bildet häufig das Pigment eine Art Iris.
Feinere anatomische Untersuchungen und physicalisch-
*) In dem klassischen Werke: Zur vergleichenden Physiologie
des Gesichtssinnes. Leipzig 1826.
6
82 !• Abschn. Die Organe der Empfindung.
theoretische Bedenken lassen jedoch diese Auffassung sehr
zweifelhaft erscheinen. Leydig hat es wahrscheinlich
gemacht, dass die hinter jeder Facette liegenden Bildun-
gen (besehrieben als Linse oder Krystallkegel , Kapsel
desselben, Glaskörper), an welche sich der Nervenfaden
ansetzen sollte, nur die unmittelbaren, besonders modi-
ficirten Fortsetzungen des Nervenfaden seien. Die Ge-
sammtheit dieser Nervenfaden mit den Fortsetzungen soll
der Stäbchenschicht {stvatum bacVlorum) im Wirbelthier-
auge, das Sehganglion des Insectenauges dagegen denje-
nigen Schichten der Netzhaut entsprechen, welche aus
Zellen , Körnern und Nervenfasern sich zusammensetzen.
Es würde demnach das facettirte Insectenauge so gut wie
das einfache Auge eine organische Einheit vorstellen.
5. Gehörorgane.
Vergleicht man die Ausbreitung der Gehörwerkzeuge
mit der der Gesichtswerkzeuge, so prävaliren letztere
bei den wirbellosen Thieren. Das Gehörorgan kann an
und für sich einfacher gedacht werden ; beim Auge ist
wenigstens immer ein durchsichtiges , vor dem Nerven
liegendes Medium nöthig , die Schallwellen hingegen wer-
den durch die verschiedenartigsten Körper hindurch ge-
leitet. Und so ist ein specifisch für Schallwahrnehmungen
empfänglicher Nerv denkbar, ohne allen acustischen Ne-
benapparat , möglicher Weise ein Grund , dass wir bei
so vielen Thieren (z. B. Spinnen und Insecten) vergeblich
nach Gehörorganen gesucht.
Die Physik lehrt, dass, je verschiedenartiger an Dich-
tigkeit zwei Körper sind, desto schwieriger die Fortlei-
tung der Schallwellen aus dem einen in den andern er-
folgt, und dass die Wellen um so schwächer werden.
3. Kap. Die Sinnesorgane. 83
Die Leitung erfolgt also schwerer aus der Luft in die
Thierkörper, als aus dem Wasser. Die Wasserthiere
werden also im Allgemeinen einen einfacheren acustischen
Apparat nöthig haben, als die Luftthiere,
Der wesentlichste Theil am menschlichen Ohre ist
das häutige Labyrinth. Die einfachen Gehörorgane der
meisten niedern Thiere sind als Analogen desselben auf-
zufassen.
Gehörorgane der Würmer.
Die glashellen , einen krystallähnlichen Körper ein-
schliessenden Bläschen, die sich, gewöhnlich von Pigment
umgeben, in der Nackengegend mancher Strudelwür-
mer finden (Convolata, Moiwcells, Proporus) ^ sind, alles
in allem erwogen , doch wohl als Gehörorgane zu be-
trachten , in denen der innere bew egungslose Körper dem
oder den Otolithen der Mollusken und andrer Thiere
entspricht.
Bei einigen , namentlich zwei mit Amjjhicora ver-
wandten Borstenwürmern sind Gehörbläschen mit Otoli-
then gefunden, wie wir sie unten bei den Mollusken
kennen lernen. Bei Amphicora Sabella habe ich nichts
dem Aehnliches bemerkt. Aremcola besitzt auf jeder
Seite des Oesophagus ein Bläschen mit Otolithen.
Gehörorgane der Arthropoden.
Unter den Crustaceen hat man bisher nur bei den
Decapoden Organe gefunden, w^elche sich als Gehör-
werkzeuge deuten lassen. Es sind das dieselben , welche,
an und in der Basis der inneren Antennen gelegen, bis-
her für die Geruchsorgane gehalten Avurden. Die Deutung
ist nach einigen neueren Befunden nöthig geworden, da
6*
84 !• Absclin. Die Organe der Empfindnng.
Leucifer und einige andere ein vollständig geschlossenes
Bläschen mit einem Otolithen , also das vollständige Ana-
logen des Gehörorgans anderer viirbelloser Thiere an je-
ner Stelle besitzen. Bei Astacus^ Homarus^ Palinurus,
Palaemon, Pagurus u. a. liegt das Gehörbläschen in der
unteren Hälfte des Basalstückes der inneren Antennen.
Statt eines Otolithen enthält es einen Haufen unregelmäs-
siger, steiniger Concremente; auch das Bläschen ist un-
regelmässiger und communicirt in der Regel durch einen
von Borsten umgebenen Spalt mit der Aussenwelt.
Obgleich die Spinnen zuhören scheinen, sind den-
noch weder bei ihnen, noch bei den allermeisten Insek-
ten Gehörorgane nachgewiesen. Nur bei den Ortho-
ptern scheint das Vorhandensein derselben ausser Zwei-
fel. Bei den Acridiern (Gomphoceriis u. a.) bemerkt
man oben und an den Seiten des ersten Hinterleibsringes
einen eiförmigen Ausschnitt, umgeben von einer hornigen
Einfassung , in Avelcher eine trockne , dünne Membran als
Trommelfell ausgespannt ist. An der Innenseite dieser
Membran sind einige Hornstückchen befestigt, in deren
eigenthümliche Vertiefungen sich die letzten Enden des
vom dritten Brustganglion entspringenden Hörnerven als
stabförmige Elementartheile einsenken. Der Apparat wird
von hinten eingeschlossen durch die Ausbreitung einer
Tracheenblase, welche von dem im Hornringe befindli-
chen Stigma entspringt, und wodurch also ausgezeichnet
für die Resonanz gesorgt ist. Auffallender noch ist die
Lage der Gehörorgane bei den L ocustide n und Ach e-
tiden in den Tibien des ersten Fusspaares , z. B. bei
Locusta viridissima. Den Eingang bilden bei ihr auf bei-
den Seiten der Tibien zwei längliche, ritzförmige Oefl-
nungen; hinter jeder ist ein Trommelfell, und zwischen
3. Kap. Die Sinnesorgane. 85
beiden Trommelfellen erweitert sich der Tracheenstamm
der Beine zu einer Art von Blase. Da , wo diese Er-
Aveiterung beginnt, macht der aus dem ersten Brustgang-
lion entspringende Gehörnerv eine Anschwellung, aus
welcher ein bandförmiger Fortsatz an der Tracheenblase
herabläuft. Die am Hinterrande des Prothorax bemerkli-
chen grossen Stigmen sind die Mündungen jener Haupt-
tracheenstämme, neben welchen sich die eigentlichen
Stigmen des Prothorax befinden.
Gehörorgane der 3Iollusken.
Bei den Mollusken sind die Gehörorgane sehr ver-
breitet, aber in einer sehr einfachen Form. Unter den
Acephalen finden sie sich fast allgemein bei denLa-
mellibranchiaten. Es sind zwei von einer durch-
sichtigen Haut gebildete Bläschen , welche eine Flüssigkeit
mit einem Otolithen enthalten und unmittelbar auf dem
Fussganglienpaare aufsitzen (z. B. bei Cyclas) oder durch
kurze Gehörnerven damit verbunden sind (z. B. bei Ano-
donta, Unio). Die Angabe über ähnliche Gehörbläschen
der Tunicaten bedürfen einer näheren Bestätigung.
Die Gehörkapseln der Cephalophoren enthalten
in der Regel eine grössere , unbestimmte Anzahl von Oto-
lithen. Einen haben die Heteropoden und mehrere
Nacktkieme r. Die zitternde, schwankende Bewegung,
welche man an den Gehörkrystallen wahrnimmt, so lange
die Kapsel nicht zerdrückt ist, rührt von sehr, feinen
Wimpern her, mit denen die Innenseite der Kapsel be-
kleidet ist. Gew öhnlich liegen die Gehörkapseln auf dem
unteren Schlundganglienpaare , eine Lage , welche der bei
den Lamellibranchiaten bemerkten entspricht; und nur in
den Fällen, bei vielen Nacktkiem ern, wo die unte-
86 I. Absclm. Die Organe der Empfindung.
ren Schlundganglien in die Höhe gerückt und mit den
oberen Partieen verschmolzen sind , haben auch die Kap-
seln an dieser Translocation Theil genommen, unmittel-
bar dem Gehirn aufsitzend (AeoUs, Doris u. a.). Auch
bei einigen He terop öden empfangen die Gehörbläschen
ihre Nerven von der Gehirnmasse.
Die Gehörbläschen der Cephalopoden befinden
sich in zwei Höhlungen des unteren Theiles des Kopf-
knorpels und enthalten nur einen, sehr verschieden ge-
stalteten Otolithen. Der Hörnerv verbreitet sich auf dem
birnförmigen Bläschen, das man dem häutigen Labyrinth
der Wirbelthiere gleichstellen kann , wie die Knorpelhöhle
dem knöchernen.
Gehörorgane der Wirbelthiere.
Wir haben das Gehörsäckchen der Krebse und Ce-
phalopoden mit dem häutigen Labyrinth der Wirbelthiere
verglichen 5 näher bezeichnet w^ürde es nur dem vestibii-
lum membranaceum entsprechen, indem jede Andeutung
von halbzirkelförmigen Kanälen fehlt. Diese sind das
alleinige Eigenthum der Wirbelthiere.
Das Gehörorgan von Branchiostoma ist unbekannt.
Bei allen übrigen Fischen beschränkt es sich auf die
canales semicirculares mit dem vestibuhim^ jedoch finden
bedeutende Unterschiede statt. Das, wie bei den Pe-
tromyzonten, in einer eigenen Gehörkapsel liegende
häutige Labyrinth der Myxinoiden ist ein einziger in
sich zurücklaufender Kanal mit einer dem vestibuhim
gleichwerthigen Anschwellung. Bei Petromyzon und Am-
mocoetes besteht das häutige Labyrinth aus dem durch
eine Furche in zwei symmetrische Hälften zerlegten ve-
stibuhim mit einem zwischen den Ampullen gelegenen
3. Kap. Die Sinnesorgane. 87
sackförmigen An hange und zwei halbzirkel för-
migen Kanälen, die mit dem vestiöulum verwachsen
sind, an der inneren Wand der Knorpelkapsel sich knie-
förmig verbinden und an dieser Stelle , so wie durch ihre
fast dreitheiligen Ampullen mit dem Vorhofe communici-
ren. Alle übrigen Fische besitzen , wie die Amphibien,
Vögel und Säugethiere , drei halbzirkelförmige Kanäle.
Bei den Plagiostomen ist das häutige Labyrinth,
canales semicivmdares nebst vestlbulum und dem sackför-
migen Anhange desselben ganz in den knorpeligen Schädel
versenkt. Durch eine kanalartige Verlängerung der knor-
peligen Bedeckungen (Haie) des Vorhofes, oder auch
zugleich des vestlbulum membranaccnm selbst setzt sich
das Labyrinth mit der Aussenwelt in Verbindung ; die
beiden Kanäle münden durch einige sehr kleine Oeifnun-
gen in eine auf dem Hintertheil des Schädels befindliche
und von der äusseren Haut überzogene Grube. Bei den
Knochenfischen, denen sich Chimären und Störe
anschliessen , liegt das häutige Labyrinth theils in der
Schädelhöhle, theils in den Schädelwandungen. SoAvohl
im vestlbulum j als in den beiden Abtheilungen des mit
dem vestlbulum verbundenen Säckchens, Saccus vestibuU,
befinden sich Otolithen, die wieder von einer feinen Mem-
bran umgeben und durch dieselbe an die Labyrinthwände
befestigt sind.
Sehr merkwürdig ist die Verbindung, welche bei
verschiedenen Fischen zwischen der Schwimmblase und
dem Gehörorgane besteht. So findet sich bei den Silu-
roiden mit Schwimmblase, den Cyprinoiden und
Characinen unter den vorderen Wirbeln eine Reihe
von drei Knöchelchen, deren vorderstes an hintere Ver-
längerungen und Ausbuchtungen des häutigen Labyrinthes
88 !• Abschn. Die Organe der Empfindung.
stösst, während das hintere bis zur Schwimmblase reicht.
Bei Clupea, Engraulis und Notopterus verlängert sich die
Schwimmblase in einen , nicht mit dem Schlundgange zu
verwechselnden Kanal, der sich wieder theilt. Jeder
dieser Aeste geht in zwei blasenartige Erweiterungen
über, deren eine mit dem Labyrinth zusammenstösst.
Aehnlich verhält es sich bei mehreren P er coiden, z.B.
Holocentrum, Myripristis^ wo eine Verlängerung der
Schwimmblase bis in die Nähe des Labyrinthes geht,
von dieser aber durch eine Schädelmembran getrennt
bleibt. Ueber die Bedeutung dieser Verbindungen las-
sen sich nur Vermuthungen aufstellen; vielleicht dient
die Schwimmblase hier als Resonator.
Das Gehörorgan der Amphibien bietet grosse Ver-
schiedenheiten dar, namentlich gehen, wie in vielen an-
deren anatomischen Verhältnissen, so auch hier die nack-
ten und die beschuppten Amphibien aus einander,
indem erstere den Fischen , letztere den Vögeln sich an-
schliessen. Demnach fehlt den nackten Amphibien
durchweg die Schnecke ; die meisten derselben , nämlich
Cöcilien, Derotreten, Salamandrinen und von
den Fröschen die Bombinatoren (Unke) sind auch ohne
Trommelhöhle. Die Verbindung des Vorhofs, die fenestra
ovalis wird gewöhnlich nur durch ein knorpeliges Deckel-
chen geschlossen , und dieses noch von Muskeln und Haut
überzogen. Die Bombinatoren ausgenommen findet sich
bei den ungeschwänzten Batrachiern eine Pau-
kenhöhle mit drei , die fenestra ovalis mit dem hinter dem
OS quadraUim auf einem Knorpelringe ausgespannten,
meist ganz frei liegenden Trommelfelle verbindenden Ge-
hörknöchelchen. Von diesen sind jedoch das innere, der
Deckel der fenestra ovalis , und das äussere mehr knorpe-
3. Kap. Die Sinnesorgane. 89
lig; sie entsprechen dem Hammer, Ambos und Steigbügel.
Der dritte , am meisten ausgebildete , wird der Hauptkno-
chen auch bei den beschuppten Amphibien und
Vögeln und heisst dann das Säulchen, columella.
Die tiibae Eiistachil münden in der Regel (Rana^ Hyla^
Bufo) gesondert in den Rachen; nur in der Familie der
zungenlosen Pipae findet sich eine gemeinsame Oeffnung
der ausnahmsweise langen Tuben mitten im Rachen. Bei
diesen ist das Trommelfell selbst in einen knorpeligen
Deckel verwandelt.
Von den beschuppten Amphibien fehlt den Schlan-
gen die Trommelböhle; die lange columella der Gross-
raäuler steckt in den Muskeln , bei den Engmäulern
ist die columella klein oder verschwindet ganz. Alle b e-
schuppten Amphibien besitzen eine durch eine fe-
nestra rotunda mit der Trommelhöhle in Verbindung ste-
hende Schnecke, obschon diese bei den Cheloniern
noch sehr einfach ist, sackförmig, ohne Abtheilungen.
Am meisten ausgebildet und von der der Vögel kaum
zu unterscheiden ist die Schnecke der Krokodile, avo
sie von länglicher Gestalt ist, etwas gekrümmt und am
Ende erweitert. Sie enthält einen Knorpelring, zwischen
w^elchem eine zarte , der lamina spiralis zu vergleichende
und die Verzweigungen des n. cochlearis enthaltende
Membran ausgespannt ist , bedeckt von einer zweiten fal-
tigen und gefässreichen Haut. Dadurch wird die Schnecke
in zwei der scala iympani und s. vestibuli entsprechende
Abtheilungen getheilt. Indem die Schenkel des Knorpel-
ringes in dem freien Ende der Schnecke sich umbiegen
und in eine feste Membran übergehen, bilden sie die
sogenannte Flasche, lageiia, worin ebenfalls die Vögel
vollkommen mit den Krokodilen übereinstimmen.
90 '• Absclin. Die Organe der Empfindung.
Das Ohr der Säugethiereistin allen inneren Thei-
len dem des Menschen höchst ähnlich; nur die Schnecke
von Echidna und Ornithorhynchus erinnert noch einmal
an die der Vögel.
Anhang.
Die sogenannten Schleimcanäle der Fische.
Nach der früheren Ansicht von Sa vi und Jacobson
und den neueren Untersuchungen vorzüglich von L e y d i g
und H. Müller sind in den sogenannten Schleimcanälen
der Fische eigenthümliche , vor der Hand nicht näher zu
bestimmende Sinnesorgane enthalten. Drüsen, welche
den Schleim absondern könnten, finden sich gar nicht
darin , vielmehr bildet nach L. die weich bleibende Ober-
haut selbst den Schleim. Man kann die Organe mit den
Ausbreitungen der Gehörnerven auf den Ampullen der
halbzirkelförmigen Kanäle vergleichen. Analoge Organe
an der unteren und vorderen Seite des Zitterrochens sind
ganz geschlossen , so dass hier die Deutung auf ein
schleimergiessendes Organ ganz wegfällt. Die Nerven
stammen grösstentheils vom trigeminus^ weniger vom vagus
und von Spinalnerven,
Die Litteratur über die Sinnesorgane ist sehr zer-
streut. Wir beschränken uns , nur einige der wichtigeren
3. Kap. Die Sinnesorgane. 91
Arbeiten über die Geruchs-, Gesichts- und Gehörorgane
anzuführen :
Quatrefages, Memoire stir les organes des sens des Annelides.
Ann. d. sc. nat. 1850. T. 13.
H. Erichs on, De vsu et fahrica antennarum in insectis. Ber-
lin, 1847.
H. Burmeister, Beobachtungen über den feineren Bau des Füh-
lerfächers der Lamellicornien, als eines niuthmassliclien Ge-
ruchswerkzeuges; in der Zeitung für Zoologie von D'Alton
und Burmeister. Bd. I. Nr. 7. 1848.
A. Kölliker, Geruchsorgane der Cephalopoden. Fror. Not. 1843.
Bd. 26.
Gegenbaur, Ueber die Randkorper der Medusen. Müll. Arch.
1856.
Joh. Müller, Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes.
Leipzig, 1826.
Fr. Will, Beiträge zur Anatomie der zusammengesetzten Augen mit
faceltirter Hornhaut. Erlangen und Leipzig, 1840.
Fr. Will, Ueber die Augen der Bivalven und Ascidien. Fror.
Not. 1844. Bd. 29. S. 81.
A. Krohn, Beitrag zur näheren Kenntniss des Auges der Cephalo-
poden. N. Acta N. Cur. Vol. XVII. P. 1. 1835. S. 337.
Darüber auch Vol. XIX. 1842. P. 2. S. 41.
Aem. Huschke, Commentatio de pectinis in oculo avium potestate
anaiomica et physiologica. Jenae, 1827.
W. Soemm erring, De ocnlornm hominis animalinmque seciione
horizontali. Goetting. , 1818.
H. 3Iüller, Anat.-phys. Untersuchungen über die Retina bei Men-
schen und Wirbelthieren. Zeitschr. f. wiss. Zool. VIIL 1856.
Leuckart, Ueber die Gehorwerkzeuge der Krebse. Wiegm. Arch.
f. Nat. XIX. 1.
Th. V. Siebold, Ueber das Stimm- und Gehörorgan der Orthopte-
ren. Wiegm. Arch. Bd. 10. 1844. S. 52.
Derselbe, Ueber das Gehörorgan der Mollusken. Wiegm. Arch.
Bd. 7. 1841.
92 I- Abschn. Die Organe der Empfindung.
Joh. Müller, lieber den eigenthümlichen Bau des Gehörorgans bei
den Cyclostomen. Abb. der Berl. Acad. a. d. Jahre 1836.
Berlin, 1838. (Fortsetzung der vergl. Anat. der 3Iyxinoiden.)
H. Windischmann, De peniiiore miris in ampJiibiis structura.
Lips. 1831.
G. Brechet, Recherches anatomiques et physiologiques sur l'organe
de Vaudiüon chez les oiseaux. Paris, 1836.
Hyrtl, Vergleichende anatomische Untersuchungen über das innere
Gehörorgan des Menschen und der Säugethiere. Prag, 1845.
Zweiler Abschnitt.
Die Organe der BewegTiiig,
Erstes Kapitel.
Die äuisisereii Bedeckungen und da^
Haut^kelet.
1. Die äusseren Bedeckungen und das Haut-
skelet der Strahlt liiere.
Die Bedeckungen der Polypen zeigen grosse Man-
nich faltigkeit, jenachdem die Hautschichten , deren man
in der Regel zwei zählt, weich bleiben (Actinia, Echvard-
sia)y oder verhornen und durch Aufnahme anorganischer
Bestandtheile erhärten. Der auf diese AVeise entstehende
Polypenstock (Polyparium) ist nicht als Excret an-
zusehen, etwa wie das Schneckengehäuse von den Man-
teldrüsen ausgeschieden wird, sondern entsteht durch eine
Verhornung oder Verkalkung der Körperhüllen selbst,
indem entweder der Kalk in mehr oder minder regelmäs-
sigen krystallinischen Formen zwischen den Hautschichten
sich ablagert, in welchem Falle das Polyparium gewöhn-
lich eine lederartige oder korkige Beschaffenheit hat
94 H« Abschn. Die Organe der Bewegung.
(^ Alcyonium , Lobularia^ Veretillum , Pennatida) , oder in-
dem sich kleine Kalkmoleküle, und dann gewöhnlicli in
grösseren Massen, inniger mit der organischen Grundlage
vermengen. So ist es bei den sogenannten Stamm- oder
Kerngerüsten, welche von mehreren der genannten Gat-
tungen ( Veretillum , Pemmtala) und anderen (den C o -
rallinen) nach innen abgesondert werden. Oder endlich
ist der Kalk chemisch an die Integumente gebunden , wie
bei den Funginen, Madreporinen u. a. , bei wel-
chen Familien man mit Unrecht von einem Kerngerüste
spricht, indem bei einer Fungia nur der untere Theil der
Körperwandungen und der Septa der Leibeshöhle verkalkt,
während bei den Madreporinen die Verkalkung der Kör-
perwandungen ausgedehnter ist.
Unter den Acalephen sind hinsichtlich ihrer Haut-
bedeckung die Hydroiden am besten giökannt. Auch
bei ihnen unterscheidet man eine obere feinere und eine
untere dickere Schicht, welche letztere sich bei mehre-
ren der polypenartigen Larvenformen (Tnbularia, Cam-
panulavia u. a.^ zu hornigen , vielleicht immer chitinhal-
tigen Röhren und Zellen verdickt, auch zum Aufbau des
hornigen, kohlensauren Kalk enthaltenden Stockes ver-
wendet wird. Bei den übrigen Quallen lässt sich nur
eine einzige sehr zarte, structurlose Hautschicht nach-
weisen. Die unter ihr liegenden Pigmente sind in Zellen
eingeschlossen.
In der Hautbedeckung der Cölenteraten finden sich
sehr allgemein die sogenannten Nessel-, Gift- und
Angelorgane. Sie bestehen gewöhnlich aus einem
elliptischen , mit einer klaren Feuchtigkeit erfüllten Bläs-
chen, aus welchem ein im Zustande der Ruhe spiralig
eingerollter Faden emittirt werden kann. Bei unsrer
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Hautskelet. 95
Hydra ist das Bläschen flaschenförmig und trägt an sei-
nem oberen Ende drei nach unten gerichtete Haken , wel-
che eingestülpt werden können. Verschieden von diesen
Bildungen sind die Haft Organe, derbhäutige, eine starre
Borste tragende Kapseln , die namentlich an den Fangar-
men vorkommen.
Sehr complicirt sind die Fangapparate der Siphono-
phoren , die gewöhnlich an der Wurzel der Magenanhänge
(Polypenindividuen) stehen. An einem solchen Fangfa-
den sind in regelmässigen Abständen Nesselknöpfe be-
festigt, welche auf einem Stiel sitzen und in einen End-
faden übergehen. Ausserdem besitzen sie einfachere
Fangfäden neben den Tastern.
Echinodermen. Bei den Crinoiden ist die
Bauchseite weich, die Rückenseite verkalkt, und das aus
Scheiben oder kurzen , durch eine sehnige , elastische In-
terarticularsubstanz verbundenen Cylindern zusammenge-
setzte Skelet setzt sich in die Arme, Pinnulae und Cir-
rhen fort. Auch der Stiel von Pentacrinus und den jungen
Comatuln ist gleicherweise gegliedert. Bei denEchi-
noiden haben sich die einzelnen, ein netzförmiges Ge-
füge zeigenden Kalkplatten zu einer unbeweglichen Schale
zusammengelegt. Die Platten sind in regelmässigen Rei-
hen geordnet und bilden, abwechselnd mit den Interam-
bulacralfeldern , die Ambulacralfelder , indem sie, zur
Verbindung der äusseren Füsschen mit den inneren Am-
bulacralbläschen , durchlöchert sind. Von der Mundöff-
nung der eigentlichen E c h i n e n und der Clypeastriden
ragen Kalkfortsätze in den Körper hinein, welche Muskeln
und Bändern der Kauwerkzeuge zum Ansatz dienen.
Bei den Echinoiden und Ophiuren liegt den
Schildern und Platten, wenn auch in geringer Menge,
96 II- Abschn. Die Organe der Bewegung.
eine organische Materie zu Grunde, die man, nach Ent-
fernung des Kalkes durch Säuren, als ein zartes Gitter-
werk darstellen kann. In der , hauptsächlich aus einer
beträchtlichen, elastischen Faserschicht, unter einer dün-
nen Zellenlage, bestehenden Hautbedeckung der Aste-
rien finden sich bedeutende Kalkmengen abgelagert in
Form unregelmässiger Balken und Netze. Hiermit werden
wir zu den Holothur]ien geführt , in deren lederarti-
ger Cutis der Kalk zwar in geringeren Mengen, aber
unter den mannichfaltigsten und sonderbarsten Formen
vorkommt, theils als irreguläre, durchbohrte Scheiben,
als Stäbchen und Körner, theils als regelmässige, oft an
die Schneekrystalle erinnernde ebene oder pyramidale
Kalkgestelle und Säulenplatten. Höchst eigenthümlich
sind in der Familie der Synaptinen die sogenannten
Anker. Ein solcher besteht aus einem zweispitzigen Bo-
gen , der vermittelst eines Stieles an eine mehr oder
minder regelmässig durchlöcherte Kalkplatte angefügt ist.
Die Anker ragen aus der Haut hervor und dienen wahr-
scheinlich als Haftorgane.
Von den vielfachen, dem Hautskelet angehörigen An-
hängen der Echinoiden und Asteriden thun wir, als der
merkwürdigsten, nur der Pe dicellar ien Erwähnung.
Es sind über den ganzen Körper verbreitete Greifappa-
rate, bestehend aus einem Stiele mit oben eingelenkten
zangenartigen Armen. Indem die Pedicellarien die er-
griffene Nahrung einander zureichen , gelangt diese von
den entferntesten Körpertheilen nach dem Munde.
Ein ähnlicher Effect, wie durch die Pedicellarien,
scheint bei manchen Echinen (Eck. saxatilis und pulchel-
Ins) und den Spatangodien durch Wimperung erzielt zu
werden. Bei den Echinen kennt man die Wimperung an
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Hautskelet. 97
dem Hautüberzug der Stacheln, bei den Spatangoiden
aber bilden die Wimpern lange Säume, die sogenannten
semitae.
Für alle Echinodermen gilt, dass ihre Skelettheile
von weicher Haut überzogen sein können. Und dadurch
werden wir veranlasst, nach der Bedeutung der wirbel-
artigen Platten zu fragen , welche in den Armen der Aste-
roiden liegen und gewöhnlich für eine Art von innerem
Skelet gehalten worden sind. Es lässt sich jedoch aus
der Lage der Ampullen , durch welche die Füsschen der
Asterien und Echiniden gefüllt werden , annehmen , dass
jene Knochenstücke in den Armen der Asterien den Am-
bulacralplatten der Echiniden entsprechen. Man kann,
mit Joh. Müller, die Erklärung geben, dass diese Ske-
letplatten bei den Asterien Fortsätze entwickelt haben,
welche unter dem Nervenstrang und Wassergefäss zu-
sammenstossen , während bei den Echinoiden beide Or-
gane durch eine entgegengesetzte Entwicklung der Plat-
ten eine entgegengesetzte Lage im Verhältniss zu diesen
Skelettheilen haben.
Am vorderen Ende der Ambulacra von Cidaris kom-
men beide Bildungsweisen zusammen vor, indem die Am-
bulacralplatten an der inneren Seite der Porenreihen
Fortsätze senkrecht nach innen schicken, welche die
Stämme der Ambulacralgebilde , Nerv und Wassergefäss,
zwischen sich nehmen. Nur scheinbar ist die Analogie
mit den sogenannten Auriceln, welche bei Cidaris von
den Interambulacralplatten ausgehen.
Während bei den Asterien die beiden Stücken der
wirbelähnlichen Platten gegen einander bewegt werden
können, sind sie bei den Ophiuren fest verwachsen.
Sie füllen hier die Arme fast ganz aus , haben aber doch
7
98 !'• Abschn. Die Organe der Bewegung.
dieselbe ventrale Lage, wie bei den Asterien. Vom
Bauche her werden sie noch durch ein knöchernes Schild
gedeckt. Die horizontale Adduction und Abduction der
Arme ist den Ophiuren eigenthümlich.
2. Die äusseren Bedeckungen und das Haut-
skelet der Würmer.
Infusorien. So sehr man noch vor w^enigen Jah-
ren von verschiedenen Seiten geneigt Avar die Infusorien
ohne Ausnahme mit der Zelle zu parallelisiren, so wenig
möchte man nach den neuesten Erfahrungen geneigt sein,
diese weniger bewiesenen als hypothetischen Behauptungen
aufrecht zu erhalten. Von den Enterodelen wenig-
stens kann als einzelligen Thieren nicht mehr die Rede
sein, ihre Hautmembran also auch nicht mit der Zell-
membran verglichen werden , was w ir auch nie gethan
haben. Bei einigen von ihnen (Loxodes bursaria und
Paramaecium aurelia) hat sich zwar durch Alkohol eine
zarte, homogene, den Körper gleichmässig umgebende
Membran darstellen lassen, allein dieses, cuticula zu
nennende Gebilde ist für die Zellennatur der Infusorien
durchaus nicht entscheidend , da auch bei vielen anderen
wirbellosen Thieren (man vergl. die Zusammenstellung in
Frey's unten cit. Arbeit) sich eine ganz ähnliche Mem-
bran von den übrigen Körperhüllen abheben lässt. Dazu
kommt, dass bei mehreren Arten (Bursaria leitcas und
vernalis, Paramaecium aurelia, caudatum, Nassida elegans,
Ophryoglena u. a.) dieselben Hautgebilde beobachtet
sind, welche unter dem Namen der stab förmigen
Körperchen bei den Turbellarien allgemein bekannt ge-
worden sind. Wenn wir von den Turbellarien auf die
Infusorien schliessen dürfen, so werden sich auch bei
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Hautskelet. 99
letzteren die stabförmigen Körperchen in eigenthümlichen
Zellen entwickeln. So wenig man die mit den stabför-
migen Körperchen durchwirkte Hautbedeckung der Tur-
bellarien der Zellmembran gleichstellen kann, ebensowe-
nig ist diess bei den Infusorien statthaft.
Die verschiedenen wimperartigen Anhänge hat die
Zoologie zu beschreiben.
Die oberste Hautschicht der Strudelwürmer ist
ein Flimmerepithelium ] zwischen den feinen Flimmern
finden sich bei einigen Dendrocölen und Rhabdocölen
( Eolidiceros t Macrostomum, Dinophilus u. a.) borstenar-
tige Haare. Derartige Nesselorgane, wie sie bei den
Polypen und Quallen so allgemein vorkommen, scheinen
ziemlich verbreitet zu sein. Sie sind am leichtesten bei
Microstomiim lineare zu beobachten, wo sie sich in Nichts
von denen der Hydra unterscheiden. Auch die sehr all-
gemein vorkommenden stabförmigen Körperchen
sind wohl am richtigsten als Nessel- oder Giftorgane zu
betrachten. Bei den Infusorien hat sich diese Bedeutung
wenigstens durch die Emission eines Nesselfadens aus
dem Stäbchen als unzweifelhaft erwiesen.
Die aus einer oder zwei, als epidermis und corium
zu benennenden Schichten bestehenden Hautbedeckungen
der Helminthen erstarren nie zu einem Hautskelet.
Jedoch finden sich bei den Cestoden, sowohl ihren
Ammen -Formen, den sogenannten Blasenwürmern als
bei den^ geschlechtsreifen im Körperparenchym scheiben-
förmige , elliptische oder auch ganz unregelmässige Kalk-
körperchen , welche sich mit den Kalkgebilden der Alcyo-
nien vergleichen lassen und demnach als eine Analogie
eines Hautskeletes anzusehen sein dürften.
100 ^I- Absclin. Die Organe der Bewegung.
Unter den Ringel würmern zeichnet sich die Ord-
nung der Borsten Würmer durch ihre vielgestaltigen
weichen und harten Hautanhänge aus , welche als Fühl-
und Gliedfäden, Haare, Borsten, Haken und Schuppen
für die zoologische Systematik wichtig werden. Zur Bil-
dung eines eigentlichen dem Körper verwachsenen Haut-
skelets kommt es nicht; eine ganze Abtheilung, die
Röhrenwürmer, ersetzen jedoch dasselbe durch den
Bau von kalkigen, lederartigen oder aus Sand u. dergl.
zusammengeleimten Röhren^ mit denen sie aber nie or-
ganisch verbunden bleiben.
In der Hautbedeckung vieler Würmer, namentlich
Ringel Würmer ist das Chitin nachgewiesen, welches
man früher für das alleinige Eigenthum der Arthropo-
den hielt.
^. Das Hautskelet der Arthrozoen.
Schema des Hautskeletes der Arthrozoen.
Die chitinisirten , mitunter durch Aufnahme von phos-
phorsaurem und kohlensaurem Kalk verdickten Hautbe-
deckungen der Arthrozoen werden durch einzelne Ringe
oder Segmente und deren Anhänge gebildet, welche voll-
ständig aus folgenden Theilen bestehen :
1) die Rückenplatte (nohim, tergitm, tergite*)^
2) die Baucbplatte (sternum, sternlte)^
3 — 4) die Rücken-Seitenplatten (epimera , epi-
merites)y
*) Milne-E dvvards hat für die Skelettheile der Arthrozoen
eine neue, allerdings consequente, aber für die deutsche Ausdrucks-
weise zu unbequeme Nomenclalur geschaffen, aus der wir nur Bei-
spiels halber einige Benennungen aufgeführt haben.
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Hautskelet. 101
5 — 6) die Bauch -Seitenplatten {(epistema, epl-
sternites),
7 — 8) die Rückenanhänge (tergorhabtides)^
9 — 10) die Bauchanhänge (sternorhabdites).
Der Entwicklung der Segmente ist aber der grösste
Spielraum gegeben , indem sowohl die Anhänge sich in
verschiedenartigster Weise und zu sehr mannichfaltigen
Zwecken entfalten oder ganz fehlen , als auch die Seg-
mentplatten selbst einzeln oder paarweise atrophiren oder
auffallend gestaltet werden können.
Gegensätzlich zu den Ringelwürmern gruppiren sich
die Segmente der Arthrozoen zu besonderen , in der Regel
deutlich geschiedenen und durch die Art der Anhänge
characterisirten Körperabschnitten. Diese sind:
der Vorder köpf, gebildet, durch die Segmente der
vorderen Antennen und der zusammengesetzten Augen,
welche letztere in die Reihe der Anhänge oder Glied-
massen eintreten. Das beweisen unter andern die geglie-
derten Augenstiele der Decapoden. Die Gränze zwischen
Vorder- und Hinterkopf ist die Mundöffnung und die Ober-
lippe, welche, wie die Entwicklungsgeschichte lehrt, kein
Anhang ist.
derHinterkopf, dessen Zusammensetzung aus ein-
zelnen Segmenten fast nur durch die Anhänge, nämlich die
hinteren Antennen, die Oberkiefer und zwei Paar Unter-
kiefer*) verrathen wird;
die Brust, wird ausnahmslos durch drei Segmente
gebildet ;
der Leib (abdomen) mit sehr wechselnder Zahl der
Segmente ;
*) Zaddach zieht die beiden Maxillenpaare zu den Brustglied-
massen, es ist mir jedoch unklar geblieben, warum.
102 II- Abschn. Die Organe der Bewegung.
der Hinterleib (postabdomen) , der ausgebildet
ist nur bei einigen Ordnungen der Arachniden und dem
grösstenTheile der Crustaceen.
Die morphologische Identität aller der Anhänge,
welche die beschreibende Zoologie als Antennen , Augen,
Fresswerkzeuge , Beine, Afterfüsse, Haftorgane, Hülfs-
begattungswerkzeuge , Afterspitzen etc. aufführt, wird
theils durch die Entwicklungsgeschichte , theils durch die
Vergleichung der fertigen Organe bewiesen. So geben
z. B. die Larven der Cyclopiden einen sehr interessanten
Beweis für die morphologische Gleichheit der Antennen,
Kiefern und Füsse. Sie besitzen drei Paar Bewegungs-
organe. Das erste wird zu den grossen Ruderantennen,
das zweite zum zweiten kleineren Antennenpaar , aus dem
dritten Gliedmassenpaare entwickeln sich aber zusammen
die Mandibeln, Maxillen und ein Paar Maxillarfüsse*).
Die Flügel derlnsecten scheinen eine Bildung
sui generis zu sein, da man sie, nach Zaddach, weder
Rückengliedmassen nennen , noch die Kiemen den Crusta-
ceen vergleichen kann, welche letztere als Anhänge der
Füsse entstehen.
Das Hautskelet der Insecten.
Körperabschnitte. Der Brusttheil ist immer be-
stimmt gegen Kopf und Leib abgesetzt. Das Verhältniss
von Vorderkopf und Hinterkopf ist schwierig zu bestim-
men. Darf man die Mundöffnung als Gränze setzen, so
würden die Vorderkopfsegmente allen Larven der Insecten
mit vollkommner Verwandlung fehlen, daher sie keine
vorderen Antennen und zusammengesetzte Augen haben»
*) Claus, Zur Anatomie und Entwickhingsgeschichte der Co-
pepoden. Wie gm. Arch. 1858.
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Hautskelel. 103
Ihr Antennensegment liegt hinter dem Munde, diese An-
tennen entsprechen also den hinteren Antennen der Cru-
staeeen. Während der Verwandlung tritt der Vorderkopf-
Theil auf und neue Antennen, Avelche den vorderen
Antennen der Crustaceen entsprechen.
Ein Postabdomen fehlt den Insecten durchweg. Das
Abdomen wechselt zwischen acht und elf Segmenten, von
denen in der Regel die letzten sehr auffallende Verände-
rungen erleiden. Nur in dieser Region der After- und
Genitalöffnung finden sich Bildungen, die als die oben
im Schema aufgeführten Rückenanhänge und Bauchanhänge
gedeutet werden können.
Das vergleichend- anatomische und morphologische
Interesse concentrirt sich daher auf die Kopfanhänge,
namentlich also die Mundtheile , und auf das Leibesende
mit den Hülfsbegattungsworkzeugen.
Die Mundtheile. Die 0 berl i p p e ("/afirMwj, ob-
wohl ein wesentlicher Theil , ist keinem Gliedmassenpaare
analog, der selten vorkommende Epipharynx an der
Basis der Oberlippe und der mitunter an der Basis der
Unterlippe sitzende Ilypopharynx scheinen nichts An-
deres als Ausstülpungen der Mundwandungen zu sein. So
bleiben drei Gliedmassenpaare, die sehr einfachen Ober-
kiefer (mandibulae), die Unterkiefer (maxillae) und
die Unterlippe (labium) , welche ein in den Mittelthei-
len verwachsenes zweites Unterkieferpaar ist. Unter die-
sem Gesichtspunkte sind an Maxillen und Unterlippe
folgende Theile mehr oder weniger kenntlich vorhanden,
mitunter theilweise verschmolzen oder ganz ausfallend:
als Angel und Stiel die Glieder cardo und stipes (sub-
mentum und mentum). Am oberen Ende ir'ii^t nach aussen
eine Tasterschuppe den Taster (palpus) , ein ande-
104 JI- Abschn. Die Organe der Bewegung.
res nach innen liegendes Stück die innere Lade (lobus
internus) und die äussere Lade (lobus externus).
Bei den Insecten, welche nagen und kauen, sind diese
Theile bis auf die Unterlippe ohne Schwierigkeit zu er-
kennen; so bei den Käfern, Grad flüglern und
Netzflüglern. Wie aber ihre Unterlippe zu deuten,
wird sich von selbst aus der nun folgenden Untersuchung
der Mundtheile der saugenden Insecten ergeben.
Dijiteva.
Die Scheide des Diptern-Rüssels ist die Unterlippe;
ihre Basis (submentum) macht ein Knie mit dem Stiel
(mentum), an dem die Endlippen sitzen, die mit einander
verwachsenen Laden. Die Lippentaster fehlen. In der
Scheide liegen zwei bis sechs Borsten, sechs, wenn die
Oberlippe auch borstenförmig wird, dazu die Mandibeln,
Maxillen und Hypopharynx. So bei den Culiciden und
Tabaniden. Die Maxillentaster vorhanden. An den den
Unterkiefern entsprechenden Borsten sind oft die beiden
Basaltheile zu unterscheiden; die Laden verschmelzen.
Bei den von den eigentlichen Diptern abweichenden
Pupiparen ist auch der Saugrüssel ein anderer. Die
Maxillen bilden eine Scheide, worin als borstenförmige
Theile des eigentlichen Saugapparates Oberlippe, Unter-
lippe und Hypopharynx liegen ( Hippobosca, Ornithomy-
zia). Den beiden die Scheide bildenden Klappen ähnlich
sind die 3Iaxillen der Apheniptera (Pulex), an denen
sich auch lange Taster vorfinden , die dort fehlen.
Hemiptera.
Ihr Saugorgan (Schnabel) ist sehr übereinstimmend
in allen Familien. Die Unterlippe formt eine gegliederte
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Hautskelet. 105
Scheide, deren Basis oben durch die verlängerte Ober-
lippe gedeckt wird, und Avelche vier Borsten, iMandibeln
und Maxillen einschliesst. Die Taster fehlen ganz, auch
Theile, welche eine strenge Vergleichung mit Epipharynx
und Hypopbarynx aushielten.
Lepidoptera.
Die Maxillen bilden den Saugrüssel, alle übrigen
Mundtheile behalten die bei den nagenden Insecten ge-
wöhnliche Form, sind aber mehr oder weniger rudimen-
tär, mit Ausnahme der stark entwickelten Labialtaster.
Da die Maxillen kleine Taster tragen, so ist durch diese
Gränze angezeigt, dass der fadenförmige Theil einer lang
ausgezogenen Lade, die Basis den mit einander verschmol-
zenen Grundstücken entspricht.
Hymenoptera.
Oberlippe und Oberkiefer verhalten sich wie bei den
kauenden Insecten; Unterkiefer und Unterlippe sind mehr
oder weniger verlängert und zum Saugen geschickt. Diess
am meisten bei den Bienen. Die langen sägeförmigen
oder schwertförmigen Endstücke der Maxillen vertreten
beide Laden. Was die beschreibende Zoologie Zunge
nennt (llgula), entspricht den vereinigten inneren Laden
der Unterlippe , an deren Basis nach innen die immer
eingliedrigen äusseren Laden (paraglossae) und nach aussen
die mehrgliedrigen Labialtaster liegen.
Sehr instructiv ist die Unterlippe der Wespen,
deren Mundtheile sich denen der kauenden Insecten sehr
nähern. Sie ist vierlappig; die beiden äusseren Lappen
sind die paraglossae der Bienen , die beiden inneren die
Zunge.
106 H. Absclm. Die Organe der Bewegung.
Das Bisherige wird zur Orientirung für den Anfänger
hinreichen. Am abweichendsten sind die Mundwerkzeuge
der Pediculinen. Ein fleischiger aus- und einstülp-
barer Kegel ist nichts als eine eigenthümliche Entwick-
lung des Mundrandes. Das aus der Scheide tretende
Rohr dürfte am ehesten den Mandibeln und Maxillen ent-
sprechen.
Das Abdominalskelet der weiblichen In-
secten*). Die Zahl der Segmente schwankt zwischen
acht und elf. Acht besitzen die Lepidoptera, scheinbar
auch die Hymenoptera , bei denen sich jedoch ein, eigent-
lich dem Abdomen zugehöriges Segment mit dem Thorax
verbunden. Neun Segmente haben die Coleoptera, auch
Pulex; zehn einige Hemiptera; elf ein Theil der Hemi-
ptera und Dlptera, die Physanura , viele JSeiiroptera , die
Orthoptera.
In der Regel fehlen die Bauchstücke der vorderen
Segmente wegen stärkerer Entwicklung der unteren Brust-
theile; bei manchen Schwimm- und Laufkäfern drei.
Mit Ausnahme der Hymejiopiera und Hemiptera ho-
moptera, denen das achte Bauchstück fehlt und deren
Scheidenöifnung hinter dem siebenten Bauchstück liegt,
ist die Lage der S ch eiden öf fn ung an der Bauch-
seite hinter dem achten Segmente fixirt. Die Anal Öff-
nung befindet sich bei den Lepidoptera unmittelbar ober-
halb der Scheidenöff*nung, da jede Andeutung weiterer
hinterer Segmentstücke fehlt. Bei den anderen Ordnun-
*) Kur von Lacase-Duthier ist eine auf alle Ordnungen aus-
gedehnte Vergleichung dieser Theile versucht worden, so dass wir
natürlich seine Resultate annehmen. Schon vor ihm, was dem
französischen Naturforscher unbekannt, hat R. Leuckart eine Ge-
neralisirung und Erweiterung der Stein'schen Beobachtungen ver-
sucht.
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Hautskelet. 107
gen wird durch das Dazwischentreten des neunten, zehn-
ten und auch elften Segmentes die Analöffnung mehr oder
weniger von der Scheidenöffnung getrennt. Alle dazwi-
schen liegenden, oft völlig umgestalteten Chitinstücke lassen
sich auf die im Schema benannten Segmentthcile zurück-
führen, und namentlich lässt sich nachweisen, dass die
äusseren Hülfs-Genitalorgane (Legestachel, Legesäbel,
Legebohrer, Legeröhre) nach einem Plane und ausnahms-
los aus den Theilen des neunten Abdominalsegmentes ge-
bildet sind. Wir können hier nur einige Beispiele aus-
wählen. So ist am Legesäbel von Dectlcus vernicivorus
die Analplatte :=: Rückenstück,
Epimeren = unbenannte kleine Verbindungsstücke,
Rückenanhänge zz: äussere styletförmige Stücke.
Bruststück z= eigentliche Legescheide,
Episternen
=: Scheidenklappen.
Bauchanhänge \
Bei Agrion virgo sind alle Theile des neunten Segmentes
vorhanden, die Bauchanhänge haben die Form einer
Legesäge angenommen. Bei den Coleoptera entspricht die
Analplatte dem Rückenstück, die Seitenstücke den Epi-
meren , die sogenannten Vaginalpalpen den Episternen,
eine accessorische Platte dem Bruststück. Bei den Co-
leoptera und Dlptera sind die letzten Segmente wieder in
den Leib eingezogen und Cloakenrohr oder auch Scheide
genannt worden. Endlich sei erwähnt, dass bei den
Lepidoptera das siebente Segment eine auffallende Form
angenommen hat, im Zusammenhange mit der Eigenthüm-
lichkeit, dass hier hinter der Scheidenöffnung eine in die
Begattungstasche führende, das männliche Begattungsor-
gan aufnehmende Oeffnung liegt.
108 II- Abschn. Die Organe der Bewegung.
Eine zusammenhängende Darstellung der ähnlichen
Verhältnisse bei den männlichen Insecten ist zur Zeit noch
ein Desiderat.
Rücksichtlich der specielleren Morphologie des Haut-
sceletes der Crustaceen und Arachniden wollen
wir uns auf einige Bemerkungen beschränken, das Wech-
selverhältniss der Kiefern und der Beine angehend. Lehr-
reich ist besonders bei den höheren Crustaceen die Um-
gestaltung der Thoracalbeine in Hülfskiefer. Bei den D e-
capoden und Stomatopoden finden sich drei Paar
Beikiefer; bei den Amphipoden und Isopoden nur
ein Paar.
Für die Arachniden ist trotz vielen Hin- und
Herredens die Morphologie der Kopftheile noch sehr un-
genügend. Der Wahrheit am nächsten scheint die Ansicht
zu sein, dass mit den vorderen Antennen, Oberlippe und
den zusammengesetzten Augen ihnen überhaupt ein dem
Vorderkopfe entsprechender Abschnitt fehle. Ihre soge-
nannten Kieferfühler bekommen ihre Nerven von den obe-
ren Schlundganglien, sind also wohl die hinteren Antennen
der übrigen Arthrozoen. Eigentliche Mandibeln fehlen.
Die ersten Maxillen sind sehr verschiedenartig als Mund-
theile verwerthet, das zweite Maxillenpaar aber (Unter-
lippe der Insecten) ist zu einem Fusspaar geworden, da-
her die für die Arachniden characteristischen vier Paar
Beine.
4. Die äusseren Bedeckungen und das Haut-
skelet der Mollusken.
Einen Gegensatz zu den Arthropoden bilden hinsicht-
lich der äusseren Körperbedeckungen die Weichthiere,
bei denen nie die Haut selbst und der durch Faltung der
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Hautskelel. 109
Haut gebildete Mantel erstarrt, sondern der Körper ver-
möge der dem Corium innig verwebten Muskelschiclit der
mannichfaltigsten Contractionen und Formveränderungen
fähig ist, und die harte, skeletartige Schale, falls eine
solche abgesondert wird, immer nur partiel dem Körper
anhängt.
Chemisch und morphologisch eigenthümlich verhält
sich der Mantel der Tunicaten. Es findet sich in ihm
Cellulose*), jedoch nicht, wie bei den Pflanzen, als
Zellmembranstoff, sondern als Interzellularstoff, auch in
Form von Kernen und Fasern. Unter diesem äusseren
zellstoffhaltigen Mantel von lederartiger oder hyaliner
Beschaffenheit ist ein zweiter zarterer Hautsack, und nur
dieser scheint das Homologon des Mantels der anderen
Weichthiere zu sein.
Auf der Körperoberfläche der Acephalen undCe-
phalophoren findet sich in grosser Ausdehnung ein
Flimmerepithelium , was, namentlich bei ersteren, indem
es regelmässige, der Athmung dienende Wasserströme
hervorbringt, die Fortpflanzungsstoffe leitet u. s. w., von
grosser Wichtigkeit ist.
Im Corium der Cephalopoden , auch einiger Pteropo-
den, finden sich die unter dem Namen der Chromat o-
p hören bekannten, mit Pigment erfüllten Zellen einge-
bettet, durch deren durch Muskeln bewirkte Contraction
das unter dem Einflüsse des Nervensystems stehende
Farbenspiel jener Thiere hervorgebracht wird. Daneben
betheiligen sich Interferenzfarben, hervorgebracht durch
*) In Aezkali unlöslich; in Schwefelsäure loslich; wird durch
Jod und Schwefelsäure bfau gefärbt.
110 n. Absclin. Die Organe der Bewegung.
zahllose kleine Flitterchen, die in der Cutis unter den
Pigmentzellen liegen *).
Sowohl in den Muschelschalen der Brachiopoden
und Lamellibranchiaten, als in den Gehäusen der
Cephalophoren und Cephalopoden bemerkt man
eine organische Grundsubstanz, welche sich, nach Ent-
fernung des eingelagerten kohlensauren Kalkes, seltner
in Gestalt prismatischer Zellen, wie in der oberen Schicht
der Muscheln , gewöhnlich aber in Form zarter , gefalte-
ter Lamellen zeigt. Gewinnt diese organische Masse das
Uebergewicht, so werden die Schalen biegsam, wie z. B.
hei Orbicula (einer Brachiopode), Hyalea^ Cleodora (Fte-
ropoden) , Argonauta.
Von dem einkammerigen Gehäuse des Papier-Nau-
tilus unterscheidet sich das der Nautilinen, ausser
durch das Zurücktreten der organischen Grundsubstanz,
auch dadurch wesentlich, dass es durch Querscheidewände
in eine Menge von Kammern getheilt ist. Die Querschei-
*) Auch beim Chamaeleo sind die Farben theils Interferenzfar-
ben, theils rühren sie von Pigmenten her. Hier werden aber die
Interferenzfarben durch Epidermiszellen erzeugt, die als solche über
den Pigmenten liegen. Unter den Fröschen ist der Farbenwechsel
besonders bei Hyla arborea und Ra7ia esculenta auffallend. Hier
findet sich an den grün erscheinenden Hautstellen unter einem
Pflasterepithel eine Schicht gelber (Fett-) Zellen und darunter eine
Schicht dunklerer, gesternter Pignientzellen, von deren Contractio-
nen die Farbenveränderungen herrühren. In den meisten Hautstellen
beobachtet man statt der gelben Zellen Interferenzzellen, die auch
sonst zerstreut zwischen den gelben Zellen vorkommen und der Haut
einen, jedoch erst bei Vergrosserungen deutlich werdenden Metall-
schimmer verleihen. (Brücke, Unters, über d. Farbenwechsel d.
afr. Chamäleons. Denkschr. d. Kais. Acad. der Wiss. Mathem.-physic.
Classe. Wien 1852. Harless, Ueber die Chromatophoren des
Frosches. Zeitschr. f. wiss. Zool. V. 1854. Witt ich, Die grüne
Farbe der Haut unserer Frösche. Müll. Arch. 1854.)
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Haulskclet. Hl
dewände werden bei Nautilus von einer unterbrochenen,
bei Splruia von einer ununterbrochen fortlaufenden Röbre
durchsetzt, welche den Sipho^ eine Fortsetzung des Man-
tels aufnimmt.
Häufig findet sich bei den Mollusken, wenn eine äus-
serliche Schale fehlt, eine solche in und unter der wei-
chen Hautbedeckung. Von den Cephalophoren gehören
hierher u. a. Bullaen^ Liniax; unter den Cephalopoden
besitzen die L ölig inen eine innere Rückenschale, wel-
che von Sepia als 05 sepiae am bekanntesten ist, indem
sie sich von den ganz hornigen länglichen Platten der
übrigen Loliginen durch ihren starken Kalkbeleg über der
Hornschicht auszeichnet.
Endlich verdient noch bemerkt zu werden , dass viele
Schnecken, namentlich Nacktkiemer, die im ausgewachse-
nen Zustande keine Spur von Schale haben, ein gewöhn-
lich pantofl'elförmiges Gehäuse während ihres Embryonal-
und Larvenlebens besitzen.
5. Die äusseren Bedeckungen und das Haut-
skelet der Wirbelthiere.
Man kann im Allgemeinen in der Hautbedeckung der
Wirbelthiere drei Schichten, Epidermis, Pigment-
schicht und Cutis unterscheiden.
Die meisten Fische tragen Schuppen. Der Körper
der Schuppe liegt in einem durch Aussackung der Cutis
entstandenen Hautbeutel und scheint in keinem Falle als
Horngebilde betrachtet werden zu dürfen. Dass die Schup-
pen Knochengebilde sind, beweisen u. A. sehr gut die
dicken Schuppen von Sudis, in denen sich eine dünne
Schicht Knochenkörperchen findet, wie auch die Hautschil-
112 11- Abschn. Die Organe der Bewegung
der der Störe, Ostracion u. a. knöchern sind und ur-
sprünglich immer organisirt sein mögen.
Diese bei den Fischen schwierigere Unterscheidung
der durch Apposition wachsenden , todten Hörn- und der
organisirten, mit Blutgefässen durchzogenen Knochenbil-
dungen tritt bei den Amphibien klarer hervor. Be-
kanntlich zeichnen sich die beschuppten Amphibien
durch die Entwickelung des Hautskelets aus. Gewöhnlich
ist der Kern der Schuppen oder Schilder knöchern ; er
entsteht in und auf Kosten der cutis und ist überzogen
von einer an der zu Tage liegenden Fläche der Schup-
pen und auf dem Rücken der Schilder verhornten Epider-
mialschichte (Schildpadd der Chelonier). Am bedeutend-
sten sind die Knofhenschilder bei den Krokodilen und
Schildkröten, obgleich sie bei letzteren (nach Rathke's
Untersuchungen) nicht in der Ausdehnung zur Bildung des
Rückenbildes beitragen, als man bisher angenommen.
Demnach würden diese sogenannten Ergänzungsplat-
ten in der Regel aus einer vor dem Dornfortsatze des
zweiten Rückenwirbels liegenden Nackenplatte, einer un-
paarigen, das Rückenschild hinten scbliesseiiden und 23
Marginalplatten bestehen, wozu noch einige hinter
dem Dornfortsatze des achten Rückenwirbels gelegene
kommen; wogegen die Dornfortsätze des zweiten bis ach-
ten Rückenwirbels und die Rippen nicht mit Hautknochen
in Verbindung treten sollen. Nach demselben Naturfor-
scher gehört das Bauchschild der Chelonier, das man
bisher als Brustbein deutete, dem Hautskelet an. Das
Bauchschild besteht gewöhnlich aus neun Stückchen (4
paarigen und 1 unpaaren), deren Verwachsung bei den
Landschildkröten sehr frühzeitig eintritt. Die Entstehung
der Knochenplatten ist ganz dieselbe, wie die der Er-
1. Kap. Die äusseren Bedeckungen u. d. Hautskelet. Il3
gänzungsplatten des Rückenschildes und der Hautknochen
anderer Wirbelthiere. Die Schuppen der Schlangen haben
keine Knochenkerne. Es würde zu weit führen, hier die
mannichfaltigen, aber verwandten Feder-, Hörn-, Nagel-,
Stachel- und Haarbildungen bei Vögeln und Säuge-
thieren durchzugehen. In einzelnen Fällen verhornt
die Epidermis so stark, dass der ganze Körper mit sich
dachziegelförmig deckenden Schuppen umgeben ist, wie
bei Manis. Ganz anders verhält sich dagegen das Haut-
skelet der Cmgulatn , deren Panzer aus wirklichen Kno-
chenschildern besteht, über welchen noch eine mehr oder
weniger hornige , Haare tragende Epidermis liegt.
Sehr verschieden sind die Hörner des Hornviehes
von dem Geweih der Hirsche. Jene entstehen, ähnlich
wie die Nägel, Krallen und Hufe, aus einer Matrix, und
bedecken als Scheiden die hohlen Stirnbein-Zapfen. Die
Zapfen des Geweihes sind solid; auf ihnen erhebt sich
das knöcherne, alljährlich abzuwerfende und wieder zu
ersetzende Geweih, welches während des Wachsthums
eine Hautbekleidung hat. Diese wird nach Ausbildung
des Geweihs abgestreift. Der periodische Wechsel des
Geweihs steht in engem Zusammenhange mit der Ge-
schlechtsfunction ; castrirte Hirsche werfen das Geweih
nicht mehr ab.
H. Frey, lieber die Bedeckungen der wirbellosen Thiere. Göttin-
gen, 1838. Abgedruckt aus den Göttinger Studien. 1847.
(Infusorien, Radiaten , Würmer.)
Joh. Müller, Anatomische Studien über die Echinodermen. Arch
f. Anat. u. Phys. J850.
Derselbe, lieber den Bau der Echinodermen. Berlin, 1854. Abdr.
a. d. Abh. d. K. Acad. d. Wissenschaften zu Berlin, 1853.
8
^14 ^^' Abschn. Die Organe der Bewegung.
(Diese Arbeiten enthalten u. a. die vergleichende Skeletlehre
der Echinodermen.)
lieber das Hautskelet der Arthropoden handeln:
Erichs on, Entomographieen. Berlin 1840.
Stein, Die weiblichen Geschlechtsorgane der Käfer. Berlin 1847.
Leuckart, Morphologie der wirbellosen Thiere. Braunschweig 1848.
Zenker, Anatomische Studien über die Krebsthiere. Kritik der
Erichsonschen Gliedmassentheorie. (Nicht glücklich.) Berlin
1854. Wie gm. Arch. XX.
Zaddach, Untersuchungen über die Entwickelung und den Bau der
Gliederthiere. I. Berlin 1854.
Milne-Edvvards, Sqtielette tegumentaire des Crustaces decapo-
des^ Annales d. sc. nat. 1851.
Lacase-Duthier, Armure genitale femelle des insectes. Annales
des sc. nat. 1849 — 1853. (Eine Reihe von Abhandlungen.)
Zweites Kapitel.
Dais innere l§kelet.
1. Das innere Skelet der Brachiopoden und
Cephalopoden.
Von der Schlossgegend der nicht durchbohrten Schale
der Ter abrät ein erhebt sich ein geweihförmiges oder
aus mehreren sich vereinigenden Bogen bestehendes Ge-
rüst in das Innere, welches zur Stütze der Arme dient.
Mit mehr Recht spricht man von einem inneren Ske-
let der Cephalopoden, bei denen mehrere Knorpel
als Hüllen und Stützen der Weichtheile auftreten. Am
beträchtlichsten ist der Kopfknorpel, der bei den
Zweikiemern in einen mittleren , vom Schlund durchbohr-
ten, oben das Gehirn, unten die Gehörwerkzeuge enthal-
tenden Theil und zwei muschelförmige Seitentheile zer-
fällt, welche seitlich und von hinten die Augenkapsel
schliessen helfen. Weniger vollständig ist der Kopfknor-
pel des Nautilus. Andere skeletartige Stücke sind nach
den Theilen , an und in welchen sie sich befinden , als
Rückenknorpel (Loligo \}r\A Sepia ^ , Schlossknor-
pel (am Trichter der Loliginen und Argonauta), Flos-
senknorpel (in den Seitenflossen der Loliginen) und
Armknorpel (Sepia) beschrieben.
8*
116 II. Abschn. Die Organe der Bewegung.
Nach dem , was in der Einleitung über die typischen
Verschiedenheiten im Bau der Thiere bemerkt ist, bedarf
es wohl kaum der Erwähnung, dass es nur ein müssiges
Phantasiespiel ist, wenn man die Rückenknorpel der Ce-
phalopoden eine rudimentäre Wirbelsäule nennt, eben so,
wenn man die inneren Plattenreihen der Asteriden (Seite
97) auf das Princip des Wirbels zurückführen wall.
2. Das innere Skelet der Wirbelthiere.
Aus dem Bisherigen, sowohl aus den Erörterungen
über die Grundformen der Thiere, als aus den verglei-
chenden Betrachtungen des Nervensystems und der Sinnes-
organe, haben wir den im Allgemeinen gültigen, in den
besonderen Fällen mit grosser Vorsicht anzuwendenden
Schluss ziehen können , dass das Gesetz , w elches sich in
der Entwicklung des Individuum aus dem scheinbar Ho-
mogenen kundgiebt, auch innerhalb der grösseren Ab-
theilungen des Thierreichs herrscht, dass auch innerhalb
der Typen ein Fortschritt von dem Einfacheren zum Voll-
kommneren sich offenbart. Zur Anerkennung eben dieses
Gesetzes drängt uns auch in überzeugender Weise die
vergleichende Osteologie. Indem wir also im Voraus
graduelle Verschiedenheiten des inneren Knochengerüstes
der Wirbelthiere zu erwarten haben, werden wir zwar
hei jedem Wirbelthiere gewisse unveräusserliche Theile
des Skelets suchen müssen, keineswegs aber an jedem
Wirbelthiere dieselben Knochen finden. Es giebt, Avie
keine Urpflanze und kein Urthier , auch kein die gesammte
Osteologie m ntice enthaltendes Urskelet.
Die Wirbelsäule.
Wahrscheinlich besitzen alle Wirbelthiere ohne Aus-
2. Kap. Das innere Skclet. 117
nähme ursprünglich die Rücke nsaitc, chorda dorsalis,
welche erst von den später sich bildenden Wirbeln ver-
drängt wird. Diese in der Regel vorübergehende Form
der Wirbelsäule, die chorda dorsalis mit ihren zwei
häutigen, fibrösen Scbeiden, deren obere ein zweites
Rohr für das Rückenmark bildet , verharrt bei einigen
Fischen zeitlebens und scheint auch bei dem ältesten
reptilienartigen Thiere aus der Steinkohlenformation,
Archegosaurus^ persistent gewesen zu sein. Sie vertrat
bei ihm die Stelle der Wirbelkörper , während die obe-
ren aind unteren Bogen verknöcherten*). Die Saite zeigt
bei Bianchiostoma eine faserige Structur , sonst besteht
der gallertige Inhalt ganz aus Zellen.
Knorpeüge Elemente, die bei Branclüosloma sowohl,
als bei den Myxinoiden und Annnocoeles mangeln,
treten zuerst bei Petromyzon als paarige Bogenschenkel
auf dem Rückenmarksrohre auf, während zwei parallele
fast knorpelige Leisten an der Unterseite der Chorda,
welche im Schwänze einen , auch bei den übrigen Cyclo-
stomen sich findenden Kanal für die arteria und ve7ia
cmidalis bilden, den Basilarknorpeln äquivalent sind,
welche die Störe, Polyodon und C h i m ären permanent
haben. In dem vorderen Ende der Wirbelsäule rücken
bei diesen Fischen die peripherischen Bogenstücke, zu
denen verschiedene Deckknorpel und Scbaltstücke kommen,
so nahe zusammen, dass sie die Chorda rings einschlies-
sen. Die ersten Ossificationen enthält die Scheide der
Chorda von Chlmaera als feine Streifen, deren je fünf
bis sechs auf die vier corticalen, einen Wirbel ausma-
*) H. von Meyer, Reptilien aus der Steinkohlenformation in
Deutschland. 1858. Vielfach abweichend Burnieister in seiner
Arbeit über die Labyrinlhodönten; 1850.
118 II. Absclin. Die Organe der Bewegung.
machenden Knorpelelemente kommen. Es schliesst sich
hieran die Wirheisäule der Lepidosiren.
Bei allen hisher genannten Fischen kann man von
wirklichen Wirhein noch nicht sprechen. Diese ent-
wickeln sich hei den Plagiostomen und Knochen-
fischen, mit Ausnahme einiger Haie (Hexanchus und
Heptanchits)^ deren durch Septa quergetheilte chorda
dorsalis sammt ihrer fibrös-knorpeligen Scheide und den
auf sie aufgesetzten paarigen Bogenstücken zeitlebens
bleibt. Bei den Embryonen also der übrigen Plagiosto-
men und der Knochenfische ist Anfangs eine Chorda, wel-
che vier Reihen Bogenstücke trägt. Indem diese wach-
sen und verwachsen, engen sie die Chorda perlschnur-
förmig ein oder verdrängen sie aus der Mitte der Wir-
belkörper gänzlich, so dass in diesem Falle die in den
conischen oder becherförmigen Vertiefungen der Wirbel-
enden befindliche Gallertmasse das alleinige Ueberbleibsel
der chorda dorsalis ist, welche niemals zur Bildung des
Wirbelkörpers verwandt wird. Wohl aber nimmt hieran,
wie schon das Beispiel von Chimaera lehrte, die äussere
Schichte der Scheide der Chorda Theil. Dieses centrale
Element des Wirbelkörpers ossificirt immer, während die
Rindenstücke bei den Plaglostomen oft knorpelig bleiben.
Bei den Haien, seltener bei den Rochen, übertrifl't
die Zahl der Bogenstücke die der Körper um das Dop-
pelte; an einer Stelle der Wirbelsäule des Hammer-
fisches sind sogar dreimal so viele Bogenstücke als
Wirbel. Diese überzähligen Bogenstücke sind Schalt-
stücke (cartllagines intercrurales) ^ wie wir sie schon oben
von den Stören und Chimären erwähnten , und die man
auch Petroimjzon zuschreiben muss, wo zwischen je zwei
Austrittsstellen der Spinalnerven zwei Bogenstücke liegen.
2. Kap. Das innere Skelet. 119
Die Wirbel der Fische entstelicD also aus fünf Stü-
cken. Nachdem die oberen JBogenschenkel zur Bildung
des Rückenraarkkanales sich zusammengethan, verschmel-
zen sie zu den oberen Dornfortsätzen, die in einigen
Fällen (Acipenser) als gesonderte Stücke erscheinen.
Die unteren Bogenstückc bilden Querfortsätze,
an welchen die Rippen befestigt sind. Nach dem Schwänze
zu rücken diese Querfortsätze mehr und mehr nach un-
ten, biegen sich zu dem die arteria und vena caudalis
aufnehmenden Kanal zusammen und verschmelzen zu den
unteren Dornfortsätzen. Diese rippentragenden
Querfortsätze der Fische sind daher durchaus von den
rippentragenden Querfortsätzen der übrigen Wirbelthiere
verschieden, wo sie von der Basis der oberen Bogen-
schenkel entspringen. Jene eigentlichen Querfortsätze
der übrigen Wirbelthiere verschmelzen nie in der
Schwanzgegend zu unteren Dornfortsätzen , sondern diese
werden durch besondere untere Querfortsätze gebildet,
die eben dadurch für das Fischskelet charakteristisch
werden , dass sie allein zu Trägern der Rippen verwandt
sind, so dass, wo ausnahmsweise bei Fischen (^PolyjHe-
rusy mehrere Pleuronectes u. a.) über den unteren noch
obere Querfortsätze vorkommen, dennoch die Insertion
der Rippen die bei den Fischen gewöhnliche ist.
Ganz abweichend ist die Verbindung der Wirbel des
LepUJosteus durch Gelenkkopf und Gelenkhöhle.
Von den nackten Amphibien haben mehrere
Familien, nämlich Cöcilien, Proteiden und Dero-
treten fischartige Wirbel, welche wahrscheinlich die-
selbe Entstehungsweise wie dort haben. Bei den Sala-
mandrinen und Batrachiern sind die Wirbel nicht
mehr fischartig und durch Gelenke verbunden. Bei den
120 W- Abschn. Die Organe der Bewegung.
meisten Fröschen und Salamandra ossificirt die Scheide
der Chorda in Ringen, welche die oberen AVirbelbogen
tragen. Eine merkwürdige Ausnahme machen Cultripes,
Pelobates und Pseiidis , wo die Scheide der Chorda gar
nicht in den Wirbel eingeht und die Bildung des Wirbel-
körpers allein durch die oberen Bogenstücke geschieht,
so dass die Chorda unter die Wirbelkörper zu liegen
kommt. Das Kreuzbein der ungeschwänzten Batrachier
besteht aus einem Wirbel mit sehr breiten processus
transversi; ebenso ist das lange dünne Schwanzbein
ein einziger Wirbel.
Die Wirbel der beschuppten Amphibien ent-
stehen im Allgemeinen auf dieselbe Weise wie die der
Vögel und Säugethiere, indem zwei peripherische
Elemente die Chorda umwachsen und, indem sie sich
vergrössern und gewöhnlich von unten aus ossificiren,
diese verdrängen. Die Verbindung der Wirbelkörper
geschieht bei den Schlangen , Eidechsen , Krokodilen und
am Halse und Schwänze der Schildkröten durch Gelenke,
auch sind in der Regel die Bogenschenkel zwischen je
zwei Wirbeln durch vier Gelenkfortsätze verbunden , so
dass der obere Bogen jedes Wirbels zwei vordere und
zwei hintere Gelenkfortsätze hat. Eine auffallende Ver-
änderung erleiden die Dornfortsätze des zweiten bis
achten Rückenwirbels der Schildkröten , indem sie die
Form sich eng an einander schliessender Platten an-
nehmen.
Den Schildkröten nähern sich die Vögel in Hinsicht
der Beweglichkeit der Enden der Wirbelsäule im Gegen-
satz zur Festigkeit des mittleren Theiles derselben.
ISicht nur die Kr e uz b ein w ir b e 1, auch die Rücken-»
Wirbel verwachsen oft ganz mit einander.
2. Kap. Das innere Skelet. 121
Unter den Säugethieren findet die Verbindung der
Wirbelkörper durch Gelenkflächen bei den Ein- und
Zweihufern statt, sonst geschieht sie durch Knorpel-
bandscbeiben. Sehr constant ist die Zahl der Halswir-
bel; ßradypus torrjuatus hat acht, Bvadypus tridactylus
neun , DJanalns auslralis gewöhnlich sechs , alle übrigen
Säugethiere, selbst die Giraffe, sieben Halswirbel.
Zweckmässiger und naturgemässer , als nach den
Rippen , bestimmt man die Gränze zwischen Rücken- und
Lendenwirbeln nach dem sogenannten diaphragmati-
schen Wirbel. (Siehe Giebel in der Zeitschr. f. d.
ges. Naturwissenschaften. April 1853.)
Alias und Epistr opheus. Bei Amphibien, Vö-
geln und Säugethieren heissen die beiden vordersten, ge-
wöhnlich durch ihre Form ausgezeichneten Halswirbel
Atlas und Epistropheus. Ersterer hat bei Vögeln und
beschuppten Amphibien einen, bei nackten Am-
phibien und Säugethieren zwei Gelenkgruben zur
Aufnahme des oder der condyll occipitales. Mit dem
Körper des epistropheus ist in der Regel der processus
odontoldeus (passender os odontoideuni genannt) verbun-
den, der bei den Vögeln den atlas oberhalb der Gelenk-
grube durchbohrt. Dieser Knochen findet sich als ge-
sondertes Stück bei den ächten Cetaceen, deren Hals-
wirbel (nur die beiden ersten bei mehreren Delphinen,
mehrere bei andern^ verschmelzen. Wie die Entwick-
lungsgeschichte der Schlangen und Schildkröten gelehrt
hat, scheint das os odontoideuni der eigentliche Körper
des atlas zu sein , während dasjenige Stück des atlasy
welches man als den Körper dieses W^irbels zu bezeich-
nen pflegt, eine Modification zweier Bogenschenkel und
eines dritten Skeletstückes (Schlusstück des atlas) ist.
122 II. Abschn. Die Organe der Bewegung.
D ie Ripp en.
Die Wirbel aller Regionen der Wirbelsäule sind
fähig , Rippen zu tragen. Nicht nur bei den Fischen und
Schlangen finden sich Rippen an den vorderen Wirbeln;
auch in anderen Fällen sind die Halswirbel mit Rippen
versehen, oder lassen sich wenigstens deren Rudimente
nachweisen. Diese Verkümmerung zeigt sich am instruc-
tivsten bei den Vögeln. Der letzte Halswirbel derselben
trägt eine falsche Rippe, die an den folgenden Halswir-
beln rudimentär wird und als kleines Knochenstück sich
mit dem Wirbelkörper und dem gleichfalls abortiven
Querfortsatz© verbindet. Zwischen diesen Theilen bleibt
ein Loch , entsprechend den an den Rückenwirbeln durch
capitulmn und tubercidiim der Rippen, Wirbelkörper und
Querfortsatz umgebenen Räumen. Andere Beispiele von
Rippenrudimenten an den Halswirbeln bieten die Kroko-
dile, Monotremen und Faulthiere dar; selbst an ver-
schiedenen Halswirbeln des Menschen, am häufigsten am
siebenten , findet sich am Querfortsatze ein Knochenkern,
welcher als Rippenrudiment anzusehen.
Rippenrudimente an den Lendenwirbeln finden sich
gleichfalls bei den Krokodilen, auch bei mehreren Säuge-
thieren , als Ursus , Lemur ßJongoz, dem Schweinefötus.
Am Kreuzbein kommen sie beim jungen Krokodil, den
Schildkröten und, ausser bei anderen Säugethieren, sehr
deutlich beim jungen Gürtelthier vor, bei welchem letz-
teren auch an den vorderen Schwanzwirbeln dergleichen
Rippenrudimente zu bemerken sind.
Unter den Fischen, deren Rippen, wie oben ge-
sagt, an den den Wirbelkörpern angehörigen Querfort-
sätzen befestigt sind, haben nur einige, namenllich Clupea^
vollständige oder wahre Rippen, indem bei ihnen das
2. Kap. Das innere Skelet. 123
den Fischen fehlende Brustbein durch eine Reihe Vför-
miger, sich mit den Rückenrippen verbindender Knochen
ersetzt wird. Die in den Seiten- und Rückenmuskeln
liegenden und hinsichtlich ihrer Befestigung an den Wir-
beln mehrfach variirenden Fleischgräten haben ihrer
Natur nach nichts mit den Rippen gemein und können
nicht als sogenannte obere Rippen betrachtet werden,
obgleich sie mitunter, so bei Tynmis und Polypterus,
stärker als die Rippen selbst entwickelt sind.
Die nackten Amphibien besitzen nur rudimen-
täre Rippen; bei den Fröschen fehlen sie sogar ganz,
wogegen bei diesen Thieren die Querfortsätze sehr stark
sind. Bei den nackten geschwänzten Amphibien
gehen die Rippen nie eine Verbindung mit dem Brustbein
eiUj wie auch die Schlangen und einige schlangen-
ähnliche Blindschleichen nur falsche Rippen ha-
ben. Bei den Schildkröten verbreitern sich die acht
mittleren Rippen jeder Seite, bis sie mit einander ver-
Avachsen, und tragen so wesentlich zur Bildung des
Rückenschildes bei. Die Entwicklungsgeschichte hat ge-
zeigt, dass von den beiden Schenkeln, durch welche die
Rippen sich mit den Wirbeln verbinden , der untere , den
man für gleichbedeutend mit dem Hals und Kopf der
Säugethier- und Vogelrippen hielt, dies nicht ist, aber
auch dem tuberculiim jener nicht völlig äquivalent; er
entspricht nur einem Theile des Rippenkörpers. Die
oberen, mit den Dornfortsätzen der W^irbel sich verbin-
denden Rippenschenkel sind den Schildkröten ganz eigen-
thümlich. Auch die Rippen der Schildkröten gelangen
nicht zum Bauchschilde , was , nachdem wir das Bauch-
schild als zum Hautskelet gehörig kennen gelernt, um so
Aveniger auffallend ist.
124 II' Abschü. Die Organe der Bewegung.
Bei den Kr okodilen sind acht Rippen durch Knor-
pel, die aus zwei Segmenten bestehen (Mittelrippe,
Sternalrippe) mit dem Brustbein verbunden. Merkwürdig
ist das Vorkommen von Bauchrippen bis zum Becken,
denen nur unvollständige oder rudimentäre Rückenrippen
entsprechen. Man hat diese Bauchrippen als sternum ab-
dominale^ Bauchbein, zusammengefasst.
Eine eigenthümliche Verlängerung mehrerer Rippen
findet sich bei Draco^ wo sie zur Stütze der Flughaut
dienen.
Die schon bei den Krokodilen vorkommenden Pro-
cessus uncinati^ vermittelst welcher die Rippen sich dach-
ziegelartig decken, und welche daher zur Festigkeit des
Rumpfgerüstes beitragen, sind bei den Vögeln beson-
ders entwickelt. Bei den Vögeln vorzugsweise spricht
man von Sternalrippen, ossa sternocostalia , durch
welche die wahren Rippen mit dem Brustbeine zusam-
menhängen. Die Verbindung der Rippen mit den Wirbel-
körpern durch Hals und cnpituhini , mit dem Querfortsatz
durch das tuber cufum ist bei Vögeln wie bei Säugethie-
ren die gewöhnliche, unter letzteren zeigen namentlich
die M 0 n 0 t r e m e n und C e t a c e e n in Betreu* der Ver-
bindung mit den Wirbeln Abweichungen, indem bei erste-
ren das unvollständige tubercuium den Ouerfortsatz nicht
erreicht , bei den Cetaceen aber die hinteren , seltner alle
Rippen (Balaena loiujimana) nur an den Querfortsätzen
hängen.
Das Brustbein.
Das Brustbein ist ein an Form und Zahl der Kno-
chenstücke, aus welchen es zusammengesetzt ist, sehr
variirender Skelettheil.
2. Kap. Das innere Skelet. 125
Wie die Fische haben auch die Schlangen und
Schildkröten kein Brustbein. Sehr einfach ist es bei
den nackten Amphibien. Von den Ringelechsen
besitzt es der mit Vorderbeinen versehene Chirotes cana'
liculatus.
Die schlangen form igen Schuppenechsen ha-
ben alle sowohl Schultergerüst als Brustbein ; am we-
nigsten sind diese Theile bei Acojitias entwickelt, dann
kommen Angids, Ophiosmiriis und Pseiidojms. Das Brust-
bein derselben besteht aus 2 Stücken, von denen das
kleinere neben dem grösseren liegt, durch fibröses Ge-
webe fest mit demselben verbunden.
Auch bei den meisten übrigen Sauriern besteht
das Brustbein aus zwei Theilen, der untere ist aber mehr
oder weniger vorn über den hinteren, grösseren vorge-
schoben, und der hintere ist aus einem plattenförmigen
Hauptstücke und einem paarigen , seltener unpaarigen An-
hange zusammengesetzt (Ausnahme Chamae'eo).
Die Entwicklungsgeschichte dieser Stücke lehrt , dass
nicht , wie man früher annahm , das vordere , sondern
die grosse schildförmige Platte dem mamibrlnm sterni der
Säuger entspricht.
(Rathke, lieber den Bau und die Entwicklung des Brustbeins der
Saurier. Königsberg:, 1853.)
Bei den meisten Vögeln ist das Brustbein von gros-
sem Umfange und durch einen weit hervorspringenden
Kiel ausgezeichnet. Mit der Entwicklung des Brustbeins,
wie mit der Länge der Flügelknochen pflegt die Flug-
fähigkeit in geradem Verhältnisse zu stehen. So fehlt
der Kiel den straussartigen Vögeln, während er bei den
126 n. Abschn. Die Organe der Bewegung.
Kolibri , den Raubvögeln u. a. sehr stark ist. An dem
hinteren Rande des Brustbeins finden sich sehr gewöhn-
lich ein oder zwei Ausschnitte , seltener Fontanellen.
Den meisten Variationen ist das Brustbein der S äu-
get hier e unterworfen, ohne dass diese Veränderungen
ein besonderes morphologisches Interesse hätten. Es
wird gewöhnlich aus mehreren hinter einander liegenden
Stücken gebildet, deren vorderstes das manubrium, das
hinterste der processus ensifornns ist. Die Segmente des
Brustbeinkörpers entsprechen in der Regel den interstiüa
intercostalla.
Schulter- und Beckengürtel. Die Extremitäten.
Der im Allgemeinen höchst abweichend gebaute
Schultergürtel der Fische lässt sich dennoch auf den
Typus dieser Skeletpartie bei den höheren Wirbelthieren
zurückführen. Der Hauptknochen darin {/mmems Ciw.)
ist die clavicula; die clamculae beider Seiten verschmel-
zen entweder (bei den Rochen, mit Ausnahme von Tor
peclo, und den meisten Haien) oder sie bleiben getrennt
(bei den Knochenfischen, Ganoiden, Chimären, Torpedo,
Sphyrna, Galeus, Scyllhim, Heptanchus, Acanthias). Von
da, wo das Schlüsselbein sich an die Schulterknochen
anschliesst, geht bei den Ganoiden und den meisten Kno-
chenfischen ein aus einem oder zwei Stücken bestehender
Fortsatz aus, der, bei der Deutung des grossen Knochens
als clavicula, es coracoideum oder hinteres Schlüsselbein
zu nennen ist.
Das Schlüsselbein ist durch einen, gewöhnlich aber
zwei Knochen mit dem Schädel verbunden , der obere ist
das OS siiprascaptdare , der grossen cartilago suprascapu-
laris der Amphibien entsprechend, der untere, kleinere
2. Kap. Das innere Skelet. 127
ist die scapula. Die meisten Squaloiden , die Lophobran-
chier, Mastacemblus und Dactylopterus besitzen diese
Schulterknochen nicht. Dagegen erreicht bei den Rochen
der in mehrere Segmente zerfallende Claviculargürtel
den am vorderen Ende des Kopfes liegenden Schädel-
f lossenknorp el.
An das Schlüsselbein schliesst sich die Hand bei den
Knorpelfischen unmittelbar an , bei den Siluroiden und
Stören finden sich einige Fortsätze der clavicula^ welche
als Rudimente der Armknochen anzusehen, hei den
meisten Knochenfischen uud Ganoiden aber sind Armkno-
chen vorhanden. Nie tritt jedoch der humerus zwischen
Schlüsselbein und Vorderarm, hingegen sitzen die bei-
den Vorderarmknochen, der untere und vordere,
radius (ulna , C u v.j , und die meist kleinere Elle , ulna
(radius, Cuv.), unmittelbar auf der clavicida auf.
Der meist einfache carpiis der Knochenfische (os
carpij Cuv.) ist ein doppelter, lamellöser Kegel, bei
Lophius besteht er aus zwei langen Knochen , ebenso bei
Polypterus, wo aber zwischen die beiden noch ein dritter
kleinerer eingeschoben ist. Der corpus der Knorpelfische
und Amia hat mehrere den Phalangen ähnliche Fortsätze.
Aus der Vergleichung der Hand von Polypterus bichir,
der sie am ausgebildetsten besitzt, ergiebt sich, dass
alle Knorpel- und Knochenfische keinen metacarpus haben
als selbständiges Glied (wie auch die Delphine und Ich-
thyosaurus nicht).
Rei dieser sonstigen Uebereinstimmung hat man wohl
die häufig sehr vermehrten Flossenstrahlen der
Rrust- und Rauchflossen mit den Finger- und Zehenglie-
dern zu vergleichen, wobei eine allen Fischen gemein-
same Eigenthümlichkeit zu sein scheint, dass sich die
128 II. Abschn. Die Organe der Bewegung.
Enden der Extremitäten in feine Hornstrahlen auflösen.
Bedenken gegen diese Deutung könnten die Strahlen der
unpaaren Rücken-, After- und Schwanzflossen erregen.
Bei den meisten Fischen sitzen die Strahlen der Rücken-
und Afterflossen auf besonderen Flossenträgern,
welche wiederum an die processus spinosi superiores und
inferiores befestigt sind. Die Strahlen der Schwanzflosse
sind mit dem letzten Wirbel verbunden.
Das Scbultergerüst der ungeschwänzten Batra-
chier und Eidechsen besteht aus vier Stücken, der
cartilago supruscapularis , scapula, os coracoideiim und
der clavicula. Sehr vereinfacht ist dies Gestell bei den
geschwänzten Batrachiern, wo jede Seite ein,
durch mehrere Fortsätze seine Zusammensetzung aus
scapula^ clavicula und os coracoideum verrathendes Gan-
zes ausmacht. Die Verkümmerung geht bei den schlan-
genähnlichen Eidechsen noch weiter; doch finden
sich selbst bei den Ringelechsen Andeutungen des
Schultergerüstes als zwei kleine Knochen zwischen dem
Zungenbein und den vordersten Rippen, ganz von Mus-
keln umgeben; auch bei denen, welche kein Brustbein
haben ( Amphisbaena ^ Lepidosternon). Die Schlangen
selbst haben keine Spur von Schultergerüst und vorderen
Extremitäten . Den Chamäleonten und Krokodilen
fehlt die clavicula, und bei den Cheloniern ist die
clavicida ein Fortsatz der scapula^ das os coracoideum,
ein meist breiterer , einwärts und hinterwärts gerichteter
Knochen. Die Bildung der vorderen Extremitäten schliesst
sich an die der Säugethiere an.
Das Schultergerüst der Vögel besteht jederzeit aus
drei Knochen , einer meist langen , schwertförmigen sca-
pula, dem starken os coracoideum und der clavicula.
2. Kap. Das innere Skelet. 129
Gewöhnlich verschmelzen beide claviculae und bilden zu-
sammen die sogenannte fiircula^ die Gabel. Mehrere
Papageien verlieren die furcula ganz. — Die Flügel-
knochen der Vögel sind folgende : auf den humerus folgen
die beiden Vorderarmknochen, der vordere schwächere
vadius und dahinter die starke ulna. Die zwei Hand-
wurzelknochen sind klein ; am beträchtlichsten an der
Hand sind die beiden Mittelhandknochen, die an ihren
Enden verwachsen sind. Der an der Radialseite liegende
ist stärker und trägt oben (d. h. nach der Handwurzel
zu) auf einem Vorsprunge den , meist einen einzigen Pha-
langen enthaltenden Daumen , unten den meist zweigliedri-
gen Mittelfinger, neben welchem der immer eingliedrige
dritte Finger liegt.
Das Schultergerüst der Säugethiere besteht in
seiner Vollständigkeit aus drei Stücken: os coracoideum^
clavicula und scapula. Das os coracoideum verschmilzt
jedoch selbst in dem einen Falle, bei den Monotre-
men, wo es vom Schulterblatte zum Brustbein reicht,
später mit der scapula; bei allen übrigen Säugethieren
erscheint es nur als pvocessus coracoideust ohne das
Brustbein zu erreichen. Für die clavicida ist als Regel
anzunehmen, dass sie bei denjenigen Säugethieren vor-
kommt, welche die vorderen Extremitäten nicht aus-
schliesslich zum Gehen gebrauchen, sondern auch zum
Klettern und Graben , zum Ergreifen der Nahrung u. dergl.
Daher besitzen sie z. B. viele Nager und Insektivoren,
die Aflfen vollständig. Andere Nager (Lepus u. a.) haben
sie unvollkommen. Bei den reissenden Thieren wird sie
noch mehr rudimentär {Felis) oder verschwindet ganz.
Die ausserordentliche Mannichfaltigkeit , welche die
9
130 W- Abschn. Die Organe der Bewegung.
Knochen der vorderen Extremitäten zeigen, weniger der
Oberarm und die, bei den Pachydermen und Hufthieren
verschmelzenden Vorderarraknochen , auch die ossa carpi,
als die ossa metacarpi und die phalanges , ist bedingt
durch die Lebensweise der verschiedenen Abtheilungen.
Die Zahl der Mittelhand knochen, gewöhnlich fünf,
ist bei den Edentaten und Pachydermen reducirt, am
meisten aber bei den Zwei- und Einhufern. Hier ist nur
ein Mittelhandknochen vollkommen ausgebildet, der bei
den Pferden einen aus drei Phalangen (Fesselbein, Kro-
nenbein, Hufbein) bestehenden Finger trägt.
Zum Beckengürtel gehören jederseits drei Kno-
chen , die aber ganz oder zum Theil verschwinden können
und mehr oder minder mit einander verwachsen; es sind
das Hüftbein (os ilenm) , Sitzbein {os ischii) und
Schaambein (os pubis).
Der paarige Knochen der Knochenfische, wie
die Beckenknorpel der Plagiostomen scheinen den
ossa jmbis zu entsprechen. Die Flossenknorpel sind
bei den Plagiostomen an zwei von den Schenkeln des
Beckenbogens nach hinten gerichteten Knorpeln befestigt,
an welche sich auch die zangenförmigen Hülfsbegattungs-
organe der Plagiostomen und Chimären schliessen. Der
erwähnte paarige Knochen der Knochenfische trägt un-
mittelbar die Flossenstrahlen, nur bei Polypterus
finden sich ossa metatarsi.
Die Amphibien zeigen die grössten Verschieden-
heiten. Den Schlangen fehlen zum grossen Theile
Becken und hintere Extremitäten gänzlich, ebenso den
Cöcilien und der Gattung Sireiu Einige Schlangen
(Boa) haben jedoch Spuren von Beckenknochen und Ex-
2. Kap. Das innere Skelet. 131
tremitäten, und an diese reihen sich hinsichtlich des
Beckenrudimentes die schlangenähnlichen Eidech-
sen an, während die übrigen Eidechsen, denen sich
die Schildkröten anschliessen, ein vollständiges Be-
cken besitzen. Die Krokodile sind durch eine sehr ab-
weichende Lage der Schaambeine ausgezeichnet. Unter
den Batrachiern haben die ungeschwänzten eine
sehr auffallende Form des Beckens. Die Hüftbeine sind
sehr lang und bilden mit ihrem hinteren, verbreiterten
Theile eine Scheibe, indem dieser sich mit dem Sitzbein
und Schaambein verbindet, und indem die letzteren Kno-
chen beider Seiten verschmelzen.
Bei denjenigen Amphibien, welche nicht rudimentäre
Extremitäten haben , sind die einzelnen Knochen derselben
unschwer auf die entsprechenden Abtheilungen der Säu-
gethiere zurückzuführen. Besonders entwickelt sind bei
den Fröschen das Sprungbein und Fersenbein.
Eine Eigenthümlichkeit des Beckens der Vögel ist,
dass es, mit Ausnahme des afrikanischen Strausses, un-
ten offen bleibt. Die Hüftbeine verbinden sich sehr
eng mit den letzten Rückenwirbeln und dem Kreuzbein;
Sitzbein und Schaambein sind nicht beträchtlich,
namentlich letzteres nur ein schmaler, länglicher Knochen,
der, nachdem er mit dem Unterrande des Sitzbeins pa-
rallel gelaufen und sich mit diesem vereinigt hat , es nach
hinten überragt.
Die Fuss Wurzel kn och en fehlen den Vögeln, da-
gegen ist ein Mittelfussknochen (Lauf, tarsus) sehr
entwickelt, an welchem nach innen und unten häufig,
wenn eine vierte Zehe vorhanden , ein dieselbe tragender
kleinerer Mittelfussknochen befestigt ist. Die Knie-
9 *
132 n. Äbschn. Die Organe der Bewegung.
Scheibe, die auch schon hei einigen Amphibien vor-
kommt, findet sich bei den Vögeln fast allgemein. Ihr
entspricht nicht selten an den vorderen Extremitäten die
patelia brachialis.
Die Säugethiere haben ein vollständiges Becken,
mit Ausnahme der Cetaceen, wo es bis auf einen oder
zwei kleine, mit dem Kreuzbein nicht verbundene, son-
dern ganz im Fleische liegende Knochen verkümmert.
Die Verbindung mit dem Kreuzbein geschieht in der Re-
gel nur durch das Hüftbein. Ausnahmsweise, z. B. beim
Vampir, dem Faulthier , ist das Becken vorn nicht ge-
schlossen. In Bezug auf die Weite bilden die Faulthiere
nach der einen , der Maulwurf, mit sehr engem Becken,
nach der anderen Seite das Extrem*). Ganz eigenthüm-
lich sind die, beiden Geschlechtern gemeinsamen soge-
nannten Beutelknocheu der Monotremen und Beutel-
thiere, welche auf dem vorderen Schaambeinrande sitzen.
Die hinteren Gliedmassen der Säugethiere sind
im Allgemeinen , was die Entwicklung und verhältniss-
mässige Länge der einzelnen Partieen anbetrifi't, den vor-
deren sehr ähnlich. Bei den Springern (Känguruh, Di-
pus^ Pedetes) sind die Mittelfussknochen in ähnlicher
Weise verlängert und verschmolzen, Avie bei den Wie-
derkäuern und Pferden.
Der Kopf.
Die allgemeinsten Veränderungen, welche die Kopf-
*) Das wunderlichste Becken ist im Besitz des Chlamydophorus
iruncaius. Siehe Hyrtl's Monographie. Denkschr. der K. Acad.
Mat. nat. Klasse IX. 1855.
2. Kap. Das innere Skelet. 133
knochen bei den Wirbelthieren erleiden , dürften ungefähr
folgende sein:
Der Zusammenhang des Schädels mit der Wirbel-
säule ist ein sehr verschiedener. Bei den Fischen,
deren Schädelkapsel eine unmittelbare Fortsetzung des
Rückenmarkrohres ist, findet natürlich keine weitere Ar-
ticulation statt. Ganz wirbelartig ist die Verbindung bei
den Knochenfischen, wo der Körper des Hinterhaupt-
beins eine conische Vertiefung besitzt , wie die vordere
des ersten Wirbels.
Alle übrigen Wirbelthiere zerfallen in solche mit
einem einfachen und in solche mit einem doppelten Ge-
lenkkopf (condylus occipitalis). Zwei Gelenkköpfe
haben die Säugethiere und nackten Amphibien,
einen Gelenkkopf haben die Vögel und be-
schuppten Amphibien. Das Hinterhauptbein
zerfällt sehr allgemein in vier Theile: das 05 occipitale
basilarBy die ossa occipitalia lateralia und das o. o. supe-
rius. Ist ein einfacher Gelenkkopf vorhanden , so nehmen
an seiner Bildung die Seitentheile und das Grundstück
Theil, wodurch er oft, z. B. bei den Cheloniern, drei-
lappig wird. Nur ausnahmsweise , beim Chamäleon , wird
er allein von den Seitentheilen gebildet, die bei den
Batrachiern, denen die beiden unpaarigen Occipitalstücke
gewöhnlich ganz fehlen, jedes in einem Gelenkkopf endi-
gen. Bei den Knochenfischen , dem Chamäleon und den
Cheloniern findet sich über jedem occip. laterale noch
ein occipitale externum.
An das occipitale basilare schliesst sich nach vorn
immer das Keilbein, 05 sphenoideum, mit seinen sehi
variirenden Flügelfortsätzen an, das bei den Vögeln und
134 n. Abschn. Die Organe der Bewegung.
Amphibien ungetheilt ist, dann aber in der Regel statt
des vorderen Stückes einen Stiel besitzt. Das vordere
Keilbein der Fische (hier sphenoid. superius genannt) er-
streckt sich mit seinem Stiel über das hintere , und dieses
wird so von den stark entwickelten ossa petrosa über-
lagert, dass es von der eigentlichen Begränzung der
Schädelhöhle ganz ausgeschlossen ist.
Bei den Säugethieren gehören allgemein dem hinte-
ren Keilbeinkörper die alae magnae s. temporales an, dem
vorderen Keilbeinkörper die alae parvae s. orbitales. Bei
den Monotremen aber findet sich hinter der eigentlichen
ala magna noch ein zweiter ähnlicher Knochen , der des-
halb (von Köstlin) als hinterer Schläfenflügel
gedeutet worden ist. Darauf gestützt kann man aller-
dings (mit Köstlin) auch den übrigen Klassen einen
hinteren Schläfenflügel zuschreiben, wodurch man aber
genöthigt ist, anzunehmen, dass in diesen Fällen mit
Ausnahme einiger Fische, das Felsenbein fehlt. Von den
zwei vor den ossa occipitalia lateralia an der Seite der
Schädelaxe liegenden Knochenpaaren der Vögel wird
nämlich das hintere gewöhnlich (bei Cuvier, Meckel,
Wagner, Hallmann, Stannius u. A.) als Felsen-
bein betrachtet; von Köstlin aber ist das Felsenbein
der Vögel, namentlich aus dem Grunde, weil nicht in
ihm allein die Theile des inneren Ohres liegen, und weil
auch die Analogie mit den Monotremen dafür zu spre-
chen scheint, als hinterer Schläfenflügel gedeutet. Die
alae orbitales fehlen den Vögeln gewöhnlich ganz oder
sind nur knorpelig, selten ossificirt; nie hängen sie mit
dem vorderen Theile des Keilbeins , dem sogenannten
Keilbeinschnabcl zusammen. Bei den Amphibien tritt
2. Kap. Das innere Skelet. 135
dasselbe Verhältniss ein. Spricht man den Vögeln das
Felsenbein ab, so muss man auch bei den Amphibien den
nach Cuvier's Vorgange sehr allgemein Felsenbein be-
nannten Knochen als hinteren Schläfenflügel bezeichnen,
so also z. B. bei den Batrachiern den starken vorstehen-
den Knochen , welcher das Suspensorium des Unterkiefers
trägt. Wirkliche knöcherne alae magiiae (vordere Schlä-
fenflügel Köstlin; alae parvae Meckel, welcher die
peirosa als alae magnae nimmt) besitzen nur die Kroko-
dile ; rudimentär sind sie bei den Schildkröten vorhanden,
oder es finden sich statt ihrer theilweise ossificirte Mem-
branen, wie bei den Sauriern, oder sie sind knorpelig,
wie bei den Fröschen. Die Schlangen haben keine Spur
davon. Ganz allgemein fehlen den nackten und beschupp-
ten Amphibien die Orbitalflügel. Ueber die Fische wird
die unten folgende Tabelle Ausweis geben.
Die Schliessung der Schädelhöhle von oben geschieht
von hinten nach vorn durch das obere Hinterhauptbein,
die Scheitelbeine und Stirnbeine.
Nur selten werden die Scheitelbeine^ 055« parle-
talia, dadurch, dass sich Stirnbein und Hinterhaupt-
schuppe berühren, von einander gedrängt, wie bei den
Cetaceen. Das Scheitelbein kann auch unpaarig werden,
wie bei den Schlangen und Krokodilen. Zu den Scheitel-
beinen gehört das Zwischen Scheitelbein, os inter-
parietale, was sich als Schaltknochen namentlich bei
TS^agern und Wiederkäuern zwischen die Hinterhaupt-
schuppe und die Scheitelbeine einschiebt.
Einer der veränderlichsten Knochen in Bezug auf die
Zahl der Stücke, aus denen er besteht, ist das Stirn-
bein, OS frontale. Schon bei den Säugethieren besteht
136 II- Abschn. Die Organe der Bewegung.
es aus zwei Hälften , die nur in wenigen Fällen , am voll-
kommensten bei den Affen, wie bei dem Menschen, zu
einer Knochenplatte verschmelzen. Audi das Stirnbein
der Vögel ist paarig. Bei den Amphibien aber und Kno-
chenfischen sondert es sich in vier , fünf oder sechs ein-
zelne Knochen.
Die Batrachier besitzen nämlich mit wenigen Aus-
nahmen (Proteiden) ausser den bei den ungeschwänzten
Batrachiern mit den Scheitelbeinen verwachsenen Haupt-
stirnbeinen, ossa frontalia principalia , noch zwei
ossa frontalia anteriora^ wozu bei den Eidechsen und
Krokodilen, die nur ein frontale principale haben, und
bei den Schlangen, Cheloniern und Fischen zwei frontalia
posteriora kommen. Die ossa frontalia anteriora werden
gewöhnlich durch die ossa nasalia getrennt, sie stossen
jedoch bei den Cheloniern, denen die Nasenbeine nach
der gewöhnlichen Ansicht fehlen , in der Mitte zusammen.
Zur Bildung des Augenhöhlenrandes tragen häufig
accessorische ossa snpratemporalia und infraorbitalia bei.
Am häufigsten und beständigsten sind die ossa infraorbi-
talia bei den Fischen, wo sie eine vom frontale anterius
unter dem Auge bis zum froritale posterius verlaufende
Reihe bilden , und , wie die sogenannten ossa nasalia und
die an die infraorbitalia nach hinten sich anschliessenden
snpratemporalia, von den sogenannten Schleimcanälen
mit den eigenthümlichen Nervengebilden (vergl. S. 90)
durchbohrt werden.
Das Thränenbein, os lacrymale , ist bei den mei-
sten Säugethieren vorhanden und fehlt nur bei den
Robben und dem Wallross ; bei Manis ist es sehr innig
mit dem Oberkiefer, bei den Delphinen mit dem Jochbein
2. Kap. Das innere Skelct. 137
verwachsen. Das Thränenbein der Vögel (vorderes
Stirnbein Köstl.) ist in der Regel ein beträchtlicher,
die Augenhöhle von vorn und oben begränzender Kno-
chen, der hier die bei den Säugethieren constante Ver-
bindung mit dem Oberkiefer und meist auch mit dem
Jochbein aufgegeben hat. Unter den Amphibien findet
sich das Thränenbein nur bei den Sauriern und Kroko-
dilen, bei letzteren besonders entwickelt, mit einer an-
sehnlichen Gesichtsfläche. Die Fische haben keinen Kno-
chen, der als Thränenbein angesprochen werden könnte.
Eine dem Geruchsorgan angehörige Gruppe bilden
das Siebbein, die Nasenbeine und das Pflug-
scharbein.
Das Siebbein, os eihmoideum^ der S äugeth iere
bildet durch die gewöhnlich mehr als beim Menschen
entwickelte Siebplatte den vorderen Schluss der Schädel-
höhle. Mit Ausnahme der Affen und einiger Gürtelthiere
(Cachicames Cuv.) fehlt die Orbitalplatte des Siebbeins,
das sogenannte os planum oder die lamina papyracea.
Das Siebbein der Vögel besteht aus einer grossen un-
paarigen Knochenplatte, welche namentlich zur Bildung
der Augenhöhlenscheidewand beiträgt und häufig an der
Schädeldecke zum Vorschein kommt. Unbedeutender sind
die von dem vorderen Rande der Mittelplatte ausgehen-
den Seitentheile des Riechbeins. Den beschuppten
Amphibien fehlt das Siebbein, bei den nackten Am-
phibien betrachtet man geAvöhnlich das os en ceintuve,
Cuv., einen kurzen, hohlen, den vorderen Theil der
Hirnkapsel bildenden Cylinder, als Siebbein. Von oben
wird das os en ceinUire mehr oder weniger von den
Scheitel-Stirnbeinen verdeckt; das Siebbein der Fische
138 II' Abschn. Die Organe der Bewegung.
ist ein unpaariger auf dem vorderen Ende des Keilbeins
und dem vorderen Ende des Vomers sich befestigender
Knochen, der nicht mehr, wie bei den Vögeln, die Or-
bitalscheidewand, sondern die ScheideAvand der Nasen-
höhle bildet.
Die Nasenbe ine , ossa nasalia, der S äu gethier e
bieten viele Veränderungen dar. Sie nehmen bei den
Aifen an Länge zu und sind lang bei den meisten Ord-
nungen. Sehr klein und verkümmert sind sie bei den
Cetaceen , mit denen die Fleischfresser durch die schwim-
menden Fleischfresser verbunden werden. Sie bedecken
die Nasenhöhle von oben oder von vorn. Auch bei den
Vögeln wird die Nasenhöhle hauptsächlich von den
Nasenbeinen bedeckt; ein wesentlicher Unterschied liegt
aber in der theilvveisen , selten völligen Trennung der
Nasenbeine durch den mittleren, aufsteigenden Ast des
Zwischenkiefers. Die meisten nackten und beschuppten
Amphibien besitzen zwei Nasenbeine.
Das Pflugscharbein, vomer^ der Säuget hier e
ist einfach; es erreicht bei den ächten Cetaceen eine
ausnehmende Grösse. Auch bei den Vögeln ist dieser
Knochen einfach, doch tritt hier an seinen breiteren En-
den eine Spaltung ein, die bei Rhea Novae Hollandiae
fast vollständig ist. Bei den meisten Amphibien zer-
fallt der Vomer wirklich in zwei seitliche Hälften 5 nur
bei den Cheioniern ist er unpaar; den Krokodilen fehlt
er ganz. Der Vomer der Fische ist eine horizontale
Platte und dient hier, wie auch bei den nackten Amphi-
bien, nicht mehr als senkrechte Scheidewand, obschon er
der innigen Verbindung mit dem Keilbein, Oberkiefer und
Gaumenbogen getreu geblieben ist.
2. Kap. Das innere Skelet. 139
Um die Veränderungen, welche die Knochen der
Schläfengruppe sammt dem Jochbein, os jugale,
erleiden, und namentlich ihre Beziehungen zu den Kiefern
zu verfolgen , erscheint es auch am zvveclimässigsten,
vom Menschen und von den Säugethieren auszugehen.
Von den zum Schläfenbein gehörigen Knochen , der
Schuppe, dem os tywpanlciim ^ petrosum und mastoi-
deum, ist der letztere bei den Säugethieren nicht
constant, wenig entwickelt und mit dem Felsenbeine ver-
schmolzen. Er kann ganz fehlen, wie bei den ächten
Cetaceen und den Monotremen. Es sind mit ihm nicht
die starken processiis paramastoiclei oder jugulares (z. B,
beim Schwein) zu verwechseln , welche dem Hinterhaupts-
beine angehören. Durch eine Auftreibung des Trommel-
knochens, an der mitunter auch das Felsenbein Theil
nimmt, entsteht die vorzüglich bei Nagern und reissen-
den Thieren sehr beträchtliche Knochenblase, die bulla
ossea.
Bei den Vögeln kann man von diesen Knochen am
leichtesten die Schuppe und das, mit den benachbarten
Knochen das Labyrinth enthaltende Felsenbein (hinte-
rer Schläfenfiügel Köstl.) unterscheiden. Nun ist aber
der Unterkiefer nicht mehr, wie beim Menschen und den
Säugethieren an der Schläfenschuppe selbst eingelenkt,
sondern diese Verbindung ist durch einen zwischen
Schuppe und Unterkiefer getretenen Knochen, das Qua-
dratbein, OS quadratum , vermittelt. Dieses entspricht,
gemäss seiner Entstehung aus dem ersten Visceralstreifen,
dem Arabos. (Columella der Vögel-Steigbügel , aus dem
zweiten Visceralstreifen.) Auch das Verhältniss der
Schuppe zum Oberkiefer ist ein anderes geworden. Bei
140 '!• Abschn. Die Organe der Bewegung.
den Säugethieren nämlich ist die Verbindung des
Oberkiefers mit dem Jochfortsatz der Schläfenschuppe
durch das Jochbein sehr constant, und nur einige
Edentaten , deren Jochbein nicht bis zum Schläfenbeine
reicht, und einige Andere (Centetes, ßlanis, Sorex)^ die
gar kein Jochbein haben, machen eine Ausnahme. Die
Verbindung des Jochbeins mit dem Jochfortsatze des
Stirnbeins, wie sie, ausser beim Menschen, auch beiden
Affen, den Ein- und Zweihufern u. a. vorkommt, ist we-
nig wichtig. Bei den Vögeln ist nun zwischen das lange
dünne Jochbein und das Quadratbein ein neuer, dem
Jochfortsatze der Schuppe der Säugethiere zu verglei-
chender Knochen eingeschoben , das Quadratjoch-
bein, OS qiiadrato-jiigale. Durch das Quadratbein und
das ihm eingelenkte Quadratjochbein ist auch der ganze
Oberkieferapparat beweglich geworden und kann sich
heben und senken.
Das Quadratjochbein wird in den folgenden
Klassen dadurch von besonderer Wichtigkeit, dass es all-
mälig dazu übergeht, den Unterkiefer zu tragen.
Die Verbindung der beiden Theile des Jochbogens
(os jugale und quadrato-jugnle) unter einander , des Joch-
beins mit dem Oberkiefer und des Quadratjochbeins mit
dem Quadratbein wird noch einmal bei den Krokodilen
und Cheloniern eine sehr feste. Bei den Krokodi-
len legt sich das Quadratjochbein an die ganze äussere
vordere Kante des Quadratbeins, und dieselbe Lage hat
es bei den Seeschildkröten; dagegen ist es bei den
Landschildkröten an den oberen, vorderen 'Theil
des Quadratbeins gerückt.
Bei den Eidechsen tritt eine Verkümmerung des
2. Kap. Das innere Skelet. 141
Joclibogens ein. Nur einzelne, wie Stellio, haben Joch-
bein und Quadratjochbein vollständig, dann löst sich das
Jochbein vom Quadratjochbein los, bei Monitor ^ und der
Uebergang zu den Schlangen ist vollendet durch Gecko,
wo beide, den Schlangen gänzlich mangelnde Knochen
sehr rudimentär sind oder auch fehlen.
Die bei Krokodilen und Cheloniern hinter und
über dem Quadratbein gelegene, mit den benachbarten
Knochen Test verbundene Schläfenschuppe nimmt
bei den Schlangen eine längliche Gestalt an und ist
beweglich am Scheitelbein und seitlichen Hinterhauptsbein
befestigt. Sie verschwindet bei den Engmäulern und
ist auch bei den meisten Sauriern rudimentär. Auch
den nackten Amphibien fehlt die squama^ und das
Quadratbein ist an dem seitlich hervortretenden os petro-
surn aufgehängt. Das Jochbein haben die nackten Am-
phibien nicht, und die Verbindung des Oberkiefers mit
dem Quadratbein Avird jetzt hergestellt durch einen vom
unteren Ende des Quadratbeins ausgehenden Knochen;
dieser ist das Quadrat Jochbein, welches zugleich die
Gelenkfläche für den Unterkiefer darbietet. Somit sind
wir bei den Fischen angelangt.
Bei den meisten Knochenfischen wird derjenige
Knochen, der, wie bei den Schildkröten und Krokodilen,
mit seinem vorderen Ende an das hintere Ende des fron-
tale posterius j dessen innerer Rand an das parietale stösst,
und den man wohl am passendsten als Schläfen-
schuppe (mastoidien^ Cus\) betrachtet, mit dem Unter-
kiefer durch eine Reihe von Knochen verbunden, deren
Zahl im Maximum fünf beträgt. Von Cuvier sind diese
Knochen so benannt : der obere , an das mastoideum stos-
142 II- Abschn. Die Organe der Bewegung.
sende heisst temporale^ der mit der Gelenkfläche für den
Unterkiefer versehene ^2/^7«/^ , zwischen beiden liegen nach
vorn das flache iympanlcwn , nach hinten das kleinere
stabförmige symplecüciim; endlich gehört das längliche
praeoperculum dazu. Wie das sywplecticum scheint auch
das tympunicum ein blosses Schaltstück zu sein ; beide
Stücke kommen bei den Welsen gar nicht vor, und auch
bei anderen Knochenfischen , z. B. den Muränoiden (Mu-
raenophis Jielena) ist eine bedeutende Reduction eingetre-
ten. Hält man das mastoideiim C u v. für die Schläfen-
schuppe , so ist der mit ihr verbundene Knochen (tem-
poral C u V.) das Quadratbein, der mit dem Unterkie-
fer articulirende aber das Quadratjochbein. Setzen
wir ferner das Quadratbein der Vögel, Amphibien und
Fische nicht gleich dem tympanicum der Säugethiere,
sondern betrachten es nur als abgelöstes Gelenkstück des
Schläfenbeins, so scheint das tympanicum wieder in dem
praeoperculum der Fische aufzutreten.
Bei den Stören und Spatularien unterscheidet
man noch drei Stücke im Suspensorium des Unterkiefers;
bei den Plagiostomen ist nur ein einziges Knorpel-
stück vorhanden, und dieser Stiel ist bei den Chimären
ein blosser Fortsatz der Schädelkapsel.
Zu den oberen Kieferknochen rechnen wir den
Zwischenkiefer (os inlermaxillare^ ^ Oberkiefer
(os supramaxillare) , das Gaumenbein (palatinum) und
Flügclbein (p terygoideum) .
Der auch beim Menschen vorhandene , aber frühzeitig
mit dem Oberkiefer verschmelzende Zwischenkiefer
bildet gewöhnlich das vordere und obere Schnauzenende;
er ist paarig bei den Säugethieren , Krokodilen, Che-
2. Kap. Das innere Skelet. 143
loniern (mit Ausnahme von Chelys), nackten Amphibien
und Fischen, einfach bei den Vögeln, wo er den gröss-
ten Theil des Schnabels bildet, bei den Ophidiern und
Sauriern (mit Ausnahme der Scincoiden). Bei den Säu-
gethieren trägt der Zwischenldefer immer die Schnei-
dezähne und ist daher mit diesen z. B. beim Dugong, dem
Elephanten sehr entwickelt, jedoch oft auch da, wo die
Schneidezähne fehlen, bei den Wiederkäuern, ganz an-
sehnlich. Seine Verbindung mit dem Oberkiefer ist bei
den Fischen eine sehr lose, und nur bei den Pecto-
gnathen sind beide Knochen verwachsen.
Mit Ausnahme der Vögel und der meisten Fische,
deren Zwischenkiefer an Ausdehnung den Oberkiefer
übertrifft, ist dieser in der Regel der Hauptknochen der
Oberkiefergruppe. Er besteht aus zwei Seitenschenkeln.
Er tritt namentlich bei den Schlangen bedeutend gegen
den Zwischenkiefer hervor, kann aber auch ganz ver-
schwinden, wie wir an vielen Welsen und Aalen sehen.
Von der innerhalb der Oberkieferregion wiederum
näher zusammengehörigen Gruppe der Gaumen- und Flü-
gelbeine (Gaumen bogen) ist das Gaumenbein das
vordere, das Flügelbein das hintere Glied.
Bei den meisten Säugethieren wird das Gau-
menbein weit mehr äusserlich sichtbar, als beim Men-
schen; in dem Maasse, als das Flügelbein sich von dem
Oberkiefer entfernt, und je grösser diese Entfernung ist,
desto niedriger pflegen beide Knochen zu werden. In
Bezug auf die Höhe der Knochen schliessen sich daher an
den Menschen der Elephant , das Känguruh , die pflanzen-
fressenden Cetaceen an. Bei den Menschen ist das Flü-
gelbein (als ala pterygoidea interna) sehr eng mit dem
144 II. Abschn. Die Organe der Bewegung.
Flügelfortsatz des Keilbeins verbunden und hat überhaupt
eine sehr geringe Ausdehnung. Ein ähnliches Verhalten
zwischen beiden Theilen findet bei den Affen und Halb-
affen statt. Auch bei den Pachydermen tritt das Flügel-
bein gegen den Flügelfortsatz zurück; bei den Wieder-
käuern, zu welchen das Pferd führt, halten sich Flügel-
bein und Flügelfortsatz schon die Wage, und in der
Ordnung der Nager (z. B. bei Castor , Hystrix) nimmt
der Flügelfortsatz im Gegensatz zum Flügelbein mehr
und mehr ab, bis er bei den Beutlern ganz rudimentär
wird oder verschwindet. So ist es auch bei den meisten
Fleischfressern. Die Edentaten und Monotremen haben
keine Spur von Flügelfortsätzen.
Bei den Vögeln ist die Verbindung des Gaumen-
und Flügelbeins mit der Schädelaxe eine viel losere
geworden, als bei den Säugethieren ; beide liegen nur
mit einem Ende, das Gaumenbein mit dem hinteren, das
Flügelbein mit dem vorderen , an dem Keilbein an. Nach
vorn stellt das Gaumenbein, wie bei den Säugethieren,
die Verbindung mit dem Oberkiefer her, das Flügelbein
aber, stielförmig, cylindrisch oder zusammengedrückt,
geht nach hinten und aussen zum Quadratbein, mit dem
es articulirt.
Unter den x\mphibien werden wir hinsichtlich der
Verbindung der Gaumen- und Flügelbeine mit der
Schädelaxe durch die Krokodile und Schildkröten wieder
an die Säugethiere erinnert, wogegen bei den Sauriern,
Schlangen und nackten Amphibien die Befestigung an
Keilbein und Pflugscharbein sehr gering wird oder weg-
fällt , und daher die Hauptbestimmung des Gaumenbogens
die Verbindung des Oberkiefers mit dem Suspensorium
2. Kap. Das innere Skelet. 145
des Unterkiefers ist, >venngleich da, wo das Gaumenbein
verloren geht (bei den meisten geschwänzten Batrachiern)
der Gaumenbogen den Oberkiefer gar nicht erreicht. Bei
den Sauriern, Schlangen und Krokodilen tritt, mit weni-
gen Ausnahmen, ausser dass das Gaumenbein zum Ober-
kiefer geht, noch ein Zwischenglied zwischen Oberkiefer
und Flügelbein auf, das os transversum s. pterygoideum
externum] bei einigen Schildkröten (Testudo, Trionyx)
berührt das Flügelbein selbst das hintere Ende des Ober-
kiefers. Ein anderer hierher gehöriger, den meisten
Sauriern zukommender Knochen ist die columellay welche
das Flügelbein mit dem Scheitelbein verbindet.
Bei den ächten Schlangen , denen Jochbein und Qua-
dratjochbein fehlen, ist der Gaumenbogen die einzige
sehr bewegliche und verschiebbare Brücke zwischen Ober-
kiefer und dem Suspensorium des Unterkiefers geworden.
Der Gaumenapparat der Fische besteht sehr all-
gemein aus drei Stücken; das oberste und vorderste mit
dem ethmoideiim ^ gewöhnlich auch mit dem Oberkiefer
und dem vorderen Stirnbein verbunkene ist das Gaumen-
bein. Das Flügelbein ist in zwei Theile zerfallen,
in einen vorderen (transversum, Cuv.) und einen inneren
(transversum, Köstl.). Das vordere verbindet sich mit
dem quadrato - jugale , das innere mit dem tympanicum,
Cuv., welches letztere selbst als ein Demembrement des
Flügelbeins, als pterygoideum posterius betrachtet wer-
den kann.
Der Unterkiefer zeigt die grössten Verschieden-
heiten hinsichtlich der Anzahl der Stücke, aus denen
seine beiden Seitenhälften zusammengesetzt sind, abge-
sehen von den Veränderungen der Form, welche er
10
146 II- Abschn. Die Organe der Bewegung.
innerhalb der Klassen annimmt. Bei den Säugethie-
ren sind die Hälften einfach, verschmelzen jedoch, wie
heim Menschen, bei den Affen, Fledermäusen, Pferden
und Pachydermen zu einem Stücke, während sie bei den
übrigen durch Faserknorpel fest verbunden sind.
Bei den Vögeln besteht der Unterkiefer aus 11
Stücken, einem unpaaren (os dentale) und 5 paarigen,
die den gleich zu nennenden Theilen bei den Amphibien
entsprechen, jedoch sehr früh unter einander und mit
dem Zahnstück verwachsen.
Die bei den meisten beschuppten Amphibien den
Unterkiefer zusammensetzenden Stücke sind 1) das Zahn-
stück, 05 dentale, trägt Zähne, mit Ausnahme der Che-
lonier, bei denen es auch (Chclys ausgenommen) unpaar
ist; 2) das Gelenk stück, os articidare, bildet allein
oder mit den zwei folgenden die Gelenkfläche für das
Quadratbein; 3) das hintere Ausfüllungsstück,
OS angulare, bildet den unteren Wirbel; 4) das äussere
Ausfüllungsstück, os supraangnlare, liegt über dem
angulare^ aussen auf dem hinteren Theile des Unterkie-
fers; 5) das innere Ausfüllungsstück, os opercu-
luve, trägt zur Bildung der inneren Wand des Unterkie-
fers bei; 6) das Kronenstück, os cotnplementare j ist
unbedeutend bei den Krokodilen, ansehnlicher bei den
Sauriern und Ciieloniern. Von diesen Knochen fehlen den
Schlangen, namentlich den giftigen, mehrere; bei den
Euryslomi sind die Kieferäste nur durch Band mit einan-
der vereinigt. Beiden nacktenAmphibien tritt eine
noch grössere Reduction der Knochenstücke ein, die zum
Theil, wie das articidare, knorpelig bleiben.
Bei den Knochenfischen finden sich nur selten
2. Kap. Das innere Skelet. 147
(Lepidosteiis , Osteoglossum) die aufgezählten sechs Stücke,
meist sind nur drei, nämlich das os dentale, articulare
und angidare, weniger häufig auch das opercidare vor-
handen.
10*
148
n. Absclm. Die Organe der Bewegung.
Cuvier.
occipitale externum
ala magna
ala parva
Verschiedene Benennungen
Meckel. Wagner.
seitliches oberes Hin- seitliches oberes Hin-
terhauptsbein terhauptsbein
Felsenbein Felsenbein
grosser (hinterer) Keil- grosser Flügel
beinflügel
sphenoideum anterius vorderer Keilbeinflügel kleiner Flügel
petrosum*)
frontale posterius
mastoideum
temporale
tympanicum
symplecticum
iugale
pterygoideum
transversum
Schlafbeinschuppe Schlafbeinschuppe
Zitzenstück des Schlaf- Zitzenbein
beins
oberes Gelenkbein
scheibenförmiges
Quadratbein, Gelenk- ^*"^^
theil des Schlafbeins g^ffelförmiges Stück
unterer Flügel
unteres Gelenkbein
untere Flügel
palatinum
frontale anterius
Gaumenbein Gaumenbein
seitliches Riechbein seitliches Riechbein
*) Dieser Knochen ist am meisten entwickelt bei den Gadoiden.
2. Kap. Das innere Skelet.
14ft
von Knochen des Fiscbkopfes.
Hallmann. Kostlin.
OS occipitale extern, occipitale externum
mastoideum
petrosuin hinterer Schläfenflügel
ala magna vorderer Schläfenflü-
gel
ala parva*} und sphe- Orbitalflügel *)undDe-
noideum superius **) membrement d. Keil-
beins
Müller.
OS innominatum
frontale posterius
squama tomporalis
quadratum seu tym-
panicum
pterygoideura poste-
rius
symplecticum
quadrato-iugale, qua-
drato-maxillare
pterygoideum inter-
num
pterygoideum exter-
num s. anterius
palatinum
frontale anterius
Zitzenbein
frontale posticum
Schläfenschuppe
Gelenktheil des Schlä-
fenbeins, Quadrat-
beingruppe
transversum
Flügelbein
Gaumenbein
front, anticum
mastoideum
0. temporale
Schaltstück
Schaltstück
quadrato-iugale
pterygoideum inter-
num
pterygoideum exter-
num
palatinum
*) Bei den Welsen, Aalen, Mormyrus ^ ErythrinuSf Polypterus,
den Cyprinoiden, Clupea^ L.; Salmo, Cuv.
**) Bei den Acanthopterygiern (mit Ausnahme der Gobioiden u.
a.), Hechten (mit Ausnahme von Mormynis) ^ Clupea^ L. SalmOf
Cuv. u. a.
150 II' Abschn. Die Organe der Bewegung.
Das Zungenbein und der Kiemenapparat.
Das Zungenbein, os hyoideum^ der Säugethiere
bestellt aus dem Körper und zwei Paar Hörnern.
Ersterer ist sehr verschieden gestaltet. Eine der abwei-
chendsten Formen hat Mycetes, wo er zur Aufnahme ei-
nes vom Kehlkopf ausgehenden Sackes ausgehöhlt ist.
Die vorderen , den Körper an die pars petrosa des Schlä-
fenbeins heftenden Hörner haben zwei bis drei Segmente,
deren letztes als processus hyoideus mitunter (Mensch,
Orang) mit dem Schädel verwächst. Die hinteren, auch
zuweilen (bei Nagern, Cetaceen, Edentaten) fehlenden
Hörner sind gewöhnlich einfach und stehen mit den obe-
ren Hörnern des Schildknorpels in Verbindung.
Das Zungenbein der Vögel ist nach einem sich
ziemlich gleichbleibenden Typus gebaut. An den einfa-
chen länglichen Zungenbeinkörper schliessen sich vorn
gew^öhnlich die paarigen, mehr oder minder mit einander
verschmolzenen ossa entoglossa an (^als deren Ueberbleib-
sel bei den Säugethieren die sogenannte lytta anzusehen).
Nach hinten verlängert sich der Körper in den Stiel. Die
beiden aus zwei bis drei Segmenten bestehenden Hörner
werden bei einigen Vögeln auffallend lang, indem sie sich
über den Schädel herum bis zu den Nasenbeinen und
Oberkiefer biegen (Specht, Wendehals, Kolibri).
Die beschuppten Amphibien bieten hinsichtlich
der Form und Ausdehnung des Zungenbeinkörpers und
der Anzahl der Hörner sehr viele Verschiedenheiten dar.
Bei den Schlangen, deren Zunge in einer Scheide liegt,
finden sich nur Spuren des Zungenbeins als zwei zur
Seite der Scheide liegende und sich vorn vereinigende
Knorpelstreifen. Die Saurier und Schildkröten haben
meist mehrere, die Krokodile nur ein Paar Hörner.
2. Kap. Das innere Skelet. 151
Die nackten Amphibien schliessen sich eines
Theils, wenn sie Luft athmen, in der Zusammensetzung
des Zungenbeins an die bisher betrachteten Formen an,
andern Theils , als Wasser athmende Larven und Perenni-
branchiaten, wo mit dem Zungenbein der Kiemenbogen-
apparat verbunden ist, zeigen sie grosse Aehnlichkeit mit
den Fischen.
Der Axentheil des Zungenbeins der Perennibranchia-
ten, mit Anschluss der Larven der später Luft athmen-
den Batrachier, besteht gewöhnlich aus mehreren hinter
einander gelegenen Stücken , deren eines (die copula,
Zungenbeinkörper) die mit dem os petrosiim verbundenen
Zungenbeinbogen vereinigt. Auf zwei jederseits von der
hinteren Verlängerung der copula abgehenden, den Zun-
genbeinbogen parallelen Knochen sitzen die drei oder
vier Kiemenbogen (arcus bvanchiahs).
Das Zungenbein und der Kiemenbogenapparat der
höheren Knorpelfische und der Knochenfische
zeigt im Allgemeinen folgende Zusammensetzung: Das
vorderste Stück der Axe ist das die Zunge stützende os
linguale (Knochenfische), auf welches die copula folgt;
diese verbindet die beiden gewöhnlich aus mehreren Seg-
menten bestehenden Zungenbeinbogen. Die Zungen-
beinbogen tragen mehrere Strahlen, racUl branc/uostegi,
zwischen denen eine zur Schliessung der Kiemenhöhle
beitragende Haut, membrana branchiostega , ausgespannt
ist. Von der Vereinigungsstelle der Bogen erstreckt sich
bei den meisten Knochenfischen nach hinten und unten der
ansehnliche Zungenbeinkiel. In einer Reihe mit os
linguale und copula folgen nach hinten mehrere unpaare
Stücke, die Träger der vier eigentlichen Kiemenbo-
gen und des fünften, welcher fast nie (Lepidosiren)
152 II. Abschn. Die Organe der Bewegung.
Kiemenblättchen trägt, sondern, gewöhnlich mit Zähnen
bewaffnet, untererSchlundknochen (os phuryngeum
inferius) genannt wird. Die Seitenschenkel jedes Kiemen-
bogens bestehen aus zwei bis vier Stücken, von denen
die oberen , die sich häufig durch ihre starke Bewaffnung
auszeichnen, obere Schlundknochen (ossa pharyngea
superiora) genannt werden. Aus einer eigenthümlichen
Entwicklung des dritten Gliedes vom ersten Kiemenbogen
gehen (nach Peters Entdeckung) die als accessorische
Athemorgane dienenden Labyrinthe der Familie Labyrin-
thici hervor, während ausserdem noch die oberen Schlund-
knochen vorhanden sind.
Zum Kiemenapparat gehört auch der Kiemen-
deckel, der bei Sturionen und Knochenfischen
aus drei Stücken besteht, dem operciilum^ suboperculum
und interoperculum. Das operculum , der grösste Kno-
chen, ist durch eine Gelenkpfanne mit dem Gelenkkopf
der Schläfenbeinschuppe verbunden ; nach hinten und un-
ten vom operculum liegt das suboperculum , und zwischen
diesem und dem (zum Suspensorium des Unterkiefers ge-
hörigen) praeoperculum das interoperculum.
Bei den Plagiostomen und Cyclostomen sind
die Kiemen nicht mit ihrem Aussenrande frei, das Wasser
läuft nicht durch eine grosse Kiemenspalte ab, sondern
es tritt durch eigne unbedeckte Kiemenlöcher aus. Bei
den Plagiostomen werden nur die Ränder der Kiemenlö-
cher durch Knorpelstreifen gestützt, welche jedoch weder
unter einander, noch mit der Wirbelsäule in Verbindung
stehen. Bei Ammocoetes und Petromyzon ist dagegen ein
sehr zusammengesetztes knorpeliges Gerüst (Kiemenkorb,
Brustkorb) vorhanden , das am Schädel und an der Wir-
belsäule befestigt ist.
2. Kap. Das innere Skelet. 153
Die Vergleichung des Schädels mit der
Wirbelsäule.
Zuerst hat J. P. Frank*) den Schädel mit der
Wirbelsäule verglichen. Er sagt : In ea semper opinione
\ersatus sum, quamcunque spinalis columnae vertebram pro
parvo eodemque transverso cranio esse considerandam. Und
ferner spricht er von der extrema et ex omnibus maxime
conspicua mobilissimaque vertebra^ quam calvariam appella-
mus.
Eine eigentliche Schädel- Wirbel-Theorie ist aber erst
1807 von Oken aufgestellt, nachdem Goethe schon seit
vielen Jahren ganz ähnliche Ideen bei sich hatte reifen
lassen. Oken ist im Vergleichen des Kopfskeletes mit
dem Rumpfskelet durchaus masslos. Einer der eigen-
thümlichsten Ausbildner der Naturphilosophie, Gustav
Carus, hat auch mit Vorliebe diese Verhältnisse dar-
gestellt, lieber die Summe seiner Ansichten kann man
sich u. a. in einem seiner jüngsten Werke, ,5Symbolik der
menschlichen Gestalt" unterrichten. Carus hat, ziemlich
oberflächlich , die Entwicklungsgeschichte verwerthet , um
seine drei Schädelwirbel mit dem grossen Hirn, der Re-
gion der Vierhügel und dem kleinen Hirn zu parallelisiren.
So lange man sich nur auf die gröbere Anatomie der
fertigen Gewebe verliess , war die Deutung allerdings ge-
wissen Schwankungen und Willkürlichkeiten ausgesetzt,
aber doch nicht besonders schwierig und verwickelt.
Erst den Bemühungen der microscopischen Histiologen ist
es gelungen, die ganze Lehre in eine solche Verwirrung
zu bringen, dass man sich kaum darin orientiren kann.
*) Delecius opusculonim academicorum. 1792.
154 '!• Abschn. Die Organe der Bewegung.
Um den Schädel mit den Hüllen des Rückenmarkes
zu vergleichen , ist die Untersuchung von zwei Ausgangs-
punkten zu führen. Die embryonalen Zustände sollen die
definitiven erläutern, und ein ähnliches Verhalten zeigt
die Wirbelsäule bei den Knorpelfischen verglichen mit
denjenigen der höheren Wirbelthiere.
In letzterer Beziehung hat man sich zunächst an fol-
gende Thatsachen zu halten. Bei den Cyclostomen
wird der hinterste Theil der basis craiui durch einen aus
der äusseren Scheide der chorda dorsalis entstehenden
Knorpelknochen gebildet, in welchen sich die Spitze der
chorda dorsalis hinein erstreckt, und der seitlich ein Paar
blasige Auftreibungen , die Gehörkapseln trägt. Zwei
vordere divergirende Fortsätze hängen mit den Gesichts-
knorpeln*) zusammen. Ueber diesem os basilare, mit
ihm fest verwachsen und zwischen den Gehörblasen und
den Fortsätzen liegt die knorpelhäutige (Ammocoetes^
Myxlne) oder mehr (Petromyzoii) oder minder (Bdello-
stoma) verknorpelte Gehirnkapsel, eine unmittelbare Fort-
setzung des Rückenmarksrohres, an welche sich nach
vorn die Nasenkapsel anschliesst. Die knorpelige Hirn-
kapsel der Störe wird von oben durch Hautknochen ver-
deckt. Die Schädelbasis selbst ist nicht verknöchert,
unter ihr aber befindet sich eine längere , bis unter die
Schnauze sich fortsetzende Knochenplatte. Die chorda
reicht noch bis in die Schädelbasis (auch bei Lepidosi-
*) Wir haben oben des Kopfes der Knorpelfische nur vorüber-
gehend Erwähnung gethan. Ueber das Gaumengerüst und die ]Va-
senknorpel der Cyclostomen, die verschiedenen Mundknorpel und
Schnauzenknochen lese man die Originalarbeiten, namentlich von
J. Müller nach. Es sind zum grossen Theil isolirt dastehende Bil-
dungen, die nicht in dem allgemeinen Plane des Skeletes liegen.
2. Kap. Das innere Skelet. 155
ren); die Verbindung des Schädels mit der Wirbelsäule
ist also dieselbe wie bei den Cyclostomen. Bei den
Chimären und Plagiostomen fehlt zwar die Spitze
der chorcla dovsalis im Basilartheile des Schädels, doch
stellt dieser noch eine geschlossene, d. h. nicht in ein-
zelne Stücke zerfallene Knorpelkapsel dar, in und an
welcher sich keinerlei Ossificationen zeigen.
Ueberall, wo die Gehirnhüllen als unmittelbare Fort-
setzung der Rückenmarkshüllen auftreten , versteht sich
die Identität dieser Bildungen von selbst. Und diese
Identität ist vorhanden auch bei den Embryonen sämmt-
licher Wirbelthiere. Wo früher die continuirliche Knor-
pelkapsel, Primordialschädelj findet sich später
der knöcherne Schädel , wo das knorpelige Rückenmarks-
rohr, die einzelnen Wirbel.
Von letzteren nahmen die Histiologen eine lange
Zeit an, dass sie in allen ihren Theilen aus unmittelbarer
Umwandlung der Knorpelsubstanz in Knochensubstanz her-
vorgingen , und die Frage nach der Homologie der Schä-
delknochen mit Wirbeltheilen stellte sich so : Entstehen
sämmtliche Schädelknochen nach Art der Wirbel aus dem
Primordialschädel, aus der knorpeligen Grundlage, oder
entstehen einige auf andre Weise , lassen sich also nicht
mit Wirbeltheilen vergleichen?
Einige Histiologen, namentlich Reichert, glaubten
annehmen zu müssen, es entständen die Schädelknochen
sammt der dura mater der höheren Wirbeltliiere aus ei-
ner und derselben skeletbildenden Schicht, indem Kölli-
ker's Blastem der secundären Knochen von einer häutig
knorpeligen oder häutig faserknorpeligen Beschaffenheit
sei und continuirlich in den hyalinartigen Knorpel, das
Bildungsmaterial der primären Knochen, übergehe. Das
156 n. Abscbn. Die Organe der Bewegung.
Resultat der Untersuchungen Reichert's üher die Schä-
delkapsel der nackten Amphibien und Fische ist aber das,
dass „ihre knorpeligen und knöchernen Theile bis auf
wenige noch zweifelhafte Fälle, ebenso, wie bei den
höheren Wirbelthieren der inneren skeletbildenden Schiebt
des Wirbelsystems angehören, dass aber bei ihnen ein-
zelne Knochen (frontalia j^rincipalia, parietalia, sphenoi-
deum basilare) unter Umständen nur aus einer th eil weisen
Verknöcherung der Rindenschicht des hyalinartig knorpe-
ligen Schädelkapselabschnittes mit theilweiser oder gänz-
licher Erhaltung des übrigen Knorpels hervorgehen^'.
Den Hauptvertreter einer zweiten Ansicht haben wir
schon genannt. Nur ein Theil der Schädelknochen sei
knorpelig präformirt (primär) und bilde sich auf Kosten
des Primordialschädels, während eine zweite Kategorie
von Knochen nie knorpelig präformirt sei, sondern einer
membranösen Grundlage, einem wahren, zellenführenden
Bindegewebe seine Entstehung verdanke. Indem diese
Knochen auf den Wänden des Primordialschädels liegen,
welche häufig bei Knochenfischen (Salmonen , Echocinen)
und Batrachiern unter ihnen zurückbleiben, heissen sie
Deckknochen (auch sekundäre). Beiderlei Arten von
Knochen sind integrirende Theile des Schädels. Aber
unter der Voraussetzung, dass sämmtliche Wirbeltheile
knorpelig präformirt seien , war auch nur die Zurückfüh-
rung der knorpelig präformirten Schädelknochen auf die
Wirbel zulässig.
Da kam Stannius mit der Entdeckung, die Dorn-
fortsätze einiger Fischwirbel (Eso.x lucius, Salmo salar)
hätten eine ganz ähnliche Entstehung wie die sogenann-
ten Deckknochen, d. h. seien nie knorpeliig präformirt.
Also an der Wirbelsäule selbst fand sich der vermeint-
2. Kap. Das innere Skelel. 157
liehe Gegensatz in der Entstehungsweise. Man hatte die
Wahl, wenn man auf die Entstehungsweise grosses Ge-
wicht legen wollte, die Knochen danach zu sortiren und
nur innerhalb dieser Gränzen zu vergleichen , oder auch
von der Art der Entwicklung ganz abzusehen, d. h. zu
der Oken-Goethe'schen Anschauung zurückzukehren.
In neuester Zeit endlich hat H. Müller alle bis-
herigen histiologischen Angaben umgeworfen. Nach ihm
entsteht in allen Fällen die ächte , aus lamellöser Grund-
substanz mit strahligen Höhlen und Zellen bestehende
Knochenmasse beim Menschen und Säugethier, wahrschein-
lich auch bei den übrigen Wirbelthieren auf ein und die-
selbe Weise. Bei der Bildung der sogenannten primor-
dialen Knochen setzt sich Knochensubstanz an die Stelle
der, in der Regel verkalkten und wieder sich rück-
bildenden und seh windenden Knorpelsubstanz. Und
somit erscheint alle ächte Knochensubstanz als das, was
man bisher als Bindegewebsknochen zu bezeichnen pflegt.
Sie entsteht nicht auf zweierlei Art, theils aus Knorpel,
theils aus einer dem Bindegewebe ähnlichen Masse , son-
dern nur aus letzterer.
Der histiologische Unterschied zwischen den präfor-
mirten und nicht präformirten Knochen fällt (in anderem
Sinne also , als wie nach Reichert) so gut wie ganz
weg. Wohl aber hat das Knorpelskelet eine provisori-
sche Bedeutung, und die schon von Bergmann aufge-
stellte Eintheilung in ein primäres, secundäres und ter-
tiäres Skelet (Chorda, Knorpel, Knochen) ist noch inner-
licher gerechtfertigt.
Da oft nicht knorpelig präformirte Knochen vor den
präformirten auftreten, ist der Ausdruck primär und
158
II. Abschn. Die Organe der Bewegung.
secundär unpassend; rationeller ist „präformirt" und
„nicht präformirt".
Wie weit schliesslich die Histiologie üher die Be-
deutung der einzelnen Schädelknochen als Wirbel , na-
mentlich bei den niederen Klassen, aburtheilen wird,
lässt sich noch nicht ermessen.
Musste es schon sehr bedenlilich erscheinen, Kno-
chen, wie z. B. die squama ossis occipitis derjenigen Säu-
ger, wo sie als präformirt erscheint, für verschieden zu
erklären von der squama derjenigen, bei denen sie ganz
oder zum Theil als Belegknochen auftritt, oder die spä-
ter ganz verwachsenen Theile des Schläfenbeins nach
ihrer differenten Entstehung zu classificiren , und musste
man schon danach geneigt sein*), anzunehmen, die Ge-
nesis könne nicht über die Identität der Schädelknochen
entscheiden , so scheinen uns auch die neueren histiologi-
schen Daten hierauf hinzudrängen.
Die drei Wirbel, die sich unzweifelhaft entweder
ganz oder theilweise bestimmen lassen, sind:
I. IL III.
Körper:
OS occipitale
basilare
corpus OSSIS
sphenoidei
posterior.
corpus ossis
sphenoidei
anter.
Bogen: partes condyl. alae magnae alae parvae
sive laterales
ossis occipt.
Darnfstz: squama occipit. parietalia
frontalia
Als Körper eines vierten Schädelwirbels kann man
das als vorderes Schlussstück der Schädelhöhle fungirende
*) Bur meist er i. d. Zeitung für Zoologie 1849. S. 185.
2. Kap. Das innere Skelet. 159
ethmoideiim betrachten, wogegen die Hinzufügung der
nasalia , des vomer und der intermaxillaria in diesen Kreis
willkürlicli ist, indem diese Knochen zu keiner Zeit
directe Beziehung zur Rückenseite oder der über dieselbe
sich hinaus erstreckenden Scliädelhöhle haben.
Das Felsenbein, die Schuppe mit dem Zitzentheil
des Schläfenbeins entstehen als Schaltknochen zwischen
jenen Wirbeln.
Die Bildung der übrigen Kopfknochen geht von den
sogenannten Kiemen- oder Visceralbogen des Fötus aus.
Am Rumpfe entsprechen den Visceralbogen die späteren
Rippen ; und es sind demnach Zungenbein , Gehörknöchel-
chen , Meckelscher Knorpel und mit einigen Modificationen
auch Gaumen- und Flügelbein, Unterkiefer, Oberkiefer
und Jochbein die Rippen des Kopfes.
Es ergiebt sich hieraus von selbst, dass die Ver-
gleichung einiger Knopfknochen, namentlich der Kiefern
mit den Extremitäten ganz unstatthaft ist.
H. Rathke, Untersuchungen über die Entvvickelung der Schild-
kröten. Braunschweig, 1848.
E. Hallmann, Die vergleichende Osteologie des Schläfenheins.
Hannover, 1837.
0. Köstlin, Der Bau des knöchernen Kopfes in den vier Classen
der Wirbelthiere. Stuttgart, 1844.
Bergmann, Ueber die Skeletsysteme der Wirbelthiere. 1846.
A. Kölliker, Berichte von der zootomischen Anstalt zu "Würz-
burg. 2. Bericht für das Schuljahr 1847 — 1848. Leipzig,
1849. 6. Abhdig. Allgemeine Betrachlungen über die Ent-
stehung des knöchernen Schädels der "Wirbelthiere.
160 W« Abschn. Die Organe der Bewegung.
K. B. Reiehert, Zur Controverse über den Primordialschädel.
Müll. Arch. 1849.
A. KöUiker, Die Theorie des Primordialschädels festgehalten von
— Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 1850. II. Bd.
H. Müller über Knochenbildung, in der Zeitschrift für wissen-
schaftliche Zoologie 1858. IX.
Drittes Kapitel.
Die aetiven Bewe^ungsorg^ane.
I.
Das muskelsystem.
Die in den vorigen Abschnitten behandelten harten
Theile des äusseren und inneren Skeletes , die man auch
Stützorgane oder passive Bewegungsorgane genannt hat,
dienen namentlich denjenigen weichen Körpertheilen als
Stützen und Haltepunkte, die, auf äussere Reize oder
auf Einfluss des Nervensystems sich zusammenziehend,
die Bewegungen des Thieres ausführen. Es sind diess
die Muskeln, die man, mit denselben histologischen Ei-
genschaften begabt, wie die Wirbelthiere sie zeigen, bis
zu den Infusionsthieren hat verfolgen können.
1. Das Muskelsystem der Strahlthier e.
Die Polypen zeigen deutlich entwickelte Muskeln.
Es sind vorzüglich die Actinien, unter deren Haut in
den seitlichen Körperwandungen und im Fusse eine be-
trächtliche Muskelschicht liegt, wie sie auch bei anderen
Anthozoen , z. B. in den Leibeswandungen der Edwardsia^
in den Armen der Eleutheria bemerkt sind. In keinem
Falle scheinen sie quergestreift zu sein.
Auch die Quallen haben deutliche 3Iuskelfasern
welche ring- und radienförmig die gallertige, contractile
11
162 !*• Abschn. Die Organe der Beweg^ing.
Körpersubstanz durchziehen. Bei einzelnen Schirmqual-
len, z. B. Pelagia noctiluca, ist die Querstreifung der
Bluskelfasern beobachtet.
Das Muskelsystem der Echinodermen ist sehr
entwickelt. Die Muskeln liegen eines Theils an und zwi-
schen den einzelnen Abschnitten des Hautskeletes, um
die Ortsbewegung zu vermitteln, und können da, wo das
Hantskelet zurücktritt, bei den Holothurien, einen
äusserst festen, aus Längs- und Querfasern bestehenden
Hautmuskelschlauch bilden, theils dienen sie zur Bewe-
gung der Kauorgane, Tentakeln u. s. w. Die Muskel-
fasern der Echinodermen scheinen immer glatt zu sein.
2. Das Muskelsystem der Würmer.
In allen Abtheilungen der Würmer sind Muskeln
entdeckt. Bei den Strudelwürmern lassen sich Mus-
kelfasern am leichtesten in dem sehr entwickelten, oft
weit hervorstreckbaren Schlünde nachweisen, aber auch
ausserdem finden sich im Körper entschieden ausgeprägte
Muskeln, so diejenigen, welche bei der mikroscopischen
Rhabdocöle Prostoma lineare zur Bewegung des Stachels
dienen. Sie sind glatt.
Das Muskelsystem der Helminthen zeigt sich na-
mentlich in der, die oft so ausserordentlichen Contrac-
tionen des Körpers hervorbringenden Hautmuskelschicht.
Hier sind die immer glatten Muskelfasern theils unregel-
mässig in einander gewebt, wie bei den Trematoden,
theils bilden sie regelmässige Längs- und Querschichten,
so bei den Acanthocephalen, Nematoiden und
Gordiacccn. Bei den Nematoden pflegt sich die nach
innen liegende Längenmuskelschicht in vier Streifen zu
sondern.
3. Kap. Das Muskelsyslem. 163
Bei den Ringel würmern werden die Wurmbe-
wegungen durch den entwickelten Hautrauskelschlauch
ausgeführt. In diesem findet sich eine äussere Ringfaser-
und eine innere Längsfaserschicbt, zwischen beiden mit-
unter, wie bei den Blutegeln, eine Lage sich unregel-
mässig kreuzender Fasern. Besondere Muskelbündel die-
nen zur Bewegung der Fussstummel und Borsten bei den
Borstenwürmern, andere zum Aus- und Einstülpen des
Schlundes (z. B. bei Arenicola, Nereis) oder zum Auf-
richten, Entfalten und Einziehen der Tentakeln.
3. Das Muskelsystem der Arthropoden.
Bei den Räderthieren scheiden sich die einzel-
nen zahlreichen Muskeln sehr scharf von den übrigen Or-
ganen, indem sie, meist nur mit ihren Enden befestigt,
frei den Körper durchsetzen, so namentlich die grossen
Längsmuskeln, welche sich von hinten convergirend
nach vorn erstrecken und vorzugsweise das von Zeit zu
Zeit eintretende Zusammenschnellen des Thieres bewir-
ken; andere Muskeln lassen sich als Kaumuskeln,
Sphincteren der Kloake, Constrictoren der con-
tractilen Blase bestimmen. In der Familie der Rotiferen
findet sich eine starke Hautmus kelschi cht, und ge-
rade diese Thiere bewegen sich häufig wurmartig durch
abwechselnde Contractionen und Expansionen. Die Quer-
streifung ist zwar erst bei w^enigen Arten, bei diesen
aber mit aller Bestimmtheit beobachtet, so z. B. bei
Euchlanis triquetra und Pterodina patina.
Das Muskelsystem der übrigen Arthropoden ist in
geradem Verhältniss mit der Körpergliederung entwickelt;
wir finden die Muskeln am zahlreichsten und stärksten,
wo die Segmentirung am weitesten geht, verkümmert
11^
164 II- Abschn. Die Organe der Bewegung.
aber , wo die Gliederung zurücktritt. Die Anordnung der
verschiedenen Muskelgruppen, die Art der Befestigung,
das Verhältniss der Strecker und Beuger sind in allen
drei Klassen im Allgemeinen dieselben. Am genauesten
ist das 3Iuskelsystem der Insekten untersucht; man thut
daher am besten, von ihm auszugehen, um die Ueberein-
stimmungen und Abweichungen, welche Crustaceen und
Arachniden zeigen , daran zu reihen.
Von dem Muskelsystem selbst der entwickeltsten
Gliederwürmer weicht schon das der Larven, Avelche
ihnen an Form und Art der Bewegung ähneln, durch die
bestimmte Sonderung einzelner Körpermuskelschichten be-
deutend ab. Man unterscheidet bei ihnen , in der ganzen
Länge des Körpers fast gleichmässig ausgebildet, eine
Rückenschicht, eine Bauchschicht und zwei Sei-
tenschichten, deren jede wieder aus mehreren La-
gen der Länge nach und schief oder quer verlaufender
Fasern besteht. Die Seitenschichten sind geringer als
die Rücken- und Bauchschicht. Diese wird durch den
Nervenstrang, jene durch das Rückengefäss in eine rechte
und linke Hälfte zerlegt. Bei den volkommenen In-
sekten, wo das Abdomen an Beweglichkeit sehr ver-
loren, haben auch die hinteren Partieen der einzelnen
Muskelgruppen eine Rückbildung erlitten, wogegen sich
die im Thorax befindlichen Fuss- und Flügelmuskeln
ausserordentlich entwickelt haben. Jeder Flügel hat
mehrere, gewöhnlich zwei Herabzieher und Heber, die,
wie viele der anderen Muskeln, in sehnenartige, chitin-
haltige Fortsätze des Hautskeletes übergehen. Die Mus-
kulatur der Beine ist in der Regel so beschaffen, dass
die Muskeln (gewöhnlich ein Strecker und ein Beuger)
des einen Gliedes in dem nächst vorhergehenden befestigt
3. Kap. Das Muskelsystem. 165
sind, während sie sich mit dem Gliede, welches sie be-
wegen , durch kurze sehnenartige Fortsätze verbinden.
Die Fussmuskeln der einzelnen Ordnungen zeigen grössere
Uebereinstimmung als die Flügelmuskeln. Letztere sind
besonders bei den Lepidoptern, Diptern, Hymenoptern
und den fliegenden Käfern stark entwickelt.
Die Krustenthiere schliessen sich zunächst den
Insektenlarven an, namentlich durch bedeutende Entfal-
tung der Abdominalmuskeln,
Die Arachniden dagegen gleichen mehr den voll-
kommenen Insekten durch die starke Muskulatur des Tho-
rax, während am Hinterleibe sich nur unter der Haut-
bedeckung ein sehr dünnes Muskelnetz befindet, ausser-
dem aber von der Rücken- und Bauchseite einzelne Mus-
kelstränge zwischen die Eingeweide gehen. Eine Anzahl
dieser Stränge heftet sich häufig an ein sehniges, auf
beiden Seiten der Mittellinie liegendes Band.
Die willkürlichen Muskeln der Arthropoden zeigen
allgemein Querstreifung, die sich nicht selten bei den
Insekten auch an den Muskelfasern des Darmkanals findet.
4. Das Muskelsystem der Weich thiere.
Sehr deutlich sind diejenigen Muskeln der Bryo-
zoen, welche sich frei durch die Leibeshöhle erstrecken,
namentlich als Retractoren der vorderen ausstülpbaren
Körpertheile.
In der Entwicklung des Muskelsystems stehen die
Tunicaten gegen die übrigen Acephalen zurück, indem
bei ihnen nur die unter der allgemeinen Hautbedeckung
gelegene, aus Längs- und Querfasern bestehende Haut-
muskelschicht besonders hervortritt. Diese erscheint bei
den Salpen und einigen Species der Ascidien in einzel-
166 II- Abschn. Die Organe der Bewegung.
nen von einander getrennten Muskel streifen und Ringen,
bildet aber bei den meisten Ascidien einen vollständigen
Schlauch. An der After- und Athemöffnung befinden sich
starke Sphincteren. Bei den Bivalven lassen sich meh-
rere ansehnliche Muskelmassen unterscheiden, abgesehen
von den vielen Muskelbündeln , welche ausserdem im
ganzen Körper zerstreut sind. Hierher gehören die
Schliessmuskeln, der Mantel und der Fuss. Die
Schliessmuskeln bestehen aus einer grossen Anzahl paral-
leler Fasern , welche von einer Schale zur andern gehen
und dem die Schale öffnenden elastischen Bande entge-
genwirken , jedoch viel stärker. Bei der einen Abthei-
lung der Lamellibranchiaten ( Monomya) findet sich nur
ein Schliessrauskel, ungefähr in der oberen Mitte der
Schalen , bei einer anderen (Dimya) zwei. Die Branchio-
poden haben deren mehrere Paare; bei ihnen gehen die
einzelnen Muskeln theils von einer Schale zur andern
(adductores longi, breves und cardinales) ^ theils heften
sie sich nur mit einem Ende an die Schale und begeben
sich mit dem andern in den fleischigen oder sehnigen Stiel
(retractores inferiores und superiores). Ausserdem be-
sitzen sie Armmuskeln und Mantelmuskeln, letztere nur
schwach entwickelt, so dass sie keine Eindrücke auf den
Schalen erzeugen.
Der aus zwei , meist nur am Rücken oder auch gar
nicht (Pecten^ Spondylus) vereinigten Seitenhälften be-
stehende Mantel der Bivalven ist das dem inneren
Mantel der Tunicaten homologe Organ. Er ist sehr
reich an Muskelfasern , namentlich an den freien Rändern
und da , wo diese sich zu oft langen Athem- und After-
röhren vereinigt haben.
Sehr muskulös ist der sogenannte Fuss der Lamelli-
3. Kap. Das Muskels} steni. 167
brancliiaten. Er liegt an der Bauchseite und ist durch
mehrere Sehnenstränge mit der inneren Fläche des Scha-
lenrücliens verbunden. Er verkümmert bei denjenigen
Formen, welche sich vermittelst des Bartes (byssus) an-
heften. Die eiuzelnen Fasern dieses Byssus scheinen aus
einer eigenthümlichen Umwandlung von Muskelfasern her-
lorzugehen.
Bei den Cephalophor en ist eine oft sehr starke,
aus Längs-, Quer- und schrägen Fasern bestehende Mus-
kelschicht mit der Hautbedeckung verbunden , die nament-
lich an der Bauchfläche an Dicke und Ausdehnung ge-
winnt und Fuss genannt wird. So bei den Gastero-
poden. Metamorphosirt erscheint dieser Fuss als seit-
lich comprimirter Kiel Heteropoden, wiewohl auch
dieser an seinem hinteren Ende wieder zu einem Saug-
napf verflacht ist. Die höchste Entwicklung zeigt Ata-
lanta-^ hier zerfällt das Organ in einen vorderen Theil,
die Flosse mit dem Saugnapf, und einen hinteren , eine
blattförmige Ausbreitung, welche den Fuss trägt.
Die Flossen der Pteropoden scheinen, nach Ge-
genbaur, unabhängig vom Fusse zu entstehen, zum
Theil auf Kosten der empryonalen WimpersegeL Das
wahre Homologon des Gasteropodenfusses ist dagegen ein
oft unbedeutender Anhang zwischen den beiden Flossen.
Bei den Gehäuseschnecken ist der Körper durch ei-
nen starken, in mehreren Abtheilungen vom Fuss ausge-
henden Muskel an der Spindel befestigt.
Unter allen Mollusken zeichnen sich die C e p h a 1 o-
poden durch grössere Sonderung der einzelnen Muskeln
aus, indem die Fasern sich nicht so vielfältig kreuzen,
wie zumeist bei den beiden anderen Klassen, sondern
IßS H« Abschn. Die Organe der Bewegung.
sich parallel an einander legend mehr einzelne , fleischige
Muskeln bilden.
5. Das Muskelsystem der Wirbelthiere.
Die Muskulatur der Wirbelthiere ist im Ganzen ein
getreuer Abdruck des Knochensystems; man findet ge-
wöhnlich, wo bei zwei verschiedenen Thieren dieselben
Knochen vorhanden sind, auch die entsprechenden, sich
an diese Knochen ansetzenden Muskeln, wo eine Reduc-
tion der Knochen eingetreten , auch eine Reduction der
Muskeln. Das Letztere sehen wir namentlich an den Ex-
tremitäten. Wir wollen wiederum, wie wir es bei der
Betrachtung des Skeletes gethan, nicht das ganze Mus-
kelsystem nach den Klassen durchgehen , sondern einige
der hauptsächlichsten Modificationen und Abweichungen
sich von selbst sondernder Muskelgruppen durch die ein-
zelnen Klassen hindurch verfolgen.
Hautmuskeln.
Bei den Wirbelthieren findet sich das System der
Hautmuskeln nirgends in der Art ausgeprägt, wie es für
sehr viele Würmer und die Mollusken charakteristisch
ist, dass nämlich mit der Hautbedeckung selbst, mit der
cutis ansehnliche Muskelstraten innig verwebt sind. Viel-
mehr liegen hier die Hautmuskeln immer unter der Haut,
mit der sie sich nur stellenweise verbinden; sie sind dünn
und gehen oft, namentlich bei den Säugethieren, in grosse
Aponeurosen über.
Bei den ungeschwänzten Batrachiern sind
als Hautmuskeln einige Anspanner der Rückenhaut zu
nennen (puhioclorso-ciitane und zwei coccy-dorso-cutanes
Dtij.). Die meisten Hautmuskeln unter den Amphibien
3. Kap. Das Muskelsystem. 169
haben die Ophidier, wo sie sich theils von den Rippen
nach den Schuppen begeben, theils die Bauchschuppen
und Seitenschuppen unter einander verbinden , theils auch
von dem vorderen zum hinteren Rande einzelner Schup-
pen gehen und zur Krümmung derselben dienen.
Bei den Vögeln finden sich ausgedehnte, dünne
Hautmuskeln , welche die Haut contrahiren und die Fe-
dern sträuben. Namentlich bei den Wasservögeln treten
an die Conturfedern je vier bis fünf kleine Muskeln , um
dieselben allseitig zu bewegen. Auch die Muskeln der
Flughaut (m. m. patagii) ^ langer und kurzer Spanner
der vorderen Flughaut und der Spanner der hinteren
Flughaut, sowie der Aufrichter der Steuerfedern am
Schwänze (m. levator rectricum) gehören hierher.
Das Hautmuskelsystem der Säugethiere ist meist
sehr entwickelt; die Hautmuskeln dienen gewöhnlich zum
Runzeln und Schütteln. Sehr ausgedehnt sind sie beim
Stachelschwein , noch mehr beim Igel. Letzterer besitzt
einen fast vollständigen Hautmuskel-Schlauch; auf dem
Rücken und Bauche ist dieser dünner, an den hinteren
Extremitäten geht er in Aponeurose über, während an-
dere Portionen sich an die vorderen Extremitäten , den
Schwanz und Kopf begeben. Das Zusammenkugeln ge-
schieht hauptsächlich durch eine Lage concentrischer
Muskelbündel, die von Kopf und Nacken über die Seiten
zur Kreuzgegend verlaufen und wodurch der Rückentheil
des Muskels wie eine Kappe über den Körper gezogen
wird.
Seiten rumpfmuskeln.
Die Seiten der Fische sind von zwei grossen Mus-
kelmassen bedeckt, die sich hinten an den Strahlen der
170 II- Abschn. Die Organe der Bewegung.
Schwanzflosse , vorn am Schultergürtel und Kopf befesti-
gen, und die namentlich am Schwänze durch ein fibröses
Blatt in zwei durchaus symmetrische Hälften , einen
Bauch- und einen Rückentheil zerlegt werden. In glei-
cher Anzahl mit den Wirbelkörpern erstrecken sich durch
die Seitenmuskeln Ligamente, welche im oberen Theile
des Bauchstückes und im unteren des Rückenstückes am
Schwänze in einander steckende hohle Kegel oder Halb-
kegel bilden, deren Spitze nach vorn, deren Basis nach
hinten gerichtet ist; in dem oberen Theile des Rücken-
stückes aber und dem unteren des Bauchstückes stellen
diese ligamenta intermuscularia Abschnitte von Kegeln
oder Kegelmänteln dar , deren Basis nach vorn und deren
Spitze nach hinten gerichtet ist. In den Rumpfmuskeln,
den unmittelbaren Fortsetzungen der Schwanzmuskeln,
bilden die Ligamente auf Querdurchschnitten nicht mehr
concentrische Ringe , d. h. sie gehören nicht mehr ganzen
Kegeln an. Wegen der verschiedenen Richtungen dieser
Kegel erscheinen die ligamenta intermuscularia äusserlich
als bogen- und zickzackförmige inscrijitiones tendineae.
Trotz des schiefen Verlaufs der Ligamente ist doch die
Richtung der Muskelfasern zwischen ihnen parallel mit
der x\xe des Fisches.
Auch viele nackte Amphibien, nämlich die Cöci-
lien, Perennibranchiaten, Derotreten und die
Salamanderlarven verhalten sich hinsichtlich der
Seitenmuskeln wie die Fische, wogegen bei den luft-
athmenden W irbelthieren der untere oder Bauch-
theil der wuscull laterales verloren geht, wenigstens am
Rumpfe. Am Schwänze zeigen sich die Seitenmuskeln
häufig noch im ganzen umfange , so bei vielen b e -
schuppten Amphibien, auch Sau gethieren. Der
3. Kap. Das Muskelsystem. 171
übrig gebliebene Rückentheil am Rumpfe ist in mehrere
Muskeln zerfallen, und als Aequivalent jener Lage der
Fische sind also bei den höheren Thieren die m. m, spi-
nalisy semispi7ialts , multifidus, longissitmts dorsi und sa-
crolumballs anzusehen , die sich wiederum alle oder zum
Theil in den Schwanz- und Halsmuskeln wiederholen.
Die Rückenmuskeln der beschuppten Amphibien
haben sich noch nicht so vollständig getrennt; man kann
eine innere, den m. m. spinalis, semispinalis und midiiß-
dus und eine äussere , den m. rn. sacrolumballs und Ion-
gissimus dorsi entsprechende Portion unterscheiden.
Rippenheber. Interprocessual- und Intercostal-
m US kein.
Bei den Fischen lassen sich diese Muskeln als
eigene Systeme nicht unterscheiden; bei den übrigen
Wirbelthieren richten sie sich nach dem Vorhandensein
der Rippen und der Beweglichkeit der Wirbelsäule und
der Rippen. So fehlt den Cheloniern das System der
levatores costarum und der m. m. intercostales ^ welche da-
gegen bei den Schlangen ausserordentlich entwickelt und
vervielfältigt sind. Als Analogon der Rippenheber finden
sich am Halse der Vögel kleinere von den Querfortsätzen
zu den Rippenrudimenten (s. oben S. 122) gehende Mus-
keln. Bei der Festigkeit des Rumpftheiles der Vögel sind
auch die entsprechenden Interprocessualmuskeln nicht sehr
entwickelt.
Zu den Intercostalmuskeln ist der m. rechts abdomi-
nis zu rechnen, zwischen dessen Bäuchen da, wo sonst
in der Regel die mscriptiones tendineae sich finden , beim
Krokodil die Bauchrippen liegen. Die Ausbreitung die-
ses, den Fischen und Cheloniern fehlenden Muskels
172 II. Abschn. Die Organe der Bewegung.
kann eine sehr bedeutende sein ; er kann sich da , wo
das Brustbein fehlt, z. B. bei den Myxinoiden, die
keinen Bauchtheil des Seitenmuskels haben und ausnahms-
weise unter den Fischen den rectus besitzen , vom After
bis zum Zungenbein erstrecken und fungirt somit unmit-
telbar als sternohyoideus,
Bauchmuskeln.
Auch die Ausdehnung der übrigen eigentlichen Bauch-
muskeln , nämlich der in. m. obliqid extevnus und internus^
transversits und pyramidalis ist zum Theil eine viel grös-
sere, als die menschliche Anatomie lehrt, indem bei den
Sauriern sowohl die schiefen Bauchmuskeln als der
quere theilweise die Brusthöhle überziehen. Den Fi-
schen fehlen diese Muskeln gänzlich, mit Ausnahme der
Myxinoiden, die ausser dem geraden auch einen
schiefen Bauchmuskel besitzen. Der transversits fehlt
den Ophidiern, der pyramidalis fast allen Amphibien.
Die Vögel stimmen ziemlich mit den Säugern
überein j bei beiden ist in der Regel der pyramidalis nicht
vorhanden. Die Beutler haben ihn jedoch ausserordent-
lich entwickelt.
Das Zwergfell ist, ausser bei den Säugethieren,
die es vollständig besitzen, nur rudimentär vorhanden
oder gar nicht. Rudimentär haben es die Chelonier.
Das rudimentäre Zwergfell der Vögel, der sogenannte
Lungenmuskel, ist bei den eigenthümlichen Athemvorrich-
tungen von grosser Wichtigkeit; es dient theils dazn,
während des Flügelschlags die unter der Lunge gelege-
nen Luftsäcke von der Lunge abzuhalten, theils, die
Oeffnungen der Luftsäcke in die Lunge mehr oder weni-
ger zu verschliessen. Zu einer die Brust- oder Bauch-
3. Kap. Das Muskelsystem. 173
höhle trennenden Querscheidewand wird das Zwergfell
erst bei den Säugethieren. Merkwürdig sind die im
Zwergfelle einiger Säugetbiere, namentlich des Kameeis
vorkommenden Verknöcherungen.
Die Muskeln der unpaaren Flossen.
An den unpaaren Flossen der Fische hat man zweier-
lei Muskeln zu unterscheiden , ein oder mehrere dicht
neben der Mittellinie verlaufende kleinere Paare, welche
sich an die Flossenträger setzen und zum Heben und
Senken der Flossen dienen , und dann eigne Muskeln für
die Flossenstrablen, welche als Seitwärts-, Vorwärts-
und Rückwärtszieher wirken. Die Afterflosse wird vor-
züglich von Seitwärtsziehern bewegt.
Schulter-, Becken- und Extremitätenmuskeln.
Noch weniger als die Knochen lassen sich die Mus-
keln der paarigen Gliedmassen der Fische auf die Mus-
keln derselben Gegenden bei den übrigen Klassen zu-
rückführen. Sie beschränken sich auf einige Heber und
Niederzieher, Rückwärtszieher und Strecker; kleinere,
zwischen den Flossenstrahlen befindliche Muskeln nähern
diese einander.
Im Uebrigen aber kehrt sowohl bei den Amphi-
bien, abgesehen von denjenigen mit kleinen oder ver-
kümmerten Extremitäten, als bei den Vögeln die An-
ordnung der Muskulatur wieder, die wir beim Säuge-
tbiere und beim Menschen finden. Was nun ä) die
Muskeln der Schultern und der vor deren Glied-
massen anbetriff't, so lässt sich Folgendes bemerken:
Die Schultermuskeln sind bei den nacktenAmphi-
bien, namentlich den geschwänzten, sehr einfach
174 11- Absclm. Die Organe der Bewegung.
und bestehen in einem oder mehreren Vorwärtsziehern
oder Hebern und Rückwärtsziehern , als deren Antago-
nisten. Am einfachsten verhält sich Proteus, der nur
einen Vorwärtszieher (zugleich Heber) und einen Rück-
\värtszieher besitzt. Bei den ungeschwänzten Ba-
trachiern kommen gewöhnlich drei Vorwärtszieher und
zwei Rückwärtszieher vor. Jene entsprechen den m. m.
cucullaris, rhomboidem und levator scapulae; diese den
ni, m. serratus anticus und pectoralls minor s. serratus
anticus minor. Bei den meisten Amphibien hat der omo-
hyoideus seine Rolle getauscht; er ist nicht, wie bei den
höheren Klassen, Rückwärtszieher des Zungenbeins, son-
dern Vorwärtszieher der Schulter.
In Bezug auf Anordnung und Zahl der Muskeln des
Oberarms, Vorderarms und der Hand zeigen die Amphi-
bien vielfache Verschiedenheiten. Am einfachsten verhält
es sich wiederum mit den geschwänzten Batrachiern. Am
Oberarm vollständiger Gliedmassen kann man (nach
Meckel) unterscheiden einen Vorwärtszieher (delloideus).
Auswärtszieher (scajmlaris) , zwei Rückwärtszieher (pe-
ctoralis maior und latissimus dorsi) und einen Einvvärts-
zieher (coracobrachialis). Der Vorderarm hat gewöhn-
lich mehrere Strecker und Beuger, und ebenso finden
sich an der Hand Strecker und Beuger, Anzieher und
Abzieher.
In der Muskulatur der Schulter gleichen die Vögel
sehr den Sauriern. Einzelne Muskeln werden für den
Flug von besonderer Wichtigkeit, so der latissimus dorsi,
der den Rumpf von hinten nach vorn hebt und den Vogel
während des Flugs in die horizontale Lage versetzt.
Den Oberarm bewegen acht Muskeln , unter denen der
pectoralis maior bei guten Fliegern oder auch bei den
3. Kap. Das Muskelsysleni. 175
Vögeln, welche kurze Flügel haben, sich durch seine
Stärke auszeichnet; den Vorderarm neun. Ausserdem
wirken auf Mittelhand und Finger nicht weniger als sechs-
zehn Muskeln.
Bei den Säuget hieren kommen von Schultermus-
keln gewöhnlich vor der ciicidlaris^ ievator scapulae, der
oder die rhomboidei^ serratiis nnticns waiov und minor,
subclavius. Auch die Muskulatur des Oberarms ist noch
ziemlich übereinstimmend, am Unterarm aber und der
Hand treten namentlich bei den Hufthieren grosse Ver-
einfachungen ein.
Wenden wir uns nun b) zu den Muskeln des Be-
ckens und der hinteren Extremitäten, so hat
man bei den Amphibien auch diese ohne Schwierigkeit
nach den entsprechenden der höheren Klassen benennen
können. Den Vögeln fehlen von den Beugern des
Oberschenkels der psoas und illacus internus. Die Mus-
keln des Unterschenkels sind , mit denen der Saurier ver-
glichen, weniger zahlreich^ indem sich mehrere dort ge-
trennte Muskeln vereinigt haben. Die Muskeln des meta-
tarsus und der Zehen haben sehr lange Sehnen bei kur-
zen , sich hoch ansetzenden Bäuchen. Diese Sehnen so-
wohl , als die der Flügel haben die Neigung zum Ver-
knöchern.
Die Muskeln am Becken und den hinteren Extremi-
täten der Säugethiere zeigen, wenn auch nach einem
Typus geordnet, doch mannichfache Abweichungen. Diese
beziehen sich, wie bei den Vordergliedmassen, nament-
lich auf die unteren Partien.
Gesichtsmuskeln.
Eigentliche Gesichtsmuskeln fehlen den Fischen.
176 II« Absclin. Die Organe der Bewegung.
Bei den Amphibien finden sich mehrere Expansoren
und Constrictofen der Nasenlöcher. Auch die Vögel
haben keine den Gesichts- und Lippenmuskeln des Men-
schen analogen Muskeln , und es schliesst sich ihnen der
Ornithorhynchus an. Bei den meisten übrigen Säuge-
thieren sehen wir mehrere Gesichtsmuskeln, namentlich
die zur Bewegung der Lippen bestimmten. Der buccina-
tor ist bei den mit Backentaschen versehenen Thieren
sehr gross. Indess erreicht kein Säugethier den Menschen
an Sonderung der Gesichtsmuskeln , deren mimische Wir-
kung bei jenen auch durch den über sie ausgebreiteten
Hautmuskel geschwächt wird.
Kaumuskeln.
Die Kaumuskeln zeigen sehr allgemein denselben
Plan, der aber durch die Freibeweglichkeit der Unter-
kieferhälften und des Oberkiefers, sowie durch die Aus-
dehnung und Beweglickeit des Gaumenapparates und des
Unterkiefersuspensorium modificirt wird. So liegt auf
den letzteren Knochen bei den Knochenfischen eine
Muskelraasse, welche sich mit einer Sehne an den Ober-
kiefer, mit der anderen am Kronenstück des Unterkiefers
ansetzt. Bei den Amphibien lassen sich zwei Kau-
muskeln, ein äusserer (massetev und temporalis) und ein
innerer (pterygoidei) unterscheiden. Als Herabzieher
wirkt ein verschieden entspringender digastricus. Bei
den Schlangen sind die Muskeln sehr vermehrt. Sie
besitzen, wie die Fische, ein die Unterkiefer hälften ein-
ander näherndes Muskelpaar und mehrere andere zur
Bewegung d^ Quadratbeins und der Gaumengruppe be-
stimmte. Auch bei den Vögeln finden sich, ausser den
den TW. m. masseterf temporalis , pterygoidei^ digastricus
3. Kap. Das iMuskelsystem. 177
analogen Muskeln, ein Heber und Vorwärtszieher und ein
Rückwärtszieher des Flügelbeins und Quadratbeins. Die
Kaumuskeln der Säugethiere gleichen denen des Men-
schen s§hr, nur sind sie gewöhnlich bedeutender ent-
wickelt.
Muskeln des Kieinenapparates und des Zungenbeins.
Bei dem ganz abweichenden Bau dieser Theile bei
den Cyclostomen ist auch ihre Muskulatur eine völlig
von dem Plane der übrigen Wirbelthiere abweichende.
Wir erwähnten, dass die Cyclostomen nicht durch den
Mund einathmen, sondern durch die Kiemenlöcher ein-
und ausathmen. Desshalb sind bei ihnen die Constric-
toren der Kiemenhöhle ungemein entwickelt. In-
dem bei den Knochenfischen das eigentliche Zungen-
bein von untergeordneter Bedeutung ist gegen die Kie-
menbogen, sind es auch vorzüglich letztere, welche durch
eine nicht geringe Anzahl theils von der Schädelbasis,
theils. vom Zungenbeine, theils vom Schultergürtel ent-
springender Muskeln nach oben, vorn, hinten und abwärts
bewegt werden. Zum Kiemenapparat gehören auch die
zwischen den radii branchiostegi befindlichen Muskeln und
Heber und Senker des operculum.
In den drei höheren Klassen zeigen die Zungenbein-
muskeln eine grosse Uebereinstimmung, fast mit alleini-
ger Ausnahme der Schlangen wegen des rudimentären
Zungenbeins und des Mangels von Schultergerüst und
Brustbein. Die verbreitetsten sind bei den Amphibien:
die m. m. sternokyoideus ^ oinohyoideus , wyloglossus ^ ge*
nioglossus — und die m. m. hyoglossiis und genioglossus
als Zungenmuskeln. Bei den Vögeln: die m. m, mylo-
hyoideus , stylohyoideus , geniohyoideus , sternohyoideus,
12
178 H- Abschn. Die Organe der Bewegung.
Diese zeigen sich auch bei den Säugethieren sehr be-
ständig.
Lyonnet, Traue anatomique de la chenille, qui ronge le bois de
saule. 1762. (Berühmte Darstellung der Myologie von Cos-
sus ligniperda.)
J. Müller, Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Erster Theil,
Myologie S. 179—248. 1835.
Ant. Dujes, Recherches sur VOsteologie et la Myologie des Ba-
traciens ä leurs differrens ages. 1835.
E. d'Alton, Beschreibung des Muskelsystems eines Tython bhitta-
ius. Müller's Arch. 1834.
J. Prechtl, Untersuchungen über den Flug der Vögel. 1846.
IL
Die coiitractile Substanz, besonders der In-
fusorien.
Man kann sich der Anerkennung der vielfältig be-
obachteten Thatsache nicht entziehen, dass in der niede-
ren Thierwelt, besonders in der Abtheilung der Infuso-
rien, wohl auch der Polypen und Quallenpolypen, ferner
der Turbellarien , an Stelle oder neben den wahren Mus-
keln ein specifisch anderes Bewegungselement auftritt,
auf welches zuerst Dujardin in seiner Histoire naturelle
des Infusoires aufmerksam gemacht hat, und das man
entweder nach seinem Vorgange Sarcode, oder nach
Ecker (ungeformte) contra etile Substanz nennt.
Wir finden die Eigenschaften dieser contractilen
Substanz am schärfsten ausgeprägt bei derjenigen Ab-
3. Kap. Die coniractile Substanz. 179
theilung der Infusorien, die Ehrenberg als Pseudopo-
dla bezeichnet , also den Amöbäen mit den , wie sich nun
unzweifelhaft ergeben, zu ihnen gehörigen Polythala-
m i e n oder Foraminiferen. Die Substanz besteht aus
einer homogenen, durchsichtigen Grundmasse mit einge-
betteten moleculären Körnchen und bläschenähnlichen
Aushöhlungen; sie ist allseitig expansibel und contractil,
d. h. kann nacli beliebigen Richtungen hin Fortsätze, mit-
unter zu äusserster Feinheit ausgezogen , von sich stre-
cken, und diese Fortsätze können sogar mit einander
verschmelzen und ein Netzwerk bilden, das später w^ie-
der, unter Trennung der Maschen, in den übrigen Kör-
per hineingezogen wird. Bei diesen unzweifelhaften
Thatsachen muss man sich wohl auch zu der Anerken-
nung der, physiologisch freilich völlig räthselhaften an-
deren Thatsache bequemen, dass bei den so beschaffenen
Organismen die Sensibilität durch eben dieselbe contrac-
tile Substanz vermittelt wird , da die Leitung durch Ner-
venelemente mit der ersten Thatsache unvereinbar ist.
Wie weit die contractile Substanz diese Eigenschaf-
ten bei der anderen grossen Abtheilung der Infusorien,
den Enterotelen beibehalte, und welche Modificationen
sie hier erleide , ist noch nicht Gegenstand speciellerer
Forschung gewesen. Meine eignen Beobachtungen lehrten
mich, dass bei einer grossen Reihe derselben die con-
tractile Substanz in der Form langer schmaler Streifen
oder, wenn man will, Fasern auftritt, welche parallel
mit einander oft in der ganzen Länge des Thieres ver-
laufen. Sie sind getrennt durch kleine Thäler und Fur-
chen, wie man am besten an den Körperrändern und bei
gewissen Biegungen der Thiere bemerkt , avo die Fasern
eben so viele Erhabenheiten bilden. Diese Streifen sind
12*
IgO 11. Abschn. Die Organe der Bewegung.
so bestimmt abgegränzt, dass von einem Ineinanderflies-
sen nicht die Rede ist; sie bestehen aus der homogenen,
hellen Grundsubstanz , in welche viele winzig kleine Körn-
chen eingebettet sind, und bei manchen Infusorien sind
die Pigmente fast ausschliesslich in diesen Streifen ent-
halten, so dass die Zwischenfurcben weiss erscheinen
(z. B. bei Stentov coevuleus). Als der Beobachtung leicht
zugängliche Formen, bei denen die contractile Substanz
in der beschriebenen Weise sich differenzirt hat, führen
wir die Stentoren an. Sie haben zwei Streifensysteme;
das eine , aus schmaleren Elementen bestehende bildet
die kappen- oder deckelähnliche Vorderwand des Thie-
res; die anderen Streifen verlaufen von dem Rande des
grossen vorderen Wimperkreises nach dem Hinterende,
nicht alle aber reichen bis hierher, sondern hören auf,
wie es die Verschmälerung des Körpers erfordert. An-
dere zahlreiche Beispiele liefern die Trachelinen und
Ophryocercinen, von den Enchelien Lacvymaria
Proteus; und darunter sind namentlich die interessant, bei
denen die Streifen spiralig um den Körper gehen, wo-
durch sie , besonders deutlich im Zustande der Contrac-
tion , w ie mit einem zarten Netze überzogen erscheinen.
Es ist nichts leichter, als sich zu überzeugen, dass die
Körpercontractionen nur in der Richtung dieser, in der
Rindenschicht (Lach mann) liegenden Fasern oder Strei-
fen erfolgen , dass diese Fasern eben selbst die contrac-
tilen Elemente sind , und dass eben desshalb die frei-
willigen Expansionen und Contractionen sich hauptsächlich
auf die Körperbedeckungen beschränken , während die
innere Substanz passiv diesen Bewegungen folgt. Bei
den Oxy t rieh inen und Eup loten, auch den K o 1 p o-
deen, deren Körper wenig seine Gestalt verändert, tritt
3. Kap. Die contraclile Substanz. 181
in eben dem Masse die Faserung der Sarkode zurück,
und es bleibt umfassenderen Untersuchungen vorbehal-
ten, zu zeigen, ob die freiwillige Contractilität der En-
terodelen nicht überhaupt an diese Streifenbildung gebun-
den ist.
Jeder Streif ist analog einer Muskelfaser; die Breite
wechselt sehr; bei einer Tracheline habe ich 0,001 —
0,0016 Lin. gemessen; beträchtlicher ist sie bei den Sten-
toren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Schnell-
muskel der Vorticellen ein solches selbständiges Sarkode-
Element ist. Von histiologischer Seite ist sogar nicht
viel dagegen einzuwenden, ihn geradezu Muskel zu nennen.
Die histiologischen Untersuchungen sind noch nicht
so weit gediehen , dass über die Verbreitung der contrac-
tilen Substanz in der übrigen niederen Thierwelt hier
speciellere Angaben gemacht \a erden könnten.
Der Angabe Ecker's, dass der Körper der Hydra
ganz aus ungeformter contractiler Substanz bestehe, ist
Leydig (Müll. Arch. 1854. 5. 270. ff.) ganz entschieden
entgegengetreten, welcher darin vielmehr mit einander
verschmolzene Zellen mit contractilem Inhalte erblickt,
Muskelzellen in Blasenform. Auch bezüglich der Räder-
thiere , deren contractile Elemente Sarcode sein sollen,
bleibt es bei den ersten Angaben Ehrenberg's, dass
diese Thiere wirkliche Muskeln besitzen.
III.
Die Fliinmerorg^aiie.
Obgleich der Flimmerorgane gelegentlich schon Er-
wähnung gethan und auch in der Folge auf sie aufmerk-
182 H- Abschn. Die Organe der Bewegung.
sam zu machen ist, wollen wir doch an dieser Stelle
einiges Allgemeine über ihr Vorkommen und ihre Bedeu-
tung mittheilen.
Die gewöhnlichste Form der Flimmerorgane ist die
feiner Härchen , welche da , wo sie dicht gedrängt eine
Fläche bekleiden , in der Gesammtheit ihrer schwingenden
Bewegungen keine bestimmte Regelmässigkeit und Ab-
hängigkeit der Aufeinanderfolge erkennen zu lassen pfle-
gen; da aber, wo sie in einfachen Reihen, Kreisen und
Curven gestellt sind, nicht selten auch in ordentlicher
Reihenfolge wirken.
Auf eine zweite Form ist man erst in neuerer Zeit
recht aufmerksam geworden*), die der undulirenden
Membranen. Hierher sind unter andern die Flimmerläpp-
chen in den Wassergefässen der Turbellarien und vieler
Trematoden zu rechnen. Das auffallendste Beispiel aber
einer undulirenden Membran geben die Samenfädnn ver-
schiedener nackter Amphibien (Triton, Salamander, Unke),
welche fast ihrer ganzen Länge nach mit einem zarten
wellenförmig schwingenden Hautsaume besetzt sind. Die
Bewegungen dieses Hautsaumes sind unabhängig von de-
nen des Samenfadens; Flimmerorgan am Flimmerorgan.
Die Flimmerorgane sind als Bewegungswerkzeuge
im weitesten Sinne anzusehen; sie sind ungemein ver-
breitet und für fast alle Functionen des thierischen Le-
bens, wie es scheint, von der grössten Wichtigkeit. Es
*) Vergl. J. N. Czermak, lieber die Samenfäden der Sala-
mander und Trilonen i. d. Uebersicht der Arbeiten der schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur im Jahre 1848. Breslau, und
in Zeitschrift f. wissensch. Zool. II. Bd. 4. Hft. 1850.
Und Prof. v. Sicbold, Ueber undulirende Membranen — eben-
daselbst.
3. Kap. Die Fliiumerorgane. 183
ist schwer, eine Gränze zu ziehen zwischen den der
Willkür entzogenen und in keiner Abhängigkeit vom Ner-
vensystem stehenden Flimraerorganen und den von dem
Thiere beliebig in Thätigkeit oder Ruhe zu setzenden.
Die letzteren pflegen äusserlich zu sein und zeichnen sich
dann gewöhnlich von anderen äusseren , der Willkür ent-
zogenen Flimmerorganen durch ihre Grösse aus, wie Avir
bei Infusionsthieren , bei den Räderorganen der Räder-
thiere, den einfachen, die Tentakeln vieler Polypen um-
gebenden Wimpersäumen und an den häufig auffallend
langen Wimpern sehen , mit denen namentlich die Em-
bryonen von Weichthieren versehen sind. Die willkür-
lichen Wimpern dienen in diesen Fällen theils zur Loco-
motion, theils zur Herbeiführung von Nahrung; ein se-
cundärer Zweck scheint die Wasserventilation behufs der
Athmung zu sein. Aber auch die unwillkürlich tbätigen
Flimmern können zu Locoraotionsorganen verwendet sein,
wovon die Infusionsthiere und die ganze Klasse der Stru-
delwürmer Beispiele geben.
Auch ausser dem Nutzen , den sie durch Herbei-
schaffung der Nahrung leisten, stehen sie mit dem Er-
nährungssystem im engsten Zusammenhange. Ist ihr
Zweck auch weniger erklärlich, wenn wir auf der
Schleimhaut der Mundhöhle , des Schlundes und der Spei-
seröhre der Reptilien Flimmerbewegung finden , so leuch-
tet derselbe doch sogleich ein, wenn bei Branchiostoma
lubricum und einer grossen Anzahl wirbelloser Thiere,
namentlich Würmern der Darmkanal ganz oder strecken-
weise mit Flimmerepithelium ausgekleidet ist; es ersetzt
einmal die Mund- und Schlundbew^egungen , indem es die
Nahrung in den Magen oder die dem Magen entsprechende
Stelle bringt, dann die peristaltischen zur Bereitung des
184 H- Abschn. Die Organe der Bewegung.
Chymus und Weiterbeförderung des Darminhaltes nöthi-
gen Bewegungen. Ob Flimmerorgane an der inneren
Wand eigentlicher Blutgefässe vorkommen, ist insofern
zweifelhaft, als in den Fällen, wo man diess angenom-
men (namentlich bei Helminthen) , über die Natur dieser
Gefässe selbst noch nicht mit aller Sicherheit entschieden
ist. Dagegen sind sie eine fast unveräusserliche Beigabe
der Respirationsorgane, sowohl der Kiemen (sie sind
nicht vorhanden auf den Fischkiemen und denen der Ce-
phalopoden), als der Lungen und der inneren, bei den
wirbellosen Thieren sehr verbreiteten Wassergefässe,
denen eigne Muskelstraten abgehen, und in denen sie für
fortwährenden Wasserwechsel sorgen.
Auch der Zweck des Vorkommens der Flimmern in
den Fortpflanzungsorganen liegt meist vor Augen, indem
sie die Generationsstoffe leiten und einander zuführen.
Dass der Mangel von Flimmerorganen für die Cru-
staceen , Arachniden und Insekten charakteristisch zu sein
scheint, ist in der Einleitung angeführt.
Dritter Abschnitt.
Die Organe der Elmlilirniig.
Diejenigen Organe, welche die Nahrungsmittel auf-
nehmen und dieselben bis nach der Ausscheidung der zur
Ernährung tauglichen Stoffe beherbergen, begreifen wir
unter dem Namen des Verdauungsapparates. Wir
verstehen also darunter nur den eigentlichen tiibus alhnen-
tarius von der Mundöffnung bis zur Afteröffnung (wenn
solche vorhanden) mit den zur Ergreifung und Zerklei-
nerung der Speisen dienenden Hülfsorganen, namentlich
auch den Zähnen und zahnartigen Gebilden. In einem
zweiten Kapitel haben wir diejenigen Hülfsorgane zu be-
trachten, welche, häufig nur in Form dünnerer oder
stärkerer , eng mit den Darmwandungen verbundener Zel-
lenschichten, gewöhnlich aber als eigenthümliche, für
sich bestehende Drüsen diejenigen Säfte absondern, die
die Verdauung einleiten und , ausser den zum Verdauungs-
process nöthigen , von den inneren Darrawänden secernir-
ten Säften (Magen-, Darmsaft) , befördern , Speichel-
drüsen, Leber, Pankreas, Milz (?). Wir müssen
drittens die Wege vergleichen, auf denen der zur Er-
nährung der verschiedenen Körpertheile dienende Saft,
186 in. Abschn. Die Organe der Ernährung.
welcher die durch die Verdauung den Speisen entzogenen
Nahrungstheilchen enthält , im Körper umhergeführt wird,
das Gefässsystem. Ein viertes Kapitel wird uns die-
jenigen Apparate vorführen , durch welche der Nahrungs-
saft oder das Blut in Berührung mit dem Sauerstoff der
atmosphärischen Luft gebracht wird, um gewisse zum
Leben nothwendige chemische Veränderungen zu erleiden,
das sind die Respirationsorgane. Sehr viele Thiere
sind ferner mit eigenen Organen versehen zur Entfernung
überflüssiger, fremder oder schädlicher Stoffe aus dem
Blute, mit Harnorganen, die uns im fünften Kapitel
beschäftigen. Endlich handeln wir in diesem Abschnitte
eine Reihe von absondernden Organen ab, die sich zwar
nicht unmittelbar auf die Ernährung beziehen, meist aber
für die Oekonomie des Individuum von Wichtigkeit sind
und nichts mit der Fortpflanzung zu schaffen haben. Wir
begreifen sie unter dem Namen der besonderen Ab-
sonderungsorgane (Giftdrüsen, Spinngefässe , Tin-
tenbeutel der Cephalopoden u. a.).
Erstes Kapitel.
Der Verdauuiigapparat.
1. Der Verdauungsapparat der Strahlthiere.
Bei den Polypen findet sich nur eine, gleich hinter
der Mundöifnung (nur Edwardsia hat einen oesop/iagus)
beginnende und sich meist weit in den Körper erstrek-
kende Magenhöhle, aus welcher die unverdaulichen
Speisetheile wieder durch den Mund entfernt werden.
Die Wände dieses Magens sind nur am oberen Ende mit
den Körperwandungen verwachsen, und so entstellt um
den Magen herum und hinter demselben eine zweite Höhle,
gewöhnlich Leibeshöhle genannt, in welche sich der
Magen zum Einlass von Wasser und zum Hinauslassen
desselben und der Geschlechtsproducte u. s. w. öffnet.
Auch die meisten Quallen haben einen centralen
Magen, häufig, namentlich bei den Medusiden, mit strah-
lenförmigen Aussackungen oder kanalartigen Fortsätzen.
Mitunter ( Rhizostomidae ) finden sich statt einer Mund-
öflnung viele feine Kanäle in den Fangarmen, welche
einzeln nach aussen münden und die flüssige Nahrung in
die mittlere Höhlung führen. Die sogenannten Saugröh-
ren, welche die S ip ho nop hören oft in grosser Menge
an dem sogenannten Reproductionkanale besitzen, sind
einzelne Individuen , indem diese Siphonophoren nicht als
188 in. Abschn. Die Organe der Ernährung.
Einzelthiere , sondern wie die Polypenstöcke als Thier-
eolonieen betrachtet werden müssen. Vgl. S. 23.
Der Darmkanal der Echinodermen zeigt eine sehr
verschiedenartige Anordnung. Die Mund Öffnung ist
fast immer central, die After Öffnung bald dem Munde
entgegengesetzt (Echinoiden, Asteroiden, Holothurien),
bald am Rande der Schale oder in dessen Nähe an der
Unterseite (Spatangen , Clypeastriden) , bald ganz in der
Nähe des Mundes (Crinoiden). Manchen Asteroiden fehlt
die Afteröifnung. Mit Tentakeln, als Hülfsorganen , wie
sie die Polypen und Quallen haben, sind namentlich die
Holothurien versehen.
Bei den Asteroiden ist die Mundöffnung von zahnar-
tigen, papillenförmigen Fortsätzen des Hautskeletes um-
geben. Einen sehr complicirten Zahn- und Kauappa-
rat haben die Echinoiden und Clypeastriden. Bei den
Echinoiden findet sich dieser, die sogenannte Laterne des
Aristoteles, als ein aus fünf dreiseitigen Pyramiden be-
stehendes Kalkgerüst, deren jede einen Schmelzzahn ent-
hält. Die Spitzen der Zähne bilden die Spitze des aus
jenen fünf Pyramiden zusammengesetzten Kegels und ra-
gen aus der Mundöffnung hervor. Andere kleine Kalk-
stäbe befinden sich in der dem Rücken zugekehrten Basis
des Gerüstes. Die zur Befestigung und Bewegung dieses
Kauapparates bestimmten Muskeln, welche sich theils an
der Spitze , theils an der Basis des Kegels inseriren und
als Antagonisten wirken, sind sehr zahlreich.?
Als das Analogon der fünf sogenannten radialia oder
falces und der zehn interradialia an der Laterne ist der
Knochenring am Schlünde der Holothurien anzusehen.
Die übrigen Theile der Laterne sind den Echinen eigen-
thümlich.
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 189
Die Ausdehnung des durch eine Art zarten Gekrö-
ses an den Körperwänden befestigten Darmkanales ist
sehr wechselnd. Am einfachsten verhalten sich die
Asteroiden und Ophiuriden, bei denen man in der
Hauptsache nur eine , bei den mit After versehenen See-
sternen eingeschnürte Yerdauungshöhle bemerkt. Aus
der oberen Abtheilung führt ein kurzer Mastdarm zum
After. Bei den übrigen Echinodermen findet sich hinter
dem Oesophagus ein mehr oder weniger gewundener, in
ziemlich gleicher Weise verlaufender Darm.
2. Der Verdauungsapparat der Würmer.
Infusorien. Bei den Polythalamien und den
ihnen verwandten Rhizopoden, deren Sarcodesub-
stanz, wie es scheint, die zur Nahrung geeigneten Ge-
genstände umfliesst und, unter Ausstossung der unver-
daulichen Tbeile sich aneignet, kann natürlich von einem
Verdauungsapparate nicht die Rede sein.
Für diejenigen Infusorien, denen Ehr enberg einen
Darm nebst vielen Mägen zuschrieb (Enterodela), gilt aber
Folgendes. Bei den meisten, namentlich den Vorticelli-
nen , Paramäcien u. a. , überzeugt man sich durch Fütte-
rungsversuche leicht, dass eine oft weit in den Leib
hineinragende Speiseröhre vorhanden ist, von deren
Grunde die sich ansammelnden, gewöhnlich mit einer
Wasserschichte umgebenen Speiseballen mit einem Ruck
tiefer in den Körper hineingleiten. Vielfache Beobach-
tungen machen es so ziemlich gewiss , dass ein bestimm-
ter, wenn auch mit undeutlichen Wandungen versehener
Darm oder Magen vorhanden, der allerdings bei vielen
Species ausserordentlich dehnbar ist. Einer der neuesten
Beobachter, Lachmann, ist zu der am frühesten von
190 in. Absclm. Die Organe der Ernährung.
Meyen ausgesprochenen Ueberzeugung gelangt, dass die
Infusorien eine grosse verdauende Höhle besitzen, umge-
ben von einer festeren Parenchym- (Rinden-)Schicht, in
welcher letzteren die contractilen Blasen und der Nucleus
liegen.
Der Verdauungskanal der eigentlichen Würmer ist
so grossen Verschiedenheiten unterworfen, wie wir sie
kaum in ähnlicher Weise in anderen Abtlieilungen des
Thierreichs wieder finden. Die Veränderungen beziehen
sich nicht nur auf die einzelnen Klassen des Wurmtypus,
sie erstrecken sich als ganz wesentlich bis in die Fami-
lien hinein. Der Mund ist bald mit Kauwerkzeugen ver-
sehen, bald nicht; ein After ist meist vorhanden, fehlt
aber auch oft; der Darmkanal verläuft bald geradlinig,
ohne magenartige Ausbuchtungen und Blindsäcke, bald
ist er mehr oder minder gabiig und baumartig verzweigt,
mit Magen- Abtheilungen und zahlreichen Blindsäcken;
kurz , alle Modificationen , denen wir sonst begegnen, fin-
den sich in der einen Abtheilung der Würmer realisirt.
Strudelwürmer. Bei den Strudelwürmern zeigen
zwei Ordnungen so bestimmt von einander abweichende
Formen des Verdauungskanales, dass man sie danach hat
benennen können, die Rhabdocölen und Dendrocö-
len. In beiden findet sich gewöhnlich ein seiner Lage
nach ungemein variirender, muskulöser Schlundkopf,
der bei den Dendrocölen sehr exsertil ist und in einen
dendritisch verzweigten Darmkanal ohne After führt, bei
den Rhabdocölen durch eine gewöhnlich kurze Speise-
röhre in eine oft sehr kurze, immer unverzweigte, blind-
sacklose Magenhöhle. Diese ist nur in der Gruppe der
Microstomeae zu einem längeren Darme mit Afteröffnung
ausgezogen, während man an dem Verdauungskanal
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 191
der ganz abweichenden Gattung Dinophilas m. einen
Schlundkopf mit einem zungen ähnlich en Or-
gane, Vormagen, Magen, eine grosse Ausbuch-
tung hinter dem Magen und einen kurzen geraden, durch
einen Sphinkter verschliessbaren Mastdarm, der sich
auf dem Hintertheile des Rückens öffnet, unterscheiden
kann. Saugnäpfe, gleich denen der schmarotzenden Pla-
tyelmia, kommen nicht vor. Früher wurde es fälschlich
angenommen. Nur die Prostomeen besitzen am Vorder-
ende einen kurzen, exsertüen Fangrüssel, als Analogon
des Rüssels der Nemertinen, während ihr eigentlicher
Schlundkopf, früher für einen Saugnapf gehalten, am
Bauche liegt. Der Darmkanal der dritten Ordnung, der
Nemertinen, ist gleichfalls ohne Verzweigungen. Er
verläuft, dem Körperparenchym innig verbunden, in ge-
rader Richtung, die Mundöffnung ist gewöhnlich etwas
hinter dem Vorderende, die Afteröffnung am Hiuterende.
Ueber oder neben dem Darmkanal liegt in einer eigenen
Höhle ein langer Rüssel, dessen vorderer Theil wie ein
Handschuhfinger ein- und hervorgestülpt werden kann,
bis ein kalkiges, zum Verwunden der Beute dienendes
Stilet zum Vorschein kommt. Der auf das Stilet folgende
darmähnliche Theil des Rüssels flottirt entweder mit dem
hinteren Ende frei in der geräumigen Rüsselhöhle oder
ist an der Wand derselben befestigt.
Eingeweidewürmer. Bei vielen Eingeweide-
würmern, den Cestoden und Acanthocephalen
findet sich kein durch äussere Oeffnungen zur un-
mittelbaren Aufnahme von Nahrungsmitteln geeigneter
Verdauungsapparat ; vielmehr scheinen diese Schmarotzer
die von ihren Wohnthieren schon vorbereiteten , bildungs-
192 HI. Abschn. Die Organe der Ernährung.
fähigen Nabrungsflüssigkeiten durch ihre ganze Körper-
oberfläche aufzusaugen.
Die Trematoden schliessen sich in vieler Hinsicht
an die Turbellarien an. Auch bei ihnen ist in der Regel
keine Afterölfnung vorhanden. Bei den meisten liegt die
Mund Öffnung im Grunde eines Saugnapfes; sie
führt gewöhnlich in eine kurze , zum Theil von einem
rausculösen Schlundkopfe umgebene Schlundröhre,
von welcher gabelförmig zwei blinde Därme ausge-
hen , die sich zuweilen (bei mehreren Arten von Mono-
stomum, bei Tristomum coccineum) hinten wieder verei-
nigen. Noch einfacher verhalten sich einige Trematoden
(Aspidogaster) mit einem einzigen Blinddarm, während
andre (Polyslonnim integerrimum) durch die von den beiden
Hauptstämmen des Darmkanals ausgehenden verzweigten
Blindsäcke sich den Dendrocölen nähern. Am weitesten
ist diese Verzvv eigung bei Distomum hepaticum gegangen.
Bei den Nematoden verläuft der Verdauungskanal
von der terminalen Mundöff'nung in gerader Richtung
nach der in der Nähe der Schwanzspitze sich befinden-
den Afteröffnung. Zahnartige , hornige Gebilde sind nicht
häufig, sehr gewöhnlich aber liegt hinter der Mundöff-
nung ein aus drei longitudinalen Muskelstreifen zusam-
mengesetzter starker Schlund, mit einer kolbigen An-
schwellung, dem Schlundkopfe. Die hinter dem
Schlünde liegende Abtheilung des Darmkanales ist von
ziemlich gleichem Kaliber , mit sehr starken Wänden ver-
sehen, und endigt mit einem kurzen , durch einen Sphink-
ter geschlossenen Mastdarm. Der Darmkanal wird durch
die ihn dicht umwickelnden Samengefässe , Eier- und
Dotterstöcke in seiner Lage erhalten.
Die Gordiaceen besitzen statt des mangelnden
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 193
Darmkanales einen zelligen Körper, der bei Gordlus alle
andern Eingeweide umschliesst, bei Mevmis noch ein
freies Lumen enthält, bei Gorclms nicht, bei letzterem
mit Mund und kurzem Schlund zusammenhängt, während
bei Mevmis ein Leitungsapparat zwischen Mund und Zel-
lenkörper sich einschiebt (Meissner).
Ringel Würmer. Mund und After der Ringelwür-
mer liegen an den beiden entsprechenden Körperenden
oder in der Nähe derselben. Nur die Afteröffnung von
Sipiinculus ist dem Yorderende nahe gerückt, indem der
Darmkanal aus dem Hinterleibe sich wieder nach vorn
wendet. Im üebrigen sind die Verschiedenheiten so zahl-
reich, dass sich etwas Allgemeines nicht sagen lässt.
Die so abweichende Lebensweise der Thiere von den in
der Erde und in Röhren verborgenen Abranchiaten und
Capitibranchiaten bis zu den frei beweglichen räuberi-
schen Fühlerwürmern erfordert bald nur die Hülfe flei-
schiger Lippen und wimpernder, die Mundöffnung umge-
bender Kiemen, bald starke, den Kiefern der Arthropoden
gleichende Angriffswaffen und Kauwerkzeuge; und eben
so wenig lässt sich eine Norm für den bald gleichmässig
verlaufenden, bald mit zahlreichen Blindsäcken versehe-
nen Darmkanal angeben.
Wenn auch, wie eben gesagt, die Kiefern vieler
Ringelwürmer den gleichnamigen Mundtheilen der kauen-
den Arthropoden gleichen und wie diese zangenähnlich
und von den Seiten gegen einander bewegt werden , sind
sie doch morphologisch völlig verschieden. Die Mund-
theile der Arthropoden entwickeln sich als äussere Kör-
peranhänge, als Kopfgliedmassen; als solche sind aber
die harten Mundtheile der Würmer nie zu betrachten, sie
sind Gebilde der inneren schleimhautähnlichen Schicht des
13
194 III- Abschn. Die Organe der Ernährung.
vorderen Theiles des Darmkanals. Sie liegen deshalb
auch im Zustande der Ruhe meist von der MundöfFnung
zurückgezogen und werden erst beim Fressen mit dem
Schlünde hervorgestülpt.
Die Mundöffnung der Hirudineen befindet sich,
^\\e bei den Trematoden, im Grunde eines Saugnapfes.
Die meisten Arten sind mit hornigen Kiefern ausgestattet,
die he'i Sa7igidsuga und Haenwpis, drei an der Zahl, auf
eben so vielen muskulösen Kieferwülsten befestigt sind,
die Gestalt einer bogigen Schrotsäge haben und die be-
kannte dreistrahlige Wunde zurücklassen. Der Darmka-
nal ist nur selten (Nephelis) einfach schlauchartig, ge-
wöhnlich zeigt er mehrere paarige Ausbuchtungen, kür-
zere oder längere, einfache oder verästelte Blindsäcke,
jedoch, mit Ausnahme von Clepsine, nur bis zu einer
gewissen Stelle , wo sich durch eine Art von Klappe die
vordere, eigentlich verdauende Darmabtheilung von dem
ausführenden Mastdarm scheidet. Dieser öffnet sich ober-
halb des hinteren Saugnapfes.
Die Regen Würmer und Naiden sind mit lippen-
artigen, durch die Verlängerung des oder der ersten
Körpersegmente entstandenen Wülsten versehen; auch
kommt bei den Naiden (Nais proboscidea) ein merkwür-
diges, Zungen förmiges Ilülfsorgan vor, bestehend aus
zwei dicht neben einander liegenden fleischigen Streifen,
das im Zustande der Ruhe ziemlich weit von der Mund-
öffnung zurückgezogen ist. Will das Thier Nahrung auf-
nehmen, so erweitert sich die Mundspalte zu einem
Kreise, stülpt sich aus und die Zunge schöpft ein, wo-
bei ihr aber der ganze Lippenkreis des Mundes , indem
er sich wieder zuthut, behülflich ist. Bei der räuberi-
schen Gattung Chaetogaster ist der Mund und Schlundkopf
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 195
mit zahlreichen Muskelpapillen besetzt. Nicht alle Gat-
tungen der genannten Familien besitzen hinter dem ge-
wöhnlich engen Schlünde einen muskulösen Magen, wie
er z. B. bei Lumbricus und mehreren Naiden vorhanden.
Bei den meisten hat der Darmkanal mehrere Einschnü-
rungen. Vom Darmkanal der Nais elinguis ist der des
merkwürdigen Schwanzkiemers Amphicora Sabella kaum
zu unterscheiden.
Von den übrigen Kiemen würmern haben die
Kopfkiemer einen einfachen Schlund ohne Bewaffnung,
die Rückenkiemer dagegen besitzen gewöhnlich eine aus-
stülpbare Schlundröhre, welche häufig (NerelSf Polynoe,
Aphrodite^ Eunice u. a.) mit hakig gekrümmten und ge-
zähnelten Kiefern versehen ist. Der Darmkanal hat we-
niger häufig einen geraden Verlauf (z. B. Arenicola),
gewöhnlich ist er durch Biegungen oder Spiralwindun-
gen bedeutend verlängert. Durch Einschnürungen lassen
sich namentlich bei den Capitibranchiaten bestimmte Ab-
theilungen als Magen, Dünndarm, Dickdarm unterschei-
den , weniger bei den Dorsibranchiaten. Ueber die blind-
sackartigen (drüsigen) Anhänge im folgenden Kapitel.
Der bei den Glattwürmern sehr eng mit den Körper-
wandungen verbundene Darmkanal flottirt bei den Bor-
sten.värmern entweder frei in der geräumigen Leibeshöhle
(Capitibranchiaten) oder wird durch zwerchfellartige, ihn
einschnürende Querscheidewände in bestimmter Lage zu
den Körperwandungen erhalten.
3. Der Verdauungsapparat der Arthropoden.
Räderthiere. Abgesehen von den wenigen, bis
jetzt beobachteten männlichen Räderthieren , welche keine
Spur eines Nahrungskanals haben, und von wenigen
13*
f96 III- Abschn. Die Organe der Ernährung.
Formen, denen Darm und After fehlen (JSotommata
anglica, Notommata myrmeleo , Not. Sieboldii. Nach
Dalrymple undLeydig), ist der Bau der Verdauungs-
organe in dieser Klasse sehr gleichbleibend. Die von
einem oder mehreren Wimperkreisen oder Wimperhaufen
umgebene, oft eingekerbte Mundöffnung führt in eine oft
sehr geräumige Mundhöhle, an deren Ende ein sehr mus-
kulöser Schlundkopf mit zwei ein- oder mehrzahni-
gen, nach Gattung und Species charakteristischen Kie-
fern sich befindet. Der nur selten längere (Diglena,
Synchaeta u. a.) , gewöhnlich kürzere Schlund geht in
einen in der Regel schlauchförmigen Magen über oder
auch wohl direct in den Darm, welcher gemeinschaft-
lich mit der contractilen Blase in eine Kloake am Rük-
ken ausmündet, kurz vor dem Schwänze.
Die Mundtheile der eigentlichen Arthropoden sind
oben in der vergleichenden Hautskelet-Lehre abgehan-
delt, üeber ihren Darmkanal ist Folgendes das All-
gemeinere.
Der D arm k anal.
Crustaceen. Der Darmkanal fast aller Crustacecn
verläuft ziemlich geradlinig, oder macht nur geringe
Biegungen und ist auch gewöhnlich ohne blindsackartige
Anhänge. Die Aftermündung, die sich gewöhnlich am
Schwanzende befindet, ist ausnahmsweise bei den Cirri-
pedien, wegen des abweichenden Schalenbaues, am Ende
einer langen, aus der Schale hervorgestreckten Röhre.
Unter den verschiedenen, die Darmwandungen ausmachen-
den Schichten zeichnet sich die innere mehr wie bei den
Arachniden und Insekten durch ihren Chitingehalt aus.
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 197
namentlich an den Enden. Sie nimmt an dem Häutungs-
processe Theil.
Am einfachsten, röhrenförmig, ist der Darmkanal
bei mehreren Ordnungen der Entomostraceen, den Para-
siten, Phyllopoden, auch einigen Lophyropo-
den (Cyclops) , AAährend er bei anderen Lophyropoden
(Daphnia) von der mitunter gespaltenen Speiseröhre nach
vorn und oben steigt und sich dann nach hinten umbiegt.
Bei den meisten übrigen Crustaceen folgt auf einen enge-
ren geraden Oesophagus ein Magen, dessen Epithelium
sich gewöhnlich durch Haar- und Borstenbildung, sowie
durch die Bildung von knorpeligen und hornigen Leisten
und Zähnen auszeichnet. Am meisten ist diess bei den
Decapoden der Fall, deren hinter der Stirn liegender
Magen in einen vorderen blasenförmigen und einen hin-
teren , in den Pylorus übergehenden , pyramidenförmigen
Theil zerfällt. In diesem hinteren Theile befindet sich ein
sehr eigenthümliches Gerüst, an dem sich mehrere Plat-
ten und Balken, ein mittlerer, unpaariger, zweizinkiger
Zahn, der in das Innere der Magenhöhle von oben hin-
einragt, und zwei seitliche Zahnleisten unterscheiden las-
sen. Obgleich das Gerüst durch einige von Aussen sich
an dasselhe setzende Muskeln bewegt werden kann,
scheint es doch nicht zum eigentlichen Kauen benutzt
werden zu können. Zur Zeit des Schalenwechsels (Juli,
August) wechselt auch das Gerüst. Während von der
äusseren Schleimhaut des Magens über dem alten Gerüst
das neue ausgeschieden wird, wird jenes theilweise auf-
gelöst und fällt zusammen.
Spinnen. Der Darmkanal der Taranteln und
Scorpione ist eine einfache, ungefähr gleich weite
Röhre und unterscheidet sich dadurch von dem Darmka-
198 m« Abschn. Die Organe der Ernährung.
nal der übrigen Arachniden, bei denen er bald (Tardi-
graden) weit und unregelmässig eingeschnürt ist, bald
regelmässige , magenartige Erweiterungen und kurze und
lange Blindsäcke zeigt und gewöhnlich in einen kurzen
verengerten Mastdarm übergeht. Durch ungewöhnlich
lange Blindsäcke sind die Pycnogoniden und Galeodes
ausgezeichnet, wo sie sich bis in die Kieferhöhlen, Taster
und Beine erstrecken. Der im Cephalothorax der Ara-
neen befindliche Magen ist ringförmig, und durch seine
OelTnung tritt vom Rücken ein mit dem , diesen Spinnen
eigenthümlichen Saugapparate sich verbindender Muskel.
Insekten. Am Verdauungskanal der Insekten, des-
sen Wände im Allgemeinen aus drei Schichten, einer
äusseren Peritoneal-, einer mittleren Muskel- und einer
inneren, homogenen Epithelialschicht bestehen, lassen
sich meist verschiedene Abtheilungen unterscheiden , die
verschiedenen Functionen ' vorstehen und nach der Art
der Nahrungsmittel sich mehr oder minder entfaltet haben^
Gewöhnlich ist der Darmkanal der pflanzenfressenden In-
sekten zusammengesetzter als der von animalischen, einer
geringeren Assimilation bedürftigen Stoffen lebenden.
Der längere oder kürzere Schlund, der mit der Ge-
frässigkeit in gleichem Verhältnisse zu stehen pflegt, führt
in der Regel in einen Kropf (inghivies) , hinter welchem
sich häufig, namentlich bei den Coleoptern und Neuro-
ptern ein an der Innenfläche mit borsten- und leistenarti-
gen Erhabenheiten besetzter Kaumagen (proventriculus)
befindet. Bei den saugenden Insekten sehen wir statt der
genannten Erweiterungen mit dem Oesophagus einen bla-
senförmigen, gestielten, dünnwandigen Saugmagen zu-
sammenhängen. Die folgende Abtheilung, der eigentliche
Magen, Chylusmagen (vejitriculns) , ist die wichtig-
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 199
ste , indem hier vorzugsweise die Verdauung vor sich
geht. Dieser Chylus bereitende Abschnitt entspricht also
nicht nur dem Magen, sondern zugleich auch dem Dünn-
darm der höheren Wirbelthiere , und diejenige Abthei-
lung des Darmkanals der Insekten, welche Dünndarm ge-
nannt wird, hat mit der Verdauung wenig oder nichts
zu thun. Sie beginnt am Pylorus des ventriculus , wo die
sogenannten Malphighischen Gefässe münden. In dem
weiteren Verlaufe unterscheidet man einen Dickdarm
und den gewöhnlich kurzen Mastdarm.
Am wenigsten entwickelt ist dieser Verdauungska-
nal bei den Imagines derjenigen Insekten, welche we-
nige oder keine Nahrung zu sich nehmen, z. B. den
Ephemeriden.
Bei den Larven der Insekten mit unvollkommener
Verwandlung und der Coleoptern weicht der Darmkanal
weniger von dem des vollkommenen Insektes ab als bei
den Larven der übrigen Insekten mit vollkommener Ver-
wandlung. Bei letzteren ist an dem geraden Darmkanale
namentlich der Chylusmagen ausgedehnt.
4. Der Verdauungsapparat der Mollusken.
Moosthiere. Gerade durch die Beschaffenheit ihres
Darmkanals schliessen sich die Bryozoen näher an die
Tunicaten an , während sie sich darin von den Polypen
sehr weit entfernen. Man unterscheidet an ihrem tractiis
alimentarius einen muskulösen Schlundkopf, Speise-
röhre, Kropf oder Vormagen, Magen, Dünn-
und Dickdarm. Der Darmkanal hängt in die Leibes-
höhle hinein und macht in der Magengegend eine Biegung
nach oben unter spitzem Winkel , so dass , w ie bei dea
200 III- Abschn. Die Organe der Ernälirung.
Ascidien, die Afteröifnung sich in der Nähe der vorderen
OeiFnung befindet.
Acephalen. Die Mundöifnung der Acephalen liegt
gewöhnlich sehr verborgen , und die fein zertheilten
Nahrungsstoffe werden ihr durch Flimmerbewegung zu-
geführt. Die Mundhöhle ist nie mit Kauwerkzeugen ver-
sehen , und der mit oder ohne eine wenig ausgezeichnete
Magenerweiterung verlaufende Darm mündet in der Re-
gel in die Leibes- oder Mantelhöhle, von wo die Excre-
mente wiederum durch Flimmerung nach aussen geschafft
werden.
Der in einen Knäuel gewundene Verdauungskanal der
S a 1 p e n bildet den durch seine Färbung hervorstechen-
den sogenannten nucleus. Ein Paar Falten in der Bauch-
wand der Kiemenhöhle bilden eine Rinne bis zu der
von Lippen umgebenen Mundöffnung, welche unmittelbar
in den Darrakanal führt. Dieser ist ohne Magen und öff-
net sich nicht weit vom Munde wieder in die Kiemen-
höhle. Auch bei den meisten Ascidien findet sich in
der grossen Respirationshöhle, in deren Grunde die Mund-
öffnung liegt, eine ähnliche Rinne. Auf einen kurzen,
weiten Schlund folgt ein , starke Längsfalten zeigender
Magen. Der Darm ragt hinter dem Magen etwas in die
Leibeshöhle hinab, biegt dann wieder nach oben, und die,
wie die Athemöffnung, mit Tentakeln umgebene Afteröff-
nung liegt in der Nähe von jener.
Die nach unten gekehrte Mundöffnung der Brachio-
poden befindet sich zwischen den Armen und besitzt
eine dickere Ober- oder Vorderlippe und eine dünnere,
aber breitere Unterlippe. Der Schlund ist kurz. Nur bei
Terebvatula ist hinter einem längeren Oesophagus ein
Magen j den man sonst an dem gewöhnlich kürzeren , in
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 201
die Mantelhöhlc mündenden und von einem sehr zarten
venösen Sinus umgebenen Darmlianale nicht unterschei-
den kann. Mitunter fehlt die Aftermündung.
Der sehr entwickelte Verdauungskanal der Lamelli-
hranchiaten bildet mit den übrigen Eingevveiden des
Abdomens ein schwer zu trennendes Convolut. Die
Mundöffnung liegt tief in der Mantelhöhle, umgeben von
zwei Paar lappenartigen Tentakeln. Eine Speiseröhre
ist entweder gar nicht vorhanden oder nur sehr kurz,
der Magen ziemlich gross. Der aus diesem hervorge-
hende Darm macht gewöhnlich einige Windungen und
erscheint als Mastdarm an der Rückenseite des Abdo-
mens in der Schlossgegend , wo er das Herz durchbohrt.
Nach einem kurzen Verlauf mündet dieser mit einem mit
zahlreichen Gefühlspapillen besetzten Anus. Bei nicht
wenigen Blattkieraern (CarcUum ^ Venus ^ Solen u. a.)
entspringt hinter dem Magen ein Blinddarm, welcher ei-
nen durchsichtigen, an beiden Enden zugespitzten Cylin-
der enthält, den sogenannten Kr y stalls ti el. Der-
selbe liegt bei den Najaden, denen der Blindsack fehlt,
in dem Anfangsstück des Darmes, gewöhnlich mit dem
oberen Ende bis in den Magen ragend. An feinen Quer-
schnitten sieht man eine äusserst zarte concentrischo
Schichtung, wie Jahresringe. Durchsetzt ist der Stiel
von einem , oft bis zum Verschwinden feinen , an den
Enden jedoch weiteren Kanäle mit Darmcontentis , Ba-
cillarien, Räderthieren u. s. f., die auch zwischen den
Schichten anzutreffen. Das ganze , bisher räthselhafte
Product scheint uns demnach nichts Anderes zu sein , als
ein zur Umhüllung des Gefressenen dienendes Darmsecret,
wodurch die Contenten aufgelöst werden.
Cephalophoren. Die Mundöffnung der Cephalo-
202 III' Abschn. Die Organe der Ernährung.
phoren ist von wulstigen, fleischigen Lippen umgeben,
welche häufig, namentlich bei den Kammkiemern, in ei-
nen langen, ein- und ausstülpbaren Rüssel verwandelt
sind. Die Mundhöhle, deren dicke Wandungen einen
sehr muskulösen Schlundkopf bilden, trägt inwendig
sehr allgemein harte Kauwerkzeuge, die Kiefern und
die Zunge. Sind die Kiefern paarig, so liegen sie als
zwei mit einer Schneide versehene Platten rechts und
links hinter dem Eingang der Mundhöhle, ist ein unpaa-
riger Kiefer vorhanden (sehr entwickelt bei den Hellces
und Limaces), so liegt er als halbmondförmige gezähnelte
Platte über dem Eingange der Mundhöhle. Am Boden
der Mundhöhle liegt ein längerer oder kürzerer Fleisch-
wulst, die Zunge, welche sich durch ihre höchst zier-
liche und regelmässige Bewafi'nung , bestehend in Zähnen,
Haken und Platten, auszeichnet. Der Mittelstreif (rhachis)
der Zunge ist in der Regel mit einer Reihe mehrzacki-
ger Zähne , die Seiten (pleurae) mit einem , mehreren
oder vielen Reihen Haken besetzt, und diese sind häufig
noch von mehreren Plattenreihen umgeben, Alles in so
Constanten Formen , dass man die Zunge in neuerer Zeit
als eins der sichersten Artmerkmale erkannt und sie auch
zu weiteren systematischen Eintheilungen benutzt hat.
Man braucht zu diesem Zweck meist nur eine einzige
Querreihe zu kennen. Als besonders lang verdient die
Zunge von Patella genannt zu werden. Die Zunge wirkt
ungefähr wie eine Feile oder ein Reibeisen , wobei zu-
gleich die vielen rückwärts gerichteten Spitzen die Spei-
sen einführen.
An dem hinter dem Schlundkopf beginnenden Darm-
kanal kann man sehr allgemein drei Abtheilungen unter-
scheiden, Speiseröhre, Magen und Darm. Die
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 203
längere oder kürzere Speiseröhre geht nicht selten
vor dem Magen in einen Kropf über (z. B. bei Lym-
naens, Planorbis). In dem verschieden geformten Magen,
der aus drei Abtheilungen bestehen kann, bildet oft der
innere Epithelialüberzug knorpelige Platten (z. B. im
zweiten Magen von Aphjsia) oder hornige Haken (z. B.
im dritten Magen von Aplysia). Der Darm, der mit
Speiseröhre und Magen gewöhnlich mehrere Male länger
ist als der Körper, macht mehrere Windungen und mün-
det bei den meisten Cephalophoren vorn an der rechten
Seite, neben der Athemöffnung , seltner am Hinterende.
Sehr abweichend verhalten sich die Apneiisia Köll.,
indem bei ihnen hinter der Magenanschwellung sich viele
Blindsäcke befinden, welche bei denjenigen Arten, die
äussere Anhänge haben , in diese sich hineinbegeben.
Cephalopoden. Auch bei ihnen liegt hinter der
von mehreren kreisförmigen Lippen umgebenen Mund-
öffnung ein sehr muskulöser, bewaffneter Schlund-
kopf; die Kauwerkzeuge bestehen gleichfalls aus Kie-
fern und Zunge. Erstere bewegen sich vertical und
sind sehr passend ihrer Form nach mit einem Papagei-
schnabel verglichen worden. Die Zunge zeigt auf dem
hinteren Theile der Oberfläche den nämlichen Zahn-
und Hakenbesatz wie bei den Cephalophoren, vorn ist
sie mit Geschmackspapillen besetzt. Der enge Oeso-
phagus bildet bei einigen Familien, namentlich bei den
Nautilinen, einen Kropf und geht dann in den Magen
über. Dieser ist einfach und erscheint als sackförmige
Ausbuchtung, indem Cardia und Pylorus nahe bei einan-
der liegen. Hinter dem Pylorus findet sich ein häufig
spiraliger Blinddarm; der kurze Darm steigt aus der
204 in. Absclm. Die Organe d-er Ernahrung^,
Bauchhöhle wieder in die Höhe und öffnet sich in deit
Trichter.
5. Der Verdauungsapparat der Wirbelthiere.
Das Gebiss.
Bei Weitem nicht alle Wirbelthiere haben Knochen-
zähne zum Ergreifen, Festhalten und Zerkleinern der
Nahrung. Viele (unter den Fischen z. B. Acipenser, die
Lophobranchii , unter den Amphibien Pipa) haben keine
harten Mundtheile; bei anderen werden die eigentlichen
Zähne durch Hornzähne und andere hornige Gebilde
vertreten. Dergleichen Hornzähne finden sich in gerin-
ger Anzahl bei den Cyclostomen, und auch ein Säuge-
thier, Ornithorhynchus , besitzt nur sie. Die Chelonier
verhalten sich wie die Vögel: ihre Kiefern sind mit
Hörn scheiden überzogen, welche nach Verhältniss
der Nahrung und Lebensweise mit schärferen oder stum-
pferen Kanten oder mit zahnartigen Fortsätzen oder
Kerben versehen sein können. Bei den Bartenwallen,
deren Fötus jedoch immer wirkliche Knochenzähne ha-
ben, sind die zahlreichen, im Oberkiefer befindlichen,
parallelen Hornplatten unter dem Namen der Barten
bekannt.
Die aus festerer Knochensubstanz bestehenden , mit-
unter von einer besonderen Schmelzschicht überzogenen
Zähne der Fische zeigen eine ungemeine Mannichfal-
tigkeit der Form und Grösse, die jedoch mehr von zoo-
logischem Interesse ist. Ebenso verliält es sich mit der
Befestigung , indem die Zähne bald nur an der Oberfläche
der Schleimhaut sitzen , bald mit Knochen unbeweglich,
seltner beweglich verbunden sind.
Die Zähne der Amphibien zeigen allgemeiner als
1. Kap. Der Yerdnuungsapparal. 205
die der Fiscbe einen Schmelziiberzug , wiederholen aber
jene fast in der Mannichfaltigkeit der Form. Es finden
sich namentlich zwei Befestigungsweisen: entweder sind
die Zähne nur mit ihrer äusseren Wurzelfläche an den
inneren Alveolarrand gewachsen (ih aihiati) oder sie
sind eingewachsen (d. innoti). Die zwei im Oberkiefer
der ächten Giftschlangen befindlichen langen und spitzen
Gift zahne sind von einem Kanäle durchbohrt, der sich
von der Wurzel bis etwas vor die Spitze erstreckt. Der
Kanal ist ursprünglich als Furche da , deren Ränder sich
später schliessen. Die Suspecti haben nur Furchenzähne.
In die Kategorie der Zahnbildungen gehört auch die ei-
genthümliche Bewaff'nung des Zwischenkiefers bei den
reifen Schlangen- und Eidechsenembryonen, welche mit
ihrer Basis an den ünterrand des Zwischenkiefers befestigt
ist und, sich nach unten und vorn biegend, aus dem
Munde hervorragt. Dieser Zahn dient wahrscheinlich zum
Zerbrechen der Eischale.
Die Zähne der Säugethiere zerfallen ihrer Form
und Stellung nach in Schneide-, Eck- und Back-
zähne; wichtiger sind die von der Art der Zusammen-
setzung der verschiedenen in sie eingehenden Substanzen
hergenommenen Benennungen. So heissen die Zähne
einfach (d siniplices), wenn die Zahnhöhle einfach von
dem Zahn- oder Elfenbein umschlossen, und die Krone
auch nur von einer ununterbrochenen Schmelzschicht be-
deckt ist. Schmelz faltig werden die Zähne (d. com-
pllcati)^ wenn der Schmelz mehr oder weniger in die
Zahnsubstanz eindringende Falten bildet, und zusam-
mengesetzt (d. compositi) , wenn mehrere aus Zahn-
substanz und Schmelzüberzug bestehende und einfachen
Zähnen vergleichbare Stücke durch eine weichere Kitt-
206 ^^^' Abschn. Die Organe der Ernährung.
Substanz, das Cement, mit einander verbunden sind.
Manche Zähne wachsen, indem sie von oben abgerieben
und abgenutzt werden, zeitlebens von unten nach; dahin
gehören die Hauer der Schweine, Stosszähne der Ele-
phanten, die Schneidezähne der Nager.
Die Zahl der Knochen, welche Zähne tragen, ist bei den Säu-
gethieren am meisten beschränkt, am ausgedehntesten bei den Fi-
schen. Zur bequemeren Uebersicht mag folgende allgemeine Zuaam-
menstellung dienen:
Zvvischenkief er. Säugelhiere. Krokodile. Saurier. Fische.
(Esox, Salmo. Labrus u. a.)
Oberkiefer. Säugethiere. J.mphibien. Fische (viele Salmones^
Siidis u. a.).
Unterkiefer. Säugethiere. Amphibien (mit Ausnahme der mei-
sten ungeschwänzten Batrachier). Fische (viele Salmones,
Silurini und Fletironectidae. Esox u. a.).
Gaumenknochen. Ophidier. Saurier. Batrachier. Fische (meh-
rere Salmones, Erythrimis , Sudis, Esox, Bogrus u. a.)-
Pflugscharbein. Batrachier. Fische {Salmo, Heier ohranchus,
Rhomhis u. a.).
Keilbein körper. Salamandra gluiinosa. Fische ("Äfdis, No-
iopterns , Osteoglossum).
Zungenbein. Fische (Esox, Salmo u. a.).
Kiemenbogen. Fische (^Eäoo/)-
Obere und untere Schlundknochen. Viele Fische.
Hierüber zu vergleichen:
Giebel, Odontographie. Leipzig, 1854.
Der Darmkanal.
Den einfachsten Darmkanal hat Branchiostoma lu-
brictim; der vordere etwas erweiterte Theil, in den sich
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 207
die Kiemenhöhle öffnet, und von dem ein nach vorn sich
wendender Blindsack abgeht, kann als Magen betrachtet
werden , und dieser geht in einen schwach gekrümmten
kurzen Darm über. Branchlostoma ist das einzige Wir-
belthier, dessen Darmkanal in seinem ganzen Verlauf mit
Flimmercpithelium versehen. Bei den übrigen Fischen
findet sich fast immer ein Magen, zu welchem sich die
Speiseröhre allmählig erweitert. Mit der Speiseröhre
steht häufig (Physostomi) die Schwimmblase durch einen
Luftgang in Verbindung. Ein anderer, von der Speise-
röhre ausgehender Sack dient mehreren der Gyninodontes
zum Aufblähen des Körpers. Am Magen lassen sich meist
zwei Abtheilungen unterscheiden , eine vordere j^f^'"'^ f^(^^'
cliaca und eine, häufig dünndarmähnliche pars pylorica^
welche mit jener einen oft spitzen Winkel bildet, und
hinter deren Uebergangsstelle in die dem Dünndarm und
Dickdarm entsprechende Abtheilung (Mitteldarm) die
Mündung der appenclices pyloricae sich befindet. Der
Mitteldarm geht in einen kurzen, in der Regel geraden
Mastdarm über.
Von den Veränderungen, welche die Häute des Darm-
kanals erleiden, sind die der Schleimhaut am beträcht-
lichsten und wichtigsten. Sie beziehen sich namentlich
auf die Flächenvergrösserung, theils durch Längsfalten,
theils durch Querfalten und Zotten, theils auch durch die
Bildung der sogenannten Spiralklappe, welche sich
im Mitteldarme der Cyclostomen , Plagiostomen , Störe
und einiger anderen Fische findet. Die gewöhnlichste
Form derselben ist die einer Wendeltreppe, seltener ist
sie in gerader Linie befestigt und eingerollt. Die Af-
teröffnung der Fische liegt vor der Harn- und
Geschlechtsöffnung.
208 m« Abschn. Die Organe der Ernährung.
Amphibien. Trotz der so vielfachen sonstigen
Körperverschiedenheiten zeigt der Darmkanal der Amphi-
bien im Allgemeinen eine übereinstimmende Anordnung,
welche sich an die Fische anschliesst. Die gewöhnlich
weite Speiseröhre, die, wie der Magen, aber in ge-
ringerer Menge, Längsfalten der Schleimhaut besitzt,
trägt bei den Seeschildkröten lange zahnartige Epithelial-
papillen. Bei den Ophidiern findet ein unmerklicher
Uebergang in den Magen statt, und auch bei den übri-
gen Amphibien übertrifft dieser in der Regel nur wenig
die Speiseröhre an Ausdehnung. Häufig ist der Pförtner-
theil durch eine Klappe oder Schleimhautfalte vom Darme
geschieden. An diesem nimmt man zwei Abtheilungen
wahr, den Mitteldarm und After da rm. Die Flä-
chenvergrösserung des Mitteldarmes wird durch Falten
und Zotten hervorgebracht durch deren stärkere Ent-
wicklung er sich vor dem Afterdarme auszeichnet , von
dem er auch oft durch einen Wulst oder eine Klappe ge-
schieden ist. Nicht selten findet sich am Anfange des
Afterdarmes ein kurzer Blindsack.
Vögel. Der Darmkanal der Vögel zeigt mannich-
fache Verschiedenheiten. In vielen Fällen findet sich eine
sackförmige , selten (Tauben) doppelte Erweiterung der
Speiseröhre, der Kropf, in welchem die Speisen ehe
sie in den Magen kommen, erweicht werden. Er fehlt
z. B. den meisten Passerinen und Schwimmvögeln. Der
Magen ist bei allen (ausser bei Enphone, aus der Familie
der Tanagridae) doppelt, ein V o r - oder Drüsenmagen
und ein Muskelmagen. Das Grössenverhältniss dieser
beiden Abtheilungen ist kein bestimmtes; bei Procellaria
übertrifft der Drüsenmagen den Muskelmagen am meisten.
Die Lage und Anordnung der Drüsen ist gleichfalls sehr
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 209
wechselnd. Der Muskelmagen, dessen Cardia und Pylo-
rus immer sehr nahe bei einander liegen, ist besonders
bei den Körnerfressern durch die Stärke seiner beiden
scheibenförmigen Muskelvvände ausgezeichnet, bei sehr
geringer Weite. Bei den fleischfressenden Vögeln ist er
dünnhäutig. Eine Ausbuchtung vor der portio pylorica^
die sich in einigen Fällen, am deutlichsten bei Jre/ea fin-
det, kann als dritter Magen angesehen werden. Der
Darm zerfällt immer in Dünndarm und Dickdarm.
Der Dünndarm bildet mit einem aufsteigenden und einem
absteigenden Aste eine Schlinge, in welcher das Pancreas
liegt; bei Proceliaria glacialis sind ausnahmsweise acht
solcher Schlingen vorhanden. Die Anfangsstelle des viel
kürzeren und nur wenig weiteren Dickdarmes wird ge-
wöhnlich durch die Insertion zweier Blinddärme, seltner
eines bezeichnet. Die Blinddärme fehlen den meisten Pi
cariae u. a. Bei vielen Vögeln bleibt an der früheren
Einmündungssteile des Dotterganges in den Dünndarm ein
kleines Divertikel. Der Dickdarm ist gewöhnlich kurz
und mündet in die Kloake.
Säugethiere. Die grossen Variationen, welche
der Verdauungskanal der Säugethiere darbietet, richten
sich meist nach der verschiedenen Nahrung und sind da-
her weniger wesentlich für die Speiseröhre, als nament-
lich für den Magen und für den Darm. Diese Theile
haben im Allgemeinen eine viel beträchtlichere Zusam-
mensetzung, der Darm eine auffallend grössere Länge bei
den Frugivoren, als bei den Carnivoren. So haben die
Fleischfresser (mit Ausnahme der Delphine) viele Nager,
Edentaten, Beutelthiere u. a. einen einfachen Magen. An
der Cardia des einfachen Magens der Pferde findet sich
eine, den Zurücktritt der Speisen verhindernde Klappe.
14
210 IH« Absclm. Die Organe der Ernährung.
Ein Beispiel eines durch eine Einschnürung in eine drü-
sige pars cardiaca und eine mehr muskulöse pars pylorica
getheilten Magens zeigt ßüyoxus , und weitere Abweichun-
gen werden durch das Auftreten von blinddarmartigen
oder taschenartigen Ausstülpungen zwischen Cardial- und
Pylorusabtheilung hervorgebracht (z. B. bei Manatiis, Di-
cotyles torquatus u. a.). Noch mehr Magenabtheilungen
haben die ächten Cetaceen, Abtheilungen, die sich je-
doch ziemlich gleich verhalten und sich dadurch wesent-
lich von den mehreren Magen der Wiederkäuer unter-
scheiden. Die meisten Wiederkäuer haben vier Magen,
CameluSf Auchenia und Moschus drei.
Die Nahrung gelangt zuerst in den weiten Pansen
(rumen) und aus ihm in den, seiner Funktion nach nicht
wesentlich vom ersten Magen verschiedenen Netzma-
gen (recticulum , olluld). Indem nun die Speiseröhre als
Schlundrinne (die sich übrigens auch bei mehreren
Nagern, Lemmus, Hypudaeus arvalis und amphibius, fin-
det) sich über die Insertionsstelle des Pansen hinaus er-
streckt, legt sich der Rand dieser Rinne beim Hinab-
schlucken des w iedergekäuten Bissens dergestalt vor den
Eingang in den Pansen, dass der Bissen an ihm und sei-
nem Anhange, dem Netzmagen vorübergleitend in den
dritten Magen, das Buch, Psalter (omasus) geführt
wird. Der vierte, mit dem Buche in Verbindung ste-
hende ist der Lab- oder Käsemagen (abomasiis). Im
ersten Magen bildet die Schleimhaut kleine Zotten und
Papillen, im zweiten netzförmige, wiederum Papillen
tragende Hervorragungen , im dritten Erhebungen in Blät-
terform; unregelmässige Falten macht die Schleimhaut
des abomasus. Bei dem ganz jungen Kalbe ist nur der
vierte Magen ausgebildet; die drei übrigen entwickeln sich
1. Kap. Der Verdauungsapparat. 211
in dem Masse, als das Thier neben der Milch noch vege-
tabilische Nahrung geniesst. Auch die oben erwähnten
Nager mit Schlundrinne, das Känguruh und die Faulthiere,
käuen wieder.
Der übrige Darmkanal zerfällt in Dünndarm und
Dickdarm. Der Anfang des letzteren wird häufig
durch einen , bei vielen Nagern bedeutend langen Blind-
darm bezeichnet. After und Geschlechtsmündung sind ge-
trennt. Nur die Monotremen besitzen eine wahre Kloake
14*
Zweites Kapitel.
Die abjsondernden IVebenorg^ane des
iSpeisekanals.
Da immer die einzelnen durch die tunica proprio zu
den folliculi^ aclni und iubuli der Drüsen verbundenen
Epithelialzellen als die eigentlichen selbständigen Werk-
stätten der Secretion anzusehen sind, wie die Pflanzen-
zelle für sich aufnimmt, assimilirt und secernirt, kann es
nicht Wunder nehmen, wenn wir bei vielen wirbellosen
Thieren die secernirenden Zellen noch nicht in Drüsen-
systeme mit besonderen Ausführungskanälen vereinigt,
sondern, unregelmässig zerstreut oder zu bestimmten
Schichten geordnet, unmittelbar an und in den Wänden
derjenigen Organe finden, in welche das Secret, sei es
durch DiJÖfusion , sei es durch Dehiscenz gelangen soll.
Die vergleichende Anatomie kann diesen Satz auch um-
kehren : weil bei vielen wirbellosen Thieren sich statt
der eigentlichen Drüsen nur einzelne absondernde Zellen
finden, schliessen wir, dass auch in den Drüsen die Epi-
thelialzellen das Wesentliche sind. Diese Bemerkungen
gelten namentlich von den Leberorganen.
I. Die l§»peicheldrüseii.
1. Die Speicheldrüsen der Würmer.
Schon bei Strudelwürmern (Vortex^ Dinophiliis) finden
2. Kap. Die absondernden Nebenoigane des Speisekanals. 21^
sich deutliche Speicheldrüsen als Zellen mit langen
Ausführungsgängen, die in den Schlundkopf oder den
Schlund einmünden. Ob die blindschlauchartigen Organe,
die neben dem Schlünde mancher Eingeweidewürmer,
namentlich der Nematoden verlaufen und in den Mund
einmünden, Speichelorganen analog sind, mag dahin ge-
stellt bleiben.
Unter den Ringel würmern sind die Speichelor-
gane ziemlich verbreitet; diess sind theils weniger di-
stincte zellige Drüsenmassen, welche den Schlund und den
Anfang des Darmkanals umgeben und eine weissliche oder
gelbliche Flüssigkeit absondern (Lumbricus, Naiden, Am-
phicora u. a.), theils sind es zwei bestimmt hervortre-
tende Drüsen mit besonderen Ausführungsgängen in den
Anfang des Darmkanals (z. B. bei Nereis^ Arenicola).
2. Die Speicheldrüsen der Arthropoden.
Sehr regelmässig trifft man am Anfange des Darms
der Räderthiere zwei oder mehrere, aus einer dicken
Zellenschicht bestehende drüsige Organe von verschiede-
ner Gestalt (kugelförmig, nierenförmig, länglich u. s. f.),
■welche wahrscheinlich zu einer Speichelabsonderung die-
nen, und die man auch mit dem pancreas der Wirbel-
thiere verglichen hat.
Den Crustaeeen fehlen die Speichelorgane fast
allgemein; nur bei den Cirripedien findet sich ein
Paar in den Magen mündender Drüsen, und mit noch
mehr Gewissheit sind zwei oder mehrere sich in die
Mundhöhle öffnende Drüsen der Myriopoden für Spei-
chelorgane zu halten.
Sehr verbreitet sind die Speicheldrüsen aber bei den
Spinnen und Insekten. Bei den Spinnen (selbst bei
214 HI« Abschn. Die Organe der Ernährung.
den Tardigraden) ist gewöhnlich ein Paar vorhanden,
dessen Ausführungsgänge in die Mundhöhle oder auch (bei
den Skorpionen) in den Schlund gehen. Die Insekten
haben häufig zwei oder auch drei Paare, die längere
oder kürzere Gefässe darstellen oder auch durch ihre
Trauben- und Büschelform an die conglomerirten Drüsen
der höheren Thiere erinnern. An dem eigentlich aus-
scheidenden Theile erkennt man gewöhnlich eine tunica
intima, eine Zellenschicht und eine diese umfassende
tunica propria, während diese Häute in den Ausführungs-
gängen eine festere, hornartige Beschaffenheit angenom-
men haben , und die tunica intima oft Spiralbildungen zeigt
nach Art der Tracheen. Seltner, wie diess am oberen,
unter der Stirn liegenden Paare von Formica rufa der
Fall ist, besteht die Drüse aus einzelnen grossen Zellen,
deren jede ihr Secret durch einen feinen , von der die
Zelle einschliessenden tunica proj?ria gebildeten Kanal
nach einem kurzen gemeinschaftlichen Ausführungsgang
leiten lässt. Die unter der Zunge mündenden unteren
Speicheldrüsen desselben Insekts bestehen aus büschel-
förmig vereinigten Follikeln , und noch viele andere Hy-
menoptern, unter ihnen z. B. Apis, zeigen ähnlich zu-
sammengesetzte trauben- oder büschelförmige Drüsen.
Eine andere, namentlich unter den Wanzen sehr verbrei-
tete Form ist die Lappenform. Die hintere Drüse besteht
aus einem , häufig noch gefingerten Hauptlappen , mit wel-
chem oft ein kleinerer verbunden ist. Diese Drüse hat
zwei Ausführungsgänge von gew öhnlich ungleicher Länge.
Sehr häufig stellen diese Drüsen aber nur fadenförmige
Schläuche dar, die namentlich bei den Larven zu den
Seiten des Darmkanals sich weit in die Leibeshöhle hinein
erstrecken. Sie finden sich in einigen Ordnungen, bei
2. Kap. Die absondernden Nebenorgane des Speisekanals. 215
den Aptern , Diptern , Lepidoptern und vielen Käfern fast
ausschliesslich.
3. Die Speicheldrüsen der Mollusken.
Unter den Mollusken haben die Cephalophoren und
Cephalopoden allgemein sehr entwickelte Speichelorgane.
Bei den Cephalophoren ist gewöhnlich nur ein Paar
vorhanden, zwei auf dem Magen und dem Oesophagus
aufliegende lappige Drüsen von gelblicher oder weissli-
cher Farbe, deren Ausführungsgänge neben dem Schlünde
verlaufen und, ohne sich zu vereinigen , neben der Zunge
in die Mundhöhle einmünden.
Bei den Cephalopoden findet sich in der Regel
ein oberes und ein unteres Paar Speicheldrüsen. Das
obere liegt unmittelbar am hinteren Theile des Schlund-
kopfes und hat daher sehr kurze Ausführungsgänge. Das
hintere liegt hinter dem Kopfknorpel , zeigt eine bald
gelappte (holigo) , bald glatte Oberfläche (Octopits u. a.),
und der aus der Vereinigung der beiden Ausführungs-
gänge entstandene Kanal geht mit dem Schlünde durch
die OelFnung des Kopfknorpels, um den Grund des
Schlundkopfes zu durchbohren.
4. Die Speicheldrüsen der Wirbelt hiere.
Den Fischen, den nackten und vielen beschuppten
Amphibien (Krokodilen, vielen Cheloniern und Sauriern)
fehlen die Speicheldrüsen. Sehr allgemein kommen sie
den Ophidiern zu, wo sich eine, bei den ächten Gift-
schlangen rudimentäre oder verschwindende Oberkie-
ferdrüse an der Aussenseite des Unterkiefers findet.
Bei ihnen, vielen Sauriern und den Landschildkröten
wird auch eine glandula subungualis durch viele einfache
316 I^I' Abschn. Die Organe der Ernährung.
Drüsenschläuche mit besonderen Ausführungsgängen ge-
bildet.
Bei den Vögeln kommen in der Regel vier Paar
Speicheldrüsen vor. Die eine (Zungendrüse Meck. ,
folliculi linguales Aut.) wird durch eine Reihe ein-
facher Blindsäcke gebildet, welche sich einzeln längs der
Seitenflächen der Zunge öff'nen. Ein zweites Paar (vor-
dere Hälfte der Unterkieferdrüse Meck., glandulae
submaxillares Aut.) befindet sich vorn zwischen den
beiden Unterkieferästen , zwischen der äusseren Haut und
der Mundhaut. Sie ist eine zusammengesetzte Drüse mit
mehreren Ausführungsgängen, die sich vor der Zunge
öffnen. Hinter ihnen sind auch gewöhnlich die einfachen
Mündungen des dritten Paares (hintere Hälfte der Unter-
kieferdrüse Meck., glandulae sublinguales Aut.),
das gewöhnlich kleiner ist und weiter nach hinten, an
den Zungenbeinhörnern liegt. Sehr allgemein ist ferner
die Ohrspeicheldrüse da (Mundwinkeldrüse Meck., pa-
r oti de s Au.t)j am Mundwinkel oder hinter dem Joch-
bogen, gewöhnlich mit einem Ausführungsgange. Ausser-
dem sind wohl häufig vorkommende einfache Drüsenfol-
likel an der Zungenwurzel hierher zu rechnen, während
zahlreiche Drüsenhöhlen neben der Mündung der Eusta-
chischen Röhre hinter den Choanen den Schleim abson-
dernden Tonsillen der Säugethiere entsprechen. Diese
sind besonders bei den Raubvögeln ausgebildet.
Bei den Säugethieren finden sich gewöhnlich die
bei dem Menschen vorkommenden Speicheldrüsen, näm-
lich die gl, parotis und submaxillaris jederseits mit einem,
und die subungualis mit zahlreichen Ausführungsgängen.
Nur den ächten Cetaceen fehlen sie ganz. Auch die
2. Kap. Die absondernden Nebenorgane des Speisekauais. 217
Schleimdrüsen an den Lippen, Backen und Gaumen,
sowie die Tonsillen sind sehr allgemein verbreitet.
II. Die lieber.
1. Die Leber der Strahlthiere.
Bei vielen Polypen lässt sich in den Wandungen
des Verdauungskanals eine eigenthüraliche Schicht sich
durch ihre braune, gelbe oder grüne Färbung auszeich-
nender Leberzellen nachweisen. Eine Leberdrüsen-
schicht findet sich auch an dem mittleren, oft beson-
ders ausgebuchteten Theile der Polypenindividuen der
Schw immp olypen. Eine eigne Leber hat Velella
oberhalb der Anheftungsstelle der Polypenindividuen.
Trotz der erstaunenswerthen Verdauungskraft der
übrigen Acalephen hat man bei ihnen doch keinerlei
Leberorgane bemerkt; und auch bei den meisten Echi-
nodermen sind bisher weder Leberzellenschichten noch
gesonderte Lebern entdeckt. Nur an den Darmwandun-
gen von Echinus findet sich die Schicht in ähnlicher
Weise, wie bei den Polypen, und bei den Asteroiden
sind wohl ohne Zweifel die von dem Magensacke in die
Arme sich erstreckenden Blindsäcke als Leber zu betrach-
ten. Die traubenförmigen , eine gelbliche Flüssigkeit
absondernden Follikel vereinigen sich in jedem Arme
zu zwei Kanälen , und diese Kanäle münden entweder
einzeln, oder die je zwei desselben Armes zusammen in
den Magensack. Ganz ähnliche Interradialblind-
därme finden sich ausserdem bei den mit einem After
versehenen Seesternen, die man auch als Gallenorgane
zu deuten versucht wäre, wenn nicht ihre Einmündungs-
218 in. Abschn. Die Organe der Ernährung.
stelle hinter dem chylopoetischen Theile des Därmkanals
dagegen spräche.
2. Die Leber der Würmer.
Bei den Würmern findet sich keine, als gesondertes
Organ bestehende Leber. Eine Schicht eng mit den Darm-
Avandungen verbundener Zellen scheint bei den Nema-
toden sich wie die Leberzellenschicht der Radiaten zu
verhalten. Bei den Ringel würmern aber hat sich
das den Darmkanal und häufig auch das Rückengefäss
umfassende Lebergewebe oft schon zu Follikeln und Drü-
sensäckchen mit eigenen Ausführungsgängen formirt; auch
hier erkennt man es an der gelblichen , braunen oder
braungrünen Farbe. Vielleicht haben auch die zahlrei-
chen , vom Darmkanal der Aphrodlleae abgehenden , zum
Theil verzweigten Blinddärme die Bedeutung von leber-
artigen Absonderungsorganen.
3. Die Leber der Arthropoden.
Bei den meisten Arthropoden, welche keine von dem
Darmkanal gesonderten Gallenorgane besitzen, müssen
wir vermuthen, dass die Epithelialzellenschicht des chy-
lopoetischen Theiles des Darmkanals einen gallenartigen
Saft secernirt, und diess um so mehr, wo sich, wie bei
den meisten niederen Crustaceen, schon kleinere
Drüsenfollikel oder, bei den C irrip e d ien , hei Dap/niia,
vielen Insekten, längere blindsackartige Ausstülpungen
formirt haben. Aber erst avo diese Blindsäcke sich mehr
isoliren, werden sie zu einer wirklichen Drüse, wie sie
sich unter den Crustaceen weniger vollständig bei den
Isopoden, Laemodipoden, Amphipoden u. a.,
sehr vollständig aber bei den meisten De capo den ent-
2. Kap. Die absondernden Nebenorgane des Speisekanals. 219
wickelt hat. Als Beispiel mag Astaciis fluviatills dienen.
Hier besteht das paarige Organ jederseits aus drei Lap-
pen, und jede Hälfte mündet mit einem Ausführungsgang
hinter dem Pförtner des Kaumagens in den Darmlianal.
Die Lappen werden wieder durch längliche , fingerförmig
verbundene Follikel gebildet; die näheren Bestandtheile
der Follikel sind eine timlca j)ropria, die an ihr befe-
stigte secernirende Zellenschicht und eine den Follikel
locker von innen auskleidende tiinica intima, durch wel-
che die Galle durch Diffusion dringt.
Bei den Araneen und Scorpioniden scheint die
von vielen Naturforschern „Fettkörper'^ genannte bräun-
liche Masse, welche durch mehrere Ausführungskanäle
mit dem Darm in Verbindung steht, die Leber zu sein.
Von diesem Fettkörper ist das bei den Insektenlarven
sich ansammelnde corpus adiposum ganz verschieden,
welches, aus wirklichen Fettzellen gebildet, zum Ver-
brauch während des ruhenden Puppenlebens verwendet
wird.
4. Die Leber der Mollusken.
Ausser bei den meisten Bryozoen und Tunica-
ten und mehreren Pteropoden (Cllo, Pneumodermon),
deren Magen- und Darmwände mit einzelnen Leberfolli-
keln oder Leberzellen belegt sind, und bei vielen Ap neu-
sten (Aeolis, Eolidina u. a.), deren viele, sich häufig
in die Rückenanhängsel erstreckende Blindsäcke die Leber-
zellen in sich aufgenommen , findet sich bei den Mollus-
ken ganz allgemein eine gesonderte Leber. Sie wird ge-
bildet durch längere oder kürzere Follikel, Avelche wie-
derum aus einer tunica jjroprla und der secernirenden
(bei Cyc^as Cornea vvimpernden) Epithelialschicht bestehen
220 HI« Abschn. Die Organe der Ernährung.
und sich zu gemeinschaftlichen wimpernden Gallengängen
vereinigen. Diese treten zu mehreren Hauptausführungs-
gängen zusammen, welche das Secret in den Magen oder
den Darm ergiessen. Die aus zahlreichen verzweigten
Blindsäcken bestehende Leber der Brachiopoden ist
ungefähr drei Mal so gross als der 3Iagen oder die dem
Magen entsprechende Darraabtheilung und hat gewöhnlich
2 Ausführungsgänge. Bei den Lamellibranchiaten
umgiebt die Leber die Magenregion. Nach oben und hin-
ten erstreckt sie sich bis an das Knie, welches der Mast-
darm bildet, nach unten und hinten ragen einige Partieen
weit in das Abdomen hinein. Die weiten Gallengänge
öffnen sich in den Magen. Bei den Cephalophoren
umwickelt die in mehrere Lappen zerfallende Leber die
Darmwindungen sehr eng, so dass diese, namentlich bei
den Acephalen , oft nur schwer von ihr zu trennen sind.
Die Leber der Cephalopoden besteht meist aus meh-
reren , von einem festen , glatten Bauchfellüberzuge um-
gebenen Abtheilungen, deren Ausführungsgänge sich zu
einem gemeinschaftlichen , die Galle in den Blindsack lei-
tenden duct?is choledochus verbinden. Eine mit den Gal-
lengängen zusammenhängende Drüsenmasse bei den mei-
sten Cephalopoden scheint dem pancreas der Wirbelthiere
zu entsprechen.
5. Die Leber der Wirbelthiere.
Mit Ausnahme von Branchiostoma , wo die Lebersub-
stanz , wie bei vielen wirbellosen Thieren , mit den Darm-
wandungen vereinigt ist, oder dessen Leber vielleicht
nur in dem vom Anfange des Darmkanals abgehenden
Blindsacke besteht, fehlt bei keinem Wirbelthier die
Leberdrüse, und in den meisten Fällen ist auch eine
2. Kap. Die absondernden Nebenorgane des Speisekanals. 221
Gallenblase vorhanden, beide in der verschiedenar-
tigsten Form und Ausdehnung.
Die sich durch ihren grossen Fettgehalt auszeich-
nende Leber der Fische ist weich und liegt in dem
vorderen Theile der Bauchhöhle, von wo sie sich nicht
selten sehr weit nach hinten erstreckt. In ihrer Gestalt
ausserordentlich wechselnd besteht sie im Allgemeinen
entweder aus einem Stück (z. B. Esox , Salmo trutta und
fario) oder sie ist zweilappig (z. B. Cobitis fossilis^ Perca
fiuviaülis) oder dreilappig ( Geister osteus acAileatus^ am
deutlichsten bei den Cyprinen). Die Gallengänge bilden
in der Regel nicht einen einfachen ductus hepaticus, son-
dern münden besonders in den ductus cysticus oder in die
Gallenblase. Der ductus choledochus ergiesst die Galle
gewöhnlich nicht weit hinter dem Pförtner in den Darm.
Eine besonders grosse Gallenblase besitzt Orthagoriscus
mola; sie fehlt bei Petromyzon, Ammocoetes , Scomber
leuciscus und Labrus turdus.
Die Leber der Amphibien richtet sich im Allge-
meinen in ihrer Form nach der Form des Thieres, daher
sie bei den Schlangen langgestreckt, bei den Fröschen
breiter ist. Leber ihr Bestehen aus einem oder ihr Zer-
fallen in mehrere Lappen lässt sich etwas Bestimmtes
nicht angeben, und auch das Verhältniss der verschiede-
nen Ausführungsgänge der Leber und der nur selten feh-
lenden Gallenblase ist wechselnd. Bemerkenswerth ist
die abweichende Lage der Gallenblase bei den grossmäu-
ligen Schlangen ; hier befindet sie sich ziemlich weit ent-
fernt von der Leber neben dem Anfang des Darmes , wo,
hinter dem Pylorus, die Mündung des ductus choledochus
oder die Mündungen des Blasendarmganges und des für
sich bestehenden ductus hepaticus sind.
222 III- Abschn. Die Organe der Ernährung.
Die mit ihrer convexen Seite nach der Bauchwand,
mit der concaven nach den Eingeweiden gerichtete Leher
der Vögel zerfällt sehr allgemein in zwei Hauptlappen.
Die Gallenblase ist meist vorhanden (fehlt z. B. den Tau-
ben und Papageien). Nur selten (Buceros) findet sich
ein gemeinschaftlicher thictiis choledochus ', in der Regel
münden ductus hepaticus und Ausführungsgang der Gal-
lenblase , in welche die Galle durch einen oder zwei
ductus hepatico-cystici gelangt, gesondert hinter der
Schlinge in den Darm.
Auch bei den Säuget hieren bietet die äussere
Form und x4usdehnung der Leber wenig Constantes. Man
kann zwar in der Regel zwei Hauptlappen unterscheiden,
doch mehrt sich deren Zahl bis auf sechs und acht, na-
mentlich bei den Nagern , Affen und Fleischfressern. Die
Gallenblase fehlt u. a. den ächten Cetaceen, mehreren
Wiederkäuern (Hirsch, Kameel u. a.), dem Pferde, den
Pachydermen (mit Ausnahme des Schweins). Gewöhnlich
findet sich ein ductus hepaticus, der unter spitzem Winkel
einen ductus cystlcus absendet und hinter diesem als duc-
tus choledochus weiter geht.
Ell. Slie Milz.
Die Funktion der Milz scheint, wie die der Lymph-
drüsen und der Thymus, die zu sein, die Lymphkügel-
chen oder farblosen Blutkügelchen zu bilden. Hierüber
hat die feinere Histiologie zu sprechen. Wir haben
natürlich nur von den gröberen Formverhältnissen an-
zugeben, dass sie ausschliessliches Eigenthum der
Wirbelthiere ist. Sie fehlt nur bei Branchiostoma
und zeigt übrigens mannichfache , jedoch weniger we-
sentliche Verschiedenheiten an Form, Umfang und Lage.
2. Kap. Die absondernden Nebenorgane des Speisekanals. 223
IV. Die appendices pyloricae der Fisclie
und die Bauchspeiclieldrüse der "IVirbeltliiere.
Die appendices pyloricae sind blinddarmförmige Aus-
stülpungen des Darmes kurz hinter dem Pförtner, welche
in verschiedener Anzahl sich bei vielen Fischen finden
und theils einzeln, theils, wenn sie in grosser Menge
(z. B. bei den Gadoiden, Scomberoiden) vorhanden sind,
zu Büscheln oder auch drüsenartigen Massen (Acipencer)
vereinigt mit gemeinschaftlichen Ausführungsgängen in
den Darm münden. Sie haben dieselben Häute wie der
Darm und wurden gewöhnlich für das Analogen der
Bauchspeicheldrüse gehalten, bis neuerlich durch Stan-
nius das Vorhandensein des pancreas, theils simultan
mit den appendices pyloricae^ theils ohne die letzteren
ausser Zweifel gesetzt ist. Die Fische, bei denen diese
Drüse bis jetzt gefunden, sind: Salmo salar, Clnpea
liarengiis^ Gadus callarias , Cottus scorpiiis , Perca flui\,
Pleuronectes platessa^ Pleur. maximuSy Belone longirostris
und Cyprinus brama; endlich auch beim Stör, der zugleich
auch appendices besitzt. Bei den Aalen, Chimären und
Plagiostomen betrachtet man eine, an Struktur dem Pan-
kreas der höheren Wirbelthiere gleiche , in den Klappen-
darm mündende Drüse als Bauchspeicheldrüse.
Das einfache, seltner gelappte Pankreas der Am-
phibien liegt hinter dem Magen und mündet mit einem
oder auch zwei Ausführungsgängen neben dem ductiis
choledochus j bisweilen mit ihm vereinigt in den Darm.
Bei den Vögeln liegt das röthlich-weisse , meist
zweilappige Pankreas in der Duodenalschlinge; seine (ge-
wöhnlich zwei) Ausführungsgänge endigen neben den
Gallengängen. Zwei Hauptlappen zählt man in der Re-
gel auch beiden Säuge thi er en. Der oder die beiden
234 ni. Absclin. Die Organe der Ernährung.
Ausführungsgänge verhalten sich verschieden. Ist nur
einer vorhanden, so verbindet er sich entweder mit dem
ductus choledochus oder mündet für sich in den Darm;
sind zwei Ausführungsgänge da , so führen entweder beide
in den Darm , oder einer in den Darm , der andere in den
ductus choledochus.
Statt auf einzelne Schriften und Monographieen ist hinsichtlich
der im 2. Kap. abgehandelten Drüsen hier wiederholt auf
Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere.
Frankfurt 1857.
hinzuweisen.
Drittes Kapitel.
1. Die Circulations- und Athmungsverhält-
nisse der Cölente raten.
Man hat zwar bei einzelnen Polypen , namentlich
mehreren Arten von Alcyonium, ein wirkliches Blutge-
fässsystem beschrieben, acht Längsgefässe , welche am
vorderen Körperende auf die Magenwände übergehen,
nachdem sie zuvor Aeste zu capillaren Verzweigungen
abgegeben, und welche sich hinten in den Polypenstock
verzweigen 5 allein hiervon abgesehen, scheinen in keiner
der Klassen der Cölenteraten besondere Blutgefässe zu
existiren. Auch wird die richtige physiologische Wür-
digung der auf die Blut- oder Chylus-Circulation sich
beziehenden Verhältnisse noch dadurch erschwert, dass
dieselbe Flüssigkeit, welche offenbar, die Rippenquallen
etwa ausgenommen , als Chylus zu deuten , immer zu-
gleich der Art mit Wasser vom Magen aus verdünnt
wird , dass man , nach der Analogie mit anderen Thieren
nicht Chylus, sondern zur Athmung zu verwendendes
Wasser vor sich zu haben glaubt.
Man wird das Richtige treffen, wenn man von sol-
cher Analogie absieht; in den Räumen, wohin das Blut
gelangt, wie es von den Magenwänden ausgeschieden
15
226 II*' Abschn. Die Organe der Ernährung.
wird , geht zugleich die Respiration vor sich , wozu der
Sauerstoff jenes theils willkürlich theils unwillkürlich mit
aufgenommenen Wassers verwendet wird. Es sind also
wieder besondere Circulations - noch Athmungs - Organe
da, beide Functionen gehen unscheidbar in einander über.
Dabei sind aber folgende Modalitäten zu bemerken,
Polypen. Die in die Leibeshöhle durch die Ma-
genwände ausschwitzende Chylusflüssigkeit wird durch
das Wasser willkürlich mehr oder weniger verdünnt,
welches durch die Oeffnung im Magengrunde Einlass fin-
det. Die Flüssigkeit wird durch Flimmerorgane in Be-
wegung gesetzt und längs der Körperwände bis in die
Spitzen der hohlen Fühler umgetrieben. Bei den Poly-
pencolonieen, wo die einzelnen Polypenleiber mit dem
Stocke communiciren , setzen sich diese Strömungen
von einem Individuum zum anderen durch den ganzen
Stock fort.
Schwimmpolypen oder Röhrenquallen.
„Das Verdaute geht wahrscheinlich zugleich mit gewissen
Mengen von Seewasser aus den Polypen (Fressindividuen
Leuckart, Saugröhren der früheren Autoren) durch
ihre bohlen Stiele in den ebenfalls hohlen Polypenstamm
{Reproductionskanal) über. In diesem bewegt sich der
Nahrungssaft mit Ausnahme der Diphyiden , wo in grösse-
rer oder geringerer Ausdehnung ein Fliramerepithelium
sich findet, nie durch Flimmerbewegung, sondern durch
die Contractionen der sehr muskulösen Wände des Stam-
mes unregelmässig hin und her, und gelangt aus demsel-
ben" *) auch in die Höhlungen der übrigen Organe , deren
einige (Schwimmglocken, medusenförmige Geschlechtsor-
') Kölliker, Die Schwimmpolypen. Leipzig, 1853. S. 67.
3. Kap. Das Gefässsystem. 227
gane) auch mit Gefässen zur Aufnahme jenes Saftes ver-
sehen sind.
Nur bei den Velelliden gelangt der Nahrungssaft in
ein netzförmiges, zusammenhängendes Kanalsystem, wel-
ches sich durch den ganzen (der Kolonie gemeinsamen)
Körper verzweigt. Die Bedeutung desselben ist aber
keine andere, als die des Reproductionskanales mit den
davon ausgehenden Höhlungen.
Scheibenquallen und Rippenquallen. Bei
beiden finden wir ein vom Magen ausgehendes System
blindsackartiger Anhänge oder radiärer Kanäle, in Ver-
bindung mit Ringgefässen , und diess Kanalsystem ist
bald für einen blossen Wasserathmungsapparat (Scheiben-
quallen), bald für ein wahres Blutgefässsystem (Rippen-
quallen) gehalten worden.
Bei den Scheibenquallen tritt das mit Chylus
vermischte Wasser unmittelbar aus dem Magen oder dessen
Blindsäcken in die radiären Kanäle , und diese verlaufen,
einfach oder sich theilend , nach dem Scheibenrande und
münden dort in ein Ringgefäss ein. Während bei den
Schwimmpolypen und den Polypen der unbrauchbar ge-
wordene Theil der Flüssigkeit durch den Mund wieder
ausgeschieden wird, ist zu diesem Zwecke das Ringge-
fäss der Scheibenquallen mit mehreren Oeffnungen (After)
versehen. Die Zahl der Radialgefässe ist sehr variabel.
Medusa aurita z. B. hat 8 einfache und eben so viele
mit gabelförmigen Seitenzweigen; bei Aequorea zählt
man 74.
Bei den Rippenquallen ist hinter dem Magen
eine der Leibeshöhle der Polypen entsprechende trichter-
förmige Höhle, von welcher mehrere Kanäle für die
Arme, Magenwände und Rippen entspringen. Die Rippen-
15*
228 m« Absclin. Die Organe der Ernährung-.
kanäle münden in ein den Mund umgebendes Ringgefäss.
In diesem sind keine Oeffnungen , wohl aber führen zwei
aus dem Trichter nach dem Hinterende verlaufende Röh-
ren nach aussen.
2. DasGefässsystem derEchinodermen.
Höchst wahrscheinlich besitzen alle Echinodcrmen ein
in sich geschlossenes Blutcirculationssystem , obgleich
man, trotz zahlreicher Untersuchungen, über das Verhal-
ten der Gefässe zu einander und zu den Respirationsge-
fassen keineswegs in Einklang ist. Es rührt diess (nach
V. Siebold's Bemerkung; vergl. dessen lehrreiche Aus-
einandersetzung im Lehrb. d. vergl. Anat.) von dem Um-
stände her, dass man das System der Blutgefässe viel-
fältig mit den respiratorischen Wassergefässen verwech-
selt hat.
Am unvollständigsten ist bis jetzt das Gefässsystem
der Crinoiden erkannt, wo mehrere in die Arme,
Girren u. s. f. sich verzweigende Kanäle aus einem
schlauchförmigen , im Grunde des Kelches liegenden Her-
zen entspringen. Ein solches längliches^ schlauchartiges
Herz besitzen auch die Asteroiden und Echinoi-
den; bei jenen erstreckt es sich von der Madreporen-
platte neben dem sogenannten Steinkanale oder dem Kalk-
strange zum Munde und steht hier mit zwei den 3Iund
umgebenden Ringgefässen, am Rücken nur mit einem Ring-
gefässe in Verbindung. Bei den E c h in oiden liegt das,
unregelmässige blasige Auftreibungen zeigende und in un-
regelmässige Kammern getheilte Herz am Oesophagus und
communicirt nach unten mit zwei den Schlund, nach oben
mit zwei den After umgebenden Gefässringen. Aus allen
diesen Gefässringen laufen andere Gefässe theils zwischen
3. Kap. Das Gefässsystem. 229
die Eingeweide , theils in die Arme und an die Ambul-
cralbläschen-Reihen , ohne dass man mit Bestimmtheit sich
über den venösen und arteriellen Theil des Systems ent-
scheiden könnte.
Viel klarer ist das Gefässsystem der Holothurien.
Das durch eine, von einem den Schlund umgebenden Ge-
fässringe entspringende Aorta und deren Verzweigungen
den Eingeweiden zugeführte Blut sammelt sich in einigen
Kiemenarterien und kehrt durch Kiemenvenen zum Ge-
fässring zurück.
3. Das Gefässsystem der Würmer.
Infusorien. Die mehr oder minder regelmässig
pulsirenden Räume oder contractilen Blasen mit ihren
Ausläufern, welche sich bei den unzweifelhaft erkannten
Infusionsthieren gefunden , werden zwar von manchen
Zoologen für ein Gefässsystem gehalten , w ir werden je-
doch unten unsre Gründe gegen diese Ansicht entwickeln.
Die Infusorien haben kein Blutgefässsystem ; sie gehören
zu den Thieren , bei denen der Nahrungssaft den Körper
unmittelbar durchtränkt.
Strudelwürmer. Die Strudelwürmer zeigen ein
sehr verschiedenartiges Verhalten. Die Rhabdocölen
ermangeln der Blutgefässe; was man früher dafür gehal-
ten, sind Wassergefässe. Ihre Ernäbrungsflüssigkeit ist
frei in den Körperlacunen enthalten und Avird nur durch
die allgemeinen Körpercontractionen in Bewegung gesetzt;
auch bei den Dendrocölen, bei denen man theils ein-
zelne grosse Seitengeiässstämme, theils weit verzweigte
Gefässnetze beobachtet hat, sind vielleicht dergleichen
Wassergefässe mit Blutgefässen verwechselt worden.
Kein Zweifel kann bei den Nemertinen sein,
230 ni. Absclm. Die Organe der Ernährung.
welche drei Hauptlängsgefässe besitzen, einen Rücken-
stamm und zwei Seitenstämme. Diese vereinigen
sich am Hinterende, und in der Nähe des Gehirns gabelt
sich der Rückenstamm und geht mit den beiden , um die
Ganglien sich schlängelnden Aesten in die Seitenstämme
über, welche im Vorderende eine Schlinge bilden. Das
in diesen Gefässen enthaltene Blut ist gewöhnlich unge-
färbt, mitunter auch röthlich oder bläulich , und scheint
keine Blutkörperchen zu enthalten.
Die Blutströmung ist keine regelmässige , sondern
eine oscillirende, ähnlich wie bei den Blutegeln.
Helminthen. Nur beiden Rundwürmern (Ne-
matodes und Gordiacei) gelangt die Ernährungsflüssigkeit
aus dem Darmkanal unmittelbar in die Leibeshöhle, ohne
dass man ein Gefässsystem bemerkt hätte. Dieses haben
zwar die Acanthocephalen, zwei Hauptlängsgefässe,
die seitlich viele sich verzweigende und anastomisirende
Aeste abgeben, es fehlen aber hier die eigenen Gefäss-
wandungen. Mit ihm steht das Gefässsystem der soge-
nannten Lemniscen, jener beiden bandförmigen, am Grunde
des Rüssels entspringenden Organe von unbekannter Be-
stimmung, in Verbindung. Durch die Körperbewegungen,
das Ein- und Ausstülpen des Rüssels, wird eine Fluctua-
tion des Blutes zwischen dem Leibesgefässsystem und
dem System der Leraniscen bewirkt. Die übrigen Einge-
weidewürmer (Cestodes, Trematodes) zeigen einen sehr
entwickelten, eigenwandigen Circulationsapparat, der bei
den Cestoden aus zwei Paar Längsge fassen be-
steht, welche durch mehrere Quergefässe verbunden
sind und im Kopfe einen , die Rüsselscheide einschliessen-
den Ring bilden. Von diesen Stämmen gehen zahlreiche
Zweige aus , die sich in feine , zuletzt verschwindende
3. Kap. Das Gefässsyslem. 1^31
Capillaren aullöscn. Souohl in den Haupt- wie in den
Nebengefässen finden sich zahlreiche Flimmeriäppchen.
Wenigstens in den Larvenzuständen (als Cestodensäcke)
besitzen die Cestoden allgemein am Hinterende eine con-
tractile Blase mit Oeffnung, in welche die Längsstämme
einmünden. Bei den Licjulae bleibt diese Schwanzöffnung
zeitlebens , bei den übrigen geht der pulsirende Schlauch
mit der ersten Gliedablösung oder noch früher verloren.
Weniger häufig finden sich bei den Trematode n
zwei solche Hauptlängskanäle; öfter bildet bei ihnen das
Gefässsystem ein sehr ausgedehntes , vielfach anastomosi-
rendes Netz. Dieses System steht in direkter Verbin-
dung mit dem sogenannten Excretionsorgane, das am
Hinterende sich öffnet. Vergl. unten HI. Kap. 6.
Ringel Würmer. Die Ringelwürmer zeichnen sich
durch ein sehr bestimmt ausgeprägtes, in sich abgeschlos-
senes*) Gefässsystem aus, dessen centrale Theile in
mehreren Längsstämmen bestehen , die gewöhnlich in den
Körperenden unmittelbar in einander übergehen, häufig
durch grössere Quergefässe verbunden sind , und von
denen zahlreiche, sich verzweigende und anastoraosirende
Gefässe als peripherische Theile entspringen. Immer
haben diese Gefässe eigne Wandungen , und entweder
pulsiren alle Hauptstämme und die Quergefässe des Sy-
stems oder einzelne herzartige , mitunter erweiterte Ab-
theilungen desselben. Das Blut ist meist gefärbt (roth,
grün , blau , violett u. a.) , wiewohl nicht durch die Blut-
*) Nach Leydig und Quatrefages erleidet jedoch auch diese
Regel mehrfache Ausnahmen. Ersterer hat bei einigen Egehi, letz-
terer bei verschiedenen Borstenwürmern lacunaren Blutlauf wahrge-
nommen. Berichte von der zoot. Anstalt in Würzburg. 2ter Bericht.
1849. — Annales d. sc. nat. 1850. T. 14.
232 HI- Absclm. Die Organe der Ernährimg.
körperchen, welche sehr klein, unregelmässig und unge-
färbt sind und wohl nicht den Blutkörperchen der Wir-
belthiere gleichgestellt werden können. Uehrigens kann
dasselbe Individuum, jenachdem man das Blut in dünne-
ren oder stärkeren Schichten sieht, ganz verschiedene
Blutfärbungen zeigen , was auch von den Nemertinen gilt.
Die Hirudineen haben ein Rücken- und ein
Bauchgefäss und zwei Seitenge fasse; nur bei
Nephells fehlen die beiden ersteren. Gerade diese Gat-
tung ist wegen ihrer Durchsichtigkeit geeignet, an ihr
sich den eigenthümlichen Blutlauf der Egel, der eine
Fluctuation ist, zur Anschauung zu bringen. Das
Hauptmoment in diesem Blutlaufe ist nämlich das Ueber-
strömen aus dem einen Seitenstaram durch die zahlreichen
Quergefässe in den andern; diess geschieht jedoch nicht
hinten und vorn zu ganz gleicher Zeit, sondern das Ge-
fäss contrahirt sich vorn etwas später als hinten, so dass
auch eine Art von Circulation hergestellt wird, die aber
von Zeit zu Zeit umsetzt, indem das Gefäss, dessen Con-
tractionen von hinten nach vorn begonnen haben , nun
sich von vorn nach hinten zusammenzieht, und umge-
kehrt.
Bei den Borsten würmern finden sich die grossen
Seitenstämme nicht, aber ein oder mehrere Bauch- und
Rückenstämme. Das Blut wird in der Regel im
Rückengefäss von hinten nach vorn getrieben und tritt
im Kopfende durch grössere Gefässschlingen , aber auch
durch die übrigen Queranastomosen in das Bauchgefäss
über und kann nur uneigentlich als arteriell und venös
geschieden werden; nicht selten muss sogar das Blut
durch dieselben Gefässe von den Kiemen zurückkehren,
durch welche es dahin gelangt ist (z. B. bei Amphicora),
3. Kap. Das Gefässsystcm. 233
und hier ist also eine solche Scheidung willkürlich oder
auch unmöglich.
Bei den Lumbricinen und Naiden, denen sich
Amphicora anreiht, ist das einfache Rückengefäss eng
mit den Darmwandungen verwachsen, gabelt sich im Vor-
derende und geht, so den Schlund umfassend, in das
Bauchgefäss über, mit welchem es jedoch auch in den
übrigen einzelnen Körpersegmenten, namentlich im Vor-
derende, durch Quergefässe verbunden ist.
Von den genannten Borstenwürmern unterscheiden
sich die übrigen, Capitibranchiaten und Dorsi-
branchiaten durch eine Vermehrung der Hauptgefäss-
stämme, auch treten durch das Vorhandensein von äusse-
ren Kiemen, wie schon bei Amphicora^ neue Verände-
rungen ein, Am gewöhnlichsten ist die Verdoppelung
sowohl des Rücken- als des Bauchgefässes, in
welchem Falle gewöhnlich ein Rückengefäss und ein
Bauchgefäss mit dem Darme , die beiden übrigen Stämme
mit den Körperwandungen enger verbunden sind. Nicht
selten sind auch diese Hauptgefässe streckenweise oder
ganz in zwei bis drei Stämme gespalten. Da die Blut-
bewegung längs des Rückens von hinten nach vorn ge-
schieht, so kann man bei den Capitibranchiaten das
Rücken-Darmgefäss, welches gewöhnlich das Blut zu den
Kiemen führt, als Körpervene oder Kiemenarterie, das
Hauptbauchgefäss aber, welches das Blut aus den Kiemen
aufnimmt, als Körperarterie bezeichnen, obwohl auch
hier von einer strengen Trennung in arterielles und ve-
nöses Blut der vielen Queranastomosen wegen nicht die
Rede sein kann , und noch unausführbarer ist diese Schei-
dung bei den Dorsibranchiaten , deren Kiemen aus den
Quergefässen das Blut empfangen.
234 in. Abschn. Die Organe der Ernährung.
Neben dem in den eben beschriebenen Gefässen ein-
geschlossenen Blute verdient aber auch die in der Lei-
beshöhle enthaltene Flüssigkeit eine besondere Berück-
sichtigung. Sie ist es, in welcher häufig die frei in der
Leibeshöhle enthaltenen Generationsprodukte schwimmen,
und unter deren Einfluss sie offenbar sich vermehren und
wachsen ; sie w ird durch die allgemeinen Körperbewegun-
gen fortwährend auf und ab und durch die Oeffnungen in
den diaphragmaartigen Einschnürungen getrieben und be-
spült somit die meisten Organe unmittelbar. Oft bemerkt
man in ihr (man beobachte eine Naide) brombeerförmige
oder einfach kugelige , dann aber äusserst kleine Kör-
perchen , die um so zahlreicher vorhanden zu sein schei-
nen, je grösser die Lebensthätigkeit des Thieres ist. Aus
allen diesen Umständen geht die Wichtigkeit dieser Flüs-
sigkeit hervor, wiewohl ihr Verhältniss zum Gefässblute
noch nicht hinlänglich aufgeklärt ist. Am richtigsten
wird sie vielleicht als Chylus betrachtet, da die von den
Hauptstämmen auf die Darmwandungen gehenden Capil-
laren mehr die Rolle von ernährenden als von aufsaugen-
den Gefässen zu spielen scheinen.
4. Das Gefässsystem der Arthropoden,
Räderthiere. Sie scheinen keine Blutgefässe zu
besitzen. Als das Blut oder wenigstens als das Ana-
logen davon wird man im Gegentheil die frei in der Lei-
beshöhle enthaltene, die Eingeweide umspülende Flüssig-
keit anzusehen haben, die in der Regel wasserklar ist,
seltner eine gelbliche Färbung zeigt, und in welcher auch
nur ausnahmsweise den Blut- oder Chyluskörperchen
vergleichbare Elemente gefunden sind. Diese Flüssigkeit
ist wohl sehr wasserhaltig, wenn auch die Aufnahme
3. Kap. Das Gefässsystem. 235
von Wasser nicht durch die sogenannten Respirations-
öffnungen und den Nackensipho geschehen kann , da (nach
Leydig) an den genannten Stellen gar keine Oeffnungen
vorhanden.
Die übrigen Arthropoden.
Das Rückengefäss oder das Herz.
Die meisten Arthropoden sind mit einem, den Blut-
lauf regelnden Centralorgane versehen, das man bei den
Myriopoden, Spinnen und Insekten wegen seiner Schlauch-
form das Rückengefäss, bei den Crustaceen aber, wo
es gewöhnlich kürzer ist, Herz zu nennen pflegt.
Das Rückengefäss der Spinnen und Insek-
ten liegt in der Mittellinie des Abdomens und wird
durch eben so viele Paare dreieckiger Muskeln , als Kam-
mern vorhanden sind, an die Rückenwände befestigt.
Solcher Kammern finden sich bei den Insekten in der
Regel acht, und sie entstehen durch Einschnürungen; jede
Kammer hat jederseits nach vorn eine Spaltöffnung, wel-
che durch klappenartige, nach innen gehende Hervor-
ragungen geschlossen werden können. Die letzte Kammer
geht in einen, sich bis zum Kopfganglion erstreckendea
und vorn sich mitunter spaltenden Arterienstiel über.
Diesem Rückengefässe gleicht auch das der Myriopo-
den, nur ist es länger und in mehr Kammern getheilt,
wie überhaupt sich im Allgemeinen die Ausdehnung des
Rückengefässes nach der Körperlänge richtet.
Es schliesst sich hieran die längliche Form, welche
das Herz mehreren Ordnungen der Krebse angenommen,
namentlich der Phyllopoden und Stomatopoden.
Bei den Parasiten und Lophyropoden ist das Herz
236 III. Abschn. Die Organe der Ernährung.
ein einfacher, rundlicher oder ovaler Behälter, der be-
hufs der Aufnahme des Blutes mit zwei seitlichen Spalt-
öffnungen verseilen ist, und aus dem das Blut durch eine
vordere und hintere Oeffnung tritt, wenn nicht an diesen
Stellen Arterien entspringen. Bei den übrigen Ordnun-
gen der Crustaceen verhält sich das Herz ähnlich, hat
aber mehr venöse Spalten und giebt gewöhnlich mehr
Arterienstämme ab , als dort Arterienöffnungen oder wirk-
liche Arterien sich finden. Seine Form ist namentlich
bei den Decapoden auffallend, platt und polygonal. Es
liegt immer in der Mittellinie des Yorderrückens.
Kreislauf.
Nur von den Scorpioniden ist ein vollständig
geschlossenes Gefässsystem beschrieben worden; ihre Ar-
terien sollen sich verzweigen und unmittelbar in ein Ve-
nensystem übergehen , welches zu den Athemorganen
führt, von wo aus das Blut wiederum durch eigene Ge-
fässe zum Herzen zurückgelangt.
Im Uebrigen aber scheint den Arthropoden durchweg
ein geschlossenes Gefässsystem zu fehlen, indem sich ent-
weder ausser dem Herzen (Rückengefässe) gar keine Ge-
f ässe beobachten lassen , oder das Gefässsystem höchstens
in mehreren Arterien besteht, die entweder plötzlich
aufhören oder allmählich sich verzweigend verschwinden,
worauf die Blutflüssigkeit in bestimmten Strömen durch
den ganzen übrigen Körper läuft. Zuerst häufig sehr
fein , vereinigen sich diese Ströme zu stärkeren venösen
Stämmen und stellen so einen vollkommenen Kreislauf
her, wobei die Richtung und Vertheilung der Ström.e
theils durch den ursprünglichen Herzstoss und die ver-
schiedenen im Wege liegenden Organe, theils auch durch
3. Kap. Das Gefässsyslcni. 237
eigens zu diesem Zwecke ausgespannte Membranen oder
Leisten moderirt wird.
Bei den Crustaccen sind die arteriellen Ge-
fasse, wie es scheint, am weitesten verbreitet, wie-
wohl man bei mehreren Ordnungen, den Parasiten und
Phyllopoden keine Spur von ihnen bemerkt. Bei den
Lophyropoden fehlen sie wenigstens in der Familie
der Cladoceva {Daphnia u. a.) nicht , aus deren Herzen
nach vorn ein sich mehrfach theilender truncus arteriosusj
sowie seitlich und nach hinten andere Arterien entsprin-
gen , die sich durch ihre Länge und weit gehende Ver-
ästelung vor den ausnehmend kurzen Arterienstämraen der
Isopoden, Amphipoden, auch der Pöcilopoden
und L ämo dip 0 de n auszeichnen. Vollständiger ist das
Arteriensystem bei den Stomatopoden und noch mehr
bei den Decapoden. Aus dem polygonalen zipfeligen
Herzen des Astacus fluviatills entspringen aus einem vor-
deren Aortenstamme drei Arterien, eine mittlere für die
Augen und zwei seitliche für die Antennen und den Ce-
phalothorax. Zwei ihnen zur Seite liegende Arterien ver-
sorgen die Leber, und eine nach hinten abgehende grosse
Schwanzarterie spaltet sich bald nach ihrem Austritt und
versorgt durch ihren Bauchtheil die Mundtheile und Füsse,
durch den Rückentheil die am Rücken des Abdomen ge-
legenen Organe. Die Angabe, dass den Decapoden auch
ein Venensystem zukäme, scheint auf Täuschungen zu be-
ruhen, wie denselben auch eigene, das Blut aus den
Kiemen zum Herzen bringende Gefässe fehlen. Das Blut
gelangt bei ihnen, nachdem es in grossen lacunalen, ve-
nösen Strömen die Kiemen erreicht, aus diesen in einen
w^eiten, von nicht contractilen Wänden umgebenen Sinus,
238 III- Abschn. Die Organe der Ernährung.
aus welchem es während der Diastole des Herzens durch
die Herzspalten aufgenommen wird.
Unter den Arachniden bieten wiederum die schon
öfters wegen ihrer abnormen Eigenthümlichkeiten berühr-
ten Tardigraden und Acarinen, nicht aber die Py-
cnogoniden, Ausnahraszustände dar, indem ihnen jede
Spur eines Gefässsystems, auch das Herz mangelt, und
ihre Ernährungsflüssigkeit ganz in der Leibeshöhle ent-
halten ist , wo sie , ohne eine bestimmt gerichtete Strö-
mung, lediglich durch die Körperbewegungen umherge-
trieben wird. Die Phalangien haben nur das Rücken-
gefäss ohne Arterien, die Araneen aber verhalten sich
wie die höheren Ordnungen der Crustaceen, indem das in
mehreren Arterien das Rückengefäss verlassende Blut
seinen weiteren arteriellen und venösen Lauf in wandungs-
losen Körperlacunen vollendet und sich gleichfalls in
einem, das Rückengefäss umgebenden Sinus ansammelt.
Bei den Insekten wird das Blut durch die allmäh-
liche Zusammenziehung des Rückengefasses , die in der
Weise von hinten nach vorn geschieht , dass die hinterste
Kammer sich schon wieder ausdehnt, ehe die vorherge-
hende Contraction bis zur ersten Kammer gelangt ist,
durch den Aortentheil getrieben und kehrt in vier Haupt-
strömen, von denen einer unter dem Rückengefässe , ei-
ner über der Ganglienketto und zwei neben den grossen
Tracheenstämraen fliessen, zum Rückengefässe zurück.
Kleinere Nebenstämme vertheilen sich in die Fühler,
Füsse , Flügel u. s. w . Da die Bewegung der Flüssigkeit
in diesen Anhängen nicht wohl allein von dem Drucke
der Hauptströme abhängen kann, scheinen hier und da
eigenthümliche Vorrichtungen zur Fortbewegung ange-
bracht zu sein, so in den Tibien der Beine ein pulsiren-
3. Kap. Das Gefässsystem. 239
des, knotenförmiges, als Pumpsterapel wirkendes Organ,
Avie aucli in anderen Theilen herzartige Organe (bis jetzt
freilich nur im Schwänze der Larve von Ephemera diptera
beobachtet).
Die Veränderungen dieser Verhältnisse in den ein-
zelnen Ordnungen sind sehr unwesentlich und beziehen
sich meist nur auf die Form und Textur des Rückenge-
fässes.
Das Blut der Arthropoden ist meist farblos; ist es
gefärbt (röthlich , gelblich u. a.) , w ie bei mehreren Cru-
staceen und Insekten, so ist die Färbung immer an die
Blutflüssigkeit gebunden und rührt nicht von den stets
farblosen , einfach rundlichen oder eine granulirte Ober-
fläche zeigenden Blutkörperchen her.
5. Das Gefässsystem der Weichthiere.
Abgesehen von den abweichend organisirten Bryo-
zoen und Tunikaten zeigt das Gefässsystem der Mollusken
einen sich gleichbleibenden Charakter, der sich sowohl
in den Acephalen als in den Cephalopoden ausspricht,
und durch welchen wir an das Gefässsystem der Arthro-
poden erinnert werden. Es finden sich nämlich darin
gewöhnlich bedeutende Ausw^eitungen und Sinusse, wel-
che verschiedene Eingeweide in sich aufnehmen, und wo-
durch es den Anschein gewinnt, als ob nach der Periphe-
rie bin das Gefässsystem in ein wandungsloses Lacunen-
system sich auflöse. Man hat diess sogar, nach den
Untersuchungen von Mi Ine Edw^ards, bis in die neue-
sten Zeiten fast allgemein angenommen, indem man meinte,
die verschiedenen Abtheilungen der Leibeshöhle dienten
als grosse venöse, seltner, z. B. bei Patella, auch als
arterielle Behälter. Allein nachdem Keb er und nament-
240 III. Abschn. Die Organe der Ernährung.
lieh Langer in Bezug auf die Na jaden , Owen in Bezug
auf die Brachiopoden dem direct widersprochen und bei
den genannten Gruppen überall , auch in den grossen Er-
weiterungen und den Capillaren, eigne Wandungen der
Blutbahn nachgewiesen , muss in jedem speciellen Falle
erst die genauere Untersuchung entscheiden. Weder die
Wandungslosigkeit eines Theiles der Blutbahn , noch die
Geschlossenheit sind typische Charaktere.
Sehen wir auch von den eigenthümlich sich verhal-
tenden Brachiopoden ab, so besitzen die Mollusken ein
von einem Herzbeutel umgebenes Aortenherz,
wohin das Blut aus den Respirationsorganen gelangt, um
durch eine oder mehrere Aorten in den Körper getrieben
zu werden. Die Blutbahn ist also gerade die umge-
kehrte, wie bei den Fischen, welche ein Kiemenherz be-
sitzen , und deren Kiemenvenen zur Aorta und zu anderen
Körperarterien werden.
Die Gränzen , in welchen sich der allgemeine Plan
der Weichthiere bewegt, sind jedoch, wie schon aus dem
Gesagten erhellt, zu weit, als dass wir nicht auch hier
die einzelnen Abtheilungen einer besonderen Betrachtung
unterwerfen müssten. —
Das Blut ist gewöhnlich farblos. Röthliche, grün-
liche, violette, geAAÖhnlich an die Blutflüssigkeit gebun-
dene Färbungen kommen bei Cephalophoren und Cepha-
lopoden vor. Die in der Regel ungefärbten Blutkörper-
chen sind bei den Acephalen meist unregelmässig, bei
den übrigen rundliche Zellen und scheinen immer einen
Kern oder mehrere Körner zu enthalten. —
Bryozoen. Sie besitzen weder Herz noch Ge-
fässe. Die in der Leibeshöhle enthaltene Flüssigkeit
scheint nicht, wie man früher annahm, durch Oeff-
3. Kap. Das Gefässsyslem. 241
nungen mit Wasser verdünnt werden zu liönnen und wird
durch Wimperung in regelmässiger Circulation entlang
den Wandungen der Leibeshöhle erhalten.
Tunicaten. Die hier vorkommenden Erscheinun-
gen der Blutbewegung erinnern auffallend an die bei den
Egeln sich darbietenden. Das Gefässsystem selbst, nur
als Centralorgan vorhanden , bietet ebenfalls Anknü-
pfungspunkte an die Arthropoden. Immer ist ein Herz
vorhanden, bei den Salpen ein schlauchartiger Kanal
in der Nähe des Nucleus, welcher die beiden, am ande-
ren Ende durch ein Paar Gefässschleifen in einander
übergehenden Hauptgefässe, das Rücken- und das Bauch-
gefäss, verbindet; bei den A sei dien ein noch längerer
Schlauch in der hinteren Körperabtheilung, mit einer
hinteren und einer vorderen Gefässfortsetzung; auch be-
wegt sich das Blut, nachdem die erwähnten Gefässe auf-
hören, im grössten Theile des Körpers in wandungslosen
Kanälen und Lacunen, jedoch ist der Blutlauf keine an-
haltende Circulation in derselben Richtung, sondern ein
Fluctuiren , indem die Contractionen des Herzens von Zeit
zu Zeit umsetzen, so dass die Hauptgefässe abwechselnd
als Hohlvene und als Körperarterie fungiren.
Brachiopoden. Sie haben in der Nähe des Ma-
gens zwei Herzen, bestehend aus Vorkammer und Kam-
mer. Die Kammern treiben das Blut in mehrere Mantel-
und Visceralarterien. Nachdem die Mantelarterien sich
verzweigt , bilden sich in den Mantelhälften grössere ve-
nöse Sinusse , von wo aus das Blut in Vereinigung mit
dem in ähnlichen, die Eingeweide begleitenden Erweite-
rungen enthaltenen Blute zu den Vorkammern zurück-
kehrt. Es geht daraus hervor, dass das Blut, im Ver-
gleich zu den höheren Mollusken , nie rein arteriell in das
16
242 III' Abschn. Die Organe der Ernährung.
Herz gelangt, sofern nämlich die Mantellappen das allei-
nige Atiiemorgan sind. Das zu den Eingeweiden geführte
Blut kommt venös, das aus dem Mantel arteriell in die
Vorkammern; rein arterielles Blut findet sich also, ähn-
lich wie hei den Amphibien , nur auf dem Wege zwischen
Athemorgan und Herz*).
Lamellibranchiaten. Zur Orientirung über die
Kreislauforgane dieser Klasse sind wir durch die muster-
haften Untersuchungen Längeres auf Anodonta cygnea
hingewiesen.
Das arteriell gewordene Blut wird durch die beiden
Vorkammern der vom Mastdarm durchborten Kam-
mer zugeführt, von wo es durch die Verzweigungen einer
vorderen und einer hinteren Aorta in den Leib gelangt.
Auch das Venenblut des mittleren Manteltheiles und einer
andern kleinen Vene geht gleich in die Vorkammern.
Der arterielle und venöse Kreislaufsschenkel sind daher
nicht gänzlich geschieden.
Das meiste venöse Blut sammelt sich in dem zwi-
schen den Bojanus'schen Körpern gelegenen venösen
Sinus und tritt durch das bipolare Wundernetz
(über die Wundernetze im Allgemeinen weiter unten)
der Bojanus'schen Körper in die Kiemen.
Auch in den peripherischen Verzweigungen ist das
Gcfässsystem der Teichmuschel mit vollkommenen Wan-
*) So, scheint mir, sind nach Owcn's neuesten Untersuchungen
diese bisher ziemlich unklar und widersprechend ausgedrückten Ver-
hältnisse aufzufassen. Vgl. British fossil Brachiopoda. By Thomas
Davidson. I. 1. On Ihe anatomy of Terahraiula, by Prof. Owen.
London. Palaeoniographical Society 1851 — 1854. Im Auszuge mit
einigen Zusätzen von mir in Zeitschr. f. d. ges. Naturwissenschaf-
ten. Halle, Mai 1854.
3. Kap. Das Gefässsystem. 243
düngen versehen. Diese Verzweigungen sind theils dendri-
tisch , theils netzförmig. Eine besondere Art dieser
Netze, namentlich im Fusse und Mantel sind Schwell-
netze. Durch ihre Erfüllung mit Blut ist das bekannte
Schwellvermögen dieser Thiere zu erklären. Durch Ver-
engerung der in den venösen Sinus führenden Fussvene,
vielleicht auch durch eine Klappenvorrichtung wird das
Blut im Schwellgewebe des Fusses angestaut.
Obwohl nun ein besonderes Wassergefässsystem bei
der Teichmuschel sich nicht findet, wird dennoch auf
directem, aber ziemlich umständlichem Wege eine Was-
seraufnahme in das Blutgefässsystem bewerk-
stelligt. Eine Oeffnung im inneren Kiemengange führt zu
dem sogenannten Lungenfache (Bojanus), welches weiter
nichts ist, als eine Fortsetzung des braunen, Bojanus'-
schen Körpers und mit diesem communicirt. Der Boja-
nus'sche Körper steht wieder in Verbindung mit dem wei-
ten Pericardium. In demselben Theile des Pericar-
diums , wo die Communicationsöffnung zur Höhle des Bo-
janus'schen Körpers ist, vorn unter der Aorta und dem
Mastdarme, befinden sich noch mehrere Oefiiiungen, die
von hier aus in das sogenannte rothbraune Organ,
ein parenchymatöses Gewebe des Mantels führen; von
hier endlich gelangt das Wasser in die Vorkammern.
Die allgemeine Anordnung des Kreislaufes scheint
bei allen Lamellibranchiaten dieselbe zu sein, üeberall
dürfte durch das, auch als Niere fungirende Organ der
direkte Uebertritt von Wasser in das Blutsystem vermit-
telt werden.
Ob bei anderen Gattungen noch ein anderes Wasser-
gefässsystem besteht, müssen erneute Untersuchungen
entscheiden.
16*
244 Hl« Abschn. Die Organe der Ernährung.
Cephalop hören. Nur bei wenigen Nacktkiemern
(Flabellina, Rhodope u, a.) fehlt das Gefässsystem viel-
leicht ganz , die in der Leibeshöhle enthaltene Blutflüssig-
keit vollendet daher keinen regelmässigen Lauf. Ein re-
gelmässiges Circuliren findet aber sogleich statt, wenn
bei anderen Nacktkiemern (z. B. Tergipes^ Aeolisy Eoli-
(lina) ein Herz mit rudimentärer Aorta und zwei in die
Vorkammer einmündenden Venenstämmen erscheint, so
dass die Aehnlichkeit dieses Blutlaufes mit dem der In-
sekten eine sehr grosse ist.
Bei der grössten Anzahl der Cephalophoron aber
tritt aus der Kammer des in seiner Lage nach den Re-
spirationsorganen sich richtenden und mitunter (z. B. bei
Patella, Haliotis) vom Darm durchbohrten Herzens eine
Aorta, die sich bald weiter spaltet und so zum Stamme
eines Arteriensystems wird, das häufig noch bis in die
capillaren Verzweigungen hinein ohne Zweifel mit eignen
Wandungen versehen ist. Die Venen werden anscheinend
durch blosse Körperlacunen vertreten; das Venenblut
sammelt sich häufig in der Leibeshöhle an, wo es na-
mentlich den vorderen Theil des Darmkanals und die
Kopfganglien rings umspült, und geht dann durch andere
Kanäle in die Kiemen. In die Kiemen- oder Lungenve-
nen der Gasteropoden scheinen auch häufig kleinere Venen
zu münden, so dass nicht lauter rein arterielles Blut in
das Herz gelangt.
Für die Pteropoden und Heteropoden hat
Gegenbaur nachgewiesen, dass das Capillar- und Ve-
nensystem durch wandungslose Räume repräsentirt ist.
Sehr wichtig ist auch die Entdeckung (Gegenbaur,
Leuckart) dass, wie bei den Lamellibranchiaten durch
3. Kap. Das Gefässsyslem. 245
die Niere direlit Wasser in den Pericardialsinus und von
da ins Herz übergeführt wird.
Cephalopoden. Bei den Vierkiemern tritt das
Blut durch vier, bei den Zweikiemern durch zwei stär-
kere Gef ässe , die bei mehreren Gattungen an einer Stelle
erweitert sind und pulsiren und also wahren Vorhöfen
gleichen , in das Aortenherz, das gegen sie bei der Systole
durch Klappen geschlossen wird. Eine aorta anterior ist
der Stamm mehrerer grösserer Arterien, welche den
oberen Theil des Darmkanals, Geschlechtstheile , Leber,
Mantel, Kopf und Arme versorgen; aus einer aorta po-
sterior entspringen die für die Ernährung des hinteren
Theiles des Darmkanals , des Tintenbeutels, der Kiemen
und des Bauchtheils des Mantels bestimmten Arterien.
Das durch den Körper durch eigenwandige Arterien
verbreitete Blut gelangt zu den Kiemen theils durch ei-
genwandige Venen, theils durch anscheinend wandungs-
lose, häufig sehr geräumige Körperlacunen, wobei sich
mehrere Verschiedenheiten zeigen.
Bei den Octopoden gehen die Armvenen, zwei
aus jedem Arme, in einen grossen Gefässring im Kopf,
aus welchem sich eine starke Kopfvene neben dem
Darmkanal herabbegiebt, die unterwegs andere Venen
aufnimmt und endlich , vereint mit dem grossen visceralen
Venenbehälter, ihr Blut in die Hohlvenen ergiesst. Aus
den Eingeweiden sammelt sich das Blut in zwei Abdo-
minalvenen, welche die Genitalvenen aufnehmen
und sich in eine grosse Visceralhöhle öffnen, von der
freilich noch nicht mit völliger Gewissheit angegeben wer-
den kann, ob sie blos als eine schlauchartige Erweiterung
jener Venen oder als blosse mit einem Peritonealüber-
zuge versehene Leibeshöhle zu betrachten. Das Blut
^46 III' Abschn. Die Organe der Ernährung.
badet in ihr direct den Schlundkopf , Schlund, Speichel-
drüsen, Magen, Ganglienring, die Hauptnervenstränge und
die aorta anterior s. ascedens. Durch zwei aus dieser
Lacune entspringende Hohlvenen wird das Blut in die
sogenannten (nicht pulsirenden) Kiemenherzen und in die
Kiemen geleitet. Die Mantelvenen münden direct in die
Kiemenherzen.
Etwas anders sind diese Verhältnisse bei den Loli-
ginen. Bei ihnen umgiebt ein venöser Sinus, der das
Blut aus den (nur eine Vene habenden) Armen und der
Mundgegend empfängt, den Schlundkopf und setzt sich
nach hinten mit dem Oesophagus in die Höhlung des
Kopfknorpels fort , in der das Gehirn liegt. Dieser Sinus
dehnt sich aber nicht weiter aus, wie es bei den Octo-
poden der Fall ist, sondern alles Blut des Abdomens
läuft in eigenen Venen. Eine starke veiia cephalica steigt
mit dem Darmkanal herab und theilt sich in zwei Hohl-
venen. In die linke Hohlvene mündet die grosse vena
hepatica posterior, in die rechte ein vom Rectum und
dem Tintenbeutel kommender Venenstamm und eine Ge-
nitalvene. Gleicher Weise öffnen sich die Venen der
Flossen und die Mantelvenen in die ven^e cavae.
6. Das Gefässsystem der Wirb elthier e.
Auch hier steht Branchiostoma isolirt unter allen
Wirbelthieren , indem bei diesem Fische das Gefässsystem
wegen Abwesenheit des Herzens, bei Contractilität aller
grösseren Gefässstämme eine merkwürdige Uebereinstim-
mung mit dem Circulationsapparate der Anneliden zeigt.
Ein grösserer, unter der Kiemenhöhle gelegener Stamm
ersetzt das Kiemenherz der übrigen Fische; er empfängt
das Blut aus dem Hohlvenenstamme und treibt es durch
3. Kap. Das Gefässsyslein. 247
zahlreiche kleine Bulbillen in die Kiemenarterien, deren
man 25 bis 50 zählt. Aus den Kiemen sammelt sich das
Blut in eine Körperaorta , über dem Kiementhorax , zu
welchem auch vorn zwei lierzartige Aortenbogen aus der
das Kiemenherz repräsentirenden Röhre führen. Ausser
diesen erwähnten Gefässen gehört zu den grösseren con-
tractilen Stämmen ein an der Bauchseite des Intestinum
gelegenes Pfortaderlierz. Ein Herzbeutel ist nicht da.
D e r H e r z b e u t e 1. D a s H e r z. D i e i n d a s H e r z ni ü n d e ii-
den und aus dem Herzen kommenden Stämme.
Das Herz der Wirbelthiere ist mit einem Herzbeu-
tel versehen, dem der Herzbeutel der Mollusken analog
ist, mit dem man aber nicht den venösen Sinus der Cru-
staceen verwechseln darf. In ihm liegt das Herz gewöhn-
lich in der Art, dass der sich (wie eine Zipfelmütze) ein-
stülpende Herzbeutel auch einen unmittelbaren üeberzug
bildet. Bei den Cyclostomen (mit Ausnahme von Pe-
tromyzon)^ den Stören, Chimären und Plagiostomen com-
municirt die Herzbeutelhöhle durch eine Klappe oder
Röhre mit der Bauchhöhle.
Fische. Das an der Kehle, zwischen den Seiten-
theilen des Schultergürtels und unter dem Kiemengerüst
gelegene Herz der Fische ist Kiemenherz; es em-
pfängt das venöse Blut des Körpers und treibt es in die
Kiemen, von wo es nicht zum Herzen zurückkehrt, son-
dern in die Körperarterien übergeht. Es besteht aus
einer Vorkammer und einer Kammer; nur bei Lepi-
dosiren finden sich zwei Vorkammern , eine linke für das
Lungenvenenblut, eine rechte für das Körpervenenblut.
Der auf die Kammer folgende Arterienstiel (trimcus
s. bulbm arteriosiis) bietet wichtige fundamentale Unter-
248 m» Absclin. Die Organe der Ernährung.
schiede dar. Bei den Cyclostomen und den eigentlichen
Knochenfischen sind an der Uebergangsstelle zwei Klap-
pen, welche den Rücktritt des Blutes, in die Kammer
hindern. Von den Cyclostomen unterscheiden sich aber
die Knochenfische, dass bei diesen die contractile Ge-
fässschicht, welche durch die Kiemenvenen und Körper-
arterien geht, eine beträchtliche Anschwellung bildet.
Bei den übrigen Knorpelfischen aber und den Ganoiden
sind im biilbus arteviosus selbst drei bis sechs Klappen-
reihen angebracht, und der bulbus hat einen eigenthümli-
chen , sehr plötzlich aufhörenden Muskelbeleg von der-
selben Beschaffenheit wie die Muskelsubstanz des Herzens,
woraus sich ergiebt, dass man den bulbus arteviosus der
genannten Fische nicht als gleichbedeutend mit dem
bulbus arteviosus der Cyclostomen und der eigentlichen
Knochenfische , sondern als eine wirkliche Herzabtheilung
betrachten muss.
Der aus dem tvuncus avteviosus hervorgehende Kie-
menarterienstamm gicbt rechts und links die Kiemenarte-
rien ab. Die Kiemenvenen treten zur Bildung der aovta
descendens zusammen , nachdem sie bei den meisten Fi-
schen schon die Caroditen und andere für das Herz, das
Zungenbein, den Kiemenapparat u. s. w. bestimmte Ar-
terien abgegeben. Indem bei den Knochenfischen die aus
der Vereinigung der Kiemenvenen entstandenen Bogen
sich auch vorn unter der basis cvanii vereinigen , entsteht
der sogenannte civculus cephalicus s. avteviosus. Indem
sich bei Amphipnous die Venen der Athemsäcke, so wie
die Venen des 2. und 3. Kiemenbogens nicht in die Aorta,
sondern in die venae iugid. ergiessen , erhält das Herz
dieses Fisches, sowie der Dipnoi und der Amphibien
nicht blos venöses, sondern auch arterielles Blutj auch
3. Kap. Das Gefässsystem. 249
werden bei diesem Fische alle Weichtheile des Kopfes
aus dem Kiemenarterienstamme mit Blut versorgt. Letz-
teres geschieht auch bei der dem Amphipnons nahe ste-
henden Gattung ßlonopterus , obgleich ihm die Athemsäcke
fehlen. Hier respiriren vielleicht die Capillaren der
Mund- und Schlundschleimhaut (Hyrtl).
Nackte Amphibien. Die mit Kiemen athmenden
Batrachierlarven und Perennibranchiaten schliessen sich
mit ihrem Kreislauf eng an die Fische an , indem sich
Klappenreiben im bulbiis avteriosus finden, und die venae
branchiales nicht , wie die Lungenvenen , zum Herzen zu-
rückkehren, sondern nach Abgabe der Arterien für die
vorderen Körpertheile sich zu einer aorta descendens
vereinigen.
Das Herz der nackten Amphibien hat zwei, nur bei
Proteus nicht vollständig getrennte Vorkammern und eine
einfache Kammer. Die linke Vorkammer empfängt das
Lungenvenenblut , die rechte das Körpervenenblut, und
beide Blutarten werden aus der Kammer von einem trun-
ctis avteriosus aufgenommen, aus welchem ausser den
Lungenarterien und mit Abgabe der Carotiden und eini-
ger anderen für den Kopf bestimmten Arterien ein oder
mehrere Paare Aortenbogen entspringen; diese vereinigen
sich zur aorta descendens.
Indem bei der Systole zuerst die grössere Menge des
venösen Blutes in den rechts entspringenden Bulbus art.
und von da durch die Lage der unvollkommenen Schei-
dewand dieses bulbus und einer an der Abgangsstelle des
Aortabogens liegenden Klappe (Brücke) in die Lungen-
arterien gedrängt wird , worauf bei zunehmender Span-
nung die Wege in die eigentlichen arteriellen Gefässe
250 III« Absclin. Die Organe der Ernährung.
dem arteriellen Blute sich öffnen, findet keine beträcht-
liche Mischung der beiden Blutarten statt.
Beschuppte Amphibien. Bei den beschuppten
Amphibien sind zwei Vorkammern und Kammern vorhan-
den, letztere communiciren jedoch in den meisten Fällen
mit einander, und nur bei den Krokodilen findet sich ein
vollständig geschlossenes septum ventricnlorum. Das Lun-
genvenenblut tritt in die linke Vorkammer und aus die-
ser in die linke Kammer, welche es gewöhnlich in die
rechte Kammer treibt. In diese strömt auch das venöse
Blut aus der rechten Vorkammer und sowohl die Aorten-
bogen als die Lungenarterien entspringen aus ihr. Durch
Klappenvorrichtungen ist es jedoch möglich gemacht, das
Blut zum Theil abzusperren und, jenachdem das Thier
athmet oder nicht athmet, und die Kammer mehr mit ar-
teriellem oder mit venösem Blute gefüllt ist, das Blut
zum Eintritt in die Körper- oder Lungenarterie zu ver-
mögen. Die Arterienbogen entspringen bald getrennt aus
der Herzkammer, wie bei einem Theile der Schildkröten,
wo der rechte bald nach seinem Ursprünge einen Stamm
für die vorderen Körpertheile , die linke aber mehr an
der Stelle, wo sie sich mit der rechten zur Aorta ver-
einigt, die coeliaca abgiebt, und bei den Ophidiern, wo
auch vor der Vereinigung zur Aorta mehrere Arterien-
stämme abgehen. Bei einem anderen Theile der Schild-
kröten und den Sauriern ist ein truncus arteriosus vor-
handen, aus welchem bei den Sauriern jederseits zwei
Aortenbogen entspringen, die sich, nach Bildung einer
rechten und einer linken Aortenwurzel , zur aorta desceri'
dens vereinigen. Trotz der geschlossenen Herzscheide-
wände gelangt auch bei den Krokodilen kein rein arte-
rielles Blut in den Körper, indem die aus der linken,
3. Kap. Das Gefässsystem. 251
also rein arterielles Blut enthaltenden Kammer kommende
aorta dextra an ihrem Ursprünge mit der venöses Blut
führenden und der rechten Kammer angehörigen, aber
schwächeren aorta sinutra communicirt. Die Krokodile
haben sich jedoch dem Typus der Vögel und Säugethiere
am meisten genähert.
Vögel und Säugethiere. Erst bei ihnen ist
eine vollkommene Scheidung des arteriellen und venösen
Systems eingetreten, und nie, wenigstens nicht bei aus-
gewachsenen Thieren, communiciren die Herzabtheilungen,
zwei Kammern und zwei Vorkammern mit einander. Bei
den Vögeln nimmt der den linken an Ausdehnung über-
treffende rechte Vorhof die drei Hohlvenen auf; aus der
rechten Kammer, welche gegen den Vorhof durch eine
lange, dicke, muskulöse Klappe geschlossen wird, geht
die Lungenarterie ab, geschieden durch drei vahulae se-
milunares. Die beiden Lungenvenen ergiessen ihr Blut
in die linke Vorkammer. Der Eingang aus dieser in die
linke Kammer ist mit einer dünnhäutigen zweizipfeligen
Klappe versehen, und die durch ihre ausserordentlich
dicken Wandungen sich auszeichnende linke Kammer hat
am Eingange in die Aorta auch drei halbmondförmige
Klappen. Das Herz der Säugethiere stimmt noch
mehr im Wesentlichen mit dem menschlichen überein,
Bemerkenswerth ist die sinusartige Erweiterung der ar-
teria pulmonalis vieler Taucher (Delphin, Seehund u. a.),
Sie dient zur Ansammlung des venösen Blutes^ während
das Thier unter Wasser ist und nicht athmen kann.
Accessorische Herzen kommen sowohl an dem
Arterien- , als an dem Venensystem vor. Hierher gehört
die muskulöse Anschwellung an der arteria axillaris der
Chimären und Torpedo. Ein Venenherz sehen wir an der
252 ni. Abschn. Die Organe der Ernährung.
Vena caudalis von AnguWa und Muraenophis^ ein Pfort-
aderherz bei den Myxinoiden.
Allgemeine Uebersicht über das Arteriensystem.
Die Natur hat uns in der Umwandlung der Kiemen-
athmung in die Lungenathmung bei den nackten Amphi-
bien und in der Entwicklung des Gefässsystems der hö-
heren Thiere die Mittel in die Hand gegeben, das Äor-
tensystem der Fische mit den Lungengefässen und den
Aorten der Luftathmer zu vergleichen. Indem die Kie-
men mit den auf und an ihnen verlaufenden Gefässen eine
Rückbildung erleiden und verschwinden , zu gleicher Zeit
aber die vorher sehr unbedeutenden Communicationszweige
zwischen Kiemenarterien und Kiemenvenen stärker ge-
worden sind, entstehen mehrere Paare von Gefässbogen.
Das vordere , ohne sich zu vereinigen , giebt die Arterien
für Hals oder Kopf ab; das oder die hinteren Paare tre-
ten zur Bildung der aorta descendens zusammen. Aus
einem dieser Bogenpaare sind auch die Lungenarterien
entsprungen, deren Wachsthum mit der Ausbildung der
Lungen vorwärts schreitet, und deren Entstehung später
jederseits durch einen ductus arteriostis Botalli, d. h. ei-
nen Verbindungszweig zwischen Lungenarterie und Aorta
angezeigt wird. Auch bei den Embryonen der höheren
Thiere finden sich Anfangs mehrere Aortenbogen, aus
welchen sowohl die Lungenarterien als die Gefässe der
vorderen Körpertheile gehen. Erst später treten die
Lungenarterien bis zum Herzen zurück und communiciren
dann nicht mehr mit der Aorta. Die Vögel, Säugethiere
und der Mensch behalten nur einen Aortenbogen übrig.
So sind also alle diejenigen Gefässe, welche von den
Kiemenvenen vor ihrer Vereinigung zur Aorla abgegeben
3. Kap. Das Gefässsystem. 253
werden, denjenigen Arterien der höheren Thiere analog,
welche im Fötalzustande derselben aus den Aortenbogen
kamen oder aus dem bleibenden Aortenbogen entspringen.
Wiewohl die Aorta die vornehmste , die Wirbelsäule
begleitende Arterie ist, giebt es doch noch andere, längs
der Wirbelsäule verlaufende Arterien , welche besondere
Systeme bilden, die theils zusammen vorkommen, theils
sich ersetzen, und durch deren allgemeine Betrachtung
erst die Anordnung des Arteriensystems beim Menschen
sich begreifen lässt*).
1. System der arter ia subvertebralis impar. So wird
die Arterie bezeichnet, welche bei allen Wlrbelthieren
gewöhnlich aorta descendens genannt wird , bei den Myxi-
noiden aber auch, aus den Kiemenvenen entstehend, als
aorta ascendens unmittelbar nach vorn sich fortsetzt.
Hierher gehören also: aorta descednens,
arteria sacralis media s. caudalisj
arteria vertebralis impar (Schlangen,
Myxinoidenj ,
arteria vertebralis media capitis (My-
xinoiden).
Aus diesem System werden vorzugsweise die Einge-
weide versorgt.
2. System der arteriae subvertebrales laterales^ zwei
Stämme, welche durch ihre Lage zur Seite der subver-
tebralis impar und , Avie diese , unter der Wirbelsäule,
unter und vor den Rippenköpfchen , bestimmt werden.
*) Wir halten uns hierbei an die Darstellung von J. Müller
in der unten citirten Schrift.
254 'II- Absclm. Die Organe der Ernährung.
arteria cervicalis profunda \
inier CO stalis prima | Mensch
iliolumbalis \ und Säu-
sacra lateralis | gethiere,
caroiides J
subvertebrale Stämme der Kopfarterien
der Fische (cirailus cephalicus).
3. System der arteriae vertebrales laterales 5. trans-
versales, Sie liegen über den Rippenköpfchen oder im
Kanal der Querfortsätze.
arteria vertehralis (Mensch, Säugeth.,
Vögel , Krokodile).
art intercostalis communis anterior und
posterior (Vögel, Schildkröten).
Die intercostalis prima des Menschen ist also nicht
der art. intercostalis comm. anterior der Vögel und Schild-
kröten analog. Beide ersetzen sich in der Abgabe von
Intercostalästen.
4. System der arteriae spinales anteriores und po-
steriores am Rückenmark. Diese Arterien können aus je-
dem der drei erstgenannten Systeme entspringen ; sie be-
geben sich durch die Intervertebrallöcher. So allgemein
aufgefasst, muss man die carotis cerebralis mit ihren Ver-
zweigungen hierher rechnen, analog den arteriae spinales
der Wirbelsäule.
5. System der arteriae epigastricae.
Unpaarige epigastrica descendens aus
den Kiemenvenen einiger Fische (Lu-
cioperca, Aspro).
Paarige epigastrica asceudens und de-
scendens aus der subclavia von Esox.
mammaria interna siv. epigastrica an-
terior und
epigastrica inferior der übrigen Wir-
belthiere.
3. Kap. Das Gefasssystem. 255
6. System der arteriae intercostales.
iniercostales ventrales , aus den epi-
gastricaej
iniercostales dorsales, verschiedenen
Ursprungs.
Allgemeine Uebersicht über das Venensyslem *).
In allen Wirbelthieren findet sich ursprünglich die-
selbe oder eine nur wenige Abweichungen zeigende An-
lage des Venensystems, die indessen nur bei den Fischen
persistent bleibt, bei den übrigen aber sehr bedeutende
Veränderungen erleidet. Die Embryonen der Wirbelthiere
haben zwei Paar Venenstämme, von denen man das vor-
dere die Jugularvenen oder vorderen Kardinal-
venen, das hintere die hinteren Kardinalvenen
oder auch blos Kardinal venen nennt. Indem beide
Stämme jeder Seite sich vereinigen, bilden sie zwei quere
Stämme, die ductus Cavieri, welche, zu einem gemein-
samen Gange vereinigt, sich in die ursprünglich einfache
Vorkammer des Herzens ergiessen. Bei den Fischen
bleibt der linke Stamm der hinteren Kardinalvenen gegen
den rechten zurück und dieser letztere allein hängt spä-
ter mit der oder den beiden Schwanzvenen {vena caudal,
profunda) zusammen. Eine Asymmetrie wird bei den
Fischen herbeigeführt, indem die hinteren Kardinalvenen,
zu einem gemeinschaftlichen Körpervenenstamm vereinigt,
mit der vena iugidavis sinistra einen sinus venosus bilden,
in welchen sich die vena iugidaris dextra einsenkt.
Bei den Schlangen bleiben von den Kardinalvenen,
nachdem sie sich von den ductus Cuvieri losgelöst, nur
die sogenannten venae renales advehentes als Fortsätze der
*) Nach J. Müller und H. Rathke in den unten cit. Schriften.
256 III. Abschn. Die Organe der Ernährung.
venu caudalis übrig, mit denen bei den Fröschen, Ei-
dechsen und Krokodilen sich die Venen der Hinter-
beine verbinden. Bei den Vögeln gehen die Reste der
hinteren Kardinalvenen als venae renales advehentes in
die venae iliacae. Bei den Säugethieren gehen, nach-
dem die hinteren Hälften der hinteren Kardinalvenen ver-
schwunden, die Schwanzvenen in die unterdessen ent-
standenen vetiae hypogastricae über« Die vorderen Hälften
der Kardinalvenen verschwinden nicht gänzlich und wer-
den zum oberen Ende der vena azygos und hemiazygos,
die bei mehreren Säugethieren (Schwein, Wiederkäuer
u. a.) getrennt bleiben.
Bei den Schlangen, Vögeln und Säugethie-
ren verkürzt sich der gemeinsame Kanal der Cuvier'-
schen Gänge und wird in die sich erweiternde, ur-
sprünglich einfache Vorkammer mit aufgenommen, so dass
dann jeder Gang für sich , nach Entstehung der Scheide-
wand , in das rechte atrium mündet. Sie erscheinen dem-
nach bei den Amphibien, Vögeln und einigen Säugethieren
(Fledermaus, Ratte, Kaninchen u. a.) als die zwei obe-
ren Hohlvenen. Bei anderen Säugethieren bildet sich
zwischen den venae iugulares eine Anostomose , der Theil
der linken lugularvene zwischen der Anastomose und dem
ductus Cuvieri ihrer Seite wird resorbirt, daher nur der
rechte ductus Cuv. als vordere Hohlvene auftritt,
der linke aber als das vordere Ende der vena hemiazygos
übrig bleibt. Bei den Thieren mit vorderen Extremitäten
ergiessen sich die venae subclaviae in die lugularvenen.
Die beiden Venenstämme vor dem Herzen bei den
Embryonen vielleicht aller Wirbelthiere sind die lugu-
larvenen, welche die Venen aus dem Schädel, dem Ge-
sicht und der Zunge aufnehmen. Die meisten Wirbelthiere,
3. Kap. Das Gefässsystem. 257
nämlich die Fische, Frösche, Schlangen, Vögel und ein
Theil der Säugethiere (viele Nager, Pferd, Wiederkäuer)
behalten jederseits nur eine, der vena iugularis externa
des Menschen entsprechende Drosselvene; bei den Ei-
dechsen und Krokodilen aber und anderen Säugethieren
bildet sich eine zweite Drosselvene (v. uiyularis interna)
aus der ersten hervor. Indem bei den Vögeln die beiden
lugularvenen mit einander anastomosiren, erlangt ge-
wöhnlich die rechte eine grössere V^eite als die linke,
und letztere kann sogar (bei den Spechten) ganz ver-
schwinden.
Mit Ausnahme der Fische , wo das System der lugu-
lar- und Kardinalvenen bleibt, treten bei den V^irbel-
thieren Vertebralvenen auf, welche die Venen der Wir-
belsäule und Rippen aufnehmen , die früher mit den lugu-
lar- und Kardinalvenen zusammenhingen. Man bezeichnet
sie als venae vertebrales anteriores und ^posteriores , die
sich jedoch sehr verschieden hinsichtlich ihrer Lage zu
den Wirbeln verhalten, indem sie bald unter den Quer-
fortsätzen, bald über den Rippenköpfchen sich befinden,
und die man, analog den Arterien, auch in mehrere Sy-
steme bringen kann. So erhält man folgende:
1. System der paarigen Subvertebralvenen. Will
man consequent die Venen nach ihrem Verhältniss zur
Wirbelsäule gruppiren, so darf man das System der hin-
teren Kardinalvenen der Fische nicht als dem System der
vena azygos und hemiazygos der höheren Wirbelthiere,
denen die venae vertebrales inferiores der Batrachier und
Ophidier entsprechen, fremd betrachten, sondern die hin-
teren Kardinalvenen der Embryonen und dieselben per-
sistenten Adern der Fische werden nur durch die vena
azygos und hemiazygos wiederholt. Am Halse der Säu-
17
258 in. Abschn. Die Organe der Ernährung.
gethiere sind die Analoga dieser (von Müller wegen
ihrer ursprünglichen Symmetrie cojijugatae genannten
Venen die venae pvofundae cervicis.
2. System der venae vertebrales laterales s. transver-
sales; liegen wie die gleichbenannten Arterien über den
Rippenköpfchen oder im Kanal der Querfortsätze. Es
sind die venae vertebrales am Halse der Schildkröten, Vö-
gel und Säugethiere (venae vertebrales profnndaej, die
venae vertebrales posteriores der Chelonier , Krokodile und
Vögel, welche hier für das System der azygos auftreten.
3. System der vena subvertebralis media. Diess ist
das System der hinteren Hohlvene, welche sich bei den
Amphibien, Vögeln und Säugethieren findet, und dem
das Pfortadersystem untergeordnet ist. Bei den Fischen
wird das System der unteren Hohlvenen allein durch das
Pfortadersystem repräsentirt.
Die Wundernetze.
Ausser der feinen Zertheilung der Gefässe in den
Kapillarnetzen, zum Zweck der Ernährung, und in den
Blutdrüsen ohne Ausführungsgänge finden wir auch sehr
häufig noch eine andere Art von Gefässzertheilung, die
schon längst unter dem Namen der Wundernetze (rete
mirabile) bekannt ist. Die Wundernetze kommen sowohl
an den Arterien als an den Venen vor und in verschie-
dener Anordnung. Entweder geht das Gefäss nur einmal
in die anastomisirenden oder nicht anastomisirenden Ka-
näle des Wundernetzes über, und diese zertheilen sich
zuletzt in die Kapillaren (diffuse oder unipolare
Wundernetze, rete mirab. unipolare), so dass das Wun-
dernetz nur einen Wirbel hat; oder die Röhren des
Wundernetzes sammeln sich wieder zu einem oder meh-
3. Kap. Das Gefässsystem. 259
reren Stämmen, und diese erst nach weiterem Verlauf
gehen in das Kapillarnetz über (bipolare oder am-
phicentrische Wundernetze). In beiden Fällen kann
die Bildung des Wundernetzes sich einfach auf die Ar-
terien oder Venen (ret. mirab. simplex) , oder auf Arte-
rien und Venen zugleich (r. m. geminum) erstrecken, wo
dann die Zweige der arteriösen und venösen Theile des
Wundernetzes zwischen und neben einander zu liegen
pflegen, so dass sie sich berühren, ohne mit einander
zu communiciren. Wir wollen die vorzüglichsten Wun-
dernetze aufi'ühren.
1. Das Wundernetz der Pseudobranchie.
Die sogenannten Nebenkiemen oder Pseudobranchien sind
gefäss- und blutreiche, den meisten Fischen zukommende
Organe, welche zum Theil ein kiemenartiges Aussehen
haben , zum Theil drüsenartig sind und bei den Knochen-
fischen im vorderen und oberen Theile der Kiemenhöble
liegen, bei den Plagiostomen aber am vorderen Rande
des Spritzloches angewachsen sind. Die kiemenartigen
Pseudobranchien liegen frei, die drüsigen sind von Haut
und Muskeln bedeckt und oft sehr versteckt. Die feine-
ren Elemente beider Arten sind gleich; es sind Feder-
chen, gebildet aus knorpeligen Stielen, welche zwei
Reihen von Blättchen tragen. Die Pseudobranchie erhält
arterielles Blut von der arteria hyoideo-opercularis (aus
der ersten Kiemenvene) oder vom circuhis cephalicus.
Die Arterie vertheilt sich in den Federchen in abwei-
chender Weise, als die Gefässvertheilung auf den Kie-
menblättchen ist, indem nicht ein feines Gefässnetz ge-
bildet wird, sondern der Arterienzweig eines jeden Blätt-
chens nur in wenigen Bogen zur Vene gelangt. Die Vene
17
260 IH« A.bsclm. Die Organe der Ernährung.
der Pseudobranchie ist die arteria ophthalmica magim für
die Chorioidaldrüse und die Chorioidea.
Die Pseudobranchie bietet also ein Beispiel eines rete
mirabile bipolare simplex dar.
3. Die Chorioidaldrüse der Fische und
die Wundernetze der chorioidea der übrigen
Wirbelthiere. Die Chorioidaldrüse der Fische ist
eins der ausgebildetstenj Wundernetze, ein bipolares Zvvil-
lingswundernetz. Sie steht in genauer Beziehung zur
Pseudobranchie, indem sie bei den allermeisten Knochen-
fischen, welche letztere besitzen, gleichfalls beobachtet
ist, bei anderen aber, die die Pseudobranchie nicht haben
(z. B. Welse, Aale), auch fehlt. Nur die |Störe und Pla-
giostomen haben die Pseudobranchie ohne die Chorioidal-
drüse. Die Vena ophthalmica magna bildet, ehe sie sich
auf der chorioidea verzweigt , ein amphicentrisches Wun-
dernetz, und zwischen diesen Röhren liegt das gleichfalls
amphicentrische Wundernetz, in welches die Chorioidal-
venen vor ihrem üebergange in die vena ophthalmica magna
sich verzweigen.
Auch die übrigen Wirbelthiere haben Wundernetze
der chorioidea y aber diffuse. Bei ihnen ist die Chorioi-
daldrüse das äussere Blatt der chorioidea, in welchem
die gröbere Verzweigung der arteriae ciliares posteriores
breves vor sich geht, und hieraus erst entspringt das ei-
gentliche tiefere Kapillarnetz der Aderhaut. Mit den
Venen verhält es sich ebenso.
3. Die Wundernetze der Karotiden. Die
aus der ersten Kiemenvene entspringenden Karotiden der
Plagiostomen bilden in der Gegend der Augenhöhlen ein
amphicentrisches Wundernetz. Diess ist auch bei den
Vögeln an dem für die Augen bestimmten Aste der caro-
3. Kap. Das Gefässsyslem. 261
tis interna häufig. Bei den Säugethieren ist es namentlich
die carotis cerebralis (Wiederkäuer , Pachydermen), wel-
che im Inneren des Schädels in ein bipolares Wundernetz
übergeht. Ein sehr schönes Wundernetz wird bei der
Katze durch die inneren Gesichtsarterien gebildet hinten
in der Augenhöhle.
Die art. sphenopalatina^ eine unmittelbare Fortsetzung
der carotis, bildet bei denselben pflanzenfressenden Säu-
gethieren, welche das carotische Wundernetz besitzen
(Antilope, Capra , Geis, Cerviis, Bos, Scrofa und wahr-
scheinlich noch anderen) ein ausgezeichnetes Nasal wun-
dernetz. Dasselbe überzieht sämmtliche Wandungen
der Nasenhöhle mit Ausnahme der Siebbeinzellen , d. h.
die der Berührung mit der eingeathmeten Luft ausgesetzte
Fläche der Nasenhöhle, mit Ausnahme der eigentlichen
Riechsphäre, und unterscheidet sich dadurch von allen
übrigen bisher bekannt gewordenen Wundernetzen, dass
die Kapillargefässe unmittelbar von seinen Stämmen ab-
gehen, während sie sonst durch allmähliche Verjüngung
der Arterienzweige entstehen.
4. Die Wundernetze der Schwimmblase.
Das Gefässsystem der Schwimmblase der Fische zeigt
alle mögliche Formen der Wundernetze. Ein diffuses,
über die ganze Schwimmblase ausgebreitetes, besitzen die
Cyprinen; auch die Hechte haben diffuse Wundernetze in
Form von Wedeln , zwischen denen das eigentliche Ka-
pillarnetz, aber in geringer Ausdehnung, sich befindet.
Gewöhnlich aber sind diese Wundernetze noch mehr con-
centrirt, indem es zur Bildung der sogenannten rothen
Körper oder Blutgefässkörper kommt. Diese finden sich
als bipolare Wundernetze u. a. bei Gadus, Perca, Lu-
cioperca, am vollständigsten bei den Aalen.
262 IH- Abschn. DiefOrgane der Ernährung.
5. Die Wund er netze am chylopoetische
System. Diese Wundernetze geboren zu den vereinzel-
ten Erscheinungen. Sie kommen namentlich bei einigen
Haien, den Thunfischen und dem Schweine vor.
Bei Lamna comubica muss alles für Darm, Magen,
Leber, Milz, Pancreas bestimmte Blut vor der Verthei-
lung auf die Eingeweide durch zwei , im obersten Theile
der Bauchhöhle vor und seitlich vom Schlünde liegende
Wundernetz, durch welche auch die Venen zurückkehren.
Ein unipolares Wundernetz findet sich am Klappendarm
von Squalus vulpes. Noch complicirter , als bei Lamna
comubica ist die Bildung der retia mirabilia bei den
Thunfischen , indem bei ihnen nicht nur der grösste Theil
der Eingeweidearterien vor ihrer Vertheilung, sondern
auch die Gefässe des Pfortadersystems, ehe sie in die
Leber treten, durch die amphicentrischen Wundernetze
gehen. Die kleineren derselben sind spindelförmig, die
grösseren gleichen Kegeln , die mit ihrer Basis der Leber
angew^achsen sind.
Beim Schweine bilden die Gekrösarterien ein diffuses
Wundernetz.
6. Intercostal wundernetze werden bei den
ächten Cetaceen durch die arteriae intercostales gebildet.
7. Die Wundernetze an den Extremitäten
und im Schwänze finden sich bei vielen Säugethieren;
so an der arteria brachialis der Cetaceen, an der art.
brachialis und cruralis mehrerer Edentaten (Faulthier,
Gürtelthier) , Tarsier u. a. Bei den Raubvögeln, beson-
ders Sarcoramphus gryphus werden die artt. radialis und
cubitalis^ auch die brachialis profunda und die axillaris
von einem dichten venösen Netze umsponnen und wie
von pinftr Scheide umgeben. An den Beinen von Carbo
3. Kap. Das Gefässsystem. 263
corrn., und Cygnus olor umspinnen venöse Plexus einen
Theil der arter. tibialis. Am Schwänze sind sie bei Myr-
mecophaga und Braclypus beobachtet. Auch die Venen
können daran Theil nehmen. Diese Netze gehören zu den
unvollkommensten , da sie sich häufig nur auf das Zer-
spalten eines Theils des Gefässes in eine nicht gar grosse
Anzahl Nebenzweige beschränken, durch welche der
Hauptstamm hindurchtritt.
Den Nutzen der Wundernetze hat man haupt-
sächlich in einer mechanischen, localen Verlangsamung
gesucht, eine Erklärung, die freilich für die venösen
Netze ganz unbefriedigend ist. Allerdings wird in der
Regel wegen der vermehrten Reibung der Blutlauf ver-
langsamt werden. Damit aber wird ein reichlicherer
Stoffwechsel möglich , und nun sind die venösen Netze an
ihrem Platze. Eine solche Auffassung scheinen z. B. die
Gekröswundernetze des Schweines zu verlangen. Anders
die Wundernetze der Extremitäten von Bradypus, Hier
scheinen sie ein Mittel zu sein, bei den lang anhalten-
den Muskelcontractionen dem Zusammendrücken der Adern
vorzubeugen und den Blutlauf ungehemmt von Statten
gehen zu lassen. Aehnliches wird für die rein venösen
Wundernetze am Flügel der hoch und anhaltend fliegen-
den Vögel gelten, und auch an den Beinen der Vögel
scheinen sie den Druck des tibialis anterior und seiner
Flechse paralysiren zu sollen.
Das Ly mph g ef äss sy s tem.
Das den Wirbelthieren (mit Ausnahme von Branchio-
stoma) allgemein zukommende Lymphgefässsystem entsteht
in Form eines Netzwerkes, das dem Kapillarnetz der
Blutgefässe ähnlich ist, aber stärkere Kanäle hat. Die
264 III. Abschn. Die Organe der Ernährung.
Lymphgefässchen finden sich in fast allen Organen , nur
in den Knochen und im Auge sind sie bis jetzt nicht be-
obachtet. Die aus den Netzen hervortretenden Zweige
sammeln sich zu grösseren, in die Venenstämme einmün-
denden Stämmen.
Bei den Fischen liegen ein oder mehrere solcher
Stämme unter der Wirbelsäule, andere unterhalb der
Seitenlinie, zwischen den Hälften des Seitenmuskels.
Letztere münden sowohl durch einen gemeinschaftlichen
Sinus in die vena caudalis, als, wie die oberen, in die
vorderen grossen Venenstämme.
Bei den Amphibien ist das Lymphgefässsystem
ausserordentlich entwickelt und bildet häufiger als bei den
übrigen Wirbelthieren grössere Cysternen , oder die Blut-
gefässstämme werden von den Lymphgefässen ganz um-
hüllt. Sie sammeln sich zu einem oder zwei, in die
vorderen Venenstämme einmündenden cluctus thoracici.
Eine eigenthümliche Erscheinung sind auch die Lymph-
herzen. Es finden sich deren bei den Fröschen vier,
bei den übrigen Amphibien zwei. Die vorderen Lymph-
herzen des Frosches liegen auf den Querfortsätzen des
dritten Wirbels, unter dem hinteren Ende der Schulter-
blätter. Die hinteren aller Reptilien liegen oberflächlich
oder auch verborgen unter den Rückenmuskeln (z. B. bei
Pseudopus Pallasii) in der regio ischiadica. Ihre ryth-
mischen Contractionen sind namentlich beim Frosch leicht
wahrzunehmen.
Bei den Vögeln spaltet sich ein grosser, vor der
Aorta verlaufender Stamm in zwei ductus thoracici, wel-
che in die obere Hohlvene gehen. Ein anderer, die
Kaudallymphgefässe vereinigender Stamm tritt in die seit-
liche Kaudalvene. Auch mehrere Vögel (z. B. die Stru-
3. Kap. Das Gefasssystem. 265
thionen) besitzen ein contractiles Lymphherz an dem oben
erwähnten Kaudalstarame, an dessen Stelle bei den mei-
sten nur eine häutige Erweiterung sich findet.
Die Säugethiere zeichnen sich vor den übrigen
Wirbelthieren dadurch aus, dass ihr Lyraphgefässsystem
sehr reich ist an sogenannten lymphatischen Drü-
sen (ganglla lymphalica)^ deren Yorlioramen an der Hais-
und Brustgegend der Vögel nicht sicher ist. Diese
Lymphdrüsen haben die grösste Aehnlichkeit mit den
amphicentrischen Wundernetzen der Arterien und Venen
und liegen meist ebenso zerstreut, aber doch an bestimm-
ten Orten vorzugsweise angehäuft, wie beim Menschen,
also namentlich am Halse, in der Achsel, Lendengegend,
im Mesenterium. Besonders bei vielen Raubthieren, den
Delphinen und Robben entsteht durch die Vereinigung
fast aller Mesenterialdrüsen das von seinem Entdecker
sogenannte ;9awcrea5 Asellii^ aus w^elchem bei den Robben
nur ein einziger Gang, der cluctus Rosenthallanns führt.
Aus einer unter dem Zwerchfell befindlichen Lymphcy-
sterne gehen ein oder zwei ductiis thoracici. Sind es
zwei, so vereinigen sie sich bald, und dieser Stamm tritt
in die linke Schlüsselbeinvene, während kleinere Zweige
in die rechte vena subclavia und iugularis münden.
Fr. Will, Blutgefässsystem von Älcyonhim palmaium. Fror. Not.
B. 28. 1843.
Mi Ine -Edwards, Recherches pour servir ä Vhistoire de la cir-
culation du sang chez les Annelides. Ann. d. sc. nat. 2 ser.
X. 1838.
Audouin et Millne Edwards, Recherches anatomiqiies et phy-
siologiques sur la circulation daiis les Crnstaces. Ann. d.
sc. n. XI. 1827.
Das Blutgefässsystem der Daphnien ist sehr ausführlich beschrieben
266 III. Abschn. Die Organe der Ernährung.
in der Monographie von E. Schodler, lieber Acanthocer-
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G. Newport, Oii the structur, relations and development of the
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S. auch Fror. Not. B. 28. 1843.
Verloren, Memoire en reponse ä la question suivante: eclaircir
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par VAcademie royale de Belgique T. 19. 1847). Dasselbe in
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J. Müller, Vergleichende Anatomie der 3Iyxinoiden. Dritte Fort-
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H. Rathke, lieber den Bau und die Entwicklung des Venensystems
der W^irbelthiere. In: Dritter Bericht über das naturwissen-
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J. Hyrtl, Beiträge zur vergleichenden Angiologie. Wien, 1849
(auch in d. I. Bande der Denkschriften [der math.-nat. Klasse
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Fortsetzungen in den folgenden Bänden.
Schröder v. d. Kolk et Vrolik, Recherches sur les plexus
vasculaires chez dijferents animaux. Ann. d. sc. nat. 1856.
(Aus dem Holländischen.)
Panizza, Sopra il sisfema linfatico dei retilli etc. Pavia y 1833.
J. Müller, lieber die Existenz von vier getrennten, regelmässig
pulsirenden Herzen, welche mit dem lymphatischen System in
Verbindung stehen, bei einigen Amphibien. Müll. Arch.
1834.
Viertes Kapitel.
Die Reispirationsor^ane.
Durch die Respirationsorgane wird die atmosphäri-
sche Luft mit der Ern'ährungsflüssigkeit oder dem Blute
so weit in Berührung gebracht, dass durch die trennen-
den Membranen hindurch ein Austausch von Stoffen, die
Oxydation und Decarbonisation des Blutes geschehen
kann. Mag nun aber die Luft unmittelbar geathmet wer-
den, oder die dem Wasser beigemengte Luft zur Respi-
ration dienen , immer ist es in den Respirationsorganen
auf eine Vermehrung der Oberfläche abgesehen , die frei-
lich auf eine ausserordentlich verschiedene Weise erzielt
werden kann.
Die Wasserathmung kann auf doppelte Art ge-
schehen, durch Kiemen und durch die sogenannten Was*
sergefässe. Die Kiemen sind gewöhnlich äussere An-
hänge von mannichfacher Form, in welchen das Blut die
atmosphärische Luft aufsucht, während durch die Was-
sergefässe das AVasser in grösserer oder geringerer Aus-
dehnung durch den Körper verbreitet wird und so mit
dem Blute in Berührung tritt, ohne dass dieses von sei-
ner allgemeinen Körperbahn abgelenkt zu werden braucht.
Daher haben diese Wassergefässe eine grosse Aehnlich-
268 III. Absclin. Die Organe der Ernährung.
keit mit den Athmungs Werkzeugen der Insekten, den
Tracheen, durch welche die Luft in alle Körpertheile
geleitet wird. Kann man auf diese Weise Tracheen und
Wassergefässe parallelisireUj so ist dies im Allgemeinen
auch mit den Kiemen und Lungen zulässig, indem man
die nächst den Tracheen für die Luftathmung be-
stimmten Lungen nicht unpassend mit eingestülpten Kie-
men verglichen hat, zu welchen das Blut in der Regel
auch in einer besonderen Bahn tritt. Dabei treffen wir
zahlreiche Modificationen ; so wird, um nur das abwei-
chendste Beispiel anzuführen, die Kieme der Holothurien
völlig lungenhaft, indem sie ganz in das Innere des Kör-
pers eingestülpt ist. In vielen Fällen unterscheidet sich
die Oberfläche der Körperanhängsel , welche man Kiemen
nennt, wenig oder nicht von der allgemeinen Hautober-
fläche, so dass alsdann die Kiemen sich nur durch ihren
grösseren Blut- und Gefässreichthum auszeichnen. Und
so kann , wo eine besondere Kiemenentwicklung nicht statt
findet, die Hautbedeckung selbst, namentlich wenn sie
eine zartere schleimhautartige Beschaffenheit angenommen,
als Athemorgan fungiren. Sie scheint jedoch nur selten
das alleinige Athemorgan zu sein.
1. Die Respirations Organe der Echinodermen*).
Bei den Echinodermen ist auf sehr mannichfache
Weise für die Athmung gesorgt, indem das Wasser theils
in die Leibeshöhle aufgenommen wird , theils durch eigen-
thümliche Kanalsysteme durch den Körper verbreitet,
theils auch durch besondere innere, vielleicht auch äus-
*) lieber die Respirationsverhältnisse der Polypen und Quallen
vergleiche man oben Seite 225 ff.
4. Kap. Die Respirationsorgane. 269
sere Kiemen mit den Blutgefässen in Berührung ge-
bracht wird.
Das in der Leibeshöhle der Echinodermen enthaltene
Wasser, dessen Aufnahme theils auf endosmotischem
Wege geschieht, wie bei den Asterien durch eine Menge
contractiler (geschlossener) Röhrchen auf dem Rücken,
theils direct durch besondere Oeffnungen, so bei den
Ophiuren durch die Interradialspalten , scheint von gros-
ser Wichtigkeit zu sein. Es bespült die Eingeweide und
deren Blutgefässe unmittelbar und wird durch Flimmer-
epithelium in bestimmter Strömung erhalten.
Eine zweite Athemvorrichtung ist in dem Wasser-
gefäss System gegeben, dessen radiäre Kanäle sich
nach den Arabulacris begeben , um die Ampullen der die
Bewegung vermittelnden Ambulacralbläschen zu füllen.
Auf den Wänden dieser Ampullen verbreiten sich Blut-
gefässe in sehr feinen Zertheilungen, und es dienen diese
Organe also zugleich zur Athmung. Die Radialkanäle
entspringen aus einem Ringkanal, der unweit des Mund-
poles in der Nähe des Nervenringes und des Blutgefass-
ringes sich hefindet. Die wichtigsten Anhänge dieses
Ringkanales sind diejenigen, durch welche das Wasser in
ihn gelangt; es sind ein, mehrere oder viele Kanäle,
deren Enden entweder frei in der Leibeshöhle flottiren
oder von den Körperwandungen ausgehen. Letzteres ist
am deutlichsten, wo eine oder mehrere sogenannte Ma-
dreporenplatten vorhanden, ein poröses Kalkgebilde,
durch welches das Wasser von aussen unmittelbar in
den zuführenden Kanal aufgenommen wird. Bei den
Asterien wird die Madreporenplatte durch den labyrinthi-
schen Steinkanal fortgesetzt. Als Analogon findet
sich unter den Echinen bei Cidaris ein in seinen Wänden
370 ni. Abschn. Die Organe der Ernährung.
dicht mit Kalkplättchen ausgestatteter, bei Echinus ganz
weicher Kanal , der von der Madreporenplatte zum Mund-
Wassergefässring herabsteigt. Auch die Ophiuren be-
sitzen diesen Kanal , der hier aber von einem Mundwin-
kel ausgeht; eine Madreporenplatte bemerkt man jedoch
nur bei den Euryalae, Hierdurch wird der Uebergang
zu den Holothurien gebildet, bei denen das Ende des
hier nur uneigentlicb so zu nennenden Steinkanals frei in
der Bauchhöhle endigt. Dieses Ende ist bei den Molpa-
dien, Chirodoten und Synapten mit einer madreporen-
plattenartigen Krone versehen. Bei den Crinoideen scheint
ein Analogon der Madreporenplatte in den sparsam porö-
sen Platten der Bauchseite der Scheibe gegeben zu sein.
Als zweite Gattung von Anhängen des Ringkanales
sind die beutel- oder schlauchförmigen sogenannten Po-
lischen Blasen zu erAvähnen.
Die fünf Paar tentakelartigen, contractilen und hohlen
Blättchen in der Nähe des Mundes der Echinoiden würde
man mit grösserer Gewissheit als äussere Kiemen
anzusehen haben, wenn man den Eintritt der Blutgefässe
in sie bemerkt hätte, was bis jetzt nicht geschehen.
Die Holothurien haben innere Kiemen. Der
Stamm derselben entspringt aus der Cloake des Darmka-
nals, durch welche das Wasser aus- und eingepumpt
wird , theilt sich aber bald in zwei , fast durch die ganze
Leibeshöhle ragende Aeste. Diese sind mit vielen ver-
zweigten Blindsäckchen besetzt, und der eine von ihnen
ist eng mit dem Darmkanale , der andere mit den Leibes-
wandungen verbunden.
2. Die Respirationsorgane der Würmer.
Infusorien. Man hat bis in die neuere Zeit ganz
4. Kap. Die Respirationsorgane. 271
allgemein aogenommen , dass die Infusorien der besonde-
ren Athraungswerkzeuge entbehrten , und dass ihre Re-
spiration lediglich durch die Haut vermittelt werde. Diese
ist auch, zumal wenn sie wimpert, ganz zu diesem Zweck
geeignet, allein diese Hautrespiration scheint doch bei
den meisten Infusorien nicht auszureichen. Als Respira-
tionsorgane müssen wir die c ontra et i len Blasen an-
sehen, welche bei den meisten Arten verschieden an
Zahl und Form beobachtet worden sind. Nach meiner
Entdeckung an Bursaria ieucas^ deren contractiles Organ
zahlreiche, über den ganzen Körper sich erstreckende
Ausstrahlungen im Zustande der Expansion besitzt, findet
sich an der contractilen Blase einer constanten Mündung
nach Aussen, und man kann beobachten, dass der
wasserklare Inhalt der Blase durch jene Mündung ent-
leert wird , und dass die Blase sich wieder von Neuem
füllt, mit einem Worte, dass sie ein Respirationsorgan
ist, gleichwertbig mit dem von mir bei den Turbellarien
nachgewiesenen Wassergefässsystem. Auch bei Para-
maecium mirelia habe ich die Oeffnungen der beiden con-
tractilen sternförmigen Organe beobachtet*).
*) Die Richtigkeit meiner Beobachtung einer Oeffnung ist von
Lieberkühn, Lach mann und Claparede (in Müll. Arch. 1856
und 57 und in den ausgezeichneten Etudes sur les Infusoires etc.
Geneve 1858, die mir leider erst jetzt, wo meine neue Auflage
im Druck ist, zugegangen sind) entschieden in Abrede gestellt.
Die contractile Blase sammt ihren Ausstrahlungen soll ein wirkliches
Gefässsystem sein. Nachdem aber meine Entdeckung u. a. durch
Rood (Sillm. Journal 1853. XV. ip. 10 an Paramaecium aurelia
bestätigt ist, und Stein, wie er mir schreibt und wie er in einem
demnächst erscheinenden Werke über die Organisation der Infusorien
näher auseinandersetzen wird, die Oeffnung an Bursaria leucas
überaus bestimmt und oft gesehen, kann über das Vorhanden-
sein derselben wohl kaum noch gestritten werden. Rood sowohl
272 HI- Absclm. Die Organe der Ernährung.
Strudelwürmer. Gewiss findet bei allen Stru-
delwürmern eine Hautrespiration statt. Besondere Re-
spirationsorgane sind in allen Ordnungen, besonders aber
bei den Rhabdocölen in Form eines Wassergefäss-
systems erkannt. Dieses besteht in der Regel aus zwei
Hauptkanälen , die entweder gesondert nach aussen mün-
den (Prostomiim, Derostomumy Typhloplana sulphurea)^
oder vermittelst starker Querkanäle durch eine gemein-
schaftliche Oeffnung das Wasser aufnehmen (z. B. Meso-
stomum). Die feineren Verzweigungen dieser AVasserka-
näle sind namentlich in Derostomum un'qmnctatum ver-
folgt. Das Wasser wird in ihnen durch hie und da an-
gebrachte Flimmerläppchen in Bewegung gesetzt, doch
scheint diess allein nicht auszureichen, die Stagnation zu
verhüten, und um das Wasser gänzlich zu erneuen, zie-
hen sich die Rhabdocölen oft plötzlich zusammen , wie
die Räderthiere , wodurch die Flüssigkeit auf einmal aus
den Gefässen gepresst wird. Bei der Ausdehnung wird
dann frisches Wasser eingesogen. Auch ist öfters an den
Stigmen das äussere Flimmerepithelium besonders ausge-
bildet und thätig, so dass an diesen Mündungen die den
ganzen Körper umspülende Wasserströmung verstärkt ist.
Bei vielen Mesostomeen beginnt das Wassersystem mit
einem becherförmigen, contractilen Schlauche, wodurch
das Ganze dem Gefässsystem der Cestoden, und Trema-
toden sehr ähnlich wird.
Den Körper der Dendrocölen durchzieht gleich-
falls ein mit Wimperläppchen in den feineren Verzwei-
gungen versehenes Wassergef ässsystem , und ein solches
ist vielleicht auch bei allen Nemertinen vorhanden,
wie Stein sind übrigens der Ansicht, durch die Blase werde durch
den Mund aufgenommenes "Wasser entleert.
4. Kap. Die Respirationsorgane. 273
WO es bis jetzt bei zwei Arten, Prorhynachus stagnalis^
aas dem süssen Wasser, und Tesimsiemma obscurum ge-
funden.
Helminthen. Bei den meisten Helminthen ist keine
Spur besonderer Athemorgane vorhanden. Nur bei vie-
len Trematoden (Diplozoon^ Aspidogaster u. a.) dürfte
das verzweigte Gefässsystem, in welchem in unregel-
mässigen Abständen Flimmerorgane angebracht sind, Was-
ser führen, obsciion dieses, bei dem Mangel äusserer OefT-
nungen, durch Endosmose eingenommen werden müsst«.
Dem steht jedoch nichts im Wege, und es würde dieses
Wassergefässsystem sich ganz wie das stigmenlose Tra-
cheensystem vieler Insektenlarven verhalten*).
Ringel Würmer. Bei den H ir udineen und Lum-
bricinen sind die Athemorgane Wasserge fasse zu
beiden Seiten des Darmkanals , welche am Bauche nach
aussen münden und Schleifen mit oder ohne Erw^eiterung
oder vielfach gewundene, unregelmässige Knäuel dar-
stellen. In den meisten Fällen sind im Innern dieser Ka-
näle Flimmerorgane beobachtet. Bei der auf dem Krebse
schmarotzenden Branchlobdella finden sich vier schleifen-
förmige Organe. Ihr Ausführungsgang geht in eine gelb-
gefärbte Erweiterung, auf welche mehrere sich an ein-
*) Nach Külliker (Bericht von der zootomischen Anstalt in
Würzburg) findet sich jedoch bei Tristomum papillosum Dies.
neben dem geschlossenen Gefässsystem, was derselbe für das eigent-
liche Blutgefässsystem hält, ein anderes durch den ganzen Korper
verzweigtes Wassergefässsystem, dessen zwei Seitenstämme an der
Bauchseite nach aussen münden. Uebrigens könnte von einem
wahren Wassergefässsystem und überhaupt Athmungsorgan doch nur
bei denjenigen Helminthen die Rede sein, die wirklich mit dem
Wasser in Berührung kommen, nicht bei den im Inneren der Organe
lebenden.
18
274 III' Abschn. Die Organe der Ernährung.
ander legende Kanalwindangen folgen. Bei den übrigen
Gattungen dieser Familie ist die Anzahl dieser Kanäle
grösser (17 Paare bei Sanyulsuga und JSephelis). Die
gewöhnliche Angabe , dass bei ihnen die Flimraerläppchen
fehlen sollen, beruht wohl auf mangelhafter Beobachtung.
In den mit den Kiemengefässknäueln von Nephelis vulga-
ris zusammenhängenden Blasen , welche Blut enthalten,
befinden sich die Blutkörperchen in einer fortwährenden
tanzenden Bewegung, hervorgebracht durch ein eigen-
thümliches, mit Flimmern besetztes, rosettenförmiges Or-
gan. Die auch bei den Lumbricinen in grösserer An-
zahl vorhandenen Kanäle bilden hier in der Regel viel-
fach verschlungene Knäuel, in welchen man daher die
Flimmerbewegung nach verschiedenen Richtungen hin be-
merkt. Man überzeugt sich am leichtesten bei den Naiden,
dass das freie Ende der Kanäle in die Leibeshöhle sich
öffnet. Das Verhältniss dieser Gefässe zu den Blutge-
fässen und zu der in der Leibeshöhle dieser Würmer
enthaltenen Ernahrungsilüssigkeit (vergl. oben S. 234) ist
aber durchaus noch nicht genügend aufgeklärt.
Die äusseren Kiemen der übrigen Ringelwürraer
sind an den verschiedensten Körperabschnitten und in
mannichfacher Gestalt angebracht. Es sind Fäden und
einfache oder verästelte Läppchen und Bäumchen , die
häufig contractu und entweder ganz mit Flimmerepithe-
lium überzogen oder nur mit einigen Cilienreihen verse-
hen sind.
Die Kiemen mancher Capitibranchiaten liegen
am Kopfende in der Ebene der Körperaxe und bestehen
aus einem oder zwei gefiederten Stämmen (Sabella^ Ser-
pula), während andere Kopfkiemer die gefiederten oder
baumförmigen Kiemen im Nacken haben (Amphitrite, Te-
4. Kap. Die Rcspiralionsorgane. 275
rebella). Die vielgestaltigen Kiemen der Dorsibran-
chiaten stehen paarweise auf den meisten, namentlich
auf den mittleren Körperabschnitten. Sie sind bei den
Ariel den und Nereiden zu einfachen Blättchen ver-
kümmert und scheinen den Aphroditen ganz zu feh-
len. Bei diesen wird aber wahrscheinlich die Kiemenre-
spiration durch Aufnahme von Wasser in die Leibeshöhle
ersetzt. Darauf deutet das den gesammten Bauchraura
überziehende Flimmerepithelium hin, auch sind unter dem
Rückenfilze zahlreiche offene Röhrchen beobachtet, wel-
che das Wasser ein- und auslassen.
3. Die Respirationsorgane der Arthropo den.
Räderthiere. Fast ausnahmslos finden sich Inder
Leibeshöhle der Räderthiere ein Paar längs der beiden
Seiten verlaufende Kanäle mit zelliger Wandung, deren
Ausläufer die sogenannten Zitterorgane sind. Letztere
sind entweder cylindrisch oder münden trompetenförmig.
Immer nämlich scheinen sie nach der Leibeshöhle offen
zu sein, und inwendig haben sie mehrere Flimmerläpp-
chen. Ihre Zahl übersteigt selten zehn ; nur in einigen
Species von Notomata (myrmeleo , syrinx u. a.) ist sie
sehr vermehrt, und dann sitzen die Zitterorgane auf ei-
nem besonderen Aste der Respirationskanäle. Das so
beschaffene Röhrensjstem jeder Seite mündet in eine con-
tractile , mit der Cloake in Verbindung stehende Blase.
Den Vergleich mit einem wirklichen Athemorgan hält die-
ser Apparat nicht aus , vielmehr dürfte er dazu dienen,
das durch noch nicht entdeckte Oeffnungen oder durch
Endosmose in die Leibeshöhle gedrungene und mit der
Blutflüssigkeit zum Zweck respiratorischen Austausches
vermischte Wasser wieder aus dem Körper zu schaffen,
18 *
276 HI- Abschn. Die Organe der Ernährung.
jedoch will Colin ein regelmässiges Aus- und Einpum-
pen von Wasser vermittelst der contractilen Blase beob-
achtet haben.
Unerklärlich ist übrigens, wenn keine besondern Oeff-
nungen vorhanden sind , die Möglichkeit des plötzlichen
totalen Zusammenschnellens vieler Räderthiere. Alle
diese Verhältnisse haben in der Abtheilung der Glieder-
thiere kaum ein Analogon , wohl aber bei den Würmern
(Respirationskanäle der Lumbricinen und Hirundineen).
Crustaceen. Die Crustaceen athmen, mit Aus-
nahme nur ganz einzelner Isopoden vermittelst Kie-
men, deren Bildung aber so mannichfaltig ist, wie
wir sie kaum in einer anderen Klasse wiederfinden. Häu-
fig werden diese Kiemen nur durch eine Verdünnung
der Körperbedeckung hervorgebracht, ohne dass diese
zu besonderen Anhängen sich gestaltete ; gewöhnlich
aber sind die Kiemen selbständige Organe, in wel-
che das Blut durch besondere Nebenbahnen geleitet wird,
und an denen, wenn sie sich nicht selbst bewegen, der
Wasserwechsel bei AbN^esenheit der Flimmerorgane durch
besondere Strudelwerkzeuge bewirkt wird. Sehr häufig
sind sie an den Füssen befestigt. Wenn die Körperbe-
deckung selbst in grösserer oder geringerer Ausdehnung
zur Kieme wird , indem sie eine dünnere Beschaffenheit
annimmt oder Blätter und Falten bildet, begeben sich in
diese Stellen kleine , ganz wandungslose , verzweigte
und nur durch sparsames Parenchym getrennte Blutström-
chen. Diess ist z. B. der Fall bei den meisten Lophy-
ropoden; auch gehört in diese Kategorie der Kiemen
das häutige Kopfschild der Caligiden, die Schwanz-
blätter und Seitentheile des Rückenschildes von Argidus,
das Rückenschild von Apus. Bei mehreren Lophyropoden
4. Kap. Die Respirationsorgane. 277
(z. B. Daphnia, Acanthocerctis) nehmen die Endglieder
mehrerer Fusspaare eine blattförmige Gestalt an und wer-
den zu wahren Kiemen , indem sie besondere Blutström-
chen empfangen und durch fortwährende pendelnde Be-
wegung das Wasser erneuern. Eine andere Form der
Athemorgane finden wir in kleinen ei-, birn- oder lan-
zettförmigen Anhängen, wie sie die Lepaden, Phyl-
1 0 p 0 d e n , mehrere Lophyropoden (Acanthocerciis)^
die Lämodipoden, Araphipoden und mehrere Sto-
matopoden an den Füssen oder Afterfüssen , die Lä-
modipoden auch frei am Leibe haben. Die Zahl dieser
Kiemenblätter nimmt zu bei den Isopoden, noch mehr
an den Afterfüssen der Pöcilopoden. Sehr entwik-
kelte Kiemen haben mehrere Stomatopoden, so nament-
lich die Squillen, deren aus kammförmig geordneten
Fäden bestehende Kiemenbüschel von den fünf Afterfuss-
paaren (Schwimmfüssen) getragen werden. Die an oder
neben der Basis der Füsse des Cephalothorax und an den
hinteren Beikiefern angebrachten Kiemen der Decapo-
den liegen in zwei, durch die Seitentheile des Schildes
gebildeten Kiemenhöhlen, in welche das Wasser durch
eine untere Spalte gelangt, während es seitlich von den
Mundtheilen durch fortwährende Bewegung der Geissein
und anderer Anhänge der Beikiefern wieder ausgetrieben
wird. Die einzelnen Kiemen sind sehr verschieden ge-
staltet; häufig ist die Pyramidenform, indem von einem
mittleren, einen arteriellen und einen venösen Kanal ent-
haltenden Schafte nach mehreren Seiten Blättchen abste-
hen, die nach der Spitze zu allmählich kleiner werden.
Alle diese Kiemen sind für die Wasserathmung be-
stimmt; selbst die Landisopoden scheinen zwischen ihre
Kiemenplatten Feuchtigkeit aufzunehmen, wobei die aus-
278 in. Abschn. Die Organe der Ernährung.
sere Lamelle eines jeden Kiemeni)aares der inneren als
Deckel dient. Mehrere Onisciden jedoch (z. B. Porcellio)
haben in den beiden ersten Paaren der Decklamellen eine
Höhle mit einem sehr feinen Luftgefässnetze , und bloss
auf Luftathmung scheint Tylos angewiesen zu sein , in
dessen unter den Deckplatten verborgenen Lamellen sich
Luftsäcke finden.
Das Tracheensystem der Myriopoden kommt
in allen wesentlichen Stücken mit dem der Insekten
überein.
Arachniden und Insekten. Bei den Tardigra-
den, Pycnogoniden und mehreren Acarinen hat
man besondere Athmungsorgane nicht gefunden.
Die Athmungsorgane sämmtlicher übrigen Arachniden
und Insekten lassen sich auf einen Typus zurückführen,
den der Tracheen.
Wir sehen das Tracheensystem am reinsten ausge-
bildet bei den Insekten. Die Tracheen sind cylindri-
sche Röhren , durch welche die Luft in alle Theile des
Körpers geleitet wird; sie bestehen aus einer äusseren,
meist farblosen (Peritoneal-) Haut und einer inneren ho-
mogenen Chitinhaut. Reifenförmige oder spiralige Ver-
dickungen der letzteren geben den Tracheen das Ansehen,
als ob sie durch einen selbständigen Spiralfaden ausge-
spannt erhalten würden.
Man kann die Tracheen der Insekten in Lungen-
und Kiementracheen eintheilen. Die letztere Artist
die bei einer Anzahl der im Wasser lebenden Larven
gewöhnliche; sie unterscheidet sich von der anderen durch
den Mangel von Luftlöchern, indem die Luft aus dem
Wasser durch feine, auf der Körperoberfläche (C/iirono-
7«ws, Tanypiis) oder auf besonderen kiemenartigen An-
4. Kap. Die Respirationsorgane. 279
hängen ausgebreitete Tracheenzweige oder auch durch
isolirte Tracheenbiischel absorbirt wird. Diese wird erst
von hier aus in die grossen Luftröhrenstärame zur wei-
teren Verbreitung übergeführt. Die Aehnlichkeit mit den
Kiemen ist also nur eine sehr entfernte, da nie eine ei-
gentliche Wasserathmung bei den Insektenlarven statt
findet. Denn selbst bei den Larven und Puppen von
Aeschna und Libellula, welche regelmässig Wasser in den
Mastdarm ein- und auspumpen , wird die Luft durch die
in den Darmhautfalten befindlichen zahlreichen Luftröh-
renverzweigungen unmittelbar aufgenommen.
Viel verbreiteter ist jedoch diejenige Form des Tra-
cheensystems, wo die Tracheenstämme mit Athemlöchern
(^Stigmata, spiracula) beginnen, deren Rand gewöhnlich
mit Haaren dicht besetzt ist, und die häufig durch Mus-
keln willkürlich geöffnet und geschlossen werden können.
Die Stigmata sind zwischen je zwei Leibessegmenten, nie
aber zwischen Kopf und Prothorax und zwischen den
beiden letzten Hinterleibssegmenten, üebrigens ist ihre
Zahl und Stellung ausserordentlich verschieden. Die ge-
wöhnliche Anordnung des Tracheensystems ist die, dass
zwei Tracheenstämme in der Nähe der Stigmen oder Tra-
cheenkiemen liegen , von welchen aus sich die Aeste in
den Körper erstrecken. Seltener entspringen die Kör-
peräste unmittelbar aus den Stigmen, wobei aber doch
auch kleinere Verbindungsröhren zwischen je zwei Athem-
öffnungen nicht fehlen.
Die blasenförmigen Erweiterungen der Tracheen, mit
denen z. B. manche gut und lange fliegende Abend- und
Nachtschmetterlinge, die Lamellicornien u. a. versehen
sind, scheinen denselben Zweck zu haben, wie die Luft-
säcke der Vögel. Wegen des Mangels der Spiralfäden
280 ^11- Abschn. Die Organe der Ernährung.
gewöhnlich collabirend , werden sie vor dem Auffliegen
unter eigenthümlichen , namentlich bei den Lamellicornien
(Maikäfer) auffallenden Bewegungen voll Luft gepumpt
und vergrössern das Körpervolumen, ohne eine merkliche
Gewichtszunahme zu verursachen.
Vergleichen wir hiermit die Respirationsorgane der
Arachniden, so stimmen viele Milben, diePhalan-
gien und Pseudoscorpien insofern mit den Insekten
überein , als auch sie durch ein System von Kanälen ath-
men, welche von einem bis drei Paar Stigmen, meist
über oder zwischen den Beinen oder an den ersten Hin-
terleibssegmenten gelegen, ausgehen. Jedoch nur bei
wenigen Milben ist dies Tracheensystem verästelt , gleich
dem der Insekten, bei den übrigen verzweigen sich die
Kanäle nicht, und ein solches unverzweigtes Tracheen-
system kommt auch vielen, vielleicht allen Araneen zu,
ausser den sogenannten Lungen. So gehen z. B. bei Sal-
ticus zwei Tracheenbüschel von zwei am Hinterleibe ge-
legenen Stigmen aus, während bei Segestria j Dysdera
und Argyronecta die beiden Stigmen nahe bei den soge-
nannten Lungensäcken liegen. Bei den übrigen Spinnen,
wo das Tracheensystem mehr rudimentär wird , besteht
es aus einem kurzen , vor den Spinnwarzen sich öff*nen-
den Stamme mit vier, durch ihre platte Form sich aus-
zeichnenden einfachen Aesten. Sehr häufig fehlt den
Tracheen der genannten Arachniden der Spiralfaden ; auch
ist eine häufige Folge der Abwesenheit des Spiralfadens,
dass die Tracheen nicht cylindrisch, sondern platt und
bandförmig werden.
Als eine Modification eines Büschels platter, unver-
ästelter Tracheen kann man nun die sogenannten Lungen
der Scorpioniden, Phryniden und Araneen be-
4. Kap. Die Respiralionsorgane. 281
trachten , die nur eine oberflächliche Aehnlichlteit mit den
gleichnamigen Organen der Wirbelthiere haben. Die
Höhlungen (S bei den Scorpioniden , 4 bei den Phryniden
und Mygaliden , 2 bei den übrigen Araneen) , welche
paarweise in den Hinterleibssegraenten liegen , und deren
jede mit einer Spaltöffnung (= Stigma) mündet, entspre-
chen den längeren oder kürzeren Stämmen, von denen
die platten , bandförmigen , unverästelten Tracheen ent-
springen. Letzteren aber sind die blätterförmigen und
ihrer Form wegen fächerartig geordneten Hautduplicatu-
ren, aus Chitin bestehend, homolog, welche auf der con-
vexen Fläche der Höhlen stehen , so dass von den Höhlen
aus die Luft in sehr dünnen Schichten zwischen die La-
mellen der einzelnen Blätter eindringt. Die Blätter haben
einen gemeinsamen , der Peritonealmembran der Tracheen
entsprechenden Ueberzug, von wo aus verschiedene Mus-
keln, welche das Zusammenfallen des Apparates verhin-
dern, nach den Leibeswandungen gehen. Durch verschie-
dene , in dem gemeinsamen üeberzuge sich vorfindende
Oeffnungen ergiesst sich das Blut von der Leibeshöhle her
zwischen die Abtheilungen des Fächers und umspült die
Blätter unmittelbar.
Wir haben die Aehnlichkeit dieser Athmungsvorrich-
tung mit den Lungen eine oberflächliche genannt; gleich-
wohl ist sie da und beruht hauptsächlich auf der Loca-
lisirung des Apparates , während im Allgemeinen das Tra-
cheensystem diffus ist, d. h. von den Stigmen aus sich
auch in die entferntesten Körpertheile verbreitet.
4. Die Respirations Werkzeuge der Mollusken.
Acephalen. Die Salpen haben eine einfache,
in der Kiemenhöhle schräg ausgespannte Kie m e, die am
282 III. Abschn. Die Organe der Ernährung.
Vorderende das Blut aus den Körpergefässen empfängt
und es an das Herz abgiebt. Der Wasserwechsel wird
theils durch die Cilien, welche die Kieme äusserlich be-
setzen , namentlich aber durch die Contractionen der
Schwimm- oder Kiemenhöhle hervorgebracht.
Bei den Ascidien erscheint die Kieme in Form
eines grossen , mit einer einfachen Oeffnung oder kurzen
Röhre versehenen Athemsackes , durch welchen auch die
Nahrung gehen muss. Die Haut dieser Respirationshöhle
zeigt sehr regelmässige Längs- und Querleisten , wodurch
sie in lauter viereckige Falten getheilt wird , zwischen
denen die Blutkanäle sich befinden. Zwei grössere sinus-
artige Kanäle in den Kurvaturen des Athemsackes sind
die Stämme von Querkanälen, auf denen Längskanäle
senkrecht stehen.
Bei den Brachiopoden versehen die beiden Man-
telhälften den Dienst der Kiemen.
Die Lamellibranchiaten haben zwei Paar K i e-
men. Das äussere Blatt berührt die Innenfläche des
Mantels , das innere liegt auf dem Abdomen und dem
Fusse auf. Sie empfangen das Wasser, jenachdem der
Mantel weniger oder mehr verwachsen ist, durch die
grosse Mantelspalte , oder es sind im Mantel besondere
Schlitze oder Röhren angebracht , durch deren eine das
Wasser eingenommen wird, während es durch die andere
(obere) mit den Fäces ausfliesst. Im Innern der Mantel-
höhle und längs der Kiemen bewirkt das Flimmerepithe-
lium regelmässige Strömungen. Auf den Kiemenblättern
bemerkt man ein ähnliches Gitterwerk, wie bei den As-
cidien , dem die Gefässvertheilung entspricht. In die
durch die Querscheidewände zwischen den beiden La-
mellen der Kiemenblälter entstandenen Fächer führen an
4. Kap. Die Respirationsorgane. 283
der Basis der Kiemen gelegene Mündungen. Die Fächer
dienen zur Aufnahme der Eier , und auch der Samen ge-
langt in sie.
3Iehrere Muscheln (Area, Mytilns^ Pecten^ Spondy-
lus) zeigen eine sehr abweichende Kiemenbildung, indem
ihre scheinbaren Kiemenblätter eine Menge neben einan-
der liegender Fiiden sind, deren jeder auch aus zwei
Lamellen besteht.
Cephalop hören. Die Unterordnung der Pulmo-
naten athmet Luft, welche in eine gewöhnlich am Vor-
derrücken befindliche Lungen höhle durch ein, beiden
rechts gewundenen Schnecken rechts , bei den links ge-
wundenen links liegendes und verschliessbares Athem-
loch aufgenommen wird. Bei den AVasser- Lungen-
schnecken ist die Höhle mit Flimmerepithelium ausgeklei-
det. Das auf der Fläche der Lungenhöhle leisten- und
gitterartig hervortretende Gefässnetz scheint immer aus
wandungslosen Kanälen zu bestehen.
Die übrigen Cephalophoren, mit Ausnahme
der Apneusten, einiger Pteropoden und Hetero-
poden, bei denen man besondere Athemorgane nicht
entdeckt hat, athmen durch Kiemen der verschiedensten
Form und in der verschiedensten Lage, welche nament-
lich bei den Gasteropoden die zoologische Systematik zur
Eintheilung benutzt hat. Wir müssen der Zoologie die
nähere Beschreibung dieser Kiemen überlassen.
Sehr merkwürdig verhalten sich einige amphibisch
lebende Gasteropoden , die durch das gleichzeitige Vor-
handensein von Kiemen und Lungen zur Wasser- und zur
Luftathmung geschickt sind. Onchidium besitzt, ausser
der ganz auf das Hinterleibsende gerückten Lungenhöhle,
eine Anzahl contractiler Bäumchen, die wahrscheinlich
284 Itl« Absclin. Die Organe der Ernährung.
als Kiemen wirken, Amjmllaria über der Kiemenliöhle
eine sich in dieselbe öffnende Lungenhöhle. Wir werden
hierdurch an die doppelte Athemorgane besitzenden Fische
erinnert.
Cephalopoden. Die Nautilinen haben vier,
die übrigen Cephalopoden zwei pyramidenförmige
Kiemen, die, mit der freien Spitze nach oben gerichtet,
in der Mantelhöhle liegen und an den Mantel befestigt
sind. Die Kiemenarterie befindet sich an der dem Mantel
verbundenen, die Vene an der gegenüberliegenden freien
Kante, und die Gefässe zwischen beiden Stämmen ver-
breiten sich entweder auf zahlreichen dreieckigen Blätt-
chen (bei den Naut. und Lolig.), oder die Gefässe
bilden Bogen, auf deren convexem Rande eine Menge
Hautfalten stehen. Beim Mangel von Flimmerorganen
geht die Wassererneuerung nur durch die regelmässigen
Athembewegungen vor sich. Das bei geöffnetem Mantel
zu beiden Seiten des Trichters eintretende Wasser wird,
indem sich der Mantelrand an den Körper anlegt , durch
den Trichter ausgespritzt.
Ausser durch die beschriebenen Organe scheint der
Athmungsprocess bei den Mollusken nicht selten durch
ein, für siech bestehendes System von Wasser führenden
Kanälen gefördert zu werden, dessen Existenz sich bei den
Lamellibranchiaten durch das Ausspritzen von Wasser-
strahlen aus bestimmten Oeffnungen zu erkennen giebt,
wenn man das Thier plötzlich aus dem Wasser nimmt,
lieber das nähere Verhalten dieses wohl wandungslosen
Wassergefässsystems fehlen genauere Untersuchun-
gen, welche die vielen hier obwaltenden Widersprüche
zu lösen geeignet wären.
4. Kap. Die Respirationsorgane. 285
5. Die Respirationsorgane der Wirbelthiere.
Fische. Ueber die knöchernen Theile des Kiemen-
apparates der Fische vergl. oben S. 151 f.
Bei Branchlostoma gelangt das Wasser durch den
Mund sogleich in einen Kiemenschlauch , der nach hinten
in die Speiseröhre übergeht. In den Seiten des mit
Flimmerepithelium ausgekleideten Schlauches finden sich
zahlreiche, mit dem Wachsthum des Thicres bis auf hun-
dert sicli vermehrende Spalten, zwischen denen Knorpel-
stäbchen liegen, und durch welche das Wasser in die
Bauchhölile tritt. Aus dieser läuft es durch eine Oeff-
nung ab, durch welche auch Eier und Samen gehen.
Bei den Cyclostomen tritt das Wasser nicht durch
den Mund, sondern durch besondere Gänge mit äusseren
Oeffnungen in die platten Kiemensäcke. Solcher Kiemen-
säcke sind jederseits sechs bis sieben, und die ihnen das
Wasser zuführenden ductus branchiales externl gehen ent-
weder (Petrom})zon , Ammocoetes , Bdellostowa) von eben
so vielen getrennten Athemlöchern aus, oder entspingen
von einer gemeinsamen Oeffnung (DJyxine). In derselben
Richtung , wie die äusseren Gänge in die Kieraensäcke
eingetreten, verlassen diese die inneren Kiemengänge.
Sie münden bei Petromyzon in einen besonderen, vor der
Speiseröhre liegenden bronchiis » welcher hinten blind
endigt. Bei den übrigen Cyclostomen aber führen sie als
ductus branchiales oesophagei in die Speiseröhre, aus
welcher endlich das Wasser durch einen besonderen, un-
paarigen, links gelegenen Kanal, den ductus oesophageo-
cutaneus entleert wird. Die Mündung dieses Kanals fällt
bei Myxine mit dem gemeinsamen, bei Bdellostoma u. a.
mit dem letzten Stigma zusammen.
286 I^I- Absclin. Die Organe der Ernährung.
Auch die Plagiostomeii haben keine gemeinschaft-
liche Kiemenhöhle , sondern von einander getrennte Kie-
mensäcke, gewöhnlich fünf. Sechs hat Hexanchus, sieben
Heptanchus. Jeder hat eine innere und eine äussere
Oeffnung. Die Kannriern entstehen durch häutige, von
den Kiemenbogen bis zur äusseren Haut reichende Dia-
phragmen, durch welche auch die beiden Kiemenblätt-
chenreihen auf den Kiemenbogen getrennt werden. Die
vorderste , an dem Zungenbeine befestigte Kieme besteht
jedoch nur aus einer einfachen Blättchenreihe, und so
sind im Ganzen bei den Plagiostomen nur vier und eine
halbe Kieme da.
Bei den Ganoiden und Knochenfischen liegen
die Kiemen in einer gemeinsamen Höhle, in welche das
Wasser durch die zwischen den Kiemenbogen befindli-
chen Lücken eintritt , während es durch die grössere oder
kleinere Spalte z\^ischen Kiemendeckel und Brustflossen
ausläuft. In dQY Regel trägt jeder der vier Kiemenbogen
auf dem convexen , der Kiemenhöhle zugev» endeten Rande
zwei Reihen von Kiemenblättchen^ die gewöhnlich nur
an der Basis mit einander verwachsen sind und durch
zwei sich kreuzende Muskeln gegen einander bewegt
werden können. Sie werden durch ein knorpeliges oder
knöchernes Stäbchen aufrecht erhalten und haben eine
grosse Menge die Oberfläclie sehr vermehrender Querfal-
ten, auf denen sich das respiratorische Gefässnetz aus-
breitet. Lebrigens aber erhält jedes Kiemenblättchen
auch ein ernährendes Gefäss.
Einige der merkwürdigsten Abweichungen in der
Zahl der Kiemen sind folgende : Am häufigsten trägt der
vierte Kiemenbogen nur eine Halbkieme , bei den Labroi-
ilei cycloidei und ctenoldeiy bei vielen Kataphracten, Cy-
4. Kap. Die Respirationsorgane. 287
cloptems^ Zeus u. a. Dann kann eine ganze Kieme, vorn
oder hinten, ausfallen, wie bei Lophius, Tetrodon, Dio-
dort, Tvibranchus. Maltlie hat nur zwei und eine halbe,
Awphipnoiis nur zwei Kiemen, davon die eine unvoll-
ständig.
Eine respiratorische Kiemendeckelkieme be-
sitzen viele Ganoiden (Störe und Lepidosteus).
Aeussere Kiemenfäden finden sich bei den Em-
bryonen der Plagiostomen und bei Lepidosiren amiectem.
Einzelne Fische , namentlich solche , die im Stande
sind, längere Zeit an der Luft zu leben, haben acces-
sorische Athem Organe. Nämlich:
a. Resp ira torische Nebenkiemen besitzt eine
Familie der Knochenfische ( Labyrinthici , wohin Anabas,
Osphronemus u. a.), bei denen die vorderen oberen
Schlundknochen siebbeinartige Labyrinthe bilden, ausge-
kleidet mit Schleimhaut, deren Arterien und Venen sich
wie die Kiemengefässe verhalten. Baumförmige Neben-
kiemen hat Heferobranchus am oberen Stücke des zweiten
und vierten Kiemenbogens. In sie gehen Zweige der
Kiemenarterien , und ihre Venen ergiessen sich in die
Kiemenvenen.
b. Lungenartige Athemorgane haben Amphi-
pnous Müll, und Hetevopneustes Müll. (Saccobranchiis
Val.) als gef ässreiche , mit der Kiemenhöhle zusammen-
hängende Säcke. Von diesem Organ des Amphipnous ver-
muthet jedoch Hyrtl, dass es zur Wasserathmung diene.
Wirkliche, der Amphibienlunge ähnliche Lungen hat
Lepidosiren ; sie münden mit einer glottis ventralis in den
Schlund ein.
288 ni- Abschn. Die Organe der Ernährung.
Die Kiemen.
Amphibien. Alle Batracliierlarven athmen durch
äussere Kiemen, die meist büschel- oder quastförmig sind.
Sie verschwinden bei den Fröschen und Salamandrinen
gänzlich, nachdem bei den Froschlarven innere Kiemen
erschienen sind. Bei den Derotreten bleibt eine Kiemen-
spalte; die Perennibranchiaten behalten aber die Kiemen-
büschel fortwährend neben den Lungen.
Die Lungen und ihre Eingänge.
Bei allen durch Lungen athmenden Wirbelthieren ist
mit dem Athemapparat zugleich das Stimmorgan verbunden.
Eine Scheidung in Kehlkopf und Luftröhre kann man
an der Eingangsröhre in die Lungen der nackten Am-
phibien noch nicht wahrnehmen. Der Eingang ist nur
eine häutige, bei den geschwänzten Batrachiern mit nur
wenigen, bei den ungeschwänzten mit mehr Knorpeln und
rudimentären Tracheal- und Bronchialringen versehene
Höhle, die sogenannte Stimm lade.
Die Sonderung zwischen Kehlkopf und Luft-
röhre tritt bei den beschuppten Amphibien stärker her-
vor, indem man denjenigen Theil des Eingangskanals in
die Lungen als Kehlkopf bezeichnet, dessen Knorpel ein
durch senkrechte Leisten zusammenhängendes Gerüst bil-
den. Diese einzelnen Theile kann man nach den entspre-
chenden Kehlkopfknorpeln der höheren Thiere benennen.
Stimmbänder fehlen den geschwänzten Batra-
chiern, den Ophidiern, Cheloniern und vielen Sauriern.
Am entwickeltsten haben sie die Chamäleonten und Geckos.
Mit der Luftröhre lassen sich auch die Bronchien bei
den beschuppten Amphibien bestimmter unterscheiden,
und nur bei mehreren Schlangen (z. B. Coluber, Vipera)
4. Kap. Die Respirationsorganc. 289
findet, wegen der zelligen Beschaffenheit dieser Theile,
ein unmerklicher Lebergang derselben in die Lunge statt.
Die Knorpelringe an Luftröhre und Brochien sind bald
unvollständig, bald geschossen.
Mit Ausnahme der eben erwähnten Schlangen und
der Proteiden, deren häutige Bronchien auch allmählich
in die Lungensäcke übergehen, sind die Lungen der
Amphibien deutlich von ihren Eingangskanälen getrennt.
Ihre Form richtet sich im Allgemeinen nach der Form
der Thiere; sie werden vom Bauchfelle überzogen. In
den meisten Fällen sind zwei Lungen von gleicher Grösse
da; bei den Cöcilien, vielen Sauriern und Ophidiern tritt
die eine gegen die andere zurück, und viele Schlangen
(darunter z. B. Viper a , Typhlops) besitzen nur eine sehr
lange Lunge. Die Lungen sind oft (bei vielen nackten
Amphibien , Schlangen und Sauriern) blosse häutige Säcke,
in denen in anderen Fällen, zur Vergrösserung der Fläche,
Leisten und Maschen gebildet werden. Am complicirte-
sten ist diese Maschenbildung bei mehreren Sauriern
(z. B. den Varanen) , den Krokodilen und Schildkröten,
wo mit mehreren Bronchialöffnungen gesonderte, maschige
und zellige Säcke zusammenhängen, oder auch, bei den
Seeschildkröten, eine Verzweigung der Bronchien in ähn-
licher Weise wie bei Vögeln und Säugethieren eintritt.
Vögel. Eine hinter der Zunge liegende, gewöhn-
lich mit hornartigen Papillen besetzte Längsspalte führt
in den oberen Kehlkopf. Seine festen Theile be-
stehen aus mehreren, bei den alten Vögeln ossificirten
Knorpeln , welche den Kehlkopfknorpeln der Säugethiere
zum Theil entsprechen. Eine vordere grössere Platte
hängt bei jungen Vögeln mit zwei , die hintere Wand des
Kehlkopfes bildenden Stücken zusammen , die sich nach
19
290 m« Abschn. Die Organe der Ernährung.
Beginn der Ossification loslösen. Alle drei entsprechen
dem S chil dlin 0 r ]) el (cartil. thyreoiilea). Ein zwischen
die beiden hinteren Ränder der Seitentheile tretendes
Ausfiillungsstück ist das Analogon des Ringknorpels
{cart. cricoidea); darauf sitzen zwei längliche Giess-
kannen-Knorpel oder Knochen (c. arytaenoideae).
Die Luftröhre hat gewöhnlich vollständige , häufig
verknöcherte Ringe. Sie zeigt bei einigen Vögeln, z. B.
bei Mergus, mittlere Erweiterungen, bei anderen macht
sie beträchtliche Biegungen und Windungen, entweder
unter der Haut (z. B. Tetrao urogallus) oder im Brustbein
(Grus cinerea)^ seltener in der Gabel ( Numida cristata)
oder auch in der Brusthöhle (Platalea leucorodia). Ca-
suarius iiovae HoUandiae besitzt am mittleren Theile der
Luftröhre einen grossen häutigen Sack, welcher mit ihr
durch eine, mehrere Ringe trennende Längsspalte com-
municirt.
Von den beiden Muskelpaaren der Luftröhre , welche
als Niederzieher wirken , entspringt das eine , w eniger
beständige von der Gabel oder dem unteren Kehlkopfe
und begleitet die ganze Luftröhre (m. ypsilolruchealis).
Das andere ist kürzer, entspringt vom Brustbein und
geht, wie das vorige, an die Seiten der Luftröhre (m.
sternotrachealh).
Das eigentliche , nur wenigen Vögeln (z. B. Struthio-
nen und Störchen) fehlende Stimmorgan ist der soge-
nannte untere Kehlkopf, der nur selten {Steatornis,
Crotophaga) paarig in den beiden Bronchien, oder allein
in dem unteren Theile der Luftröhre [Thamnophilus u. a.),
gewöhnlich an der Uebergangsstelle der Luftröhre in die
Bronchien sich vorfindet (larynx broncho-irachealis).
Durch eine festere Verbindung oder auch Verschmel-
4. Kap. Die Respirationsorgane. 291
zung der letzten Luftröhrenringe wird das Ende der
Luftröhre zu der fast vierseitigen Trommel, mit der
bei den Männchen vieler Taucher und Enten unsymmetri-
sche Knochenblasen, sogenannte Pauken und Laby-
rinthe zusammenhängen. Von der Theilungsstelle der
Trommel in die beiden Bronchialäste erhebt sich in der
Regel eine die Trommel in zwei Seitenhälften theilende
Knochenplatte, der Bügel oder Steg. Er fehlt den
Papageien. Bei ihnen wird durch eigenthümliche , an
den unteren Seitenrändern der Trommel und an den Bron-
chien befestigte Knochenbogen und eine zwischen ihnen
ausgespannte Membran (membrana tympaniformis externa)
eine einfache Stimmritze gebildet. Zwei Muskel-
paare heben die Bronchien und verengern die Stimmritze,
ein Paar erweitert sie.
Zwischen den Rändern des nach unten gerichteten
Ausschnittes des Bügels ist der obere Theil der Innen-
wand jedes Bronchus ausgespannt, die innere Pau-
ke n h a u t. Ihr gegenüber liegt eine äussere Pauken-
haut. Theils bildet diese, theils, wenn sie fehlt, die
Verbindungshaut zweier ßronchialringe die äussere Lippe
der Stimmritze, bei verkürzter Luftröhre. Das innere,
weniger entwickelte labium glottidis ist eine von der
membrana tympaniformis interna oder dem Bügel abge-
hende Falte von elastischem Gewebe. Eine manchen Sing-
vögeln eigenthümliche Membran erhebt sich auf dem Bü-
gel als membrana semibmaris.
Der die genannten Theile bewegende, erweiternde
und verengernde Muskelapparat zeigt die grösste Mannich-
faltigkeit. Bei vielen Vögeln (Hühnern , Enten, Gänsen)
finden sich nur die mm. ypsilotracheales und sternotra'
cheales. Bei anderen (Raubvögeln, vielen Scansores, Co-
19*
292 'II- Abschn. Die Organe der Ernährung.
racias, Capriiimlgus ^ Cypselus u. a.) kommt ein Muskel-
paar hinzu, die m. broncho-tvacheales. Sehr viele Sing-
vögel haben 5 Paar eigenthümlicher Kehlkopfmuskeln,
doch ist auf die gleichmäsige Anzahl dieser Muskeln keine
systematische Eintheilung zu gründen , indem namentlich
die amerikanischen Passerinen einen weit einfacheren
Muskelapparat als unsre einheimischen besitzen.
Die paarigen Lungen sind nur an ihrer Bauchfläche
von einer Pleura überzogen, mit der Rückenfläche liegen
sie auf beiden Seiten der Wirbelsäule den Rippen an; sie
sind durch Zellgewebe an Wirbel und Rippen befestigt,
welche bleibende Eindrücke in ihnen hervorbringen.
Durch die Art der Bronchialverzweigung ist die Vogel-
lunge wesentlich von der der Säugethiere verschieden.
Die Bronchien treten oft mit blasenförmigen Erweiterun-
gen in die Lungen hinein; eine Anzahl grösserer Oeff-
nungen führt in grössere häutige Kanäle , die sich an der
Oberfläche der Lunge weiter verzweigen. Alle diese
Verzweigungen stehen durch tiefere , kleine Röhren , wel-
che die Lunge nach vielen Richtungen durchsetzen, mit
einander in Verbindung. Alle diese Röhren sind inwendig
mit den Lungenzellen besetzt; diese sind also parietal,
wie auch bei den Amphibien.
Sehr allgemein können von der Lunge aus grosse
häutige Säcke, die zum Theil Eingeweide einschliessen,
mit Luft angefüllt werden. Die Anordnung dieser Luft-
zellen oder Luft Säcke ist wenig veränderlich. Aus
ihnen gelangt die Luft in die pneumatischen Knochen,
aus denen das bei den jungen Vögeln vorhandene Mark
allmählich verschwunden ist. Pneumatisch sind nament-
lich die Schädelknochcn und das Oberarmbein, weniger
4. Kap. Die Respirationsorgane. 293
häufig das Oberschenkelbein, nie das Jochbein. Bei Z^m-
ceros sind fast alle Knochen luftführend.
Säugethiere. Stimm- und Athemorgane der Säu-
gethiere verhalten sich im Wesentlichen wie beim Men-
schen. Von den Kehlkopfknorpeln sind die beim
Menschen seltenen cartilagines Wrisbergianae ziemlich häu-
fig. Dem Menschen fehlende Knorpel sind die auf dem
hinteren Rande der Giesskannenknorpel einiger Säuge-
thiere vorhandenen cartilagines sesamoideae und die un-
paare cartilago interarticularis zwischen den Giesskannen-
knorpeln, über dem Ringknorpel.
Nur die ächten Cetaceen besitzen keine Stimmbän-
der; die oberen fehlen u. a. vielen Wiederkäuern (Hirsch,
Rind, Schaf, Ziege), wogegen bei diesen die unteren in
elastische Platten verwandelt sind. Viele Säugethiere
sind durch accessorische , die Stimme verstärkende Säcke
am Kehlkopf ausgezeichnet, die theils zwischen Schild-
und Ringknorpel, theils zwischen Schildknorpel und Kehl-
deckel vom Kehlkopf austreten. Letzteres ist z. B. der
Fall mit den drei , durch eine Erw eiterung der Morgagni-
schen Ventrikel entstehenden Luftsäcken des Brüllaffen
(Mgcetes), deren mittlerer sich in eine Aushöhlung des
Zungenbeinkörpers begiebt.
Die Länge der Luftröhre, wie die Zahl der in
ihr enthaltenen , gewöhnlich nicht geschlossenen Knorpel,
richtet sich im Allgemeinen nach dem Verhältniss des
Halses. Nur Bradypus tridactylm hat eine gewundene
Luftröhre. Die Knorpel ossificiren in der Regel nicht.
Die gewöhnliche Asymmetrie der beiden Bronchien , indem
die rechte kürzer, aber w^eiter als die linke ist, hängt
von der Asymmetrie der Lungen ab. Wie beim Menschen
ist die rechte gewöhnlich die grössere. Die Zahl dej
^
294 III. Abschn. Die Organe der Ernährung.
Lungenlappen ist gewöhnlicli grösser als beim Menschen.
Die Bronchien vertheilen sich bauraförraig; die feinsten
Verzweigungen endigen, wie beim Menschen, mit Bläschen.
Suckow, Respiration der Insekten, insbesondere über die Darni-
respiration der Aeshna grandis. Heusing. Zeitschrift. Bd. 2.
S. 24.
E. A. Platner, Mittheilungen über die Respirationsorgane u. d.
Haut bei den Seidenraupen. Müll. Arch. 1844.
J. Müller, lieber die Athemorgane der Spinnen. Isis 1823. S. 707.
H. Rathke, Anatomisch -philosophische Untersuchungen über den
Kiemenapparat und das Zungenbein der Wirbelthiere. 1832.
M. Haro, Memoire sur In respiraiioji des grenoiiilles, des Sala-
mandres et des tortues, Ann. d. sc. n. 2 ser. XVIIl. 1842.
J. Henle, Vergleichend anatomische Beschreibung des Kehlkopfs.
Leipzig, 1839.
A. LerebouUet, Anatomie comparee de Vappareü respiratoire
dans les animaiix vertebres. Strasbourg, 1838.
Natalis Guillot, Sur rappareil de la respiration dans les
oiseaux. Ann. d, sc, nat. 3 ser. t. V. 1846. p. 25.
Fünftes Kapitel.
Die Harnori^ane«
1. Die Harn Organe der Spinnen und Insekten.
Sehr allgemein münden bei den Insekten eine An-
zahl dünner, fadenförmiger Schläuche liinter dem Chy-
lusmagen in den Darmkanal, die Malpighischen Ge-
fasse, Avelche lange Zeit nur für Gallenorgane gehalten
worden sind , bis die chemische Analyse die Function der
Mehrzahl als Harn absondernder Organe unzweifelhaft
gemacht. Diejenigen dieser Gefässe aber, welche sich
durch gelbliche Färbung auszeichnen , scheinen wirklich
gallabsondernde Organe zu sein (Leydig). Ihre feinere
Structur ist eine ähnliche, wie die der Speicheldrüsen,
nur scheint ihnen die tmiica mtlma zu fehlen. Sie mün-
den theils einzeln , theils vereinigen sie sich zu kurzen
Ausführungsgängen. Durch die grosse Menge der Mal-
pighischen Gefässe zeichnen sich die Hymenoptern und
Orthoptern aus , während bei den übrigen Ordnungen vier
bis acht vorhanden zu sein pflegen. Der häufig gefärbte
Harn geht durch den hinter dem Chylusmagen befindli-
chen Theil des Darrakanals mit den Fäces ab. Eine be-
sonders ansehnliche Ansammlung von Harn findet während
des Puppenzustandes der holometabolischen Insekten statt;
er wird bald nach dem Auskriechen entleert.
296 IJI- Absclin. Die Organe der Ernährung.
Bei den Arachniden, mit Ausnahme der Pycnogo-
niden und Tardigraden, verhalten sich die Harnorgane
ganz ähnlich wie die Malpighischen Gefässe, Gewöhnlich
sind sie verästelt und münden mit zwei Stämmen (Harn-
leitern) in den hinteren Theil des Darmkanals.
2. Die Harnorgane der Mollusken.
Die Niere der Bivalven ist schon lange als die
sogenannte Bojanus'sche Drüse bekannt, obgleich sie
die verschiedensten Deutungen hat erfahren müssen
(Schleimdrüse nach Cuvier, Lunge nach Bojanus
u. a.). Sie ist paarig und liegt am Rücken unter dem
Herzen und nach dem hinteren Schliessmuskel zu. Hire
Farbe ist bräunlich oder schwarzgrün. Das Excret wird
in die Mantelhöhle ergossen, und häufig fallen Harn- und
Geschlechtsmündungen zusammen (z. B. bei Teilina, Car-
dmm , Pinna) oder liegen nahe bei einander. Inwendig
sind die Nierensäcke durch viele Falten in vollständige
oder unvollständige Fächer getheilt, deren Oberfläche
wimpert, und auf deren Wandungen sich ein Blutgefäss-
netz ausbreitet. Das Blut kommt aus den venösen Be-
hältern , in welchen es sich vor dem Eintritt in die Kie-
men ansammelt. Nicht selten strotzt das Nierenparen-
chym von unregelmässigen , körnigen Harnconcrementen,
die übrigens nie fehlen und sich in den Epithelialzellen
neben den Zellkernen bilden *).
Von den Cephalop hören sind es namentlich die
Kamm kiemer und Lungenschnecken, bei denen
man mit Sicherheit Ilarnorgane nachgewiesen hat. Bei
*) Hierzu ist der Absclinilt über das Gefässsystem zu ver-
gleichen.
5. Kap. Die Harnorgaiie. 297
jenen ist die den sogenannten Purpursaft absondernde
Drüse die Niere; sie ergiesst ihr Excret entweder un-
mittelbar, oder durch einen Ausführungsgang in die Kie-
raenhöhle. Sehr leicht kann man sich bei den Lungen-
schnecken die Niere zur Anschauung bringen, vorzüglich
bei den Gehäusschnecken (Hellx)^ wo sie, von dreiecki-
ger Gestalt und gelblicher Farbe, rechts vom Herzen im
Grunde des Lungensackes liegt. Ihr Ausführungsgang
verläuft neben dem Mastdarm. Im Inneren der Niere
werden durch Falten, von den äusseren Wandungen ent-
springend, theils unvollkommene, theils vollständig ge-
trennte Fächer gebildet, aus denen kleine Oeffnungen in
den gemeinschaftlichen , zur Urethra führenden Gang
münden. Bei den Limacinen liegt die wulstförmige Niere
um den Herzbeutel.
Nachdem in den sogenannten schwammigen Kör-
pern, den drüsigen, büschelförmigen Anhängen der gros-
sen Yenenstärame der Cephalopo den Harnsäure nach-
gewiesen, sind diese Organe mit Sicherheit als die Nieren
dieser Thiere zu betrachten. Sie sind mit einer umge-
stülpten Drüse verglichen worden , indem die secernirende
Fläche die Gefässverzweigungen von aussen umgiebt.
Auch die sogenannten Kiemenherzen der Loliginen
und Octopoden sind nichts weniger als Herzen, sondern
müssen den Harnorganen zugezählt werden. Sie sind
nicht von muskulöser Beschaffenheit, sondern in ihren
maschigen Wandungen finden sich ganz ähnliche Concre-
mente, wie bei den Helicinen.
3. Die Harnorgane der Wirbelthiere.
Fische. Die Nieren scheinen keinem Fische zu feh-
len , da sie selbst bei Branchiostoma durch mehrere
298 III- Abschn. Die Organe der Ernährung.
kleine, in der Nähe des poriis abdominalis befindliche
Drüschen vertreten sind. Die Nieren der Myxinoiden
sind isolirte, von Kapseln umschlossene Gefasskörperchen.
Ein enger, kurzer, von der Kapsel ausgehender Kanal
geht in eine sackförmige, in den langen Harnleiter mün-
dende Erweiterung über. Bei den übrigen Fischen bilden
die Nieren zusammenhängende Massen, an ihrer unteren
Fläche überzogen vom Bauchfell. Sie sind namentlich
bei den Knochenfischen sehr ausgedehnt, wo sie sich
vom Schädel aus unter der Wirbelsäule und in der Mit-
tellinie häufig verschmelzend durch die ganze Rumpfhöhle
erstrecken. Die Samenleiter der männlichen Plagiostomen
gehen in die Harnleiter über. Auch bei den Stören ver-
binden sich die Ausführungsgänge der Geschlechtsdrüsen
mit den Harnleitern. Ueberhaupt findet sich bei allen
Ganoiden ein eng verbundener IJrogenitalapparat mit
einer Urogenitalöifnung. Bei Spatularia z. B. münden
die Fortsetzungen der weiblichen Trichter, sowie die
Samenleiter in die zweihörnige Harnblase.
Bei den Knochenfischen sind die beiden Systeme
getrennt. Ihre Ureteren beginnen häufig schon am
vorderen Nierenende und münden in der Regel mit ge-
trennten Oeffnungen in die Harnblase ein. Die einfache
Oefinung der Harnwerkzeuge liegt hinter der Geschlechts-
öffnung, beide hinter der Afteröffnung, in der Regel beide
auf der abgerundeten Spitze einer Papille. Ausnahmen
kommen vor, z. B. haben die Lophobranchien eine Am-
phibiencloake.
Nebennieren liegen bei den Myxinoiden als eigen-
thümliche traubige Drüsen vor dem oberen blinden Ende
jedes Harnleiters. Den Petromyzonten scheinen sie zu
fehlen , bei den übrigen Knorpel- und bei den Knochen-
5. Kap. Die Harnorgane. 299
fischen finden sie sich als längliche oder rundliche Kör-
perchen entweder mit der Substanz der Nieren verbunden
oder hinter denselben.
Amphibien. Die beträchtlichen, sehr verschieden
geformten Nieren der Amphibien liegen meist im hinte-
ren Theile der Rumpfhöhle. Weiter nach vor gerückt
sind sie bei den Fröschen und Schlangen. Gewöhnlich
ganz von einander getrennt, verschmelzen die hinteren
Enden der Nieren mitunter (z. B. bei Proteus). Die lan-
gen unverzweigten Harnkanälchen münden gewöhn-
lich einzeln in die Harnleiter ; nur bei den Ophidiern
vereinigen sie sich büschelförmig zu stärkeren Stämmchen.
Die Harnkanälchen der nackten Amphibien sind inwen-
dig auf gewissen Strecken mit Fliramerepithelium ausge-
kleidet.
Die nie fehlenden Malpighischen Körperchen
sind bei den nackten x\mphibien sehr gross.
Der Lage der Nieren gemäss sind die Harnleiter
kurz, am längsten bei den Ophidiern. Sie münden theils
für sich, theils vereinigt mit den Ausführungsgängen der
Geschlechtstheile in die Cloake. Die nackten Amphibien,
Saurier und Chelonier besitzen an der vorderen Wand
der Cloake eine Harnblase, welche mit den Harnlei-
tern nicht in direkter Verbindung steht.
Nebennieren sind bei den meisten Amphibien, nur
bei einigen Batrachiern nicht, gefunden worden. Sie lie-
gen theils über den Nieren , theils an den Nierenvenen
und sind gewöhnlich gelb gefärbt.
Vögel. Die braunen Nieren der Vögel erstrecken
sich von den Lungen bis in das Becken und haben an
ihrer oberen Fläche , wie die Lungen , Eindrücke von den
letzten Rippen und den Querfortsätzen der Kreuzbeins.
300 in. Abschn. Die Organe der Ernährung.
In der Regel sind sie vollständig getrennt und zerfallen
in drei Hauptlappen. Die Oberfläche erscheint wie das
Gehirn gewunden. Die Harnkanälchen bekommen
von kurzen, blind endenden Anhängen ein gefiedertes
Aussehen und bilden Büschel und Pyramiden, in welche
die Aeste des Harnleiters sich begeben. Die die Nieren
fast in der ganzen Länge begleitenden Harnleiter
münden von oben und hinten in die Cloake. Die Harn-
blase fehlt.
Die kleinen bräunlichen Nebennieren lehlen nie;
sie liegen vorn und am Innenrande jeder Niere und stehen
mit den Nebenhoden oder dem linken Eierstocke in Ver-
bindung.
Säugethiere. Die Niere der Säugethiere stimmt
in allen Avesentlichen Stücken, namentlich was den inne-
ren feineren Bau anbetrifl't, mit der menschlichen überein.
Erst bei ihnen unterscheidet man die Cortical- und die
Medullarsubstanz. Die Zahl der Läppchen (renicull) ver-
mehrt sich namentlich bei den Seehunden und den ächten
Cetaceen ausserordentlich (beim Delphin über 200). Die
Harnblase ist immer vorhanden.
Auch den Säugethieren fehlen nie die Nebennieren.
H. Meckel, Mikrographie einiger Drüsenapparate u. s. w. Müll.
Arch. 1846. (Feinere Structur der 3Ialpigliisclien Gefässe
und der Niere der Lamellibranchien und Schnecken.)
E. Karl es s, lieber die Nieren der Sepia oder die sogenannten
Venenanhänge. Wie gm. Arch 1847.
J. Hyrtl, Beiträge zur Morphologie der Urogenitalorgane der Fische.
Wien, 1849. (Auch in Denkschriften d. math. -nat. Klasse
der k. Academie der Wissenschaften. 1. Band.)
Derselbe, Das uropoetische System der Knochenfische. Denkschr.
d. k. Academie d. Wissenschftn. II. Bnd.
5. Kap. Die Harnorgane. 301
Derselbe, lieber den Zusammenhang der Geschlechts- und Harn-
werkzeuge. Ebendaselbst Bd. VUI. 1854.
Bidder, Vergl. anatomische und histologische Untersuchungen über
die männlichen Gesclilechls- und Harnwerkzeuge der nackten
Amphibien. Dorpat, 1846.
Sechstes Kapitel.
Oie bei§»onedreii Absionderun^sfor^ane.
1. Die litift absondernden Org^ane
(j§ctiwinini1)lase).
Mehrere Röhr en qu allen (z. B. PhysaHa) besitzen
Luftbehälter, welche entweder durch ihre Wände die
Luft nach innen ausscheiden oder auch, wie die genannte
Gattung, mit einer Oeffnung versehen sind. Die Blasen
dienen wohl nicht als Respirationswerkzeuge, sondern
nur dazu, den Körper in bestimmter Lage zu erhalten.
Auch die Kammern in den Schalen der Na uti li-
tt en enthalten Luft und lassen sich desshalb, wie die
Luftbehälter der Röhrenquallen, mit der Schwimmblase
der Fische vergleichen, indem sie vielleicht das Auf- und
Niedertauchen vermitteln.
Die Schwimmblase der Fische ist ein ausser-
ordentlich variirendes Organ, welches die meisten Kno-
chenfische, die Störe und Spatularien haben. Sie fehlt
u. a. der Familie der Schollen, häufig auch einzelnen
Gattungen, während sie den übrigen Gattungen derselben
Familie zukommt. Sie wird von zwei Häuten gebildet,
einer inneren Schleimhaut und einer über dieser liegen-
den fibrösen Haut. Ihre Form hat nichts Konstantes.
Api gewöhnlichsten nur aus einer Abtheilung bestehend,
6. Kap. Die besonderen Absonderungsorgane. 303
zerfällt sie demnächst am häufigsten durch eine Einschnü-
rung in zwei, in der Regel mit einander coramunicirende
Kammern. Ueber ihre Verbindung mit dem Gehörorgan
s. S. 87. Obwohl sie gewöhnlich ohne Ausführungsgang
ist, besitzt sie doch bei einer bedeutenden Anzahl von
Fischen (bei der Ordnung der Physostomi Müll., auch
den Stören) einen in die Speiseröhre führenden Luft-
gang. Die Mündung des Luftganges ist zwar meist an
der Oberseite der Speiseröhre, sie kann aber auch seit-
lich (Erytliviims) oder sogar ventral sein (Polypterus).
Man hat gewöhnlich die Schwimmblase für ein Re-
spirationsorgan gehalten, allein gerade das charakteristi-
sche Merkmal der Lunge, welche venöses Blut empfängt
und arterielles abgiebt, fehlt der Schwimmblase. Ihre
Arterien kommen von den Arterien des Körpers, und ihre
Venen gehen in die Körpervenen zurück, selbst bei den
zelligen Schwimmblasen von Erythrimis und von mehreren
Siluroiden, deren Structur noch am meisten mit derjeni-
gen der Lungen scheinbar übereinkommt. Die Schwimm-
blase scheint vornehmlich ein Hülfs-Bewegungsorgan zu
sein, namentlich aber auf das Steigen und Sinken der
Fische im Wasser einen entschiedenen Einfluss auszuüben.
Diess tritt besonders bei den Fischen deutlich hervor,
die mit einem besonderen Apparat zur Verengerung und
Erweiterung der Schwimmblase versehen sind. So wird
z. B. bei mehreren Welsen (Auchenipterus ^ Doras, Mala-
ptenirits u. a.) die vordere Abtheilung der Schwimmblase
durch einen, wie eine Sprungfeder wirkenden Knochen
eingedrückt, der am ersten Wirbel befestigt ist. Wird
die Feder durch einen Muskel gehoben, so wird die
Schwimmblase vorn ausgedehnt, und zugleich folgt daraus
die Hebung des vorderen Körperendes. Dasselbe wird
304 IW« Abschn. Die Organe der Ernährung.
bei den Ophidiern durch eine, wie ein Stöpsel wirkende
Vorrichtung erreicht.
J. Müller, Beobachtungen über die Schwimmblase der Fisciie.
In: Untersuchungen über die Eingeweide der Fische. Schluss der
vergl. Anat. der Myxinoiden. Berlin, 1845.
II. Bie excernirende Drüse der Treinatoden.
Am Schwänzende der meisten Trematoden mündet
ein schlauchförmiges contractiles Organ, welches eine
helle, viele Körner und Bläschen enthaltende Flüssigkeit
nach aussen entleert. Die von ihm ausgehenden Kanäle
verzweigen sich mitunter durch den ganzen Körper und
stehen mit dem oben erwähnten Gefässsystem in Verbin-
dung. Es liegt nahe, mit diesem Kanalsystem das Was-
sergefässsystem der Rhabdocölen , die den Trematoden
so verwandt sind , zu vergleichen. Allein das Excretions-
organ der Trematoden scheint seinen Inhalt nur durch
Aufsaugung aus dem Körperparenchym zu gewinnen und
könnte nur insofern beim Respirationsprocess betheiligt
sein, als es das durch Endosmose in den Körper (und
in das Gefässsystem?) aufgenommene AVasser vielleicht
wieder aus dem Körper schafft. Dabei kann es zugleich
als Harnorgan dienen*).
III. Die Kitt -Drüsen der Ring^elwürmer.
Die Absonderung der Kalkröhren, in welchen die
*) Man vergleiche aber hierzu, was früher über die Respira-
tionsorgane der Helminthen gesagt ist.
6. Kap. Die besoiulereii Abson(leniiigsorg:aiic. 305
Serpulinen sich verbergen, geht wahrscheinlich von
dem auf dem ersten Körpersegment befindlichen Hautan-
hange aus, dem sogenannten Kragen, der sich also wie
der Mantelrand der GehäusmoUusken verhalten würde.
Bei anderen Kapitibranchiaten und bei Amphicora^
welche aus kleinen Steinen , Pflanzentheilen und anderem
Materiale ihre Röhre zusammensetzen, finden sich innere,
mit besonderen Ausführungsgängen versehene Drüsen,
welche den zum Zusammenfügen jener Stoffe dienenden
Leim oder Kitt absondern. Bei Awphicora liegen sie in
der Nähe des Afters, nierenförmig, zu beiden Seiten des
Darmkanals. Die aus ihrem hinteren Ende abgehenden
Ausführungsgänge vereinigen sich und münden^ wie es
scheint, gemeinschaftlich in den Mastdarm. Bei Aniplii-
tvite münden die vier Kitt absondernden Drüsen gemein-
schaftlich am ersten Körpersegment. Aehnliche Drüsen
sind im Vorderende von Sabclla und Terebella beob-
achtet.
IV. Bei- Tiiiteiibeutel der Ceplialopoden.
Ungefähr in der Mittellinie des Bauches , auf der
Leber, besitzen die Cephalopoden ein meist birnförmiges
Organ, in dessen dicken, zelligen Wandungen die Ab-
sonderung des bekannten schwarzen Pigmentes vor sich
geht. Der Ausführungsgang der Tintendrüse mündet neben
dem After oder noch in den Mastdarm , und das Pigment
wird mit dem in die Mantelhöhle aufgenommenen Wasser
durch den Trichter ausgespritzt.
T. Die i§pinnwerkzeug^e der Araneen und
Iniseeteiilarven.
Der Stoff, aus welchem die Spinnen ihr Gewebe ver-
fertigen, wird durch eine Menge von Drüsen secernirt
20
306 m« Absclm. Die Organe der Ernährung.
die zwischen den Eingeweiden des Hinterleibes liegen
und auf vier (bei IMygale) oder sechs (bei den übrigen
Araneen) Spinnwarzen münden. Die feinere Structur die-
ser Drüsen ist sehr einfach und gleichförmig, indem über-
all eine secernirende Zellenschicht zwischen einer tunicn
propria und einer tunica inüma liegt. Ihre Zahl ist häu-
fig ganz enorm; so zählt man bei Epelra über tausend.
Man kann ungefähr fünf verschiedene Arten unterschei-
den , die sich alle hei Epeira in folgender Weise finden:
1) Glandulae acinifoniies, die beerenförmigen Drüschen,
werden aus kleinen birnförmigen Acini gebildet und ver-
einigen sich, je über hundert, zu sechs kleinen Läppchen
für die sechs Spinnwarzen, indem ihre Ausführungsgänge
schraubenförmig um einander gewunden sind. 3) GL am-
piillaceae, die bauchigen Drüsen, für jede Spinnwarze eine,
nehmen von ihrem blinden Ende allmählig an Dicke zu,
verengern sich dann plötzlich und gehen in einen langen,
eine Schlinge bildenden Ausführungsgang über. 3) Gl.
lubuliformes , die cylindrischen Drüsen, je zwei für die
beiden oberen Spinnwarzen, je eine für die mittleren.
Sind den vorigen ähnlich. 4) Gl. aggregatae , die baum.-
förmigen Drüsen , werden aus weiten, mit vielen Taschen
besetzten Kanälen gebildet. Auch der mittlere Theil ihrer
Ausführungsgänge ist mit Blindsäckchen besetzt. Je ein
Paar mündet in die oberen Spinnwarzen. 5) Gl. hibero
sae , die knolligen Drüsen. Sie sind dichotomisch , aber
nicht weit verästelt, und ihre Aeste bilden varicöse An-
schwellungen. Von diesen Drüsen sind nur zwei für die
mittleren Warzen vorhanden.
Die Sp in n Warzen haben die Form schief oder ge-
rade abgestumpfter Kegel und bestehen aus zwei oder
drei Gliedern. Die Ausführungsgänge der Drüsen ragen
6. Kap. Die besonderer. Absonderungsorgaiic. 307
als die sogenannten Spulen oder Spinnröhren über
die Gipfel der Warzen hinaus , und der Spinnenfaden be-
steht also aus so viel einzelnen Strängen , als Drüsen und
Spulen vorhanden sind.
Die Larven vieler h o lometabolischen Insek-
ten, welche entweder schon vor dem Puppenzustande in
einem gemeinschaftlichen Gewebe leben , wie manche
Raupen, oder sich für ilir Puppenleben einspinnen, sind
mit Spinndrüsen (sericteria) versehen, deren Structur
mit derjenigen der Speicheldrüsen übereinstimmt, und die
als fadenförmige, während der Spinnzeit anschwellende
Schläuche zu beiden Seiten des Darmkanals liegen. Ihre
Ausfüiirungsgänge münden an der Unterlippe. Bei der
Larve von Myrmeleon versieht der Mastdarm die Stelle
der Spinndrüse.
Vergl. H. aieckel, 3Iikrographie u. s. w. MüUer's Av
chiv 1846.
VI. ®ie CJiftdriiseii.
Mit einem sehr eigenthümlichen Gift- und Wehrappa-
rat ist die mikroskopische Rhahdocöle Prostomum lineaer
versehen. Er besteht aus einem in einer Scheide sich
bewegenden hohlen Stachel und einer an dessen oberem
Ende befindlichen Giftblase. Der Stachel tritt aus dem
Ende des Hinterleibes hervor , in welchen das Organ in
seiner gewöhnlichen Lage ganz zurückgezogen ist.
Vergl. 0. Schmidt, Die rhabdoc. Strudelwürmer. Jena, 1848
S. 25. und Dessen Krakauer Turbell. Denkschr. d. k. Acad. 18.58.
Sehr vielen Arachniden sind fadenförmige oder
schlauchförmige Giftdrüsen eigenthüralich, deren Ausfüh-
rungsgang in die hohlen Klauenfühler einmündet. Bei
20 *
308 ill- Abschn. Die Organe der Ernährung.
den Scorpionen liegen die Drüsen im letzten Schwanz-
segment.
Unter den Insekten besitzen namentlich die Weib-
chen der Hymenoptern einen Giftapparat am Hinter-
leibsende. Die Drüse ist paarig, zwei einfache (Vespu,
Apis) oder verästelte (Pompilus) Schläuche, deren Secret
sich in einer Blase ansammelt. Aus dieser wird es ge-
wöhnlich durch den hohlen Stachel entleert. Die Amei-
sen, denen der Stachel am Hinterleibe fehlt, machen die
Wunde , in welche sie das Gift spritzen , mit den Kiefern.
Die feinere Struktur dieser Giftorgane der Spinnen und
Insekten erinnert an die Speichelgefässe derselben Thiere.
Der in den Haaren der Processionsraupe befind-
liche Stoff ist, wie bei den Ameisen, Bienen, Wespen,
Spinnen u. a. Ameisensäure. Mit jedem Haare steht eine
unmittelbar unter der Haut liegende, flaschenförmige
Drüse in Verbindung, zusammengesetzt aus langen, blind-
darmigen , am Ende etwas angeschwollenen Kanälen und
umhüllt von einer einfachen durchsichtigen Membran.
Aehnliche Drüsen finden sich auch an den Haaren von
Bombyx Salicis.
Fr. Will, Miincli. Gel. Anz. 1849. No. 185.
Die Giftdrüse der Schlangen, der parotis ent-
sprechend, liegt hinter und unter dem Auge. Ihr Drüsen-
gewebe ist von einer fibrösen , häufig doppelten Scheide
umgeben. Der Ausführungsgang, den die Scheide, w^enn
sie doppelt ist, begleitet, mündet in den Giftzahn (s. oben
S. 205).
J. Bächtold (yraes. Rapp), Untersiiolunigen über die Gift-
werkzeuge der Schlangen. Tüb., 1843.
Vierter Abschnitt.
Da^ Fortiiflaiizuii^sisy^teiii.
Allg^eineine Krläuteruiigeii.
Die ganze neuere Geschichte der vergleichenden Ana-
tomie hat gezeigt, dass das Verständniss der fertigen
Thierformen und die Vergleichung der verschiedenen Typen
nur durch ein specielleres Eingehen in die Entwicklungs-
vorgänge ermöglicht ist.
Indem somit die vergleichende Anatomie auf das In-
nigste mit der vergleichenden Entwicklungsgeschichte ver-
knüpft ist, haben wir in diesem Schlussabschnitt uns nicht
nur mit den Formen aller der Haupt- und accessorischen
Organe zu beschäftigen, welche das Bildungsmaterial der
neuen Individuen mit allem Zubehör liefern und den Em-
bryo bis zur Geburt beherbergen, wir haben auch die
Arten der Entwicklung selbst zu mustern.
Am allgemeinsten ist in der Thierwelt die ge-
schlechtlicji e F or|tpflanzung verbreitet, deren
Eigenthümlichkeit darin besteht, dass durch das Zu-
sammenwirken und die Vereinigung zweier verschiedener
Fortpflanzungsstoffe der Embryo entstehen kann. Das Ei
(oviilnm) als der eine Stoff, bedarf in der Regel der Be-
fruchtung durch den anderen, den Samen (seme??.
310 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
sperma) , und die beiden bei dieser Fortpflanzungsweise
durchaus nothwendigen Organe , die nur in seltenen Fällen
in merkwürdiger Weise combinirt sind, sind der Eier-
stock und der Ho de. Alle übrigen Organe des Ge-
schlechtsapparates 5 welche die Geschlechtsprodukte auf-
bewahren, ausführen, die Begattung vermitteln u. s. w.,
sind gegen jene beiden unwesentlich, und es giebt daher
nicht wenige Thiere , welche ausser jenen beiden Drüsen
keine Fortpflanzungsorgane besitzen. Die anatomischen
Verhältnisse der Geschlechtswerkzeuge sind unabhängig
von den Erscheinungen, welche die spätere Entwicklung
des Eies und des aus dem Ei gekommenen Jungen dar-
bietet, daher wir auch innerlich berechtigt sind, die Form
der Geschlechtsorgane und die Arten der Entwicklung in
verschiedenen Kapiteln zu betrachten. Ebenso unabhän-
gig von der Entwicklung des Embryo ist es , ob die Ge-
schlechter getrennt sind, oder ob beiderlei Geschlechts-
organe in demselben Individuum, einem Hermaphro-
diten vereinigt sind,
Das vollständige Ei besteht aus dem von der Dot-
terhaut (membrana vitelllna) umschlossenen Dotter
(vitellus) , in welchem sich ein helles Bläschen , das
Keimbläschen (vesicula germinativa) mit einem dunk-
leren Fleck, Keimfleck (maciila germinativa) befindet.
Accessorische Bestandtheile mancher Eier sind u. a. das
Ei weiss (albumen) und die Schale (testa).
Als der primitive, nicht selten räumlich vom Dotter
getrennt entstehende Theil des Eies ist das Keimbläschen
anzusehen , um welches sich die übrigen Theile gruppiren.
Die Hauptbestandtheile des Samens sind die in einer
zähen Flüssigkeit (lirjtior seminis) enthaltenen Samen-
kör p e r c h e n (spermatozoa , zoospermia) . Die am hau-
IV. Absclin. Das Fortpflanzungssysteni. 311
figsten vorkommende Gestalt derselben ist die einer Steck-
nadel, d. h. sie bestehen aus einem Köpfchen und einem
fadenförmigen Schwanzanhange, welcher, so lange der
Samen befruchtungsfähig, sich undulirend oder pendelnd
bewegt. Die Samenkörperchen sind selbständige Form-
elemente, eine besondere Art von Flimmerorganen. Die
Entwicklung geschieht gewöhnlich entweder so, dass in
kleinen isolirten Bläschen sich je ein Samenfaden bildet,
der durch Dehiscenz frei wird (z. B. bei den Saugethie-
ren), oder in der ursprünglichen (Mutter-) Zelle entste-
hen mehr oder minder zahlreiche Tochterzellen, eigent-
liche Keimzellen, in denen sich dann die Samenfäden aus-
scheiden (Mollusken , Ringelwürmer u. a.). Die bei einer
Begattung auf das Weibchen zu übertragende Samenpor-
tion ist häufig von einer besonderen Hülle umgeben, und
heisst ein solches Paket Sperraatophore.
Die Befruchtung des Eies geschieht nach den
neusten an Säugethieren , Amphibien, Insekten und Wür-
mern gemachten wichtigen Entdeckungen damit, dass die
Zoospermien theils durch die Dotterhaut hindurch allsei-
tig, theils durch eine oder mehrere besondere OefTnungen
(nncropyle) in den Dotter eindringen, sich hier auflösen
und ihre Substanz mit der des Dotters vermischen *).
Unabhängig von der Befruchtung ist das Verschwinden
*) Eine scheinbar eigenthümliche Art der Vermischung des
Samens mit den Eielementen findet da statt, wo Dotter- und Keim-
stücke getrennt sind, nämlich bei dem grössten Theile der Phüyel-
mia. Hier berühren sich Samen und der sogenannte Keim, ehe der
Dotterstocksdotter sich an den Keim legt. Da jedoch, wie zuerst
Aubert darauf hingewiesen hat, diese Keime schon in dem Keimstock
ebenfalls mit einem besonderen, wenn auch nicht sehr voluminösen
Dotter versehen werden, den ich Befruchtungsdotter nennen möchte,
läuft auch diese Weise der Befruchtung auf die gewöhnliche hinaus.
312 IV. Abschn. Das Fovlpflaazungssyslem.
des Keimbläschens , es fällt aber sehr häufig damit zu-
sammen. Nach der Befruchtung tritt die F ur chun g des
Dotters ein , eine Erzeugung der zum Aufbau des Embryo
nöthigen Zellen. Die Furchung ist entweder eine totale,
wenn sie sich über die gesammte Dottermasse erstreckt,
oder eine partielle, wenn nur derjenige Theil des
Dotters zerklüftet wird , aus dem die erste Anlage des
Embryo gewonnen wird , während der übrige Theil des
Dotters den sogenannten Nahrungsdotter bildet.
Eier ohne Befruchtung. Nicht unter allen Um-
ständen bedarf das Ei, um sich zu entwickeln, der Be-
fruchtung. Beispiele hierfür liefern namentlich die Hy-
menoptern, u. a. die Bienen, deren Männchen aus unbe-
fruchteten Eiern hervorgehen.
Wesentlich verschieden von der bisher im Allgemei-
nen geschilderten Art ist die ungeschlechtliche
Fortpfanz ung. Es bedarf dabei selbst in dem, der
geschlechtlichen Fortpflanzung ähnlichen Falle , wo in ei-
genthümlichen inneren Räumen oder Organen besondere
Keime entstehen, nicht einer Befruchtung derselben,
sondern diese entwickeln sich ohne Weiteres zu neuen
Individuen. Noch viel abweichender ist aber die unge-
schlechtliche Fortpflanzung durch Th eilung und Knos-
p u n g.
Physiologisch streng lässt sich zwischen beiden ver-
schieden benannten Vorgängen keine Gränze ziehen, in-
dem wohl nie das Thier in der Weise in zwei Hälften
oder in mehrere gleiche Theile zerfallt, dass nicht noch
während des Zusammenhanges jeder sich zum selbstän-
digen Individuum loslösende Theil gleichsam als eine
Knospe der anderen Hälfte oder der übrigen Theile zu
betrachten wäre, lud im anderen Falle, wo wir Knos-
IV. Absclni. Das Fovtpflaiizungssyslem. 313
penbildung zu haben glauben , geht nicht selten ein wirk-
licher Theil des Mutterthieres ohne besondere histiologi-
sche Veränderung in die Knospe über.
Alle Thiere haben natürlich im Ei oder überhaupt
während der Entwicklung eine Reihe, nach den Typen
und Klassen sehr verschieden sich gestaltender Umwand-
lungen durchzumachen; viele werden jedoch so geboren,
dass sie im Allgemeinen dem Mutterthiere oder einem der
Eltern vollständig ähneln. Bei sehr vielen ist aber das
Neugeborene so auffallend abweichend durch Gestalt,
durch den Besitz besonderer zu besonderer Lebensweise
nothwendiger Organe, durch den Mangel anderer, welche
für die spätere Lebensperiode erforderlich sind, dass man
in diesem Falle vorzugsweise von einer Met amorph ose
spricht. Wir beschränken diesen Begriff immer nur auf
die Veränderungen der Gestalt und des physiologischen
Verhaltens, welche ein und dasselbe Individuum betreffen,
und die Benennung Larve darf streng und in der ur-
sprünglichen Bedeutung genommen nur auf ein Individuum
angewendet werden während der Periode, in welcher es
sich zu seiner definitiven Gestalt entwickelt. Die Me-
tamorphose ist also der Entwicklungscyclus eines Indi-
viduum.
Viel weitgreifender ist die eigenthümliche Art der
Fortpflanzung, welche Generationswechsel heisst,
und wodurch der Begriff der Species , wie man ihn ge-
wöhnlich zu haben pflegt, und wonach alle diejenigen
Individuen zu einer Species gehören, welche zu einer
gewissen Lebensperiode nahebei dieselbe Grösse und Ge-
stalt erlangen und sich fruchtbar fortpflanzen , wesentlich
modificirt wird. Der Artbegriff wird nämlich bei den
dem Generationswechsel unterworfenen Thieren nicht
314 IV. Absclin. Das Foitpflauzuiigssystem.
durch die Merkmale einer Generation von Thieren voll-
ständig, sondern es gehören mehrere in cyclischer Ent-
wicklung auf einander folgende Generationen dazu, die
im Allgemeinen in dem Verliältniss zu einander stehen,
dass die eine, als Hauptrepräsentant der Art, Geschlechts-
organe entwickelt und durch Samen und Eier sich fort-
pflanzt, während die aus den Eiern hervorgegangene
Generation durch eigenthümliche Keimbereitung, durch
Theilung oder Knospenhildung proliferirt und erst in ihren
Nachkommen oder in den Producten dieser Nachkommen
der ersten , Samen und Eier zeugenden Generation wieder
ähnlich wird. Die keimbereitenden Zvvischengenerationen
sind Ammen genannt worden. Der Generationswechsel
ist mithin eine Metamorphose von Generationen, inner-
halb welcher die Metamorphose von Individuen vielfältig
vorkommt.
Erstes Kapitel.
Die Oeischlechtisor^ane.
1. Die Geschlechtsorgane der Strahlt liiere.
Polypen. Wahrscheinlich liönnen alle Polypen sich,
periodisch wenigstens, durch Eier fortpflanzen. Die Ge-
schlechter sind vielleicht immer getrennt (Actinia, Vere-
tilliim cynomorium , Alcyonium) , so dass bei dem voll-
ständigen 3Iangel von Begattungsorganen alle Befruchtung
durch das Wasser vermittelt uird.
Hoden und Eierstöcke gleichen gekrösartig an
den Wandungen der Leibeshöhle befestigten Bändern,
und ihre Producte gelangen unmittelbar in die Leibes-
höhle, von wo sie durch Magen und Mund entleert
werden.
ScliAvimmpolypen. Die Colonieen der Sipho-
nophoren sind meist hermaphroditisch; man kennt je-
doch auch eingeschlechtige , wie Diphyes quadrivahis
Geg enbaur. Die Geschlechtsorgane (nach Leuckart
Geschlechtsindividuen) zeigen in ihrer höchsten Entwick-
lung grosse Aehnlichkeit mit Scheibenquallen, eine Aehn-
lichkeit, die um so grösser wird, wenn diese individuen-
gleichen Organe sich von dem Stamme loslösen und selb-
ständig eine Zeit lang umherschwimmen. Das typische
männliche Organ besteht aus einer unten offenen,
316 IV". Absclm. Das Foiipflanzungssyslem.
meist glockenförmigen Kapsel mit vier radiären Gefässen,
einem Ringkanal und einem contractilen Saum , ferner aus
einem darin befindlichen Schlauche, dem Samensacke, mit
einem inneren, Nahrungssaft enthaltenden Räume.
Dem ganz ähnlich gebaut ist das weibliche Or-
gan, es fehlt aber gewöhnlich der zuletzt erwähnte
Nahrungssaftbehälter. Der dem Samensack entsprechende
Eiersack enthält 1 bis 20 und mehr Eier.
Diese Theile finden sich bald einzeln , bald in grös-
serer Anzahl und dann meist traubenförmig vereinigt.
Scheibenquallen. Die Anordnung der an Form
und Farbe sich täuschend ähnlich sehenden, aber auf ver-
schiedene Individuen vertheilten Geschlechtsorgane der
Scheibenquallen ist sehr variirend. Bei mehreren
Gattungen (z. B. Oceania) durchkreuzen sich die Hoden
oder Ovarien, indem sie radienförmig vom Scheibenrande
nach dem Magen verlaufen, ohne deutliche Mündungen.
Bei anderen ( Rhizostomum , Medusa, Pelagia u.a.) finden
sich an der Unterfläche der Scheibe, um die Basis der
grossen Arme herum , vier Höhlen , in deren Grunde die
bandförmigen, auf verschiedene Weise gruppirten Ge-
schlechtsdrüsen befestigt sind. An den Armen einiger
weiblichen Scheibenquallen (Medusa) entwickeln sich ei-
genthümliche Bruttaschen, in welchen längere Zeit die
Jungen beherbergt werden.
Eigene Begattungsorgane fehlen den Quallen , daher
bei den getrennten Geschlechtern die Uebertragung des
Samens durch das Meerwasser geschieht.
Sehr eigenthümlich verhält sich die, wegen der übri-
gen Hydrinen den Quallen zugezählte Gattung Hydra,
an der sich periodisch ausser e Geschlechtsorgane
entwickeln. Die Hoden wachsen unter der Basis der
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 317
Arme als konische, an der Spitze durchbohrte Papillen
hervor und enthalten eine sehr gewöhnliche Spermato-
zoenform, bestehend aus einem Köpfchen mit dem haar-
förmigen Anhange. An demselben Individuum , unterhalb
der Hoden, treten verhältnissmässig grosse Eier hervor,
die sich nach und nach abschnüren und mit einer harten,
bei Hydra vulgaris mit vielen zackigen Fortsätzen ver-
sehenen Hülle umgeben.
Die Rippenquallen sind Zwitter; ihre schlauch-
förmigen Hoden und Ovarien, die sich, wie bei den Schei-
benquallen, nur periodisch entwickeln und sich äusserlich
so gleichen, dass sie häufig nur durch eine nähere Ana-
lyse ihres Inhaltes sich unterscheiden lassen, liegen neben
den Rippen, auf einer Seite ein Ovarium, auf der anderen
ein Hode. Ob der von ihnen bis zum Munde gehende
Ausführungsgang nach aussen mündet, ist ungewiss.
Echinodermen. Fast alle Echinodermen sind ge-
trennten Geschlechtes, indem vielleicht nur die Gattung
Syjiapta hermaphroditisch ist. Auch hier sind Weibchen
und Männchen ausser der Brunstzeit kaum zu unterschei-
den. Die Ovarien und Hoden sind einfache oder ver-
ästelte Schläuche, die häufig keine Ausführungsgänge be-
sitzen und daher ihre Producte durch Dehiscenz in die
Leibeshöhle entleeren. Bei den Crinoiden liegen die
Geschlechtsschläuche an den phmu'ae» Die fünf Hoden
oder Ovarien der Echinoiden befinden sich zwischen
den Ambulakralbläschenreihen. Die einzelnen Blindsäck-
chen jedes Organs münden in einen besonderen Ausfüh-
rungsgang, \velcher am Rücken die Genital platten
durchbohrt. Bei den Ophiuren liegen die gelappten
Geschlechtstheile, je zwei, also zehn im Ganzen, in den
Interradialräumen um den Magen herum; sie sind mit
318 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
einem nach dem Munde gehenden Stiele versehen, der
jedoch nicht der Ausfiihrungsgang zu sein scheint. Wahr-
scheinlich fallen Samen und Eier in die Leibeshöhle und
werden durch die Spalten des Hautskeletes entleert. Die
varicösen Geschlechtsdrüsen der Asterien liegen in den
Armwinkeln und sind bei den afterlosen und auch meh-
reren mit einem After versehenen Seesternen ohne Oeff-
nungen und Ausführungsgänge. Bei anderen Seesternen
mit After (Asteracanthion rubens, Solaster papposus) fin-
den sich auf dem Rücken in jedem Interradialraume zwei
nackte , siebartig durchlöcherte Stellen (laminae cribrosae),
wo die Ausführungsgänge münden.
Der Eierstock oder Hode der Holothurien be-
steht aus einem Büschel verästelter Blindsäcke (Ovarium
roth, Hode weisslich) , welche frei in der Leibeshöhle
liegen und vorn in einem einzigen Ausführungsgange zu-
sammenkommen , der zwischen den Tentakeln an der
Rückenseite mündet.
2. Die Geschlechtsorgane der Würmer.
Infusorien. Es scheint sicher zu sein, dass auch
bei den Infusorien eine geschlechtliche Fortpflanzung statt
findet, und dass das Organ, welches Ehren her g als
den Hoden bezeichnete , wirklich eine Geschlechtsdrüse
ist. Neuerlich hat man dasselbe nucleus genannt, einen
kleineren , meist wandständigen Theil micleoliis. Nach
Balbiani (Comptes rendus. Mars. Aout 1858) wäre der
nucleus Eierstock, der nucleolus Hode*).
*) Von Samenkörperchen in einem der beiden Theile sprechen
J. Müller, C 1 a p a r e d e , L a c h m a n n , L i e b e r k ü h n. Nähere
Aufschlüsse sind in dem im Erscheinen begriffenen Werke von Stein
zu erwarten „Der Organismus der Infusionsthiere etc." Leipzig 1859.
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 319
P 1 a t y e 1 m i a. Zu den hermaphroditischen
Platyelmieii gehören sämmtliche Dendrocölen, fast
alle Rhabdocölen, alle Cestoden und Tremato-
de n. Diese zeigen in den Grundzügen ihres Geschlechts-
organismus eine grosse Uebereinstimmung. Die weibliche
Geschlechtsdrüse zerfällt in zwei räumlich getrennte und
an Umfang sehr verschiedene Partien. Die kleinere ist
der sogenannte Keimstock, in welchem die Keimbläs-
chen und ein eigenthümlicher feinkörniger Dotter gebildet
werden, den man den Befruchtungsdotter nennen kann.
Mit ihm nämlich kommen die Sperraatozoen in Berührung
vor dem Hinzutritt des in den ausgedehnten Dotter-
stöcken bereiteten grobkörnigen Dotters. Von sehr
verschiedener Ausdehnung ist das Organ, in welchem diese
verschiedenen Eielemente mit den Spermatozoen sich be-
gegnen und zum vollständigen Ei werden, jenachdem die
Eier einzeln ausgestossen werden (Prostominn^ viele
Vortex u. a. , Planarien) oder in grösserer Zahl sich an-
häufen (Cestoden und Trematoden); es ist der Uterus.
Die den Dendrocölen fehlenden weiblichen Samen-
taschen kommen sehr allgemein bei den Cestoden,
ganz besonders aber bei den Trematoden und Rhab-
docölen vor. Während die meisten von ihnen nur ein
einfaches sackförmiges Behältniss zur Aufnahme und Be-
herbergung des Samens bis zur Befruchtung besitzen, ist
bei den typischen Arten von 3Jesostomum , wie bei vielen
Insecten , eine öursa copulatrix und , in unmittelbarer Ver-
bindung mit dem Keimstock, ein receptacubim seminis
vorhanden.
Die aus dem , in der Regel paarigen Hoden führen-
den vasa deferentia bilden bei den Dendrocölen vor dem
Penis starke Anschwellungen, welche als vesicidae se»ii-
320 IV. Absclm. Das Fortpflanzungssystem.
nales fungiren ; bei den übrigen Platyelmien münden sie
in eine besondere, mit dem Begattungsglied in Verbin-
dung stehende Samenblase. Jenes, das Begattungs-
organ, ist bei den Rhabdocölen oft durch feste, hornar-
tige Gebilde der verschiedensten Form ausgezeichnet.
Bei den Turbellarien dieser Abtheilung ist noch eine
accessorische Drüse auf der Seite des männlichen
Apparates zu nennen, deren körniges Sekret in der Sa-
menblase oder in einer mit dem Penis in V^erbindung
stehenden Höhlung angehäuft wird.
Die männliche und die weibliche Geschlechts-
öffnung pflegen bei Cestoden und Trematoden gemein-
schaftlich in einer massigen Vertiefung zu liegen. Bei
den Dendrocölen und Rhabdocölen aber führt der porus
genitalis in eine weite Vorhöhle, in welche die ver-
schiedenen Organe und deren Ausführungsgänge einmün-
den, wenn nicht, wie bei vielen marinen Planarien, die
Geschlechtsöffnungen ganz von einander getrennt sind.
Die Nemertinen, die Familie der Microstomeae
und die Gattung Dinophilus sind getrennten Geschlechtes.
Bei den Nemertinen liegen in unbestimmter Anzahl zu
beiden Seiten des Darm- und des Rüsselkanals Drüsen,
welche Samen oder Eier absondern und diese durch eigne
OefFnungen , ohne dass Begattungsorgane vorbanden wä-
ren, entleeren. Bei den Microstomeen ist ein ein-
facher Eierstock oder Hode vorhanden. Die männlichen
Geschlechtstheile von Dinophilus vorticoides sind paarig.
Auf jeder Seite ist ein schlauchförmiger Hode, welcher
mit einer Samenblase in Verbindung stehlt; die kur-
zen Ausfübrungsgänge der Samenblasen stossen unterhalb
des Mastdarms zusammen und sind, wie dieser, von einem
starken Sphincter geschlossen. Die gemeinsame Intestino-
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 321
Genitalöffnang liegt über dem Schwänze. Beim Weib-
chen lassen sich Dotter- und Keimstöcke als gesonderte
Organe nicht unterscheiden , wie man bei der sonstigen
Verwandtschaft dieser Gattung mit den hermaphroditischen
Rhabdocölen erwarten könnte. Die Eier entwickeln sich
in vier elliptischen Behältern, welche, sobald sie mit
Eiern angefüllt sind, ganz ausgestossen werden. Ein
grosses dünnwandiges receptaculum seminis steht mit der
Analöifnung in Verbindung.
Nematelmia. Bei den Acanthoce p halen, Ne-
matoden und Gordiaceen sind die männlichen und
weiblichen Generationsorgane auf verschiedene Individuen
vertheilt; jede Ordnung verhält sich aber wiederum ei-
genthümlich. Im Inneren des sogenannten llgamentum
Suspensorium der ^ Acanthocep halen bilden sich fein-
körnige Körper , welche in die Leibeshöhle gelangen und
lose Ovarien oder eibildende Scheiben sind. Diese
erzeugen Eier, die bei eintretender Reife aus der Scheibe
fallen, durch Schluckbewegungen wieder in das llgam.
Suspensorium aufgenommen und in den Uterus zur Wei-
terbeförderung geleitet werden.
In den c^ Acanthocephalen sind gewöhnlich zwei hin-
ter einander liegende rundliche Hoden am llgam. suspens.
befestigt, deren vasa deferentia nachdem Hinterende zum
Penis gehen. Dieser, gewöhnlich eingezogen, endigt,
wenn er hervorgestulpt wird , mit einer Art von Glocke,
welche beim Coitus die weibliche Geschlechtsmündung
umfasst. Kleine birnförmige Drüschen in der Nähe der
Hoden und der Samenleiter scheinen die klebrige Masse
abzusondern , welche häufig an der weiblichen Ge-
schlechtsmündung haftet. Die weiblichen Organe der
Nematoden stellen einen einfachen oder gabeligen
21
322 ^^- Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
Blindsack, die männlichen immer eine einfache lange Röhre
dar. Dort lassen sich die verschiedenen weiteren und
engeren Abtheilungen als 0 vari um, Eileiter, Uterus
und Scheide, weit nach vorn mit einem Querspalt mün-
dend, hier als Ho de, vas deferens, vesicida seminalis
und ductus eiaculatorius unterscheiden. Mit dem diict.
eiactd. steht die Penisscheide in Verbindung. Der
aus harter Substanz bestehende einfache oder doppelte
Penis ist von sehr verschiedener Form. Als Hülfsbe-
gattungsorgane dienen den Männchen mancherlei
äussere Anhänge, auch scheint häufig, wie bei den Acan-
thocephalen, ein Kitt zur innigeren Vereinigung der Be-
gattungsorgane secernirt zu werden.
x\uch bei den Gordiaceen sind die Fortpflanzungs-
werkzeuge schlauchförmig und lassen eine ähnliche Ein-
theilung zu.
R i n g e 1 w ü r m e r. Die Egel, Regenwürmer
und Naiden sind Zwitter mit gegenseitiger Befruchtung.
Die Geschlechtsöifnungen liegen am Bauche im Vorder-
theile, die weiblichen hinter den männlichen; die Begat-
tunggeschieht, indem sich die entgegengesetzten Körper-
enden der beiden Individuen an einander legen. Von den
Hirudineen mag Hirudo medicinalh als Vorbild dienen;
ihm schliessen sich die übrigen mit einigen , namentlich
auf die Zahl der Hoden bezüglichen Abweichungen an.
Zwei rundliche Eierstöcke haben jeder einen kurzen
Eileiter, die sich zu einem längeren, gemeinscliaftli-
chen Ausführungsgange vereinigen. Dieser führt in einen
birnförmigen, mit einer kurzen Scheide endigenden
Uterus über. Neun Paar Hoden liegen in zwei Reihen
zu den Seiten der Ganglienkette; ihre kurzen Ausfüh-
rungsgänge münden in die beiden langen vasa deferentia^
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 323
die, vorn sieh mehrfach windend, die beiden sogenannten
Samenblasen bilden. Die ductus eiaculatorii dersel-
ben gehen in den, den herausstülpbaren Penis enthal-
tenden Bulbus.
Die Kapseln (Cocons), womit viele Egel ihre
Eier umgeben, werden von eigenthümlichen, während der
Brunstzeit und vor dem Legen sich entwickelnden Haut-
drüsen als eine schleimige , bald erhärtende Masse se-
cernirt.
Unter den Oligochäten kennt man am besten die Ge-
schlechtswerkzeuge der Lumbricinen. Die männlichen
Organe bestehen in vier Hoden, zwei grossen dünnhäu-
tigen Samenblasen und zwei, mit je zwei trichterför-
migen Organen beginnenden Samenl eitern. Die beiden
Eierstöcke sind klein; etwas hinter ihnen liegen zwei
mit Tuben beginnende Eileiter. Die Geschlechts-
öffnungen sind paarig; ihre Lage wechselt nach den
Species. Aehnlich complicirt verhalten sich die Naiden.
Als äusseres Begattungsorgan dient den Regenwürmern
der sogenannte Sattel. Er entwickelt sich besonders
zur Brunstzeit, und die Thiere umfassen sich mit seinen
an der Bauchseite befindlichen Rändern. Er entsteht
ebenso wie der Gürtel anderer Lumbricinen und Naiden
durch eine Anhäufung weisslicher Drüsenbälge.
Viel einfacher, als die genannten Anneliden, verhal-
ten sich die Kiemen würm er. Sie sind getrennten Ge-
schlechtes; ihr ganzer Generationsapparat besteht nur in
einem Paar Drüsen-Körpern oder Schläuchen, welche
ausser der Brunst häufig gar nicht zu bemerken sind,
während derselben aber oft ganz enorm anschwellen und
mit Samen oder Eiern gefüllt sind. Sie besitzen keine
Ausführungsgänge, sondern entleeren ihren Inhalt, wahr-
21*
324 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssyslein.
scheinlich indem sie bersten, in die Leibeshöhle. Von
hier aus gelangen Samen und Eier vielleicht durch be-
sondere Oeffnungen zwischen den Fussstummeln ins Was-
ser j bei anderen Kiemenvvürmern wird die Leibeshöhle
vielleicht durch Ablösung der hinteren Körpersegmente
geöffnet.
3. Die Geschlechtsorgane der Arthropoden.
Räderthiere. Sie sind wohl alle getrennten Ge-
schlechtes. Der weibliche Apparat besteht in einem
einfachen oder doppelten schlauchförmigen Ovarium,
dessen Ausführungsgang in die Cloake übergeht, und in
welchem nicht selten die Dotterbildung und die Bildung
der Keimbläschen verschiedenen Stellen übertragen ist.
Die Männchen, welche man in den letzten Jahren von
ziemlich vielen Arten hat kennen lernen, sind ausgezeich-
net durch den Mangel des Verdauungsapparates. Der
Hode ist einfach, blasenförmig und mündet in die, aus-
serdem nur noch die contractile Blase aufnehmende
Cloake ein*).
Crustaceen. Nur bei den Cirripedien scheinen
beiderlei Geschlechtsorgane in demselben Individuum ver-
einigt zu sein, wiewohl auch gegen ihren Hermaphrodi-
tismus Zweifel erhoben sind. Das Ovarium der Lepa-
den liegt im Stiel , bei den Balanen zerfällt es in mehrere,
zwischen den Mantelblättern befindliche Partieen. Bei
*) Das (^ von Hydatina senta ist in der Enteroplea hydatina
Eliibg. erkannt. Ausser den oben erwälinleu und anderen, die
Form und die Haulbedeckungcn betreffenden Abweichungen macht
die Zwergform mancher Arten das Erkennen schwer. So z. B. ist
das (^ von Brachionus arceolaris bis dreimal kleiner als das ^ und
liat keine starre Scliale.
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 325
beiden verweilen die Eier bis zum Auskriechen der Jun-
gen in der Mantelhöhle. Die Hoden bestehen aus zwei
Haufen traubenförmig vereinigter Follikel, zu den Seiten
des Darrakanals. Ihre weiten vasa deferentia vereinigen
sich am Grunde des bekannten schwanzförmigen Anhan-
ges, durch welchen sich der ihictus elaculatorms er-
streckt.
Bei allen übrigen Crustaceen sind die weiblichen und
die männlichen Organe auf verschiedene Individuen ver-
theilt, sind aber desshalb häufig verkannt worden, weil
beiderlei Geschlechts Werkzeuge oft täuschend in den äus-
seren Formen sich einander wiederholen. Zu anderen
irrigen Meinungen hat der Umstand Veranlassung gegeben,
dass bei gewissen Ordnungen, z. B. den Lophyropoden,
höchst selten , bei manchen Arten noch gar nicht die
Männchen gefunden sind, und dass bei anderen Ordnun-
gen, namentlich den Parasiten, häufig die Männchen so
ausserordentlich klein im Vergleich zu den Weibchen sind,
dass sie leicht ganz übersehen werden, oder, bei ihrem
schmarotzenden Aufenthalt am Weibchen, selbst wieder
für eigene Schmarotzergattungen der Weibchen gehalten
worden sind.
Unerachtet der vielen Abweichungen in den verschie-
denen Ordnungen und weiteren Unterabtheilungen , lässt
sich doch ein gemeinsamer Typus der Geschlechtsorgane,
sowohl der weiblichen als der männlichen , nicht verken-
nen , daher auch die genauere Beschreibung aller dieser
Variationen mehr ein specielleres zootomisches Interesse
hat, als wir hier verfolgen.
Weibliche Geschlechtsorgane.
Die gewöhnlich doppelten Ovarien liegen neben
326 IV. Absclm. Das Fortpflanzungssystem.
dem Darme ; sie sind theils (Parasiten , Lophyropoden,
Lämodipoden, Isopoden, Amphipoden u. a.) einfache
Schläuche, theils (z. B. bei Apus) vielfach verästelt. Das
Ovarium von Astacus flumatilis ist dreilappig, indem die
beiden seitlichen Lappen den beiden Ovarien der übrigen
Crustaceen entsprechen ; es liegt unter dem Herzen. Zu
jedem Eierstock gehört ein besonderer Eileiter, und
beide Eileiter münden nach einem längeren oder kürzeren
Verlaufe gesondert, gewöhnlich an der Basis eines Fuss-
paares nach aussen , z. B. bei den Anomuren und Macru-
ren am dritten Fusspaare, bei den Brachyuren auch an
demselben Körpersegment, aber zu den Seiten der Mittel-
linie. Die meisten weiblichen Crustaceen tragen die be-
fruchteten Eier noch eine Zeit lang , meist bis zum Aus-
kriechen der Embryonen , mit sich umher. Sie sind dess-
halb oft mit besonderen Hülfsorganen ausgestattet. Dahin
gehören u. a. die in der Nähe der Geschlechtsöflnungen
mündenden Drüsenschläuche, die einen Kitt zur Befesti-
gung der Eier absondern (Parasiten, Lophyropoden). Sehr
häufig sind auch , wo diese Kittorgane fehlen , am Bauche
besondere Bruttaschen (marsiipium) zur Aufnahme der
Eier angebracht (Lämodipoden, Asseln, Amphipoden
u. a.). Bei den Decapoden werden die Eier durch die
mehr als bei den Männchen entwickelten Afterfüsse ge-
halten.
Die beiden Hauptabtheilungen der Myriopoden
sind auch durch ihre Geschlechtswerkzeuge getrennt.
Der Eierstock der Chilognathen ist doppelt, beide
Eierstöcke entweder von einem gemeinschaftlichen Sacke
umhüllt (Polyxeims^ Glomeris ^ Julus^ Polydesmus) oder
jeder von einem eignen Sacke umgeben (Craspedosoma).
Die GeschlechtsöfFnungen dieser Gattungen (^) liegen
1. Kap. Die Geschlechlsjrgane. 327
paarig unmittelbar hinter dem 2. Fusspaar. Der Eier-
stock der Chilopoden ( Lithobms , Scolopendra etc.)
ist einfach und liegt oberhalb des Verdauungscanais.
Allgemein finden sich receptaculum seminis und zwei bis
vier accessorische Drüsen.
öl ä n n li che Geschlechtsorgane.
Nur selten, Avie bei den Cyclopidae, ist der Hode
einfach; in der Regel ist er doppelt, und es findet sich
demnach meist auch jederseits ein Ausführungsgang, mit
dem äussere Ruthen in Verbindung stehen. Die Mündun-
gen der vasa deferentia , deren letzten , erweiterten Theil
man bei den höheren Ordnungen als ductus eiacidatoniis
bezeichnet, liegen sehr verschieden, so z. B. bei den
meisten Decapoden am Hüftgliede des letzten Fusspaares.
Sehr viele männliche Crustaceen sind mit äusseren
Copulationsorganen ausgestattet, mit welchen sie bei der
Begattung die Weibchen festhalten. Gewöhnlich sind diess
Krallen oder Haken an einem oder an mehreren Fusspaa-
ren, oder auch an einem Beine. In secundäre Rutben ist
das erste Paar Afterfüsse vieler Decapoden umgewandelt.
Bei den Cyclopiden und manchen Decapoden bilden sich
S p e rm a toph 0 r en. In dem unteren Theile der Aus-
führungsgänge sondert sicli der Samen in einzelne cylin-
drische oder birnförmige Partieen, welche sich mit einer
homogenen Membran umgeben. Von den Männchen der
Cyclopidae werden diese Schläuche aussen an die Vulva
des Weibchens geklebt.
Auffallende Eigenthümlichkeiten bieten die Geschlechts-
verhältnisse der Ostracoden dar. Sie besitzen eine
wunderbar geformte Schleimdrüse (ghnuhda mucosa),
deren Secret zur Reifung der Zoosperraien von Wichtig-
3*28 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
keit zu sein scheint; ihr Begattungsapparat ist compli-
cirter, als es sich sonst bei den Crustaceen findet; am
merkwürdigsten sind aber die Zoospermien , welche ein-
zeln einen Ueberzug von jenem Schleime bekommen, den
sie später, gleichsam sich häutend, abwerfen. Ferner
haben diese Samenkörperchen eine undulirende Spiral-
platte, rechts oder links gewunden, je nach der Körper-
hälfte, in der sie entstehen, und endlich erreichen sie die
absolut grösste Länge, die bis jetzt in der Thierwelt be-
obachtet ist, indem sie bei Cypris ovum y^"'—\"' lang
sind, über dreimal länger als das Thier selbst.
Die männlichen Geschlechtstheile der Myriopoden
sind fast in jeder ünterabtheilung dieser Ordnung nach
einem besonderen Typus gebaut. Während bei einigen
(z. B. LUliob'ms) nur ein Hodenschlauch, geAvöhnlich mit
einem Paar Nebenhoden, sich sondert, haben andere Gat-
tungen (z. B. Glomerh) zwei Hoden, und bei Jiilus sind
eine Blenge einzelner Hodenblasen in zwei Reihen vor-
handen, die auf zwei, durch Queranastomosen verbunde-
nen vasa defcrentla aufsitzen. Die Geschlechtsöffnnngen
sind denen der Weibchen entsprechend. Die Bedeutung
mehrerer Drüsen , deren Ausführungsgänge nach den Ge-
schlechtsmündungen führen und welche auch die Weib-
chen besitzen , kennt man nicht.
Mehrere C h i 1 o g n a t h e n, z. B. Polydesmus und Julus
besitzen einen eigenthümlichen Begattungsapparat, der bei
Polydesmus complcmatus an die höheren Cruster erinnert,
indem ein Fusspaar dazu verwendet ist. Die Begattung
ist eine ähnliche, wie bei den Arachniden und Libelluli-
den. Dagegen hat kein Chilopode ein Begattungsor-
gan, wohl aber wird der Same in feste Spermatophoren
verpackt, welche sich bei Geophilus convolvens, nachdem
4. Kap. Die Geschlechtsorgane. 329
sie abgelegt sind, das Weibchen selbständig aneignen
muss.
Arachniden. Mit Ausnahme der Tardigraden,
deren herniaphroditische Geschlechtstheile aus einem gros-
sen schlauchförmigen Ovarium , über dem hinteren Theile
des Darmkanals gelegen, und aus zwei länglichen, mit
dem Ovarium in die Cloake mündenden Hoden nebst ei-
nem Samenbläschen bestehen , sind die Arachniden ge-
trennten Geschlechtes.
Weibliche Geschlechtsorgane-
Die Ovarien sind in der Regel doppelt vorhanden,
verschmelzen aber zuweilen so in der Mitte (bei den
Phalangien), dass sie einen einzigen Bogen bilden,
und bei den Scorpioniden bestehen sie aus drei engen,
parallelen Schläuchen, welche durch vier Paar Querka-
näle verbunden sind. Die beiden Eileiter gehen bei
den Phalangien in eine Art von Uterus über, aus wel-
chem sich ein zweiter langer und gewundener Oviduct
fortsetzt; in der Regel aber führen die kurzen Oviducte
gleich in die Scheide (z. B. bei den Araneen) oder in
eine Legeröhre (bei mehreren Milben) über. Auch die
Phalangien besitzen eine gegliederte Legeröhre. In die
Scheide münden sehr häufig auch die Ausfiihrungsgängo
zweier Schläuche, die bei den Araneen wenigstens als
receptücula seminis functioniren , bei anderen Arachniden
aber vielleicht als Kittorgane zu deuten sind. Die äus-
sere Geschlechtsmündung befindet sich theils am Hinter-
leibe, z. B. bei den Araneen und vielen Acarinen , theils
an der Brust, wie bei anderen Acarinen (Acarus, Ixodes).
Völlig abweichend verhalten sich die Pycnogoni-
den, deren acht schlauchförmige Eierstöcke in den Bei-
330 IV. Absclm. Das Fortpflanzungssyslem.
nen liegen. Andere Theile des Geschlechtsapparates sind
bei ihnen nicht gefunden.
31 ä n n 11 c h e Geschlechtsorgane.
Die Hoden variiren sehr an Zahl und Form, wie-
wohl die Duplicität vorherrscht, so z. B. bei den Ara-
neen, deren Hoden zwei sehr lange und gewundene
Schläuche sind. Ihre Ausführungsgänge münden zwischen
den Lungensäcken an der Basis des Hinterleibes. Nur
wenige Arachniden, z. B. die Phalangien, besitzen einen
Penis; sehr häufig aber dienen die sehr entwickelten
Kieferfühler und eigenthümlich gestalteten Palpen als Be-
gattungsorgane. So bringen die männlichen Araneen ver-
mittelst ihrer löffelartigen Palpen die Samenflüssigkeit
auf die Vulva der Weibchen.
Insekten. Bei allen Insekten sind die Geschlechts-
werkzeuge auf verschiedene Individuen vertheilt, indem
die sogenannten Geschlechtslosen in den Kolonieen der
Bienen, Termiten und Ameisen unentwickelte Weibchen
sind, diejenigen Aphiden aber, welche ohne Befruchtung
eine Brut hervorbringen , in die Kategorie der sogenann-
ten Ammen (s. unt. über den Generationswechsel) gehö-
ren. Die Geschlechtsorgane entwickeln sich vorzüglich
während des Puppenzustandes, ihre Keime sind jedoch
schon bei den Larven sehr früh zu entdecken , und man
kann z. B. schon an den jungen Raupen die Geschlechter
unterscheiden. In den besonderen Formen, namentlich
der Ovarien und Hoden, unendlich mannichfaltig , zeigen
die Generationsorgane der Insekten doch im Allgemeinen
eine Uebereinstimmung, die zum Theil noch mehr hervor-
tritt, als bei den Crustaceen und Arachniden.
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 331
>V eibliche Geschlechtsorgane.
Die beiden Ovarien nehmen, wenn sie ausgebildet
sind, häufig den grössten Theil des Hinterleibes ein; sie
bestehen aus einzelnen Röhren oder Schläuchen , in denen
immer nur eine Reihe Eier liegt, die weniger entwickel-
ten nach dem blinden Ende zu, so dass sie ein perlschnur-
förmiges Ansehen liabcn. Nur bei einigen Ordnungen ist
die Zahl der Röhren eine geringe, wie bei den Aptern
und den meisten Hemiptern; auch die Lepidoptern haben
nur vier sehr lange Schläuche. Gewöhnlich aber sind sie
in grösserer Menge vorhanden und auf die verschieden-
artigste ^Veise gruppirt. Das offene Ende der Eiröhren
führt in die beiden gewöhnlich kurzen Tuben oder Ei-
leiter, und diese vereinigen sich zu einem gemein-
schaftlichen Ausführungsgange, dessen Ende
die eigentliche Scheide ist. Mit diesem Ausführungs-
gange stehen aber auch mehrere schlauchförmige und
drüsenartige Organe in Verbindung, durch deren nähere
Kenntniss erst manches sonst Räthselhafte in der Fort-
pflanzungsgeschichte der Insekten aufgeklärt wird. Am
weitesten nach hinten mündet die Samentasche (recepta-
culum seminis), die vielleicht nur den Aptern fehlt, bei
den meisten Insekten aber einfach oder doppelt oder auch
(bei vielen Diptern) dreifach sich findet. Ihr oberer
Theil ist der Samenbehälter (capsula seminaUs) , dessen
innere Wandung meist eine hornige Beschaffenheit und
eine braune Färbung hat. Durch einen ductus semhialis
steht die Samenkapsel mit der Scheide in Verbindung.
Nicht selten mündet in den Gang der Samentasche eine
paarige oder unpaarige Drüse (glandula appeudicularis)
von noch ungewisser Bestimmung.
Ein zweites , vor der Samentasche (von der äusseren
332 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
GesclilechtsöffnuDg an gerechnet) in die Scheide münden-
des Anhängsel ist die gewöhnlich birntörmige Begat-
tungstasche (bursa copulatrix). Sie kommt jedoch
weniger häufig vor , indem sie mehreren Ordnungen , den
Diptern, Aptern, Hymenoptern, vielleicht auch den Neur-
optern fehlt. Von den Orthoptern besitzen sie die Libel-
luliden. Sie dient bei der Begattung zur Aufnahme des
männlichen Gliedes und häufig auch des Samens, der nicht
selten von besonderen häutigen Kapseln (Samenschläu-
chen , Sperraatophoren) umgeben ist. Nie scheint jedoch
der Same längere Zeit in der bursa copulatrix zu ver-
weilen; der eigentliche Aufbewahrungsort desselben ist
das receptaculum semlnis , wohin die Zoospermien wahr-
scheinlich durch eigene Bewegung gelangen. Hier aber,
in der Samentasche, behält der Same lange seine be-
fruchtende Kraft, und die Befruchtung geschieht, ganz
unabhängig vom Begattungsacte , w ährend die Eier an der
Mündung des receptaculum semhiis vorbeigehen.
Endlich ergiessen bei vielen Insekten noch besondere
Kitt- oder Schleimdrüsen (glandulae sebaceae) ihr
Secret in die Scheide, nahe bei deren Oeffnung , und diese
Absonderung dient dazu, die gelegten Eier unter einander
zu verbinden und hie und da zu befestigen.
lieber die äusseren Geschlechtstheile ist oben Seite
106 ff. gehandelt.
31 ä n n 1 i c h e Geschlechtsorgane.
Die paarigen Hoden zeigen fast noch mannichfalti-
gere Formen als die Ovarien, indem sie zwar auch bei
einigen Ordnungen, wie den Diptern und Lepidoptern,
aus zwei einfachen, birnförmigen (Dipt.) oder länglichen
Schläuchen bestehen , in den meisten Fällen aber aus einer
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 333
grösseren Anzahl in verschiedenster Weise gruppirter
Blindröhren zusammengesetzt sind und nicht selten in
ihrer Anordnung die Eierstöcke täuschend nachahmen.
Häufig sind die Hoden durch eine eigenthümliche Pigment-
schicht gefärbt, auch von einer besonderen Haut ein-
gehüllt.
Die Hodenröhrchen münden durch kurze Ausführungs-
gänge in die beiden vasa deferentia, die nicht selten
(z. B. bei Neba, Carabus, Cerambyx) ausserordentlich
lang und dann knäuel- oder spiralförmig gewunden sind.
Als Samenblasen bezeichnet man die an dem unteren
Ende der Samenleiter befindlichen Erweiterungen. Beide
Samenleiter vereinigen sich zu einem gemeinschaftlichen
ductus eiacidatoriiis ^ und kurz hinter der Vereinigungs-
stelle münden in diesen gewöhnlich mehrere schleimab-
sondernde Drüsen. Dieser Schleim dient hauptsächlich
zur Umhüllung des Samens, mit dem er in die Begat-
tungstasche ergossen wird , bildet auch , indem er eine
membranöse Beschaffenheit annimmt , die oben erwähnten
Spermatophoren.
Die männlichen Begattungsorgane zeigen bei
den einzelnen Insektenarten eine so bestimmte Form der
verschiedenen sie bildenden Leisten , Platten und Zangen,
dass sie ganz genau an und in die weiblichen Geschlechts-
organe passen und schon desshalb eine Vermischung der
Arten nicht zulassen. Fast überall ist ein Penis vorhan-
den , in welchen der ductus eiacidatorias übergeht. Er
wird entweder von mehreren Schienen oder Klappen
scheidenartig umgeben , w ie bei vielen Diptern , den Lepi-
doptern, Hymenoptern , Orthoptern, Neuroptern, oder ist
von einer hornigen Kapsel umschlossen , wie bei den He-
miptern und Coleoptern , bei welchen letzteren die Ruthe
334 IV. Abschn. Das Fortpflanziingssystem.
noch von besonderen kleinen Leisten und Gräten unter-
stützt wird. Gewöhnlich liegen die Copulationsorgane
ausser der Begattungszeit im Hinterleibsende verborgen.
Eine der merkwürdigsten Abweichungen findet sich
bei den Libellen. Ihr ductus eiaculatorhis mündet am
Hinterende, von zwei kleinen Klappen bedeckt, der Penis
aber liegt weit davon entfernt, vorn an der Bauchseite
des Abdomen, und bei ihm eine Samenblase, in welche
das Männchen vor der Begattung die Samenflüssigkeit er-
giesst. Ein hinter dem Penis befindlicher Zangenapparat
dient zum Festhalten des Weibchens während der Be-
gattung.
4. Die Geschlechtsorgane der Mollusken.
Bryozoen. Die Süsswasserbryozoen sind Herma-
phroditen, die Ovarien an der Innenfläche der vorderen
Körperwand befestigt, die Hoden am Magengrunde oder
inneren Leibesfläche. Eingeschlechtig sind die Meer-
Bryozoen, die Individuen beider Geschlechter jedoch
immer, wie es scheint, in einem Stocke beisammen. Eier-
stock oder Hode ragen vom Magen aus frei in die Leibes-
höhle , aus welcher die Eier durch eine neben dem After
befindliche OelFnung entleert werden, während der Same
durch besondere Communicationsröhren von einem Indivi-
duum auf das andere übergeht.
Acephalen. Auch ihre Generationsorgane sind
sehr einfach, da sie nur aus den Geschlechtsdrüsen und
deren Ausführungsgängen bestehen.
Bei den Tunicaten herrscht die Zwitterbildung vor.
Und zwar sind bei den Salpen die Individuen der Sal-
penketten die Geschlechtsthiere (davon im folgenden Ka-
pitel). Bei den Ascidien liegt ein länglicher, gelbli-
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 335
eher Eierstock in der Leibeshöhle, dessen Ausfiihrungs-
gang neben dem Mastdarm in die Höhe steigt und sich
in die Cloake öflnet. Eine zweite weissliche Drüsenmasse,
neben und unterhalb des Ovarium gelegen, ist der Ho de.
Das ras deferens verläuft neben dem Eileiter. Nur die
Gattung Cynthia weicht hiervon ab, indem ihre Ge-
schlechtsdrüsen (vielleicht nur Eierstöcke) mit besonderen
Ausführungsgängen zwischen Kiemen- und Muskelschlauch
sich befinden.
Die Brachiopoden sind getrennten Geschlechtes.
Hoden und Ovarien sind einander sehr ähnlich. Sie er-
strecken sich, schlauch- oder geweihförmig, von der
Leber aus auf den Mantel.
Nur wenige Lamellibranchiaten, Ctjclas, Cla-
vagella und vielleicht auch Pecten sind hermaphrodi-
tisch. Hoden und Eierstöcke liegen jederseits zwischen
den Eingeweiden. Bei den übrigen Lamellibran-
chiaten aber, also der grossen Mehrzahl , sind die Ge-
schlechter getrennt, obwohl ausser der Brunstzeit
nur selten zu unterscheiden. Auch hier liegen die beiden
Hoden oder Ovarien im Abdomen, unter der Leber und
um die Darmwindungen herum. Ihre Ausführungsgänge
münden entweder neben den Mündungen der Nieren in
die Mantelhöhle oder sogar in die Nierenhöhlen selbst,
und durch das Fiimmerepithelium der Mantelhöhle werden
die Eier zwischen die Lamellen der äusseren Kiemen-
blätter geführt, und die Kiemenfächer versehen somit die
Stelle eines Uterus. Auch der Samen gelangt (wie schon
oben bemerkt) dorthin. Die weiblichen Individuen von
Anodonta sind durch die bedeutende Ausbuchtung der
Schalen kenntlich , in welchen die bei der Entwicklung
der Brut sehr anschwellenden Kiemenblätter Platz finden.
336 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
C e p h a 1 0 p h 0 r e n. Sie sind theils Hermaphroditen,
theils getrennten Geschlechts; in beiden Abtheilungen
kann man an den weiblichen Zeugungsorganen ziemlich
allgemein einen Eierstock, Eiweissdrüse, Eilei-
ter, Uterus, Scheide und receptaculum seminis unter-
scheiden , an den männlichen den Hoden, vas deferens^
ductus eiacidatorius y penis, wozu namentlich bei den
Zwittern noch mehrere in den gemeinschaftlichen Ge-
schlechtsausführungsgang mündende Drüsen kommen.
Geschlechtsorgane der lierm aphroditischen Cepha-
lop hören.
Zu den hermaphroditischen Schnecken gehören die
Pteropoda , Apneusta, Gymnobranchia^ Hypobraiichia^
Pomatobranchia und Pidmonata. Alle zeichnen sich durch
die sogenannte Zwitterdrüse aus.
Abgesehen von den Fällen {Janus^ Calliopaea,
Actaeon), wo HodenfoUikel und EierstocksfoUikel voll-
ständig aus einander gelegt sind , beide aber einen ge-
meinschaftlichen Ausführungsgang haben, scheinen zwei
Hauptformen der eigentlichen Zwitterdrüsenbildung ange-
nommen werden zu müssen. In dem einen Falle, bei
den Pteropoden und Nacktkiemern (nachweislich Cymbidioy
Tritoma) , besteht die Drüse aus besonderen Samenschläu-
chen und Eifollikeln, welche letztere blosse Ausbuchtun-
gen der ersteren sind. Bei Cymbidla fällt die männliche
Reife und Brunst des Individuum vor die weibliche, und
solche zeitliche Verschiedenheit der Brunst ist wahr-
scheinlich bei vielen Zwitterschnecken vorhanden und be-
dingt die gegenseitige Befruchtung. In dem anderen Falle,
der bei den Lungenschnecken Regel zu sein scheint, fin-
den sich wahre Zwitterfollikcln , in deren Wandungen
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 337
die Eier sich bilden, während die Samenelemente in der
Höhlung der Schläuche entstehen oder auch beide, so-
wohl die Eikeirae als die Samenbildungszellen gehen
durch Abschnürung aus dem einfachen Epithel hervor.
Bei den Pulraonaten existirt auch (Semper) für
Samen und Eier nur ein einziger gemeinsamer Ausfüh-
rungsgang, und diess dürfte das allgemeine Verhalten
sein. Von da an, wo der anfänglich gemeinsame Gang
sich spaltet, weichen die Familien und Gattungen viel-
fältig von einander ab. Häufig geht das vas deferens von
der tuba ab, ehe diese in den Uterus übergeht, und ver-
läuft ganz isolirt mit mehreren Windungen und Biegun-
gen zum Penis. Oder das vas deferens verlässt die tuba
an der üebergangsstelle in den Uterus, läuft aber als
eine Rinne oder Halb k anal an dem Uterus hinab , ent-
weder bis zur gemeinschaftlichen Geschlechtsöffnung (z.B.
bei Aplysia) oder nur bis zu einer gewissen Stelle des
Uterus , von wo es selbständig nach dem Penis überführt
(Pulmonaten).
Da, wo der Eiergang sich in den Uterus inserirt,
mündet auch sehr häufig eine ansehnliche weissliche, oft
zungenförmige Drüse (Hode Cuv. , Eierstock Trevir.,
Paasch), die vermuthlich dazu dient, die Eier nach der
Begattung weiter auszubilden und ihnen das Eiweiss zu
liefern. Sie kann also Eiweissdrüse genannt w^erden.
Der Uterus ist bei den Pulmonaten ein langer, ge-
drehter und mit vielen Querfalten versehener Schlauch,
bei anderen ist er nur kurz. Er geht in die Scheide
über.
In diese münden noch mehrere Schläuche und Drü-
sen, von denen man namentlich die Befruchtungs-
tasche (receptacidum seminis) erkannt hat. Diess ist
22
338 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
eine birnförmige Blase mit einem längeren oder kürzeren
hohlen Stiele , das Analogen des gleichbenannten Organs
bei Arthropoden und Strudelwürmern. Bei den Helicinen
ist unterhalb der Mündung des receptaculum seminis ein
cylindrischer Sack gelegen, der Pfeilsack, in dessen
Höhle sich der sogenannte Liebespfeil bildet, welcher
wahrscheinlich als Reizorgan dient. Die Function der
beiden Büschel von Blindsäcken oder der wenigen Blind-
säcke, welche sich am Grunde des Pfeilsackes inseriren,
ist undeutlich.
Den männlichen Geschlechtsapparat angehend, haben
wir noch zu bemerken, dass nicht selten durch eine Er-
weiterung des vas deferens eine vesicula seminalis gebil-
det wird , gewöhnlich ehe das vas deferens auf den Uterus
übergeht (Helix pomatta). Als prostata betrachtet man
eine Drüsenmasse , welche bei mehreren Schnecken (Pleu-
robranchaea , T/ietis , Lymnaeus stagnalis u. a.) das vas
deferens y bald nachdem es den Eileiter verlassen, um-
giebt.
Als männliches Begattungsorgan ist gewöhnlich eine
hervorstülpbare Ruthe vorhanden, Avelche entweder
(Apneusta^ Gymnobranchia) in einem besonderen praepu-
tium steckt, oder frei in der Leibeshöhle liegt und häufig
(bei vielen Helixarten u. a.) nach hinten in einen geissei-
förmigen Anhang, flagellum, übergeht, der hohl und um-
stülpbar ist.
Die äusseren Oeffnungen der Geschlechtsor-
gane liegen meist auf der rechten Seite, seltener (Lym-
naeus, Planorbls, P/iysa) auf der linken Seite des Halses.
Theils ist eine gemeinschaftliche Geschlechtscloake vor-
handen (Helix, Limax u. a.), theils liegt die Oeffnung
des Penis vor der Scheidenmündung (Lymnaeus, Planorbis
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 339
ü. a.) , theils auch ist zwar eine gemeinschaftliche Ge*
schlechtscloake da , der Penis aber liegt weit davon ent-
fernt, meist neben dem Schlundkopf unter dem rechten
Fühler, und der Same wird durch eine äussere Rinne von
der Gesehlechtsmündung bis zur Ruthenöffnung geleitet.
Geschlechtsorgane der nicht hermaphroditischen
C e p h a 1 0 p h 0 r e n.
Zu dieser Abtheilung gehören ausser den Heteropoda
die Cirrobranchia j Tfibulibrcmchla , Cyclobranchia^ Aspi-
dobranchia und die Ctenobranc/iia (mit Ausnahme von
Lütorina), endlich die Familie der Operculata.
Im Allgemeinen finden sich bei jedem Individuum ent-
weder die männlichen oder die weiblichen Geschlechts-
werkzeuge in der Art, wie wir sie verbunden bei den
Hermaphroditen sehen. Ho de und Eierstock liegt
gleichfalls in der Lebersubstanz eingebettet und ein ein-
facher, nur ausnahmsweise bei Chiton doppelter Aus-
führungsgang begiebt sich als vas deferens oder tuba Fal'
lopii nach vorn, meist auf der rechten Seite. Nimmt der
Eileiter (bei den Gasteropoden) eine drüsige Beschafi'en-
heit an, so nennt man ihn Uterus. Die mancherlei drü-
sigen Anhänge sowie das receptaculum seminis sind bei
Weitem nicht so verbreitet , als bei der vorigen Abthei-
lung. Von den einheimischen Schnecken besitzt jedoch
Paludhia vivipara die zungenförmige Drüse und ein kurzes
receptaculum seminis.
Die meisten dieser Cephalophoren (Cienobranchia,
Operculata ^ mehrere Heteropoda) sind mit einem Penis
versehen, in welchen das vas deferens einmündet.
Cephalopoden. Alle Cephalopoden sind ge-
trennten Geschlechts. Der einfache Eierstock
22 *
340 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
liegt im Grunde des Mantels, lose von einer derben
Eierstocks kapsei umgeben. Die Eier, die während
ihrer Bildung am Ovarium von einem , dem Eierstock an-
gehörigen üeberzuge, der Eierkap s el , umhüllt sind,
fallen, nachdem diese Hülle geplatzt, in die Eierstocks-
kapsel und werden durch einen oder zwei, am Grunde
des Trichters neben dem Mastdarm mündende Eileiter
entleert. Drüsige Anschwellungen , welche bei den Lo-
liginen an den Oviducten in der Nähe der Mündung, bei
den Octopoden in der Mitte der Oviducte sich finden, son-
dern wahrscheinlich die mannichfaltigen Hüllen des Lai-
ches ab. Auch die sogenannten Nidamental-Drüsen der
Loliginen , auf dem Tintenbeutel liegend , haben vielleicht
eine ähnliche Bedeutung.
Die männlichen Geschlechts Werkzeuge sind
bei denjenigen Cephalopodenarten, avo die Männchen den
Weibchen an Grösse und Gestalt gleich kommen, so an-
geordnet. Der einfache, wie der Eierstock gelegene
Ho de ist von einer Hodenkapsel umgeben. Das von
der Kapsel ausgehende vas deferens nimmt nach einem
vielfach gewundenen Verlaufe in seinen Wandungen eine
drüsige Beschaffenheit an und an dem oberen Ende die
Mündung eines oder zweier drüsigen Schläuche auf. Et-
was weiter nach oben geht es in das vordere Ende eines
weiten Sackes, der biirsa Needhamii über, und die Fort-
setzung derselben , der diictus eiacidatoriiis , endigt links
vom Mastdarm mit einem kurzen penis. Höchst eigen-
thümlich verhalten sich nun die Samenschläuche oder
Spermatop hören, in denen der Samen entleert wird.
Ihre Bildung beginnt in dem oberen drüsigen Theile des
vas deferens , und wahrscheinlich liefert der dort einmün-
dende Blindsack den Stoff dazu. Fertig liegen sie in
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 341
grösserer Menge in der bursa Needhamii. Sie bestehen
aus einer derbhäutigen cylindrischen Hülle, die am unte-
ren Ende kolbenförmig angeschwollen ist, und zwei in
dieser enthaltenen verschiedenartigen Theilen. Im Vor-
derende des Samenschlauches liegt eine, von einer beson-
deren häutigen Hülle eingeschlossene Portion Samen, im
Hinterende ein mit diesem Samensacke verbundener Aus-
schnellungsapparat, hauptsächlich ein spiralig gewundenes
Band. Sobald durch die Begattung ein Samenschlauch in
die Blantelhöhle des Weibchens gelangt ist, saugt er
Wasser auf bis zum Platzen , worauf der Spiralfaden aus-
schnellt und die Samenportion nach sich zieht. Die Be-
fruchtung geht in der Eierstockskapsel vor sich , wohin
der Same wahrscheinlich durch die Eileiter gelangt.
Die (3 der meisten Cephalopoden besitzen einen soge-
nannten hectocotylisirten Arm*), am merkwürdigsten
ausgebildet bei Argonauta, Octopus granulosus Lmk.
(O. Carenae Ver.) und Trernoctopus violaceus. Hier ent-
wickelt sich dieser, zur Aufbewahrung des Samens und
Vermittlung der Begattung bestimmte Arm (Hectocotylus)
in einem Säckchen , welches später platzt und , mit dem
*) Der isolirt gefundene Arm ist anfänglich als Eingeweidewurm
beschrieben worden. Durch Steenstrup's Untersuchungen (Kon.
danske Vid. Selsk. Skriften 3. Hacke. 4 Bd. Wiegm. Arch. 1856)
hat sich herausgestellt, dass Regel ist, was anfangs paradoxe Aus-
nahme zu sein schien. Die Gattungen sind in folgender Weise hecto-
cotylisirt:
Ärgonauta — 3. linker Arm; Tremodopus y Octopus und Hele-
done — 3. rechter Arm; Rossia — 1. linker Arm mit dem rechten
nur in der Mitte; Sepiola — 1. linker Arm in ganzer Länge; Sepia
— 4. linker Arm am Grunde; Sepiotheuiis und LoUgo — 4. linker
Arm an der Spitze ; Loliolus — 4. linker Arm in ganzer Länge.
Ohne hectocotylisirten Arm sind Ommatostrephes^ Onychotheuiis
und Loligopsis.
342 ^^- Abschn. Das Fortpflauzungssyslem.
Rücken des Hectocotylus verbunden , sich umstülpt , und
bei dem Hectocotylus von Argonauta und Octopus als
pigmentirte Rückenkapsel bleibt. Der Arm besteht aus
einem dickeren napftragenden Theile und einem dünneren,
geisseiförmigen, welcher die unmittelbare Fortsetzung der
Axe des ersteren ist und als Penis fungirt. Der dickere
Theil stimmt seiner Structur nach mit einem gewöhnli-
chen Arme überein , namentlich in Betreff der Nerven und
Gefässe. Ausserdem aber findet sich darin eine, die
Spermatophoren aufnehmende Samenkapsel, deren Höh-
lung sich fast bis an das Ende des Penis fortsetzt und
hier ausmündet, während die Spermatophoren durch eine
in der Rückenkapsel befindliche Oeffnung hineingelangen.
Im Hinterleibe der Männchen nämlich liegen die eigent-
lichen Geschlechtsorgane , die in nichts Wesentlichem von
denen anderer Cephalopoden abweichen , und in deren
einem Theile auch die Spermatophoren sich bilden. Auf
welche Weise die Spermatophore, welche bei Oct. carena
ausserordentlich lang ist (3"), durch jene äussere Oeff-
nung in den Samenschlauch des Hectocotylus gelangt, ist
nicht vollständig ermittelt. Wahrscheinlich unter einer
Umarmung reisst der Hectocotylusarm los, und vermag
nun in wunderbarer, an Individualität streifender Selb-
ständigkeit den Penis in die weibliche Geschlechtsöffnung
einzusenken, mehrere Tage hindurch seine Lebensfähig-
keit bewahrend.
Wie gesagt, haben die meisten anderen Gattungen
ebenfalls einen Hectocotylusarm , jedoch weniger auffal-
lend aasgebildet.
5. Die Geschlechtsorgane der Wirbelthiere.
Die vergleichende Anatomie und Entwicklungsge-
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 343
Drüsen mit ihren Ausführungsgängen in der engsten Be-
schichte beweisen, dass nach der ursprünglichen Anlage
der meisten zum Genital- und dem eng damit verbunden
Harn-Apparat die Wirbelthiere Hermaphroditen sind,
und dass nur durch die verschiedene Ausbildung und
Rückbildung der verschiedenen Organe die Trennung der
Geschlechter hervorgebracht wird. Bei einzelnen Amphi-
bien (Bufo variabilis (3) ist bis in das dritte Jahr hinein
neben dem Hoden ein ansehnlicher rudimentärer Eierstock
vorhanden. Aechter, bleibender Hermaphroditismus fin-
det sich mitunter bei Cyprinus carpio, indem auf der einen
Seite ein vollständig ausgebildeter Hode , auf der andern
das Ovarium ist. Regelmässig aber ist diese Zwitterbil-
dung bei mehreren Arten von Sevranus.
Beiderlei Drüsen sind in der Regel symmetrisch. Am
häufigsten wird das Ovarium unpaar, wie bei mehreren
Fischen (Petromyzon, Scylliiim , Miistelus u. a. Haien,
Perca flumatilis^ Blennius vivipanis u. a.) und bei allen
Vögeln, wo der rechte Eierstock atrophisch wird. Wie
bei ihnen , ist wahrscheinlich auch bei allen jenen Fischen
das Ovarium ursprünglich paarig. Von den Säugethieren
nähern sich die Monotremata durch die Verkümmerung
des rechten Ovarium den Vögeln.
Viel seltener sind die Hoden unpaar, wie z. B. bei
den Myxinoiden.
Die Ausführungsgänge.
Bei mehreren Fischen fehlt jede Spur eines Aus-
führungsganges sowohl an den Ovarien als an den Hoden
(Cyclostomi, Muraenoidei). Eier oder Samen werden
durch Dehiscenz frei , fallen in die Bauchhöhle und wer-
344 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
den durch einen hinter dem After gelegenen porus geni-
talis ausgeführt. Bei den meisten Knochenfischen
sind Ausführungsgänge als unmittelbare Fortsetzungen
der Geschlechtsdrüsen vorhanden, die bald nach kürze-
rem, bald nach längerem Verlaufe sich vereinigen. Bei
einigen Ganoiden (Acipenser , Polypterus) münden so-
wohl die Samenleiter als die Eileiter mit einem ostium
abdominale frei in die Leibeshöhle. Die Plagiostomen
schliessen sich an die Amphibien und Vögel an. Die Ei-
leiter vereinigen sich oben zu einem einzigen ostium ab-
dominale und bilden in ihrem unteren Ende ansehnliche
Erweiterungen, uteri*).
Auch bei den übrigen V^irbelthieren, wie bei
den zuletzt genannten Abtheilungen der Fische, stehen die
Ausführungsgänge nicht in unmittelbarem Zusammenhange
mit den Drüsen, indem die Oviducte sich zur Zeit, wo
die Loslösung der Eier geschieht, mit einer oberen, ge-
wöhnlich trichterförmigen und gefranzten Oeffnung an die
Eierstöcke legen, der Samen aber durch besondere feine
Gefässe, die vasa efferentia^ in die Samenleiter, vasa
deferentia, gelangt. Die vasa deferentia und die Oviducte
sind zwei verschiedene morphologische Elemente, indem
sie eine ganz abweichende Entstehungsweise haben.
Zum männlichen Geschlechtsapparate stehen nämlich die
Wolff'schen Körper, jene für das Fötalleben so wich-
tigen, beiden Amphibien, Vögeln und Säugethieren, auch
bei den Selachiern und einzelnen Knochenfischen bekannten
*) Ueber verschiedene Ausnahmezustände und Abweichungen vgl.
man J. Hyrtl, Beiträge zur Morphologie der Urogenitalorgane
der Fische. (Aus d. 1. Bande der Denkschriften d. m. naturw. Klasse
d. k. Academie d. Wissensch. besonders abgedruckt.) Wien, 1849.
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 345
Ziehung. Die Wolff'schen Körper sind bei den Batra-
chiern als Nieren persistent; auch bei den Knochenfischen
finden sie sich (erkannt von Reichert bei Cyprinus do-
bulajj gehen jedoch verloren, um den bleibenden Nieren
Platz zu machen. So ist es auch bei den übrigen Wir-
belthieren, wo ihre queren Drüsencanäle bei den Männ-
chen umgewandelt werden in die vasa efferentla, und ihr
Ueberbleibsel bei den Weibchen das sogenannte Rosen-
müll e r'sche Organ (Nebeneierstock nach K o b e 1 1)
ist. Der obere Theil der Ausführungsgänge der WolfT-
schen Körper wird bei den männlichen Thieren zum
Nebenhoden, der untere zu den vasa deferentia , wäh-
rend er bei den Weibchen gewöhnlich mit der transito-
rischen Drüse völlig verloren geht, und nur bei den
Weibchen der Wiederkäuer, Einhufer und Schweine als
Rest jener Ausführungsgänge die Gartner'schen Ka-
näle übrig bleiben. Die Eileiter entstehen nicht aus
einer Metamorphose der gedachten Ausführungsgänge,
sondern entwickeln sich eigenthümlich. Sie sind schon
bei vielen Sauriern und Ophidiern vor ihrer Mündung in
die hintere Wand der Cloake etwas erweitert. In der
Rückenwand der Cloake der ^ ürodelen hat von Siebold
zwei Gruppen von Blindsäcken entdeckt, welche als re*
ceptacida seminis fungiren. Die bei allen Vögeln sich
findende kurze und musculöse Abtheilung des linken Ei-
leiters, in welchem die Kalkschale sich bildet, kann man
als Ei halt er (^^/^erws) bezeichnen; indessen zeichnet sich
erst die Klasse der Säugethiere dadurch aus, dass bei
ihnen ein eigener canalis genitalis als oberes Ende des
gemeinschaftlichen canalis s. sinus urogenitalis sich ab-
zweigt. Die obere Partie des canalis genitalis ist der
die Tuben aufnehmende Fruchthalter, die untere die
346 IV- Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
Scheide, während der Scheidenvorhof der weiblichen
Säugethiere der canalls urogenitalis ist.
Die vasa deferentia münden bei den Säugethieren in
die den Penis durchbohrende Urethra. Zwischen diesen
Mündungen öffnet sich beim Menschen und bei vielen Säu-
gethieren ein kleiner Schlauch (utriculus prostaiicus) , der
nach Weber das Analogen des Uterus, nach H. Meckel
das der Scheide, nach R. Leuckart aber als morpho-
logisches Aequivalent entweder des Uterus und der
Scheide zusammen oder des einen oder des andern Or-
gans allein zu deuten ist.
Die Begattungsorgane.
Bei den meisten Fischen findet keine wirkliche
Begattung statt. Nur die männlichen Chimären uud Pla-
giostomen besitzen ein Paar an den Trägern der Flossen-
strahlen der hinteren Flossen befestigte Haft Organe,
welche bei der Begattung zum Festhalten dienen.
Die männlichen beschuppten Amphibien be-
sitzen eine Ruthe^ die bei den Ophidiern und Sauriern
doppelt, bei den Krokodilen und Cheloniern einfach ist.
Dem entsprechend ist die Clitoris der Weibchen. Der
Penis der Schildkröten und Krokodile liegt an der vor-
deren Wand der Cloake und ist mit einer zum Abfluss
des Samens dienenden Rinne versehen. Ganz ähnlich ver-
hält sich auch die Ruthe derjenigen Vögel, welche eine
solche besitzen (Struthionen , Enten , Gänse , Penelope,
Crax u. a.). Eben diese Vögel haben auch eine clitoris.
Die zahlreichen Lage- und Formverscbiedenheiten
der betreffenden Theile der Säugethiere aufzuführen, ist
hier nicht der Ort.
1. Kap. Die Geschlechtsorgane. 847
üeber die Geschleclitsoigane der Coelenieraia vergleiclie man:
H 0 1 1 a r d , Monographie du genre Aciinia. Aiin. d. sc. nat. 3. ser. XV.
K Olli k er, Die Schwimm polypen von Messina. Leipzig 1853.
Leuckart, Zool. Untersuchungen. I. Die Siphonophoren. Giessen
1853.
Gegenbaur, Beiträge zur näheren Kenntniss der Schwimmpolypen.
Leipzig 1853. (Zeitschr. f. wiss. Zool. V.).
C. Vogt, Siir les Siphonophores de la mer de iV/ce. Geneve 1854.
Will, Horae tergesiinae. Leipzig 1844.
Gegenbaur, Studien über die Ctenophoren. Arch. f. Naturgescht.
xxn.
lieber die Geschlechtsorgane der Asteriden vergl. Müller und
Trosc.hel, System der Asteriden. Braunschweig 1842.
Ueber die Geschlechtswerkzeuge der Turbellarien Yergl. 0. Schmidt,
Die rhabdocölen Strudelwürmer aus den Umgebungen von
Krakau. Denkschriften der Wiener Academie XV. 1858, und
0, S chmidt, Die dendrocölen Strudelwürmer aus den Um-
gebungen von Gratz. Zeitschr. f. w. Zool. 1859.
üeber die Geschlechtswerkzeuge der marinen Planarien: Quatre-
fages, Siir les Planaires. Ann. d. sc. nat. 1845.
Ueber die Geschlechlswerkzeuge der Trematoden ausser den älteren
bahnbrechenden Beobachtungen v. Siebold's in Wiegmann's
Archiv 1838 u. a. die Arbeiten und Abbildungen von Wage-
ner, Ueber Distomeen, Müll. Arch. 1852. Aubert, Ueber
Aspidogasier , Zeitschr. f. w. Zool. VI; Wedl, Anatomische
Beobachtungen über Trematoden i. d. Sitzungsberichten der
Wien. Acad. XXVL 1858. van Beneden, Memoire siir les
vers intestinaux. Paris 1858.
Ueber Geschlechtswerkzeuge der Cestoden: Van Beneden, Les
vers Cestoides oii Acoiyles. Bruxelles 1850. und Leuckart,
Die Blasenbandwürmer. Giessen 1856.
Fr. Müller, Ueber die Geschlechtstheile von Cleps ine un6. Nephelis.
Müll. Arch. 1846.
Hering, Zur Anatomie und Physiologie der Generationsorgane des
Regenwurms. Zeitschr. f. w. Zool. Vlll.
Ueber die merkwürdigen Geschlechtseigenthümlichkeiten der Ostra-
coden ist nachzusehen die ausgezeichnete Arbeit von Zenker,
Anatomisch -syst. Studien über die Krebsthiere. Berlin, 1854.
(A. d. Archiv f. Naturgesch. XX. Jahrg.)
348 IV. Absclin. Das Fortpflanzungssystem.
Favre, Recherches sur Vanatomie des organes reproducteurs etc.
des Myriapodes. Ann. d. sc. nat. 1855.
Fr. Stein, lieber die Geschlechtswerkz. und den Bau des Hinler-
leibesskelets bei den weiblichen Käfern. Berlin, 1847.
Ueber die Geschlechtswerkz. der Ascidien vergl. Mi Ine-Ed war ds,
Observaüons sur les Ascidies composees. Paris, 1841,
Ueber die Geschlechtsverhältn. der Muscheln: Lacaze-Duthiers,
Ann. d, sc. nat. 1854. JJ. und Humbert, ibid. 1853. XX,
Ueber die Geschlechtsorgane der Cephalophoren: Gegenbaur,
Pteropoden und Heteropoden. Leipzig 1855. Leuckart,
Zoolog. Untersuchungen. II. Hft. Semper, Zeitschr. f. wiss.
Zool. 1856. VIII.
W. Peters, Ueber den Bau der Needhamschen Körper. Müll.
Arch. 1840. S. 98.
Müller, Ueber das 3Iännchen von Argonaitia Argo und die Hecto-
cotylen. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1852. Zusätze dazu ebds.
1853.
Verany u. Vogt, Memoire sur les Hectocotyles et les mäles
de quelques Cephalopodes. Ann. d. sc. nat. XVII. 1852.
R. Leuckart, Hectocotyliferen in zool. Untersuch. III. 1854.
Ueber die Geschlechtsorgane der Chim. und Plagiost. vergl. J. Mül-
ler, Untersuchungen über die Eingeweide der Fische. Ber-
lin, 1845.
J. Müller, Bildungsgeschichte der Genitalien. Düsseid., 1830.
R. Leuckart, Zur Morphologie und Anatomie der Geschlechtsor-
gane. Göttingen, 1847.
H. Meckel, Zur Morphologie der Harn- und Geschlechtswerkzeuge
der Wirbelthiere. Halle, 1848.
Wittich, Ueber die Generationsorgane der nackten Amphibien.
Zeitschr. f. wiss. Zool. IV.
Lereboullet, Recherches sur Vanatomie des organes genitaux
des animaux vertebres, Nov. Act. Ac. Leop. 1851.
Zweites Kapitel.
Die typiisctien fintii^ickluugisiforiueii.
1. Die Entwicklung der Strahlthiere.
Polypen. Die am meisten in die Augen fallende
Vermehrung der Polypen geschieht durch Theilungund
Knospung. Die verhältnissmässig seltnere Theilung ist
immer nach der Länge und bedingt, jenachdem sie voll-
ständig (Cüryophyllaea) oder unvollständig (Maeandrina)^
ein sehr verschiedenartiges Aussehen der Gattungen.
Ungleich häufiger ist die Knospenbildung. Bei
Actinia^ welche nur selten Knospen hervorbringt, lösen
sich dieselben los ; in den meisten Fällen aber geschieht
die Ablösung nicht, und so werden, je nach der Stellung
der Knospen und dem Orte, an welchem die Colonie sich
angesiedelt bat, jene mannichfaltigen Modificationen der
Stöcke hervorgebracht.
Die geschlechtliche Fortpflanzung der Po-
lypen ist mit einer Metamorphose verbunden, da die Em-
bryonen als flimmerhaarige, infusorienartige Wesen ge-
boren werden, die sich natürlich erst nach einer Zeit
freien Schwärmens festsetzen.
Siphonophoren. Die verschiedenartigen Anhänge
des Reproductionscanals der Schwimmpolypen bilden sich
auf dem Wege der Knospung, nachdem durch eine Em-
350 ^V. Absclm. Das Foiipflanzungssystem.
bryoentvvicklung vermittelst eines befruchteten Eies die
Grundlage des ganzen Stockes gelegt ist. Von dieser
Eientvvicklung hat man aber bis jetzt nur geringe Spu-
ren verfolgen können , und zwar an einer Diphyide (Di-
jihyes Sieboldii^ G eg enbaur). Das Ei geht nach tota-
ler Furchung in einen länglichen Embryo über; an ihm
entwickelt sich eine Knospe, die zum hinteren Schwimm-
stücke sich ausbildet, während die Substanz des Embryo
schwindet und sein Rest als der sogenannte Saftbehälter
des vorderen Schvvimmstückes übrig bleibt.
Gegen baur, Beiträge zur näheren Kenntniss der Schwimnipoly-
pen. Zeitschr. f. wiss. Zool. V. 1853.
S che iben quäl len. Es giebt eine, wenn auch,
wie es scheint, geringere Anzahl von Scheibenquallen,
deren aus den Eiern hervorgehende wimpernde Embryo-
nen sich durch directe Metamorphose wieder zu Quallen
gestalten. Aeginopsis mediterranea , Müll. Trachynema
ciliatuniy Ggbr. Dieser schllesst sich (nach Crohn,
Müll. Arch. 1855) an Pelagia noctiliico^ deren flim-
mernde Junge schon mit Mund und Magen aus dem Ei
schlüpfen, in einer lang gestreckten Form, aus der sie,
in die Breite wachsend , in die Scheibenform übergehen.
Bei Weitem die Mehrzahl dieser Quallen ist aber
dem Generationswechsel unterworfen und tritt da-
mit in ein intimes Verhältniss zu den sogenannten Qual-
lenpolypen oder Hydriformia.
Aus den befruchteten Eiern der Scheibenquallen ent-
stehen infusorienartige Junge, welche vermittelst eines
Flimmerüberzuges frei im AVasser umher schwimmen,
nach einiger Zeit sich festsetzen und ein polypenartiges
Aussehen bekommen.
2. Kap. Die typischen Entwi«klungsforinen. 851
Die Polypengeneration der Medusa auriia gleicht fast
vollkommen den Hydern des süssen Wassers und ist als
Hydra tuba beschrieben ; sie vermehrt sich in Polypenart
durch Ausläufer (stoJones) und durch seitliche Knospen-
bildung, ganz in der Weise der Hydra viridis und fusca.
Endlich sprossen aus dem Vorderende dieser Individuen
Medusen hervor, und man findet häufig eine Reibe solcher
Medusengemmen über einander , wie eine Reihe Tassen,
von denen natürlich die oberste die älteste ist. Sie wer-
den vom Polypen aus ernährt, indem Ernährungskanäle
durch sämmtliche Individuen sich hindurchziehen. Diese
Gemmen lösen sich los, wenn sie einen gewissen Grad
der Ausbildung erreicht haben , und der Cyclus schliesst
und beginnt mit ihnen von Neuem.
Es reihen sich an diese Medusa noch an Cyanea
capil/ata^ Cassiopeia borbonia^ Chrysaora und Cephea,
und bei mehreren ihrer polypenförmigen Larven sind
Längsgefässe, sowie eine eigene Leibeshöhle beobachtet,
wodurch sie sich durchaus von der Hydra des süssen
Wassers unterscheiden.
Wie die Ammen der genannten Medusen verhalten
sich nun viele polypenartige Wesen, welche ursprünglich
als Polypen beschrieben sind; sie zeugen an verschiede-
nen Stellen ihres Stockes frei werdende Quallensprossen.
Da man an einigen dieser letzteren die Bildung von Ge-
schlechtsorganen beobachtet hat, theils während die Me-
dusen noch als Gemmen mit dem Polypenstock verbun-
den sind (z. B. bei den SprössHngen von Campamdaria
dickotoma ^ Stauridium , Podocoryne carnea), theils auch
nach der Loslösung (bei der Meduse einer Campamdaria
u. a.}, so wird man alle diese Gemmen als die höhere
Generation anzusehen haben, zumal der Uebergang ihrer
352 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
Embryonen (bei der Bleduse von Stauridium [Clado-
mena] , einer Lizzia und Oceania) in einen Polypen und
Polypenstock direct beobachtet ist.
An diese Formen schliessen sich diejenigen Hydri-
formia an , welche zwar noch medusenförmige Spröss-
linge zeugen, solche aber, welche sich nicht loslösen,
sondern eben nur als medusenförmige Generationsorgane
des Polypen erscheinen, bis endlich an Stelle der Medu-
sen blosse Eier oder Samen hervorbringende Kapseln
sich bilden. Auch diese Fälle ordnen sich dem allge-
meinen Gesichtspunkt des Generationswechsels unter, so-
bald man consequent die Samen- oder Ei-Hüllen als die,
wenn auch nicht zur vollständigen Entwicklung gelangende
Quallengeneration ansieht. Es wäre in diesem Falle die
mit Geschlechtsorganen versehene (eigentlich Geschlechts-
organ seiende) Generation nur der Idee nach die voU-
kommnere.
Von diesem Standpunkt aus kann man auch die Hy-
dra beurtheilen.
Zur Uebersicht lassen wir die von Gegen baur ge-
machte tabellarische Zusammenstellung folgen :
2. Kap. Die typischen Entwicklungsformen.
353
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i^t^O 5" Ol w • § • - 2.
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354
IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
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2. Kap. Die typischen Entwicklungsformen. 355
Wir haben endlich zu erwähnen, dass namentlich in
der Familie der Oceaniden die Medusengeneration durch
Knospung 3Iedusen zeugt, die an sehr verschiedenen Or-
ten , am und im Magen , an den Ovarien , an der Tenta-
kelbasis und anderswo entstehen.
Gegenbaur, Zur Lehre vom Generationswechsel und der Fort-
pflanzung bei Medusen und Polypen, in „Verhandl. der phys.-
med. Gesellschaft zu Würzburg, 1854."
Rippenquallen, Aus vereinzelten Beobachtungen
(J. Müller, Kölliker, Gegenbaur) scheint hervor-
zugehen, dass nicht wenige Rippenquallen ohne Metamor-
phose oder Generationswechsel sich entwickeln. Bei
jungen Cydippen aber fand Gegenbaur am Munde zwei
kolbenförmige, aus- und einstülpbare Lappen, in deren
späterem Verschwinden eine, wenn auch nicht bedeutende
Metamorphose besteht.
Gegenbaur, Studien über Organisation und Systematik der Cle-
nophoren. Arch. für Naturgeschte. XXII.
£ c h i n 0 d e r m e n. Die Entwicklung der Echinoder-
men, die man, besonders durch die Untersuchungen von
J. Müller, aus allen Hauptabtheilungen dieser Klasse
kennt, bieten das interessante Beispiel dar, dass die Lar-
ven nach einem ganz anderen Typus gebaut sind , als
die ausgebildeten Thiere. Alle bis jetzt bekannten Ent-
w^icklungsformen der Echinodermen sind nämlich bilate-
ral, symmetrisch nach rechts und links, eine Symmetrie,
welche mit der Entwicklung bei den meisten Formen
fast spurlos verschwindet und mehr oder minder gewalt-
sam, d. h. in stätigem oder unmittelbarem Uebergange
23*
356 IV. Absclin. Das Fortpflanzungssystem.
mit dem radiären Typus vertauscht wird. Die Formen
der Entwicklung sind in folgender Weise zu übersehen :
1) Embryonen der lebendig gebärenden Echinoder-
men mit frühster Entwicklung zur radialen Form. Das
Ei von Ophiolepis squamata geht zv. ar unmittelbar in die
Opliiurenscheibe über, in dem Embryo finden sich aber
bilaterale Kalkablagerungen , die später resorbirt werden
und diese sonst so abweichende Art der Entwicklung
mit der der übrigen Echinodermen verbinden.
2) Wimpernde Larven ohne Wimpersäume , mit Kol-
ben zum Anheften an festen Körpern. Diese Entwick-
lung ist am frühsten und genausten bekannt von Ec/ti-
naster Sarsii und Asteracanthion ßJuellerl, deren Larven
in der von der Mutter gebildeten Bruthöhle haften. Der
länglich-scheibenförmige Embryo erhält auf dem Schei-
benrande einen aus vier Kolben bestehenden Haftapparat;
diese Fortsätze sowohl, als ihre gemeinschaftliche Basis
sind hohl. Ausserdem aber befindet sich in der Scheibe
eine andere Höhlung, welche direct zum Magen der Aste-
rie wird und später eine Oeffnung, den Asterienmund,
bekömmt. Ob zwischen den 4 Kolben sich eine beson-
dere Oeffnung als Larvenmund befindet, ist ungewiss.
Während der allmähligen Umwandlung der Scheibe in
ein Fünfeck und einen Stern , indem gleichzeitig die Am-
bulaceen sich bilden, wird der Haftapparat nach und nach
resorbirt. Die Larven können wegen ihrer Wimperbe-
deckung auch frei schwimmen, den Haftapparat voran.
3) Pluteusförmige*) schwärmende Larven mit Wim-
perschnuren. In diese Kategorie gehören die meisten der
bis jetzt gefundenen Larven. Der Embryo wird zu einer
*) J. Müller nannte die erste derartige, von ilim gefundene
Larve, ohne ihr Endziel zu kennen, Fhttens.
2. Kap. Die typischen Enlwicklungsformen. 357
vollständig bilateralen Larve, deren Weichtheile häufig
von einem , einer Staffelei oder einem Uhrgehäuse ver-
gleichbaren Kalkstabgerüst gestützt werden , und deren
Bewegungsorgane statt des allgemeinen Wimperüberzugs
in blossen Wimperschnüren bestehen. Sie haben einen
vollständigen Verdauungskanal mit Mund , Schlund , Ma-
gen, Darm und After. Der Mund liegt immer an der
Ventralseite. Die Metamorphose, in welcher die Larve
in das Echinoderm übergeht, streift bei einzelnen Formen
an den Generationswechsel, indem in der Larve das Echi-
noderm als Knospe angelegt wird, mit sich kreuzenden
Achsen des bitateralen und radialen Typus. Nie wird
Mund und Schlund der Larve für das Echinoderm benutzt.
Die Larvenreste sind bei der BIphmaria genannten Larve
einer x\sterie so, dass sich dieselben möglicher Weise
mit einem neuen Verdauungsapparat versehen und einen
neuen Seestern zeugen können, womit der Generations-
wechsel vollständig wäre. Weniger beträchtlich sind die
Larvenreste der Ophiuren und Echiniden , welche entwe-
der abfallen oder nacli und nach resorbirt werden. In
diese Abtheilung gehören OpJuotrlx fragllis 3J. T., Ec/ii-
nus llvidus Lam. und Echinus pulchellus Ag.
4) Wurmförmige Echinodermenlarven mit Wimper-
kränzen. Hierher gehören vor allen die Larven von Ho-
lothurien , die sogenannten Aurikularien. Sie stim-
men in ihrem ersten Larvenstadium in allen Hauptzügen
mit der vorigen Abtheilung überein. Die Pluteusforra
geht aber durch Auftreibung der ventralen Körperseite
und durch das Entstehen von Wimperkränzen , zu denen
theilweise auch die erst vorhandene Wimperschnur ver-
wendet wird, in ein Stadium über, worin sie den mit
Wimperkreisen versehenen Annelidenlarven gleicht. Ob-
358 IV' Abschn. Das Fortpflanzungssyslera.
gleich die Metamorphose in diesem Falle eine fast con-
tinuirliche ist, wird dennoch wiederum Mund und Schlund
der Larve nicht benutzt.
In allen unter 3 und 4 genannten Fällen ist die An-
lage des Wassergefässsystems die frühste auf das defini-
tive Echinoderm deutende Erscheinung. Der dazu füh-
rende Porus befindet sich an der Rückenseite der Larve.
Alle diese Larven, so scheinbar verschieden gestaltet sie
auch sein mögen, lassen sich auch aus einer gemeinsa-
men, von J. Müller scheraatisch construirten Grundge-
stalt herleiten, welcher das jüngste Larvenstadium der
Holothurien am nächsten kommt. Es bedarf nur einer
geringen Modification, um die sonst so sehr abweichen-
den Formen der Bipinnarien darauf zu beziehen.
Wurmförmig sind auch die Larven der Comatula,
eine Asterienlarve und die Tornaria genannte Larve; die
Beobachtungen darüber sind jedoch noch nicht so weit,
dass sie eine umfassende Vergleichung mit den Holothu-
rienlarven zuliessen.
Die Entwicklungsgeschichte der Echinodermen ist ganz besonders
durch J. Müller aufgeklärt in einer Reüie von Abhandlun-
gen, Abh. d. k. Acad. der Wiss. zu Berlin 1848—1853.
2. Die Entwicklung der Würmer.
Infusorien, Bei ihnen finden drei Arten der
Fortpflanzung statt.
Ganz allgemein scheint die Th eilung zu sein, von
welcher die äussere Knospenbildung, wie auch bei an-
deren Thierklassen , physiologisch sich nicht trennen lässt.
Die auf diese Weise entstandenen neuen Thiere zeigen
keine oder geringe Verschiedenheit vom Mutterthiere.
2. Kap. Die typischen Entwicklungsformen. 359
Bei manchen Vorticellen geht der Tlieilung die Einziehung
und Resorption einiger Organe, nämlich des Peristoms,
des Wimperorgans und sogar der Speiseröhre voraus,
der Nucleus theilt sich mit, die übrigen Organe aber bil-
den sich in den Theilungsindividuen neu.
Die zweite Art der Fortpflanzung geschieht durch
innere Enibryonenbildung oder innere Keimspröss-
linge, beobachtet bis jetzt bei den Acineten , Colpodeen,
Trachelinen, Oxytrichinen, Bursarien, Vorticellinen, Opa-
linen. Hierbei ist immer der Nucleus betheiligt, indem
er sich theilt. In vielen Fällen scheint eine cyciischc
Entwicklung der Art statt zu finden , dass der Erzeugung
innerer Embryonen die Erzeugung von Generationen durch
Theilung oder Sprossenbildung vorangeht. Häufig auch
wird der Process durch eine Encystirung eingeleitet, in-
dem die sich contrahirenden Thiere ihre Flimmern ver-
lieren und sich durch Ausschwitzung mit einer ziemlich
festen durchsichtigen Hülle umgeben*).
Dass mit der erwähnten cyclischen Entwicklung auch
ein Formen-Generationswechsel statt findet, ist vielfach
beobachtet. Der innere Schwärmsprössling von CMlodon
cucuHulus ist von Stein ah die als Cyclidium glaucoma
beschriebene Infusorienform erkannt**).
*) Nicht selten incystiren sich die Infusorien auch, um ein zeit-
weiliges Austrocknen der Gewässer zu überdauern.
**) Ich scheue mich vor weiteren Anführungen, da zwei wichtige,
diesen Gegenstand behandelnde Arbeiten, erst als künftig erschei-
nend angekündigt sind. Eine ganz ausführliche Darstellung ist im
dritten Theile der Ehides siir les infusoires et les rhhopodes par
E. Claparede et J. Lachmann zu erwarten und nicht minder
gespannt darf man auf das schon oben citirte Werk von Stein sein.
Die vielfach angegriffenen Behauptungen des Letzteren, wonach die
Vorticellen in Acineten übergiengen, diese aber innere Schwärm-
pprösslinge zeugten, welche sich schliesslich in Vorticellen metamor-
360 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssyslem.
Was die Fortpflanzungs- und Entwick-
lungs-Verhältnisse der eigentlichen Würmer
im Allgemeinen anbetrifft, so haben wir zunächst die
in mehreren Klassen vorkommende Theilung und Knos-
pung zu betrachten. Indem wir also hier der sogenann-
ten Quertheilung begegnen, so Aveichen doch die
hierher gehörigen Gattungen in der Art dieser Fortpflan-
zung ganz wesentlich von einander ab , indem bei Syllis,
Filograna und wahrscheinlich auch Myrianida Edw. diese
falschlich mit dem Namen Quertheilung bezeichnete Zeu-
gung auf blosser Knospenbildung beruht. Bei Filograna
wächst das neue Thier als wahre Knospe oder Sprosse
am Hintertheile des Mutterthieres und hat mit diesem den
Darmkanal gemein, wie die noch nicht getrennten, alten
und jungen Hydren. Bei Syllis und Myrianida werden
die Verhältnisse scheinbar complicirter , indem, noch ehe
die Terrainalknospe sich losgelöst, zwischen ihr und dem
Mutterthiere schon wieder eine und mehrere neue sich
entwickeln, so dass nicht selten an dem Mutterthiere
sechs und mehr Tochterindividuen an einander hängen,
von denen das hinterste das am Aveitesten entwickelte und .
der Loslösung am nächsten stehende ist*).
phosirten, werden noch jetzt, wenn auch mit Modificalionen, aufrecht
erhalten. Stein, Die Infusionsthiere auf ihre Entwicklungsge-
schichte untersucht. Leipzig 1854.
*) Bei Filograna Schleideni habe ich Folgendes beobachtet
(E. 0. Schmidt, Neue Beiträge u. s. w. S. 37): Im früiiesten
Stadium, welches ich gefunden, bestand die ganze Knospe aus fünf
schwach angedeuteten Ringeln. Am letzten waren die künftig scharf
hervortretenden Schwanzspitzen nur als ein leichter Einschnitt zu
bemerken. Der vordere, grossere Ringel bildete eine wulstformige
Erhabenheit, stärker als das eigentliche Hinterleibsende des Mutter-
thieres. Von den Kiemen, welche aus dem Wulste hervortreten, war
2. Kap. Die typischen Entwicklungsformen. 361
Bei den Microstomeae dagegen, einer Familie der
rhabdocölen Turbellarien , und den Naiden findet eine,
natürlich mit Neubildung verbundene wirliliche Querthei-
lung statt, insofern ganze Abschnitte des Mutterthieres
zum Aufbau der Tochtertliiere verwandelt werden. Ist
es bei den Turbellarien wegen der mangelnden Körper-
gliederung schwieriger, sich von dem Gesagten zu über-
zeugen, so findet der Vorgang bei Nais proboscidea nach
den Beobachtungen von M. Schnitze in folgender Weise
statt: Bei den aus 30 bis 40 Gliedern bestehenden In-
dividuen tritt in den an einander stossenden Enden zweier
mittlerer Glieder eine Neubildung ein, der Art, dass der
Gränzstrich der beiden Glieder mitten durch die Neubil-
dung geht. Der dem hinteren Theile angehörige Theil
der Neubildung wird zum Kopf des Hinterthieres , in
welches also ohne Weiteres ungefähr die Hälfte der
Glieder des Mutterthieres übergeht. Aus dem vorderen
Theile der Neubildung entwickeln sich eine Anzahl Körper-
und Schwanzglieder des Vorderthieres. Noch ehe
das Hinterthier sich losgelöst, fängt das Vorderthier der
Art an zu produciren, dass aus seinem letzten Gliede
ein Mitte Ithier sich bildet und diese Zeugung aus dem
„Aftergelenke" (0. Fr. Müller) dauert unter successi-
ver Ablösung der hinteren Tochterthiere fort bis zur
Verkürzung des Vorderthieres auf 12 bis 14 Glieder.
Dann pausirt diese Tochterbildung, das Vorderthier
wächst zu etwa 40 Gliedern an, und der eben beschrie-
noch keine Spur. Auf der folgenden Stufe zählte ich, ausser dem
Kiemenwulste, sechs mehr ausgeprägte Ringel. An dem Kiemen-
wulste treten einzelne Erhabenheiten, als Anfänge der Kiemen, her-
vor. In dieser Weise schreitet die Entwicklung allmählich vorwärts.
Die Kiemen sind zuerst acht cylindrische Papillen u. s. w.
362 IV- Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
bene Cyclus beginnt von Neuem. Wie lange? ist nicht
beobachtet, auch nicht, was aus dem zuerst abgelösten
Hinterthiere wird, während die als Mitteltliiere entstan-
denen Individuen ihrerseits den Cyclus von Quertheilun-
gen durchmachen.
Alle diese Würmer pflanzen sich auch geschlechtlich
fort, und soweit man bis jetzt bei Filograna , Myrianida
und Syllis diese verschiedenen Fortpflanzungsweisen be-
obachtet hat, findet ein Wechselverhältniss zwischen
ihnen statt, d. h. die Thiere scheinen nie zu gleicher Zeit
Knospen zu bilden und Samen und Eier zu produciren.
Bei den genannten Würmern kann es sogar , so lange
nicht das Gegentheil beobachtet ist, zweifelhaft erschei-
nen, ob überhaupt dasselbe Individuum periodisch durch
Theilung proliferiren und dann Samen und Eier erzeugen
könne, oder ob es nicht vielmehr nur zu dem einen oder
dem anderen geschickt ist, und die Generationen wirk-
lich wechseln. Nach den Beobachtungen von Quatre-
fages*) würde sogar bei Syllis monilaris und siciliensis
die für den eigentlichen Generationswechsel so charakte-
ristische äussere Unähnlichkeit der Ammen (Vorderindi-
viduum) und Aufgeammten (die als Knospen entstehenden,
Geschlechtswerkzeuge bekommenden Individuen) vorhan-
den sein, während bei den übrigen nur die potentielle
Verschiedenheit bleibt.
Bei den Microstomeen und Na i den findet ent-
schieden kein Generationswechsel statt, indem nicht nur
dieselben Individuen, welche sich durch Theilung fortge-
*) Ann. d. sc. nat. 1854. IV. Ser. IL Generation alternanie
des Syllis. (Sonderbarer Weise hat der französische Forscher die
Steenstrupsche Bezeichnung „Amme" auf die Gcschlechtsindividuen
angewendet.)
2. Kap. Die tyischen Entwicklungsformen 363
pflanzt haben, häufig später zur geschlechtlichen Fort-
pflanzung befähigt werden , sondern sogar die Entwick-
lung der Geschlechtswerkzeuge, Samen und Eier nicht
selten in die Theilungsperiode selbst fällt. In der Regel
jedoch ist die Fortpflanzung durch Theilung für die eine,
die Geschlechtswicklung für die andere Jahreszeit be-
stimmt.
Als ein gemeinsames Moment der geschlechtli-
chen Fortpflanzung der Würmer ist anzusehen,
dass nach totaler Furchung der Eiinhalt gleichzeitig all-
seitig mit einer Keiraschicht sich umgiebt und also un-
mittelbar zum Embryo wird , womit die Würmer mit den
Strahlthieren übereinstimmen. In einigen Fällen (z. B.
von mir an Amphlcora sabella beobachtet) wird die Dot-
terhaut selbst zur Bildung der Hautschicht des Embryo
verwendet. Im Uebrigen aber lässt sich über den Gang
der Entwicklung der Würmer im Allgemeinen nichts sa-
gen, da die Jungen bald ohne Metamorphose das Ei ver-
lassen, bald sehr interessante Verwandlungen durchzu-
machen haben, die oft mit Generationswechsel verbunden
sind. In der Aufeinanderfolge der Anlage der Organe
während der Entwicklung findet ebensowenig eine Ueber-
einstimmung statt , als die einzelnen Abtheilungen der
Würmer hinsichtlich ihrer Anatomie sich gleichen.
Strudelwürmer. In den allermeisten Fällen ver-
lassen die Embryonen der Turbellarien dem Mutterthiere
so weit ähnlich das Ei , dass ihnen kein eigenthümliches,
mit einer Verwandlung endigendes Larvenleben bevorsteht.
Sie sind vielmehr unmittelbar nach der Geburt als Stru-
delwürmer oft bis auf Gattung und Species zu erkennen,
was seinen Grund darin haben mag, dass ihnen der für
die Larveu der meisten niedrigen Thiere so wichtige
364 IV. Absclin. Das Fortpflanzungssysleni.
Fliramerbesatz, sei er ein totaler oder in Zonen und Kreise
vertheilt, zeitlebens bleibt.
Dass jedoch in dieser Klasse die Metamorphosen
nicht fehlen, zeigen die Beobachtungen von J. Müller
an zwei Planarien des Mittelraeeres, darunter ein Sty-
lochus. Die Larve bildet ein plattes Oval und trägt auf
dem stumpfern Vorderende anfangs 3, später 12 Augen.
Die Larve wimpert am ganzen Körper, besitzt aber aus-
serdem ein ansgezeichnetes Räder- oder Wimperorgan,
8 Zipfel oder Fortsätze, über welche sich continuirlich
eine Linie grösserer Cilien fortzieht. Die Verwandlung
besteht in dem allmähligen Schwinden der Fortsätze und
dem Eingehen des Räderorgans; sie ist vollendet, wenn
das anfangs Vio'" lange Thierchen V2'" erreicht hat.
Bei den Nemertinen kommt eine Art von Meta-
morphose vor, indem noch innerhalb des Eies der kug-
lige, rotirende Embryo sich der Art häutet, dass aus ihm
ein, nunmehr den Nemertinentypus vollständig an sich
tragendes Wesen hervorgeht.
0. Schmidt, Die rhabdocölen Strudelwürmer des süssen Wassers.
Jena, 1848.
M. Schultze, Beiträge zur Naturgeschichte der Turbellarien.
Greifswald, 1851.
J. Müller, lieber eine eigenthümliche Wurmlarve aus der Klasse
der Turbellarien und aus der Familie der Planarien. Müll.
Archiv 1850 und ebend. 1854.
Girardj Researsches upoii Nemerleans and Planariaus. Fhilad.
1854. (Entwicklung von Planocera elliptica.)
M. Schultze, Zoolog. Skizzen. Zeitschr. f. wiss. Zool. IV. 1852.
(Nemertinen.)
Saug Würmer. Eine Anzahl entwickelt sich ohne
Metamorphose, so dass meist schon im Ei die Gattung
2. Kap. Die typischen Entwicklungsformen. 355
des Embryo zu erkennen ist: Aspidogaster^ Udonella,
GyrodactyU mit vier Augenpunkten.
Häufiger, wie es scheint, ist der Generations-
wechsel, bis jetzt vorzugsweise an Arten von Disto-
jimm, Monostomnm und verwandten verfolgt. Bei diesen
ist der Embryo entweder bewimpert oder unbewimpert,
im ersten Falle einfach und fast ohne Organe, im letzten
mit Gelassen und meist mit Verdauungsapparat versehen.
Die unbewimperten Embryonen (D'istoma diipUcatum —
wahrscheinlich zu Distoma tereticolle gehörig. Gastero-
stomnm fiwbrlatinn — Bncephahis. Distoma holostomiim —
Leucochloridlum) gehen direct, wenn auch mitunter durch
Verzweigung (Bucephalas) in die Ammen über, die be-
wimperten Embryonen aber*) werden zu Uram-
men oder Ammen, indem ihr Wimperldeid fällt.
Die Urammen erzeugen durch Keimzellen ihnen glei-
chende Ammen , diese ebenfalls durch blosse Keimzellen
Cercarien. Sind Urammen und Ammen blos schlauchför-
mig, wie ohne thierische Organisation, so heissen sie
Sporocysten (lebende Keimschläuche). Haben sie einen
deutlichen Verdauungs- und Gefässapparat, nennt man sie
Re di en.
Sie also erzeugen die Generation der Cercarien,
deren Organisation schon lebhaft an die Trematode erin-
nert, welche daraus hervor gehen soll, die aber durch
ihr freies Uraherschwärmen mit Hülfe eines sehr beweg-
lichen Ruderschwanzes sich auszeichnet. Bei Distomum
cygnoides wirft die Cercarie im Wasser den Schweif ab
und wandert höchst wahrscheinlich direct in die Harn-
*) Distoma liians ^ nodulosum^ globiporum , cygnoides, longi-
colkf foliurriy pinnarnm; Monostoma mutabile ^ capitellaium ; Am-
phistoma siiclavatum.
366 IV, Abschn. Das Fortpflanzungssystein.
blase der Frösche durch den Mastdarm. In der Regel
aber gehen die Cercarien auf Mollusken nach Abwerfung
des Schwanzes eine Art von Verpuppung ein und werden
gescblechtsreif , wenn sie in den Darmkanal ihres eigent-
lichen Wohnthieres versetzt worden sind.
Steenstrup, lieber den Generationswechsel. Kopenhagen 1842.
de la Valette, Symholae ad Trematodiim evolutionis historiam.
Berol. 1855.
Wagen er, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Eingeweide-
würmer. Naturkundige Verhandelingen Bd. 13. 1857.
Bandwürmer. Der schon im Bandwurmgliede sich
entwickelnde Embryo ist eine sehr contractile Kugel mit
drei Paar, nach den Species verschiedenen Häkchen.
Zwei Paar besitzt 2'etrarhynchus riificollis.
Der an den Ort seiner Bestimmung angelangte Em-
bryo erhält wachsend eine structurlose Haut. Auf ihr
bilden sich durch feine, schief sich durchkreuzende Fur-
chen zuweilen Härchen oder Stacheln, Dann treten die
Gefässe mit Flimmerläppchen und pulsirenden Endschläu-
chen, nach ihnen die Kalkkörperchen auf.
Bis zu diesem Stadium gleich , treten von nun an die
Gattungen aus einander.
a. Bei L'igula und Caryophyllaens bleibt die Schwanz-
öffnung für immer und die Larve (Cestodensack oder
Cestodenblase nach Wagen er) geht keine oder nur
unwesentliche Modificationen des Kopfes ein.
b. Bei Triaenophorus entwickeln sich am Vorderende
direct die Haken und flachen Gruben. Ob die Schwanz-
blase obliterirt oder das Ende abgeworfen wird , ist un-
entschieden.
c. Bei den Taeniae inermes, deren Cestodensack klein
2. Kap. Die typischen Entwicklungsformen. 367
«-
bleibt, versieht sich das eingezogene Kopfende einfach
mit Rüssel und Näpfchen. Darauf Gliederbildung, wo-
von das letzte den pulsirenden vSchlauch trägt. Diess
wird zuerst abgestossen. Bei den Cestodengattungen mit
grosser Schwanzblase wird diess letzte Glied meist vor
der Gliedbildung abgeworfen.
Nach Leuckart würden sich die Taeniae inermes
überhaupt im Wesentlichen wie die armatae verhalten.
d. Bei den Tetvabothriis verwandelt sich der Vor-
dertheil der Cestodenblase in den Kopf^ das Schwanz-
ende mit dem pulsirenden Schlauche wird abgeworfen.
e. Taeniae armatae. Das Kopfende der Cestodenblase
zieht sich ein ; um den so entstandenen Kopfsack häuft
sich eine braune Masse. Diese wandelt sich in Zellen
um, aus denen der Tänienkopf sich aufbaut.
f. Ganz ähnlich verhalten sich die Tetrarhynchi.
Bei einigen von ihnen w ird der Kopf in der Blase frei
und an ihm entwickelt sich ein contractiler Sinus , in den
die vier Seitengefässe einmünden. An diese schliesst sich
Dibothrium an.
In den Fällen unter a und b findet nur eine Meta-
morphose, kein Generationsw^echsel statt. In allen übri-
gen Fällen, sowohl da, wo der unmittelbar aus dem Em-
bryo hervorgegangene und der durch Form- oder Knos-
penbildung entstandene Kopf, als auch namentlich wo
die zahlreichen , an der Cestodenblase gesprossten Köpf-
chen Glieder zeugen , hat man Generationswechsel vor
sich. Die Glieder sind die Geschlechtstbiere , die Köpfe
die Ammen dazu.
Literatur oben.
368 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
Acanthocephalen. Man kennt ihre Entwicklung
noch nicht vollständig, doch scheinen bei den beobachteten
Formen, darunter Eclünorhynchus gigas, nur unwesentliche
Umwandlungen vorzukommen (^V agener). Die Em-
bryonen sind ganz mit Stacheln besetzt; neben dem auf
dem Scheitelpol befindlichen Loche liegen zw^ei grosse,
später verschwindende Kopfhaken.
Unter den übrigen Rundwürmern zeichnet sich
Gordius durch eine Metamorphose aus. Seine ausgebil-
deten Embryone sind kurze, plumpe Würmchen mit einem
einstülpbaren doppelten Hakenkranze und einem Stilet
am Kopfende. Mit Hülfe dieser AVafFen dringen sie aus
dem Wasser in verschiedene Insektenlarven. Ihre wei-
tere Verwandlung ist unbekannt.
Die andern Nematoden müssen zwar häufig Wande-
rungen der verschiedensten Art, aus einem Wirthe in
den andern, einem Organ in das andre durchmachen,
während dem sie oft längere Zeit incystirt liegen, Me-
tamorphose und Generationswechsel sind ihnen aber fremd.
Gliederwürmer. Weder die Hirudineen, noch
die Na i den, noch die Lumbricinen bestehen eine
Metamorphose. Die Larve von Slpunctdus bewegt sich
vermittelst eines Kranzes von Flimmern, ist jedoch sehr
bald durch ihre Längsmuskeln und den Darmkanal als
Sipiinculus kenniUch. Eine tiefergehende, in den Grund-
zügen sehr übereinstimmende Metamorphose findet
sehr allgemein bei den Polychäten Grub, statt.
Der Embryo verlässt als rundlicher, ganz oder zum Theil
mit Flimmerhaaren bedeckter Körper das Ei und schwimmt
infusorienartig umher. Nachher streckt er sich, während
von dem Flimmerüberzuge nur einzelne Ciliengürtel übrig
bleiben. Jetzt treten auch die ersten Andeutungen der
4, Kap. Die lypischen Enlvvicklungsformen. 369
Körpergliederung hervor mit den Anfängen der Fuss-
stummeln und Borsten, und so, jenachdem die Segmen-
tation vorwärts schreitet, bilden sich die Charaktere der
Gattung und Species mehr aus.
Grube, Untersuchungen über die Entwicklung der Klepsinen. 1844.
M. Müller, lieber eine den Sipunculoiden verwandte Wurmlarve.
Müll. Arch. 1850.
Krohn, Bemerkungen über die Sexualverhällnisse der Sipuncu-
loiden. Ebendas. 1851.
d^Udekem^ Developpement du lombric terrestre. Mem. coiironn.
de VAcad. roy. de Belgiqiie. T. XXVII.
Milne- Edw ar ds f Observalions sur le developpement des anne-
lides. Ann. d. sc. nat. III. 1855.
Quatre]fages, Memoire sur Vembryogenie des anne'lides. Ibid.
X. 1848.
M. Müller, lieber die Entwicklung und Metamorphose der Poly-
noen. Müll, ilrch. 1851.
3) Die Entwicklung der Gliederthiere.
Die geschlechtliche Fortpflanzung finden wir unter
den Arthropoden in einem einzigen Falle in cyclischer
Abwechslung mit der ungeschlechtlichen, nämlich im Ge-
nerationswechsel der Aphiden.
Es ist eine längst bekannte Thatsache , dass aus den
im Herbste gelegten und vom männlichen Samen befruch-
teten Eiern der Blattläuse im Frühjahr nur sogenannte
Weibchen ausschlüpfen, die sich den ganzen Sommer hin-
durch in mehreren Generationen ohne das Zuthun von
Männchen fortpflanzen. Diese sogenannten Weibchen ste-
hen zu der aus ihnen hervorgehenden Brut in demselben
Verhältnisse wie die Keimschläuche zu den Cercarien:
sie sind Ammen, durch welche die Species sich zur Ge-
schlechtsindividualität hindurcharbeitet, welche aber eine
24
370 ^^- Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
weit grössere Selbständigkeit als die Keimscblauche der
Oistomen erlangt haben. Die Brut der Aphidenammen
erzeugt sich in inneren Keimröbren , welche der Anlage
nach den Eierstöcken der wahren Weibchen gleichen, an
deren Ausfübrungsgange aber das receptaculum seminis
und die Kittdrüsen fehlen. Der Keim der Blattläuse wird
ebenso, wie der Embryo im befruchteten Ei, aus Zellen
aufgebaut, welche in der hintersten Kammer der Keim-
röhren ohne eigne einscbliessende Membran sich finden,
gewöhnlich aber scbon in der zweiten Kammer mit einer
eigenthüralicben Hülle sich umgeben; diese ovalen Körper
wandeln sich dann während des weiteren Herabsteigens
in den Keimröhren zur Brut um. Die ersten am Keime
hervortretenden Organe sind die Füsse, dann die Fress-
werkzeuge. Nun zeigen sich vom Bauchtheile aus die
Körpersegmente, während der übrige Inhalt zu den Fort-
pflanzungs- und Verdauungsorganen verwendet wird. Die
letzte Generation sind die geschlechtlich getrennten Blatt-
läuse.
In der Entwicklung aus dem Ei haben die Ar-
thropoden gemeinschaftliche Grundzüge, durch welche sie
streng von den anderen typischen Abtheilungen des Thier-
reichs , namentlich den Mollusken und Wirbelthieren , ge-
schieden werden.
Nachdem eine zellige, den Dotter allseitig umgebene
Keimhaut sich gebildet, entsteht durch eine Zusam-
menziehung derselben der Keirastreifen oder der
Primitivtheil*), der sich in die Bauchseite des Em-
*) Eine Ausnahme machen, ausser den R ä derthi er e n , die
Cyclopiden, deren Keimhaut gleichmässig über den ganzen Dot-
ter gelagert bleibt. Der Embryo wird daher nicht von einem Primi-
livslrelfen aus gebildet. Claus, Entwicklungsgeschichte der Cope-
poden. Wiegni. Arch. 1858.
2. Kap. Die typischen Enlwicklungsfoimen. 371
bryo umbildet. Der Keimstreifeii theilt sich in ein äus-
seres und ein inneres Blatt. Diese Trennung ist
beobachtet bei den Insekten und höheren Crustaceen ; un-
gewiss bleibt, wie weit sie sich überhaupt über die Ar-
thropoden erstreckt. Aus dem äusseren entsteht die
äussere, später erhärtende Hülle des Embryos, zunächst
Seiten- und Rückenwand ; aus dem inneren sämmtliche
Gliedmassen, Nervensystem, auch die musculöse Bauch-
wand; auch entstehen sehr früh durch Zusammenziehung
des inneren Blattes von der Mitte nach den Seiten zu
die beiden Keimwülste, als Grundlage der Segmenti-
rung und Gliedmassenbildung und als die der Segmenti-
rung vorausgehende Anlage des bilateralen Typus, Diese
Segmentbildung (Ursegraent nach Zaddach) in den
Keimwülsten ist allen Arthropoden geraein, bald jedoch
entstehen diese Segmente vor den Gliedmassen (Insekten),
bald umgekehrt (Kruster).
Die weitere Differenzirung des Arthropodenkörpers
hängt von der grösseren oder geringeren Entwicklungs-
fähigkeit der Ursegmente ab und ihrer Fortsätze , womit
dann das Hautblatt in enge Verbindung tritt, wenn nicht,
wie es bei den niederen Krustaceen der Fall zu sein
scheint, jene Sonderung des Primitivtheils in den beiden
Schichten weniger prononcirt ist.
Nach Rathke's Untersuchungen ist die Reihenfolge
in der Bildung der Organe bei Astamts fliiviatilis fol-
gende: Andeutung des Abdomen; Oberlippe; Anlage der
Keimschicht, welche, den Dotter umwachsend, zum Darra-
kanal wird; beide Antennen; Oberkiefer; Augen; After-
öffnung; 1. und 2. Unterkiefer; 1. Beikiefer; 2. und 3.
Beikiefer; Hinterleibsanhänge; Herz und grosse Gefässe;
Seitentheile des Cephalothorax; Nervensystem; Kiemen j
•2.1 *
372 IV. Abschn. Das Forfpflanzungssyslem.
Leber. Der Darmkanal entsteht in zwei Abtheilungen,
die vordere bis zum Pylorus, die hintere ist das Darm-
rohr. Beide wachsen sich entgegen. Die Geschlechts-
organe werden erst nach der Geburt angelegt.
Zaddach's Beobachtungen am Phryganiden-Ei leh-
ren folgende theils gleichzeitig , theils nach einander auf-
tretende Bildungen nach Anlage der Keimwülste: Kopf-
platten; Oberkiefersegment; Oberkiefer; 2 Paar Unter-
kiefer; Brustgliedmassen; Antennen der Larve; Oberlippe;
Hinterleibsspitze; After; Verwachsung der Schädelplatten
zum Schädelgewölbe; Umdrehung des Embryos durch Zu-
sammenziehung der Keimwülste ; Speiseröhre und Rectum;
Auge und Nervensystem; Malpighi'sche Gefässe; Spinn-
und Speichelgefässe; Rückengefäss.
Die Entwicklungsgeschichte zeigt alsdann, dass am
Körper der Arthropoden 5 Abschnitte zu zählen sind :
Vorderkopf, Hinterkopf, Brust, Abdomenund
Postabdomen, welche nach den verschiedenen Klassen
und Ordnungen verschieden ausgebildet sind. Siehe S. 100 ff.
Nicht nur die meisten Insekten , auch viele Crusta-
ceen sind einer Metamorphose unterworfen. So ver-
lassen die Ranken füsser, Parasiten, die meisten
Lophyropoden und die Phyllopoden das Ei in
einer von dem ausgewachsenen Zustande sehr verschiede-
nen Gestalt, in der sie aber grosse Aehnlichkeit unter
einander haben. Der Körper der Jungen ist ei- oder
birnförmig, trägt an dem stumpferen Vorderende ein
einziges Auge und ist mit zwei bis drei Paar Ruder-
füssen mit langen Borsten versehen. Diese Larven be-
stehen eine mehrmalige Häutung, mit denen die Metamor-
phose weiter schreitet und vollendet wird. Auch die
2. Kap. Die typischen Entwicklungsfonnen. 373
Decapoden, namentlich die Kurzschwänze, erlei-
den eine grössere oder geringere Verwandlung.
Rathke, Untersuchungen über die Bildung und Entwicklung des
Flusskrebses. 1829.
Ders. , Abhandlungen zur Bildungs- und Entwicklungsgeschichte,
1833. III. (Asellus , Onisnis ^ Daphnia^ Lynceus.)
Rathke, Beiträge zur vergl. Anatomie und Physiologie. 1842.
(Larven der Decapoden.)
Heber die Larvenzustände der niederen Cruslaceen vergl. Burmei-
ster, Beiträge zur Naturgeschichte der Rankenfüsser.
Ferner Nordmann, 3Iicrographische Beiträge u. s. w. 2. 1832.
Herold, Entwicklungsgeschichte der Schmetterlinge. 1815.
Zaddach, Untersuchungen über die Entwicklung und den Bau der
Gliederlhierc. I. Die Entwicklung des Phryganideneies. 1854.
4. Die Entwicklung der Weichthiere.
Bryozoen. Man kann die infusorienartigen Em-
bryonen von Alcyonella stagnorum für eine Ammen-
form erklären und die Entwicklung dieses Thieres dem
Generationswechsel unterordnen, indem man die That-
sachen nur einfach nach dem Princip des Generations-
wechsels zu deuten braucht. Es wird nämlich auch bei
Alcyonella und Verwandten erst die zweite Generation
der eilegenden Form ähnlich , indem der infusorienartige
Embryo, noch während er im Ei eingeschlossen ist, in
seinem Inneren zwei Keime entwickelt, also für diese
ein wahrer Keimschlauch , eine wahre Amme im Sinne des
Generationswechsels ist. Die Amme setzt sich sehr bald
nach dem Ausschlüpfen fest und verliert ihre Selbstän-
digkeit, aber nicht ihre Nützlichkeit für das nunmehr
hervortretende junge Alcyonellenpaar , indem diesem die
geborstene chitinisirte Hülle der Amme als eine Art Ge-
häuse dient.
374 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssyslem.
Selbst bei denjenigen Brj ozoen , wo aus dem infu-
sorienartigen Embryo zunächst ein einziger Polyp her-
vorgeht, stehen die beiden auf einander folgenden Zu-
stände im Verhältniss des Keimschlauches zum Keim oder
der Amme zum Aufgeamraten.
Salpen. Die in der Nähe des Darrakanals liegen-
den , schlauchförmigen Hoden sind bei den neugeborenen
Salpen noch gar nicht sichtbar ; es können sich daher
nur Salpen verschiedener Ketten befruchten. Dagegen
entstehen die Eier schon sehr früh. Wenige Salpen (S.
zonaria und microstoma) haben 3 bis 5 Eier, die meisten
nur eins, das in einer besonderen Eikapsel (Eierstock)
liegt. Der Stiel dieser Kapsel verkürzt sich nach der
Befruchtung, und dadurch wird mit dem Ei eine zapfen-
oder beerenförmige Auftreibung des inneren Mantels in
der Athemhöhle gebildet. Durch Abschnürung des einen
Theils der Dotters entsteht eine Art von placenta oder
Fruchtkuchen, dessen Höhlung dem mütterlichen Blut-
strom eine grössere Contactfläche behufs der Ernährung
des Embryo darbieten soll. Zur Anlage des Embryo
wird also nur ein Theil des (total gefurchten) Dotters
verwendet. Der Embryo bildet sich auf dem Dotter als
eine Aufvvulstung, welche sich zunächst mit einer Höh-
lung , der Athemhöhlung versieht. Bald zeigt es sich
auch durch Entstehung des nucleus , dass der Embryo
mit der Bauchfläche dem Fruchtkuchen anhaftet. Weiter
treten auf Herz und Nervenknoten; ferner die Kieme.
Wir verfolgen die weitere Entwicklung nicht und er-
wähnen nur noch ein eigenthüraliches, aus grossen Zel-
len bestehendes Embryonalorgan, den sogenannten Oel-
kuchen, ausgezeichnet durch seinen Blutreichthum.
Der reife Embryo reisst sich von seiner Anheftungs-
7. Kap. Die tjpischen EnlMricklungsformen. 375
stelle los und wird aus der mütterlichen Athemhöhl»
durch die Cloakenöffnung entleert.
Diese solitären Salpen sind Ammen, von den Am-
men der meisten Thiere durch ihre hohe Entwicklung
abweichend. Sie gleichen der Geschlechtsgeneration äus-
serlich bis auf geringe Abweichungen, wegen welcher
sie von den meisten früheren Forschern als besondere
Arten verzeichnet worden sind. Ihr Fortpflanzungsorgan
ist ein Keim- oder Kn ospens tock, ein hohles haken-
förmiges Gebilde, umgeben von einer Scheide des äusse-
ren Cellulosenmantels. Aus diesem Keimstock sprossen
als zweite Generation die Salpenketten hervor und zwar
in einzelnen in dem Fortschritt der Entwicklung überein-
stimmenden Sätzen. Nach den Beobachtungen von E sch-
riebt und Leuckart entsteht jede Salpe an der Keim-
röhre durch die Verschmelzung zweier, anfänglich ganz
getrennter Stücke oder Knospen. Nachdem aber die Sal-
penkörper angelegt, stimmt die weitere Entwicklung im
Wesentlichen mit der oben angegebenen der solitären
Salpen überein.
Vogt, Salpen. Bau und Entwicklungrsgeschichte. In: Bilder aus
dem Thierleben. Frankf. , a. 31. 1852.
Leuckart, Zool. Untersuchungen. II. Giessen, 1854.
A seidien. Sowohl bei den einfachen, als bei den
zusammengesetzten Ascidien ist die geschlechtliche
Fortpflanzung mit einer Met am orp hos e oder auch mit
Generationsw^echsel verbunden. Die Larve der
einfachen Ascidien ist geschwänzt, setzt sich dann mit
ihrem Vorderende fest, indem das bisherige Bewegungs-
organ verloren geht. M. Edwards will beobachtet ha-
ben , dass mit dem Kerne der Larve innerhalb der nun-
376 IV. Absclm. Das Fortpflanzungssystem.
mehr fixirten Hülle eine Drehung stattfände, wodurch
der ursprünglich vordere Pol wiederum nach vorn ge-
kehrt würde.
Auch unter den zusammengesetzten Ascidien gieht
es Gattungen mit einfachen Larven. Der Kern der ge-
schwänzten Larve von Botryllus theilt sich dagegen in
acht Individuen , regelmässig gruppirt um eine Höhlung,
die später zur gemeinschaftlichen Cloake wird. Nach
Grundlegung des Stammes geschieht das Anwachsen der
polypenartigen Stöcke der Ascidiae cowpositae durch
Knospung. Die Knospen wachsen aus dem Abdominal-
theile der inneren Hülle. Die regelmässige Gruppirung
zu Systemen scheint dadurch verursacht zu werden, dass
auf einem gemeinsamen , stolonenartigen Absenker des
Mutterthieres mehrere junge Individuen (ein System) ver-
einigt bleiben.
Acephalen. Einige unzusammenhängende Beob-
achtungen über die Entwicklung der Brachiopoden,
die wir bisherhaben, sind nicht geeignet, uns eine Vor-
stellung über diese Verhältnisse zu geben.
Dagegen sind nicht wenige Repräsentanten der La-
mellibranchiaten auf ihre Entwicklung untersucht.
Es geht aus diesen Untersuchungen hervor, dass ein, die
Entwicklung der ganzen Abtheilung beherrschender Plan,
wie er z. B. innerhalb der Insektenwelt so prägnant auf-
tritt, nicht existirt. Noch viel weniger aber ergeben sich
wesentliche gemeinschaftliche Gesichtspunkte , unter wel-
chen sich , selbst mit Ausschluss der Molluscoiden , die
Acephalen, Cephalophoren und Cephalopoden zusammen-
fassen Hessen.
Der Anlage von Körpertheilen scheint bei allen La-
mellibranchiaten nach totaler Furchung die Bildung einer
2. Kap. Die typischen Entwicklungsformen. 377
allseitigen Keimschicht voranzugehen. Von hier aus sind
wenigstens drei Arten der weiteren Entwicklung anzu-
nehmen. Die eine, einfachste, welche fast ganz ohne
Anlage besonderer Embryonalorgane , mithin ohne Meta-
morphose verläuft, findet sich bei Cyclas calyculata.
Sehen wir von einer wimpernden , centralen Höhlung des
Embryo ab, deren Bedeutung für das Eileben unbekannt,
so treten zuerst ein Paar flimmernde Wülste als die spä-
teren Mantelhälften auf; zwischen ihnen bildet sich der
Fuss, und in weiterer Folge zeigen sich, anfangs als
winzige Concretionen, die Schalenhälften, Leber, Kiemen,
Fussganglien mit Gehörbläschen. Diess ist zugleich der
Moment, wo das bisher zellige Gewebe eine faserige
Beschaffenheit annimmt. Schon jetzt ist die Muschel un-
verkennbar und noch entschiedener ist die Lamellibran-
chiate ausgeprägt, nachdem auch Herz und Afterdarm
aufgetreten. Auf dieser Stufe wird Cyclas calyculata
geboren.
Bei Cyclas Cornea dagegen bildet sich zuerst eine
zum Magen werdende centrale Höhlung, dann die Mund-
vertiefung, der Fuss, eine zweite hintere Einstülpung,
welche als Darm der vorderen entgegenkommt. Nun
erst tritt der Mantel mit den Schalen auf und ein Byssus-
organ.
Kein Anknüpfungspunkt zwischen diesen und den
Najaden. Nach frühster Anlage der beiden Schalen-
hälften und eines verhältnissraässig mächtigen Schliess-
muskels theilt sich bei Vnio pictorum die Dottermasse in
zwei, am Schalenrücken in einander übergehende Hälften.
Die früher oft behauptete und als wunderbar ausge-
gebene Trennung des Embryo in zwei scheinbar ganz
selbständige Hälften tritt keineswegs in so auffallender
378 IV. Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
Weise ein. Die Schalen bekommen nun an der Bauch-
seite je einen beweglichen , dreiseitigen und mit Höcker-
chen oder Zähnchen versehenen Aufsatz, und weitere
Embryonalorgane sind eigenthümliciie glashelle Stacheln,
welche mit einem flaschenförmigen , zellenartigen Ende
dem Dotter eingepflanzt sind. Dem späteren Leben ganz
fremd ist auch ein, einen langen zusammengeknäulten
Faden spinnendes Byssusorgan. Es geht aus dem Gesag-
ten hervor, dass bisher von den bleibenden Organen der
IJnio, welcher sich Änodonta cygnea ziemlich eng an-
schliesst, fast nichts angelegt ist. Die weitere Entwick-
lung dieser Metamorphose ist aber nicht bekannt.
Die dritte Entvvicklungsform , gleichfalls mit einer
bedeutenden Metamorphose verknüpft, zeigt sich an einer
Anzahl von Seemuscheln aus den Gattungen Modiolaria,
Montacuta, Mactra, Mytilus^ denen sich, namentlich we-
gen der Bildung des sogenannten Segels, auch Teredo
anschliesst. Die frühsten Zustände kennt man am besten
von Modiolaria marmorata. Indem die Dottermasse sich
allseitig zum Embryo umwandelt, bedeckt sich derselbe
ganz mit einem Flimmerüberzug. Zwei kleine Hervorra-
gungen breiten sich, allmälig zusammenwachsend, schirm-
artig aus; dieser Schirm erhält, während die allgemeine
Flimmerung verschwindet, einen Besatz ausgezeichnet lan-
ger Cilien und wird zum sogenannten Segel (velum)y
welches auch in der Entwicklung der Cephalophoren eine
grosse Bedeutung hat. Es ist noch während der ersten
Zeit nach der Geburt das Bewegungsorgan , wird später
rückgebildet und bleibt persistent als die Lippentaster.
Gleich nach Anlage des Segels tritt aus der Mitte dessel-
ben eine längere Cilie , das sogenannte flagellum. Ihm
entgegengesetzt bildet sich die Muschel. Nun erst zeigt
2. Kap. Die typischen Enlwicklungsfoimen 379
sich der Mantel; die Muschel wächst, so dass sich das
Velura ganz unter sie einziehen kann. Es folgen Blagen,
Leberlappen, Darm, Speiseröhre, Mund, After. Von
Fuss und Herz ist in dieser ganzen Zeit noch nichts be-
merkbar. Auch die Kiemen gehören in eine spätere Pe-
riode , wie aus den an Martra und Mytilus edul'is ange-
stellten ergänzenden Beobachtungen sich ergiebt.
0. Schmidt, Ueber die Entwickhing von Cyclas calyculata Drap.
Müll. Arch. 1854.
Leydig, Ueber Cyclas cornea. Müll. Arch. 185.5.
0. Schmidt, Zur Entwicklungsgeschichte der Najaden. Sitzgsber.
d. Wien. Acad. 1856. XIX.
Loven, Kongl. Vetensk. Acad. Handl. för är 1848. Auch be-
sonder. Abdr. Auch Wie gm. Arch. 1849. XV. I. (Modiol.y
Mactra etc.)
Quatrefagesy Embryogenie des Tareis. Ann. d. sc. nat. 1849.
T. 11.
Cephalophoren. Auch die Gasteropoden ge-
hen nach Abschluss der Furchung in sehr verschiedener
Weise aus einander.
Eine grosse Anzahl von Gasteropoden haben mit den
pelagischen, schwärmenden Larven der Lamellibranchia-
ten das Segel gemein, in der Reihenfolge der Anlage
der Organe ist aber innerhalb dieses Haufens wiederum
gar keine Uebereinstiramung. Da das Segel rückgebildet
wird, so bestehen die damit versehenen Gasteropoden
eine mehr oder minder bedeutende Metamorphose.
Diese wird am auffallendsten bei den Gasteropoda gym-
nobranchiata durch das Vorhandensein einer transitori-
schen Schale mit Deckel.
Gleich zu Anfang der Entwicklung der Nackt-
schnecken kerbt sich der eine Eipol ein, und es ent-
380 IV. Abochn. Das Fortpflanzungssystem.
steht das vehun als zwei mit langen Flimmercilien ge-
säumte Lappen, die Bewegungsorgane des Embryo im
Ei und nach dem Auskriechen. Unterhalb dieser Lappen
ist der Fuss hervorgekommen , während sich das Hinter-
theil der jungen Schnecke mit einer sehr dünnen und
zierlichen, kahn- oder pantoffelförmigen Schale umgeben
hat. Der Embryo kann sich ganz in diese zurückziehen,
sie auch , wie so viele Gasteropoden , mit einem auf der
Rückenfläche des Fusses angehefteten Deckelchen ver-
schliessen. Die Reihenfolge, in der die inneren Organe
auftreten , ist für die verschiedenen Gattungen nicht die-
selbe; und noch grössere Variationen dieser Aufeinander-
folge stellen sich heraus, wenn man die übrigen Gaste-
ropoden, namentlich Kammkiemer und Pulmonaten, mit
zur Vergleichung zieht.
Nachdem die Gymnobranchiate in der Gestalt einer
Gehäusschnecke, aber noch mit dem velum versehen, das
Ei verlassen und eine, für die einzelnen Gattungen sehr
ungleiche Zeit (einige Tage bei Tergipes lacimilatus^ meh-
rere Wochen bei Actaeon) mit Hülfe der Cilien umherge-
rudert, beginnt die Rückbildung des velum, die Wimper-
lappen schrumpfen zusammen , mit ihnen verschwinden
die Wimpern , und der Fuss wird das Bewegungsorgan.
Dann wird Schale und Deckel abgeworfen ; der Fuss
muss sich nach hinten verlängern und mit dem zur Zeit
des Gehäuses bruchsackartigen Eingeweidesack verwach-
sen. Obwohl die Nacktschnecke jetzt unverkennbar, fehlt
doch noch viel zur Vollendung; so wachsen z. B. bei
Tergipes die vielen hohlen , mit dem Darm zusammen-
hängenden Zotten , erst ganz allmählich.
Von den übrigen Schnecken zeigen besonders die
2. Kap. Die typischen Entwicklungsformen. 381
Kammkiemer*) das Segel, sowohl die des Meeres als
die Süsswassergattung Paludina. Bei letzterer erreicht
es jedoch nicht die lappenartige Ausdehnung, wie bei den
anderen.
Die Entwicklung der Gehäuspulmonaten verläuft
ohne Metamorphose (auch Ancylus lacustris zeigt keine
Spur von Verwandlung) ; ist nun auch in der Entwicklung
der Lima einen keine eigentliche Verwandlung, so ver-
dienen sie doch eine besondere Beachtung theils wegen
eines eigenthiimlichen Embryonalorgans, theils weil sie
die einzigen Cephalophoren sind, deren Entwicklung An-
knüpfungspunkte mit derjenigen der Cephalopoden dar-
bietet.
Nachdem der Embryo , ohne dass sich eine bestimmt
von der übrigen Dottermasse sich abhebende Keimschicht
gebildet, eine Zeit lang mit Hülfe von Cilien im Ei rotirt
hat, entsteht durch Theilung der grossen Dotterzellen
eine Platte, welche später zum Schild wird. Darauf
tritt eine zweite Platte auf, der Fuss. Mit ihr zugleich
erscheint eine contractile Schwanzblase, ein proviso-
risches herzartiges Organ, welche Anfangs allein, dann
*) Bei Purpura layiUus und Buccinum nndatum haben Koren
und Danielssen die höchst merkwürdige Beobachtung gemacht,
dass zur Bildung eines Embryo immer 40 bis 60, ja bis 130 Eier
zusammentreten. Wiederholte Untersuchungen dieser ausgezeichneten
Forscher haben diese, von verschiedenen Seiten angezweifelten Be-
obachtungen lediglich bestätigt. Durch dieses ursprüngliche Zusam-
mentreten eines massigeren Baumaterials wird dasselbe erreicht,
was bei Neritina fluviatilis auf anderem Wege geschieht. Hier näm-
lich entwickelt sich von den 45 bis 60 in einer Kapsel befindlichen
Eiern nur ein einziges zum Embryo. Die übrigen machen die Fur-
chung durch , werden aber in ihrer weiteren Entwicklung gehemmt
und von jenem Embryo als Nahrung aufgeschluckt. Auch Neritina
fluviaiiiis hat das Segel.
383 1^- Abschn. Das Fortpflanzungssystem.
aber mit den gleichfalls contractilen Wandungen des
Dottersackes den Säftelauf des Embryo regulirt.
Nachdem nämlich im Schild ein dunkler Fleck als erstes
Schalenrudiment bemerklich geworden , der Schild auch
sich vollständig von der Dottermasse abgehoben, gleich-
zeitig aber über und aus der Bauchplatte sich mehrere
Hügel als Anlage der Tentakeln und Seitenwände der
Mundhöhle sich erhoben , ist zwischen diesen Theilen ein
Dottersack hervorgetreten, der mithin aus der Nacken-
gegend hervorhängt. Auf ihm liegt auch ein paariges
drüsiges Organ, welches als Urniere, eine Art von
Wolff'schem Körper, zu functioniren scheint. Während
der weiteren Entwicklung, indem nach einander Zunge,
untere Schlundganglien, die Augenlinsen, Niere, Herz,
zuletzt der Darmcanal auftreten, wird der Inhalt des
Dottersackes verbraucht; die weit hinten im Körper lie-
genden Dotterblindsäcke werden unmittelbar zur Leber,
der Nacken hat sich mit dem Schwinden und Zurückzie-
hen des Dottersackes geschlossen, und die Schwanz-
blase verkümmert.
Die Pteropoden entwickeln sich nach zwei Typen.
Der eine, mit den Hyaleaceen und Cymbulien schliesst
sich eng an die mit dem Velum versehenen Gasteropoden
an. Der Embryo erhält einen in das Velum übergehen-
den Wimperkreis. Ein unterhalb der Vereinigungsstelle
beider Lappen befindlicher kurzer Zapfen ist der Fuss.
Die späteren Flossen scheinen nicht als Homologen des
Gasteropodenfusses aufgefasst werden zu dürfen, sondern
ihre Entstehung zum Theil wenigstens den Segellappen
zu verdanken.
Der andre Typus kommt den Clioideen ( Pneumoder-
mon) zu, deren wurmförmige Larven drei Wimperkränze
2. Kap. Die typischen Entwicklungsfonnen. 383
besitzen. An die Stelle des ersten treten die Flossen,
ohne dass der Kranz direct in sie übergeht. Aus dem
zweiten gebt tbeilweise die „Seitenkieme" (Gegnbr.)
bervor.
Die Heteropoden scbliessen sieb in ihrer Ent-
wicklung, namentlicb in den ersten Stadien, ganz eng an
die marinen, segeltragenden Gasteropoden an.
Vogtf Recherches sur Vemhryogenie des mollusces gasteropodes.
Ann. d. sc. nat, 1846. VI.
Nord mann, lieber die Entwicklung des Tergipes Edwardsii. Ann.
d. sc. nat. 1846. F.
M. SchuUze, lieber die Entwicklung des Tergipes lacinulaius.
Wie gm. Arch. 1849.
Leydig, Heber Fahidina vivipara. Zeitschr. f. wiss. Zool. II. 1850.
Koren u. Danielssen, Bidrag til Pectinibranchiernes Utviklings-
historie. 1851 und erweitert in Fauna lit. Norvegiae. Bergen
1856.
Cl aparede, Anatomie und Entwicklungsgescli. von Neritina fluvia-
tilis. Müll. Arch. 1857.
0. Schmidt, lieber die Entwicklung von Limax agrestis. Müll.
Arch. 1851.
Gegenbau r, Untersuchungen über Pteropoden und Heteropoden.
Leipzig 1855.
Cepbalopoden. Noch ehe die Furchung eintritt,
während die Eier im Eierstock von ihren Kapseln um-
geben sind, beobachtet man merkwürdige, nach den ver-
schiedenen Familien abweichende Faltungen der
Dotterhaut. Die Furchung ist eine partielle, be-
schränkt auf den spitzen Eipol, gewöhnlicli etwas zur Seite.
Die Anlage des Embryos beginnt nicht mit einer
allseitigen Keimschicht. Es bildet sich zuerst, flach auf
dem Dotter aufliegend, der hintere Theil des Körpers,
nämlich der Mantel, und an diesem Embryonaltheil ent-
384 IV. Abschn. Das Fortpflauzungssystem.
stehen nach allen Seiten hin die anderen Organe, aus
den inneren Schichten vorzugsweise die vegetativen, aus
den äusseren die animalen , ohne dass sich die einen und
die anderen durch besondere Lage und Reihenfolge
trennten. So erblickt man gleich nach dem Mantel die
Augen, sowie die weit von einander entfernten Hälften
des Trichters. Es erscheinen ferner die Knorpel
des Mantelschlosses, die Kiemen, die ersten
Armpaare, Alles flach auf dem Dotter um den Mantel,
als Centrum, ausgebreitet.
Indem aber in der Folge ein Kopftheil des Embryos
und ein über demselben sich erhebender Rumpf- oder
Manteltheil sich strenger scheiden , schnürt sich der Em-
bryo durch näheres Aneinandertreten seiner bisher peri-
pherischen Theile mehr und mehr vom Dotter ab, so je-
doch, das er zugleich eine Dotterpartie in einem, von
der innersten Lage des centralen Keimes gebildeten inne-
ren Dottersacke in sich aufnimmt. Der äussere Dotter-
sack, gebildet dadurch, dass der peripherische Theil des
Keimes den Dotter umwächst, und bedeutend grösser als
der Embryo, hängt am Kopfe desselben. Er schwindet,
indem sein Inhalt nach und nach in den inneren Dotter-
sack übergeht und von da aus verbraucht wird.
Der Anknüpfungspunkte mit der Entwicklung der
übrigen Mollusken sind höchst wenige; ja es sind nur die
Limacinen, die sich in einigen nicht unwichtigen Momen-
ten an die Cephalopoden anschliessen. Auch sie legen
einen Primitivtheil an , besitzen einen äusseren und einen
mit diesem zusammenhängenden inneren Dottersack, end-
lich entsteht bei beiden der Darmcanal ohne unmittelbare
Benutzung des inneren Dottersackes.
Kolliker, Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. 1844.
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